Merrill Lynch entschädigt Infospace-Anleger - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 23.07.01 15:01:28 von
neuester Beitrag 10.08.01 14:03:03 von
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Zappte mich Freitag nacht durch amerikanische Börsenberichterstattung und entdeckte einen Bericht über einen amerikanischen Arzt der durch einen Anwalt Merrill Lynch wegen eines 500.000 $-Verlustes bei der Aktie INSP mit einer Klage gedroht hat. Es wurde angedeutet, daß es einen rechtlich relevanten und kausalen Zusammenhang zwischen den völlig überzogenen Empfehlungen von Henry Blodget und einer Beteiligung von Merrill Lynch als Investmentbank bei GNET-INSP-Deal gab.
Merrill Lynch hat angabegemäß nach Verhandlungen mit dem Rechtsanwalt einen Vergleich geschlossen und dem Arzt 400.000 $-Entschädigung für seinen Insp-Kursverlust gezahlt!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Hat jemand von Euch weitere oder präzisere Infos?
Gruß
Praetorius
Merrill Lynch hat angabegemäß nach Verhandlungen mit dem Rechtsanwalt einen Vergleich geschlossen und dem Arzt 400.000 $-Entschädigung für seinen Insp-Kursverlust gezahlt!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Hat jemand von Euch weitere oder präzisere Infos?
Gruß
Praetorius
Gab da vor einigen Tagen `mal `nen Thread drüber,
kann auch die dpa-Meldung im Thread von
Germanasti gewesen sein, aber im Grunde haste alles gesagt.
Stani
kann auch die dpa-Meldung im Thread von
Germanasti gewesen sein, aber im Grunde haste alles gesagt.
Stani
Hab ihn doch noch gefunden !
Wenn dieses Beispiel Schule machen sollte,tja dann kanns wirklich noch heiter werden.
Merrill Lynch einigt sich mit Anleger
Weil er sich auf die Empfehlung eines Merrill-Lynch-Analysten verlassen und rund eine
halbe Million Dollar verloren hatte, erhält ein Anleger 400 000 Dollar Abfindung. Die
Finanzwelt fürchtet die Folgen.
New York. wpf. Das weltweit führende Maklerunternehmen Merrill Lynch hat die Klage eines
Investoren, der auf Grund einer Aktienempfehlung des bekannten Analysten Henry Blodget
eine halbe Million Dollar verloren hatte, aussergerichtlich beigelegt. Im Rahmen einer
Schiedsvereinbarung wird Merrill Lynch den Arzt Debases Kanjilal für seinen Verlust mit 400 000
Dollar abfinden.
Die Entscheidung könnte anderen Investoren, die an der Börse Geld verloren haben, den Mund
wässrig machen, warnten Experten.
«Es ist so, als stellte man für eine streunende Katze einen Teller warme Milch vor die Tür», sagte
der Rechtsprofessor John Coffey von der Columbia University. «Am nächsten Morgen kommen 30
andere miauende Katzen. Andere Investoren werden ermuntert, für ihre Verluste die Gerichte
einzuschalten». Kanjilal behauptete in seiner im März bei der New York Stock Exchange
eingebrachten Beschwerde, er sei Blodgets Ratschlag gefolgt. Der hätte den Internetwert InfoSpace
deshalb zum Kauf empfohlen, weil er für Merrill Lynch ein Bombengeschäft witterte. Er, Kanjilal,
habe hierdurch 500 000 Dollar verloren.
Kanjilal hatte etwa 4600 InfoSpace-Aktien bei Kursen zwischen 122 und 133 Dollar pro Anteil
gekauft. Als die Titel im Mai 2000 auf 65 Dollar abgestürzt waren, hätte er auf Anraten seines
Maklers nicht verkauft. Der Makler, Michael Healy, hätte ihm versichert, Blodget habe ein Kursziel
von 100 Dollar vorgegeben. Schiedsvereinbarungen schaffen zwar nach amerikanischem Recht
keine Präzedenzfälle, doch Coffey und andere Experten glauben, Merrill Lynch habe damit den Weg
für Gerichtsverfahren durch Investoren geebnet, die sich vor allem mit Technologieaktien die Finger
verbrannt haben. Der Brokerbranche wird allgemein vorgeworfen, bei potenziellen
Interessenkonflikten zu wenig Transparenz zu zeigen, wie beispielsweise bei lukrativen
Geschäftsverbindungen zwischen ihnen und den Unternehmen, deren Aktien sie zum Kauf
empfehlen.
Wochenlang hatte Merrill Lynch behauptet, Blodget habe sich nichts zu Schulden kommen lassen
und dass sich die Firma mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Beschwerde zur
Wehr setzen werde. Jetzt gab Merrill Lynch folgende Erklärung ab: «Die Angelegenheit wurde
geschlichtet, um Kosten zu sparen und die Ablenkung durch einen in die Länge gezogenen Prozess
zu vermeiden.»
Viele prominente Analysten hatten im vergangenen Jahr Technologiewerte noch zu einer Zeit
angepriesen, als der Technologiemarkt bereits zusammengebrochen war. Die Investoren, die den
Empfehlungen gefolgt waren, sitzen heute vor einem Scherbenhaufen. Der damals von einer Aura
der Unfehlbarkeit umgebene 35 Jahre alte Blodget steht im Mittelpunkt der Kontroverse. Immer
wieder stellte sich Merrill Lynch hinter ihren Staranalysten. Die Beschwerde sei «unbegründet» und
Blodgets Aktienforschung sei hierdurch in keiner Weise kompromittiert.
Blodget wurde im November 1998 mit seiner Kaufempfehlung für den Online-Buchhändler
Amazon.com berühmt. Er gab ein Kursziel von 400 Dollar pro Aktie vor. Amazon wurden zu der Zeit
bei 240 Dollar gehandelt. Der Kurs kletterte binnen vier Wochen über Blodgets Kursziel hinaus.
Blodget wurde zum Liebling der New Economy gekürt.
Stani
Wenn dieses Beispiel Schule machen sollte,tja dann kanns wirklich noch heiter werden.
Merrill Lynch einigt sich mit Anleger
Weil er sich auf die Empfehlung eines Merrill-Lynch-Analysten verlassen und rund eine
halbe Million Dollar verloren hatte, erhält ein Anleger 400 000 Dollar Abfindung. Die
Finanzwelt fürchtet die Folgen.
New York. wpf. Das weltweit führende Maklerunternehmen Merrill Lynch hat die Klage eines
Investoren, der auf Grund einer Aktienempfehlung des bekannten Analysten Henry Blodget
eine halbe Million Dollar verloren hatte, aussergerichtlich beigelegt. Im Rahmen einer
Schiedsvereinbarung wird Merrill Lynch den Arzt Debases Kanjilal für seinen Verlust mit 400 000
Dollar abfinden.
Die Entscheidung könnte anderen Investoren, die an der Börse Geld verloren haben, den Mund
wässrig machen, warnten Experten.
«Es ist so, als stellte man für eine streunende Katze einen Teller warme Milch vor die Tür», sagte
der Rechtsprofessor John Coffey von der Columbia University. «Am nächsten Morgen kommen 30
andere miauende Katzen. Andere Investoren werden ermuntert, für ihre Verluste die Gerichte
einzuschalten». Kanjilal behauptete in seiner im März bei der New York Stock Exchange
eingebrachten Beschwerde, er sei Blodgets Ratschlag gefolgt. Der hätte den Internetwert InfoSpace
deshalb zum Kauf empfohlen, weil er für Merrill Lynch ein Bombengeschäft witterte. Er, Kanjilal,
habe hierdurch 500 000 Dollar verloren.
Kanjilal hatte etwa 4600 InfoSpace-Aktien bei Kursen zwischen 122 und 133 Dollar pro Anteil
gekauft. Als die Titel im Mai 2000 auf 65 Dollar abgestürzt waren, hätte er auf Anraten seines
Maklers nicht verkauft. Der Makler, Michael Healy, hätte ihm versichert, Blodget habe ein Kursziel
von 100 Dollar vorgegeben. Schiedsvereinbarungen schaffen zwar nach amerikanischem Recht
keine Präzedenzfälle, doch Coffey und andere Experten glauben, Merrill Lynch habe damit den Weg
für Gerichtsverfahren durch Investoren geebnet, die sich vor allem mit Technologieaktien die Finger
verbrannt haben. Der Brokerbranche wird allgemein vorgeworfen, bei potenziellen
Interessenkonflikten zu wenig Transparenz zu zeigen, wie beispielsweise bei lukrativen
Geschäftsverbindungen zwischen ihnen und den Unternehmen, deren Aktien sie zum Kauf
empfehlen.
Wochenlang hatte Merrill Lynch behauptet, Blodget habe sich nichts zu Schulden kommen lassen
und dass sich die Firma mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Beschwerde zur
Wehr setzen werde. Jetzt gab Merrill Lynch folgende Erklärung ab: «Die Angelegenheit wurde
geschlichtet, um Kosten zu sparen und die Ablenkung durch einen in die Länge gezogenen Prozess
zu vermeiden.»
Viele prominente Analysten hatten im vergangenen Jahr Technologiewerte noch zu einer Zeit
angepriesen, als der Technologiemarkt bereits zusammengebrochen war. Die Investoren, die den
Empfehlungen gefolgt waren, sitzen heute vor einem Scherbenhaufen. Der damals von einer Aura
der Unfehlbarkeit umgebene 35 Jahre alte Blodget steht im Mittelpunkt der Kontroverse. Immer
wieder stellte sich Merrill Lynch hinter ihren Staranalysten. Die Beschwerde sei «unbegründet» und
Blodgets Aktienforschung sei hierdurch in keiner Weise kompromittiert.
Blodget wurde im November 1998 mit seiner Kaufempfehlung für den Online-Buchhändler
Amazon.com berühmt. Er gab ein Kursziel von 400 Dollar pro Aktie vor. Amazon wurden zu der Zeit
bei 240 Dollar gehandelt. Der Kurs kletterte binnen vier Wochen über Blodgets Kursziel hinaus.
Blodget wurde zum Liebling der New Economy gekürt.
Stani
Danke Stani
Konflikte: Zwei Herren und ein Analyst
Von Norbert Kuls
Seit die Börsenhausse vorbei ist, entlädt sich der Ärger der Anleger an den Aktienanalysten der Investmentbanken. Das ist in Deutschland so, weil die Kurse am Neuen Markt eingebrochen sind. Das ist auch in Amerika so, weil Anleger, die auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie den zahlreichen Kaufempfehlungen folgten, eine Menge Geld verloren haben. In einer Börsenphase, wo einzig der Rat zum Verkauf die Rettung für die Anleger gewesen wäre, gab es solchen Rat kaum. Nur ein Prozent aller Analysen an der Wall Street rieten den Anlegern, sich von den überbewerteten Papieren zu trennen.
Führende amerikanische Investmenthäuser versuchen daher jetzt, das verlorene Vertrauen der Anleger wiederzugewinnen. Fast alle überprüfen derzeit ihre Statuten für die Aktienanalyse. In der Branche herrscht hohe Nervosität. Denn im prozeßverliebten Amerika drohen Klagen um hohe Summen. Die Investmentbank Merrill Lynch hat sich bereits außergerichtlich mit einem Anleger geeinigt, der wegen einer Fehlprognose des ehemals hochgelobten Internet-Analysten Henry Blodget eine halbe Million Dollar verloren hatte. Merrill Lynch ersetzte dem Kunden seinen Verlust fast vollständig. Wenn dieses Beispiel Schule machen sollte, wird das für die Banken teuer. Das ist keine schöne Aussicht in einer Zeit, in der die Gewinne wegen der schwachen Börsen ohnehin unter Druck sind. Einen guten Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen derartige Schlagzeilen nicht.
Also kündigte Merrill Lynch an, daß Analysten keine Aktien von Unternehmen mehr besitzen dürfen, die sie bewerten. Das soll eine größere Unabhängigkeit der Analysten gewährleisten. Zudem will der amerikanische Verband der Wertpapieranalysten die Regeln verschärfen. Die Analysten, die Börsenkurse stark bewegen können, sollen deutlicher auf die Eigeninteressen der Investmentbanken hinweisen - etwa auf deren Geschäftsbeziehungen mit den bewerteten Unternehmen. Früher waren diese Hinweise nur im Kleingedruckten versteckt. Auch im Fernsehen soll über mögliche Interessenkonflikte informiert werden, wenn Analysten Empfehlungen in populären Börsensendungen abgeben. Die Börsenaufsicht SEC und der amerikanische Kongreß überlegen auch, wie die Unabhängigkeit der Empfehlungen verstärkt werden kann.
Deutlichere Hinweise auf Eigeninteressen oder der Verkauf von Aktien aus den Depots der Analysten schaden sicherlich nicht. Es berührt aber nicht den Kern des Problems - den nicht nur denkbaren Widerspruch zwischen den Geschäftsinteressen der Bank und der Unabhängigkeit der Analysten. In einer Bank, die Geschäfte mit den bewerteten Unternehmen unterhält, wird kritische Unabhängigkeit für die Bank zum Problem. Die Aufgabe der Analysten besteht dort nicht ausschließlich darin, Anlegern einen möglichst guten Aktientip zu geben. Sie spielen vielmehr eine wichtige Rolle als Türöffner für die lukrativen Geschäfte des Investmentbanking, wie der Beratung bei Fusionen und Übernahmen (M&A) oder bei Börsengängen. Gerade die angelsächsischen Häuser sind dafür bekannt, daß sie Aktien hochjubeln, um Aufträge für M&A-Geschäfte zu bekommen. Analysten werden damit zu einer Art Vertriebsunterstützung für die Investmentsparte - und das wird gut bezahlt.
Privatanleger, die dieser Sorte Kaufempfehlung glauben, gehen allerdings ein hohes Risiko ein. Zwar gibt es die sogenannten "chinesischen Mauern" zwischen den Analyse-Abteilungen und den Investmentbankern. Die sollen Unabhängigkeit garantieren, wirken oft aber reichlich durchlässig. Denn will ein Analyst eine Aktie zum Verkauf empfehlen, wird er sich zweimal überlegen, ob er damit nicht den Interessen seines Arbeitgebers schadet. Immerhin will ein Analyst auch im eigenen Unternehmen überleben und seine Karriere nicht beenden - das ist allzu menschlich. Zudem machen sich Analysten durch Verkaufsempfehlungen bei den Unternehmen unbeliebt, über die sie berichten. Zu groß ist die Angst, danach vom Informationsfluß abgeschnitten zu werden. Ist die Geschäftsbeziehung des Unternehmens mit der Investmentbank eng genug, kann es den Analysten den Kopf kosten. Es finden sich genug Beispiele selbst von prominenten Analysten, die entlassen wurden, nachdem sie zu oft zum Verkauf geraten hatten. So verlor Michael Mayo von der Investmentbank Credit Suisse First Boston seine Stelle, nachdem er den Verkauf vieler amerikanischer Bankentitel empfohlen hatte. Der Mann, immerhin der zweitbeste Analyst der Branche, fand danach mehrere Monate keinen Job an der Wall Street - obwohl er Anlegern eine Menge Verluste ersparte. Diese Botschaft der Investmentbanken an den unabhängigen Geist Mayo ist in der Szene sicherlich verstanden worden.
Wirkliche Unabhängigkeit könnte es nur geben, wenn es Brokerhäusern untersagt wäre, auch M&A-Geschäfte zu machen. Investmentbanking ist und bleibt eine Achillesferse für unabhängige Analyse. Da eine derartige Trennung kaum denkbar ist, bleibt Privatanlegern nur übrig, bei ihrer Anlageentscheidung auf Analysen zurückzugreifen, die entweder von Brokerhäusern ohne Investmentbanking-Sparte verfaßt wurden - oder von Unternehmen, die sich ausschließlich auf die Marktforschung konzentrieren. Beide bieten eine größere Garantie für unabhängige Urteile. Im Fall der Broker dienen die Analysen nur dazu, Aktienumsatz zu generieren. Brokerhäuser leben von den Provisionen für die Aufträge. Eine Verkaufsempfehlung sorgt dabei nicht für weniger Umsatz als eine Kauforder. Reine Research-Häuser wie etwa die Kreditbewertungsagentur Standard & Poor`s verkaufen ihre Analysen - im Gegensatz zu den Investmentbanken. Sie müssen kritische Qualität bieten, sonst kauft sie irgendwann keiner mehr.
Es gibt in Amerika bereits Broker, die kritische Analyse als Mittel zum Marketing nutzen - ein deutliches Zeichen, wie sehr die Stimmung gedreht hat. Das Wertpapierhaus Prudential Securities ist so ein Beispiel. Die stellten stolz den bei Credit Suisse in Ungnade gefallenen Michael Mayo ein. Vom Investmentbanking hatte sich das Haus vorher allerdings verabschiedet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.07.2001, Nr. 173 / Seite 11
Von Norbert Kuls
Seit die Börsenhausse vorbei ist, entlädt sich der Ärger der Anleger an den Aktienanalysten der Investmentbanken. Das ist in Deutschland so, weil die Kurse am Neuen Markt eingebrochen sind. Das ist auch in Amerika so, weil Anleger, die auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie den zahlreichen Kaufempfehlungen folgten, eine Menge Geld verloren haben. In einer Börsenphase, wo einzig der Rat zum Verkauf die Rettung für die Anleger gewesen wäre, gab es solchen Rat kaum. Nur ein Prozent aller Analysen an der Wall Street rieten den Anlegern, sich von den überbewerteten Papieren zu trennen.
Führende amerikanische Investmenthäuser versuchen daher jetzt, das verlorene Vertrauen der Anleger wiederzugewinnen. Fast alle überprüfen derzeit ihre Statuten für die Aktienanalyse. In der Branche herrscht hohe Nervosität. Denn im prozeßverliebten Amerika drohen Klagen um hohe Summen. Die Investmentbank Merrill Lynch hat sich bereits außergerichtlich mit einem Anleger geeinigt, der wegen einer Fehlprognose des ehemals hochgelobten Internet-Analysten Henry Blodget eine halbe Million Dollar verloren hatte. Merrill Lynch ersetzte dem Kunden seinen Verlust fast vollständig. Wenn dieses Beispiel Schule machen sollte, wird das für die Banken teuer. Das ist keine schöne Aussicht in einer Zeit, in der die Gewinne wegen der schwachen Börsen ohnehin unter Druck sind. Einen guten Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen derartige Schlagzeilen nicht.
Also kündigte Merrill Lynch an, daß Analysten keine Aktien von Unternehmen mehr besitzen dürfen, die sie bewerten. Das soll eine größere Unabhängigkeit der Analysten gewährleisten. Zudem will der amerikanische Verband der Wertpapieranalysten die Regeln verschärfen. Die Analysten, die Börsenkurse stark bewegen können, sollen deutlicher auf die Eigeninteressen der Investmentbanken hinweisen - etwa auf deren Geschäftsbeziehungen mit den bewerteten Unternehmen. Früher waren diese Hinweise nur im Kleingedruckten versteckt. Auch im Fernsehen soll über mögliche Interessenkonflikte informiert werden, wenn Analysten Empfehlungen in populären Börsensendungen abgeben. Die Börsenaufsicht SEC und der amerikanische Kongreß überlegen auch, wie die Unabhängigkeit der Empfehlungen verstärkt werden kann.
Deutlichere Hinweise auf Eigeninteressen oder der Verkauf von Aktien aus den Depots der Analysten schaden sicherlich nicht. Es berührt aber nicht den Kern des Problems - den nicht nur denkbaren Widerspruch zwischen den Geschäftsinteressen der Bank und der Unabhängigkeit der Analysten. In einer Bank, die Geschäfte mit den bewerteten Unternehmen unterhält, wird kritische Unabhängigkeit für die Bank zum Problem. Die Aufgabe der Analysten besteht dort nicht ausschließlich darin, Anlegern einen möglichst guten Aktientip zu geben. Sie spielen vielmehr eine wichtige Rolle als Türöffner für die lukrativen Geschäfte des Investmentbanking, wie der Beratung bei Fusionen und Übernahmen (M&A) oder bei Börsengängen. Gerade die angelsächsischen Häuser sind dafür bekannt, daß sie Aktien hochjubeln, um Aufträge für M&A-Geschäfte zu bekommen. Analysten werden damit zu einer Art Vertriebsunterstützung für die Investmentsparte - und das wird gut bezahlt.
Privatanleger, die dieser Sorte Kaufempfehlung glauben, gehen allerdings ein hohes Risiko ein. Zwar gibt es die sogenannten "chinesischen Mauern" zwischen den Analyse-Abteilungen und den Investmentbankern. Die sollen Unabhängigkeit garantieren, wirken oft aber reichlich durchlässig. Denn will ein Analyst eine Aktie zum Verkauf empfehlen, wird er sich zweimal überlegen, ob er damit nicht den Interessen seines Arbeitgebers schadet. Immerhin will ein Analyst auch im eigenen Unternehmen überleben und seine Karriere nicht beenden - das ist allzu menschlich. Zudem machen sich Analysten durch Verkaufsempfehlungen bei den Unternehmen unbeliebt, über die sie berichten. Zu groß ist die Angst, danach vom Informationsfluß abgeschnitten zu werden. Ist die Geschäftsbeziehung des Unternehmens mit der Investmentbank eng genug, kann es den Analysten den Kopf kosten. Es finden sich genug Beispiele selbst von prominenten Analysten, die entlassen wurden, nachdem sie zu oft zum Verkauf geraten hatten. So verlor Michael Mayo von der Investmentbank Credit Suisse First Boston seine Stelle, nachdem er den Verkauf vieler amerikanischer Bankentitel empfohlen hatte. Der Mann, immerhin der zweitbeste Analyst der Branche, fand danach mehrere Monate keinen Job an der Wall Street - obwohl er Anlegern eine Menge Verluste ersparte. Diese Botschaft der Investmentbanken an den unabhängigen Geist Mayo ist in der Szene sicherlich verstanden worden.
Wirkliche Unabhängigkeit könnte es nur geben, wenn es Brokerhäusern untersagt wäre, auch M&A-Geschäfte zu machen. Investmentbanking ist und bleibt eine Achillesferse für unabhängige Analyse. Da eine derartige Trennung kaum denkbar ist, bleibt Privatanlegern nur übrig, bei ihrer Anlageentscheidung auf Analysen zurückzugreifen, die entweder von Brokerhäusern ohne Investmentbanking-Sparte verfaßt wurden - oder von Unternehmen, die sich ausschließlich auf die Marktforschung konzentrieren. Beide bieten eine größere Garantie für unabhängige Urteile. Im Fall der Broker dienen die Analysen nur dazu, Aktienumsatz zu generieren. Brokerhäuser leben von den Provisionen für die Aufträge. Eine Verkaufsempfehlung sorgt dabei nicht für weniger Umsatz als eine Kauforder. Reine Research-Häuser wie etwa die Kreditbewertungsagentur Standard & Poor`s verkaufen ihre Analysen - im Gegensatz zu den Investmentbanken. Sie müssen kritische Qualität bieten, sonst kauft sie irgendwann keiner mehr.
Es gibt in Amerika bereits Broker, die kritische Analyse als Mittel zum Marketing nutzen - ein deutliches Zeichen, wie sehr die Stimmung gedreht hat. Das Wertpapierhaus Prudential Securities ist so ein Beispiel. Die stellten stolz den bei Credit Suisse in Ungnade gefallenen Michael Mayo ein. Vom Investmentbanking hatte sich das Haus vorher allerdings verabschiedet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.07.2001, Nr. 173 / Seite 11
US-Analysten verkauften privat Aktien, die sie offiziell zum Kauf empfahlen
Die amtierende Chefin der US-Börsenaufsicht SEC, Laura Unger, hat in einer Studie Vorwürfe gegen Analysten bestätigt gefunden. Sie erläuterte die Ergebnisse gestern vor einem Ausschuss des US-Kongresses.
pga/tmo/Dow Jones FRANKFURT / DÜSSELDORF / WASHINGTON. Laut Unger erwarb ein knappes Drittel der 57 kontrollierten Analysten vorbörslich Aktien von Unternehmen, die ihre Bank später an die Börse brachte. Nach dem Parkettdebüt trennten sie sich zum Teil mit hohen Gewinnen von den Anteilen. Vorbörsliche Aktienausgaben (Private Placements) werden häufig nur ausgewählten Anlegern angeboten. Der Anteilspreis liegt oft weit unter dem späteren Börsenkurs.
Drei der überprüften Analysten verkauften Titel, die sie zu diesem Zeitpunkt offiziell zum Kauf empfahlen. Sie realisierten dabei Gewinne von 100 000 $ bis zu 3,5 Mill. $.
Der deutsche Finanzprofessor Wolfgang Gerke geht davon aus, dass in Deutschland ähnliche Geschäfte stattfinden. Sie würden nur selten aufgedeckt, weil bislang entsprechende Kontrollmechanismen fehlten. „Die Fakten aus den USA zeigen, dass wir in Deutschland dringend einen Analystenkodex und schärfere Gesetze brauchen“, sagte Gerke. Er hat einen derzeit diskutierten Ehrenkodex für Analysten und Journalisten mit entworfen. Sabine Reimer, Sprecherin des Bundesaufsichtamts für den Wertpapierhandel (BAWe) bestätigte, ihre Behörde habe nicht die rechtlichen Mittel für eine Untersuchung wie die der SEC. Das BAWe dürfe einzelne Depots nur in Verdachtsfällen prüfen.
Die US-Börsenaufsicht kontrollierte 57 US-Analysten von neun Banken, die von 1999 bis 2000 die meisten US-Börsengänge von High- Tech-Unternehmen begleiteten. In dieser Zeit erreichte das New-Economy-Fieber seinen Siedepunkt. Vor US-Politikern sagte SEC-Chefin Unger, die zugegebenermaßen kleine Stichprobe liefere dennoch Hinweise auf größere Probleme. Zwar scheine nur eine Minderheit der Analysten aus ihrem Fachwissen privaten Nutzen zu schlagen. „Aber eine solche Minderheit reicht, um bestehende Regeln stärker durchzusetzen“, sagte Unger.
Der Leiter der Research-Abteilung bei Dresdner Kleinwort Wasserstein, Andrew Lockhart, hält organisatorische Maßnahmen für notwendig, um Interessenkonflikte zwischen Analysten und anderen Bankabteilungen auszuschließen. Ebenso wichtig sei es jedoch, dass die Analysten mögliche Interessenkonflikte erkennen und ernst nähmen. „Die Compliance-Richtlinien müssen gelebt werden“, sagte Lockhart gestern vor Journalisten in Frankfurt. Dazu gehöre beispielsweise, dass der private Handel mit Aktien eines Analysten nicht im Gegensatz zu seinen Empfehlungen stehe. Lockhart wandte sich dagegen, Analysten generell den Handel mit Aktien zu verbieten, die sie berufsmäßig verfolgen. „Ich denke aber, das muss jeder Analyst selbst entscheiden“, ergänzte Lockhart.
Ein solches Handelsverbot haben kürzlich Merrill Lynch und Credit Suisse First Boston eingeführt; es ist auch im geplanten deutschen Analystenkodex vorgesehen.
Handelsblatt, Mittwoch 1. August 2001
Die amtierende Chefin der US-Börsenaufsicht SEC, Laura Unger, hat in einer Studie Vorwürfe gegen Analysten bestätigt gefunden. Sie erläuterte die Ergebnisse gestern vor einem Ausschuss des US-Kongresses.
pga/tmo/Dow Jones FRANKFURT / DÜSSELDORF / WASHINGTON. Laut Unger erwarb ein knappes Drittel der 57 kontrollierten Analysten vorbörslich Aktien von Unternehmen, die ihre Bank später an die Börse brachte. Nach dem Parkettdebüt trennten sie sich zum Teil mit hohen Gewinnen von den Anteilen. Vorbörsliche Aktienausgaben (Private Placements) werden häufig nur ausgewählten Anlegern angeboten. Der Anteilspreis liegt oft weit unter dem späteren Börsenkurs.
Drei der überprüften Analysten verkauften Titel, die sie zu diesem Zeitpunkt offiziell zum Kauf empfahlen. Sie realisierten dabei Gewinne von 100 000 $ bis zu 3,5 Mill. $.
Der deutsche Finanzprofessor Wolfgang Gerke geht davon aus, dass in Deutschland ähnliche Geschäfte stattfinden. Sie würden nur selten aufgedeckt, weil bislang entsprechende Kontrollmechanismen fehlten. „Die Fakten aus den USA zeigen, dass wir in Deutschland dringend einen Analystenkodex und schärfere Gesetze brauchen“, sagte Gerke. Er hat einen derzeit diskutierten Ehrenkodex für Analysten und Journalisten mit entworfen. Sabine Reimer, Sprecherin des Bundesaufsichtamts für den Wertpapierhandel (BAWe) bestätigte, ihre Behörde habe nicht die rechtlichen Mittel für eine Untersuchung wie die der SEC. Das BAWe dürfe einzelne Depots nur in Verdachtsfällen prüfen.
Die US-Börsenaufsicht kontrollierte 57 US-Analysten von neun Banken, die von 1999 bis 2000 die meisten US-Börsengänge von High- Tech-Unternehmen begleiteten. In dieser Zeit erreichte das New-Economy-Fieber seinen Siedepunkt. Vor US-Politikern sagte SEC-Chefin Unger, die zugegebenermaßen kleine Stichprobe liefere dennoch Hinweise auf größere Probleme. Zwar scheine nur eine Minderheit der Analysten aus ihrem Fachwissen privaten Nutzen zu schlagen. „Aber eine solche Minderheit reicht, um bestehende Regeln stärker durchzusetzen“, sagte Unger.
Der Leiter der Research-Abteilung bei Dresdner Kleinwort Wasserstein, Andrew Lockhart, hält organisatorische Maßnahmen für notwendig, um Interessenkonflikte zwischen Analysten und anderen Bankabteilungen auszuschließen. Ebenso wichtig sei es jedoch, dass die Analysten mögliche Interessenkonflikte erkennen und ernst nähmen. „Die Compliance-Richtlinien müssen gelebt werden“, sagte Lockhart gestern vor Journalisten in Frankfurt. Dazu gehöre beispielsweise, dass der private Handel mit Aktien eines Analysten nicht im Gegensatz zu seinen Empfehlungen stehe. Lockhart wandte sich dagegen, Analysten generell den Handel mit Aktien zu verbieten, die sie berufsmäßig verfolgen. „Ich denke aber, das muss jeder Analyst selbst entscheiden“, ergänzte Lockhart.
Ein solches Handelsverbot haben kürzlich Merrill Lynch und Credit Suisse First Boston eingeführt; es ist auch im geplanten deutschen Analystenkodex vorgesehen.
Handelsblatt, Mittwoch 1. August 2001
03.08. 09:20
Bear Stearns wird verurteilt
--------------------------------------------------------------------------------
(©BörseGo - http://www.boerse-go.de)
Bear Stearns wurde dazu verurteilt, insgesamt $1 Mio. an zwei Kunden von A.R. Baron & Co. zu zahlen. Grund für die Zahlung sei die Tatsache, dass das New Yorker Brokerhaus ein "kriminelles und gesetzeswidriges Unternehmen" führte und unterstützte.
Die 36-seitige Entscheidung ist erwähnenswert weil es auch Fehler von Bear Stearns als Clearing Unternehmen aufdeckt. Clearing Unternehmen wickeln im Grunde die Trades ab, aber Bear Stearns ging laut dem Urteil weiter und verusachte bei den Kunden absichtlich Verluste.
Elizabeth Ventura, eine Unternehmenssprecherin von Bear Stearns, gibt bekannt, dass man "alle möglichen Schritte und Optionen abwägen werde, um diese Anschuldigungen von uns zu weisen."
Bear Stearns wird verurteilt
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(©BörseGo - http://www.boerse-go.de)
Bear Stearns wurde dazu verurteilt, insgesamt $1 Mio. an zwei Kunden von A.R. Baron & Co. zu zahlen. Grund für die Zahlung sei die Tatsache, dass das New Yorker Brokerhaus ein "kriminelles und gesetzeswidriges Unternehmen" führte und unterstützte.
Die 36-seitige Entscheidung ist erwähnenswert weil es auch Fehler von Bear Stearns als Clearing Unternehmen aufdeckt. Clearing Unternehmen wickeln im Grunde die Trades ab, aber Bear Stearns ging laut dem Urteil weiter und verusachte bei den Kunden absichtlich Verluste.
Elizabeth Ventura, eine Unternehmenssprecherin von Bear Stearns, gibt bekannt, dass man "alle möglichen Schritte und Optionen abwägen werde, um diese Anschuldigungen von uns zu weisen."
Die Jagd auf die Analysten
Von Carsten Volkery, New York
Seit dem Börsencrash im Frühjahr 2000 sind die Analysten der Banken unter Beschuss. Inzwischen nimmt die Jagd in den USA ungeahnte Ausmaße an.
New York - Er ist der Alptraum der amerikanischen Investmentbanker. 400.000 Dollar hat er Merrill Lynch bereits gekostet. Und Jacob Zamansky ist noch nicht fertig mit seinen mächtigen Nachbarn im Financial District. Als nächstes will der New Yorker Anwalt sich Salomon Smith Barney und Morgan Stanley vorknöpfen. Der Mann mit dem glattgekämmten schwarzen Haar arbeitet hart an seinem Image als nationale Anlaufstelle für Börsencrash-Opfer. Auf CNBC prangert er die Nasdaq-Schummler an, die die Anleger angeblich um Millionen Dollar betrogen haben. Auf seiner Website fordert er die Opfer auf, die Firmen und Analysten zu verklagen.
Der Druck wächst
Der Druck auf die Analysten wächst von allen Seiten: Der US-Kongress hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Die Börsenaufsicht SEC hat offiziell die Losung ausgegeben: Trau keinem Analysten. Und die Anleger geben sich nicht mehr damit zufrieden, ihr Geld aus dem Markt abzuziehen; sie gehen in die Offensive und klagen. Im Visier haben sie gerade Mary Meeker, die einstige "Königin des Internets", die sich immer besonders optimistisch über das Potenzial von Internetfirmen geäußert hatte. Am vergangenen Montag reichten Aktionäre von AOL Time Warner Klage gegen die Star-Analystin von Morgan Stanley ein. In der Vorwoche waren bereits Ebay- und Amazon-Anleger vor Gericht gezogen.
Der Vorwurf ist altbekannt: Meeker habe die Aktien empfohlen, um die Firmen als Morgan-Stanley-Kunden zu halten. Außerdem sei ihr Gehalt direkt von den Deals abhängig gewesen, die sie ihrem Arbeitgeber vermitteln konnte.
Die Kläger hoffen nun auf einen ähnlichen Geldsegen wie den, den Zamansky im Juli herausgeholt hatte. Merrill Lynch zahlte nach einer außergerichtlichen Einigung 400.000 Dollar an Zamanskys Mandanten, einen 46-jährigen Kinderarzt. Der hatte behauptet, Merrills Internet-Analyst Henry Blodget sei für sein fehlgeschlagenes Investment in Infospace verantwortlich gewesen. Blodget hatte das Internet-Unternehmen wiederholt zum Kauf empfohlen, laut Klageschrift, um die Firma als Kunden von Merrill Lynch zu halten. Als der Kurs stürzte, verlor der Kinderarzt insgesamt 500.000 Dollar.
Klagewelle rollt an
Mit der Zahlung wollte Merrill Lynch einfach einen langwierigen Gerichtsprozess verhindern. Doch stattdessen sandte die Bank eine fatale Botschaft: Es gibt eine Versicherung für Börsenverluste. Und so steigern sich die Anleger erneut in einen kollektiven Rausch. Diesmal geht es um Rache an den Analysten, die angeblich die Internet-Aktien in unverantwortliche Höhen getrieben haben. Die SEC meldet einen starken Anstieg an Beschwerdebriefen. Und die Zahl der Klagen wegen Anlegerbetrugs ist laut "Wall Street Journal" in diesem Jahr bereits auf 238 gestiegen - und es ist erst August. Der bisherige Rekord lag bei 236 Klagen im Jahr 1998.
Blodget und Meeker sind ein einfaches Ziel. Die beiden Top-Internet-Analysten des Landes waren die Gesichter des Internet-Booms. Sie schraubten die Kursziele immer höher - selbst als die Kurse im März 2000 zu fallen begannen. Jetzt sind sie die Sündenböcke der Nation.
Doch die Anleger könnten zum zweiten Mal nach dem Crash enttäuscht werden. Denn die Banken stehen hinter ihren Analysten. Morgan Stanley weist jede Schuld von sich und hat angekündigt, bis zur letzten Instanz vor Gericht zu kämpfen. Und dort hätten sie alle Chancen, glauben Rechtsexperten. Denn Aktienbetrug ist schwer nachzuweisen, zu viele Variablen beeinflussen den Kurs. Dennoch: In einem Land, in dem ein krebskranker Raucher eine Milliardensumme als Entschädigung zugesprochen bekommt, scheint nichts unmöglich.
Nur ein Prozent der Empfehlungen rät zum Verkauf
Natürlich sind die Vorwürfe gegen die Analysten berechtigt. Zwar behaupten alle Banken, es gebe keine Verbindung zwischen Investmentbankern und Analysten im eigenen Haus. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass die so genannten "chinesischen Mauern" zwischen den beiden Abteilungen faktisch nicht existieren. Ein wichtiges Indiz dafür ist, dass nur ein Prozent aller Analysten-Empfehlungen tatsächlich zum Verkauf einer Aktie raten. Die überwiegende Mehrheit sind Kaufempfehlungen, denn Investmentbanking-Kunden sehen es nicht gern, wenn sie von ihrer eigenen Bank schlecht gemacht werden. In der heißen Phase der Börsengänge in den Jahren 1998 und 1999 haben Internet-Firmen ihre Betreuerbank laut Marktbeobachtern bewusst danach ausgesucht, welche Analysten sie beschäftigte. Morgan Stanley war begehrt, weil auf Mary Meekers Unterstützung an der Börse Verlass war.
Spiegel Online 10.8.2001
Von Carsten Volkery, New York
Seit dem Börsencrash im Frühjahr 2000 sind die Analysten der Banken unter Beschuss. Inzwischen nimmt die Jagd in den USA ungeahnte Ausmaße an.
New York - Er ist der Alptraum der amerikanischen Investmentbanker. 400.000 Dollar hat er Merrill Lynch bereits gekostet. Und Jacob Zamansky ist noch nicht fertig mit seinen mächtigen Nachbarn im Financial District. Als nächstes will der New Yorker Anwalt sich Salomon Smith Barney und Morgan Stanley vorknöpfen. Der Mann mit dem glattgekämmten schwarzen Haar arbeitet hart an seinem Image als nationale Anlaufstelle für Börsencrash-Opfer. Auf CNBC prangert er die Nasdaq-Schummler an, die die Anleger angeblich um Millionen Dollar betrogen haben. Auf seiner Website fordert er die Opfer auf, die Firmen und Analysten zu verklagen.
Der Druck wächst
Der Druck auf die Analysten wächst von allen Seiten: Der US-Kongress hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Die Börsenaufsicht SEC hat offiziell die Losung ausgegeben: Trau keinem Analysten. Und die Anleger geben sich nicht mehr damit zufrieden, ihr Geld aus dem Markt abzuziehen; sie gehen in die Offensive und klagen. Im Visier haben sie gerade Mary Meeker, die einstige "Königin des Internets", die sich immer besonders optimistisch über das Potenzial von Internetfirmen geäußert hatte. Am vergangenen Montag reichten Aktionäre von AOL Time Warner Klage gegen die Star-Analystin von Morgan Stanley ein. In der Vorwoche waren bereits Ebay- und Amazon-Anleger vor Gericht gezogen.
Der Vorwurf ist altbekannt: Meeker habe die Aktien empfohlen, um die Firmen als Morgan-Stanley-Kunden zu halten. Außerdem sei ihr Gehalt direkt von den Deals abhängig gewesen, die sie ihrem Arbeitgeber vermitteln konnte.
Die Kläger hoffen nun auf einen ähnlichen Geldsegen wie den, den Zamansky im Juli herausgeholt hatte. Merrill Lynch zahlte nach einer außergerichtlichen Einigung 400.000 Dollar an Zamanskys Mandanten, einen 46-jährigen Kinderarzt. Der hatte behauptet, Merrills Internet-Analyst Henry Blodget sei für sein fehlgeschlagenes Investment in Infospace verantwortlich gewesen. Blodget hatte das Internet-Unternehmen wiederholt zum Kauf empfohlen, laut Klageschrift, um die Firma als Kunden von Merrill Lynch zu halten. Als der Kurs stürzte, verlor der Kinderarzt insgesamt 500.000 Dollar.
Klagewelle rollt an
Mit der Zahlung wollte Merrill Lynch einfach einen langwierigen Gerichtsprozess verhindern. Doch stattdessen sandte die Bank eine fatale Botschaft: Es gibt eine Versicherung für Börsenverluste. Und so steigern sich die Anleger erneut in einen kollektiven Rausch. Diesmal geht es um Rache an den Analysten, die angeblich die Internet-Aktien in unverantwortliche Höhen getrieben haben. Die SEC meldet einen starken Anstieg an Beschwerdebriefen. Und die Zahl der Klagen wegen Anlegerbetrugs ist laut "Wall Street Journal" in diesem Jahr bereits auf 238 gestiegen - und es ist erst August. Der bisherige Rekord lag bei 236 Klagen im Jahr 1998.
Blodget und Meeker sind ein einfaches Ziel. Die beiden Top-Internet-Analysten des Landes waren die Gesichter des Internet-Booms. Sie schraubten die Kursziele immer höher - selbst als die Kurse im März 2000 zu fallen begannen. Jetzt sind sie die Sündenböcke der Nation.
Doch die Anleger könnten zum zweiten Mal nach dem Crash enttäuscht werden. Denn die Banken stehen hinter ihren Analysten. Morgan Stanley weist jede Schuld von sich und hat angekündigt, bis zur letzten Instanz vor Gericht zu kämpfen. Und dort hätten sie alle Chancen, glauben Rechtsexperten. Denn Aktienbetrug ist schwer nachzuweisen, zu viele Variablen beeinflussen den Kurs. Dennoch: In einem Land, in dem ein krebskranker Raucher eine Milliardensumme als Entschädigung zugesprochen bekommt, scheint nichts unmöglich.
Nur ein Prozent der Empfehlungen rät zum Verkauf
Natürlich sind die Vorwürfe gegen die Analysten berechtigt. Zwar behaupten alle Banken, es gebe keine Verbindung zwischen Investmentbankern und Analysten im eigenen Haus. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass die so genannten "chinesischen Mauern" zwischen den beiden Abteilungen faktisch nicht existieren. Ein wichtiges Indiz dafür ist, dass nur ein Prozent aller Analysten-Empfehlungen tatsächlich zum Verkauf einer Aktie raten. Die überwiegende Mehrheit sind Kaufempfehlungen, denn Investmentbanking-Kunden sehen es nicht gern, wenn sie von ihrer eigenen Bank schlecht gemacht werden. In der heißen Phase der Börsengänge in den Jahren 1998 und 1999 haben Internet-Firmen ihre Betreuerbank laut Marktbeobachtern bewusst danach ausgesucht, welche Analysten sie beschäftigte. Morgan Stanley war begehrt, weil auf Mary Meekers Unterstützung an der Börse Verlass war.
Spiegel Online 10.8.2001
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