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    Ist die ricardianische Äquivalenz eine Kritik an der keynsianischen Wirtschaftspolitik? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 06.06.12 03:19:42 von
    neuester Beitrag 27.06.12 10:55:41 von
    Beiträge: 9
    ID: 1.174.693
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      schrieb am 06.06.12 03:19:42
      Beitrag Nr. 1 ()
      Hallo liebe Community!

      ich habe gelesen, dass ein Staat gemäß John Maynard Keynes in einem wirtschaftlichen Abschwung die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen soll,
      indem z.B. Steuersenkungen ermöglicht werden. Außerdem soll der Staat noch "defecit spending" betreiben, so dass Konjunkturprogramme, die die Nachfrage erhöhen, durch Kredite finanziert werden, welche später in Zeiten des Aufschwungs durch Steuererhöhungen abbezahlt werden.

      Wenn ich die Theorien richtig verstanden habe, so heißt es doch bei der ricardianischen Äquivalenz, dass Steuersenkungen von heute nicht zu einem Konsumzuwachs führen, weil die Wirtschaftssubjekte wissen, dass die erhöhten Ausgaben durch Steuersenkungen später durch Steuererhöhungen ausgeglichen werden müssen. Deswegen sparen die Wirtschaftssubjekte.

      Also sparen die Wirtschaftssubjekte trotz Steuersenkungen, so dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs nicht erhöht wird, was wiederum eine erhöhte Staatsverschuldung aufgrund der fehlenden späteren Rückzahlungen der Kredite zur Folge hat. Ist diese Folgerung so richtig?

      Kann man dann die ricardianische Äquivalenz als einen Kritikpunkt der keynsianischen Wirtschaftspolitik verstehen?

      Vielen Dank im Voraus für Eure Antworten!

      Ich wünsche euch noch einen schönen Tag :)

      Liebe Grüße

      Sabrina
      Avatar
      schrieb am 06.06.12 04:53:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      Meines Erachtens funktioniert "keynsianische Wirtschaftspolitik" tatsaechlich. Deficit spending hilft erwiesenermassen Wirtschaftskrisen abzumildern und schneller zu ueberwinden.

      Dummerweise beherzigen Politiker im Allgemeinen nur den halben Keynes. Das Geld ausgeben auf Pump in der Krise klappt meist wie geschmiert, nur das Sparen und Schulden Zurueckzahlen in den Boomphasen, das kriegen die wenigsten hin. Und so fuehrt eine halbe "keynsianische Wirtschaftspolitik" ueber kurz oder lang meistens dazu, dass sich immer hoehere staatliche Schuldenberge auftuermen.
      Avatar
      schrieb am 06.06.12 06:48:48
      Beitrag Nr. 3 ()
      Zwei, die nicht schlafen konnten ..
      Avatar
      schrieb am 06.06.12 10:03:02
      Beitrag Nr. 4 ()
      #1, Sabrina,

      nein; es kann aus logischen Gründen keine Kritik an Keynes sein; denn Ricardo lebte über 100 Jahre vor Keynes.;)

      Ricardos obige Annahme ist falsch. Diese unterstellt, dass die Wirtschaftssubjekte auf die Befriedigung von Bedürfnissen trotz höherer frei verfügbarer Mittel verzichten. Dabei geht er von gleichgeschalteten Denkstrukturen (gleichartigem Menschenbild) aus, und vernachlässigt die unterschiedlichen Bedürfnisse, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Wirtschaftssubjekte; ihre Einschätzung der zukünftigen persönlichen wirtschaftlichen Entwicklung; die ja nicht nur von der Höhe der Steuern oder dem Zeitpunkt der Entlastung/Belastung abängt.

      Keynes geht von einem selbsttragenden Aufschwung nach staatlichen Konjunkturspritzen aus; zu seiner Zeit keine falsche Theorie. Heute sind die Märkte vieler Staaten saturiert; der Grenznutzen der Güter nimmt dabei kontinuierlich ab. Damit die Aussicht; dass der Staat seine monetären Investitonen an anderer Stelle wieder einnimmt. Das betrifft besonders Infrastrukturprojekte, die neben der eigentlichen Investition noch zusätzliche Folgekosten verursachen.

      In der Praxis führt das zur immer höheren Verschuldung der öffentlichen Haushalte; da die Staaten die Profiteure der öffentlichen Investitionen (Konzerne; geldgebende Investoren) immer stärker aus der Verantwortung zum Gemeinwohl entlässen; und Finanzmittel dort eintreiben müssen, wo noch großer Konsumbedarf herrscht. Der dann zu einem großen Teil über Kredite befriedigt wird und in immer höheren Privatverschuldungen mündet.

      Grundsätzlich muss sowohl bei Ricayrdo als auch bei Keynes u.a. Ökonomen, immer das damals herrschende Umfeld und Rahmenbedingungen für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft als Basis ihrer Theorien gesehen werden..Das lässt sich nicht so ohne weiteres auf die Gegenwart projizieren. Was leider immer wieder versucht und auch umngesetzt wird; logischerweise aber nicht funktionieren kann.;)
      1 Antwort
      Avatar
      schrieb am 26.06.12 15:29:31
      Beitrag Nr. 5 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 43.254.273 von derdieschnautzelangsamvollhat am 06.06.12 10:03:02Wow, was für ein guter Beitrag. :) Da spricht jemand, der sich auskennt.

      Die Ricardianische Äquivalenz ist schon älter. Sie wurde als Reaktion auf Keynes von den "Neuklassikern" wiederentdeckt.

      Wikipedia sagt dazu: "Dieses Konzept wurde zuerst im 19. Jahrhundert formuliert und kürzlich wieder von Robert Barro aufgegriffen und popularisiert, daher wird in der Literatur auch von Barro-Ricardo-Äquivalenzproposition gesprochen."

      Während das Theorem logisch ist, verkennt es doch die Natur des Menschen. Und der Mensch ist oft nicht logisch. Zumindest nicht im engen Sinne des Homo Ökonomikus.

      @Keynessche Politik: Schulden machen = ein Wechsel auf die Zukunft.
      Ist die Zukunft gut, macht das Sinn, ist die Zukunft schlecht, leider nicht.

      Stimme hier also dem Vorposter zu. In langfristig guten Zeiten hilft Keynes deficit spending. Sozusagen um durch Gasgeben einen "bump in the road" zu durchfahren.

      Wenn die Lage aber langfristig schlecht ist = strukturelle Probleme, dann kapieren die Wirtschaftsteilnehmer, das es sich um eine Pseudo-Lösung handelt und halten ihr Geld zusammen.

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      Avatar
      schrieb am 26.06.12 21:32:23
      Beitrag Nr. 6 ()
      bbrand;

      Wenn die Lage aber langfristig schlecht ist = strukturelle Probleme, dann kapieren die Wirtschaftsteilnehmer, das es sich um eine Pseudo-Lösung handelt und halten ihr Geld zusammen.

      ich widerspreche dir :laugh:, Keynes verkennt in seinem Theorem den Menschen ebenso wie Ricardo oder Smith als denk- und motivstatisches Individuum. Der homo eoconomicus war auch "seiner". Deshalb meine Hinweis, dass sich die Menschen lieber verschulden; denn zum Sparen reicht es bei den meisten gar nicht mehr.
      Also würde das heute Richtung US-Verhältnisse mit durchschnittlich 50 000$ pro Nase Privatverschuldung laufen...plus der zusätzlichen Verschuldung durch Investitions/Wachstumsprogramme die aber immer wieder verpuffen.
      Für Schwellenländer ist das eher erfolgreich; siehe Türkei über die letzten 20 jahre. Irgendwann kommt die Überhitzung und der Rückfall auch dort.


      M.E. ist die Statik der volkswirtschaftlichen Basisannahmen das eigentliche Problem, manche Erklärungsmodelle wie der neoklassiche sind geradezu krank. Die nehmen auch noch bei 10 Mio. fehlenden Arbeitsplätzen an, jeder würde Arbeit finden. Oder je geringer der Lohn und höher die Unternehmensgewinne,, desto mehr investieren die Unternehmen und schaffen Arbeitsplätze...wenn nicht; kommen die Malthusianer und schreien nach Lager oder workfare, damits wieder wahr wird.
      Bei den klassischen Basisannahmen (Keynes inkl.; ich seh das nicht so eng wissenschaftlich;)) kommen neben dem heutigen multiplexen Menschen weder Finanzmärkte samt Spekulationen und vor allem nicht das gewaltige Wirkungspotential vor, noch Oligopole, Intransparenz, Ungleichgewichte, Saturierung, oder vollkommen offene Systeme wie heute, die nicht nur dynamisch in selbst sind, sondern noch zusätzlich mal mehr, mal weniger Beziehungsdynamik mit anderen Faktoren auslösen..;)
      Avatar
      schrieb am 26.06.12 22:33:03
      Beitrag Nr. 7 ()
      dementsprechend wirkungslos in Richtung Staatsschuldenabbau sind anschließend die Lösungsansätze beider Hauptströmungen. Änderungen daran sind motivgetrieben; um den status quo für Wenige aufrecht zu erhalten oder weiter auszubauen.. Den Gruppen, die auf Änderungen über ihre wirtschftlich/ökonomische Stärke und Beziehungen zu den formellen Machthabern und Sprachrohre den größten Einfluss nehmen können, ist die Höhe der Staatschulden ziemlich egal. Und unsere Parteien zu schwach, aber noch stark genug um "die Masse" dafür verantwortlich zu machen. Oder die Türken, Arbeitslose, den Iran, das Klima, oder die Ratingagenturen.:laugh:

      wenn diese Gegenwart mal zur Vergangenheit wird, gibts wohl einigen Stoff aufzuarbeiten.:D
      Avatar
      schrieb am 27.06.12 01:12:25
      Beitrag Nr. 8 ()
      Puh, das sind ganz schön viele Aussage auf einmal.

      Also wenn ich es richtig sehe, lehnst du:
      - homo ökonomicus
      - Neoklassik und supply-side economics
      - keynes deficit spending
      alles ab.

      Aber was ist die Alternative?
      Ich gebe dir Recht. Macht(un)gleichgewichte, Spekulation, und Dynamik werden oft ungenügend betrachtet.

      Aber es gibt Theorien, die abbilden, was du bemängelst :
      Machtungleichgewichte: Marx, teilweise die klassische Mikroökonomie
      Spekulation: Marx (asaik)
      Dynamik: die Reflexivitätstheorie von Soros, die Dominotheorie (fällt Gr, fällt Spanien, ...), und die Systemtheorie a la Malik, Dietrich Dörner, Frederic Vester, aber auch vieles von Schumpeter

      Ich hatte an anderer Stelle auch mal gesagt, das es imo um das Zusammenwirken von Fundamentals, Trends und Interessen geht.
      Leider hören die meisten Leute aber liebe simple Lösungen.

      Trotzdem noch mal meine Frage. Wie sollte man es politisch denn deiner Meinung nach machen?
      Avatar
      schrieb am 27.06.12 10:55:41
      Beitrag Nr. 9 ()
      bbrand,

      am Anfang muss endlich die Erkenntnis stehen, dass eine VW nicht mehr in Richtung Schuldenabbau steuerbar ist, wenn das Macht- und Einflusspotential außerhalb der formellen Machtrollen bei einer Gruppe liegt, die über ihre Macht und Einflüsse eine oder mehrere VW zum eigenen und Zweck der Klientelbefriedigung lenkt oder zumindest dazu in der Lage ist; dabei Regeln umgeht und durch unsere formelle Gesetzgebung dabei noch unterstützt wird.

      De facto spielen Externe Kapitän und Steuermann, unsere Politiker anerkennen ihre Matrosenrolle und rudern brav nach Anweisung. Glauben, wenn sie ein größeres Boot bauen und Politiker aus anderen Ländern mitrudern lassen; würde das etwas ändern Gegen die externen Kapitäne und Offiziere müßte gemuetert werden, auf eine Insel aussetzen, um selbst wieder Kapitän auf dem eigenen Boot sein zu können..:D


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