Alarmsignale
Erdrutsch an den Börsen - Segel auf Sturm gesetzt oder Übertreibung?
Die Aktienkurse stürzen ab, auch die Anleihen- und Rohstoffmärkte senden deutliche Alarmsignale. Das lässt nichts Gutes erahnen: Stehen wir am Rand einer neuen Weltwirtschaftskrise?
Um seine düsteren Untergangsszenarien zu untermauern, muss der Crashprophet das sprichwörtliche Haar in der Suppe suchen. Weil das oftmals alles andere als leicht ist, beherrscht nicht jeder die hohe Kunst der Crashprophezeiungen. Allerdings wird der Berufsstand der Crashpropheten in diesen Tagen von einer schweren Krise erschüttert: Es gibt zu viele Alarmsignale.
Statt nach dem Haar in der Suppe müsste man derzeit wohl eher die Suppe in dem Berg von Haaren suchen. Zu deutlich, zu offensichtlich sind die Vorboten, die nichts Gutes verheißen. Nein, man muss wahrlich kein Crashprophet sein, um in diesen Tagen die Alarmsignale zu deuten. Die Zeichen stehen auf Crash.
Europas Börsen deutlich im Minus – Athen stürzt ab
Die Kursverluste an den europäischen Börsen kamen gestern einem Erdrutsch gleich. Der EuroStoxx 50 büßte 3,61 Prozent ein – laut dpa-AFX der größte prozentuale Tagesverlust seit Juni 2013. Damit rangierte der Leitindex der Eurozone mit 2892,55 Punkten auf dem tiefsten Stand seit rund einem Jahr. Der deutsche Leitindex Dax fiel ebenfalls auf ein neues Jahrestief und auch die Börsen in Paris und London schlossen deutlich im Minus.
Am schlimmsten traf es den Athener Leitindex ASE, der in der Spitze um 10,1 Prozent abstürzte und am Ende einen Verlust von über sechs Prozent hinnehmen musste. Verantwortlich dafür sind dem „Business Insider“ zufolge zwei Faktoren: Zum Einen erfreut sich der Anführer der linken Opposition, Alexis Tsipras, immer größerer Beliebtheit. Das schürt an den Märkten die Angst, Tsipras könnte bei einem Machtwechsel auf Konfrontationskurs mit der Eurozone gehen. Viel entscheidender dürfte jedoch zum anderen die wachsende Sorge sein, dass Griechenland im Falle eines vorzeitigen Abschlusses der internationalen Hilfsprogramme Finanzierungsprobleme bekommen könnte. Die Renditen für zehnjährige griechische Staatsanleihen nähern sich inzwischen wieder langsam aber sicher der 8-Prozent-Marke.
Märkte senden deutliche Alarmsignale
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Interpretiere man die Kursbewegungen der vergangenen 48 Stunden, dann stehe die Welt vor einer Großen Depression, warnt die „Welt“. Demnach ließen nicht nur die Turbulenzen auf den Aktien- und Anleihenmärkten Böses erahnen, auch die Rohstoff- und Kreditmärkte kündeten von Unheil.
Je unsicherer die Zeiten, desto mehr Anleger gehen lieber auf Nummer sicher und parken ihr Geld in sicheren Häfen. In den vergangenen Tagen flüchteten sich immer mehr Investoren in Staatsanleihen bester Bonität. Ein klares Zeichen dafür, dass sich ein Unwetter zusammenbraut. Die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen seien mit 0,72 Prozent auf einem Niveau, das unmissverständlich auf eine Depression schließen lasse, meint die „Welt“. Auch die Edelmetalle, wie zum Beispiel Gold, sind wieder gefragt.
Die weltweiten Konjunktursorgen waren auch auf dem Ölmarkt deutlich spürbar. So fiel der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent am Mittwoch auf den tiefsten Stand seit knapp vier Jahren. Andere Rohstoffe wie Kupfer gaben ebenfalls nach und schüren damit die Angst vor einer Depression.
Ohrfeige oder neue Weltwirtschaftskrise?
Für die „Welt“ sind die heftigen Turbulenzen auf den Märkten ein Zeichen dafür, dass sie den Notenbanken nicht mehr zutrauen, den Kollaps in Eigenregie abwenden zu können (Lesen Sie hierzu auch: Sind Notenbanker und Politiker mit ihrem Latein am Ende?). Insbesondere die gesunkenen Inflationserwartungen, maßgeblich für die Entscheidungen von Anlegern und Verbrauchern, seien ein „krasses Misstrauensvotum“ und „eine Ohrfeige für die EZB-Politik“.
Aber wie sind die Zeichen denn nun zu deuten? Kündigen sie wirklich von einer Wiederkehr der Euro-Krise bzw. gar einer neuen Weltwirtschaftskrise? Oder sollten wir uns von den Märkten nicht beunruhigen lassen, wie Julian Jessop, Ökonom bei Capital Economics, versucht zu beschwichtigen? Seiner Meinung nach würden die Märkte übertreiben, die schlechte Stimmung passe nicht zur ökonomischen Lage. Christopher Whalen, Partner bei Harvest Partners, hält laut „Welt“ die derzeitigen Turbulenzen für einen Versuch der Märkte, sich gegen die Notenbanken zu wehren, da diese die Märkte mit ihren Eingriffen in hohem Maße manipulieren würden. Eine erneute Krise ausschließen will aber auch er nicht.
Sind die Märkte nur nervös oder ahnen sie tatsächlich Böses? Vielleicht müsste man doch ein Crashprophet sein, um das beantworten zu können.