An die Gewerkschaftshasser unter Euch: lest mal das! (von Norbert Blüm) - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 13.05.03 12:41:14 von
neuester Beitrag 13.05.03 14:01:13 von
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Lob der Gewerkschaft.
Ein Plädoyer für den Hauptangeklagten/Von Norbert Blüm
Ich habe mit den Gewerkschaften, denen ich seit 53 Jahren
angehöre, ein paar Rechnungen offen. Noch immer steckt
mir in den Knochen, dass meine IG Metall mich als
„Arbeiterverräter“ beschimpfte und
behauptete, es könne nicht mehr gestreikt werden (was
eine Lüge war), weil wir den Paragraf 116 des
Arbeitsförderungsgesetzes verändert hatten. Als
„Henker des Sozialstaats“ wurde ich vom DGB wegen
der Rentenreform attackiert. Im anschließenden
Schröderschen Renten-Tohuwabohu dagegen war vom DGB
nicht allzu viel zu hören.
Meine Widerborstigkeit gegen Meinungsmoden treibt mich
jedoch jetzt wieder an die Seite der Gewerkschaften. Wie
das Wild sich einen Reibebaum sucht, an dem es seinen
Juckreiz bekämpft, so suchen sich alle, die als
Modernisierer gelten wollen, die Gewerkschaften als
Betonwand aus, an der sie ihr Beinchen heben können.
Hauptangeklagter im Standortprozeß Deutschland sind
die Gewerkschaften. „Senkung der Lohn- und
Lohnzusatzkosten“ – mehr fällt den
Arbeitgeberfunktionären vorerst nicht ein, wenn es
gilt, die Mängelliste für den Standort
Deutschland aufzustellen.Es bestreitet niemand, dass die
Bäume nicht in den Himmel wachsen, dass gespart werden
muss und nur umverteilt werden kann, was zuvor
erwirtschaftet worden ist. Aber Deutschland war selbst in
seinen besten Zeiten nie ein Billiglohnland. „Made in
Germany“ war ein Qualitätsbegriff, der von
Innovation, Qualifikation und Produktivität
gekennzeichnet war. Für die Krise können nicht
allein die Gewerkschaften verantwortlich gemacht werden.
Der Motor der Wirtschaft sind die Unternehmen. Doch die
Unternehmensergebnisse fallen höchst unterschiedlich
aus. BASF geht es gut, Bayer Leverkusen schlecht, BMW
läuft gut, Opel wechselt fast jedes Jahr den
Vorstandsvorsitzenden. Für die misslungenen
„Welteroberungspläne“ des Herrn Schrempp
trägt die Deutsche Bank mehr Verantwortung als die IG
Metall.
Jobhopsende Manager.
Mir ist erst im Laufe der Zeit aufgefallen, dass es auch
bei respektablen Arbeitgeberfunktionären eine
Differenz zwischen öffentlichem Auftreten und interner
Interessenwahrnehmung gibt. Gegen die Einschränkung
der Frühverrentung hat sich der bekannte
Lohnsenkungsspezialist Hans-Olaf Henkel, seinerzeit
BDI-Präsident, hinter den Kulissen mindestens so
vehement gewandt wie die IG Metall auf den
Marktplätzen. Gegen die Preispolitik des
Verbandsmitglieds Pharmaindustrie hat sich bis heute kein
Beitragssenker aus dem Arbeitgeberlager gemeldet. Der Mut
zur Reform wächst mit dem Abstand zur eigenen
Betroffenheit. Die Aufhebung der gesetzlichen Altersgrenze
scheitert nicht am Widerstand der Gewerkschaften, sondern
überraschenderweise am Veto des Bundesverbandes der
Deutschen Arbeitgeberverbände und ihres
verlängerten parlamentarischen FDP-Arms. Kein Wunder
– die Flexibilisierungslast hätten in diesem Fall
die Arbeitgeber tragen müssen, weil sie sich mit dem
Arbeitnehmer über den Zeitpunkt seines Ausscheidens
hätten verständigen müssen. Kein Gesetz
wäre mehr da gewesen, hinter dem man sich verstecken
könnte.
Ich habe in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichen
Aufsichtsräten mitgearbeitet und dabei nie einen
gottgegebenen oder auch nur angeborenen Unterschied in der
Verantwortung für das Unternehmen zwischen
Anteilseigner und Manager auf der einen Seite und
Arbeitnehmervertreter festgestellt. Schon gar nicht in
Unternehmen, in denen die Manager fast so häufig
wechselten wie die Arbeitnehmervertreter ihre Hemden. Das
Schicksal der Beschäftigten ist offenbar stärker
mit dem Unternehmen verknüpft, als das bei
jobhopsenden Managern der Fall ist, die sich selbst bei
Versagen mit goldenem Handschlag über Nacht
verabschiedeten.
Als besondere Spezies von Weintrinkern, die Wasser
predigen, sind mir eine Reihe von Professoren in
Erinnerung, die fortgesetzt gegen gesellschaftliche
Erstarrung wettern. Ich kenne keine besser gesicherte
Sitzgelegenheit als den Lehrstuhl eines
Universitätsprofessors. Wie wäre es, wenn wir mit
der Lockerung des Kündigungsschutzes bei den
Professoren begännen, bevor wir uns anschicken,
Arbeitnehmer zu Tagelöhnern zu machen?
Flucht in die Rhetorik.
Der viel gescholtene Flächentarifvertrag
beschränkt die Möglichkeit, durch
Lohnunterbietung den Konkurrenten auszuschalten.
Kompensatorisch konzentriert sich der Wettbewerb so auf
Produktivität, Innovation, Qualität und Service.
Das ist dem Standort Deutschland gut bekommen. Dass diese
tarifpolitische Maxime nicht gänzlich vergessen wurde
und – wenn’s passt – sogar von Arbeitgebern
wieder aus der Versenkung geholt wurde, konnte man im
jüngsten Tarifkampf der Deutschen Bahn studieren, wo
die Verhandlungsführer der Arbeitgeber den
Gewerkschaften empfahlen, ihre tarifpolitischen
Anstrengungen auf die Anhebung der Tariflöhne der
Konkurrenten zu richten, damit „Waffengleichheit“
im Wettbewerb hergestellt werde und so wieder
Kundenorientierung statt Kostenersparnis in den Vordergrund
trete. Sieh mal an! Als die Lokführer eine eigene
Tarifpolitik machten, war keine Stimme der
Flexibilisierungsexperten im Arbeitgeberlager zu
hören, die dies als gelungenen Beitrag für
Differenzierung der Tarifpolitik feierte. Das
gewerkschaftliche Industrieverbandsprinzip mit
einheitlichen Tarifverträgen verhindert, dass die
Hinterachsenmonteure das ganze Fließband lahm legen,
wenn ihnen ihr Tarifvertrag nicht gefällt.
Der Spielraum für betriebliche Anpassungen der
Tarifverträge ist im Übrigen in vielen
Fällen gar nicht ausgeschöpft. Manche
betrieblichen Differenzierungschancen im Flächentarif
wurden nicht genutzt. Man entzieht sich der
organisatorischen Anstrengung durch Flucht in die Rhetorik.
Auf dem Papier tobt sich dann der ganze kreative Mut dieser
Art von Modernisierer aus.
Pseudoreligiöses Ritual.
So ist es auch mit der Anhebung der Altersgrenze.
Während in 50 Prozent der deutschen Unternehmen keiner
mehr arbeitet, der älter als 50 Jahre ist, verlangen
Arbeitgeberverbände die Anhebung der gesetzlichen
Altersgrenze vom 65. Lebensjahr auf das 67. Wenn nur halb
so viel Kraft in die Veränderungen der Realitäten
eingesetzt würde wie in die Formulierung einer
Modernisierungslyrik, wären wir doppelt so weit wie
wir heute im Kampf gegen Arbeitslosigkeit sind.
Das Zeitalter der politischen Schausteller ist
ausgebrochen. Das Hartz- Konzept zur Reform des
Arbeitsmarkts wurde vor Jahresfrist in einem geradezu
pseudoreligiösen Ritual im Französischen Dom zu
Berlin vorgestellt. Jetzt ist von dem Konzept so viel
übrig wie von der Seifenblase, wenn sie platzt. Die
Ich-AG hat bundesweit bis April gerade einmal 16100 Leute
aus der Arbeitslosigkeit geholt, die es wahrscheinlich mit
dem alten „Überbrückungsgeld“ auch
geschafft hätten. Immerhin hat dieses „alte“
Überbrückungsgeld, das durch die „neue“
Ich-AG verdrängt werden sollte, im gleichen Zeitraum
dreimal so viel Arbeitnehmern zur Selbstständigkeit
verholfen.
Die Personal-Service-Agenturen haben inzwischen 10000
Arbeitslose in Arbeit gebracht. 750000 sollten es nach
Hartz in drei Jahren sein. Da müssen sich die
Andächtigen aus dem Französischen Dom noch
kräftig anstrengen, damit ihre virtuellen Erwartungen
wenigstens in Sichtweite der realen Erfüllung geraten.
Die private Arbeitsvermittlung, die dem Koloss
„Bundesanstalt für Arbeit“ endlich Beine
machen sollte und als Heiland der Arbeitsvermittlung
angepriesen wurde, dümpelt im mikroskopischen Bereich
der Vermittlungszahlen, obwohl ihrem Geschäft mit
Prämien, die die Beitragszahler der
Arbeitslosenversicherung finanzieren, kräftig unter
die Arme gegriffen wurde.
Maskenball der Wunderheiler.
Die Gewerkschaften sind von ihrer Herkunft pragmatische
Verbände. Sie würden sich verbiegen, wenn sie bei
diesem Maskenball von Wunderheilern mittanzen würden.
Diese Art virtueller Politik widerspricht dem pragmatischen
Charakter jeder anständigen Gewerkschaft.
Aber auch die Gewerkschaften müssen sich ändern.
Die alte Arbeitnehmerdefinition reicht nicht mehr aus. Und
die Strukturen des DGB gleichen eher einem
Feudalverhältnis, in dem die beiden Großen
– IG Metall und Verdi – die Lehen an den Rest des
DGB vergeben. Die Fusionswut innerhalb des DGB ist ein
Treibsatz zur Entfernung von der Basis und anonymisiert die
Gewerkschaftsbewegung. Was hat ein Kanalarbeiter bei Verdi
mit dem Bankangestellten gemeinsam, und was in der IG
Metall ein Fließbandarbeiter mit dem Textildesigner?
Größer ist nicht immer stärker, manchmal
ist es nur schwerfälliger.
So schlecht, wie die Gewerkschaften gemacht werden, sind
sie nicht. Wenn sie jetzt nicht aufheulen würden,
hätten sie sich um jeden Kredit gebracht. Wer die
Einschränkung der Lohnfortzahlung durch die CDU/CSU-
Regierung als Teufelszeug bekämpfte und
hunderttausende Demonstranten dagegen mobilisierte, kann
die Privatisierung des Krankengeldes nicht als
Schrödersche Reform-Delikatesse durchgehen lassen.
Schließlich handelt es sich bei den Empfängern
der Krankengeldbezieher im Unterschied zur „heiligen
Kuh“ Lohnfortzahlung allesamt um die Langzeitkranken,
unter denen sich selten „Blaumacher“ befinden.
Krebs nimmt sich niemand, um sich ein paar freie Tage zu
verschaffen.
Wer die Gewerkschaften in die Ecke stellt, egal, ob von
Regierungs- oder Oppositionsseite, oder gar mit
Rücktrittsdrohungen des Kanzlers erpresst, dem die
Gewerkschaften dummerweise auch noch zum Wahlsieg verholfen
haben, wird das Gegenteil von Veränderungsbereitschaft
erreichen. An die Stelle der Kooperation wird Konfrontation
treten. Sieger gibt es entgegen anders lautender
Erwartungen dann auf keiner Seite. Basta-Schröder und
gewerkschaftliche Gesprächsverweigerer ähneln
sich leider spiegelbildlich.
Der sozialpolitische deutsche Einigungsprozess wurde durch
handfeste Solidarität der Gewerkschaften
unterstützt. Tausende altgedienter Gewerkschafter
machten sich ohne viel Worte auf den Weg in die neuen
Länder und halfen mit, Arbeitsverwaltungen,
Krankenversicherungen oder auch Rententräger aus dem
Boden zu stampfen. Es ist noch immer viel
selbstverständliche Solidarität in der
Arbeiterbewegung zu Hause, was man damals leider nicht von
manchen Investoren und Subventionsabsahnern in den neuen
Ländern sagen konnte.
Auch das habe ich nicht vergessen.
Der Autor war von 1982 bis 1998 Minister für Arbeit
und Sozialordnung der Regierung Kohl.
http://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel5161/
Ein Plädoyer für den Hauptangeklagten/Von Norbert Blüm
Ich habe mit den Gewerkschaften, denen ich seit 53 Jahren
angehöre, ein paar Rechnungen offen. Noch immer steckt
mir in den Knochen, dass meine IG Metall mich als
„Arbeiterverräter“ beschimpfte und
behauptete, es könne nicht mehr gestreikt werden (was
eine Lüge war), weil wir den Paragraf 116 des
Arbeitsförderungsgesetzes verändert hatten. Als
„Henker des Sozialstaats“ wurde ich vom DGB wegen
der Rentenreform attackiert. Im anschließenden
Schröderschen Renten-Tohuwabohu dagegen war vom DGB
nicht allzu viel zu hören.
Meine Widerborstigkeit gegen Meinungsmoden treibt mich
jedoch jetzt wieder an die Seite der Gewerkschaften. Wie
das Wild sich einen Reibebaum sucht, an dem es seinen
Juckreiz bekämpft, so suchen sich alle, die als
Modernisierer gelten wollen, die Gewerkschaften als
Betonwand aus, an der sie ihr Beinchen heben können.
Hauptangeklagter im Standortprozeß Deutschland sind
die Gewerkschaften. „Senkung der Lohn- und
Lohnzusatzkosten“ – mehr fällt den
Arbeitgeberfunktionären vorerst nicht ein, wenn es
gilt, die Mängelliste für den Standort
Deutschland aufzustellen.Es bestreitet niemand, dass die
Bäume nicht in den Himmel wachsen, dass gespart werden
muss und nur umverteilt werden kann, was zuvor
erwirtschaftet worden ist. Aber Deutschland war selbst in
seinen besten Zeiten nie ein Billiglohnland. „Made in
Germany“ war ein Qualitätsbegriff, der von
Innovation, Qualifikation und Produktivität
gekennzeichnet war. Für die Krise können nicht
allein die Gewerkschaften verantwortlich gemacht werden.
Der Motor der Wirtschaft sind die Unternehmen. Doch die
Unternehmensergebnisse fallen höchst unterschiedlich
aus. BASF geht es gut, Bayer Leverkusen schlecht, BMW
läuft gut, Opel wechselt fast jedes Jahr den
Vorstandsvorsitzenden. Für die misslungenen
„Welteroberungspläne“ des Herrn Schrempp
trägt die Deutsche Bank mehr Verantwortung als die IG
Metall.
Jobhopsende Manager.
Mir ist erst im Laufe der Zeit aufgefallen, dass es auch
bei respektablen Arbeitgeberfunktionären eine
Differenz zwischen öffentlichem Auftreten und interner
Interessenwahrnehmung gibt. Gegen die Einschränkung
der Frühverrentung hat sich der bekannte
Lohnsenkungsspezialist Hans-Olaf Henkel, seinerzeit
BDI-Präsident, hinter den Kulissen mindestens so
vehement gewandt wie die IG Metall auf den
Marktplätzen. Gegen die Preispolitik des
Verbandsmitglieds Pharmaindustrie hat sich bis heute kein
Beitragssenker aus dem Arbeitgeberlager gemeldet. Der Mut
zur Reform wächst mit dem Abstand zur eigenen
Betroffenheit. Die Aufhebung der gesetzlichen Altersgrenze
scheitert nicht am Widerstand der Gewerkschaften, sondern
überraschenderweise am Veto des Bundesverbandes der
Deutschen Arbeitgeberverbände und ihres
verlängerten parlamentarischen FDP-Arms. Kein Wunder
– die Flexibilisierungslast hätten in diesem Fall
die Arbeitgeber tragen müssen, weil sie sich mit dem
Arbeitnehmer über den Zeitpunkt seines Ausscheidens
hätten verständigen müssen. Kein Gesetz
wäre mehr da gewesen, hinter dem man sich verstecken
könnte.
Ich habe in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichen
Aufsichtsräten mitgearbeitet und dabei nie einen
gottgegebenen oder auch nur angeborenen Unterschied in der
Verantwortung für das Unternehmen zwischen
Anteilseigner und Manager auf der einen Seite und
Arbeitnehmervertreter festgestellt. Schon gar nicht in
Unternehmen, in denen die Manager fast so häufig
wechselten wie die Arbeitnehmervertreter ihre Hemden. Das
Schicksal der Beschäftigten ist offenbar stärker
mit dem Unternehmen verknüpft, als das bei
jobhopsenden Managern der Fall ist, die sich selbst bei
Versagen mit goldenem Handschlag über Nacht
verabschiedeten.
Als besondere Spezies von Weintrinkern, die Wasser
predigen, sind mir eine Reihe von Professoren in
Erinnerung, die fortgesetzt gegen gesellschaftliche
Erstarrung wettern. Ich kenne keine besser gesicherte
Sitzgelegenheit als den Lehrstuhl eines
Universitätsprofessors. Wie wäre es, wenn wir mit
der Lockerung des Kündigungsschutzes bei den
Professoren begännen, bevor wir uns anschicken,
Arbeitnehmer zu Tagelöhnern zu machen?
Flucht in die Rhetorik.
Der viel gescholtene Flächentarifvertrag
beschränkt die Möglichkeit, durch
Lohnunterbietung den Konkurrenten auszuschalten.
Kompensatorisch konzentriert sich der Wettbewerb so auf
Produktivität, Innovation, Qualität und Service.
Das ist dem Standort Deutschland gut bekommen. Dass diese
tarifpolitische Maxime nicht gänzlich vergessen wurde
und – wenn’s passt – sogar von Arbeitgebern
wieder aus der Versenkung geholt wurde, konnte man im
jüngsten Tarifkampf der Deutschen Bahn studieren, wo
die Verhandlungsführer der Arbeitgeber den
Gewerkschaften empfahlen, ihre tarifpolitischen
Anstrengungen auf die Anhebung der Tariflöhne der
Konkurrenten zu richten, damit „Waffengleichheit“
im Wettbewerb hergestellt werde und so wieder
Kundenorientierung statt Kostenersparnis in den Vordergrund
trete. Sieh mal an! Als die Lokführer eine eigene
Tarifpolitik machten, war keine Stimme der
Flexibilisierungsexperten im Arbeitgeberlager zu
hören, die dies als gelungenen Beitrag für
Differenzierung der Tarifpolitik feierte. Das
gewerkschaftliche Industrieverbandsprinzip mit
einheitlichen Tarifverträgen verhindert, dass die
Hinterachsenmonteure das ganze Fließband lahm legen,
wenn ihnen ihr Tarifvertrag nicht gefällt.
Der Spielraum für betriebliche Anpassungen der
Tarifverträge ist im Übrigen in vielen
Fällen gar nicht ausgeschöpft. Manche
betrieblichen Differenzierungschancen im Flächentarif
wurden nicht genutzt. Man entzieht sich der
organisatorischen Anstrengung durch Flucht in die Rhetorik.
Auf dem Papier tobt sich dann der ganze kreative Mut dieser
Art von Modernisierer aus.
Pseudoreligiöses Ritual.
So ist es auch mit der Anhebung der Altersgrenze.
Während in 50 Prozent der deutschen Unternehmen keiner
mehr arbeitet, der älter als 50 Jahre ist, verlangen
Arbeitgeberverbände die Anhebung der gesetzlichen
Altersgrenze vom 65. Lebensjahr auf das 67. Wenn nur halb
so viel Kraft in die Veränderungen der Realitäten
eingesetzt würde wie in die Formulierung einer
Modernisierungslyrik, wären wir doppelt so weit wie
wir heute im Kampf gegen Arbeitslosigkeit sind.
Das Zeitalter der politischen Schausteller ist
ausgebrochen. Das Hartz- Konzept zur Reform des
Arbeitsmarkts wurde vor Jahresfrist in einem geradezu
pseudoreligiösen Ritual im Französischen Dom zu
Berlin vorgestellt. Jetzt ist von dem Konzept so viel
übrig wie von der Seifenblase, wenn sie platzt. Die
Ich-AG hat bundesweit bis April gerade einmal 16100 Leute
aus der Arbeitslosigkeit geholt, die es wahrscheinlich mit
dem alten „Überbrückungsgeld“ auch
geschafft hätten. Immerhin hat dieses „alte“
Überbrückungsgeld, das durch die „neue“
Ich-AG verdrängt werden sollte, im gleichen Zeitraum
dreimal so viel Arbeitnehmern zur Selbstständigkeit
verholfen.
Die Personal-Service-Agenturen haben inzwischen 10000
Arbeitslose in Arbeit gebracht. 750000 sollten es nach
Hartz in drei Jahren sein. Da müssen sich die
Andächtigen aus dem Französischen Dom noch
kräftig anstrengen, damit ihre virtuellen Erwartungen
wenigstens in Sichtweite der realen Erfüllung geraten.
Die private Arbeitsvermittlung, die dem Koloss
„Bundesanstalt für Arbeit“ endlich Beine
machen sollte und als Heiland der Arbeitsvermittlung
angepriesen wurde, dümpelt im mikroskopischen Bereich
der Vermittlungszahlen, obwohl ihrem Geschäft mit
Prämien, die die Beitragszahler der
Arbeitslosenversicherung finanzieren, kräftig unter
die Arme gegriffen wurde.
Maskenball der Wunderheiler.
Die Gewerkschaften sind von ihrer Herkunft pragmatische
Verbände. Sie würden sich verbiegen, wenn sie bei
diesem Maskenball von Wunderheilern mittanzen würden.
Diese Art virtueller Politik widerspricht dem pragmatischen
Charakter jeder anständigen Gewerkschaft.
Aber auch die Gewerkschaften müssen sich ändern.
Die alte Arbeitnehmerdefinition reicht nicht mehr aus. Und
die Strukturen des DGB gleichen eher einem
Feudalverhältnis, in dem die beiden Großen
– IG Metall und Verdi – die Lehen an den Rest des
DGB vergeben. Die Fusionswut innerhalb des DGB ist ein
Treibsatz zur Entfernung von der Basis und anonymisiert die
Gewerkschaftsbewegung. Was hat ein Kanalarbeiter bei Verdi
mit dem Bankangestellten gemeinsam, und was in der IG
Metall ein Fließbandarbeiter mit dem Textildesigner?
Größer ist nicht immer stärker, manchmal
ist es nur schwerfälliger.
So schlecht, wie die Gewerkschaften gemacht werden, sind
sie nicht. Wenn sie jetzt nicht aufheulen würden,
hätten sie sich um jeden Kredit gebracht. Wer die
Einschränkung der Lohnfortzahlung durch die CDU/CSU-
Regierung als Teufelszeug bekämpfte und
hunderttausende Demonstranten dagegen mobilisierte, kann
die Privatisierung des Krankengeldes nicht als
Schrödersche Reform-Delikatesse durchgehen lassen.
Schließlich handelt es sich bei den Empfängern
der Krankengeldbezieher im Unterschied zur „heiligen
Kuh“ Lohnfortzahlung allesamt um die Langzeitkranken,
unter denen sich selten „Blaumacher“ befinden.
Krebs nimmt sich niemand, um sich ein paar freie Tage zu
verschaffen.
Wer die Gewerkschaften in die Ecke stellt, egal, ob von
Regierungs- oder Oppositionsseite, oder gar mit
Rücktrittsdrohungen des Kanzlers erpresst, dem die
Gewerkschaften dummerweise auch noch zum Wahlsieg verholfen
haben, wird das Gegenteil von Veränderungsbereitschaft
erreichen. An die Stelle der Kooperation wird Konfrontation
treten. Sieger gibt es entgegen anders lautender
Erwartungen dann auf keiner Seite. Basta-Schröder und
gewerkschaftliche Gesprächsverweigerer ähneln
sich leider spiegelbildlich.
Der sozialpolitische deutsche Einigungsprozess wurde durch
handfeste Solidarität der Gewerkschaften
unterstützt. Tausende altgedienter Gewerkschafter
machten sich ohne viel Worte auf den Weg in die neuen
Länder und halfen mit, Arbeitsverwaltungen,
Krankenversicherungen oder auch Rententräger aus dem
Boden zu stampfen. Es ist noch immer viel
selbstverständliche Solidarität in der
Arbeiterbewegung zu Hause, was man damals leider nicht von
manchen Investoren und Subventionsabsahnern in den neuen
Ländern sagen konnte.
Auch das habe ich nicht vergessen.
Der Autor war von 1982 bis 1998 Minister für Arbeit
und Sozialordnung der Regierung Kohl.
http://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel5161/
Blüm sacht auch auch seit Jahren:
Die gesetzliche Rente ist sicher.
SOM
Die gesetzliche Rente ist sicher.
SOM
SOM.you wiederholt wiederholt immer Wörter Wörter
gruß Revenue
gruß Revenue
nee nee, som,
das war ein Missverständnis.
Er sagte : Die Renten sind sicher !!!
Er dachte dabei an SEINE Rente,
wir alle dachten an UNSERE Renten.
Reines Missverständnis, sonst nix
das war ein Missverständnis.
Er sagte : Die Renten sind sicher !!!
Er dachte dabei an SEINE Rente,
wir alle dachten an UNSERE Renten.
Reines Missverständnis, sonst nix
zu #2 und Recht hat er
#2
Bläms Rente ist ja auch sicher. Der bekommt rund 12000 Euro, monatlich versteht sich...
Bläms Rente ist ja auch sicher. Der bekommt rund 12000 Euro, monatlich versteht sich...
Herr Blüm ist ein so guter Mensch. Und das ist das Problem. Der Mann ist einfach zu gut für diese Welt.
Seine Ansichten passen in die gemütliche Welt der Nachkriegszeit, als wir Deutschen tatsächlich noch innovativ und fleißig waren und ständig Produktivitätsfortschritte machten. In dieser Zeit war es sinnvoll, die Marktmechanismen auf Kosten der folgenden Generationen stillzulegen, um des lieben sozialen Friedens willen.
Wenn eine Gesellschaftsform wie die unsere, in der die Gewerkschaften so viel Macht haben, wirklich so sinnvoll wäre, wie er behauptet, wundere ich mich, warum unser Land derzeit so wahnsinnig viel mehr Probleme hat als andere, und warum sensationellerweise momentan sogar die Regierungen der Franzosen und Ösis derzeit das heiße Eisen anfassen, die Vetomacht der Gewerkschaften gegen Kürzungen des Sozialstaats zu brechen. Wenn unser Weg der richtige Weg wäre, müßten uns doch viele andere Länder nachahmen. Statt dessen sind wir die letzten Mohikaner, die´s noch nicht kapiert haben.
Klar sind Manager egoistisch und scheren sich einen Dreck um anderer Leute Arbeitsplätze. Aber das sind rein moralische Kategorien, das kann man bedauern und weinen, oder man kann´s lassen, hilft nur alles nix. Wir werden von Ländern, in denen egoistische Manager die Wertschöpfung vorantreiben, wirtschaftlich überrollt.
Und entweder spielen wir das Spiel mit oder wir realisieren hier ganz freiwillig und 60 Jahre später den Morgenthau-Plan (Zerstörung der Wirtschaft, Agrarstaat).
Mfg
Kleinernibbler
Seine Ansichten passen in die gemütliche Welt der Nachkriegszeit, als wir Deutschen tatsächlich noch innovativ und fleißig waren und ständig Produktivitätsfortschritte machten. In dieser Zeit war es sinnvoll, die Marktmechanismen auf Kosten der folgenden Generationen stillzulegen, um des lieben sozialen Friedens willen.
Wenn eine Gesellschaftsform wie die unsere, in der die Gewerkschaften so viel Macht haben, wirklich so sinnvoll wäre, wie er behauptet, wundere ich mich, warum unser Land derzeit so wahnsinnig viel mehr Probleme hat als andere, und warum sensationellerweise momentan sogar die Regierungen der Franzosen und Ösis derzeit das heiße Eisen anfassen, die Vetomacht der Gewerkschaften gegen Kürzungen des Sozialstaats zu brechen. Wenn unser Weg der richtige Weg wäre, müßten uns doch viele andere Länder nachahmen. Statt dessen sind wir die letzten Mohikaner, die´s noch nicht kapiert haben.
Klar sind Manager egoistisch und scheren sich einen Dreck um anderer Leute Arbeitsplätze. Aber das sind rein moralische Kategorien, das kann man bedauern und weinen, oder man kann´s lassen, hilft nur alles nix. Wir werden von Ländern, in denen egoistische Manager die Wertschöpfung vorantreiben, wirtschaftlich überrollt.
Und entweder spielen wir das Spiel mit oder wir realisieren hier ganz freiwillig und 60 Jahre später den Morgenthau-Plan (Zerstörung der Wirtschaft, Agrarstaat).
Mfg
Kleinernibbler
Blüm bekommt keine Rente sondern eine Pension, mit gesetzlicher Rentenversicherung hat das nix zu tun @ Blue Max
#8
Das ist ja das Schlimme.
Allerhöchste Zeit, dsss Berufspolitiker gezwungen werden in die Rentenversicherung einzuzahlen, so wie jeder andere auch !
Das ist ja das Schlimme.
Allerhöchste Zeit, dsss Berufspolitiker gezwungen werden in die Rentenversicherung einzuzahlen, so wie jeder andere auch !
#kl.nibbler
die gewerkschaften haben also eine vetomacht? das ist ja völlig neu! wo stehtn das?
die gewerkschaften haben also eine vetomacht? das ist ja völlig neu! wo stehtn das?
#8 stimmt, aber um so schlimmer!!! Wer bezahlt die denn? Hat er was einbezahlt?
In einem Interview wurde er mal gefragt ob er bereit ist seine Pension(12000 im Monat), aufgrund der Lage in Deutschland, minimal zu kürzen, nicht viel nur wie alle anderen Mitbürger auch. Der wurde voll sauer und sagte wie heute fast jeder Rentner das er dafür gearbeitet hat und nicht bereit ist auf etwas zu verzichten.
Ich war nicht überrascht!!! Solidarität war mal!!! Egoismus ist in!!!
Wasser predigen und Champagner saufen!!
In einem Interview wurde er mal gefragt ob er bereit ist seine Pension(12000 im Monat), aufgrund der Lage in Deutschland, minimal zu kürzen, nicht viel nur wie alle anderen Mitbürger auch. Der wurde voll sauer und sagte wie heute fast jeder Rentner das er dafür gearbeitet hat und nicht bereit ist auf etwas zu verzichten.
Ich war nicht überrascht!!! Solidarität war mal!!! Egoismus ist in!!!
Wasser predigen und Champagner saufen!!
@harengus
Das steht nirgends, aber das ist de facto so. Oder wie nennst Du das, was nicht nur gerade jetzt passiert?
Gewerkschaften sind in Deutschland mächtiger als jede Partei, weil sie sowohl SPD als auch (in etwas geringerem Maße) CDU von sich abhängig gemacht haben. Damit können sie beide große Volksparteien vollständig blockieren, wenn diese Interessen der Gewerkschaften verletzen.
Wenn die Herren Sommer, Bsirske, Peters und Wiesehügel hier den großen Aufstand ankündigen, kuscht noch jeder Politiker der großen Parteien davor. Weil sie die Möglichkeit haben, eine technisierte Gesellschaft mit ganz wenigen Streikenden in vollständiges Chaos zu stürzen.
Ich würde sehr gerne einen siebentägigen oder längeren Generalstreik investieren, wenn danach Verkrustungen, die Gewerkschaften gegen das Interesse aller Arbeitslosen und Leistungsträger in Deutschland erhalten wollen, aufgebrochen würden. Aber die Politik hat Schiß davor. Anders in Frankreich und Österreich.
Mfg
Kleinernibbler
Das steht nirgends, aber das ist de facto so. Oder wie nennst Du das, was nicht nur gerade jetzt passiert?
Gewerkschaften sind in Deutschland mächtiger als jede Partei, weil sie sowohl SPD als auch (in etwas geringerem Maße) CDU von sich abhängig gemacht haben. Damit können sie beide große Volksparteien vollständig blockieren, wenn diese Interessen der Gewerkschaften verletzen.
Wenn die Herren Sommer, Bsirske, Peters und Wiesehügel hier den großen Aufstand ankündigen, kuscht noch jeder Politiker der großen Parteien davor. Weil sie die Möglichkeit haben, eine technisierte Gesellschaft mit ganz wenigen Streikenden in vollständiges Chaos zu stürzen.
Ich würde sehr gerne einen siebentägigen oder längeren Generalstreik investieren, wenn danach Verkrustungen, die Gewerkschaften gegen das Interesse aller Arbeitslosen und Leistungsträger in Deutschland erhalten wollen, aufgebrochen würden. Aber die Politik hat Schiß davor. Anders in Frankreich und Österreich.
Mfg
Kleinernibbler
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