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    genua - hervorragende dokumentation in der ard - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 24.07.02 23:49:13 von
    neuester Beitrag 08.01.03 23:06:44 von
    Beiträge: 91
    ID: 612.023
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      schrieb am 24.07.02 23:49:13
      Beitrag Nr. 1 ()
      .... der schwarze block: neofaschisten im dienste des terrors unter dem schutz der italienischen polizei.
      Avatar
      schrieb am 24.07.02 23:53:38
      Beitrag Nr. 2 ()
      Globalisierungsgegner mit Handy und Mc Donalds Tüten










      Danke IWF dass ich so billig nach Goa fliegen darf :laugh:
      Avatar
      schrieb am 24.07.02 23:57:30
      Beitrag Nr. 3 ()
      mein gott, du krankes hirn. schau einfach mal in die glotze und informier dich, anstatt deine dämlichen sprechblasen abzulassen.
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:03:45
      Beitrag Nr. 4 ()
      Gipfelstürmer
      WDR | Länge: 45 Minuten


      Die blutigen Tage von Genua


      Film von Michael Busse und Marie-Rosa Bobbi


      Vor knapp einem Jahr versammelten sich die Regierungschefs der größten Industrienation in Genua zum jährlich stattfindenden Wirtschaftsgipfel G-8. Während die Staatschefs und ihre Berater im frisch herausgeputzten Palazzo Ducale über den freien Warenverkehr in der Welt berieten, forderten 300.000 Globalisierungsgegner auf den Straßen des Konferenzorts eine gerechtere Welt. Noch nie hatten sich so viele Menschen zu einem Protest gegen die herrschende Weltordnung versammelt, und noch nie war die Reaktion der Polizei so scharf wie in Genua.
      Die Regierung Berlusconi, seit wenigen Wochen im Amt, hatte 20.000 Polizisten zusammengezogen. Und diese prügelten und verhafteten in einer Willkür, die die parlamentarische Opposition in Rom an chilenische Zustände erinnerte. Hunderte zum Teil schwer Verletzte wurden mit gebrochenen Rippen, Beinen und Armen in Krankenhäuser eingeliefert. Gleichzeitig - so erzählen Zeugen - hätten Polizisten mit faschistischen Liedern und mit Hymnen auf Mussolini ihre "Siege" gefeiert.
      Doch der öffentlichen Ordnung hat das rabiate Vorgehen der Polizei wenig genützt. Im Gegenteil: Rund 800 Schwarzvermummte konnten in Banken ungestört Feuer legen, Supermärkte plündern oder Autos anzünden. Die Gewalttäter, eine Mischung aus Skins, Hooligans, Neonazis und professionellen Randalierern, zogen drei Tage lang brandstiftend durch Genua und nahmen quasi unter den Augen der Polizei - manche sagen, mit ihrer stillen Duldung - die Stadt auseinander.
      Der Film geht diesen Vorwürfen nach und untersucht die Hintergründe der blutigen Ausschreitungen. Die Autoren sprechen mit Politikern und Betroffenen vor Ort. Sie alle fragen sich, warum die Polizei so beharrlich auf die Falschen einschlug, warum Hunderte Gewalttäter aus England, Deutschland und anderen europäischen Ländern trotz schärfster Kontrollen an den Grenzen bis ins Zentrum von Genua vordringen konnten. Auch hochrangige Polizeibeamte nehmen dazu kritisch Stellung. Der Film findet heraus, dass der Geheimdienst und die Polizei über die Ankunft der Gewalttäter informiert waren. Er dokumentiert die Ungereimtheiten der offiziellen Erklärungen und konfrontiert die Stellungnahmen der Regierung Berlusconi mit bisher unveröffentlichten Bilddokumenten.


      Donnerstag, 25. Juli 2002
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:06:55
      Beitrag Nr. 5 ()
      Dass das Regime Berlusconi das derzeit korrupteste und totalitärste innerhalb der EU ist, ist nichts neues.
      Ich zumindest bin mir dieses Umstands bewusst und habe dies bereits beim Machtwechsel befürchtet.

      Einen ähnlichen, wenn auch weniger markanten Zug sehe ich übrigens leider auch in den USA.

      Der Trend weg von sozialen politischen Führungen hin zu konservativen nationalistischen hat der Welt bisher nichts gutes gebracht. Meines Erachtens sind sowohl der 11.September als auch die derzeitige weltwirtschaftliche Situation eng mit dem politischen Wandel der letzten Jahr verknüpft.

      Überlegt also gut, wenn es im September hier zur Wahl geht.

      Gruss und gute Nacht,

      tcpower

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      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:08:50
      Beitrag Nr. 6 ()
      @realisti,
      gaaaaaaanz früher hieß es -vor allen- Wenden:
      Monopolkapitalismus..:D

      in fünf Jahren wird das Vokabular von Onkel Karl..;)
      wieder salonfähig..:)
      noch sind die Bücher, das Kapital Bd. 23 - 25, günstig im Antiquariat zu bekommen..;)

      heute darf man schon wieder von Eigentum verpflichtet sprechen... handeln leider noch nicht..
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:10:17
      Beitrag Nr. 7 ()
      mit S-Handy und Mac-Pomm-Tüten..:laugh:,:laugh:
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:13:52
      Beitrag Nr. 8 ()
      Hier kann man sehen wie Nachrichten Manipuliert wurden.
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:23:14
      Beitrag Nr. 9 ()
      In Italien regiert die Mafia, und die Polizisten führen ihre Befehle aus. Berlusconi war früher übrigens Bauunternehmer in Sizilien. Wie kommt man in Sizilien zu Bauaufträgen. Ihr wißt es...

      Und jetzt das Bündnis mit den Neofaschisten (kein Vorwurf, -->SELBSTBEZEICHNUNG). Alles paßt zusammen.

      Angeblich mag Schröder den Berlusconi auch nicht. George W. findet ihn aber klasse.
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:31:56
      Beitrag Nr. 10 ()
      Dieser erschütternde Bericht dokumentiert,
      daß Gerechtigkeit kein selbstverständliches Gut
      in der EU ist,
      sondern immer wieder gefährdet wird und neu erkämpft werden muß.

      Wehret den Anfängen!
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 00:34:12
      Beitrag Nr. 11 ()
      nö, tcpower, neu ist es nicht, dass die kriminellen in den höchsten etagen der ehrenwerten italienischen - aber nicht nur der italienischen - gesellschaft sitzen. das denunzieren von protestbewegungen unter zuhilfenahme faschistischer schlägertrupps und der ach so freien presse, die die "richtigen" bilder auswählt und die köpfe zu"recht"setzt - wie realisti unfreiwillig beweist -, ist neben der massiven korruption ein weiterer baustein für die durchsetzung der modernen variante des faschismus.

      oktopodius, allenthalben gefälschte bilanzen halt, nicht wahr?
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 09:02:22
      Beitrag Nr. 12 ()
      I T A L I E N
      Schaut auf dieses Land

      In Italien droht die Rückkehr des autoritären Staats. Berlusconis Gesetze und Medienherrschaft ebnen den Weg

      Von Ulrich Ladurner

      Wir alle lieben Italien. Der Wein ist gut, die Sonne scheint, und diese heiteren Menschen: Ja, wenn wir doch auch so genießerisch durch die Welt flanieren könnten! Hier ein Cappuccino, dort ein Plausch, viva Italia und das gute Leben dazu! Unsere Liebe zu Italien ist groß und nachsichtig, auch wenn es um ernstere Dinge geht. Politik zum Beispiel. Da will nichts richtig klappen. Das erwartet auch keiner. Das Chaotische gehört zum Charme Italiens.

      Derlei Vorurteile haben den Rang einer anthropologischen Konstante, und als solche sind sie Werbeträger der Tourismusindustrie. So ist es auch zu erklären, dass bei der Wahl von Silvio Berlusconi zum Ministerpräsidenten kein Aufschrei durch Europa ging. Nichts, was vergleichbar gewesen wäre mit dem moralischen Aufruhr, als in Wien die ausländerfeindliche Freiheitliche Partei des Jörg Haider an die Regierung kam.

      Kein Kanzler, kein Ministerpräsident sprach nach Berlusconis Wahl offen von dem, was jeder wusste: dass Italien zum europäischen Problem geworden war. Wer von ihnen noch ansetzen mochte zur Kritik an dem Medienzar, dem schloss realpolitisches Kalkül schnell den Mund: Italien ist zu groß für feinsinnige demokratische Ratschläge.

      Mit der Ruhe ist es seit Genua aus. Es ist nicht mehr notwendig, von der Prügelorgie der Polizei gegen Demonstranten zu reden. Wer mehr darüber wissen möchte, der kann sich direkt an amnesty internationalwenden, das ein "Genua-Dossier" eröffnet hat. Offizielle italienische Quellen, die eine unerhörte Brutalität der Ordnungskräfte bezeugen, gibt es inzwischen genug.

      Was braut sich in Italien zusammen? Was geschieht in einem Land, das seit kurzem einen vorbestraften Mann zum Ministerpräsidenten gewählt hat? Was bedeutet es, wenn an Roms Regierung Männer beteiligt sind, die ihre ideologisch-faschistischen Wurzeln nicht abgeschnitten haben? Was heißt es, wenn eine fremdenfeindliche Partei mitregiert? Und schließlich: Wie ist es mit der Zukunft der Demokratie bestellt, wenn der Ministerpräsident die keineswegs zaghaft ausgeübte Kontrolle über fast alle elektronischen Medien hat?

      Es gibt keine Beweise, dass die Orgie der Gewalt in Genua von oben angeordnet wurde, es ist auch unwahrscheinlich, dass es solche Befehle gegeben hat. Wiewohl es wichtig ist, den Ursprung des Vergehens - und zwar aufseiten der Polizei und der Demonstranten - aufzuklären, war Genua doch nicht mehr als ein Brennglas, unter dem ein größeres Spiel zu erkennen ist. Silvio Berlusconi selbst hat ihm einen Namen gegeben: "Die Revolution Italiens". Der radikale Umbau.

      Er regiert seit mehr als fünfzig Tagen. In dieser Zeit hat er folgende Bauelemente des neuen Italiens errichtet: ein Gesetz, das die Erbschaftsteuer abschafft (größter Nutznießer ist der reichste Mann Italiens, Berlusconi); einen Gesetzesvorschlag, der die Fälschung von Bilanzen nicht mehr als strafrechtlich verfolgbaren Tatbestand betrachtet (Berlusconi war wegen Bilanzfälschung verurteilt worden); einen Gesetzentwurf, der illegale Immigration in Italien zur Straftat macht, bedroht mit vier Jahren Gefängnis (eine Initiative der xenophoben Regierungspartei Lega Nord); einen weiteren Gesetzesvorschlag, der der Polizei mehr Autonomie gegenüber der Justiz einräumt (Berlusconi hatte die Untersuchungsrichter, die gegen ihn ermittelten, immer als politisch motivierte Täter dargestellt).

      Die Geschichte des Terrors

      "Genua" sollte man nicht so sehr als einen Akt der Gewalt interpretieren, sondern als den Hinweis auf eine nicht ganz neue politische Kultur Italiens. Schlagstöcke, Bomben, Attentate, Dutzende Tote haben die italienische Nachkriegsgeschichte mitgeprägt. Politischer Terror war ein Teil der innenpolitischen Auseinandersetzung. Die meisten dieser Verbrechen sind nie wirklich aufgeklärt worden. Die dunkle Geschichte des Landes wird mit den Worten "Strategie der Spannung" umschrieben. Sie haben in das politische Vokabular Italiens so selbstverständlich Eingang gefunden wie anderswo etwa der Begriff der Sozialpartnerschaft.

      Die "Strategie der Spannung" war nichts anderes als ein Versuch, einen autoritären Staat herbeizubomben. Attentate und Entführungen wurden zumeist "Linken", Anarchisten oder sonst welchen Gegnern, in die Schuhe geschoben. Die schlugen zurück. Der Mord an Ministerpräsident Aldo Moro ging auf ihr Konto. Das Resultat war eine Destabilisierung des ganzen Landes. Die Reaktion: die harte Hand eines starken Staates.

      Das wenige, was man über die Terrorgeschichte Italiens mit Sicherheit weiß, ergibt ein beunruhigendes Bild: Die extreme Rechte hatte in Zusammenarbeit mit Geheimdiensten in vielen Fällen ihre Finger im Spiel. Die rechte Nachfolgepartei des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano - heute die Regierungspartei Alleanza Nazionale - hatte zu diesen Gruppierungen ein allzu enges Verhältnis.

      Alles Geschichte, natürlich - aber es ist eine, die nach Genua wiederkommen kann. Die Ereignisse in Genua haben eine politische Rhetorik in Gang gesetzt, die an die blutigen siebziger Jahre erinnert. Die Opposition schlägt aus den Ereignissen Kapital und spricht leichtfertig von "faschistischem Stil" und "chilenischen Nächten"; die Regierung mauert, so gut es geht, und stellt sich mit einer nicht weniger leichtfertigen Sprache hinter ihre Polizisten. Das Ergebnis: Die politische Atmosphäre ist vergiftet. Die Angst vor dem Terror ist wieder da. Ein prominenter Politiker, Clemente Mastella, hat in den letzten Tagen einen Brief mit zwei Kugeln erhalten - eine Einschüchterung im alten Stil der Mafia und der roten Terrortruppen.

      Und was geht das alles uns an? Ist das nicht innere Angelegenheit eines souveränen Staates? Nicht mehr, im vereinten Europa. Man muss nicht einmal die Theorie von der beschränkten Souveränität der Nationalstaaten bemühen, auch muss nicht die Universalität der Menschenrechte ins Feld geführt werden. Es geht auch einfacher: Jedes Abrutschen Italiens in die unruhigen siebziger Jahre hat direkte Auswirkungen auf Europa, auf seine gemeinsame Wirtschaft und Währung - und damit auf uns alle.

      Was ist zu tun? Zuerst einmal: Hinschauen! Zum Beispiel auf die Berichterstattung im italienischen Fernsehen. Dann wird man erleben, was es heißt, einen absoluten Herrscher der Medien als Ministerpräsidenten zu haben. Man wird verstehen, warum diese Machtkonzentration eine Gefahr für Italiens Demokratie ist. Es existiert zum Beispiel ein einstündiger Bericht der zweiten staatlichen Fernsehstation über die Ereignisse in Genua, der bis heute nicht gesendet wurde. Es gibt stattdessen einen Fernsehbericht von Berlusconi, der im Senat spricht - als er dann sagt: "Man soll nicht die Aggressoren mit den Angegriffenen verwechseln!", schneidet die manipulative Regie Bilder von brennenden Polizeiwagen und Steine werfenden Jugendlichen aus Genua dazu, während Berlusconis Stimme im Stile eines Reporters erklingt, der seine Geschichte mit der Macht der Bilder unterlegen darf.

      Hinschauen also. Denn es gibt den ersten Toten, und es gibt eine blutige Geschichte Italiens, die wiederkehren will, und es gibt einen Politiker, der mächtiger ist als alle Demokraten vor ihm. Und es gibt unsere Liebe zu Italien, die uns allzu leicht blind macht.
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 09:07:33
      Beitrag Nr. 13 ()
      Wer sich über die "Strategie der Spannung" informieren möchte, sei das Zoom-Dossiers zu "Gladio" an`s Herz gelegt. ....


      -http://zoom.mediaweb.at/zoom_4596/italien.html
      Stay behind the NATO
      Strategia della tensione
      Ein Überblick über die italienischen Wurzeln von Gladio, die Verwicklung von Geheimdiensten und faschistischen Gruppierungen in die Massaker zwischen 1969 und 1993.

      Die Wurzeln von Gladio
      Die Massaker: 245 Tote und über 600 Verletzte
      In die Massaker verwickelte faschistische Organisationen
      Strategie der Spannung
      Der Plan "Demagnetize"
      Italien ist das klassische Beispiel dafür, wie FaschistInnen und Geheimdienste die Demokratie stürzen wollten. Heute, da die Linke in der Regierung sitzt beziehungsweise diese unterstützt, sind die Putschversuche, Massaker und Morde kaum mehr vorstellbar. Doch der Erfolg der Linken ist auch eine Folge des Niedergangs der alten politischen Kaste, deren ProponentInnen allzutief in die dunklen Machenschaften verstrickt waren – wie der heute vor Gericht stehende ehemalige Ministerpräsident Giulio Andreotti. In den staatlichen Institutionen, der Polizei, dem Militär und teilweise der Justiz sitzen nach wie vor viele derer, denen jedes Mittel recht war, Linke und KommunistInnen zu bekämpfen.

      Gegen einen der ganz großen Drahtzieher, Licio Gelli, laufen ganz frische Ermittlungen im Zusammenhang mit einem riesigen Waffenhändlerring, den die italienische Polizei Anfang Juni ausgehoben hat, nachdem der Geheimagent Francesco Elmo im Oktober letzten Jahres ausgepackt hat. Im Zentrum der Organisation steht der slowenische Waffenhändler Nicholas Oman, ihre Verbindungen reichen von Wladimir Schirinowskij bis zum Erzbischof von Barcelona Ricard Maria Charles, der über die Vatikanbank IOR 100 Millionen Dollar gewaschen haben soll.

      Die Wurzeln von Gladio
      Die italienischen Wurzeln von Gladio gehen auf das Jahr 1942 zurück, als der amerikanische Geheimdienst erfolgreich Druck auf das Justizministerium ausübte, den inhaftierten Mafiaboß Charles "Lucky" Luciano freizulassen. Im Gegenzug bereitete Luciano 1943 die Landung amerikanischer Truppen in Sizilien vor. Dies war der Anfang einer langen Zusammenarbeit zwischen der USA und den Mafiosi von der "Cosa Nostra".

      Gleichzeitig knüpfte das "Office of Strategic Services" (OSS), die Vorläuferorganisation der CIA, noch während des Zweiten Weltkriegs enge Kontakte zur katholischen Kirche, insbesondere zum Malteserorden. Zu dessen "Rittern" gehörte OSS-Chef William "Wild Bill" Donovan ebenso wie der spätere CIA-Capo William Casey. Und noch einer war dabei: Licio Gelli, Großmeister der geheimen Freimaurerloge "Propaganda Due" (P 2), der als der große Koordinator von Geheimdienstaktionen, Mafiaoperationen, Drogen-, Waffen- und anderen dunklen Geschäften der italienischen Nachkriegsgeschichte gilt. Der Hinrichtung durch italienische PartisanInnen entkam der Nazi-Kollaborateur durch Flucht zur US-Army. Dort wurde er vom "Counter Intelligence Corps" (CIC) angeworben, 1950 rekrutierte ihn auch der noch junge italienische Geheimdienst SIFAR. Gelli wurde zum wichtigsten Mittelsmann zwischen der CIA und dem ersten Geheimdienstchef General Giovanni De Lorenzo, seine Kontakte reichten bis zu den Präsidenten Reagan und Bush. Auf der Mitgliederliste seiner 1981 enttarnten Loge P 2 fanden sich zahlreiche hochrangige Geheimoffiziere, aber auch Medienmogul und Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

      Im Dezember 1945 wurden alle ehemaligen italienischen Geheimdienste aufgelöst. In den folgenden Jahren lag die Spionage allein in den Händen der US-Agenten vom OSS. Der legendäre paranoide OSS-Agent James Jesus Angleton, später Counter-Intelligence-Chef der CIA, baute ein geheimes Netzwerk auf, mit dem die Basis für Gladio gelegt wurde. Allein zwischen Kriegsende und 1953 pumpten die Vereinigten Staaten vier Milliarden Dollar für Geheim- und Hilfsprogramme nach Italien.

      Mit dem Beitritt Italiens zur NATO im März 1949 wurde auch der militärische Geheimdienst neu gegründet: Die Gründung des "Servizio Informazioni Forze Armata" (SIFAR) erfolgt unter Anleitung der CIA und Koordinierung der NATO. Auf Empfehlung der Amerikaner wird 1956 General De Lorenzo zum Chef des SIFAR ernannt, der bereits während des Kriegs die Militärspionage geleitet hat. Unter seiner Leitung wird ein Jahr später die eigentliche Gladio-Struktur, das "Büro R" (wie "Ricerche" = Nachforschungen) gegründet.

      Der unter amerikanischer Federführung neugegründete Geheimdienst rekrutierte sich zu einem beträchtlichen Teil aus alten Faschisten. Als 1966 ein Putschplan De Lorenzos – der sogenannte "Piano Solo" – aufzufliegen droht, wird der SIFAR aufgelöst und durch den "Servizio Informazioni Difesa" (SID) ersetzt. Dessen erster Chef Eugenio Henke soll nach Aussagen eines Südtiroler Gladiators als Revanche für den Südtirol-Terror 30 Attentate in Österreich in Auftrag gegeben haben. Als Reaktion auf die Verwicklung des Geheimdienstes in die Massaker der siebziger Jahre wird dieser 1977 ein weiteres Mal "reformiert": Aus dem SID entstehen SISDE – "Servizio Informazioni Sicurezza Democratica", als innenpolitischer Dienst dem Innenminister unterstellt – und SISMI – "Servizio Informazioni Sicurezza Militare" unter der Oberhoheit des Verteidigungsministeriums. Doch auch diesmal bleiben die alten Seilschaften am Ruder. SISMI-Chef Santoviti ist ebenso P-2-Mitglied wie sein Stellvertreter Pietro Musumeci, der wie Gelli wegen des Bombenanschlags auf den Bahnhof von Bologna (1980) verurteilt wurde.

      Die Massaker: 245 Tote und über 600 Verletzte
      12. Dezember 1969, Mailand, Piazza Fontana. Die Massenbewegung der StudentInnen und ArbeiterInnen hat im Herbst 1969 ihren Höhepunkt erreicht, als durch eine Bombe vor der Landwirtschaftsbank im Zentrum Mailands 16 Menschen getötet und 84 verletzt werden. Die Polizei ermittelt, wie es bei fast allen Anschlägen zur Regel werden wird, sofort gegen Linke. Es kommt zum "zufälligen Tod eines Anarchisten" (so der Titel eines Theaterstücks von Dario Fo über den Vorfall): Giuseppe Pinelli "fällt" während seiner Einvernahme durch die Polizei aus dem Fenster. Der Geheimdienst legt falsche Spuren und verwischt richtige, der ermittelnde Polizeikommissar wird von Faschisten ermordet. Weitere zwölf in die Ermittlungen verwickelte Personen begehen entweder "Selbstmord" oder sterben bei "Unfällen". Die schließlich angeklagten Faschisten werden allesamt 1989 in letzter Instanz freigesprochen.

      Als ausführender Täter des Massakers wird heute das ehemalige "Ordine Nuovo"-Mitglied Delfo Zorzi genannt – mittlerweile ein schwerreicher Geschäftsmann in Tokio. Vorbereitet wurde das Attentat nach neueren Ermittlungen vom Anführer der bewaffneten Gladio-Zellen in Venetien Enrico Minetto. Es wird immer klarer, daß die italienischen Faschisten im Auftrag der CIA beziehungsweise der NATO handelten. Trotzdem scheint es zweifelhaft, daß das Geheimnis über das schier undurchdingliche rechtsextreme Netzwerk jemals vollständig gelüftet werden wird. Einer der ermittelnden Staatsanwälte hielt Ende letzten Jahres resignierend fest: "Bis heute besteht eine noch höchst aktive Struktur in Italien und im Ausland, mit dem Ziel der Kontrolle von Menschen, die in der Vergangenheit an schlimmsten Attentaten beteiligt waren. Diese ist in der Lage, ungeheure finanzielle Mittel und juristische Unterstützung für die Kämpfer bereitzustellen, gegen die von den Strafverfolgungsbehörden ermittelt wird."

      31. Mai 1972, Peteano. In einem kleinen Ort in der Nähe von Triest tötet eine Autobombe drei Carabinieri. Die Neuaufnahme des Verfahrens durch den venezianischen Untersuchungsrichter Felice Casson führt 1990 zur Aufdeckung des Gladio-Skandals. Unter anderen wird der Chef des militärischen Geheimdienstes SISMI angeklagt. Ausführende des Anschlags waren die "Ordine Nuovo"-Mitglieder Vincenzo Vinciguerra und Carlo Maggi. Ersterer wurde zu lebenslanger Haft verurteilt – eine der wenigen Ausnahmen in der nicht endenden Serie von Freisprüchen für rechtsextreme Terroristen durch italienische Gerichte.

      Der beim Anschlag verwendete Sprengstoff "T 4" stammte aus einem der 139 geheimen italienischen Gladio-Waffenlager. Der Waffenexperte Marco Morin, ebenfalls "Ordine Nuovo"-Mitglied, hatte mit einem gefälschten Gutachten offensichtlich im Gladio-Auftrag die Spur des Sprengstoffs in Richtung "Rote Brigaden" gelenkt. Dem Geheimdienst gelang es, Morin auch als Gutachter in die Untersuchungen wegen der Ermordungen des christdemokratischen Ministerpräsidenten Aldo Moro und des Anti-Mafia-Staatsanwalts Dalla Chiesa einzuschleusen.

      28. Mai 1974, Brescia, Piazza della Loggia. Während einer antifaschistischen Demonstration der Gewerkschaft explodiert eine Bombe, die 9 Tote und 90 Verletzte fordert. Zwei Prozesse 1985 und 1989 enden mit Freisprüchen für alle Angeklagten.

      4. August 1974, "Italicus"-Express. Die Explosion einer Bombe in einem Schnellzug auf der Strecke Florenz-Bologna tötet 12 Fahrgäste und verletzt 48. Zwei Neofaschisten werden zu lebenslanger Haft verurteilt, die Urteile aber 1986 wieder annulliert.

      9. Mai 1978, Ermordung Aldo Moros. Auch bei der Ermordung des christdemokratischen Ministerpräsidenten nach 55 Tagen Gefangenschaft durch die "Roten Brigaden" hatten Geheimdienste ihre Finger im Spiel. Die Brigaden waren sowohl vom italienischen Geheimdienst als auch von der CIA infiltriert. Beispielsweise sollen Waffenlieferungen der PLO an die Brigaden Teil eines Vertrags zwischen der PLO und der CIA gewesen sein.

      In später in einem Quartier der "Roten Brigaden" aufgefundenen Briefen aus der Haft deutete Moro an, daß er geopfert werden sollte. Er fürchtete den Einfluß von Andreottis engen Beziehungen zur CIA auf sein Schicksal. Moro war ein Verfechter des "historischen Kompromisses" zwischen ChristdemokratInnen und KommunistInnen, seine Ermordung paßte nur zu gut in die "Strategie der Spannung" von CIA und italienischem Geheimdienst. In der Abschrift der Briefe waren entscheidende Stellen gestrichen. Die beiden Männer, die am meisten über Moros Briefe wußten, wurden ermordet: Dalla Chiesa und der Journalist Mino Pecorelli. Der Mafia-Pate Thomas Buscetta beschuldigte Andreotti, die Ermordung der beiden aus Furcht vor möglichen Enthüllungen angeordnet zu haben. Andreotti steht zur Zeit in Palermo wegen seiner mutmaßlichen Komplizenschaft bei der Ermordung Pecorellis vor Gericht. Einer der blutrünstigsten Mafiakiller, Calogero Ganci, gestand im Juni dieses Jahres, Dalla Chiesa erschossen zu haben.

      27. Juni 1980, Ustica. Über der nördlich von Sizilien gelegenen Insel Ustica stürzt eine DC-9 mit 81 Menschen an Bord ab. Alle kommen um. Fast zeitgleich stürzt über den kalabresischen Bergen eine libysche MIG-23 ab. Den Hintergrund dieses "zufälligen" Zusammentreffens schilderte die italienische Wochenzeitung "Panorama" folgendermaßen: "Die DC-9 der ,Itavia` wurde, wahrscheinlich aus Versehen, im Laufe einer geheimen, auf internationaler Ebene organisierten Militäraktion abgeschossen, deren Ziel der Sturz des libyschen Regimes und die physische Eliminierung von Muhammar Ghadaffi war."

      So unglaublich diese Version klingt, sie hat einen wichtigen Kronzeugen: Guglielmo Sinigaglia, Verbindungsmann zwischen italienischen und französischen Geheimdiensten. Laut Sinigaglia bestand der Putschplan aus mehreren Phasen: "Von einem sizilianischen Stützpunkt aus Waffenlieferungen an libysche Rebellen; Abschuß des Flugzeuges, das in der Nacht des 27.6.1980 Ghadaffi von Tripolis nach Warschau bringen sollte durch ein von einem libyschen Rebellen gesteuertes Flugzeug; Landung eines auf U-Booten verschifften internationalen Kommandos in Libyen zur Unterstützung der Rebellen, um den Staatsstreich durchzuführen. Der Plan schlug fehl, als statt Ghadaffi die DC-9 der ,Itavia` getroffen wurde."

      Ähnlich schildert ein ehemaliger SISMI-General den NATO-Putschversuch gegen Libyen in einem zwölf Jahre alten Dossier, das im Januar dieses Jahres in seiner Wohnung gefunden wurde. Demnach sei Ghadaffis Flugzeug von ein oder zwei von libyschen Rebellen gelenkten Jägern verfolgt worden. Daraufhin seien ein oder zwei französische Jäger aufgestiegen "und schossen einen libyschen Jäger ab: den, der in Kalabrien abstürzte. In der kurzen Luftschlacht entkam Ghadaffis Flugzeug und wurde mit dem Zivilflugzeug verwechselt, das zum Ziel der französischen Rakete wurde." Der General hielt in seinem Schreiben weiters fest, daß der damalige Staatspräsident Cossiga voll eingeweiht gewesen sei.

      Auch die "Ustica"-Affäre ist von einer Reihe von dubiosen "Selbstmorden" und tödlichen "Unfällen" von Menschen geprägt – mindestens zwölf –, die etwas über die Zusammenhänge zu erzählen gehabt hätten. Der Journalist Werner Raith vertritt die These, daß auch die von der italienischen Kunstflugstaffel "frecce tricolori" im August 1988 im deutschen Ramstein verursachte Katastrophe, bei der 70 Menschen starben, eine Spätfolge von "Ustica" war. Zwei der verunglückten Piloten seien durch Manipulationen an ihren Maschinen zum Schweigen gebracht worden.

      2. August 1980, Bologna, Bahnhof. Eine Bombe tötete 85 Menschen und verletzte 200. Nach 15 Jahren werden im November 1995 rechtskräftige Urteile gefällt. Zwei Mitglieder der terroristischen "Nuclei armati rivoluzionari" (NAR – Bewaffnete Revolutionäre Kerne) werden zu lebenslanger Haft verurteilt, die SISMI-Offiziere Pietro Musumeci und Guiseppe Belmonte wegen Legen falscher Spuren zu mehrjährigen Haftstrafen. Die mutmaßlichen Auftraggeber, P-2-Großmeister Licio Gelli und sein Helfershelfer, der CIA-Agent Francesco Pazienza, zu jeweils zehn Jahren.

      Nicht verurteilt wurde Stefano Delle Chiesa, der den Anschlag organisiert und den Sprengstoff besorgt haben soll. Musumeci, 1980 stellvertretender SISMI-Chef, versuchte den Verdacht auf die deutsche "Wehrsportgruppe Hoffmann" zu lenken. Tatsächlich war Karl-Heinz Hoffmann mit Delle Chiesa zusammengetroffen. Mitglieder seiner Gruppe landeten drei Tage vor dem Anschlag in Rimini.

      Die Verbindung zu Hoffman ist auch in einem größeren Zusammenhang von Interesse: Die Bombe von Bologna war Auftakt zu einer Serie von drei weiteren Anschlägen in ganz Europa: Keine zwei Monate später sterben am 26. September mitten in einer heißen Wahlkampfphase – damals kandidierte Franz Josef Strauß für das Amt des Bundeskanzlers – bei einem Anschlag auf das Münchener Oktoberfest elf Menschen. In der Woche darauf folgt ein Anschlag auf die jüdische Synagoge in Paris, ein weiterer auf den Karneval der schwarzen Bevölkerung Londons im Januar 1981 wurde von der Zeitschrift "Searchlight" vereitelt.

      23. Dezember 1984, Eilzug 904. Eine Bombe, die in einem Tunnel explodiert, tötet 27 Menschen und verletzt 180.

      Mai 1993, Florenz. Eine Bombe zerstört die weltberühmten Uffizien und tötet fünf Menschen. Zwei weitere Bomben folgen Ende Juli desselben Jahres in Rom und Mailand (6 Tote, insgesamt 98 Verletzte). Die drei Anschläge waren der bislang letzte aufsehenerregende Versuch, die gegen die faschistisch-geheimdienstliche Allianz ermittelnden PolizistInnen und RichterInnen einzuschüchtern. Der im Mai dieses Jahres verhaftete sizilianische Mafiaboss Giovanni Brusca, auf dessen Konto unter anderem die Ermordung des Anti-Mafia-Richters Giovanni Falcone geht, gestand seine Beteiligung an den Anschlägen.

      In die Massaker verwickelte faschistische Organisationen
      Movimento Sociale Italiano (MSI). 1946 von Giorgio Almirante, Pino Rauti, Julius Evola und Clemente Graziani gegründete faschistische Partei. Im gleichen Jahr stellten Rauti, Evola und Graziani auch die bewaffnete Untergrundorganisation "Fasci di Azione Rivoluzionaria" auf die Beine. Almirante, gegen den wegen des Blutbads von Peteano Anklage erhoben wurde, führte die NeofaschistInnen von 1969 bis 1987. Sein Nachfolger Gianfranco Fini machte die nunmehr als Alleanza Nazionale (AN) firmierende Partei zur drittstärksten Partei Italiens. Pino Rauti, "godfather" und Koordinator der verschiedenen faschistischen Terrorgruppen, soll auf der Lohnliste der CIA gestanden haben. 1965 gehörte er zu den Mitorganisatoren eines vom "Institut für militärische Studien" in Rom abgehaltenen Treffens über den "revolutionären Krieg", an dem RechtsextremistInnen, aber auch Verantwortliche des Geheimdienstes SIFAR teilnahmen. Auf dieser Versammlung wurde jene "Strategie der Spannung" entworfen, welche vier Jahre später erstmals in die Tat umgesetzt wurde. 1989 zog Rauti für den MSI in das Europaparlament ein und führt heute die faschistische Splitterpartei "Movimento Sociale Tricolore" (MST) an, die bei den letzten Wahlen unter einem Prozent blieb.

      Ordine Nuovo. Das "faschistische Studienzentrum", zu deutsch: Neue Ordnung, wurde 1956 vom radikalen Flügel des MSI um Pino Rauti gegründet. Anfang der sechziger Jahre zählte die Gruppe über 10.000 Mitglieder. Ordine Nuovo und vor allem deren Führer Rauti unterhielten engen Kontakt zur faschistischen Internationale, zur französischen Terrorbewegung OAS, zur "Jugend Europa" usw. AktivistInnen der Terrortruppe oder aus deren Umfeld waren in praktisch alle faschistischen Blutbäder verwickelt. Rauti soll beispielsweise der Anstifter des Attentats auf der Piazza Fontana gewesen sein. Als Almirante 1969 den Vorsitz des MSI übernahm, trat die Ordine Nuovo geschlossen wieder der Partei bei.

      Avanguardia Nazionale. 1960 von Italiens bekanntestem Rechtsterroristen und Ordine-Nuovo-Mitglied Stefano Delle Chiesa gegründete und 1973 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung aufgelöste Schlägertruppe, auf deren Konto zahlreiche Morde gehen. Delle Chiesa unterhält beste Kontakte zu Geheimdiensten, bereits 1960 soll er als Agent angeworben worden sein. Er handelte mit Drogen und Waffen, arbeitete für Francos Armee und war 1980 in Bolivien zusammen mit Klaus Barbie und dem deutschen Neonazi Joachim Fiebelkorn in einen Putsch verwickelt. Er gilt als einer der Haupttäter der Massaker auf der Piazza Fontana, auf den "Italicus"-Express und den Bahnhof von Bologna.

      Ordine Nero. Unter dem Schutz des militärischen Geheimdienstes SID 1973 gegründete Nachfolgeorganisation von Ordine Nuovo und Avanguardia Nazionale, die sich zu zahlreichen Anschlägen wie etwa dem Blutbad in Brescia im Mai 1974 bekannt hat.

      Falanga Armata. In der "Bewaffnete Phalanx" setzen FaschistInnen und Geheimdienste ihre Zusammenarbeit auch in den neunziger Jahren fort. Auf ihr Konto gehen Morde an Industriellen und Carabinieri, ein Brandanschlag auf ein Roma-Lager (2 Tote) und die Bomben in Florenz, Rom und Mailand im Jahr 1993. Die Falanga versteht sich als "nationalrevolutionär" und ist wahrscheinlich die Nachfolgeorganisation der "Bewaffneten Revolutionären Kerne" (NAR), die wegen ihrer guten Kontakte zu italienischen und deutschen Geheimdiensten bekannt war. Sie ist eine hochprofessionelle Terrorgruppe, die sich aus Carabinieri, Geheimdienstleuten von SISMI und SISDE sowie NeofaschistInnen zusammensetzt. Der Unterschied zu den früheren Gruppierungen besteht in den fehlenden – jedenfalls nicht bekannten – Querverbindungen zum NATO-Geheimdienst.

      Markus Kemmerling
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 09:11:43
      Beitrag Nr. 14 ()
      Genua-Ermittlungen
      Prozesse gegen mutmaßliche Prügelpolizisten; Verfahren gegen Globalisierungskritiker werden eingestellt

      ROM. taz. 48 neue Ermittlungsbescheide für Polizisten, 93 unmittelbar bevorstehende Verfahrenseinstellungen für Globalisierungskritiker: Die Ermittlungen der Genueser Staatsanwaltschaft zum nächtlichen Sturm der Sicherheitskräfte auf die Scuola Diaz - auf die während des G-8-Gipfels im letzten Juli vom Genoa Social Forum genutzte Schule - machen weitere Fortschritte.

      Die damals von der italienischen Polizei inszenierte Prügelorgie hatte weltweites Aufsehen erregt. Dennoch hatte die Polizeiführung ein reines Gewissen. Einerseits hieß es, die Verletzungen rührten gar nicht vom Einsatz her, sondern von den Straßenschlachten der Vortage, andererseits verbreitete die Polizei, ihre Leute seien beim Sturm auf die Schule massiv attackiert worden und hätten halt den Widerstand brechen müssen. Als Beweis wurde die aufgeschlitzte Jacke eines Beamten hergezeigt, der angeblich nur dank seiner kugelsicheren Weste die Messerattacke eines der in der Schule Hausenden überlebt hatte.

      Jetzt liegt nach von der Tageszeitung Repubblica aufgegriffenen Indiskretionen das Gutachten zu Jacke und Weste vor, erstellt von den Carabinieri - dem neben der Polizei zweiten Sicherheitsapparat in Italien. "Inkompatibel" seien die Spuren auf den beiden Stücken, vermerkt das Gutachten. Im Klartext: Womöglich wurde gar zu unkundig an der Jacke rumgefingert, um "Beweise" zu schaffen.

      Der Polizist muss sich jetzt auf ein Verfahren einstellen, ebenso wie 48 Beamte der Bereitschaftspolizei (gegen 29 ihrer Kollegen laufen schon die Verfahren) und diverse Polizeichefs. Ihnen wird durch die Bank Körperverletzung vorgeworfen.

      Mittlerweile ist die Staatsanwaltschaft aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen sicher, dass die Einheit der römischen Bereitschaftspolizei als erste in die Scuola Diaz eindrang, auch wenn ihr Kommandant Vincenzo Canterini jede Verantwortung abstreitet - angeblich seien vor seinen Mannen unbekannte Polizisten in Zivil vor Ort gewesen. Aber auch die anderen damals anwesenden Polizeioffiziere wird Mittäterschaft durch Unterlassung vorgeworfen, da sie den Prügelpolizisten nicht Einhalt geboten haben.

      Mit der Einstellung der Verfahren wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung dürfen dagegen die damals Festgenommenen rechnen. Die Staatsanwaltschaft moniert vor allem, dass der Polizeibericht keinem Einzigen der Sistierten konkrete Taten zuordnet.

      MICHAEL BRAUN

      taz 23.5.2002
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 09:16:38
      Beitrag Nr. 15 ()
      17. Februar 2002

      Italiens Innenminister hatte bei G-8-Gipfel Schießbefehl erteilt


      Rom (dpa) - Italiens Innenminister Claudio Scajola hat während des G-8-Gipfel von Genua im Juli nach eigenen Angaben Schießbefehl an die Sicherheitskräfte erteilt. Das berichteten italienische Medien. Bisher war dies selbst den Justizbehörden nicht bekannt. Auch die Polizeispitzen hatten den Schießbefehl nicht erwähnt. Die Opposition forderte, umgehend das italienische Parlament über die Vorgänge in Genua zu informieren. Am 20. Juli war ein italienischer Demonstrant von einem italienischen Militärpolizisten erschossen worden.
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      schrieb am 27.07.02 20:39:31
      Beitrag Nr. 16 ()
      P2 (Propaganda 2)
      Es handelt sich um einen Geheimbund, der sehr erfolgreich den italienischen Staats- und Wirtschaftsapparat unterwandert hatte. Im Mai 1981 wurde anläßlich einer Hausdurchsuchung bei dem Unternehmer und Finanzmagnaten Licio Gelli durch die Finanzbehörden die Geheimloge P2 ausgehoben und nach und nach wurde das Ausmaß dieser verdeckt operierenden Organisation bekannt. Die aufgefunden Mitgliederlisten enthielten die Namen von 962 führenden Personen der italienischen Gesellschaft. Die nachfolgende parlamentarische Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass es sogar etwa 2500 Mitglieder gab. Der Medienmogul Silvio Berlusconi war auf Mitgliedslisten, die später aufgefunden wurden, mit der Mitgliedsnummer 1816 vertreten. Ziel der Organisation, so das Ergebnis der Untersuchungen sei der Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung durch einen "colpo bianco", einen weißen Staatsstreich. Der Code für diese Pläne hieß "Plan zur demokratischen Wiedererneuerung".[1]

      Licio Gelli ist der Gründer der P2 Loge. Er war überzeugter Faschist und bereits bei den "Schwarzhemden" Mussolinis aktiv. Später wurde er Verbindungsoffizier der Nazis und SS-Obersturmführer. Dem Tod durch Erschießen entkam er nach Kriegsende durch Flucht auf der sog. Rattenlinie nach Argentinien, dem Ziel vieler Nationalsozialisten und Nazi-Kollaborateure. Unter dem argentinischen Diktator Juan Peron diente er als Wirtschaftsberater. Nach seiner Rückkehr nach Italien knüpfte er Kontakte zur Democratia Christiana sowie zu höchsten kirchlichen Kreisen.[2]

      Gelli bezeichnete die P2 als Freimaurer-Loge, obwohl die Ziele dieser kriminellen Vereinigung nichts mit dem Freimaurertum zu tun hatten, ja ihr diametral entgegengesetzt waren. Freimaurer fühlen sich dem Geiste der Aufklärung verpflichtet. Gelli trat allerdings 1963 der Loge Grande Oriente d`Italia bei, in der er eine Gruppe Gelli ("Ragruppamento Gelli" ) bildete. Diese Gruppe arbeitete als Geheimbund höchst konspirativ und diente nur dem Zweck des Aufbaus dieser kriminellen Organisation. Die P2 kooperiert eng mit dem italienischen sowie mit ausländischen Geheimdiensten. In den strategischen Plänen des amerikanischen Geheimdienstes spielt die Untergrundorganisation eine entscheidende Rolle als Bollwerk gegen den Kommunismus in den Zeiten des Kalten Krieges. Unter den 2500 Mitgliedern befanden sich 43 Generäle, darunter die gesamte Führungsspitze der Geheimdienste der letzten 30 Jahre, der komplette Generalstab des Heeres, hohe Polizeiführer und Carabinieri-Generäle sowie etwa 400 Offiziere.[3] Rechte Hand des Logenmeisters ist der ehemalige Geheimagent Francesco Pazienza. Mitte der 70er Jahre ist die P2 in einer Vielzahl von ungeklärten Verbrechen verwickelt, es gab Putschversuche, Fälle von Erpressung, politische Skandale, Bankenzusammenbrüche, Unterschlagungen, Morde und Bombenattentate (z.B. der Fall Aldo Moro).[4] Selbst der Skandal "Billygate", in dem es um den Vorwurf geschäftlicher Beziehungen des Bruders von Jimmy Carter zu Libyens Diktator Ghaddafi ging und Carter die Präsidentschaft gegen den Republikaner Reagan kostete, wurde in diesem Zirkel angezettelt.[5] Giulio Andreotti, ein Vertreter des äußersten rechten Randes innerhalb der Democratia Christiana, wurde immer wieder beschuldigt, das eigentliche Oberhaupt der Organisation zu sein. Andreottis Sekretärin Nara Lazzeroni hatte ihn bei der Vernehmung durch die Untersuchungskommission schwer belastet. Auch der Geheimdienstgeneral Luigi Bittoni bestätigte Andreottis Chefrolle in der Putschistenloge.[6]

      Als Verteidigungsminister konnte Andreotti Licio Gelli Rüstungsaufträge zuschanzen. Kontakte zur "ehrenwerten Gesellschaft", der Mafia, waren an der Tagesordnung. Kontakte bestanden auch zur rechtsterroristischen Szene ausserhalb Italiens. Dokumentiert sind etwa die Beziehungen zu dem Anführer der Wehrsportgruppe Hoffmann, Karl-Heinz Hoffmann.[7]

      Als die Drahzieher des blutigsten Attentats der Nachkriegsgeschichte, bei dem am 2. August 1980 am Bahnhof von Bologna 85 Menschen getötet wurden und mehr als 200 verletzt, wurde die Führungsspitze der P2 ausgemacht. Unter den zwanzig Angeklagten befanden sich neben Lucia Gelli die Generäle Pietro Musemeci und Guiseppe Belmonte, Professor Paolo Signorelli, bereits wegen anderer Attentate vorbestraft, Francesco Pazienza sowie zwei weitere Geheimdienstler. In der Anklageschrift heißt es, es gehe hier "um eine der gefährlichsten Verflechtungen von politischer und strafrechtlicher Kriminalität.[8] Gegen Gelli wird auch in Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Bankhauses Ambrosiani wegen des Verdachts des betrügerischen Konkurses ermittelt. Er entzog sich der Verhaftung durch Flucht in die Schweiz, wo er 1982 in Auslieferungshaft kam. Aus dem angeblich sichersten Gefängnis der Schweiz gelingt ihm am 2. August 1983 die Flucht per Helikopter. Im September 1987 stellte er sich den Justizbehörden in Genf.[9] In der Schweiz wird er wegen Beamtenbestechung und Passvergehen verurteilt und an Italien mit der Auflage ausgeliefert, dass er zwar wegen des Korruptionsverdachts angeklagt werden darf, die gegen ihn anhängigen Verfahren wegen der Beteiligung an terroristischen Aktionen jedoch einzustellen sind.[10] Die Hintermänner des Attentats von Bologna wurden nie bestraft. Musumeci, Belmonte und Gelli wurden jedoch wegen Behinderung der Justiz verurteilt. Sie hatten einen Zeugen gekauft, der dem deutschen Rechtsradikalen und Südamerika-Söldner Joachim Fiebelkorn die Tat anlasten sollte.[11]

      1982 wurde die Geheimorganisation durch ein eigens vom Parlament verabschiedetes Gesetz für aufgelöst erklärt. Kenner der Szene gehen allerdings davon aus, dass einzelne Strukturen erhalten blieben und als "P3" weiter im Untergrund operieren.[12]

      Gelli wird Anfang 1994 zur großen Verwunderung der parlamentarischen Untersuchungskommission, die seit zehn Jahren Berge von Beweismaterial gegen Gelli zusammengetragen hatte, von einem italienischen Gericht von allen Verschwörungsvorwürfen freigesprochen. Im gleichen Jahr wird er wegen Korruption zu sechs Jahren Haft verurteilt.[13]

      1997 kommt das gleiche Gericht in Rom, das die Ermittlungen fünfzehn Jahre wegen "Staatsinteresse" an sich gezogen hatte, zu dem Ergebnis, die Propaganda 2 sei eigentlich keine kriminelle Organisation gewesen, sondern ein "Karrieristenverein".[14]
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      schrieb am 27.07.02 23:17:53
      Beitrag Nr. 17 ()
      Gladio oder die Rache Moros

      Im Zuge seiner Ermittlungen über ein Bombenattentat deckte der italienische Untersuchungsrichter Felice Casson eine geheime Untergrundorganisation auf. Daraufhin enthüllte der damalige italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti am 3. August 1990 eine "Operation Gladio" des militärischen Geheimdienstes SISMI, die das Ziel hatte, eine Widerstandsgruppe für den Fall einer sowjetischen Invasion zu bilden. .... Am 17. Oktober 1990 gab Andreotti zu, daß "Gladio" noch immer arbeitet. Drei Tage später bestätigte er in einem Regierungsbericht die Existenz einer Untergrundorganisation namens "Gladio" und stellte fest, daß ähnlich Strukturen sowohl in den NATO-Partnerländern als auch in neutralen Staaten wie etwa Österreich mit Kenntnis der Regierungen existieren würden.

      Das offizielle Italien
      1990 gab der damalige italienische Staatspräsident Francesco Cossiga zu, seinerzeit als Staatssekretär im italienischen Verteidigungsministerium für den Aufbau einer italienischen Stay-behind-Truppe, nach dem römischen Kurzschwert Gladio benannt, zuständig gewesen zu sein. Stay-behind-Truppen sollten sich im Falle einer Invasion durch die Warschauer Pakt-Staaten überrollen lassen und dann eine Partisanenorganisation aufbauen, die von den NATO-Staaten logistisch versorgt werden sollte. Andreotti bestätigte im Zuge einer Parlamentsanfrage im August 1990, daß Gladio seit 1952 existiert hätte, aber nur ein "Altherrenverein" von 622 Mitgliedern gewesen und 1972 aufgelöst worden wäre. Danach herrschte vorerst Schweigen.

      Erst das Auftauchen der sogenannten "Bekennerbriefe" Aldo Moros, Vorsitzender der italienischen Christdemokraten, geschrieben nach seiner Entführung am 16.3.1978 im "Volksgefängnis" der "Brigate Rosse", der italienischen linksextremen Terrororganisation, gab das Zeichen zur endgültigen Enthüllung von Gladio. In diesen Briefen stand, daß die DCI 1,5 Millionen Schilling monatlich von der CIA bekam, um die italienische mit der amerikanischen Innenpolitik übereinzustimmen. Und: Im Rahmen der NATO operiere eine geheime Guerillaorganisation.

      Unter dem Eindruck der Mitte Oktober 1990 aufgefundenen Moro-Briefe aber mußte sich Andreotti korrigieren. Das tat er auch mit dem Dossier an die Kommission zur Aufklärung der Bombenattentate und des Terrorismus. Unter Punkt 5 des Dossiers, "Anweisungen für den nichtorthodoxen Krieg", ließ er unter anderem folgendes streichen: In diesem Zusammenhang stehen "die Direktiven von SHAPE, speziell diejenigen über den nicht-orthodoxen Krieg vom Januar 1969, und die im Rahmen der Alliierten Kontrollkommission (ACC) getroffenen Vereinbarungen ...". Aber es war zu spät, die Involvierung der NATO wurde bekannt. Daraufhin bezog Andreotti die NATO, die NATO-Staaten und die Neutralen gleichermaßen in seine Verlautbarungen ein, um durch die Erweiterung der Verantwortlichkeit noch einmal davonzukommen und die Schuld für die terroristischen Attentate in Italien anderen aufzubürden.

      Das inoffizielle Italien fängt an zu schwätzen
      Von 1974 bis 1989 war General Paolo Inzerilli Kommandant dieser "Altherren" (in Wirklichkeit Zonenkommandanten), als Leiter der Abteilung 5R des SISMI zuständig für Gladio, seither Chef des SISMI (Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Militare). Dieser erzählte 1990 von eben stattgefundenen Lehrgängen in Guerilla- und Sabotageeinsätze für Freiwillige, darunter auch Frauen und ausländische Agenten, in einem Lager namens Capo Marragui beim Seebad Alghero auf Sardinien. Befehlshaber dieser Basis war 1990 der Fregattenkapitän Salvatore Cosseddu. Ein ehemaliger Armeeoberst und Hitlerfan, Amos Spiazzi, der mit dem Attentat in Bologna in Zusammenhang gebracht wird, sagte im deutschen Fernsehen, er sei Mitglied von Gladio.

      Ein Neofaschist gestand, von Gladio Ende 1971 Sprengstoff erhalten zu haben. Mit diesem ermordete er drei Polizisten – das sogenannte "Attentat von Peteano", welches den Untersuchungsrichter Felice Casson auf die Spur von Gladio brachte. Bei einer Überprüfung der 139 Waffendepots der Gladio im November 1990 wurden zwölf nur mehr leer vorgefunden, so auch das Lager von Aurisina, aus dem der Sprengstoff für das Attentat von Peteano stammte. Laut Felice Casson ging aus den ihm vorliegenden Dokumenten hervor, daß die italienische Gladio-Organisation nicht nur ein informelles NATO-Gebilde, sondern indirekte und bezahlte Befehlsempfängerin der US-Geheimdienstes CIA war. Es wäre sogar beweisbar, daß Gladio die Aufgabe hatte, aktiv auf die Innenpolitik einzuwirken, und daß Genehmigungen für politische Morde ausgestellt wurden.

      Ex-CIA-Agent Dick Brenneke erzählte im italienischen Fernsehen, daß P-2-Chef Licio Gelli durch ihn viel Geld von der CIA erhalten hätte, "um die italienischen Kommunisten von der Macht fernzuhalten". Dazu war auch eine stärkere Unterwanderung der Massenmedien nötig. Und da kommt dann zufällig oder passender Weise das P-2-Mitglied Silvio Berlusconi ins Bild, in den siebziger Jahren vom Bauunternehmer zum Medienzaren befördert. Aldo Moro, der Mann des "Compromesso storico" zwischen der DCI und der PCI, mußte anscheinend wegen dieses historischen Kompromisses sterben, Andreotti aber stolperte über Gladio und damit über Moros Ermordung. In einem Angriff nach vorne stellte Andreotti Gladio und damit befreundete europäischen Regierungen und die NATO bloß und fiel selbst, wurde fallengelassen. Die Rechnung, durch den Verweis auf die NATO die ganze Angelegenheit zum Staatsgeheimnis zu erklären, alle in die virtuelle Geiselhaft der Mitwisserschaft zu nehmen und sich selbst zu schützen, ging nicht auf.

      Allgemeine Verwirrung oder gezielte Desinformation?
      Der belgische Regierungschef Wilfried Martens sagte, daß Gladio Anfang der fünfziger Jahre in Italien gegründet worden sei, um im Falle einer sowjetischen Invasion einen Guerillakrieg zu führen. Seine Regierung hätte über die eigene Truppe nicht Bescheid gewußt. Die etwaigen Reste seien aufgelöst worden. Das stand im Widerspruch zu den Enthüllungen Androttis.

      Der ehemalige belgische Geheimagent André Moyen hingegen erzählte in einem belgischen Radiointerview, daß bis vor kurzem noch mindestens sechs geheime Waffendepots für die belgische Stay-behind-Truppe "Glaive" existiert hätten. Die deutsche Abteilung hieße "Schwert".

      Der NATO nahestehende Diplomaten in Brüssel wiederum ließen nach anfänglichen Dementis von Jean Marcotte, dem stellvertretenden Sprecher von SHAPE, verlautbaren, daß die durch Italien bekanntgewordene Organisation auf die ersten Nachkriegsjahre zurückgehen würde. In Zusammenarbeit der verschiedenen europäischen Dienste mit dem amerikanischen Geheimdienst wurden geheime Kampftruppen ausgebildet. In den westlichen Besatzungszonen von Deutschland hatte dies die Organisation Gehlen, die Vorläuferorganisation des deutschen Bundesnachrichtendienstes, zu organisieren. Übungszentren für ehemalige Kriegsgefangene, Dolmetscher und zufällig angeworbene junge Männer in der amerikanischen Besatzungszone befanden sich im Odenwald und im Bayrischen Wald.

      In Brüssel wurde darüber hinaus jeder weitere Zusammenhang mit der NATO heftig dementiert: Zu keinem Zeitpunkt hätte die NATO eine Kommando- oder Kontrollbefugnis über die Stay-behind-Truppen gehabt. Die Gruppen wären den jeweiligen nationalen Autoritäten unterstanden, alle Regierungen seien genauestens informiert gewesen.

      Die Bezeichnung "NATO-Geheimorganisation" wäre pure Desinformation der nationalen Regierungen. Zwar wären Anfang der fünfziger Jahre die Widerstandsgruppen in Benelux, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Norwegen und Österreich unter alliierter, taktischer Kontrolle (CCP) gestanden und später in eine fixe Struktur (ACC) eingebunden worden, aber mit der NATO hätte nur eine enge Zusammenarbeit bestanden.

      Andererseits begann diese enge Nur-Zusammenarbeit mit SHAPE bereits in den fünfziger Jahren. Dort wurde ein eigener Militärstab (ACC/SOPS) gebildet, der die Gruppen in Übungen einband und mit Einsatzszenarien versorgte, denn im Kriegsfall sollten SHAPE und die Zentrale der Stay-behind-Truppen zusammenwirken. Die Zentrale würde, so Brüssel, jetzt nur mehr als Hülse irgendwo in Belgien bestehen. Die Aufgabe der Gruppen sei es gewesen, sich überrollen zu lassen und danach Sabotageaktionen durchzuführen und Informationen zu sammeln. Dazu gab es ein Netz von Waffendepots, in denen sich Handfeuerwaffen, Granatwerfer, Sprengstoff, Zündvorrichtungen und Sendegeräte befanden.

      Laut Brüssel sollen alle westeuropäischen Regierungen die volle Verantwortung für die paramilitärischen Aktivitäten dieser Organisationen tragen. Nationale Regierungsstellen wiederum betonen, daß nach Beschlußfassung und Einrichtung die Regierungen diese Netze ausschließlich den Militärbehörden überlassen haben.

      Die französische Gruppe soll 1958 mit de Gaulles Machtantritt, nach anderen Meldungen aber auch erst unter Mitterand aufgelöst worden sein, die italienische angeblich 1973, die griechische 1988.

      Etwaige terroristische Aktivitäten sollen laut NATO eine belgische und italienische Nuance gewesen sein, sichtlich eine Retourkutsche der NATO an die Adresse der ihrer Meinung nach zu geschwätzigen Regierungen beider Länder.

      In Deutschland unbekannt?
      In Deutschland wurde zuerst gemauert: Regierungssprecher Hans Klein stritt lange Zeit die Existenz einer solchen Truppe ab, bis dann Kanzleramtsminister Lutz Stavenhagen, zuständig für die Geheimdienste, einiges preisgab. Das laut Klein nichtvorhandene Stay-behind-Kommando, eine ehemals 200 Mann starke Abteilung des BND, soll im Frühjahr 1991 aufgelöst worden sein, obwohl bis in jüngster Zeit Milliardenbeträge dafür verplant worden sind.

      In einem Dossier, verfaßt vom Leiter der für die Geheimdienste zuständige Abteilung VI im Bundeskanzleramt, Hermann Jung, wird die Aufgabe der Stay-behind-Organisation (ganz selten auch Stand-by genannt) als Unterstützung der NATO durch die Nachrichtendienste der Bündnispartner im Verteidigungsfall definiert. Die Stay-behind-Abteilungen befänden sich in der Verantwortung der nationalen Geheimdienste, würden aber von SHAPE koordiniert. Der BND ließ veröffentlichen, daß die geheimen Stay-behind-Netze bei einer sowjetischen Besetzung der westeuropäischen Länder den Widerstand im Untergrund zu organisieren gehabt hätten und auf der Basis bilateraler Absprachen mit der CIA eingerichtet worden wären. Damit wäre die eingangs zitierte Behauptung Andreottis über einen paramilitärischen NATO-Geheimdienst zusammengebrochen.

      Der Sprecher des bundesdeutschen Verteidigungsministeriums, Willy Wimmer, sagte: "Wir wissen selbst nichts." Der sozialdemokratische Ex-Verteidigungsminister von 1972 bis 1978, Georg Leber, wollte ebenso wenig davon gehört haben wie Horst Ehmke, unter Brandt oberster Kontrolleur der Geheimdienste. Ehmke meinte dazu voller Unschuld: "Aber wir waren ja noch immer ein besetztes Land."

      Innenpolitische Putschtruppe?
      Anderen Quellen zufolge waren Gladio, Glaive etc. von Anfang an innenpolitische Instrumente gegen starke kommunistische Parteien wie zum Beispiel in Frankreich, Belgien und Italien. So gibt es ein Schriftstück des JCS (Joint Chiefs of Staff), des Oberkommandos des US-Generalstabes, unter dem Namen "Demagnetize" aus dem Jahre 1952, das solches für Italien und Frankreich belegt. Das römische Kurzschwert Gladio war auch ein Symbol des faschistischen Staates Italien unter Benito Mussolini, und auch in der späteren faschistischen Republik von Sálo von Hitlers Gnaden.

      Angeblich sollen Dokumente des State Departments (US-Außenministerium) belegen, daß die faschistische Geheimpolizei von Sálo (OVRA) ein klandestines Netz für den Fall einer Invasion gegründet hat, möglicherweise die ursprünglichen Gladiatoren. Diese scheinen nach 1945 durch Innenminister Mario Scelba in eine spezielle Polizei für den antikommunistischen Kampf übernommen worden zu sein. Eine ähnliche Truppe wurde laut diesen Dokumenten zeitgleich auch in Frankreich aufgebaut, finanziert aus Sonderfonds und kontrolliert durch den nationalen Sicherheitsdienst. Das gibt zur Verwunderung wenig Anlaß, da in beiden Ländern während des Zweiten Weltkrieges starke kommunistische Partisanenorganisationen entstanden, die von den westlichen Alliierten als zukünftige Feinde betrachtet wurden. Damit war das Tor zur Rückkehr nationalsozialistischer Kollaborateure als demokratische Patrioten offen.

      Der CIA meldet sich zu Wort
      Der ehemalige CIA-Beamte Ray S. Cline, ehemals OSS-Offizier und WACL-Mitglied, meinte dagegen in einem Interview, daß die Einrichtung von Stay-behind-Organisationen im Kontext des beginnenden Kalten Krieges sinnvoll gewesen wäre. Die NATO wurde erst 1949 gegründet und war noch recht schwach. Gleichzeitig waren eben erst die Berlinblockade und der griechische Bürgerkrieg zu Ende gegangen und der Ausgang des Koreakrieges im Zeichen der siegreichen Nordkoreaner mehr als ungewiß. In Griechenland war Großbritannien schon seit 1944 in einen Bürgerkrieg auf seiten der Monarchisten gegen die kommunistische Partisanenorganisation EAM verwickelt. Die nationalsozialistische Wehrmacht konnte ihren Rückzug in aller Ruhe organisieren.

      "Die Möglichkeit, daß die Sowjets Westeuropa überrennen würden, war da. Ich dachte niemals, daß sie es tun würden, aber die Möglichkeit war da", sagte Cline. Das Vorbild für einen antikommunistischen Widerstand sei der französische Maquis gewesen, de alliierte Fallschirmtrupps, die sogenannten Jedburgh-Teams (einer der Fallschirmspringer war der damalige OSS- und spätere CIA-Chef William Colby), zu je drei Mann mit Zwei-Weg-Radios während der Invasion in der Normandie im Jahre 1944 verstärkten, um Anschläge auf Eisenbahnen und Nachschubkonvois zu unternehmen. Ähnlich agierte die britische SOE (Special Operation Executive), so zum Beispiel in Jugoslawien, wo auch Fitzroy McIean, das Vorbild für James Bond, eingesetzt war. Beide, OSS und SOE, wurden vor der Landung in der Normandie unter General Eisenhower als Special Force Headquarters dem alliierten Oberkommando (SHAEF) unterstellt. Aus der Jedburgh-Abteilung soll schließlich der Kern der neuen Stay-behind-Netze gebildet worden sein. Die Organisation und die Lenkung der Stay-behind-Organisationen wurden durch das OPC (Office of Policy Coordination) des CIA unter Frank G.Wisner wahrgenommen.

      Im Falle einer sowjetischen Invasion sollten den nationalen Widerstandsgruppen nach dem Vorbild des Maquis in Frankreich US-Fallschirmspringerkommandos im Rahmen der psychologischen Kriegsführung zu Hilfe kommen, um die Europäer davon zu überzeugen, daß die USA bereit wären, sie zu unterstützen und zu verteidigen. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden, daß die Regierungen auf Grund der Atomstrategien der Supermächte wenig Widerstand geleistet hätten. Denn bis in die sechziger Jahre hätten sich die angloamerikanischen Truppen im Kriegsfall zurückgezogen, zumindest bis an den Rhein und Oberitalien. Erst ab den sechziger Jahren galt die Vorneverteidigung, d. h., auch angloamerikanische Truppen hätten sich im Einsatzgebiet taktischer Atomwaffen befunden. Die jetzt in Österreich bekanntgewordenen Waffenlager sind auf Grund der älteren Strategie angelegt worden, d. h. US-Fallschirmtrupps hätten versucht, österreichische Widerstandsgruppen im Rücken der sowjetischen Armeen zu verstärken. Wer diese Waffendepots betreut hat oder sich sonst noch aus ihnen bewaffnet werden sollte, bleibt aber bis jetzt österreichisches Staatsgeheimnis. Lucien Dislaire, ehemaliger luxemburgischer Fallschirmkommandant, sagte in einer Sendung der BBC, er wäre seinerzeit sowohl Bankmanager als auch Chef eines paramilitärischen Kommandos gewesen. In dieser Eigenschaft nahm er an einem belgischen Manöver teil, bei dem belgische Kommandos amerikanische Spezialeinheiten nach ihrem Fallschirmabsprung zu sammeln und mit ihnen gemeinsam Gendarmeriekasernen anzugreifen hatten. Laut Dislaire sollte das geheime Manöver als Übung zur Unterstützung einer Widerstandsbewegung dienen, nach dem erwähnten Vorbild von 1944.

      Zusätzlich gestützt wird diese These über den Beginn der Stay-behind-Strukturen durch die Beibehaltung der nordafrikanischen Luftwaffenbasen in den damaligen französischen Kolonien durch die USA. Der Vereinte Generalstab der Angloamerikaner rechnete im Falle eines Angriffs der Sowjetunion auf Westeuropa mit einem Durchmarsch bis zur atlantischen Küste und hätte dann, wie schon im Zweiten Weltkrieg, von England und Nordafrika aus die langen Nachschublinien und industriellen Zentren bombardiert.

      Ähnlich könnte es sich mit der Weiterentwicklung der Fallschirmkommandos für den Partisanenkampf gemeinsam mit patriotischen Untergrundkämpfern verhalten haben. Allerdings waren diese Fallschirmkommandos im Zweiten Weltkrieg nur dort erfolgreich, wo es eine breite Partisanenbewegung gab und Unterstützung aus dem Volk kam, wie in Frankreich, Italien und Ex-Jugoslawien. In Ungarn und in Österreich wurden fast alle abgesprungenen OSS-Agenten festgenommen und viele von ihnen ermordet.

      Inwieweit die erfolgreiche Zündung einer sowjetischen Atombombe die alliierte Strategie verändert hat, bleibt ungeklärt. Die Übernahme Ungarns und der Tschechoslowakei durch kommunistische Staatsstreiche, damals auch Salamitaktik genannt, welche ohne die sowjetischen Besatzungstruppen in diesen Ländern nicht vorstellbar gewesen wären, wurde im europäischen Szenario durch das Ausscheren von Tito-Jugoslawien aus der kommunistischen Internationale gegengewichtet. Das titokommunistische Jugoslawien wurde dann vierzig Jahre lang mit internationalen Billigkrediten und Meistbegünstigungsklauseln im bilateralen Handel bei Laune oder bei der Stange gehalten, je nach Sichtweise. Allerdings biß Tito manchmal die ihn fütternde Hand, zum Beispiel durch die Mitbegründung der Gruppe der blockfreien Staaten.

      Stay Behind
      Die Organisationen wie Gladio (Italien), Stay behind oder Schwert (Deutschland) und "Glaive" (Belgien, Frankreich) haben bis jetzt keine einheitliche Definition, Aufgabenstellungen etc. von öffentlicher Seite her zugeschrieben bekommen.

      Soviel ist "sicher": Sie sind auf Wunsch der NATO, der USA, der Europäer, der österreichischen Regierung 1948, 1950 oder 1954 eingerichtet worden und wegen der Komintern, wegen der drohenden sowjetischen Invasion, wegen den starken kommunistischen Parteien und Gewerkschaften, wegen der linken Partisanen oder vielleicht wegen der Weltrevolution Jahrzehnte hindurch aufrechterhalten worden. Sie dürften sowohl aus Vorläufergruppen in den späten vierziger Jahren entstanden sein als auch in ihren Zielsetzungen entlang der vierzig Jahre ihres Bestehens verändert worden sein. Mit der Einrichtung der NATO-Abteilung für die Betreuung der Untergrundorganisation, ACC, unter dem "kooperativen" Kommando von SHAPE in Mons in Belgien wurden sie institutionalisiert, jedoch wegen der Beteiligung neutraler Staaten nicht offiziell. Jedes neu beitretende NATO-Mitglied mußte laut Andreas Papandreou, dem ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten, ein Geheimabkommen zum NATO-Vertrag unterzeichnen, in dem die Einrichtung der Stay-behind-Gruppen festgeschrieben sind.

      Großbritannien und die USA halten sich weiterhin ganz offiziell ihre "special forces", die amerikanischen "Green Berets" und die britische SAS (Special Air Service). Koordiniert bei dem Sonderstab "Special Forces Section" der NATO in Casteau in Belgien, haben die dort kursierenden Papiere den Stempel "American Eyes Only"

      Allgemein kann man also zwei Aufgabenstellungen der Guerilla festhalten: Das Netz war als Stay-behind-Guerilla sowohl für den Fall einer sowjetischen Invasion als auch für die Eventualität einer Revolution vorgesehen. Entstanden ist das Netz in den westlich orientierten Ländern schon vor der NATO und hätte eigentlich durch diese Organisation spätestens Ende der fünfziger Jahre überflüssig werden müssen. Das Vorhandensein dieses Netzes nicht nur in den NATO-Staaten, sondern auch in den vier neutralen Staaten, weist also auf ein anderes oder neues Ziel hin. Im Laufe der vierzig Jahre seines Bestehens dürfte es sich entweder auf Befehl oder aus eigenem Antrieb als Abwehrfront gegen die allgemeine "Subversion" in den demokratischen Ländern verstanden haben und demgemäß sein Aufgabenfeld erweitert haben, auf die Innenpolitik der demokratisch verfaßten Staaten.

      Bedenklich erscheint ihr Fortbestehen erst recht, wenn man sich die geänderte NATO-Doktrin der sechziger Jahre ansieht: Damals propagierte die NATO die Vorneverteidigung, was die Aufrechterhaltung und Legitimierung dieser Geheimtruppen erst recht als dubios erscheinen läßt, d.h. mit zweifelhaften Zielen wie zum Beispiel innenpolitische Staatsstreiche verbunden.

      In den Siebzigern entstanden seltsamerweise auch in der Linken Ideen über eine soziale Verteidigung aus dem Untergrund bei einem feindlichen Angriff, mit Anschlägen auf Nachschublinien und Kommunikationseinrichtungen der Besetzer. Offizielle Kreise taten diese als naive Idealisten ab. Vielleicht wurde damals gerade die französische Resistance neu rezipiert, wahrscheinlicher ist aber, daß im Zuge der Beschäftigung mit China und Maos Schriften, der "Dritten Welt" und ihren Befreiungsbewegungen deren Erfolge großen Einfluß auf die militärischen Vorstellungen der Linken ausübten.

      Allied Clandestine oder auch Coordination Comittee (ACC)
      Laut Angaben aus Brüsseler Kreisen hieß die Zentrale der Stay-behind-Organisationen zuerst Clandestine Committee for Planning (CCP) mit Sitz in Frankreich. Seine Entstehung soll es den Vereinbarungen im Jahr 1951 (laut National Security Council am 3.1.1951) zwischen den alliierten Geheimdiensten und den einzelnen westeuropäischen Operationsländern verdanken. Bis 1959 (Beitritt der italienischen Gruppe) sollen alle Untergrundgruppen in diesem Netzwerk verbunden worden sein. 1964 wurde es in ACC (Allied Clandestine Committee) umbenannt, mit Sitz in Belgien. Ein eigens gebildeter Militärstab bei SHAPE soll mit dem ACC zusammengearbeitet und Übungen koordiniert haben.

      Laut belgischen Meldungen hieß die Stay-behind-Führung aber Clandestine Coordination Comitee (CCC). Auf jeden Fall gilt das NATO-Gremium ACC als oberster Lenkungszirkel der Untergrundnetzwerke, von dem die Einsätze koordiniert worden sind. Ob die einzelnen nationalen Organisationen selbständig oder von hier aus geführt worden sind, ist unbekannt. Tagungsort ist Brüssel. Genaue Adresse unbekannt.

      Soviel zu den widersprüchlichen Informationen, die die Regierungen ihren Bevölkerungen zukommen ließen. Der Gegner hingegen, der KGB, war durch die Agentin Heidrun Hofer, in der BND-Abteilung IV zuständig für Verteidigungsvorbereitungen und Maßnahmen für den Krisen- und Verteidigungsfall, schon seit 1976 hervorragend über die NATO-Partisanen informiert.

      Bleiben außer dieser Merkwürdigkeit noch einige Fragen:

      Warum wurden immer wieder Rechtsextreme und eben keine aufrechten Demokraten für diese Truppen angeworben?

      Inwieweit waren und sind diese speziell ausgebildeten und geschützten Rechtsextremen von der NATO und den einzelnen Staaten finanziert und gefördert, auch unter der Kontrolle der Regierungen?

      Haben diese Rechtsextremen auch in anderen Ländern als Italien und Belgien Anschläge verübt, gemordet und destabilisiert?

      Konnten auch sie lange Zeit mit Freisprüchen wie in Italien rechnen?

      Haben sie innenpolitisch selbständig, d.h. haben sie sich verselbständigt, oder auf Weisungen der Regierungen, der CIA oder der NATO gehandelt?

      Welche Regierungs- oder Staatsform hätten diese Geheimarmeen bei einem Putsch gegen Linksregierungen gewählt? Eine Diktatur? Eine militärische Diktatur? Eine faschistische Diktatur? Und das im Namen der westlichen, freiheitlichen Demokratie?

      Gab es so ein Netz auch in den USA? Und wenn, hat sich dieses, so wie es in Italien geschehen ist, in die amerikanische Innenpolitik eingemischt und in welchem Ausmaß? Wie weit wurden die italienische und die amerikanische Politik, so die Aussage des Ex-CIA-Agenten Brenneke, übereingestimmt?

      Der ehemaligen Ehrenpräsident und Parlamentsabgeordnete des neofaschistischen MSI (Movimento Sociale Italiano) Gino Brindelli, pensionierter Admiral und NATO-Oberbefehlshaber Süd, meinte in einem Interview 1974 kurz nach einer aufgeflogenen Verschwörung in Italien, Diktaturen seien "wie Aspirin gegen Kopfweh".

      Glücksthal Lajos

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      Quellen:
      Die Welt, 12. & 14.11.1990;
      Der Standard, 14.11.1990;
      Münchner Abendzeitung, 16.11.1990;
      International Herald Tribune, 17.11.1990;
      Kieler Nachrichten, 19. & 22.11.1990;
      Der Spiegel 47, 19.11. 1990;
      die tageszeitung, 29.11.1990 & 5.6.1991;
      Neue Zürcher Zeitung, 30.11.1990 & 22.10.1991;
      Operation Gladio, BBC-Dokumentation im Fernsehsender VOX,August 1993;
      Leo A. Müller: Gladio – das Erbe des Kalten Krieges.Der Nato-Geheimbund und sein deutscher Vorläufer. Mit einem Beitrag von Werner Raith. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg 1991.
      Avatar
      schrieb am 27.07.02 23:50:51
      Beitrag Nr. 18 ()
      Aus: "Der Rechte Rand" Nr. 44 Jan./Feb. 1997
      Drogen, Kontraguerilla und Nazis - Gladio wütet weiter in der Türkei

      von Olaf Goebel
      1990 wurde bekannt, daß die westlichen Geheimdienste und die NATO eine außerhalb jeglicher parlamentarischer Kontrolle stehende Geheimarmee aufgebaut hatten, deren Aufgabe die Bekämpfung des Kommunismus war und zwar sowohl außen-, wie auch innenpolitisch.

      In Deutschland hatten die einzelnen staatlichen Institutionen kaum Interesse an einer Aufklärung. Nach und nach wurde zumindest deutlich, daß sowohl alte Nazigeneräle der nationalsozialistischen Abwehr (Baun, Gehlen etc.), Rechtsextreme (Lüth, Wolsink etc.), die CIA und der BND diese Struktur maßgeblich mitaufgebaut hatten. Auch die Waffenlager des Forstmeisters Heinz Lembke können als Teil des Netzes betrachtet werden.

      In sämtlichen Ländern des Westens existiert Gladio angeblich seit 1991 nicht mehr. (siehe zu Gladio: Der Rechte Rand Nr. 10 Jan./Feb. 1991, S. 3 - 6) In der Türkei konnte jetzt wegen eines Autounfalles aktuelle Aktivitäten von Gladio bewiesen werden.

      Er ereignete sich am 3.11.1996. Der einzige Überlebende ist Sedat Bucak, Chef eines mächtigen Kurden-Stammes und Herr über eine Privatarmee von über 30.000 Mann, die als sogenannte Dorfschützer in Kurdistan gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK kämpft. Bucak sitzt als Abgeordneter der Partei des Rechten Wegs (DYP) im türkischen Parlament. Verstorben ist Hüseyin Kocadag, bis vor Kurzem als Vizechef der Istanbuler Polizei, zuletzt Leiter einer Polizeiakademie. Bucak und Kocadag sind seit Jahren eng befreundet und kennen sich noch aus der Amtszeit des Polizisten als Kommissar in Bucaks Heimatort Siverek. Kocadags Lebensgefährtin Gonca Us überlebte den Crash ebenfalls nicht. Die Sportstudentin war 1991 zur "Miß Cinema" gekürt worden und zeitweilig mit einem Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT liiert, der seit März vergangenen Jahres verschwunden ist. Sie war mit falschen Personalpapieren ausgestattet. Der dritte Tote trug neben einer Tüte Kokain echte Identitätspapiere bei sich, die ihn als Mehmez Özbay auswiesen, Ermittler des Finanzministeriums. Özbay durfte Waffen tragen und autofahren, entsprechende Papiere hatte er dafür. Ebenso besaß er einen grünen Diplomatenpaß, ausgestellt vom türkischen Innenministerium, der ihm die ungehinderte und unkontrollierte Einreise in andere Länder erlaubte.

      Doch trotz echter Papiere ist der Mann nicht der, der er vorgibt zu sein. Der Tote ist in Wirklichkeit Abdullah Catli und wird seit 18 Jahren von Interpol wegen Heroinhandel gesucht. In den siebziger Jahren befehligt er als Vizechef die rechtsradikalen "Grauen Wölfe", eine nach SA-Vorbild aufgezogene paramilitärische Terrortruppe des Neofaschisten Alparslan Türkes. 1982 wurde Catli in Zürich gefaßt und nach Italien ausgeliefert, dort aber wegen mangelnder Beweise freigesprochen. Mehrmals kam er danach in Frankreich und zuletzt in der Schweiz wegen Heroinhandels ins Gefängnis. 1990 taucht er nach einer spektakulären Flucht aus dem eidgenössischen Zentralgefängnis Bostadel unter. Im Kofferraum des gepanzerten Mercedes fanden sich weitere falsche Papiere, außerdem Maschinenpistolen, Berettas, Schalldämpfer, Abhörgeräte, falsche Nummernschilder und Munition.

      Der türkische Innenminister Mehmet Agar ergriff in der prekären Situation die Flucht nach vorn. Sein Freund Bucak sei der beste Kämpfer gegen die PKK, sagte Agar, im übrigen seien die Männer in dem Mercedes gewesen, "weil sie Catli in ein Istanbuler Gefängnis bringen wollten". Dieser sei vorher von Kocadag festgenommen worden. Eine Lüge, wie Journalisten schnell herausfanden. War doch die Mercedes-Besatzung vor dem Unfall ein Wochenende lang mit Casino-Besuchen und der Begutachtung von lukrativen Grundstücken beschäftigt. Zufälligerweise stieg die Gruppe dazu im selben Luxushotel wie der Innenminister ab... Nach einem Gespräch mit der Parteichefin Tansu Ciller (DYP) konnte der Innenminister seinen Hut nehmen. Doch die Rechtfertigungsprobleme der türkischen Regierung sind damit nicht vom Tisch. Wenige Tage vor dem Unfall hatte der Vorsitzende der türkischen Arbeiterpartei Dogu Perincek der Öffentlichkeit einen geheimen Bericht des türkischen Nachrichtendienstes MIT zugänglich gemacht, indem es heißt, Agar spiele bei der Gründung einer Geheimorganisation gegen die PKK und die linke Organisation Dev Sol eine Schlüsselrolle Die Geheimorganisation arbeite mit Mafiamethoden, lasse durch ehemalige "Graue Wölfe", denen man neue Identitäten und Pässe besorge, Attentate verüben, würde erpressen und rauben und sei direkt Agar unterstellt. Diese Truppe verübe nicht nur politisch motivierte Morde, sondern mische auch im internationalen Waffenhandel und Drogenschmuggel mit.

      Die Angaben decken sich exakt mit dem, was man bisher über die türkische Kontraguerilla weiß. Auch Catli war Mitglied einer Gruppe der Kontraguerilla, die ebenfalls tief in Drogengeschäfte und Mafiamorde verstrickt ist und Bucak finanziert seine Dorfschützer-Armee, die eng in die Kontraguerillastruktur eingebunden ist, durch Drogenhandel. Berichte wie der von Perincek sind in der Türkei nicht neu. Vor drei Jahren wandte sich ein ehemaliger Bataillonskommandeur der paramilitärischen Jandarma (JITEM) an die Öffentlichkeit. Dessen "Geständnisse" sind in einem, frei im Handel erhältlichen, unzensierten Buch nachzulesen. Major Cem Ersever legte ganz freimütig die Strategien der Kontraguerilla im türkischen Südosten dar: Die Spezialeinheiten - oftmals Jandarma oder Militärs mit "Graue-Wölfe"-Hintergrund - überfallen als PKK-Militante getarnt Dörfer, um eine Anti-Guerilla-Stimmung zu erzeugen oder um die Loyalität der kurdischen Dorfbewohner zu testen. Willkürliche Exekutionen werden von der Kontra mit Billigung der Sicherheitskräfte und des Gouverneurs des Ausnahmezustandes durchgeführt, oft bedient man sich dabei auch islamistischer Gruppierungen oder PKK-Überläufern als Killerkommandos. Zur Methodik der Antiterrorstrategie des Militärs gehört nach Ersevers Angaben auch die Rekrutierung von gefangenen PKK-Militanten, die, falls sie nach Folterungen geständig und willig sind, mit einer neuen Identität ausgestattet werden. Sie werden dann entweder auf Militärgelände verborgen oder verbleiben in sogenannten Überläuferzellen der Gefängnisse, von wo aus sie ihre Aufträge während großzügig bewilligter Hafturlaube erledigen können. Der Major gab auch zu, daß viele der Anti-Terror-Spezialisten mit Drogen und Waffenschmuggel zu erheblichem Reichtum gelangten und rege bei der Umgehung des Handelsembargos gegen den Irak mitmischten. Cem Ersever wurde nach der Veröffentlichung im November 1993 ermordet. Oppositionsführer Mesut Yilmaz ist zwar noch am Leben, aber eine Warnung hat er schon erhalten: am 25. November 1996 wurde er von einem Unbekannte in Budapest attackiert und verletzt. Yilmaz hatte kurz vorher erklärt, daß er während seiner Amtszeit drauf und dran gewesen sei aufzudecken, wie Schwarzgeld-Mafia und militante Kreise gemeinsam den Staat zu beeinflussen versuchten. Yilmaz hatte während seiner kurzen Amtszeit als Ministerpräsident nach den Wahlen im Dezember 1995 der damaligen Oppositions- und heutigen islamistischen Regierungspartei Informationen über Einmischungen seiner in den vergangenen Jahren zu einem phantastischen Vermögen gekommenen Koalitionspartnerin Ciller in staatliche Auftragsvergaben und andere Korruptionsvorwürfe zugespielt, sowie aufgedeckt, daß sich Ciller in ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin zehn Millionen Dollar einsackte. Viele sind davon überzeugt, daß Frau Ciller selbst in dunkle Machenschaften verwickelt ist.

      So weigert sie sich bis heute über den Verbleib besagter Millionen Auskunft zu geben, die sie in den letzten Stunden ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin im Februar 1996 abends um 23 Uhr aus der Zentralbank und zwei weiteren Banken in ihr Palais schaffen ließ.

      Ciller Stellungnahme dazu: "Das ist ein Staatsgeheimnis. Wenn ich es preisgebe, brechen Kriege aus." Dabei ist der Krieg auf dem Gebiet der Türkei schon lange ausgebrochen und wahrscheinlich flossen die Millionen genau in diesen Krieg: in den Ausbau der Konterguerilla und deren Kampf gegen die kurdische Bevölkerung.

      Tatsächlich gehört die türkische Konterguerilla zur geheimen NATO-Struktur GLADIO, mit deren Aufbau 1952 begonnen worden war. Der türkische Teil wurde 1953, ein Jahr nach dem Beitritt des Landes zur NATO, unter der Bezeichnung "Anti-Terror-Organisation" gegründet und im selben Gebäude wie die US-Militärmission untergebracht. 1964 wurde sie in Abteilung für besondere Kriegsführung (OHD) umbenannt. Sie untersteht dem Generalstab und ist auch unter anderen Namen wie Sonderstreitkräftekommando (OKK) und Abteilung für Kriegsführung (HD) bekannt. Das OHD arbeitet eng mit dem militärischen Geheimdienst MIT zusammen, die Finanzierung des türkischen Gladio übernahm bis 1974 die USA. Gladio basierte auf den Dokumenten NSC 10-2 bzw. 68-48 des Nationalen Sicherheitsrates der USA von 1948. Damals wurde der Kreuzzug gegen den Kommunismus, der Weg in den "Kalten Krieg" von Präsident H. Truman beschlossen. Der CIA wurde erlaubt illegale, geheime Aktionen und Operationen, covert operations genannt, aller Art durchführen, sie waren politisch und gesetzlich in den USA abgesegnet.

      Schon 1952 waren von den rund 3.000 CIA Angestellten zwei Drittel für covert operations zuständig und verschlangen drei Viertel des Budgets von 200 Millionen Dollar. Im den streng geheimen Dokumenten sind erstmals die Aufgaben nordamerikanischer Geheimagenten definiert, die weltweit in sogenannten special projects arbeiten: "Propaganda, Wirtschaftskrieg, vorbeugende Direktmaßnahmen, einschließlich Sabotage, Anti-Sabotage, Zerstörung, Evakuierungsmaßnahmen." Desweiteren geht es um "Subversion in feindlichen Staaten, einschließlich Unterstützung für im Untergrund operierende Widerstandsbewegungen. Guerillakräfte und Gefangenenbefreiungskommandos, sowie Unterstützung einheimischer antikommunistischer Kräfte in bedrohten Ländern der westlichen Welt." 1954 wurde die Direktive modifiziert. Die Anordnung NSC 5411-2 sieht für Gebiete, die vom "internationalen Kommunismus dominiert und bedroht sind" vor, "Widerstand im Untergrund zu entwickeln und verdeckte sowie Guerilla-Operationen zu erleichtern; die Verfügbarkeit dieser Kräfte im Kriegsfalle sicherzustellen; wo immer möglich unter Einschluß von Vorkehrungen aller Art, die dem Militär die Ausbreitung dieser Kräfte in Kriegszeiten innerhalb aktueller Operationsgebiete gestattet."

      Die Idee für Gladio hatte die CIA mitten im Koreakrieg. Damals ging in fast allen europäischen Hauptstädten die Furcht vor einer tödlichen Bedrohung aus dem Osten um. In Italien und Frankreich gab es starke kommunistische Parteien, der blutige Bürgerkrieg in Griechenland lag wenige Jahre zurück, durch Deutschland verlief die Grenze, die damals die Welt teilte. Das Netzwerk dehnte sich bald auf ganz Westeuropa aus. Die Geheimdienste der einzelnen Länder leiteten die subversive Ausgeburt des "Kalten Krieges". Die Zusammenarbeit mit SHAPE, oberstes militärisches Hauptquartier der NATO-Streitkräfte in Europa, band die nationalen GLADIO-Gruppen in Übungen ein und betreute sie fachlich. Die dreckige Arbeit der Geheimdienste wurde ständige weiterentwickelt. Das Dokument, das mehr als jedes andere die Mechanismen der geheimen Eingriffe und verdeckten Operationen deutlich werden läßt, ist unter dem Namen Field Manual (FM) 30 - 31 bekannt geworden.

      Es entstand 1970 im US-amerikanischen Generalstab unter General Westmoreland. Die Field Manuals sind Broschüren, die für die Offiziere und die Büros der `Intelligence` des Heeres bestimmt sind. Die Nummern weisen auf das Interessengebiet der Dokumente hin. Die Nummer 30 ist für die militärischen Geheimdienste bestimmt, die Nummer 31 behandelt `Sonderoperationen`. Das Handbuch enthält Direktiven für den Fall, daß in einem befreundeten Land die Möglichkeit einer politischen Umwälzung zugunsten kommunistischer Kräfte besteht, wobei es keine Rolle spielt, ob legal durch Wahlen oder etwa durch Bürgerkrieg. Im FM werden Direktiven für verschiedenartigste Operationen gegeben. Im 4. Kapitel z.B. heißt es: "Es kann geschehen, daß die Regierungen des befreundeten Landes angesichts der kommunistischen oder von den Kommunisten inspirierten Subversion Passivität oder Unentschlossenheit zeigen, daß sie nicht mit angemessener Kraft auf die Berechnungen der Geheimdienste reagieren, die durch Organisationen der USA weitergegeben werden (...).

      In diesen Fällen müssen die Geheimdienste der US-Armee die Mittel vorbereiten, um Sonderoperationen durchzuführen, die die Regierung und die Öffentlichkeit des befreundeten Landes überzeugen können, daß die Gefahr real und daß es notwendig ist, Antwortaktionen durchzuführen." Erlaubt ist dann alles was zum Erfolg führt. Die Field Manuals wurden für die Militärs am Bosborus ins Türkische übersetzt und als ST 31 in Umlauf zum Dienstgebrauch gebracht. Bekannt wurde dies durch den kritischen Oberstleutnant Talat Turhan. Der Oberstleutnant bewies so, daß die staatlichen Untergrundorganisationen ungestört Morde begehen dürfen.

      Er betonte: "Das ist der Geheimbund in den NATO-Ländern" - 20 Jahre bevor Gladio aufflog. Turhan wurde nach der Militärinvasion von 1971 von Angehörigen der Konterguerilla gefoltert. Nach den Enthüllungen über GLADIO wuchs auch in der Türkei der Verdacht, daß die Geheimkrieger sowohl an der Terrorwelle der siebziger Jahre wie auch am Militärputsch 1980 direkt beteiligt waren. Denn zum Zeitpunkt des Coups stand die Geheimtruppe, der vor allem "Graue Wölfe" angehörten, unter dem Befehl jenes Generals Kenan Evren, der den Staatsstreich kommandierte und sich später zum Präsidenten machte. Um das Gelingen des Putsches sicherzustellen befand sich zur Zeit des Putsches die schnelle Eingreiftruppe der NATO in der Türkei zum NATO-Manöver. Der Sozialdemokrat und türkische Ex-Premier Bülent Ecevit behauptete, er habe von den Gladio-Kriegern zum erstenmal 1974 erfahren. Er sei damals vom Generalstab gedrängt worden einen Geheimfonds für die "Abteilung für besondere Kriegsführung" einzurichten, damit diese ihre Sonderaufgaben bei der Zyperninvasion erfüllen könne. Die Geheimtruppe würde normalerweise von der CIA finanziert, für die Sonderaufgaben reiche jedoch das Geld nicht. Außerdem hatten die USA auf Grund der Zyperninvasion die CIA-Gelder vorläufig sperren lassen. Vielleicht mußten die fehlenden 10 Millionen der Vizepräsidentin Ciller ein ebensolches Finanzloch stopfen. Immerhin kostet der Krieg in Kurdistan die Türkei jährlich mehrere Milliarden DM. Auch die BRD leistet ihren Beitrag an der Ausbildung der Kontraguerilla.

      Neben ständigen Waffenlieferungen an die türkische Armee, wurden 1985 der Aufbau von Kontraguerillakommandos von der deutschen GSG 9 und dem BKA unterstützt. Stolz berichtete einer der neuen Soldaten: "Wir lernten alles, was zur Kunst des gnadenlosen Tötens gehört." Ecevit lastete auch das Massaker auf dem Istanbuler Taksim-Platz am 1. Mai 1977 der Konterguerilla an. Damals erschossen Unbekannte 38 demonstrierende Arbeiter und verletzten 300. Wenige Tage später wurde auf den Sozialdemokraten selbst ein Anschlag verübt. Augenzeugen sahen einen Mann in Polizeiuniform, der auf Ecevit schoß, aber dessen Mitarbeiter tötete. Der Schütze ist bis heute nicht identifiziert. Die Liste des Terrors "Unbekannter" gegen die türkische Opposition ist lang

      . Abdullah Catli ist nach Ansicht türkischer Terrorismusfahnder mindestens an zwei Massakern mit zwölf Todesopfern beteiligt gewesen. Ein weiterer Täter in der Terrorwelle ist Mehmet Ali Agca. Er ermordete im Februar 1979 den linksliberalen Chefredakteur der Tageszeitung "Milliyet", Abdi Ipekci, und wurde verhaftet. Kurze Zeit später befreite ihn ein Kommandotrupp unter Führung des beim Autounfall getöteten Abdullah Catli aus dem Gefängnis. 1981 verübte Agca in Rom das Attentat auf den Papst, dessen Hintergründe bis heute im Dunkeln liegen.

      Quellen:_
      Knightley, Phillip: Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert. Aufbau und Organisation, Erfolge und Niederlagen der großen Geheimdienste. Bern, München, Wien 1989. Frankfurter Rundschau 9.11.1996, 2.1.1991. Stern Nr. 48 1996. Zoom: Es muß nicht immer Gladio sein, Nr. 4+5 1996, Wien 1996. Die Tageszeitung 23.11.90. Türkei Information Jan./Feb. 1991. Junge Welt 15.11.1996, 26.11.96, 9./10.11.1996, 11.11.1996. Spiegel Nr. 48 1990, Nr. 47 1990. Blätter für deutsche und internationale Politik Heft 9/1991, S. 1108. Neue Züricher Zeitung vom 6.12.1990, in: Österreichische Militärzeitschrift, Heft 2/1991, S. 122. Müller, Leo A.: GLADIO - das Erbe des Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und sein deutscher Vorläufer. Hamburg 1991. Bericht der Untersuchungskommission des italienischen Parlaments, in: Blätter für deutsche und internationale Politik Heft 9/1991, S. 1106, Fußnote 24.
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 03:10:35
      Beitrag Nr. 19 ()
      danke für diese ausgezeichnete sammlung.
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 03:48:24
      Beitrag Nr. 20 ()
      Vom Globalisierungskritiker zum Taliban - für Berlusconi ein kleiner Schritt

      Dario Azzellini 28.11.2001
      Mit dubiosen Anschlägen und massiver Propaganda wird die italienische Linke kriminalisiert

      Aus den Trümmern des WTC stieg noch der Rauch auf, als Italiens Präsident Silvio Berlusconi den Anschlag schon propagandistisch gegen die Globalisierungskritiker nutzte und verkündete, er sehe "eine einzigartige Übereinstimmung zwischen den Aktionen der Terroristen und der Bewegung gegen die Globalisierung". Schon während des G8 in Genua hatte der italienische Staatschef die Gegendemonstranten als "Feinde des Westens" tituliert. Nun schob er hinterher, es gäbe innerhalb des überlegenen Westens "Personen, die diese Überlegenheit nicht anerkennen wollen und ihm die Schuld an der Armut in Teilen der Welt geben". Die Propagandawelle rollt. Die Anschläge von New York werden in Italien dazu genutzt Stimmung zu machen gegen Migranten und Linke. Sprecher der an der Regierung beteiligten Lega Nord erklärten jedes besetzte Zentrum sei eine "potentielle Zelle von Bin Ladens Terroristen".


      Der scharfe Ton passt auch zu dem Vorgehen rund um Genua (eine Chronologie zu Genua), das schon einige Aktivisten und Analytiker dazu brachte, von einer Neuauflage der Strategie der Spannung zu reden. Das Vorgehen Berlusconis dürfte aber nicht wundern: Politisch gestützt und mitorganisiert wurde die Strategie von der Geheimloge "Propaganda 2" (Vgl. Banken., Börsen, Berlusconi). Sie bestand aus etwa 1.000 Politikern, hohen Militärs, in- und ausländischen Geheimdienstchefs, hohen Vertretern aus Polizei und Carabinieri, Bankpräsidenten, Unternehmern und Journalisten. Und auch der Medienmogul und heutige Staatschef Silvio Berlusconi war Mitglied der P2. Etwa 100 von ihnen wurden wegen Verwicklungen in illegale Geschäfte, Putschpläne, Morde, Erpressungen, Anschläge und Verdunklung rechtskräftig verurteilt.



      Strategie der Spannung
      Als Strategie der Spannung wurde in Italien die Strategie der politischen und militärischen Elite bezeichnet, die darauf abzielte, den Eindruck einer vermeintlichen Instabilität des Systems sowie Angst zu erzeugen und damit die Notwendigkeit eines "starken Staates" plausibel zu machen. Sie wurde in den vergangenen 35 Jahren von einem Netz klandestiner Organisationen, bestehend aus Militärs, Geheimdienstlern und Zivilisten verfolgt. Die Strategie entstand in den 60er Jahren als Antwort auf die erstarkende Linke. Nach mehreren kleineren Bombenanschlägen ohne tödliche Opfer fordert am 12. Dezember 1969 ein Anschlag auf die Nationale Landwirtschaftsbank in Mailand 17 Tote und 84 zum Teil schwer verletzte. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf die radikale Linke. Es kam zur Verkündung eines Quasi-Notstandes, alle Demonstrationen wurden verboten, die Repression gegen die außerparlamentarische Linke verschärft und die Befugnisse und Ausrüstung der Repressionsorgane ausgeweitet. Der Anarchist Giuseppe Pinelli wird fest genommen, "fällt" aus dem Fenster eines Mailänder Polizeireviers und wird nach seinem Tod als Urheber des Anschlags präsentiert. Heute ist gerichtskundig, dass dieser und viele der folgenden Anschläge von den italienischen Geheimdiensten in Zusammenarbeit mit Neofaschisten begangen wurden. Das gleiche gilt für viele weitere Anschläge: Am 31. Mai 1972 explodierte im Ort Peteano ein in einem Fahrzeug versteckter Sprengsatz und tötet drei Carabinieri. - Am 28. Mai 1974 explodierte in Brescia während einer Gewerkschaftskundgebung, eine Bombe. Sie tötete acht Personen und verletzte 102. - Am 4. August 1974 explodierte im Italicus-Express (Zug Rom-München) zwischen Florenz und Bologna eine Bombe, zwölf Menschen starben, 45 wurden verletzt. Die Kriminalisierung der Linken nahm weiter zu. Die Repressionswellen von `79 bis `82 führten zu 40.000 Anzeigen, 15.000 Verhafteten und 4.000 zu Tausenden von Jahren Haft Verurteilten. In dieser Zeit explodierte am Samstag den 2. August 1980, Höhepunkt des Ferienverkehrs, im Bahnhof von Bologna eine Bombe. Teile der Bahnhofshalle stürzten ein, 85 Menschen starben. Nach der Anfang der 80er weitgehend vollzogenen Zerschlagung der radikalen Linken wird noch alle paar Jahre stabilisierend weiter gebombt, so etwa am 23. Dezember 1984 als ein Sprengsatz im Zug Mailand-Neapel in einem Tunnel kurz hinter Florenz explodierte. 16 Personen starben, 277 wurden teilweise schwer verletzt. Als Schuldige ausgemacht wurde eine Gruppe von Mafiosi und Faschisten. Auch als in den 90er eine radikale Linke kaum noch eine Bedeutung spielte, setzten sich die Anschläge fort, doch nun waren es nicht mehr Faschisten, sondern zunehmend Mafia-Gestalten, die die Ausführung besorgten. Zu den Zielen gehörten beispielsweise die Uffizien in Florenz.

      Buchtipp zu Strategie der Spannung und Gladio: Jens Mecklenburg (Hg.) - Gladio. Die geheime Terrororganisation der Nato, Espresso Verlag 24,80 DM
      Die ersten Hinweise auf eine mehr oder weniger verdeckte Strategie zur Erhöhung der Spannung gab es bereits einige Tage vor dem G8 in Genua. Diverse Briefbomben - einige unterschrieben von vermeintlich anarchistischen Gruppierungen - wurden verschickt. Ein 20jähriger Militärdienst leistender Carabinieri wurde beim Öffnen eines in einem Päckchen getarnten Sprengsatz am Auge und an einer Hand verletzt, ebenso erging es einer Sekretärin des rechten TV-Journalisten Emilio Fede, eine weiterer detonierte in der Poststelle der Firma Benetton. Auch das besetzte Zentrum Leoncavallo in Mailand erhielt ein solches Päckchen, entdeckt wurde es jedoch erst nach der Rückkehr aus Genua. Unter einem Camper in der Nähe des Carlini-Stadions in Genua - wo die "Ungehorsamen" (Tute Bianche und andere) ihr Camp hatten - wurde ein Sprengsatz gefunden und rechtzeitig entschärft. In Bologna wurde ein präparierter Schnellkochtopf, zu dem die Polizei mit dem Hinweis gelotst wurde, er enthalte Ecstasy, entschärft. Der Sprecher des GSF, Vittorio Agnoletto, erhielt einen Brief mit seinem Foto und zwei Pistolenkugeln. Weitere Anschläge trugen ebenfalls zu einer Verschärfung des Klimas bei.

      An die Spur der "Anarchisten" will angesichts der Beliebigkeit der Ziele und des nicht gerade "linken Mittels" Briefbombe kaum jemand glauben. Die Bewegung ist sich relativ einig und verurteilt die Briefbomben als versuchte Neuauflage einer Strategie der Spannung, die sich gegen die Linke richtet. Ist die Vermutung der Strategie der Spannung berechtigt? Einiges deutet darauf hin. Die Anschläge im Vorfeld, die massive Repression in Genua, die Anwesenheit in Genua von hohen Regierungsvertretern, die großen Anschläge danach, die folgende Hetze und Kriminalisierung, alles scheint einem altbekannten Drehbuch zu folgen...

      Die Qualität des Terrors der Sicherheitskräfte während der Proteste gegen den G8 in Genua war ebenso wenig wie die Ermordung von Carlo Giuliani die Folge des Einsatzes "unerfahrener Polizisten, die die Nerven verloren haben". Schusswaffen wurden von Polizei und Carabinieri häufig gezogen und selbst Schüsse wurde wiederholt abgegeben. Vize-Premier Gianfranco Fini der faschistischen AN befand sich in den Tagen höchstpersönlich im Fort San Giuliano die politische Linie für die Sicherheitskräfte vor. Der italienische Justizminister Roberto Castelli - ein rechtsradikaler Institutionen- und Demokratie-Verächter der Lega Nord - hat zugegeben, während dieser Tage in der Folterkaserne Bolzaneto (in der DemonstrantInnen dutzendweise systematisch über Tage hinweg gefoltert wurden) vor Ort gewesen zu sein, nur Anzeichen von Übergriffen will er - entgegen der Aussagen anderer Zeugen - nicht gesehen haben.

      Der ehemalige "Sozialist" und langjährige Dauerinnenminister Francesco Cossiga verteidigt den Einsatz der Sicherheitskräfte mit einem Rekurs auf seine eigene blutige Vergangenheit als Innenminister, als mehrere Demonstranten von Polizei oder Carabinieri erschossen wurden. Auch er stellte nach Genua die gesamte Öffentlichkeit vor die simple Frage: "Für uns oder gegen uns". Das verwundert nicht, Cossiga ist einer der Hauptverantwortlichen der Strategie der Spannung in vergangenen Jahrzehnten. Militärisch wurde die Strategie vom illegalen Gladio-Netz getragen, in dem die Geheimoperationen zusammen flossen und abgestimmt wurden. Im Oktober `90 gab die italienische Regierung erstmals offiziell die Existenz von Gladio zu. Während Francesco Cossiga, damals Staatspräsident, gleichzeitig erklärte, er sei stolz darauf `67, als Untersekretär im Verteidigungsministerium das Gladio-Netz reorganisiert zu haben. Im Oktober schlug er gar eine Reorganisation des Gladio-Netzes vor. Viele ehemalige Veteranen des illegalen Netzes haben sich sogar in einem Verband zusammen gefunden.

      Nach Genua fehlte streng nach Drehbuch nur noch eine "große Bombe", wie auch einige Linke scherzhaft anmerkten. Doch die Wirklichkeit kennt die Sorge der Banalität nicht und so folgte in Venedig in der Nacht vom 8. auf den 9. August, vor einem Besuch Berlusconis in der Stadt, der große Knall und eine Bombe zerstörte Teile des Gerichtes der Lagunenstadt. Bürgermeister Paolo Costa fühlte sich an die von Mafia und Geheimdiensten in den 90ern verübten Anschläge in Florenz und Rom erinnert und der Vize-Bürgermeister Bettin stellte fest:
      Jedes mal wenn in Italien eine wachsende Bewegung existiert, die die Frage nach einer Veränderung des Landes stellt, gibt`s Bomben oder es schießt jemand (...) die Gewohnheit Spannung zu erzeugen ist eine Konstante im italienischen politischen System, das durch die undurchsichtige Rolle der Geheimdienste noch komplizierter wird.

      SprecherInnen der radikalen Linken bezeichneten die Bombe als eine "Bombe gegen die Bewegung". Doch die Presse und regierungsnahe Kräfte sprachen von einem "Qualitätssprung" der Antiglobalisierungsbewegung und stellten einen direkten Zusammenhang zu den Protesten in Genua her. Staatschef Berlusconi bezichtigte gar die G8-Gegner der Urheberschaft des Anschlags und forderte erneut die "nationale Einheit", was von der DS, und dem oppositionellen Ulivo-Bündnis erfreut aufgenommen wurde.

      In den Tagen nach dem Anschlag gingen verschiedene Anschlagserklärungen ein. Von der Presse hervor gehoben und als glaubwürdig dargestellt wird nur eine Erklärung der "Nuclei Territoriali Antimperialisti", die inhaltlich außerhalb von Zeit und Raum steht und wie aus Textbausteinen vergangener Zeiten zusammengesetzt scheint. Der ermittelnde Staatsanwalt Casson hielt die Erklärung für unglaubwürdig. Für die beiden Richter Carlo Mastelloni (der in den 80er schon für einige Ermittlungen gegen vermeintliche und wirkliche Rote Brigaden verantwortlich zeichnete) und Guido Papalia hingegen stand fest: Der Feind steht links.

      Wenige Tage schreiben die Geheimdienste in einem Bericht für das Parlament von einem Wiederaufbau der Roten Brigaden und stellen die Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung teilweise in diesen Zusammenhang. Völlig im Delirium - oder als Teil einer allgemeinen Strategie der Verunsicherung - erklärte Lega Nord-Führer und Regierungsmitglied Umberto Bossi, hinter den Bomben und den Ausschreitungen in Genua stünden Teile der Geheimdienste, die der Linken treu seien. Zugleich mehren sich die Stimmen in der Regierung, die die Justiz auffordern, den Tute Bianche-Sprecher Luca Casarini endlich anzuklagen und zu verhaften.

      In Venedig hingegen deuten die Ermittlungen zunehmend auf eine Bande der Region hin, gegen die am Tag nach dem Anschlag eine staatsanwaltschaftliche Befragung im Gericht angesetzt war. Bei der auf Raubüberfälle spezialisierten Bande wurde unter anderem auch Plastiksprengstoff gefunden, der dem in Venedig benutzten zu ähneln scheint. So folgte die nächste Bombe, die der Linken zugeschrieben wird: In der Nacht zum 21.08. zerstörte ein starker Sprengsatz den Sitz der Lega in Vigonza, Padova. Es ging kein Bekennerschreiben ein, doch wieder wird über die Gefährlichkeit des "neuen linken Terrorismus" geredet.

      In diesem Klima schreitet die Kriminalisierung der Linken weiter voran. Im September folgen Justizbeamte den Forderungen der Regierung und leiten Ermittlungen gegen den Tute Bianche Sprecher Luca Casarini wegen Aufruf zur "Bildung einer kriminellen Vereinigung" ein, weitere Verfahren gegen AktivistInnen aus der Bewegung sollen folgen ... Noch mehr von Durchsuchungen betroffen ist aktuell aber das anarchistische Spektrum, das Medien und Sicherheitsapparat schon von Anfang der Briefbombenanschläge bezichtigten. In Genua wurde ein Brandanschlag auf das von Anarchisten besetzte Centro Sociale Pinelli verübt und ein auf dem Polizeihof stehender, konfiszierter Lastwagen einer ehemals inhaftierten Deutschen niedergebrannt. Etwa zur gleichen Zeit erfolgte eine Welle von Hausdurchsuchungen in etwa 15 verschiedenen italienischen Städten gegen vermeintliche Vertreter des "anarcho-insurektionalistischen" Spektrums. Doch von den etwa 60 ursprünglich vorgesehenen Haftbefehlen wurde kein einziger vollzogen, da sie offensichtlich jedweder Grundlage entbehrten. Eine Woche später traf es die Jugendlichen eines besetzten Zentrums in Florenz, die sich selbst nicht einmal als Anarchisten bezeichnen, doch auch hier nur ein Schlag ins Wasser, schlichter Polizeiterror. Ein Ende der Repression ist noch nicht in Sicht.

      Im Unterschied zu den 60er und 70er Jahren scheint die Strategie der Spannung jedoch nicht so aufzugehen wie gedacht. Ein Großteil der Bewegung entzieht sich bewusst der Eskalationsspirale und macht dies auch deutlich. Zugleich mehren sich auch die Stimmen, die nicht den Urheber einer jeden Bombe zuerst in der Linken suchen. Allerdings steht nach den Anschlägen in den USA der Ruf nach der "nationalen Einheit" und einer starken Regierung sowie das einfache Motto "mit uns oder gegen uns" wieder im Vordergrund. Durch den Krieg gegen Afghanistan sind die Parteien noch enger zusammen gerückt und die globalisierungskritische Bewegung, die sich in Italien in eine Antikriegsbewegung verwandelt hat, wird als "Feind im eigenen Land ausgemacht".

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      schrieb am 28.07.02 03:53:30
      Beitrag Nr. 21 ()
      92 Patronenhülsen, ein Balletttänzer und die CIA

      Harald Neuber 25.03.2002
      Die Geschichte der Roten Brigaden in Italien ist ein Lehrstück der Unterwanderung einer politischen Organisation durch gleich mehrere Geheimdienste - Nutzen brachten sie immer der Rechten - wie auch jetzt wieder

      Am vergangenen Samstag protestierten in Rom über eine Millionen Menschen gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Der einflussreichste der drei Gewerkschaftsbünde, CGIL, kann sich fortan damit rühmen, die größte Demonstration in der Geschichte der italienischen Republik zustande gebracht zu haben. Diese Demonstration war Ausdruck einer extrem gespannten Situation zwischen der Mitte-Rechts-Regierung und den sozialen Organisationen. Anlass für die jüngsten Proteste ist die geplante Änderung des Kündigungsrechtes. Der Artikel 18 wird von den Menschen aber unerwartet massiv verteidigt. "Dieser Kampf ist zum Symbol für den Kampf gegen Berlusconi und zum Symbol für den Kampf gegen die neoliberale Politik geworden", sagt der Philosoph Domenico Losurdo.

      Inmitten dieses Konfliktes und vier Tage vor der wie erwartet großen Demonstration wurde am vergangenen Dienstag gegen 20.30 Uhr der Wirtschaftsprofessor Marco Biagi vor seinem Haus in Bologna erschossen. Der 51-jährige Arbeitsrechtler beriet den Wohlfahrtsminister Roberto Maroni, Mitglied der extrem-rechten Lega Nord, zur Änderung des Artikel 18. Biagi war Mitautor eines Weißbuches der Regierung Berlusconi zum Arbeitsmarkt, das im vergangenen Oktober vorgestellt wurde.

      Am Tatort fand die Polizei Stempel an den Wänden, die das Symbol der Gruppe "Brigate Rosse" (BR), der Roten Brigaden, zeigten. Die Roten Brigaden waren im August 1970 gegründet worden. Den ersten Teil ihres Namens entlieh die Gruppe einst von der deutschen "Rote Armee Fraktion" (RAF), die "Brigaden" wählte man in Anlehnung an den Partisanenkampf gegen die Faschisten wenige Jahrzehnte zuvor. Der Mord an Marco Biagi löste nicht nur in Italien Unruhe aus. Viele Medien prophezeiten eine "Neuauflage des Terrors", als in mehreren Redaktionen per Email ein Bekennerschreiben der Gruppe einging. Nun war man sich sicher: Die Roten Brigaden sind wieder auf der politischen Bühne erschienen. In einer Fernsehansprache zeigte sich Ministerpräsident Berlusconi erschüttert. Der Anschlag sei ein Indiz für den "tiefen Hass", der das Land nach wie vor bestimme. Berlusconi forderte die Gewerkschaften auf, der Reform zuzustimmen. Man dürfe dem Druck des Terrors nicht nachgeben.

      Doch es gibt auch kritische Stimmen. Immerhin galt die Abschaffung des gemeinsamen Symbols, einem fünfzackigen Stern, 1981 als offizielles Ende der Roten Brigaden. In den Jahren davor war die Gruppe nachweislich von gleich mehreren Geheimdiensten unterwandert worden. Der langjährige Italienkorrespondent und Buchautor Gerhard Feldbauer ist sich jedenfalls sicher, "dass es sich bei dem Mord an Biagi um ein weiteres Glied in einer Kette von Aktionen handelt, mit der die in den siebziger und achtziger Jahren praktizierte Spannungsstrategie neu aufgelegt werden soll". Im Rahmen dieser von der US-amerikanischen CIA konzipierten Strategie wurden nicht nur linksradikale Gruppen von Polizei- und Geheimdienstagenten zu Mord und Terror angestachelt. Polizeiagenten, meist Faschisten, führten auch selbst unzählige Terroranschläge durch, für die dann Anarchisten und Autonome verfolgt und oft jahrelang unschuldig eingesperrt wurden.

      Bereits beim ersten Anschlag der Spannungsstrategen am 12. Dezember 1969 in der Mailänder Landwirtschaftsbank auf der Piazza Fontana (16 Tote, über 80 Verletzte), den neofaschistische Terroristen durchführten, war ein Agent provocateur am Werk, der die Spuren nach links lenken sollte. Der als Geheimdienstagent angeworbene Neofaschist Mario Merlino gründete einen anarchistischen Zirkel, für den er den Ballett-Tänzer Pietro Valpreda anwarb, der danach mit falschen Zeugenaussagen als einer der Organisatoren des Attentats präsentiert wurde.

      Aus der langen Kette der bekannt gewordenen Fälle ein weiterer: Der Neofaschist und Angehörige der NATO-Gruppe "Gladio", Gianfranco Bertoli, führte im Mai 1973 einen Bombenanschlag auf das Mailänder Polizeipräsidium durch (vier Tote, 52 Verletzte). Dabei sollte auch Ministerpräsident Rumor getötet werden, der jedoch zu spät eintraf und so dem Attentat entging. Der noch am Tatort festgenommene Bertoli erklärte, Anarchist zu sein, der den Tod seines 1969 von der Polizei umgebrachten Anarchistenfreundes Pinelli rächen wollte. Als "Beweis" zeigte er auf seinem Arm ein tätowiertes "A" in einem Kreis, das Erkennungszeichen der Anarchisten.


      Sabotage und Sympathie in den Fabriken
      Die Roten Brigaden waren für den Staat weitaus gefährlicher, als jede andere linksextreme Gruppe. Während die "Rote Armee Fraktion" in Westdeutschland aus einigen wenigen Mitgliedern bestand, die isoliert von etwaigen sozialen Bewegungen agierte, konnten die Brigate Rosse auf die Unterstützung weiter Teile der Arbeitnehmerschaft zählen. Es war eine junge Generation, die sich gegen die Etablierung der Italienischen Kommunistischen Partei (IKP) richtete. In der Anfangsphase waren die BR von den Ideen Antonio Gamscis ebenso beeinflusst, wie von denen des IKP-Mitbegründers Amadeo Bordiga. Die späteren Führungsmitglieder der BR, Renato Curcio und Mauro Rostagno, brachten an der Soziologischen Fakultät der Universität von Trentino 1968 die Schrift "Fuori dei Denti" (Offen gesagt) heraus. Darin wiesen sie Gewalt als Mittel der politischen Aktion entschieden zurück und kritisierten die "revolutionäre Ungeduld" der Befürworter.

      Den BR ging 1969 die Gründung des "Großstadtkollektiv" voraus. Diese Gruppe setzte auf Aufbauarbeit in Fabriken. Nach wenigen Monaten verfügte das Kollektiv über Basisgruppen bei Pirelli, Siemens und FIAT. Grundlage der Aktionen war die "bewaffnete Propaganda", die auf Einschüchterung der Manager zielte und die Forderungen der Belegschaften unterstützen sollte. Man forderte die Auflösung der privaten Werkspolizei und organisierte Sabotage in den Betrieben. Im September 1970 wurde der PKW des Siemens-Managers Giuseppe Leoni in Mailand angezündet, es folgten unter anderem Anschläge auf die Autos des Sicherheitschefs und des Personalchefs von Pirelli. Am dritten März 1971 entführte ein Kommando den Direktor der Arbeitsorganisation, Idalgo Macchiarini. Der Mann war für die Geschwindigkeit der Fließbänder verantwortlich und deswegen in den Fabriken nicht gerade beliebt. Macchiarini wird 20 Minuten lang festgehalten und mit einem Schild fotografiert. Darauf ist zu lesen: "Zuschlagen und abhauen! Nichts wird ungestraft bleiben! Einen treffen, um hundert zu erziehen!"

      Ab Mitte der siebziger Jahre fand ein Wechsel in der Führung der Brigate statt. Damit ging ein rapider Anstieg der Gewalt einher. Wie aus den Ermittlungen einer parlamentarischen Kontrollkommission Anfang der neunziger Jahre hervorgeht, waren 1974 schon mehrere Agenten in die BR eingeschleust worden. Einer von ihnen ist Francesco Marra gewesen, der als Fallschirmjäger in einem NATO-Stützpunkt auf Sardinien stationiert war und bei der Gladio-Spezialgruppe ausgebildet wurde. Die Gladio-Gruppe war eine Spezialeinheit der NATO, dort bekannt unter dem Namen "stay behind". Die "Gladiatoren", insgesamt dürften es über 15.000 gewesen sein, unterstanden maßgeblich der CIA. Marra war es, der nach späteren Aussagen von Renato Curcio nach der Entführung des Genueser Gerichtsvorsitzenden Mario Sossi 1974 für dessen Exekution plädierte. Die Führungsriege der Brigaden lehnte das ab.

      Bis 1976 wurden die Gründungsmitglieder allesamt gefangengenommen. Dafür war maßgeblich die Tätigkeit der V-Leute in der Gruppe verantwortlich. Mit Mario Moretti rückte dann ein Hardliner an die Spitze der Organisation, der auch vor politischen Morden nicht zurückschreckte. Mit der Erschießung des Oberstaatsanwaltes Francesco Coco am 8. Juni 1976 in Genua auf offener Straße begannen die "bleiernen Jahre", das blutigste und zugleich letzte Kapitel der Roten Brigaden.


      Die letzten 55. Tage des Aldo Moro
      Am 16. März 1978, morgens um 9.00 Uhr, fielen im Nordwesten von Rom für eine Stunde die Telefone aus. Zwischen 9.00 Uhr und 9.05 Uhr wurde dort, am Rande des kleinen Parks Villa tre Colli, der christdemokratische Parteivorsitzende Aldo Moro in seiner Limousine überfallen. Dabei starben die fünf Leibwächter des Politikers. Moro selber wird verschleppt und 55 Tage später exekutiert.

      Fünf Leute im Auto wurden getroffen. Moro selber blieb unverletzt: Der BR-Chef Moretti gab Jahre später zu Protokoll, dass es "mit der militärischen Präzision der BR nie weit her gewesen ist", bei der Aktion seien "keine hervorragenden Schützen" gewesen. Bei einem habe die Maschinenpistole gar Ladehemmungen gehabt. Trotzdem wurden, auch dass kommt erst Jahre später heraus, am Tatort 93 Patronenhülsen gefunden. Knapp die Hälfte war mit einem Speziallack überzogen, der nur bei den Gladio/Nato-Truppen verwendet wurde. Munition mit dem Lacküberzug konnte man über einen längeren Zeitraum vergraben.

      Der damalige Ministerpräsident Giulio Andreotti kündigte in einer Ansprache nach dem Mord an, mit unnachgiebiger Härte vorzugehen. Verhandlungen wurden abgelehnt, der Sicherheitsapparat setzte sich in Bewegung. Hinter allem stand zu diesem Zeitpunkt die Geheimloge "Propaganda due" (P2). Sie wurde Anfang der Siebziger Jahre gegründet und setzte sich aus US-amerikanischen und italienischen Geheimdienstlern zusammen. Unter den über 2000 Logenmitgliedern befinden sich 43 Generäle, darunter die gesamte Führungsspitze der Geheimdienste der vergangenen 30 Jahre, der komplette Generalstab des Heeres, hohe Polizeiführer und etwa 400 Offiziere. Die P2 verfolgte das Ziel, mit einem "kalten" Staatsstreich die Macht zu übernehmen, die IKP auszuschalten und ein diktatorisches Regimes nach chilenischem Vorbild zu errichten. Mitglied der P2 war auch der Generaldirektor der staatlichen Telefongesellschaft SIP, Michele Principe. Chef der Geheimloge war der Altfaschist Licio Gelli, dessen Sekretärin sagte allerdings zehn Jahre später vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus, dass "der eigentliche Chef Andreotti und nicht Gelli" war. Der Ministerpräsident hätte also von den Attentatsplänen wissen müssen. Warum schritt er nicht ein?

      Die Kommunistische Partei konnte in den siebziger Jahren ihren Stimmenanteil stetig erhöhen. 1963 erhielt die Partei gut 23 Prozent der Stimmen, 1976 waren es schon fast 34 Prozent. Moro trat in dieser Situation für ein taktisches Bündnis mit der IKP ein. Die Kommunisten sollten so in das politische System integriert werden, um sie zu zähmen. Die Linie Moros stieß auf entschiedenen Widerstand der faschistischen Gruppen im Land und der USA. Als der Politiker 1974 nach Washington reiste, wurde er massiv unter Druck gesetzt, blieb seiner Linie aber treu. Der Ton wurde schärfer. "Entweder hören Sie auf damit, oder Sie werden es teuer bezahlen", habe man ihrem Mann damals gesagt, so die Witwe, Eleonora Moro.

      Eine Schlüsselfigur ist Henry Kissinger, der Moro fortan auf den Fersen folgt. Kissinger wertete die Politik Moros als "äußerst negativ" und nannte ihn den "Allende Italiens", der "gefährlicher als Castro" sei. Aus Washington wurde derweil verlautbart, dass eine Beteiligung der Kommunisten im direkten Widerspruch zur NATO stehen würde. Im Januar, drei Monate vor seiner Entführung und knapp fünf Monate vor seiner Hinrichtung, schloss Moro das Regierungsabkommen mit Italiens Kommunistischer Partei.


      Wiederauflage der Spannungsstrategie?
      Bei den Anti-Globalisierungsprotesten gegen den G-8-Gipfel in Genua im Juli vergangenen Jahres wurde eine neue Organisation namens "Black Block" diskutiert. Tatsächlich ist eine solche Gruppe in Erscheinung getreten. Wie erst später bekannt wurde, gehörten ihr aber Mitglieder der neofaschistischen "Forza Nuova" an. Bei einem Sturm auf ein alternatives Medienzentrum "wurden Videokassetten und andere Bilddokumente unabhängiger Pressevertreter konfisziert, die beweisen, dass Teile des `Schwarzen Blocks` von infiltrierten Polizisten gesteuert und organisiert wurden, dass die Polizei die Autonomen über jedes Maß hinaus toleriert hat, um eine pazifistische Bewegung von 300.000 Menschen zu diskreditieren und zu kriminalisieren", sagte der Vertreter der Gruppe "Tute bianche" nach den Ereignissen. Der für seine Enthüllungen über die Gladio-Gruppe und Geheimdienstkomplotte bekannte Professor Giuseppe de Lutis hat in Anbetracht dieser Erfahrung und nach einem Bombenanschlag auf das Innenministerium in Rom Anfang März darauf verwiesen, dass die Handlungsmuster der Spannungsstrategen deutlich sichtbar seien.

      "Berlusconi kommen solche Anschläge wie gerufen", meint auch Buchautor Feldbauer. Er brauche sie nun einmal, um von den noch immer anhaltenden Protesten und Untersuchungen zu den Ausschreitungen in Genua abzulenken. Um das blutige Vorgehen in Genua zu rechtfertigen, "hat er als jüngstes Ablenkungsmanöver einen Mordanschlag erfunden, den in Genua Linksterroristen und Al-Qaida-Leute gegen US-Präsident Bush geplant hätten".

      Der Philosoph und Hegel-Forscher Losurdo weist auf einen anderen Umstand hin:



      "Der letzte Mordanschlag, für den die Brigaden verantwortlich gemacht werden, ereignete sich 1999. Auch damals wurde ein Regierungsberater erschossen. Zum Zeitpunkt des Anschlages fanden im ganzen Land Massendemonstrationen der Linken gegen den NATO-Krieg in Jugoslawien statt, an denen ein breites Spektrum von Parteien und Organisationen teilnahm. Nach dem Anschlag brach die Bewegung fast zusammen, und die Beteiligung an den Aktionen ging rapide zurück, weil die Regierung die linken Demonstranten und die sogenannten Roten Brigaden auf eine Stufe setzten. Das geschah mit der enormen Medienmacht, über die Berlusconi verfügt. Heute haben wir wieder Massendemonstrationen - und wieder geschieht ein Mord."


      Dessen ungeachtet gehen in Italien die Proteste gegen Berlusconi weiter. Als nächstes soll ein Generalstreik ausgerufen werden, gegen die Reformen und die "Etablierung des Faschismus", wie Dario Fo es nannte. Am vergangenen Samstag haben die Demonstranten aber auch eine Schweigeminute für den Ermordeten eingelegt.

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12165/1.html
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      schrieb am 28.07.02 03:59:39
      Beitrag Nr. 22 ()
      tobsicret thanks :)
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 04:04:21
      Beitrag Nr. 23 ()
      Die geheime Terrororganisation der NATO

      Gladio bereits vergessen?
      Die Advokaten einer weiteren Expansion der grössten Militärmaschine aller Zeiten werden nicht müde, uns die NATO als Garantin für Freiheit und Unabhängigkeit, ja als eigentliche Schule der Demokratie zu verkaufen. Aber ist die NATO wirklich die Mutter allen Menschenglücks, wie das eine millionenschwere Propaganda, von Brüssel wohl orchestriert, uns weismachen will?


      Von Heinz Moll
      Die gesteuerte Kampagne spekuliert auf die Vergesslichkeit der Menschen. Offenkundig mit einigem Erfolg. Wem sagt heute der Begriff «Gladio» noch etwas? Noch bis Ende 1991 war er in aller Munde, nachdem am 17. Oktober 1990 in Rom eine Eiterbeule geplatzt war.

      «Gladio» ist italienisch und bedeutet «Kurzschwert». So lautete die Tarnbezeichnung für eine geheime Terrororganisation der NATO. Es war Guilio Andreotti, der sinistre katholische Ministerpräsident Italiens (er steht inzwischen als Pate der Mafia vor Gericht), der die Existenz von «Gladio» öffentlich machte. «Don Guilio» tat diesen Schritt, nachdem in Rom mysteriöse Dokumente aufgefunden worden waren, was einen pflichtbewussten Staatsanwalt, Felice Casson, sowie eine Handvoll Parlamentarier zu unbequemen Fragen animierte. Die heissen Papiere wurden ausgerechnet in jener Wohnung sichergestellt, die der Terrororganisation mit dem täuschenden Namen «Rote Brigade» nach der Entführung von Aldo Moro, dem Parteivorsitzenden und Abgeordneten von Italiens Christlich-Demokraten (DC), im April 1978 als Versteck gedient hatte. Moro wurde nach 55 Tagen Gefangenschaft ermordet, sein Leichnam in einem Auto deponiert, das auf halbem Wege zwischen den Parteizentralen der Christlich-Demokraten und der Kommunisten (PCI) im Zentrum Roms abgestellt war.


      Compromesso storico
      Nur wenige Wochen vor seiner Entführung (sie kostete fünf Leibwächtern das Leben) hatte der moderat konservative Moro sich zur Bildung einer stabilen neuen Regierung unter Einschluss der wählerstarken Kommunisten bereitgefunden: Er war der Repräsentant jenes schmalen Segments der italienischen Machtelite, das den Weg des sogenannten «historischen Kompromisses» zu beschreiten bereit war.

      Der Begriff geht auf den überragenden kommunistischen Parteichef Enrico Berlinguer zurück und war Ausdruck einer programmatischen Neukonzeption, in der die Lehren aus dem blutigen Militärputsch der Verrätergeneräle um Pinochet gegen den vom Volk gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende vom 11. September 1973 gezogen wurden.


      Bittere Wahrheit
      Die Mörder Aldo Moros sind von der italienischen Justiz schon lange rechtskräftig verurteilt. Aber die Auftraggeber und Hintermänner dieses Verbrechens wurden nie ermittelt und erfreuen sich noch immer ihrer Freiheit. Diese bestürzende Aussage machte kein Geringerer als der bald 80-jährige italienische Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro, ein skrupulöser Jurist, am 9. Mai an einer Sondersitzung des italienischen Parlaments zum Gedenken an den vor 20 Jahren ermordeten Politiker.

      In der Tat gibt es eine Vielzahl Indizien, die Scalfaros ernüchternden Befund stützen. So ist in Italien seit langem gerichtsnotorisch, dass die «Rote Brigade» und ihr Umfeld - wie in der Bundesrepublik die Bader-Meinhof-Bande - bereits zu einem frühen Zeitpunkt durch die Geheimdienste infiltriert war. Dass der zivile wie der militärische Geheimdienst Italiens in eine ganze Reihe schwerster Verbrechen wie Morde, Bombenattentate, Putschvorbereitungen und Erpressungen verstrickt ist - dies ist durch richterliche Ermittlungen ebenso nachgewiesen wie ihre Verbindungen zur Mafia und zur faschistischen Untergrundloge «Propaganda due» («P2»).


      Gelli abgetaucht
      Deren Pate Licio Gelli, ein ehemaliger SS-Freiwilliger und Vertrauter von Forza-Italia-Boss Silvio Berlusconi, ist übrigens gerade mal wieder untergetaucht - um dem Vollzug einer langjährigen Freiheitsstrafe zu entgehen. Der Schurke wird wohl weiterhin auf die «stille Hilfe» einflussreicher Freunde zählen können.

      Seit den 50er Jahren umspannte das geheime NATO-Netzwerk «Gladio» die Staaten Westeuropas. Angeblicher Zweck von «Gladio» war der Untergrundkrieg im Falle einer sowjetischen Besetzung. Hierfür wurde die Geheimarmee im Partisanenkampf ausgebildet, wurden Waffen- und Munitionsdepots angelegt. Die gesamte Aktivität von «Gladio» unterstand einer geheimen Kommandozentrale im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Für «Gladio» existieren keine gesetzlichen Grundlagen. Folgerichtig entzog sich die Organisation auch jeder demokratischen Kontrolle. Weder über die Methoden ihrer Finanzierung noch über ihre Truppenstärke ist etwas verlässliches bekannt.


      SS-Killer reaktiviert
      Was über die zweifelhafte Geheimarmee seit ihrer Entlarvung bekannt geworden ist, haben fünf Autoren akribisch zusammengetragen: Jens Mecklenburg, Markus Perner, Dario N. Azzellini, Olaf Goebel und Klaus Zellhofer. Sie weisen nach, dass die «Gladio»-Truppe sich von ihrem selbst gestellten ursprünglichen Auftrag rasch entfernt und sich in krimineller Manier in die innenpolitische Auseinandersetzung der jeweiligen Länder eingemischt hat. So wird eine ganze Reihe von Terrorakten der letzten Jahrzehnte in Europa «Gladio» angelastet, insbesondere in Italien und der Türkei. Dabei passt es ins Bild, dass in der Bundesrepublik und in Österreich gezielt ehemalige Angehörige der SS für den Dienst rekrutiert wurden. In Italien verpflichteten die NATO-Verantwortlichen ehemalige Parteigänger der Mussolini-Faschisten für ihre subversive Arbeit. Dass die «alten Kameraden» wiederum den ihnen gemässen Nachwuchs heranzogen, vermag nicht sonderlich zu überraschen. Die NATO als Schule der Demokratie!

      http://homepage.sunrise.ch/homepage/comtex/uw29811.htm
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 04:05:32
      Beitrag Nr. 24 ()
      Chef von Neonazi-Band ist V-Mann


      Das Berliner Landeskriminalamt hat bei einer Razzia gegen die rechtsradikale Musikszene einen V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes verhaftet. Wie FOCUS meldet, enttarnte sich der 27-jährige Tilo S. aus Cottbus bei den Vernehmungen selbst als Spitzel des Potsdamer Innenministeriums. Durch monatelange Observationen seien die Fahnder des Landeskriminalamtes schon vorab auf konspirative Verbindungen von S. gestoßen.

      V-Mann Tilo S. war zugleich Kopf einer rechtsradikalen Musikgruppe namens „White Aryan Rebels“, berichtet FOCUS unter Berufung auf Ermittlerkreise. Die Band hatte im vergangenen Jahr mit ihrer CD „Noten des Hasses“ bundesweit Empörung ausgelöst. In dem Stück „Die Kugel ist für dich“ wird unter anderem zum Mord an Michel Friedman, Rita Süssmuth, Alfred Biolek und den Söhnen von Boris Becker aufgerufen.

      Nach FOCUS-Recherchen sind die „White Aryan Rebels“ bislang nicht öffentlich aufgetreten. Der enttarnte V-Mann Tilo S. sei das einzige feste Mitglied der Band und habe die Stücke mit einigen Leihmusikern in ausländischen Tonstudios aufgenommen und anschließend auf CD gepresst. Ein Textilgeschäft von S. im brandenburgischen Guben habe als Tarnadresse für die angelieferten CDs gedient.

      Wie FOCUS weiter berichtet, hat die Festnahme des V-Manns im Potsdamer Innenministerium große Unruhe ausgelöst. Innenminister Jörg Schönbohm befürchte einen unangenehmen Geheimdienst-Skandal. Auch Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin sei entsetzt über die Festnahme seines V-Manns durch die Berliner Polizei.

      27.07.02, 10:24 Uhr
      focus.de
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 04:10:16
      Beitrag Nr. 25 ()
      DEUTSCHE GESCHICHTE
      Wessen Freund und Helfer?
      Rasterfahndung in der dunklen Vergangenheit des Bundeskriminalamts
      Von Friedemann Bedürftig


      Entnazifizierung, Wiedergutmachungsabkommen mit Israel, Einrichtung der Zentralen Stelle zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen, die großen Prozesse gegen die Mörder von Auschwitz, Treblinka oder Majdanek, Entschädigung der Zwangsarbeiter – kann Deutschland nicht stolz sein, dass es sich seiner Vergangenheit so offen gestellt hat? Verglichen mit dem Umgang, den andere Länder mit den finsteren Kapiteln ihrer Geschichte pflegen, darf man das bejahen. Näheres Hinsehen aber relativiert solchen Stolz rasch und schmerzhaft gründlich.

      Einer, der schon seit langem den Blick mit der Lupe nicht scheut und sich damit nicht nur Freunde geschaffen hat, ist Dieter Schenk. Und er ist ein Beispiel dafür, wie viel die Historiker Fachfremden zu verdanken haben. Schenk war Polizist und hat sich nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Dienst mit solchem Erfolg der historischen Spurensuche verschrieben, dass er die Disziplingrenzen überwand: Er ist heute Honorarprofessor für Geschichte des Nationalsozialismus der Universität Lodz.

      Natürlich kommen seine Stärken besonders da zur Geltung, wo er mit beiden Pfunden wuchern kann und sich zudem mit der Behörde beschäftigt, der er selbst als Kriminaldirektor von 1980 bis 1988 angehört hat: dem Bundeskriminalamt (BKA). Diese Kripo des Bundes genießt in aller Welt hohes Ansehen, und auch der Autor empfand es als Auszeichnung, als er nach Wiesbaden berufen wurde. Doch Stolz war ihm, wie gesagt, noch nie geheuer; zu oft hatte er bei seiner Arbeit hinter glänzenden Fassaden Unrat entdeckt. Dass der Lack bald blätterte, nahm ihn zunächst wenig wunder. Der Alltag ernüchtert. Doch mit der Zeit schien ihm die Rechtslastigkeit der Fahnder nicht mehr nur mit dem RAF-Schock erklärbar. Er musste tiefer graben.

      Die Männerbündelei wurde ungerührt fortgesetzt

      Erst jetzt kann er die Bilanz seiner Ermittlungen vorlegen. Ganz zufrieden freilich ist er damit nicht, denn es standen ihm trotz intensiver Bemühungen die Akten der Behörde selbst nicht zur Verfügung. Einsicht wurde erst in diesem Sommer angeboten, als der Redaktionsschluss längst verstrichen war. Der Ermittler kann sich trösten: Die vorgebliche Schwäche erweist sich im Rahmen seiner Argumentation eher als Stärke, denn sie bestätigt Schenks Diagnose, dass hier aus begründet schlechtem Gewissen gemauert wurde.

      Der Untertitel Die braunen Wurzeln des BKA wirkt fast verniedlichend, denn die Gründer-Crew war nicht bloß „braun“, sondern personell, strukturell und vom Selbstverständnis her ein „Abklatsch“, so Schenk, des Reichskriminalpolizeiamtes im Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Schlüsselfigur war Anfang der fünfziger Jahre Paul Dickopf, der sich gern als „Architekt des BKA“ apostrophieren ließ und das strippenziehend auch war, obwohl er erst 1965 dessen vierter Chef wurde. Er, der sich eine höchst zwielichtige Widerstandslegende gestrickt hatte, versammelte im BKA eine Seilschaft von ehemaligen SS-Männern und Mitgliedern von Einsatzgruppen und Polizeibataillonen um sich.

      Diese Vereinigung schottete sich gegen „links“ ab und setzte die Männerbündelei ungerührt fort. Allein der kurze Abschnitt über die Kontroverse wegen der Einstellung von Kriminalistinnen enthüllt den Zynismus dieser Clique, deren Mitglieder sich gegenseitig reinwuschen und die bei sich verschärfendem Kalten Krieg von Schlussstrichlern aus Politik und Justiz bereitwillig unterstützt wurde.

      Zwei Hauptargumente schob man dabei vor: Die SS-Ränge der Herren seien automatische Angleichungsernennungen gewesen, was Schenk etwa im Fall Dickopf klar widerlegt. Und: Die Kripo sei immer „sauber“ geblieben, nur die Gestapo sei die Komplizin des Unrechtsregimes gewesen, eine besonders dreiste Schutzbehauptung: Zum einen hinderte sie Dickopf nicht, auch einstige Gestapo-Beamte einzustellen, zum anderen hätten die Einsatzgruppen ohne die Unzahl von Kripo-Männern ihr blutiges Handwerk bei weitem nicht so „erfolgreich“ ausüben können.

      So alarmierend das alles war, es ist ja vorüber, mag mancher denken. Schön wär’s: Personen, offenbar auch juristische, erhalten ihre Prägung in der Jugend. Nur so mag sich erklären, dass bis heute die Bekämpfung des Terrors von rechts durch das BKA eher halbherzig betrieben wird. Die Akten-Ziererei belegt, dass der Ungeist seine Väter überlebt hat. Doch auch in der Polizei setzt Umdenken ein, und die Frage wird immer dringlicher gestellt: Machen wir uns durch Wegschauen bei rechtsextremistischen Schandtaten nicht zum Freund und Helfer der gefährlichsten Feinde des Rechtsstaats?

      Dieter Schenk : Auf dem rechten Auge blind Die braunen Wurzeln des BKA; Verlag Kiepenheuer&Witsch, Köln 2001;
      396 S., 39,90 DM

      Literaturbesprechung aus der Weihnachtsbeilage der "Zeit"
      vom November 2001
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 04:21:59
      Beitrag Nr. 26 ()
      Neues Buch über den “Fall Dutroux" und die Folgen
      Der Staat, der Feind seiner Bürger

      Die Kinderschänder-Affäre hat Belgien das Schlimmste beschert, was einer Demokratie passieren kann: auflagen- und quotengeile Medien werden für glaubwürdiger gehalten als die Justiz. Wenn auch mit gutem Grund.
      Ein Artikel von PETER HUEMER

      Ist es ein Zufall, dass die Kette der monströsen Mordfälle und mörderischen Skandale in Belgien nicht abreißt? Dass, während das Land noch mitten im Fall Dutroux steckt und diesen längst nicht bewältigt hat, ein neue grausige Mordgeschichte, die des angeblichen Pastors Andràs Pandy, die Allgemeinheit erschüttert hat und das Land erneut in die Schlagzeilen der Weltpresse brachte? In diesem Herbst ist dazu ein Buch erschienen, das, ausgehend vom Fall des mutmaßlichen Kindermörders Dutroux, eine Fülle ebenso interessanter wie deprimierender Aufschlüsse bietet, das am Beispiel Belgien die Horrorvision einer - nach Ansicht des Autors - möglich gewordenen europäischen Zukunft entwickelt und sich mit der internationalen Dimension von Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie auseinandersetzt. Es heißt: “Die Kinderfänger. Ein belgisches Drama von europäischer Dimension." Sein Autor ist der junge deutsche Journalist Dirk Schümer, Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Nordeuropa, Belgien und die Niederlande.

      Morbide Strukturen
      Der belgische Mädchenmordskandal, der viel zu spät mit der Verhaftung von Marc Dutroux im August des Vorjahres geplatzt ist, hat ganz Europa bewegt: zum einen wegen der Grauenhaftigkeit der Kinderschicksale und zum anderen wegen der unglaublichen Leichtfertigkeit der Behörden im Umgang mit dem Phänomen des Verschwindens so vieler Mädchen. In Belgien selbst wurde das Vertrauen in die Institutionen dadurch in einem solchen Ausmaß erschüttert, dass man von einer Staatskrise sprechen kann. Buchstäblich alles wurde von den Bürgern in Frage gestellt, auch der Staat selbst. Hier setzt Schümer mit seiner Analyse an, aus der ich einen Absatz zitieren möchte: “Eine Gewißheit hat die belgische Krise zerstört. Eine Zeitlang schien es so, als sei mit dem Triumph des marktwirtschaftlichen Systems das ,Ende der Geschichte` angebrochen. Doch die westlichen Strukturen sind viel anfälliger und morbider, als es auf den ersten Blick scheint. In Belgien bedurfte es zweier Kriminalfälle, des Mordes an Cools und der Morde an den unschuldigen Mädchen, um allen Bürgern das gemeinsame Wirken der Mafia und des Parteienstaates vor Augen zu führen. Es ist diese unheilige Koalition - und nicht irgendwelche ephemeren ideologischen Fragen -, gegen welche die Bürger zu Felde zogen, als sie ihren Staat als Mittäter brandmarkten und ihn dafür verfluchten."

      Verkommene Justiz
      Die belgischen Zustände, behauptete der Untersuchungsrichter Jean Marc Connerotte heuer im März vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, zeichneten sich dadurch aus, daß Politik und Justiz “auf allen Ebenen" mit der organisierten Kriminalität verquickt seien. Schümer greift diese Feststellung auf und spricht von einer “Verfilzung des kriminellen Systems mit dem staatlichen". Die Polizei stecke natürlich auch mit drinnen. Dieser Untersuchungsrichter Connerotte, der erfolgreich die zuvor verschleppten, verschlampten Ermittlungen gegen Marc Dutroux geleitet hatte, wurde endgültig zum Volkshelden, als er vom Kassationsgerichtshof in Brüssel wegen eines geringfügigen Formfehlers im Oktober 1996 vom Fall Dutroux abgezogen wurde. Connerotte hatte nämlich die unglaublichen Schlampereien der Justiz öffentlich gegeißelt. Mit Connerottes Sturz sei die “Verkommenheit der Justiz" endgültig bewiesen, ist Schümers Schlussfolgerung. Gleichzeitig wurden die Verschwörungstheorien der Bürger immer abenteuerlicher und radikaler. Denen “oben" wurde jetzt schon alles zugetraut.

      Dirk Schümer geht Verflechtungen und Verfilzungen nach, verbotenen Geschäften, der Organisierten Kriminalität und entwirft ein Sittengemälde, das ihn zu dem Schluss kommen lässt, hier sei der Staat zum “potentiellen Feind" seiner Bürger geworden.

      Begonnen habe es schon viel früher, schreibt Schümer, als dank sozialdemokratischer Politiker wie André Cools in Wallonien ein Klima umfassender Korruption entstand, an dem später auch die Christdemokraten Anteil hatten: illegale Parteienfinanzierung, Politikerbereicherung, Mord. André Cools fiel 1991 seinem eigenen System zum Opfer. Die Killer, in Sizilien angeheuert, sind mittlerweile gefasst, die Anstifter werden hoch oben in Cools` eigener Partei vermutet. Das war wohl auch der Grund, warum Polizei und Justiz zunächst jahrelang planmäßig im dunkeln getappt hatten. Im Fall Cools ebenso wie im Fall Dutroux. Denn was sollten in diesem Klima, in dem frühere Minister straflos abgeknallt werden konnten, ein paar verschwundene Mädchen für eine Rolle spielen?

      Ein besonders interessantes Kapitel widmet Dirk Schümer der belgischen Presse. Die meisten Medien haben eine klare Kampfposition gegen Politik, Justiz und Polizei eingenommen, haben das Misstrauen der Bürger gewaltig verstärkt und das Klima im Land zusätzlich aufgeheizt - als wäre die Mädchenmordgeschichte für sich nicht schon emotionsgeladen genug. Journalisten und Angehörige der Opfer wurden eine große Familie. Man war im Fernsehen per du miteinander, der allergrößte Schmerz wurde öffentlich zur Schau gestellt, Privatheit und Intimität von Menschen rücksichtslos zerstört. Damit stiegen Auflage und Quote beträchtlich, eine rationale Diskussion des Vorgefallenen wurde unter diesen Umständen fast unmöglich.

      Auf der anderen Seite wäre es ohne diese massive Kampagne der Medien wahrscheinlich gar nicht gelungen, die Behörden endlich zum Handeln zu zwingen. Vermutlich gehört das zum Schlimmsten, was einer Demokratie passieren kann: dass auflagen- und quotengeile Medien den Bürgern korrekter und vertrauenswürdiger erscheinen als die Justiz - und das wahrscheinlich mit gutem Grund.

      In diesem Kontext erklärt sich auch das von Schümer beschriebene ratlose Unbehagen der Intellektuellen, die Zurückhaltung derer, die nicht mit dem Boulevard mitheulen möchten, sich aber ebenso wenig auf die Seite der Behörden stellen wollen - nachdem viele von ihnen jahrelang den Staat und sein Verhalten wütend angegriffen hatten.

      Klima der Wut
      Da der mutmaßliche Mädchenmörder Dutroux nachweisbar mehrmals in die Slowakei gefahren war, geht der Autor auch diesen Spuren nach. Was dabei herauskommt, sind allerdings mehr Fragen als Antworten: Bestand Verbindung zu osteuropäischen Bordellen, die Kinder verkaufen? Gibt es ein globales Netzwerk für Kinderhandel und Kinderpornographie, in das auch höhere belgische Kreise involviert sind? Wer? Wie hoch oben verbergen sich Täler, die Enttarnung befürchten? Wie sehr sind diese immer noch imstande, die Ermittlungen zu behindern? Die Fragen der Belgier sind auch die des Autors. Überprüfbare Antworten darauf gibt es bis jetzt kaum - unter anderem deswegen, weil die belgische Justiz keinerlei Interesse daran zeigt.

      Dazu passt, dass der frühere belgische Justizminister Wathelet, der daheim nicht mehr tragbar war, vor kurzem Mitglied des europäischen Gerichtshofs geworden ist - gegen einen mit großer Mehrheit beschlossenen Misstrauensantrag im Europaparlament, demzufolge das politische Vorleben dieses Mannes mit der Würde eines europäischen Richters nicht vereinbar sei.

      Dirk Schümer beschreibt exakt das Klima der Wut, der Verdächtigungen und der zuweilen schon paranoiden Verschwörungstheorien, die durch Korruption und Indolenz von Politik, Justiz, Polizei entstanden sind. Aber gerade deswegen fragt sich, ob dieses “belgische Drama" tatsächlich eines “von europäischer Dimension" ist, wie der Untertitel des Buches lautet. Ob es nicht doch spezifisch belgische Umstände sind, die diese scheußliche Tragödie hervorgebracht haben? Der besorgte Leser des aufregenden Buches wird das zumindest hoffen.

      Der Autor ist ORF-Journalist und Historiker.
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      schrieb am 28.07.02 10:40:48
      Beitrag Nr. 27 ()
      Chronik: Belgien


      FWA 2000, Sp. 54
      Affären und Skandale bestimmen weiterhin die innenpolitische Entwicklung und führen zu einer Niederlage der Koalitionsparteien unter Führung von Ministerpräsident Jean-Luc Dehaene bei den Parlaments- und Europawahlen im Juni 1999.


      Asylpolitik
      Der Tod einer abgelehnten nigerianischen Asylbewerberin während eines zwangsweisen Abschiebungsversuchs am 22.9. 1998 ruft heftige Kritik in der Öffentlichkeit hervor. Innenminister Louis Tobback (SP) übernimmt die politische Verantwortung und tritt am 26.9. zurück; zuvor verfügte er einen vorläufigen Stopp der zwangsweisen Rückführung. Der neue Innenminister Luc Van Den Bossche (PS) leitet Initiativen zu einer »Humanisierung der Asylpolitik« ein.


      Bestechungsaffäre
      Im Agusta-Dassault-Prozeß, der am 2.9. 1998 gegen zwölf Angeklagte eröffnet wurde, verurteilt das Brüsseler Kassationsgericht am 23.12. zwölf ranghohe Politiker und Industriemanager wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften zu Haftstrafen zwischen drei Monaten und drei Jahren Gefängnis auf Bewährung. Willy Claes, ehemaliger NATO-Generalsekretär (1994 / 95) und langjähriger belgischer Wirtschafts- und Außenminister, der passiven Bestechung für schuldig befunden, erhält drei Jahre Haft auf Bewährung; darüber hinaus werden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte für fünf Jahre aberkannt. Der ehemalige Verteidigungsminister Guy Coëme sowie der ehemalige Parteivorsitzende der wallonischen Sozialisten Guy Spitaels, die ihre Schuld bestreiten, erhalten je zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung, ebenso der französische Industrielle Serge Dassault wegen aktiver Bestechung. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die Verurteilten über die Schmiergeldzahlungen des italienischen Helikopterherstellers Agusta und des Flugzeugproduzenten Dassault in den Jahren 1988 und 1989 auf Geheimkonten der SP und PS informiert waren.


      Dioxin-Skandal
      Die Entdeckung großer Mengen stark dioxin- und furanverseuchter Eier und Hühnerprodukte in Belgien führt Anfang Juni 1999 zur größten Lebensmittelkrise in der Europäischen Union (EU) seit der Rinderseuche BSE 1996. Die EU-Kommission, die am 27.5. von der belgischen Regierung informiert worden ist, verfügt in den folgenden Tagen umfassende Verkaufsverbote für Geflügel, Eier, Milchprodukte, Rind- und Schweinefleisch. Am 1.6. treten die bisher zuständigen Minister für Landwirtschaft bzw. Gesundheit, Karel Pinxten und Marcel Colla, zurück; sie waren seit Ende April über einen Dioxingehalt in Geflügelprodukten, der die gesetzliche Norm um das 1500fache überschreitet, informiert. Als Ursache der Verseuchung gilt Tierfett, das vermutlich mit dioxinhaltigen technischen Fetten versetzt und an Futtermittelhersteller geliefert wurde. Am 3.6. kündigt Luc van den Bossche, der zusätzlich das Gesundheitsresort übernommen hat, ein befristetes totales Transport- und Schlachtverbot für fast alle Tierarten an. Insgesamt sind etwa 10 % der belgischen Lebensmittelproduktion von den Einschränkungen betroffen. Angesichts der bevorstehenden Parlaments- und Europawahl erklärt die belgische Regierung am 8.6. einen erheblichen Teil der Vermarktungsbeschränkungen als »übertrieben« und nach Prüfung zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe für nicht mehr gerechtfertigt. Der von der Regierung eingesetzte Krisenmanager Fred Chaffart schätzt die Folgen des Dioxin-Skandals Ende Juni auf umgerechnet 2,9 Mrd. DM. Weitere Kosten in Höhe von etwa 735 Mio. DM entstehen durch die von der neuen Regierung am 30.7. verfügte Rücknahmeaktion von etwa 80 000 t Fleischprodukten und deren Vernichtung.

      Am 9.8. akzeptiert die Regierung neue Regeln der EU für die Kontrolle von Lebensmitteln auf eine mögliche Dioxin-Verseuchung.


      Coca-Cola-Skandal
      Nachdem gesundheitsgefährdende Substanzen in Coca-Cola-Getränken festgestellt wurden, ruft der Konzern am 13.6. 1999 15 Mio. Flaschen und Dosen der Limonade aus belgischer Produktion zurück. Auch in Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden werden verdächtige Kontingente sichergestellt.


      Parlamentswahl und neue Regierung
      Die Koalitionsparteien müssen bei der Wahl am 13.6. 1999 den Verlust von mehr als 20 % ihrer Sitze hinnehmen. Die oppositionellen Liberalen in Wallonien (VLD 14,2 %) und Flandern (PRL- FDF- MCC 10,1 %) werden mit zusammen 41 Mandaten (+2) erstmals in der Geschichte des Landes stärkste politische Kraft; die Grünen (Agalev 7,0 bzw. Ecolo 7,2 %) verdoppeln fast ihre Mandate (20), der rechtsorientierte Vlaams Blok (VB) gewinnt 9,8 % und 15 Mandate (+4). Die Christsozialen in Wallonien (CVP), geführt von Ministerpräsident Dehaene, kommen auf einen Stimmenanteil von 14 % (-3,2 % gegenüber 1995); zusammen mit der flämischen Schwesterpartei PSC (6,1 %) erhalten sie 32 Sitze (-9). Auf die mitregierenden Sozialisten (SP und PS) entfallen 9,5 bzw. 10,3 % und zusammen 33 Mandate (-12).

      Als Konsequenz aus der Wahlniederlage erklärt Ministerpräsident Dehaene am 14.6. 1999 seinen Rücktritt. Am 12.7. vereidigt König Albert II. die neue Regierung, die sich auf 94 der 150 Abgeordneten im Parlament stützen kann und der sieben liberale, sechs sozialistische und zwei grüne Minister angehören. Im Koalitionsvertrag haben sich die drei Parteien auf eine Steuerreform, die Absenkung der Lohnnebenkosten und den Ausstieg aus der Atomenergie vom Jahr 2014 an geeinigt. Neuer Ministerpräsident ist Guy Verhofstadt, Außenminister wird Louis Michel, Finanzminister Didier Reiynders. Der frühere Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Verbrechen der Dutroux -Bande, Marc Verwilghen, wird Justizminister.

      Am 15.7., einen Tag nach seinem Gespräch mit dem leitenden Lütticher Staatsanwalt Hubert Massa, zuständig für die Ermittlungen im Fall Dutroux sowie im Fall des vor acht Jahren ermordeten Sozialistenführers Cools, wird Massa tot aufgefunden.
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 12:02:34
      Beitrag Nr. 28 ()
      28.07.2002 09:42

      USA und Russland: Engere Kooperation bei Terrorismusbekämpfung

      Washington (Reuters) - Die Regierungen der USA und Russlands streben eine enge Kooperation bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus an.

      Darauf hätten sich beide Seiten anlässlich einer Tagung der gemeinsamen Anti-Terror-Arbeitsgruppe in Annapolis im US-Bundesstaat Maryland verständigt, teilte das Außenministerium in der Nacht zum Sonntag in Washington mit. An dem Treffen nahmen unter anderem Vizeaußenminister Richard Armitage und der russische Vize-Außenminister Wjatscheslaw Trubnikow teil.

      Die Bemühungen zur Abwehr von potenziellen Bedrohungen mit Hilfe von nuklearen, biologischen oder chemischen Waffen hätten erste Priorität und erforderten noch intensivere Zusammenarbeit sowie höchsten Einsatz der Geheimdienste wie der Justiz.

      Die Gesprächsreihe war im Juni von den Präsidenten der USA und Russlands, George W. Bush und Wladimir Putin, angekündigt worden. Zuvor waren die Gespräche Russland-USA auf das Thema Afghanistan beschränkt gewesen.

      Die Delegationen verständigten sich darauf, das Thema der Terrorismusbekämpfung auch auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, den NATO-Russland-Rat und andere Institutionen auszuweiten.
      sueddeutsche.de
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 14:11:15
      Beitrag Nr. 29 ()
      hey Antigone,..14:02;)

      enge Koop. RUS - USA zur Terrorismus-Bekämpfung??

      damit sind auch die Grenzen einer bedingten Zusammenarbeit erreicht! Militärische, engere Kooperationen wird es nicht geben, weil die inneren Strukturen in Staat (und in den Streikräften) sowie in der Historie beider Mächte diametral entgegengesetzt verlaufen sind!

      Zweckbündnis Terrorbekämpfung, die Preise:

      - RUS kann in Tschechenien schalten und walten, wie es will
      - in anderen GUS-Staaten auch
      - finanzielle Zuwendungen durch USA + EU wegen Rohstoffe

      - USA neue "Feindbilder" werden aufgebaut und "gefestigt"
      - Ablenkung von inneren wirtschaftlichen Schwächen
      - Festigung der Machtbasis in N+S- Amerika
      - Rechtfertigung für Aufstockung Militär und Geheimdienste
      - Entzug der Kontrollen durch die Parlamente !!!
      - neue Basis der Rohstoffsicherung in RUS
      - Wir sind die Weltpolizei - und ihr seid alle "Neger"
      Avatar
      schrieb am 28.07.02 19:08:51
      Beitrag Nr. 30 ()
      »Gefährlicher als Castro«
      Vor 20 Jahren in Italien: Aldo Moros Tod und die Geheimdienste

      Eine Serie von Gerhard Feldbauer (Teil I)

      Am vergangenen Sonnabend vor 20 Jahren, am 9. Mai 1978, ermordeten die Roten Brigaden den Vorsitzenden der Christdemokratischen Partei Italiens, Aldo Moro. 55 Tage vorher hatten sie ihn in Rom entführt und dabei sein gesamtes fünfköpfiges Begleitkommando erschossen. Der Politiker befand sich an diesem 16. März auf dem Weg zur Abgeordnetenkammer, in der die Debatte über die Aufnahme der Kommunisten in die Regierungsmehrheit, die Moro mit dem Generalsekretär der IKP, Enrico Berlinguer, vereinbart hatte, angesetzt war.

      Die linksextremen Brigate Rosse waren entschiedene Gegner dieses Historischen Kompromisses, wie das Regierungsabkommen zwischen der Democrazia Cristiana und der IKP genannt wurde. Nach ihrer Einschätzung stand die italienische Arbeiterbewegung »an der Schwelle zu einer Veränderung, einer Revolution« (Mario Moretti, Brigate Rosse, Hamburg 1996, S. 58). Davon ausgehend sahen sie im Compromesso storico einen Verrat der IKP am revolutionären Kampf der Arbeiterklasse und wollten mit der Entführung des DC-Vorsitzenden das Abkommen zum Scheitern bringen und »an der Spitze einer Massenbewegung« stehend (Moretti, S. 73) ihre eigene Position stärken. Dazu forderten sie Verhandlungen über die Freilassung Moros, um dadurch ihre Anerkennung als politische »bewaffnete Partei« und die ihrer inhaftierten Genossen als »politische Gefangene« zu erreichen.

      Später verlangten sie, im Austausch gegen Moro 13 politische Gefangene freizulassen. Die Regierung Andreotti lehnte ab und kalkulierte bewußt den Tod des DC- Führers ein. Über Moro wurde so ein doppeltes Todesurteil verhängt: das der Brigate Rosse und das der Regierung Andreotti. Peter O. Chotjewitz spricht in seinem Nachwort zur deutschen Ausgabe der »Affäre Moro« von Leonardo Sciascia (Frankfurt a. M. 1989) von zwei Tätern und schreibt, daß »der Täter, der ein Interesse an dem Mord hat, nicht identisch ist mit dem ausführenden Täter«, und daß »auch das Verhältnis zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Täter kein banales Auftragsverhältnis ist«. (S. 124).

      Erbitterte Feinde der linksorientierten Politik Moros waren ebenso - und das bereits zu Zeiten, da die Brigate Rosse noch gar nicht existierten - die herrschenden Kreise der USA, verkörpert vor allem durch den Geheimdienst CIA und das Pentagon, sowie deren einheimische Verbündete in Italien. In dieser Parallelität der Feindschaft wurzelt, ohne daß sich die führenden Brigadisten um Mario Moretti - bedingt durch ihre völlige Mißachtung der ausschlaggebenden Bedeutung des amerikanischen Faktors in der nationalen Klassenauseinandersetzung - dessen bewußt gewesen sein müssen, deren verhängnisvolle Verstrickung in das reaktionäre Komplott gegen Moro.

      In diesem Komplott zogen, soviel ist bei aller nach 20 Jahren noch immer vorhandenen Unaufgeklärtheit des Falles Moro bekannt, die CIA und die von ihr direkt geführte geheime NATO-Truppe »stay behind«, die in Italien Gladio hieß, die Fäden. So befand sich, um einen Fakt vorwegzunehmen, zum Zeitpunkt des Überfalls auf Moro der italienische Geheimdienstoberst Camillo Guglielmi am Tatort und verfolgte die Ereignisse. Der Oberst war als Gladio- Offizier verantwortlich für die Ausbildung der »stay behind«- Einheiten in dem NATO-Stützpunkt in Capo Marrargiu auf Sardinien. Dieses brisante Detail kam 1991 im Rahmen der Untersuchungen der italienischen Parlamentskommission zu Gladio ans Licht. Daraus kann eigentlich nur geschlußfolgert werden, daß der Oberst - zumindest - beobachten wollte, ob es mit der Entführung durch die Brigate auch klappt.

      Das bedeutet, die zuständigen Geheimdienste waren über den Anschlag auf Moro bereits vorher informiert. Das bestätigte unter anderem General Giovanni Romeo, von 1966 bis 1969 Gladio-Chef und während der Entführung und Ermordung Moros Leiter der Abteilung Innere Sicherheit des Geheimdienstes SISMI, vor der angeführten Parlamentskommission. Es habe von Anfang an gesteuerte V- Leute gegeben, durch die man über die Absichten der Brigate Rosse informiert gewesen sei. Der General war nicht bereit, Namen zu nennen, denn »sie müßten es teuer bezahlen, wenn sie bekannt würden«, erklärte Romeo. Er gab jedoch an, daß alle Namen in den Geheimdienstarchiven hinterlegt seien.

      Ohne das eigenständige Handeln der Brigate Rosse in Frage zu stellen, wird Gegenstand der weiteren Darlegungen sein, wie die erbitterte Feindschaft führender Politiker in Washington und Rom gegenüber Moro sich auf dessen Schicksal auswirkte und welche Rolle Polizei und Geheimdienste davon ausgehend spielten.

      Langjährige Feindschaft
      Die Schlüsselfigur des Komplotts der Amerikaner gegen Moro war auf italienischer Seite Giulio Andreotti, zur Zeit der Entführung Ministerpräsident und Dienstherr der Geheimdienste. Er ist heute der Komplizenschaft mit der Mafia und der Anstiftung zum Mord an dem Journalisten Mino Pecorelli, Herausgeber des brisanten Informationsbulletins Osservatore politico, angeklagt. Pecorelli war dabei, Andreottis Rolle als Verantwortlicher für die Ermordung Moros zu enthüllen, als ihn am 20. März 1979 vor dem Sitz seiner Redaktion in der Via Tacito in Rom zwei Mafia-Killer erschossen.

      Washingtons Feindschaft gegenüber Moro reichte bis in die Zeit unmittelbar nach Kriegsende zurück. Der 1916 geborene Politiker gehörte seit 1943 der am antifaschistischen Widerstand teilnehmenden Democrazia Cristiana an, in der er ein führender Kopf der Gruppe »Initiativa Democratica« war, die nach der Niederlage des Faschismus für eine soziale Erneuerung der italienischen Gesellschaft auf christdemokratischen Grundlagen eintrat. Das hieß für Moro Durchführung sozialer Reformen im Rahmen des kapitalistischen Systems, um den in der Arbeiterbewegung vorherrschenden Sozialismus-Vorstellungen eine Alternative entgegenzustellen, gleichzeitig aber Fortsetzung der in der Resistenza entstandenen Zusammenarbeit mit Sozialisten, Sozialdemokraten und Kommunisten. Moro lehnte die Politik des von Alcide De Gasperi angeführten Parteiflügels ab, der im Klima des kalten Krieges und unter dem massiven Druck der USA und ihrer Marshall-Plan-Strategie eine konservative kapitalistische Restauration durchsetzte.

      Seit 1946 gehörte Moro der Verfassungsgebenden Versammlung an und war danach bis zu seinem Tod ununterbrochen Mitglied der Abgeordnetenkammer. Er stand fünfmal der Regierung vor, wurde 1948 das erste Mal zum Staatssekretär ernannt, danach mehrmals zum Außenminister und Chef anderer Kabinettsressorts. Für die 1979 anberaumten Präsidentenwahlen galt er als aussichtsreichster Kandidat seiner Partei.

      Moro teilte und unterstützte die politische Haltung seines Parteifreundes Enrico Mattei, eines führenden katholischen Antifaschisten, während der Resistenza Kommandeur einer Partisanenbrigade. Mattei, der die staatliche Energiebehörde ENI aufgebaut hatte, der er ab 1953 als Präsident vorstand, trat entschieden der US-amerikanischen Vorherrschaftspolitik entgegen und stand dem Beitritt in die NATO kritisch gegenüber. Er strebte für Italien eine Jugoslawien ähnliche Position an. Besonders radikaldemokratische Positionen vertrat Mattei in der sogenannten »kommunistischen Frage«, die die USA bereits unmittelbar nach Kriegsende auf die Tagesordnung der italienischen Politik setzten. Ausgehend davon, daß die IKP bereits Anfang der 50er Jahre 22 Prozent Wählerstimmen erreichte, forderte der ENI-Chef öffentlich, die Lösung »der kommunistischen Frage« durch »kraftvolle soziale und ökonomische Reformen herbeizuführen«.

      Die weitere Verfolgung dieses »prokommunistischen Kurses« bedeutete für Mattei 1962 wie 15 Jahre später für Moro das Todesurteil. Am 27. Oktober stürzte der ENI- Präsident mit seinem Privatflugzeug bei Pavia in Norditalien ab und fand den Tod. Jahrzehntelang wurde trotz vorliegender gegenteiliger Beweise die offizielle Version aufrechterhalten, es habe sich um einen Unfall gehandelt. Erst im Ergebnis der 1991 begonnenen Untersuchungen zu Gladio sowie der damit zusammenhängenden Ermittlungen gegen Ex-Premier Andreotti kam heraus, daß Mattei offensichtlich einem Mordanschlag der CIA zum Opfer fiel.

      Gewichtigster Fakt: ein Hauptmann der Leibwache Matteis, der die letzte Inspektion der Maschine vor dem Start durchführte, war Gladio-Offizier. Eine Obduktion der exhumierten Leiche ergab Spuren von Sprengstoff und so den Beweis, daß die Maschine nach einer Bombenexplosion abstürzte. Als der Untersuchungsrichter Giacomo Conte die Ermittlungen wiederaufnahm, stellte er fest, daß auf Weisung des Geheimdienstes SID alle wesentlichen Unterlagen aus dem Dossier über Mattei verschwunden waren. Conte bekam weiter heraus, daß die CIA-Station in Rom über Matteis Tod einen Bericht verfaßt hatte, dessen Herausgabe aus »nationalen Sicherheitsgründen« und da es sich um ein »Staatsgeheimnis« handele, in Washington verweigert wurde.

      Moro blieb in Konsequenz der Übereinstimmung mit Mattei am 4. April 1949 demonstrativ der Parlamentssitzung fern, auf der Italiens Beitritt zur NATO beschlossen wurde. Schon diesen Schritt hat man ihm in Washington nie verziehen. De Gasperi schloß ihn deswegen aus dem Kabinett aus. Viele Politiker hielten Moros politische Karriere für beendet. Aber dieser hatte einen starken Rückhalt in der linken Parteibasis, die noch an den Traditionen der Resistenza festhielt. Während De Gasperi 1953 über seinen proamerikanischen Regierungskurs stürzte und die DC eine schwere Wahlniederlage einstecken mußte (sie verlor über acht Prozent Stimmen), kehrte Moro nach dieser Wahl in die Politik zurück und 1955 in die Regierung.

      Öffnung nach links
      Als die DC 1963 über keine parlamentarische Mehrheit mehr verfügte, setzte Moro seine erste apertura a sinistra, die Öffnung nach links, durch und nahm die 1947 zusammen mit den Kommunisten aus dem Kabinett geworfenen Sozialisten wieder in die Regierung auf. Es war die erste Centro sinistra, linke Mitte, genannte Regierung. Bis 1976 folgten zwei weitere, die Moro anführte. Schon bald stand auch diese Regierungsform ohne Mehrheit im Parlament da, weil die IKP ihre Wählerstimmen von 25,3 Prozent (1963) auf 33,8 (1976) steigerte. Moro steuerte nun seine zweite apertura a sinistra an: die Beteiligung der IKP an der Regierung, zunächst durch Stimmenthaltung, ab März 1978 mit dem Eintritt in die parlamentarische Regierungsmehrheit.

      Moros zweite Öffnung nach links stieß in den USA auf erbitterten Widerstand, der in einer regelrechten Mordhetze gegen den DC-Politiker gipfelte. Als sich Moro 1974 als Außenminister in Begleitung von Staatspräsident Leone in Washington befand, wurde er massiv unter Druck gesetzt. Präsident Ford rechtfertigte unmittelbar vor dem Eintreffen der Italiener auf einer Pressekonferenz unverhüllt die Rolle der Amerikaner beim Militärputsch Pinochets in Chile, der die frei gewählte Regierung des Sozialisten Allende stürzte und den Präsidenten ermorden ließ. Ford wörtlich: »Wir haben dort das getan, was die Vereinigten Staaten tun, um ihre Interessen im Ausland zu verteidigen.« In einer jeglicher diplomatischen Etikette hohnsprechenden Weise wurde die italienische Delegation anschließend mit der Aussage, die Kissinger gerade vor dem Kongreß zur USA-Einmischung in Chile abgegeben hatte, konfrontiert: »Sie machen uns Vorwürfe wegen Chile. Sie würden uns noch härtere Vorwürfe machen, wenn wir nichts tun würden, um die Beteiligung der Kommunisten an der Machtausübung in Italien oder anderen Ländern Westeuropas zu verhindern.« Moro reiste nach diesem Affront gegen seine Politik vorzeitig aus Washington ab.

      Eleonora Moro, die Witwe des ermordeten DC-Führers, sagte im Rahmen der parlamentarischen Untersuchung zum Fall Moro aus, daß ihrem Mann während dieses Staatsbesuches in Washington massiv Konsequenzen für den Fall angedroht wurden, daß er seine Zusammenarbeit mit den Kommunisten nicht aufgebe. »Entweder hören Sie auf damit, oder Sie werden es teuer bezahlen«, habe ihm ein Gesprächspartner, dessen Namen ihr Mann nicht nannte, angekündigt. Ihr Mann habe das so ernst genommen, daß er, nach Rom zurückgekehrt, sein Testament aufgesetzt habe.

      CIA schafft Realitäten
      Der bereits erwähnte Osservatore-Herausgeber Pecorelli schrieb, ein hoher Beamter des Weißen Hauses habe unter Anspielung auf die Ermordung Kennedys geäußert, wenn Moro so weiter mache, werde es auch in Italien »eine Jaqueline geben«.

      Kissinger folgte Moro fast auf den Fersen und war bereits im November wieder in Rom. In einem Interview äußerte er sich unverblümt zur Aufgabe der CIA, die »Realitäten zu schaffen« habe, was der Korrespondent Ray Cline in der New York Times umgehend wie folgt interpretierte: »Ich bin mir so gut wie sicher, daß die verwirrende Situation in Italien durch die Geheimaktivitäten der CIA gelöst werden wird.« Zur Wertung dieser Meinung ist zu ergänzen, daß Cline auf den Gehaltslisten der Company geführt wurde und das dem Geheimdienst gehörende Center of Strategic and International Studies (CSIS) leitete.

      Zu den Studienschwerpunkten des der Georgetown University in Washington angeschlossenen CSIS gehörte, antikommunistische Strategien gegen Moros Koalitionspolitik mit den Kommunisten auszuarbeiten. Zu den einflußreichsten Mitgliedern der subversiven Institution gehörten Ronald Reagan, Alexander Haig, Henry Kissinger und William Colby, letzterer bekannt als langjährigerer CIA- Chef in Rom, später Direktor der Company, leitender Mitorganisator des Putsches gegen Allende.

      In den folgenden Jahren wurden Kissingers Angriffe auf Moro noch schärfer. Er wertete dessen Politik als »äußerst negativ«, nannte ihn den »Allende Italiens«, einen Kommunisten, der »gefährlicher als Castro« sei und »Italien in kommunistische Abhängigkeit« steuere. Zuverlässige Erfüllungsgehilfen hatte Kissinger in den Botschaftern, die er nach Rom schickte. John Volpe (in italienischen Zeitungen nach der Vokabel Colpo, Staatsstreich, als »Mister Colpe« bezeichnet) erklärte offiziell, eine Regierungsbeteiligung der IKP stünde »in grundsätzlichem Widerspruch zur NATO«. Sein Nachfolger Richard Gardner nannte Moro noch nach der Entführung den »gefährlichsten Politiker Italiens«.

      Moros Ziel war jedoch alles andere, als »Italien in kommunistische Abhängigkeit zu steuern«. Wie aus Äußerungen, unter anderem seines Nachfolgers im Amt des Parteivorsitzenden, Flamigno Picoli, hervorging, versuchte er in einer zugespitzten Situation der Blockkonfrontation im Gegenteil, die Lage zu entspannen. So erklärte Picoli: »Ich bin überzeugt, daß, wenn die Wahrheit über die Entführung und Tötung Moros herauskommt, wir entdecken werden, daß er ausgeschaltet wurde, weil er nicht wollte, daß Italien der Schauplatz von Konkurrenzkämpfen geheimer Mächte wird, wie im ersten und zweiten Weltkrieg; er wurde ausgeschaltet, weil er in den letzten drei Monaten in Gesprächen mit Amerikanern und den Russen seine Fähigkeit gezeigt hat, Initiativen zur Herstellung des nationalen Ausgleichs zu ergreifen.«

      Picoli hütete sich damals, seine Gedanken näher zu erläutern, denn das konnte, wie das Schicksal von Anhängern Moros bewies, den Tod bedeuten. Heute greifen kühne Analytiker seine Äußerungen auf. In Polen bahnte sich Ende der 70er Jahre ein Entwicklung an, die man in gewisser entgegengesetzter Weise mit der in Italien vergleichen konnte. Höchstwahrscheinlich schwebte Moro ein Ausgleich dergestalt vor, gegen eine Beteiligung der kommunistischen Opposition in Rom eine solche der Solidarnosc in Warschau auszuhandeln. Das ganze mit einer Lockerung der Beziehungen zur NATO bzw. zum Warschauer Pakt, etwa nach dem französischem Modell der militärischen Nichtintegration, verbunden. Es scheint, daß es mehr ein »no« denn ein »njet« war, das die Sache zum Scheitern brachte.

      Wie Untersuchungen der P2-Kommission des italienischen Parlaments zutage brachten, war man in Washington Moros Neutralitätsplänen schon seit längerem auf der Spur. Auf einer Tagung des eben erwähnten CIA-Instituts CSIS im April 1976 waren sich seine einflußreichen Mitglieder einig, »entschiedener in Italien einzugreifen«, damit das Land über einen Eintritt der Kommunisten in die Regierung nicht den Weg der »Neutralität« zwischen den Blöcken einschlage, in dem dann »die NATO nichts mehr zu sagen« habe und die »sechste amerikanische Flotte« im Mittelmeerraum ihre Positionen verlieren würde. Colby empfahl »raffiniertere Techniken« und eine »Serie von Zwischenschritten zur Kontrolle« der Situation.

      Als Moro im Januar 1978 das Regierungsabkommen mit den Kommunisten schloß, war das für Washington offensichtlich der letzte Anlaß, mit seinen »Eskapaden« Schluß zu machen. Das Komplott gegen den DC-Führer ging in seine Endphase.
      http://www.jungewelt.de/frameit.php?/1998/05-11/012.htm


      (II)
      Der Überfall auf Moro erfolgt an jenem 16. März 1978 etwa zwischen 9 und 9.05 Uhr an der Kreuzung Via Fani/Via Stresa am Rande des kleinen Parks der Villa tre Colli im Nordwesten von Rom. Kurze Zeit nach dem Anschlag fallen im Stadtbezirk des Tatortes für etwa eine Stunde die Telefonverbindungen aus. Das verzögert die Einleitung der Fahndung und hat unter anderem zur Folge, daß Straßensperren teilweise erst eine Stunde nach der Entführung errichtet werden. Zumindest begünstigt dieser Ausfall, daß die Entführer unentdeckt entkommen können. Laut den Ausführungen Mario Morettis erreichten die Brigadisten mit Moro noch vor Ablauf dieser Stunde das vorbereitete Versteck in der Via Montalcini im Südwesten der Stadt (Moretti, Brigate Rosse, S. 161). Später fallen die Telefonverbindungen noch zweimal während Telefongesprächen der Brigadisten mit Zeitungsredaktionen aus, was möglicherweise verhindert, über die abgehörten Leitungen festzustellen, woher die Anrufe kamen.

      Zunächst hält man das für Zufälle. Als jedoch im Mai 1981 die Existenz einer von dem Altfaschisten Licio Gelli bereits Anfang der 70er Jahre gebildeten und mit amerikanischen sowie italienischen Geheimdienstkreisen liierten Geheimloge P2 (Propaganda due) aufgedeckt wird, erscheinen diese wie zahlreiche andere mysteriöse Fakten aus der Fahndung nach den Moro-Entführern in einem anderen Licht. Bei den Untersuchungen der zur P2 eingesetzten Parlamentskommission stellt sich heraus, daß diese zusammen mit der erst zehn Jahre später aufgedeckten geheimen NATO-Truppe Gladio in der Affäre Moro die entscheidenden Fäden zog. So war Mitglied der P2 auch der Generaldirektor der staatlichen Telefongesellschaft SIP, Michele Principe. Ebenso der am Tag der Entführung im Polizeipräsidium diensthabende Offizier, Antonio Esposito.

      Die P2 verfolgte das Ziel, mittels eines kalten Staatsstreichs die IKP auszuschalten und ein diktatorisches Regime rechtsextremen Typs an die Macht zu bringen. Dem stand Moro als der führende Mann der Democrazia Cristiana an erster Stelle im Wege. Unter den ca 2 500 Logenmitgliedern befanden sich 43 Generäle, darunter die gesamte Führungsspitze der Geheimdienste der letzten 30 Jahre, der komplette Generalstab des Heeres, hohe Polizeiführer und Carabinieri-Generäle sowie etwa 400 Offiziere. Die Stationschefs der CIA in Rom hielten für die P2 die Verbindungen zu ihrer Zentrale in Langley. Die Company ließ der Loge monatlich zehn Millionen Dollar zukommen. NATO-Befehlshaber wie General Haig und der damalige US-Außenminister Kissinger förderten die Loge nach besten Kräften.

      Durch den hohen Anteil an Militärs und Geheimdienstlern unter ihren Mitgliedern konnte die P2 den Militär- und Sicherheitsbereich zum großen Teil kontrollieren und beeinflussen. Das wurde im Fall Moro offen sichtbar. Die Untersuchung der Machenschaften der P2 durch eine Parlamentskommission ergab, daß die meisten der mit der Fahndung nach den Moro-Entführern befaßten Beamten Logenmitglieder waren, die die Ermittlungen be- oder auch regelrecht verhinderten.

      Das nimmt nicht Wunder angesichts der inzwischen bekannten Tatsache, daß Giulio Andreotti als die graue Eminenz, der eigentliche Chef der P2 gilt. Während der Entführung entschied er als Ministerpräsident an oberster Stelle über alle Fragen der Fahndung und so letztlich über Leben und Tod Moros. Er überließ ihn der Exekution durch die Brigate Rosse.

      Andreotti wurde bereits durch die Ergebnisse der P2- Untersuchungkommission schwer belastet. Die Sekretärin Gellis, Nara Lazzeroni, sagte aus, daß in der Loge »der eigentliche Chef Andreotti und nicht Gelli war«. Die Witwe des P2-Bankiers Roberto Calvi, als Präsident der Ambrosianobank zu seiner Zeit einer der mächtigsten Finanziers Italiens, bestätigte ebenfalls, daß Gelli in ihrer Gegenwart von Andreotti als dem Mann »über sich« sprach. Calvi wurde im Juni 1982 per Selbstmord umgebracht, nachdem er Enthüllungen über die P2 angekündigt hatte.

      Weitere Aussagen, darunter die des Geheimdienstgenerals Luigi Bittoni, bestätigen Andreottis Chefrolle in der Putschistenloge. Die römische Zeitschrift Europeo hatte übrigens bereits am 15. Oktober 1983 aus den Untersuchungsergebnissen der P2-Kommission des Parlaments geschlußfolgert, daß es sich bei Andreotti um »den wahren Chef der Propaganda due« handelt.

      Andreottis Verbindungen
      Konnte sich Andreotti vor der P2-Kommission des Parlaments noch herausreden, so wurde es mit der 1995 gegen ihn wegen »Beteiligung an einer mafiosen Vereinigung« erhobenen Anklage ernst. In dem Prozeß geht es nicht nur um den Mord an dem Journalisten Pecorelli, den die Mafia im Auftrag Andreottis ausgeführt haben soll (siehe Folge I), sondern generell um die Verflechtung zwischen der »ehrenwerten Gesellschaft« und der P2 und um die Rolle des Ex-Premiers als Kontaktmann. Es sei in der Mafia bekannt gewesen, daß »einer der Kanäle, um an Andreotti heranzukommen, der Weg über die Geheimloge« war. Daß Andreotti dem Unternehmer Gelli in seiner Zeit als Verteidigungsminister lukratrive NATO-Aufträge zuschanzte, dürfte ein vergleichsweise harmloses Delikt sein. Schwerwiegender dagegen, daß er ein aktiver Förderer des P2-Bankiers und eines der damals international größten Finanzmagnaten, Vertrauensmann des Vatikans und der Mafia in einer Person, Michele Sindona, war.

      Als dieser nach seinem Bankrott und lebenslänglicher Verurteilung die »Omerta« brach und über das Geflecht von Mafia und P2 auspacken wollte, wurde er im Gefängnis mit Zyankali vergiftet. Gewichtigster Anklagepunkt war die Anstiftung zum Mord an dem Anwalt Giorgio Ambrosoli, der als Sindonas Konkursverwalter auf dessen Rolle und auf die Andreottis im Geflecht von Mafia und P2 und in diesem Zusammenhang auch auf die Verantwortung des damaligen Ministerpräsidenten für die Ermordung Moros gestoßen war.

      Unmittelbar nach der Entführung Moros kündigte Andreotti in einer von Rundfunk und Fernsehen übertragenen Erklärung an, gegen die Entführer mit »Fermezza« und »Intransigenza« vorzugehen. Die Linie der »unnachgiebigen Härte« bedeutete, daß im Gegensatz zu allen früheren (und späteren) Fällen Verhandlungen mit den Entführern abgelehnt wurden. Auf dieser Linie setzte sich Andreottis P2- Maschinerie in Bewegung. Die in dem von Innenminister Francesco Cossiga gebildeten Krisenstab vertretenen Spitzen von Geheimdiensten, Polizei und Militär gehörten nahezu ausnahmslos der Putschistenloge an.

      Neben diesem offiziellen Krisenstab existierte ein sogenannter Schattenkrisenstab, der die eigentliche Zentrale der Fahndung - besser gesagt: ihrer Verhinderung - darstellte. Wie das Mitglied der P2-Kommission Sergio Flamigni in seinem 1996 in Mailand erschienenen-Buch »Trame atlantiche. Storia della Loggia massonica segreta« (Atlantische Dramen. Die Geschichte der geheimen Freimaurerloge P2) schreibt, habe der Schattenstab präzise das Ziel verfolgt, den offiziellen Ermittlungen, die das Gefängnis Moros ausfindig machen sollten, »entgegenzuwirken und sie auf falsche Spuren zu bringen« (S. 244). Dem Schattenstab gehörten unter anderem der offizielle P2-Chef Licio Gelli, der Leiter des Büros für vertrauliche Angelegenheiten des Innenministeriums, Umberto Federico D`Amato, und der aus Washington eingeflogene Spezialagent Kissingers und Chef der Anti- Terrorismusabteilung des State Department, Steve Pieczenik, an.

      Mit D`Amato und Pieczenik, die beide gleichzeitig auch im Krisenstab Cossigas saßen, hatte die CIA zwei ihrer einflußreichsten Leute in Rom zu sitzen, die die Fahndung in die gewünschte ergebnislose Richtung lenkten. D`Amato hatte mehrere Jahre die zentrale CIA-Station für Europa mit Sitz in Bern, im sogenannten Berner Club, geleitet, der sich in den 70er Jahren emsig mit der Einschleusung von Agenten in linksradikale Organisationen, darunter in die Brigate Rosse, befaßte. Sein Büro im Innenministerium war vorwiegend mit denselben Aufgaben betraut. Pieczenik, der als »Berater« des Innenministers fungierte, vertrat die von Premier Andreotti eingeschlagene Linie »unnachgiebiger Härte« am härtesten und propagierte die von der westdeutschen Bundesregierung ein Jahr vorher im Fall Schleyer praktizierte Haltung als Vorbild: nicht verhandeln, allenfalls hinhalten, Befreiungsaktionen ankündigen, den Tod der Geisel in Kauf nehmen. Er vertrat den Standpunkt, die Fahndung auf keinen Fall »zu forcieren«. Einer seiner »aufmunternden Sprüche« lautete: »Kein Mensch ist für das Leben eines Nationalstaates unentbehrlich.«

      Auf dieser Linie schleppte sich die Fahndung dahin, die von der Parlamentskommission als eine einzige »Paradeschau« charakterisiert wurde. Der Chef des Geheimdienstes SISMI, Giuseppe Santovito, auch er P2- Mitglied, in dessen Dienst ein Gladio-Büro untergebracht war, dem die zur Fahndung eingesetzten Spezialeinheiten unterstanden, konnte während der Befragung durch die Parlamentskommission »rein gar nichts« darüber sagen, was der SISMI zur Aufklärung der Entführung beigetragen habe. Es stellte sich heraus, daß telefonischen Hinweisen auf vier möglicherweise am Überfall beteiligte Brigadisten und auf ein von ihnen benutztes Fahrzeug nicht nachgegangen und dieses erst einen Monat später an die zuständige Spezialeinheit weitergegeben wurde. Einem bereits zwei Tage nach der Entführung eingegangenen anonymen Hinweis auf einen Brigate-Stützpunkt in der Via Gradoli wurde nicht nachgegangen. Lediglich eine Polizeistreife wird vorbeigeschickt, die sich entfernt, als niemand öffnet. Wie sich später herausstellt, hielten sich in der Wohnung Brigate- Chef Moretti und weitere Entführer auf.

      Munition von der P 2?
      Eine Schlüsselrolle bei der Verhinderung einer effektiven Fahndung spielte der die Ermittlungen leitende Staatsanwalt Luciano Infelisi. Zunächst erregte es Erstaunen, daß er in diesem in der italienischen Nachkriegsgeschichte einmaligen politischen Mordfall allein ermittelte. Schon für weniger gewichtige Fälle waren in der Vergangenheit Sonderkommissionen gebildet worden.

      Die Fahndung verdeutlichte sehr rasch, daß Infelisi sich bei seinen »Ermittlungen« nicht in die Karten schauen lassen wollte. In einer Sonderkommission wäre es wahrscheinlich nicht möglich gewesen, die kriminaltechnische Rekonstruktion am Tatort 14 Tage zu verschleppen und erst dann durchzuführen. Dem Staatsanwalt übergebene Fotos, die ein Beobachter am Tatort aufgenommen hatte, verschwanden spurlos. Sie hätten vermutlich zusammen mit aufgefundenen Patronenhülsen darüber Aufschluß geben können, daß auf Moros Eskorte nicht nur ausschließlich von den auf der linken Seite postierten Brigadisten geschossen wurde, wie Moretti erklärt (S. 145 ff.), sondern noch von ein oder zwei Schützen von der gegenüberliegenden Seite. Dafür spricht, daß von den am Tatort gefundenen 92 Patronenhülsen 39 mit einem Speziallack überzogen waren, mit dem die Munition für Gladio-Einheiten präpariert wurde, um sie in Erddepots vergraben zu können. Waren es Gladiatoren, die am Überfall beteiligt waren? War der Gladio-Oberst Gugliemi deshalb zum Zeitpunkt der Entführung am Tatort (siehe Folge I)?

      In diesem Kontext haben Experten schon frühzeitig hervorgehoben, daß das fünfköpfige Begleitkommando mit höchster militärischer Präzision liquidiert wurde. Vier der Leibwächter wurden sofort tödlich getroffen. Nur einem gelang es, seine Pistole zu ziehen und drei Schuß abzugeben, die aber niemanden trafen. Was Moretti über den Hergang schildert, führt die Ergebnisse geradezu ad absurdum. »Übertreiben wir es nicht mit der militärischen Präzision. Mit unseren hochgelobten Fähigkeiten der militärischen Präzision war es nicht so weit her«, erklärt er und erläutert, daß es bei den »BR keine herausragenden Schützen« gab. Vier Brigadisten schossen mit MPi. Eine der verwendeten Waffen war ein Modell »Zerbino« aus der Zeit der faschistischen Salo-Republik. Zwei der Waffen hatten während des Überfalls »Ladehemmung«. Einer der Brigadisten mußte erst »das verklemmte Magazin seiner Maschinenpistole wechseln«, ehe er schießen konnte. Nach dem Überfall hätten die Brigadisten »unter Schock« gestanden (S. 143 ff.).

      Aber vielleicht will Moretti hier auch »verdeckte« Hinweise darauf geben, daß der Überfall sich so gar nicht abgespielt haben kann? Ist doch auch in den meisten Berichten italienischer Zeitungen zum 20. Jahrestag der Entführung gefragt worden, ob die Brigadisten nicht noch immer jemanden decken?

      Im Widerspruch zur verfassungsmäßigen Praxis gab die römische Staatsanwaltschaft die Leitung der Ermittlungen an das Innenministerium ab, wo sie in die Kompetenz des Krisenstabes fielen. Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Claudio Vitalone, der dem widerspruchslos zustimmte, beteiligte sich zusammen mit dem Geheimdienst an einer gezielten Irreführung der Fahndung. Am 15. April wurde eine gefälschte Mitteilung der Brigate Rosse in die Medien lanciert, die besagte, Moro sei getötet und seine Leiche in dem zugefrorenen »Lago della Duchessa« nördlich von Rom versenkt worden.

      Bei Vitalone handelt es sich um einen engen Vertrauten Andreottis, der auch als dessen Rechtsberater fungierte. In dem gegenwärtig laufenden Prozeß gegen Andreotti wegen »Komplizenschaft mit der Mafia« wird gegen Vitalone als Kontaktperson des Ex-Premiers zur »ehrenwerten Gesellschaft« ermittelt. Er wird ferner beschuldigt, Komplize des Richters Corrado Carnevale gewesen zu sein, der im Auftrag Andreottis in Hunderten von Prozessen dafür sorgte, daß angeklagte Mafiosi freigesprochen oder die Verfahren niedergeschlagen wurden. Die gleiche Praxis verfolgte er in zahlreichen Prozessen gegen neofaschistische Terroristen. Im Prozeß gegen den offiziellen P2-Chef Licio Gelli sorgte Carnevale dafür, daß die Anklagepunkte wegen umstürzlerischer Tätigkeit, des Putschversuchs und der Mitgliedschaft in einer bewaffneten kriminellen Vereinigung fallengelassen wurden.

      »Verschwundene« Seiten
      Bis heute ist das Verschwinden eines Teils der Aufzeichnungen, die die Brigadisten von den Gesprächen mit Moro im »Volksgefängnis« machten (es sei kein Verhör gewesen, erklärt Moretti) sowie einer Denkschrift des DC- Führers (Moretti, S. 171 ff.) nicht geklärt. Den Tod vor Augen, hatte Moro sich, soweit bekanntwurde, in zwar verschlüsselter, aber informierten Politikern durchaus verständlicher Weise zur Einmischung der USA in die italienische Politik, darunter zur Spannungsstrategie, zu den Staatsstreichversuchen in den 60er und 70er Jahren und der Verwicklung der Geheimdienste in diese, zu Gladio wie auch zu den Beziehungen Andreottis zu Mafia-Kreisen geäußert. Moro sprach auch an, ob die Ablehnung von Verhandlungen mit den Brigate Rosse durch die Regierung Andreotti in seinem Fall einer Forderung der Amerikaner und Gladio entspreche.

      Einen Teil der Aufzeichnungen Moros fand man im Oktober 1978 bei einer Razzia in Mailand in einem Brigate- Stützpunkt in der Via Monte Nevoso, den Rest der Notizen bezeichnenderweise erst 1990 im Rahmen der Ermittlungen über Gladio in derselben Wohnung, die die ganzen Jahre nicht vermietet worden war, hinter einer Mauer versteckt.

      Sowohl 1978 als auch 1990 wurden die Aufzeichnungen Andreotti übergeben, der seit 1989 wieder das Amt des Ministerpräsidenten innehatte. Er ließ beide Male die brisantesten Teile, besonders die ihn belastenden, verschwinden. Nachdem mutige Juristen, an ihrer Spitze der Untersuchungsrichter Felice Casson, schon ab 1989 die Existenz von Gladio enthüllt hatten, trat Andreotti im Oktober 1991 die Flucht nach vorn an und »informierte« über die geheime NATO-Truppe. Er versuchte allerdings, wo es nur irgend ging, zu verharmlosen und auch einfach die Tatsachen zu leugnen und behauptete, die Gladio- Angehörigen seien »ausgewählte verfassungstreue«, »politisch nicht gebundene« und »in keine Verfahren involvierte« Männer. Andreotti ließ sich die betreffenden Unterlagen übergeben und aus dem Dossier wieder einmal zwei Seiten verschwinden. Wie angenommen wird, über seine Rolle, auch im Mordfall Moro.
      http://www.jungewelt.de/frameit.php?/1998/05-12/008.htm

      gilly. welche innenpolitischen konsequenzen dies für europa hat, sollte überlegt werden. die betrachtung der historie könnte hilfreich sein. zudem: nach den aussagen berlusconis zu den demonstranten von genua, nach bushs kategorien von gut und böse dürfen wir gespannt sein, ob das alles ist. wie offenkundig ist, hat nicht nur berlusconi seine möglichkeiten genutzt, um protestbewegungen mit kriminellen mitteln und seinem einfluss auf die medien ins gesellschaftliche abseits zu rücken. wie in russland mit kritischen journalisten verfahren wird, dürfte bekannt sein. welche rolle die mafia in neuen raubkapitalismus russlands spielt, kann man nur vermuten. welche (sprach-)"regelungen" in zukunft für kritiker der neuen weltordnung gefunden werden, die sich nicht davon abhalten lassen, auf gefährliche gesellschaftliche entwicklungen hinzuweisen, werden wir erleben.

      ganz abgesehen von asien. welche entwicklungen werden zum beispiel die chinesen aufgrund dieser allianz befürchten? welche schlussfolgerungen daraus ziehen?
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 09:40:01
      Beitrag Nr. 31 ()
      ein weiteres buch wírd vorgestellt:

      GEHEIMDIENSTE - Klaus Steininger
      Mit einem Vorwort des ehemaligen Top-Agenten Rainer Rupp

      Die Central Intelligence Agency, gegründet im Morgengrauen des Kalten Krieges, kennt unter der Abkürzung CIA wohl jedes Kind. Weniger bekannt sind die Aktivitäten der anderen US-Geheimdienste. Sie alle haben im Kern dieselbe Aufgabe und dasselbe Ziel: den Einfluss der USA in aller Welt zu sichern. Die Liste der unerklärten Kriege, Umstürze und Sabotageaktionen gegen fremde Staaten ist lang und hinterlässt eine blutige Spur rund um den Globus. Dennoch ist die Erfolgsbilanz dieser gigantischen Apparate, denen zusammen pro Jahr fast dreißig Milliarden Dollar zur Verfügung stehen, ziemlich mager.

      Mit großer Sachkenntnis gibt der Autor Einblick in Methoden und Umfeld der wichtigsten US-Geheimdienste, die ihre unheimliche Macht auch gegen die eigene Bevölkerung entfalten und sich seit Jahrzehnten als unkontrollierbarer Staat im Staate gebärden.

      256 Seiten - Paperback - DM 34,90 - ISBN 3-88520-720-6


      Vorwort des ehemaligen Top-Agenten Rainer Rupp
      Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Politischen Abteilung der NATO in Brüssel hatte ich oft mit Mitarbeitern von CIA und DIA zu tun. Einige waren auch für längere Zeit von ihren Mutterorganisationen zur regulären Arbeit in der NATO deligiert, andere kamen regelmäßig zu den sogenannten Expertentreffen der verschiedenen NATO-Komitees, bei denen die neusten nachrichtendienstlichen Erkenntnisse und Einschätzungen über wirtschaftliche, technologische, politische und militärische Entwicklungen in der UdSSR und in den anderen Staaten des Warschauer Vertrages diskutiert und zusammengefaßt wurden. Anders als die Mitarbeiter vm BND, die selbst bei solchen Treffen ihr oft belächeltes Geheimdienstspielchen treiben mußten und unter falscher Identität auftraten - meist kamen sie angeblich von einem der Bonner Ministerien -, bekannten sich ihre amerikanischen Kollegen und Kolleginnen ganz offen zu ihrer Herkunft und verteilten nicht selten Visitenkarten, auf denen in goldenen Lettern CIA mit ihrem Namen, Adresse und Telefonnummer stand. Und bei meinen regelmäßigen Besuchen in Washington ließ ich keine Gelegenheit aus, meinen Kollegen in Langley und im Pentagon einen Gegenbesuch abzustatten. Oftmals traf man sich dann noch abends privat zu Hause oder in einem der vielen und interessanten ethnischen Restaurants in Georgetown, wo fast alle Küchen der Welt vertreten sind.

      In den meisten Fällen handelte es sich bei den CIA-Mitarbeitern, die ich persönlich kennengelernt habe, um gewandte, in Gesellschaft angenehme Menschen mit hervorragender akademischer Ausbildung, die - wie mir schien - auch nach ihrem Persönlichkeitsprofil sorgfältig ausgesucht waren. Der oft erhobene öffentliche Anspruch der CIA, daß "America`s best and brightest", also die Besten und Gescheitesten des Landes, bei Ihr arbeiten, schien sich auf den ersten Blick zu bestätigen. Und nicht selten fand ich früherer CIA-Mitarbeiter im Stab von Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhauses, die die CIA erfolgreich als Sprungbrett in die Politik benutzt hatten. In der Öffentlichkeit malte die CIA gerne an diesem zivilen Bild von sich und ihren hervorragenden Mitarbeitern, die sich nicht zu verstecken brauchten und auch in für jedermann zugänglichen Konferenzen durch ihr Wissen brillierten, wobei sie sich unbekümmert als Angehörige der CIA ausgaben: ein demokratischer Geheimdienst in einem demokratischen Land, dessen Arbeit auf solider, akademisch fundierter und nüchterner Analyse beruht.

      Aber die janusköpfige CIA hat noch ein anderes Gesicht, ein häßliches und schmutziges, daß sorgfältig vor der Öffentlichkeit verborgen wird. Es ist die Welt der "covert operations", der verdeckten Operationen, deren verbrecherische Machenschaften hin und wieder bloßgelegt werden, von denen man aber bisher höchstens die Spitze des Eisbergs gesehen hat. Was im Rahmen solcher verdeckter Operationen bisweilen ans Tageslicht kam, war oft so unglaublich, daß es zu Zeiten des Kalten Krieges ein Leichtes war, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, die Vorwürfe seien nur kommunistische Propaganda.

      Aber seit Ende des Kalten Krieges ist die Welt auch für die CIA rauher geworden. Viele der oft haarsträubenden Geschichten sind mittlerweile in Papieren des Kongresses dokumentiert und weithin bekannt geworden. Auftragsmord, Folter, Sabotage und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der CIA und ihrer verdeckten Operationen. Sie haben auch in den USA den mächtigsten Geheimdienst der welt nachhaltig in Verruf gebracht. Aber selbst das schöne Bild von der nüchternen analytischen Tätigkeit der CIA ist trügerisch und wird nun - leider viel zu spät - unter die Lupe genommen. Dabei wird kritischen Beobachtern klar, daß die CIA-"Erkenntnisse" meist nur dazu dienten, die außenpolitische Linie der jeweiligen Regierung in Washington "wissenschaftlich" zu stützen, oft wider besseres Wissen der CIA-Analytiker selbst. Persönlich habe ich einige Kehrtwendungen von CIA-Einschätzungen während meiner Zeit bei der NATO erlebt. Was gestern noch mit viel "Wissenschaftlichkeit" als unumstößliche Wahrheit verkauft wurde, galt heute schon nicht mehr. Mit genau so viel "Wissenschaftlichkeit" wurde nun das Gegenteil bewiesen. Notfalls flog man dafür Dutzende von Experten nach Brüssel ein, um die NATO-Partner in den Komitees von der neuen Linie zu überzeugen. Weder vom Personalaufwand noch vom Grad der Spezialisierung der experten konnten die anderen NATO-Staaten diesen massiven amerikanischen Einsatz mit Vergleichbarem kontern. Das Resultat: Die Meinung der Amerikaner setzte sich meist in den gemeinsamen NATO-Dokumenten durch. Das besagte jedoch nicht, daß die Stichhaltigkeit der amerikanischen bzw. der CIA-"Erkenntnisse" von den Europäern nicht weiterhin in Zweifel gezogen wurde, besonders dann, wenn deren Kongruenz mit der neuen politische Linie in Washington allzu offensichtlich war. So verlor die CIA nach und nach innerhalb der NATO an Glaubwürdigkeit, weil man nie genau wußte, welche neue "Erkenntnis" politisch motiviert und manipuliert war und welche auf reinen Fakten basierte.

      Nicht zuletzt litten die CIA-Analytiker selbst unter dieser wissenschaftlichen Unredlichkeit. Und nicht selten schütten sie ihr Herz aus, wenn man dieses Problem abends bei einem Glas Wein zur Sprache brachte. Auftragsstudien müßten sie schreiben, wobei das Ergebnis bereits von Anfang an durch die Politik vorgegeben sei, ohne jede Rücksicht auf die Fakten. Das war eine Klage, die ich oft zu hören bekam. Etliche sind dabei zu Zynikern geworden, die einfach ihren Job machten und taten, was von ihnen verlangt wurde. Sie verdienten ihr gutes Geld, der Rest war ihnen egal. Andere fühlten sich in ihrem wissenschaftlichen selbstverständnis zutiefst verletzt und suchten sich eine neue Arbeit. So traf ich z.B. zwei ehemalige CIA-Analytiker später als Mitarbeiter von Kongreßabgeordneten wieder. Sie taten sich nun als scharfe Kritiker der CIA und deren Methoden hervor.

      Im Laufe des Kalten Krieges haben die von der US-Regierung vorgegebenen Auftragsstudien der CIA wesentlich dazu beigetragen, die aggressive Politik washingtons gegen das sozialistische Lager durch ein regelrechtes lügengebäude über die sowjetischen militärischen und militär-technologischen Kapazitäten und Intentionen zu zementieren. Über Jahrzehnte hinweg wurden so durch Falschinformationen und Übertreibungen die sowjetische Bedrohung als existenzgefährdent dargestellt, die amerikanische bevölkerung auf einen antikommunistischen kreuzzug eingeschworen und der Kongreß dazu motiviert, immer höhere Rüstungsausgaben zu bewilligen. Mit der Zeit entwickelte dieses komplizierte Blendwerk, an das alle glauben wollten, eine eigendynamik, denn schließlich hingen wichtige Wirtschafts- und Forschungszweige und ein großer Teil des militärisch-industriellen Komplexes vom fortbestand der "sowjetischen Bedrohung" und "Überlegenheit" ab.

      Die Eckpunkte dieses Bedrohungsszenariums waren immer wieder neue "Lücken", die die CIA "entdeckte". Zuerst war es die Bomberlücke, wonach die UdSSR bedeutend mehr Langstreckenbomber aks die USA hatte, eine Lücke, die unbedingt geschlossen werden mußte und die zu einem riesigen Rüstungsprogramm für die US-Luftwaffe führte. Als dann der Sputnik im Weltraum piepte, wurde die Raketenlücke entdeckt. Danach kam die Sprengkopflücke (Nuklearsprengköpfe für Raketen). Und schließlich folgte, ganz allgemein die Lücke bei den Rüstungsausgaben. Dazwischen lagen viele kleine Lücken in Teilbereichen, die immer wieder Anlaß zum Auflegen von neuen Rüstungsprogrammen in den USA gaben und die UdSSR zwangen nachzuziehen. Mittlerweile weiß jedes Kind, daß die meisten dieser Lücken frei erfunden waren, und das wird auch ganz offen eingestanden, nachdem der Zweck erreicht wurde. Die Sowjetunion hat sich zu Tode gerüstet und ist von der Bühne der Geschichte abgetreten. In den USA hat die Industrie an den riesigen Rüstungsprogrammen enorm verdient, und heute steht Amerika unangefochten als einzige Supermacht da. "Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg", wie die Amerikaner sagen.

      Mancher Leser im Westen wird sich noch an die alljährliche Horrormeldungen in den Medien erinnern, wenn die CIA ihre jeweils neuesten Schätzungen sowjetischer Verteidigungsausgaben veröffentlichte. Alarmierend wurde stets darauf hingewiesen, daß die UdSSR dafür mehr ausgebe als die USA und die übrigen NATO-Länder zusammen. Und natürlich wurden schnell die entsprechenden Schlußfolgerungen gezogen, denn nur die bösesten aller Absichten konnten solche gigantischen Ausgaben für das Militär rechtfertigen. Hätte man sich die Mühe gemacht, die Annahmen zu analysieren, auf denen diese Schätzungen basierten - ein Unterfangen, das leicht möglich gewesen wäre, denn die Annahmen wurden im Originaldokument der CIA mitveröffentlicht -, hätte man leicht feststellen können, welch ein Humbug hier der internationalen Öffentlichkeit aufgetischt wurde. Aber selten gab sich jemand die Mühe, das kleingedruckte zu lesen, zumal die CIA-Schätzungen viel zu gut in das gewünschte politische Gesamtbild paßten.

      Der Trick, mit dem die sowjetischen Verteidigungsausgaben ins schier Unermeßliche hochgejubelt wurden, bestand in der von der CIA angewandten und im Kleingedruckten beschriebenen "Dollar-costing"-Methode. Dabei stellte sich die CIA die Frage, was es die USA kosten würde, die Sowjetarmee mit allem Drum und Dran in Amerika zu reproduzieren und zu unterhalten, wohlgemerkt zu amerikanischen Löhnen und Preisen. Nehmen wir z.B. den Personalbestand der Sowjetarmee. Deren Zahl und Struktur (Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere) kannte man mehr oder weniger. Entsprechend ihres Dienstgrades wurden nun den sowjetischen Soldaten fiktive US-Freiwilligengehälter bezahlt, minus 25 Prozent wegen der angeblich geringeren Bildung der Sowjetsoldaten - eine Annahme, über die so mancher europäische NATO-Mitarbeiter laut lachte. Folglich kam die CIA zu enorm hohen Dollarkosten allein für das Personal der Sowjetarmee, das viel größer war als das der USA. Das Ganze hatte denn auch noch den angenehmen Nebeneffeckt, daß jedes Mal, wenn die amerikanischen Soldaten eine Gehaltserhöhung bekamen, die sowjetischen "Ausgaben" in Dollar entsprechend überproportional stiegen. Erreicht wurde durch diese Methode aber, daß allein dieser sowjetische "Ausgabeposten" zeitweilig höher war als die gesamten Verteidigungsausgaben der USA.

      Bei der Schätzung der Kosten für sowjetische Waffensysteme ging die CIA ähnlich vor. Man kannte einigermaßen die Zahl der Großsysteme und machte - soweit man sie nicht kannte - Annahmen über ihre technologischen Konfigurationen. Damit ging man dann zu Vertretern der amerikanischen Rüstungsindustrie und fragte, was es kosten würde, entsprechende Systeme (Flugzeuge, Panzer, Raketen usw.) mit diesen und jenen technischen Spezifikationen in den USA herzustellen. Bei der Beantwortung dieser Fragen schnitt sich die amerikanische Rüstungsindustrie natürlich nicht in den eigenen Finger und setzte bei ihren Schätzungen entsprechend hoch an, sonst wären Fragen, warum ihre eigenen Systeme so viel teurer seien, nicht ausgeblieben. Bei den anderen sowjetischen Ausgaben, wie z.B. militärische Forschung und Entwicklung sowie Testen und Auswerten, verfuhr man bei der Dollar-Kosten-Schätzung der CIA noch mehr nach der Methode "pi mal Daumen". Als Ergebnis konnte die CIA dann jedes Jahr von neuem mit erschreckend hohen sowjetischen Rüstungsausgaben aufwarten, was seinen politischen Zweck erfüllte.

      Ganze Heerscharen hochqualifizierter Fachleute beschäftigte die CIA mitr der jährlichen Fortschreibung ihrer Schätzung der sowjetischen Verteidigungsausgaben, trotz zunehmender Kritik auch aus den eigenen Reihen über deren Aussagekraft. Aber während es in den USA wenigstens noch einige kritische Stimmungen gegen diese methode gab, wurden die CIA-Zahlen von deutschen Medien und Politikern in Bonn so gut wie unbesehen übernommen und entsprechend propagandistisch verwertet. Als ich im "NAT0-Brief" Anfang der 80er Jahre eine scharfe Kritik an der wissenschaftlichen Unredlichkeit dieser "Dollar-costing" Methode publizierte, wurde ich von vielen Seiten angegriffen. Herzlich gratuliert hat mir dazu, wenn auch nur in einem persönlichem Gespräch, ein CIA-Mitarbeiter, der selbst auch noch in leitender Funktion an dieser Methode arbeitete.

      Geboren im Morgengrauen des Kalten Krieges, feierte die CIA am 26. Juli 1997 ihren 50. Geburtstag. Abgesehen von den Propagandaerfolgen mit der Erfindung der "rüstungslücken" und trotz eines sorgfältig aufgebauten Mythos` kann die reichste und größte Spionageorganisation der Welt kaum auf nachrichtendienstliche Glanzleistungen zurückblicken. Dagegen kam sie immer wieder wegen mißlungener verdeckter Operationen ins Gerede. Viele davon endeten im Desaster. Auf die Regierungsumstürze und Subversionsmaßnahmen nebst Mord und Totschlag und auf die Hilfe für faschistische und autoritäre Regimes zur Unterdrückung der Bevölkerung und linker Bewegungen kann die CIA gewiß nicht stolz sein, wenn sie dort auch ihre größten "Erfolge" zu verbuchen hatte. Gegen ihren Hauptfeind, die UdSSR, hat sie nachrichtendienstlich glatt versagt, während sie umgekehrt immer wieder peinliche und schmerzhafte Schlappen einstecken mußte, wenn wieder einmal festgestellt wurde, daß sie bis in die sensibelsten Stellen vom KGB ausgeforscht worden war.

      Die Liste der unerklärten Kriege, Umstürze, Sabotage- und Subversionsakte gegen fremde Staaten, die die CIA im Laufe ihrer unseligen Existenz durchgeführt hat, ist lang und hinterläßt eine blutige Spur rund um den Globus. Indonesien, Iran, Kongo, Laos, Chile und Nicaragua sind nur einige Beispiele, die man nennen müßte. Die Zahl der Opfer, für die die CIA direkt und indirekt verantwortlich ist, geht in die Millionen. Man denke nur an die Massenmorde an Kommunisten in Indonesien. Demokratisch gewählte Regierungen, die den USA aufgrund ihrer linken Orientierung während des Kalten Krieges nicht genehm waren, wurden entweder auf Geheiß oder mit aktiver Unterstützung der CIA gestürzt, ihre Anhänger gefoltert, ermordet oder verschleppt. Und wenn eine Marionette den USA zu eigenständig wurde, organisierte man einen Coup, um den Betreffenden durch einen gefügigeren Strohmann zu ersetzen.

      Allerdings wäre es falsch, die Schuld für all das allein der CIA in die Schuhe zu schieben. Die CIA ist kein Apparat, der im Vakuum operiert, jenseits jeglicher Regierungskontrolle. Der Amerikaner und ehemalige CIA-Mitarbeiter Tom Bramer, der z.Zt. in Brüssel lebt, unterstrich im Juli 1997 in der "International herald Tribune", daß jeder Plan der CIA für eine verdeckte Operation im Nationalen Sicherheitsrat der USA heiß debattiert und auch schon mal modifiziert wird. Der endgültige Plan muß dann vom US-Präsidenten und zumindest vom "Select Intelligence Committe" des Senats abgesegnet werden. Wenn auch die CIA für ihre oft bewiesene Inkompetenz bei der eigentlichen nachrichtendienstlichen Arbeit ganz allein die Schuld trägt, so sind ihre Operationen nichts anderes als ein Instrument der amerikanischen Regierung zur Durchsetzung ihrer Außenpolitik mit anderen Mitteln.

      Nach bürgerlichen Rechts- und Moralvorstellungen hätten die CIA und mit ihr die Verantwortlichen in der amerikanischen Regierung für viel ihrer verdeckten Operationen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt werden müssen, wenn in den westlichen Gesellschaften nicht diese erschreckende Heuchelei und Doppelmoral herrschen würden. Sie halten auch in unserem Land Politiker und Medien davon ab, ein Verbrechen als Verbrechen zu bezeichnen, wenn es von dem Großen Bruder jenseits des Atlantiks begangen wird. So verurteilten die westlichen Länder unter Führung der USA einhellig die sogenannten Schurkenstaaten Iran, Irak, Syrien und Libyen, weil sie Terroranschläge unterstützen. Diese schrecklichen Anschläge auf Leib und Leben unschuldiger Menschen sind in der Tat durch nichts zu entschuldigen oder zu relativieren. Aber wird dabei nicht vergessen, daß an dem außenpolitischen Instrument der US-Regierung, genannt CIA, mehr Terrorblut klebt, als bei allen Anschlägen der "Schurkenstaaten" geflossen ist?

      Wenigstens eine kritische Distanz könnte man erwarten. Statt dessen pflegen Bonn und Pullach enge und freundschaftliche Beziehungen mit der CIA. Dabei ist dem Schild und Schwert der amerikanischen Wirtschaftsinteressen kein Mittel schäbig und keine verdeckte Aktion heimtückisch genug, wenn es darum geht, ihre Interessen durchzusetzen. Auf diesem Auge blind, versuchte das westdeutsche Establishment viel lieber, den Auslandsnachrichtendienst der DDR, die HVA, und deren Mitarbeiter zu kriminalisieren. Aber trotz intensiver Suche der westdeutschen Strafverfolger - und im Unterschied zu denen anderer Staaten sind die Akten der DDR nun offen - konnte kein Blut an den Händen der HVA gefunden werden. Allerdings waren die westlichen Geheimdienstexperten erstaunt, mit welch bescheidenen finanziellen Mitteln die HVA zurechtgekommen war, obwohl sie allgemein zu den effektivsten und erfolgreichsten Nachrichetendiensten der Welt gerechnet wurde.Dafür mag es viele Gründe gegeben haben. Mit dazu beigetragen hat sicherlich der hohe Anspruch, den offizielle und inoffizielle Mitarbeit der HVA an sich selbst und ihre Weggefährten gestellt haben, waren sie doch davon überzeugt, durch ihren Einsatz der Sicherung des Friedens und der Stärkung des Sozialismus zu dienen.

      Von einer ganz anders motivierten Geheimdienstarbeit ist im vorliegenden Buch Dr. Klaus Steinigers die Rede. Er berichtet über Dilettanten und Verbrecher im Sold der amerikanischen Regierung; über das Scheitern der nachrichtendienstlichen Arbeit gegen den Hauptgegner Sowjetunion und die kaltschnäuzige Wildwestmanier, mit der die CIA völkerrechtswidrig Nicaraguas Häfen verminte; über die Mordpläne gegen Fidel Castro bis hin zur "atemberaubenden Inkompetenz von Amerikas Top-Spionageorganisation" (New York Times) im Golf-Krieg gegen den Irak. Ungeschönt und ungeschminkt gibt der Autor Einblick in Methoden und Umfeld nicht nur der CIA, sondern auch der anderen amerikanischen Geheimdienste, denen zusammen jährlich fast 30 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen, um ihre unheimliche Macht zu entfalten.

      Rainer Rupp
      http://gib.squat.net/texte/geheimdienste.html
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 13:10:32
      Beitrag Nr. 32 ()
      Dieser gute Thread gehört nach oben.
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 13:31:44
      Beitrag Nr. 33 ()
      @DT,
      sehe ich auch so;

      nur eine kleine Pause zwischen den Kapiteln
      wäre für eine Zwischendiskussion der Materie hilfreich..;)

      ..sofern man ..darüber .. diskutieren kann..:rolleyes:

      mfg
      Gilly
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 14:48:39
      Beitrag Nr. 34 ()
      galtung war im board nach dem 11.9. schon mal thema. an die kommentare von einschlägig unbelasteten entsinne ich mich mit schaudern. dieser vortrag von ihm, am 2.10.2001 gehalten, erscheint mir so wertvoll, dass ich ihn hier dokumentieren möchte.


      Johan Galtung: Eine Vergeltungskette - und was tun wir dann?
      Professor Johan Galtung ist norwegischer Friedensforscher und Träger des alternativen Friedensnobelpreises.

      (Bandabschrift seines Vortrages, nachbearbeitet v. R. Frankl)


      Alle bedauern wir, was eingetroffen ist. Nach so einem Ereignis versucht man zu verstehen - dazu haben wir Rationalität - und wir versuchen jetzt diese Rationalität zu benutzen.

      Ich glaube zwei Worte sollte man ganz einfach aus unserem Vokabular streichen: das erste ist "Terrorist" und das andere ist "böse". Nicht, dass sie nicht böse sind, aber es gibt ganz viele böse Leute auf der Erde und die meisten, die böse sind, verstehen sich nicht selber als böse, sondern haben eine Botschaft. Ich möchte gern diese Botschaft verstehen.

      "Terrorist" ist die moderne Fassung von Satan. Und ich glaube, ein sogenannter Terrorist ist man ohne Grund. Dieser Mensch hat keine Rationalität und es gibt keine Ursache für sein Handeln, mit Ausnahme einer Ursache: dass er ganz einfach böse ist. Woher man das im Westen nimmt ist ganz klar: von Satan. Also Satan als Archetyp, Satan als Modell. Und damit setzt das Denken aus. Was klar ist, Terrorismus wurde als Strategie benutzt, sein Überraschungsmoment: Zeit und Ort unvorhersehbar. Dazu kommt wie es die Amerikaner nennen "collateral damage", sehr viele getötete Zivilisten. In diesem Sinn war es Terrorismus, aber eben nur im strategischen Sinne.

      Und jetzt werde ich meine Rede versuchen in drei Punkte zu gliedern: Diagnose - Prognose und Therapie. Diese Einteilung kommt aus der Medizin. In der Friedensforschung sollten wir sie auch anwenden. Am Ende meiner Reden sollten wir in die Diskussion einsteigen.

      Lassen Sie mich mit einem kleinen Bild beginnen: Es gab eine Umfrage von Gallup, so etwa zehn Tage nach dem Angriff. Ich weiß nicht, ob diese in Deutschland veröffentlicht ist, weil sie ganz im Gegensatz zur Regierungslinie steht. Die Befragten in 37 Ländern hatten zwei Möglichkeiten zur Antwort: ein großer Militärschlag als Vergeltung oder ein Eingreifen, um die Schuldigen zu finden, vor einen Gerichtshof zu bringen und Gerechtigkeit zu üben. Es gab nur zwei Länder, die die erste Lösung befürwortet haben, das waren Israel mit 77% und die Vereinigten Staaten mit 54%. Für die anderen waren es im Allgemeinen 20% oder weniger für den Militärschlag und 80% oder mehr für ein Eingreifen, wie man es tut, wenn eine kriminelle Handlung vorliegt. Das Land in Europa mit der höchsten Zustimmung für den Militärschlag war Frankreich, Deutschland hatte sehr viel weniger. Also diese Idee von den Regierungen, dass wir irgendwelche Sachen von Seiten der amerikanischen Regierung zustimmen werden hat nicht die Zustimmung der Öffentlichkeit. Ich sehe das als sehr wichtig und sehr hoffnungsvoll, weil ich glaube es wird sich jetzt eine Nord-Süd-Friedensbewegung entwickeln und zwar im großen Maßstab. Aber zu dieser Schlussfolgerung komme ich ein wenig später.

      Diagnose
      Was ist es denn eigentlich, das eingetroffen ist? Ich glaube, es kann kein Zweifel geben: es war Vergeltung. Und warum gegen die Vereinigten Staaten? Weil die Vereinigten Staaten selber ganz klar gesagt haben: "Wir haben eine führende Rolle in der Welt." Wenn man das publiziert, es immer und immer wieder wiederholt, könnte es sein, dass Menschen daran glauben. Es könnte auch sein, dass es nicht so klug ist, dass immer zu wiederholen. Ich ziehe diese Schlussfolgerung aus einem Text, der von den Attentätern stammt - kein Brief.

      Der Text richtet sich gegen zwei oder möglicherweise drei Gebäude: gegen das ökonomische Amerika, gegen das militärische Amerika und - wenn man die Nachricht von den drei Autobomben vor dem State Departement einbezieht - gegen das außenpolitische Amerika. Es war nicht die Rede vom demokratischen Amerika. Das wäre der US. Congress gewesen. Das Gebäude ist sehr groß, weithin sichtbar. Auch nicht das kulturelle Amerika. Also kein Denkmal, wie Arlington Cemetary, Lincoln Memorial, Museum of Modern Art, Cathedrals usw. Das überhaupt nicht. Der Text richtete sich auch nicht gegen das christliche Amerika. Es richtete sich gegen das ökonomische und das militärische Amerika.


      Die Vereinigten Staaten unterhalten heute, zehn Jahre oder mehr nach dem kalten Krieg, Militäreinrichtungen - 800 davon in den meisten Ländern auf der Erde, 800! Sie beherbergen die Organisationen, die die Instrumente sind für die ökonomische Machtausübung, ich könnte sagen, die Globalisierung. Was kommt dabei heraus, wenn man ökonomische Macht und militärische Macht zusammenschlägt? Ja, da kommen eine Menge von Sachen. Und leider müssen wir diese Liste ganz kurz aufrollen. Es gibt ein Buch darüber, von einem Amerikaner, William Bloum (?), und ich habe hier nur ein Inhaltsverzeichnis, als eine Andeutung. Ich werde es nicht wörtlich zitieren. Ich sage nur, dass das interessant ist, dass man in unseren Ländern fast Spezialist sein muss, um diese öffentlich bekannten Tatsachen zu kennen. Sie sind in der Dritten Welt und in der islamischen Welt ganz gut bekannt - nicht alle. Hier eine Liste von Ländern in die das Militär eingedrungen ist, oder die bombardiert wurden, entweder direkt von den Vereinigten Staaten oder indirekt: Guatemala, Honduras, El Salvador, Dominikanische Republik, Nikaragua, Panama, Kolumbien, Peru, Equador, Bolivien, Chile, Argentinien, Paraguay, Uruguay, Brasilien, Kuba, Grenada, Kongo, Angola, Mosambik, Somalia, Libyen, Palästina, Libanon, Südirak, Iran, Afganistan, Vietnam, Kambodscha, Laos, Indonesien, Nord-Korea, Süd-Korea, Bosnien, Kroatien, Kosovo, Mazedonien - und dort hört es heute auf. Ich habe also direkt oder indirekt gesagt. Diese Liste ist lang. Ich schätze sie umfasst ungefähr 11 Millionen Tote. Jeden Tag sterben 100.000 an Fehlernährung. Man nennt das "Globalisierung", ich würde die Vokabel "Monetarisierung" einführen dafür, dass fast alles monetarisiert ist, dass die informelle Wirtschaft nicht funktioniert: so gibt es z.B. 1,7 Milliarden mit weniger als einem Dollar Einkommen pro Tag, davon kann man nicht viel kaufen. Man kauft eine Zigarette, eine Flasche Coca-Cola, um die Leiden des Hungers zu verringern, und man stirbt.

      Diese Liste ist eine sehr, sehr, muss ich sagen, unerfreuliche Liste, und es ist fast unfassbar, dass das alles tatsächlich passiert ist. Ich schätze 500 Millionen auf der Erde hassen die Vereinigten Staaten. Und ich nehme jetzt als Ausgangspunkt die 6 Millionen, die nach Angaben von CIA-Dissidenten von der US-amerikanischen CIA getötet wurden: das waren Kleinbauern, die versuchten Kooperativen einzuführen. Und Gewerkschaftler. Leute von "unten", die versuchten sich zu verteidigen. So sag ich also ganz einfach, der Konflikt ist ein Klassenkonflikt, ein Klassenkonflikt zwischen reichen und armen Ländern, zwischen reichen und armen Leuten. Und ich sehe vier Phasen seit dem zweiten Weltkrieg.

      Erste Phase: die koreanische Nation wollte sehr gern vereinigt sein; es war nicht eine Frage von Nordangriff auf Süd. Das war unsere Konstruktion. Es gab Bestrebungen auf beiden Seiten. Da war eine japanische Kolonie und die beiden Supermächte haben die Teilung gemacht, nicht nur die Vereinigten Staaten. Die Konstruktion war, etwas so natürliches, dass man gern zusammenleben möchte, als Kommunismus zu verstehen.

      Dann, die zweite Phase: Kleinbauern in Südostasien, nicht nur Vietnamkrieg, sondern Indonesien. Sagen wir 1 ½ Millionen in Korea getötet, vielleicht 3 Millionen in Vietnam, vielleicht 1 Million in Indonesien. Das war die zweite Phase. Das Buch darüber hat der Hauptarchitekt des Krieges geschrieben: Robert McNamara. Ein Buch völlig gegen den Krieg. Und dann hat man also McNamara gefragt, aber warum hast du das nicht gesagt, als du Verteidigungsminister gewesen bist ? Und er hat gesagt, es hat ein wenig gedauert, um das alles zu verstehen.

      Kommt die dritte Phase: das waren meistens marxistische Studenten, lateinamerikanische Studenten im Zusammenschluss mit Kleinbauern und Kleinarbeitern. Ein Beispiel davon war Salvador Allende. Wir reden über den 11. September 2001. Das stimmt. 28 Jahre vorher gab es den 11. September, 1973. Das war das Werk der Vereinigten Staaten, durchgeführt durch brasilianische und chilenische Militärkräfte. Man hat den Landsitz des Präsidenten bombardiert, Salvador Allende ermordet und im Kielwasser davon sehr viele Leute umgebracht. Heute redet man über Bin Laden, die Anklageschrift ist lang. Damals war Henry Kissinger, die Anklageschrift ist länger. Lasst uns sehen, wie das weitergeht.

      Dann kommt die vierte Phase: und das war nach Lateinamerika, Islam. Und hier gibt es eine gewisse Verwirrung, weil man jetzt über Krieg der Zivilisationen redet. Das ist es nicht. Es ist Klassenkrieg.

      Ich kenne, glaube ich, niemanden in der islamischen Welt, der es als einen Schlag gegen das Christentum versteht. Und man redet sehr wenig über christliche Fundamentalisten, über amerikanische Fundamentalisten ja, aber nicht über Fundamentalisten, die Christ sind, wie wir immer über fundamentalistische Muslime reden. Wir benutzen eine Vokabel und ich finde diese Vokabel entsetzlich, genauso dumm, wie die Vokabel "Terrorist" oder "böse". Wir haben einen großen Satan und zwei kleine Satans. Der große Satan sind die Vereinigten Staaten, die kleinen Satans sind die Sowjetunion mit Nachfolge Russland und Israel. Ich kann verstehen, dass sie diese Einteilung der Welt haben. Aber noch einmal: wenn man "Satan" sagt, versteht man nichts. Es wäre besser eigentlich zu verstehen worum es geht.

      Ich habe also jetzt gesagt, es ist ein internationaler Klassenkampf und er hat nicht nur 50 Jahre gedauert. Wir in Westeuropa stehen hierbei auf der Seite der Oberklasse. Deswegen haben unsere Regierungen zugestimmt und haben also den Vereinigten Staaten eine Blankovollmacht übergeben.


      Was wären Alternativtheorien? Denn ein Wissenschaftler muss immer Alternativtheorien haben. Eine alternative Theorie wäre, - und die Annahme ist nicht ganz unvernünftig - dass es Kräfte gibt in der ehemaligen Sowjetunion oder in Russland, die die Niederlage 89/90 sehr übel genommen haben. Sie haben eine Menge von Uranium, diese Leute. Es könnte sein, es ist eine Rache dafür. Aber wenn das der Fall wäre, hätte man, glaube ich, nicht das World Trade Center getroffen, denn das hat eine so unbedeutende Adresse. Ich glaube, es wäre dann eher das Weiße Haus oder der Kongress gewesen. Wenn man also vier Flugzeuge zur Verfügung hat und man hat die Leute, die entsprechende Ausbildung haben und man kann sozusagen beliebige Ziele treffen. Das geht nur einmal. Hoffen wir. Glauben wir. Aber die haben vielleicht noch andere Methoden.

      Eine zweite Theorie wäre, dass es ein Krieg der Zivilisationen ist und dass die Muslime als Zielsetzung nicht Rache haben, nicht Vergeltung, sondern ganz einfach Amerika zu zerstören. Eine These, ich glaube nicht daran. Denn ich glaube, dass die USA dann jetzt etwas Positives getan hätten, mit der Unterstützung des Westens. Man würde unmittelbar einen Niederschlag finden.

      Ich werde also andeuten, was das sein könnte. Gibt es mehrere Thesen? Ja, es gibt mehrere Thesen. Ich lebte in den Vereinigten Staaten, als der Bombenanschlag auf das Federal Building von Oklahoma verübtwurde. Damals kamen eine Menge von Experten im Fernsehen. Die Experten reden immer sehr schnell und glauben, dass sie glauben, das sie daran glauben, was sie sagen. Und sie haben alle gesagt: das ist typisch für den Osten. Da war auch ein ganz berühmter Botschafter im Fernsehen und hat allen Amerikanern gesagt, also, hier sieht man die Handschrift eines Staates des Mittelosten - genau so tun sie es. Die Methode ist ganz klar, wir finden diesen Staat und dann werden wir diesen Staat zurück in die Steinzeit bombardieren. Aber dann kam es heraus, dass es kein middle east war, es war midwest, in den Vereinigten Staaten, woher Timothy Weigh stammte. Und ich war im Radio, ich habe gesagt, wir müssen jetzt unmittelbar den Mittelwesten bombardieren, damit diese Leute endlich verstehen, worum es geht und nicht mehr solche blinden Verdächtigungen äußern. Leider hab ich dort etwas nicht so vernünftiges getan, weil jemand hat das Radio angeschaltet, genau als ich das gesagt habe, also ohne die einleitenden Worte. So das war nicht so ganz geglückt und ich habe um Entschuldigung gebeten. Aber sie sehen ja, es wäre doch eine gute Idee, immer noch eine zweite Hypothese offen zu halten.

      Es ist ein wenig zu schnell und ein wenig zu klar, was sie auf der anderen Seite sagen. Dann könnte man sagen: aber all diese Täter, alle diese Piloten, sie haben ja arabische Namen. Na ja, vielleicht haben sie das. Ich weiß es nicht, weil ich Washington kein einziges Wort glaube. Deswegen bin ich nicht überzeugt. Und diese Methode, dass die Geheimdienste Beweise haben, die nur dem Präsidenten persönlich vorgelegt werden, diese Methode glaub ich auch nicht. Halten wir unser abschließendes Urteil noch ein wenig offen.

      Vielmehr möchte ich noch einmal zurückkommen auf die vierte Phase. Warum Islam? Wie ist denn das? Wie hat das angefangen? Es hat mit Palästina angefangen. Und das grausame Leiden des palästinensischen Volkes dauert inzwischen mehr als 50 Jahre und stellt sich als ein Hauptfaktor dar. Dann hat es sich ausgebreitet, in Richtung Libanon, Syrien, in Richtung Irak, Iran und jetzt in Richtung Afghanistan. Mittlerweile haben wir Spuren nach Libyen und in den Sudan, all dies sind Länder, wo es entweder eine radikale Haltung gegenüber der vorherrschenden Weltwirtschaftsordnung gibt oder, man könnte sagen, Bewegungen, die sich dagegen richten. Und was man tut ist eindeutig gegen die Leute, die ein wenig progressiv sind. Einige davon sind bestimmt Fanatiker. Fanatiker findet man überall auf der Erde. Bestimmt ja. Mir gefällt die Methode überhaupt nicht. Ich hätte es besser gefunden, wenn sie gewaltlos, aber mit Millionen und Millionen ihren Protest gegen die Weltordnung von heute ausgedrückt hätten.

      Also, wir sind jetzt in der vierten Phase und wir haben ein Element von der fünften Phase gehabt und das ist gegen das Orthodoxentum. Das sind also Länder, die teilweise sozialistisch waren. Jetzt geht es also gegen die Staaten in Jugoslawien, die orthodox sind. Das ist also ganz klar Serbien und teilweise Mazedonien. Die Scharade, die dort vor sich geht mit dem Einsammeln von 3300 Waffen kann man ruhig beiseite lassen. Alle wissen, dass die USA die UCK unterstützt und das es dort weitergeht. Ich sehe also fünf Phasen, die geographische Adresse ist ein wenig unterschiedlich, aber das Thema ist dasselbe. So sage ich noch einmal, Klassenkampf. Was ist dann die Prognose?

      Prognose
      Eine Prognose ist schlimm. Eine These wäre, dass das, was man hier sieht, die RAF Methode ist, und die RAF Methode - sie hat nicht geklappt, die Theorie war sehr schlecht - ist die folgende: wir machen einen Schlag, dann wird die Polizei zurückschlagen und dann erhebt sich das Volk. Das Volk hat sich nicht erhoben, aus ganz guten Gründen. Sie haben diese Leute meistens als Fanatiker und teilweise kriminell eingestuft und ich glaube mit Recht.

      Ich war dazumal Professor in der Bundesrepublik und hatte unter meinen Studenten eine Menge, die sich dieser Richtung anschlossen. Und sie hatten die These, wenn wir nur den richtigen Punkt finden könnten, dann fällt die ganze kapitalistische Sache zusammen, z.B. Silvesterabend an der Frankfurter Börse fällt das alles. Ich könnte sagen, ein wenig teutonisch, ein wenig zuviel Glaube daran.

      Könnte es sein, dass diese Leute auf dieselbe Weise denken? Dass jetzt, wenn die Amerikaner zugreifen und sie zuviel Macht anwenden werden und zuviel Gewalt, sich dann das Volk erhebt? Ich sage also, das könnte eine These sein und ich glaube es ist nicht so ganz ohne eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es sich genauso entwickeln könnte.

      Die Amerikaner wissen das teilweise, deswegen werden sie versuchen, es geheim zu machen. Doch das können sie nicht tun. Es gibt außerordentlich gute Journalisten auf der Welt. Ich nenne einen: Robert Fisk vom "Independent", der ist so ungefähr 1000 gewöhnliche Journalisten wert. Es stehen eine Menge von Auskünften zur Verfügung. Leider habe ich keinen Namen aus Deutschland. Wenn sie eine freie Presse gehabt hätten, hätten sie die wirkliche öffentliche Meinung in der Presse gesehen. Wenn man in einem freien Land lebt, dann sieht man solche Tatsachen. Ich sage es nur nebenbei. Also, die Prognose ist Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung. Das geht weiter. Leute, die fähig waren den Angriff auf Manhattan zu planen sind fähig ganz viele Dinge zu tun.

      Die Amerikaner versuchen nun, die Regierungen einzubinden. Und es scheint, als ob sie Erfolg hätten. Ich gebe einen guten Grund, warum sie Erfolg haben: die Regierungen haben wahnsinnig Angst. Und das nicht nur vor den so genannten Terroristen, sondern vor den Vereinigten Staaten. Wahnsinnige Ängste und diese Ängste werden selbstverständlich bestärkt, wenn man sagt: derjenige, der nicht für uns ist, ist gegen uns. Und nicht nur gegen uns, sondern für die Terroristen. Nein, nein, nein, meine lieben Leute, es gibt Zwischenpositionen. Und es gibt ganz gute und anständige Zwischenpositionen. Versuchen sie nicht diese Methode einzuführen. Das ist wirklich unverschämt. Und man hat versucht, die Bevölkerung damit zu beleidigen.

      Es könnte also eine lange Vergeltungskette geben. Es könnte auch sein, dass es zum vierten großen Jihad kommen wird. Wie ich es verstanden habe gab es bis heute nur drei große Jihad; es gab mehrere kleine. "Jihad", wie man weiß, heißt Anstrengung, und die vierte Etappe ist Verteidigungskrieg. Verbreitung der Lehre, offensiv, durch das Schwert ist im Koran verboten. Nicht so, wie in der päpstlichen Bulle vom 4. Mai 1493, die es völlig erlaubt mit dem Schwert die Lehre zu verbreiten. Also hat man hier die vierte, die anderen drei sind gegen die Kreuzzüge, gegen den Zionismus in Israel und in den Nachbarländern und gegen den Kommunismus in Afghanistan.

      Nummer eins und drei sind eindeutig von den Muslimen gewonnen, Nummer zwei ist noch nicht entschieden. Wenn es also so aussieht, als ob es ein Angriff gegen den Islam wird, dann sind im Prinzip 1,2 Milliarden Muslime, ich könnte also sagen verpflichtet, die Lehre mit dem eigenen Leben zu verteidigen. Wird es so aussehen? Der Bush hat also "Kreuzzug" gesagt. Das war keine gute Vokabel. Als Professor muss ich sagen, ich ahne den Student, der nur eine C-Note hat, wenn man so unbegabt ist. Ich glaube diese Note ist noch zu hoch. Der Clinton hätte das nicht getan. Der machte andere Dummheiten, aber nicht diese. Also, am folgenden Tag ist er in eine Moschee eingetreten und er hat bestimmt verstanden, dass man hier vorsichtig sein muss.

      Aber BBC sagt, dass er auf einer Liste 60 Länder unter Verdacht hat, dass hier die Terroristen zu Hause sind. Es gibt 57 muslimische Länder auf der Erde. Ich glaube die meisten von den 60 sind die meisten von den 57. Es wäre also in dieser vierten Phase außerordentlich problematisch für Amerika es nicht so zu tun, dass es aussieht wie ein Angriff auf den Islam. Dann wird es problematisch. Jihad Nummer eins hat 196 Jahre gedauert, Jihad Nummer drei 10 Jahre, Jihad Nummer zwei bis heute, sagen wir 354. Macht man den Durchschnitt davon, glaube ich, dass das nicht so gut aussieht. Also kommt dann meine Hauptsache:

      Was könnte man tun? (Therapie)
      Und ich werde dann einleitend sagen, die wichtige Fragestellung ist nicht "Wer hat das getan?", sondern "Warum?". Ich habe also Vergeltung gesagt. Und wenn es Vergeltung gibt, gibt es Konflikte. Also ist die erste Problemstellung: diese Konflikte zu verstehen. Um welche Konflikte geht es?

      Ich habe hier eine kleine Übersicht von 14 Hauptkonflikten der Vereinigten Staaten und ich muss hier etwas sagen, was ich 1980 über die Sowjetunion gesagt habe, in sehr vielen Versammlungen usw.: Die Sowjetunion hat fünf Widersprüche (1980): · die Sowjetunion gegen die Satellitenstaaten, · Russland gegen die andern Nationen, · Stadt gegen Land, · sozialistische Bourgeoisie gegen sozialistische Arbeiterklasse und · Mythos gegen Überrealität. Meine Vorhersage 1980 war, das kann keine zehn Jahre dauern und die Berliner Mauer wird fallen, innerhalb von 10 Jahren. Ich habe ein Telegramm bekommen:

      "lieber Johan, das hat also mit einer Differenz von knappen zwei Monaten geklappt. Das nächste mal mehr Spielraum bitte, das wäre vorsichtiger..."

      Eine es ist nicht eine Frage, ob es wirklich klappt oder nicht klappt. Es ist eine Frage von guter Theorie. Und die Theorie ist ganz einfach die folgende: die Regime, die versuchen Welthegemonie zu etablieren oder autoritär sind, die verschwinden meistens nicht durch Militärangriffe. - Hitlers Deutschland war eine Ausnahme. - Sie verschwinden meistens durch Demoralisierung, innere Zusammenbrüche.

      Ich habe das untersucht und ungefähr 28 Fälle herausgefunden, für die das gilt. Aber warum denn, warum sind sie demoralisiert? Weil die Widersprüche sich häufen. Und mit Widerspruch meine ich ein Problem, das so gewaltig ist, dass man es nur lösen kann, wenn man eine Systemänderung durchführt. Wenn man in der Sowjetunion fünf Probleme hatte, war das einfach zu viel. Mit einem Problem geht es mit Bajonetten, aber nicht bei fünf. Deswegen sahen die Leute dort oben in der Sowjetunion sehr unglücklich aus, in den letzten Jahren. Ich habe es sogar als einen Indikator benutzt, wie unfroh sie aussahen. Das war sehr einfach, hat etwas mit dem Mundwinkel zu tun, also nach oben, das heißt froh, nach unten heißt sehr, sehr, sehr unfroh. Demoralisierung. Und am Ende ist es zusammengebrochen.

      Meine Vorhersage für die Vereinigten Staaten ist, dass das Imperium keine 20 Jahre dauern kann, weil diese 14 Hauptkonflikte zuviel sind. Worüber ich jetzt geredet habe ist nur Nummer vier. Es ist nur Staatsterrorismus gegen Terrorismus. Und jetzt werde ich also die Vokabel "symmetrisch" anwenden. Man sagt ja, ein Terrorist ist ein Mann mit Bombe, aber ohne Flugzeug. Und ein Staatsterrorist ist ein Mann mit Flugzeug und Bombe. Jetzt haben wir also Flugzeug ohne Bombe gesehen, weil das Flugzeug als Bombe benutzt wurde. Ein Novum. Ich glaube mehr an Wertbomben als an Flugzeuge. Wie steigt man aus? Konflikte identifizieren, Dialog, Versöhnung. Nehmen wir Beispiele. Ich fange an mit drei Beispielen.

      Islam
      Ein Hauptbeispiel hat mit dem Islam zu tun. Bin Laden hat 10 Jahre lang mit der CIA zusammengearbeitet und es scheint, dass er dort eine Menge von Sachen gelernt hat. Der Bin Laden ist dann nach Saudi-Arabien zurückgekehrt und war entsetzt, als er amerikanische Truppen im eigenen Land gefunden hat. Das Land, hat er gesagt, ist das Heilige Land mit zwei heiligen Stätten. Das war eine Beleidigung, das war gegen das Heilige und er hat also gesagt, Truppen raus. Er hat gebrüllt, Truppen raus. Niemand hat das gehört. Dann kommt eine Sache, die ich sehr häufig in der islamischen Welt höre, die einzige Sprache, die der Westen versteht, ist Gewalt.

      Wir haben z.B. 1400 Jahre lang versucht zu erklären, was Jihad heißt. Es heißt nicht Heiliger Krieg, es heißt Anstrengung. Und davon gibt es vier Formen. 1400 Jahre Unterricht hat nicht genügt. Was tun wir dann, wenn man überhaupt nicht bereit ist die einfachste Sache zu verstehen. Also Truppen raus aus Arabien, unmittelbar. Arabien für einen Feldzug mit Flugzeugen gegen Afghanistan zu nutzen ist Wahnsinn. Das wird sich genauso verbreiten, wie die Anhänger der RAF Methoden unter den Attentatsmännern hoffen. Es könnte nicht schlimmer sein.

      Stellen sie sich vor, das Nato Kommando in Napoli, anstatt in Napoli im Vatikanstaat ist. Es könnte sein, dass sich dadurch einige etwas beleidigt fühlen würden. Dass man also ein solches Einfühlungsvermögen für die islamische Welt nicht hat ist eine Sache. Das ist nur eins.

      Nummer zwei, etwas mehr ökonomisches.
      Ich habe gesagt, es gibt Schätzungen, dass 100.000 an Fehlernährung sterben, und ich sage also Fehlernährung mehr als Unterernährung, in der Welt, aber besonders in drei Zonen. Das sind die Zonen, wo diese 1,7 Milliarden mit weniger als einem Dollar Einkommen pro Tag zu Hause sind. Das sind die Republiken in den Anden, teilweise Brasilien. Die Anden dann bis Chiapas, Mexiko und weiter, das ist Schwarzafrika und das ist Südasien. Westasiatische Länder sind islamische Länder und sind meistens nicht so arm.

      Afghanistans grausame Armut hat mit 23 Jahren Krieg zu tun. Und es sagen die Afghanis eine kleine Sache - ich war dort als Vermittler, als Konfliktvermittler im Februar und kenne mich ganz gut aus - und die Afghanis sagen folgendes: dort hatte die Sowjetunion ihr Vietnam. 1986 gab es einen sehr tüchtigen Generalsekretär namens Gorbatschow und der hat die Truppen 1989 rausgezogen. Danach ist die Sowjetunion zerbrochen. Wir haben 5 Millionen verloren, dadurch, Flüchtlinge, Verletzte, Getötete. Niemals haben wir das Wort Dankeschön gehört, weil wir das Ende des Kalten Krieges gebracht haben. Nicht Hans Dietrich Genscher. Es könnte sein, dass es sogar größere Kräfte auf der Erde gibt als Hans Dietrich Genscher. Nur so gesagt, und ich schätze vielleicht den afghanischen Beitrag etwas weniger als 100%. Sagen wir 60, aber sehr, sehr, sehr wichtig. Die sind außerordentlich arm, aber Riesenarmut gibt es in hinduistischen und christlichen Ländern und Ländern, die vielleicht Gegenstand des Sklaventums waren, ich meine Schwarzafrika.

      Was tun wir damit? Aber globalisierungsfreie Zone, bitte. Es gibt kein Gesetz auf der Erde, dass Globalisierung unmittelbar universalisiert sein muss. Im Kyoto-Protokoll haben wir eine, könnte man sagen, umweltvertragsfreie Zone. Das ist die dritte Welt. Die Idee ist schon gedacht. Und dann könnten die Länder, die so außerordentlich von Globalisierung begeistert sind, die können sich gegenseitig globalisieren, jeden Tag. Aber bitte globalisierungsfreie Zonen. Die sterben davon. Das heißt informelle Ökonomie unterstützen, d.h. Ökonomie auf der Lokalebene zu unterstützen für die menschlichen Bedürfnisse, die Fundamentalbedürfnisse, d.h. Süd-Süd-Handel, d.h. eine Menge von Sachen. Und diese Sachen sind völlig realistisch.

      Was nicht realistisch ist, ist was heute vor sich geht. Wenn man das tun würde, dann hätte man ein Signal gegeben, dass wir etwas verstanden haben. Eine globalisierungsfreie Zone und massive Unterstützungen, aber das ist meist nicht eine Frage von Geld, sondern von Struktur.

      Drittens, Palästina, Israel.
      Sharon ist dafür verantwortlich, dass 2000 Menschen umgebracht wurde in Sabra und Schatilla und dass 17.500 umgebracht sind, in der Nähe von Beirut, Libanon und Palästina. Sharon hatte die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten. Aber das sind nur Beispiele. Die Unterdrückung ist so grausam. Und das hat mehr als 50 Jahre gedauert.

      Und hier eine kleine Fußnote. Man redet über Suizidbomben als eine Methode Bomben dort anzubringen, wo man Bomben gerne haben möchte. Es könnte auch eine Suizidmethode sein, eine Selbstmordmethode. Es könnte beides sein. Und du in einer Familie, du hast drei Generationen lang diesem Lager gelebt - ein Leben so menschenunwürdig. Du bist desperat und depressiv. Und dann sagt jemand, es gibt da eine Erlösung, du könntest das tun und das tun und das tun. Derjenige ist schon am Rande des Selbstmordes vor Verzweiflung, weil nichts sich bewegt.

      Es gibt eine lächerliche Verhandlung aus der Zeit von Bill Clinton und die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge ist überhaupt nicht aufgenommen. Was wäre die Lösung dann?

      Ich werde etwas dazu sagen, ganz konkret, weil ich glaube, die Lösung ist ganz einfach, im Prinzip. Es gibt Komplexitäten und völlig realistisch und wird ungefähr so innerhalb von fünf Jahren kommen. Es gibt dabei aber eine Bedingung. Und die Bedingung ist genau dieselbe wie Südafrika. Wenn 1982 jemand gesagt hätte, es kommt eine Lösung innerhalb von 10 Jahren hätten viele gesagt, du spinnst. Ich habe gute Gespräche mit Frederik de Klerk und teilweise mit Nelson Mandela darüber gehabt und was eingetroffen ist, ist Demoralisierung, weil die Widersprüche waren Widersprüche, die nicht überwindbar waren.

      Am Anfang haben sie geglaubt, das könnte funktionieren: Südafrika zweigeteilt, Apartheit, weiß, schwarz. Dann haben sie verstanden, dass, wenn guter Boden, alle Mineralschätze usw., auf unserer Seite sind und die ökonomische Trennung so gewaltsam ist wie die unsere, dann wird das niemals funktionieren. Es hat Zeit gebraucht.

      Ich glaube, jetzt ist es mehrheitlich, in Israel, dass die Bevölkerung versteht, dass am Ende des Weges kein Schild steht, auf dem das Wort Sicherheit geschrieben steht. Die Anschrift ist Unsicherheit. Die Eliten glauben noch daran. Die sind meistens Militärs. Die Israelis haben die Wahlmöglichkeit zwischen Militär und Militär. Berufsmäßig ist das ihr Beruf, daran zu glauben. Ich glaube, das wird sich verbreiten und ich glaube zur selben Zeit werden sie erleben, dass die USA dasselbe mit Israel tut, was sie mit Südafrika getan haben.

      Israel ist eine Belastung für die Vereinigten Staaten. Und sie sagen es schon. Der Colin Powell sagt es eigentlich schon in Klarschrift: das kannst du nicht tun, das nicht und das nicht und das nicht. Und viel klarer als es vorhergesagt wird.

      Von Deutschlands Regierung wird nichts kommen. Es ist unmöglich für Deutschland über diese Sache zu reden. Und deswegen seid froh, dass es hier einen Norweger gibt. Ich kann darüber reden, kein Problem.

      Wie sieht eine Lösung aus. Fünf, sechs, sieben Punkte, ganz schnell. Zuerst, regional, eine Gemeinschaft des mittleren Ostens, wie die europäische Gemeinschaft langsam gemacht wird. Die europäische Gemeinschaft hat etwas geniales getan, sie hat das verhasste Deutschland unter die Arme genommen und hat gesagt, komm zu uns, aber es gibt gewisse Bedingungen. Und die Deutschen sind lernfähig und gehorsam und haben unmittelbar verstanden, wie man das tut. Also, die EG als die Mutterliebe. Fünf Länder haben das getan, fünf Länder können an einem Tag im mittleren Osten dasselbe tun: Palästina, Libyen, Syrien, Jordanien und Ägypten.

      Bilateral können sie niemals Lösungen finden, multilateral schon. Ein Wasser-Regime, Flüchtlings-Regime, Touristen-Regime, Waffen-Regime, Drogen-Regime. Und Wiederaufbau des Ostens als Kulturzentrum der Welt mit den drei hebramistischen Religionen, eine phantastische Stätte. Dann, Jordanien und Ägypten geben eine bestimmte Anzahl von Quadratkilometern den Palästinensern, weil das Land zu klein ist. Sie geben es für 99 Jahre. Dann, selbstverständlich die komplette Anerkennung von Palästina, mit Hauptstadt Ost-Jerusalem und mit right of return.

      Wie schafft man das? Zwei palästinensische Kantone in Israel, zwei israelisch-jüdische Kantone in Palästina, auf der Westbank. Das hat mit den Kriterien des Zionismus zu tun, weil es heilige Stätten gibt und es gibt heilige Stätten auf der Westbank. Das gibt es auch für die Palästinenser in Haifa und Nazareth. Aber die Besiedelung ist so lang und so dicht. Dann kann man über die Anzahl verhandeln, muss man tun, aber nicht über Prinzip. Das hat mit Würde und Gegenseitigkeit zu tun.

      Alles, was die Israelis gerne möchten, dafür sind die Palästinenser auch berechtigt, wenn man gerne Frieden haben möchte. Stichwort für Frieden ist Symmetrie, Gegenseitigkeit. Israel ist ein Staat, hat seine Hauptstadt in Jerusalem und right of return. Für Palästina genau dasselbe. Aber, wie ich sagte, man kann über die Anzahl verhandeln.

      Dann weiter. Wer kann das tun? Nicht die Vereinigten Staaten. Jede Vermittlerrolle ist vorbei. Es war keine Vermittlerrolle, weil die Vereinigten Staaten haben ein Hauptproblem mit Israel. Und das hat Netanjahu glänzend gesagt. Warum werden wir von Washington unterstützt? Wir werden von Washington unterstützt, weil unser Land auf dieselbe Art zustande gekommen ist, wie die Vereinigten Staaten. Es gab Einheimische und wir haben das Land erobert.

      Deswegen ist es im Interesse der Vereinigten Staaten, dass es keinen unabhängigen Staat Palästina gibt, weil sie haben Ängste vor fünf Bewegungen in den Vereinigten Staaten. Die Inuits in Alaska, die Hawaianer auf Hawai, die amerikanischen Indianer im Allgemeinen, die Checanos im Südwesten und die afrikanischen Amerikaner, teilweise. Das ist ein Vulkan. Das wird alles kommen.

      Und liebes Washington, das beste, das du tun könntest wäre, etwas über Konföderation, über Staatenbund zu denken. Und diese Gedanken gilt es am besten heute zu denken, weil morgen brauchst du sie nicht mehr. Die Freunde der Vereinigten Staaten, und ich bin sehr pro amerikanisch und sehr anti-Washington, die Freunde der Amerikaner sind die, die solche Sachen sagen.

      Die Feinde sind diejenigen, die sagen alles ist gut, alles ist wunderbar bei dir, wir stimmen zu, könnte nicht besser sein usf. Das sind die Feinde, die wahren Feinde.

      Also, das, was ich jetzt gesagt habe ist völlig realisierbar und machbar, aber es hat zur Voraussetzung, dass sich die Demoralisierung weiter entwickelt. Wie wird das sein? Ja, also jetzt fängt der Boykott israelischer Waren an. Es könnte sein, es könnte auch mit Gewaltlosigkeit anfangen. Die ersten Aktionen der arabischen Israelis innerhalb Israels sind schon da. Die Bomben gehen weiter und weiter und weiter, und die F16 Flugzeuge können nichts damit tun. Es könnte also sein, dass es sich bewegen wird.

      Dann hab ich also etwas angedeutet. Ist man zum Dialog bereit? Ja, das ist eine Frage von Vermittler. Wer könnte Vermittler sein? Ich habe de Klerk, Mandela und Jimmy Carter sehr häufig erwähnt. Also die drei weisen Männer, wovon nur zwei weiß sind, aber wir dürften nicht bis Weihnachten warten. Kontakt mit beiden. Versuchen eine Vermittlerrolle zu spielen. Der Papst könnte das tun. Für den Aufbau von Palästina braucht man nicht die Vereinigten Staaten, man braucht drei Organisationen, die dieselbe Erfahrung haben. Die nordische Gemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft und Asien, als Modellgemeinschaften. Alle in diesem Saal wissen, welche Bedeutung es hatte, dass Deutschland nochmal aufgenommen wurde, unter den Nachbarn. Dasselbe könnte man dort erreichen.

      Es wird nicht einfach sein. Die Franzosen, die darüber geredet haben, 1940, 46, 48, 49, die jungen Studenten und andere Jungs, die Proteste gegen die Grenze gemacht haben, die waren da vorne, aber sie haben es geschafft. Am Ende von diesem Prozess steht Versöhnung. Leider müssen also die Vereinigten Staaten diese Liste und diese Liste verdauen. Es ist nicht notwendig, dass man diese Liste auswendig kennt und es sieht viel, viel schlimmer aus, wenn man Details angibt. Leider müssen sie das tun.

      Bundesrepublik Deutschland
      Und ich komme jetzt zum großen Beispiel von Versöhnung und das größte Beispiel, das ich kenne, in der ganzen Geschichte als Friedensforscher, ist die Bundesrepublik Deutschland. Ihr seid die Spezialisten. Jetzt werde ich also fünf Minuten zusammenhängend nett über Deutschland reden. Ist das erlaubt? Also, wenn es stimmt. Also gut. Jetzt fangen wir an. Man hat 18 Länder besetzt, man hat versucht, zwei Nationen auszurotten - die Juden und die Sinti und Roma. Jetzt sind ein wenig mehr als 50 Jahre vergangen und jetzt hat Deutschland und die Deutschen gute Verbindungen zu fast allen. Man kann eigentlich sagen zu allen. Das ist ein Wunder. Ganz einfach ein Wunder.

      Ich könnte sehr viel über Hass sagen und ich könnte mich selbst als Beispiel anwenden. Also mein Vater war im KZ-Lager und all das und deutsch zu reden - absolut nicht, Beethoven zu hören - absolut nicht - ein typischer Faschist. Also Hass ist auch dumm, Hass macht dumm. Ich war also in eine Italienerin verliebt. Das Problem war, zwischen Norwegen und Italien gibt es also Deutschland. Wie schafft man das mit einem Motorrad? Ja, das schafft man nachtsüber. So, ich bin also systematisch gegen Abend in Hamburg angekommen und bin dann ganz schnell, auf einem Sachs Motorrad durch Deutschland gefahren. Aber ab und zu muss man tanken, das ist das Problem. Dort gab es also einen Tankwart und der hat gesagt: "Sie sind Norweger. Sehe ich von dem Schild her. Das ist ein sehr schönes Land. Ich bin da fünf Jahre gewesen. Da gibt es sehr schöne Frauen." Das könnte also nichts schlimmes sein. Aber das nächste mal habe ich dann Kännchen mit Benzin mitgebracht, so dass es keine Notwendigkeit gab. Ich bin ein systematischer Mensch. Dummheit, ganz einfach. Aber solche Gefühle hat man gehabt und nicht ohne Gründe.

      Solche Gefühle gibt es heute gegen die Vereinigten Staaten.

      Und ich unterscheide dann, in Deutschland Nachkriegsgeschichte, in vier Phasen, so ungefähr, vier oder vielleicht fünf. Erste Phase: ja, wir haben was schlimmes getan, gegen die Juden, ziemlich überzogen, aber Dresden, Hamburg. Dresden und Hamburg waren beide sehr, sehr, sehr schlimm. Aber die These ist, Gewalt plus Gewalt. Die Summe ist null. Ausgeglichen. Ausgewogen. Diese These war psychologisch ein Mechanismus.

      Jetzt ist diese These angewandt in den Vereinigten Staaten. Jetzt sind sie bereit zu sagen, wir haben vielleicht was schlimmes gemacht, aber so schlimm, wie Manhattan war es nicht. Das ist ein neuer Boden, den die Amerikaner da betreten müssen.

      Zweite Phase: man sagt ja meistens, dass war die Kindergeneration, sie wurde erwachsen und hat gefragt: "Vater, was hast du eigentlich während des Krieges geschafft?" Also das Nachdenken. Sagen wir 1965. Und das Nachdenken war ganz grausam, aber es hat symbolisch seinen Ausdruck in Willy Brandt gefunden, dort, am Ghetto-Denkmal in Warschau. Es gab negative Gefühle, aber ich glaube die meisten waren eine Erleichterung, dass der das getan hatte und es hat mit unsren Gefühlen zu tun, weil man sich ganz fürchterlich geschämt hat. Das sind keine schlechten Gefühle. Das sind Bauchgefühle.

      Die Amerikaner werden dazu kommen.

      Dann kommt die Phase, die auf die Welt einen großen Eindruck gemacht hat und diese Phase darf man niemals unterschätzen. Es war nicht die Wiedergutmachung. Das kam so mit Zweifel und die Summen waren nicht so hoch usw., aber das lasse ich beiseite. Es war nicht die Entschuldigung. Die war auch wichtig. Entschuldigung, Wiedergutmachung - schön - sondern die Schulbücher. Dass man die Schulbücher neu geschrieben hat, und das war ja schon lange vorher, aber jetzt hatte man den Eindruck, es steht Wissen und Gefühl dahinter. Dort stand es zu lesen, wie man im öffentlichen Raum gerne sehen möchte, was man durchlebt hat. Ab und zu ist das auch überzogen. Ab und zu hatte man das Gefühl, das es Deutsche gab, die gedacht haben, wenn wir nicht die besten sind, dann sind wir wenigstens die schlimmsten. So dass man auf jeden Fall da vorne ist, auf irgend welche Weise. Na ja, das hat einen großen Eindruck gemacht, auch das mit den Museen, mit den Denkmälern. Ich möchte nur einen Namen erwähnen: Richard von Weizsäcker hat das ganz hervorragend gemacht. Diese Phase dauert und mit dieser Phase ist man eigentlich versöhnt. Und man hat die Versöhnung gemacht. Die Versöhnung. Die Wiedergutmachung. Das wäre die vierte Phase.

      Ich will also sagen, schickt mal 1000 deutsche Versöhnungsbürokraten nach Washington und New York. Und ein Teil davon sind bestimmt Mitglieder der GEW. Vielleicht gibt es sogar in der GEW eine Abteilung Versöhnung, oder etwas ähnliches. Weiß ich nicht. Die Deutschen sind systematisch. Man könnte sogar Diplomarbeiten über Versöhnung schreiben. Ich meine es ernst, weil man hier eine Erfahrung gehabt hat.

      Wird das kommen in den Vereinigten Staaten? Ich glaube ja. Aber es wird dauern. Es wird dauern. Es gibt eine Menge von Versöhnung zu tun.

      Aber Einwand Nummer eins, hier zu Hause, in Deutschland war man war ja geschlagen, man hatte ja eine Niederlage gehabt. Und diese Niederlage war so gründlich, mit Besetzung und vier Zonen und dann zwei Zonen und Bundesrepublik und DDR und alles, da ist man zu allem möglichen bereit. Ja, das stimmt. Es könnte aber sein, dass der Untergang des Hitlerreiches nur auf gewöhnliche Weise, also durch Demoralisierung zustande gekommen wäre, hätte man genau dasselbe gehabt: gewaltloser Widerstand. Das hätte vielleicht einige Jahre länger gedauert, aber nicht viel.

      So, ich bin nicht ohne Weiteres bereit, das zu sagen, aber dazu gibt es eine Zusatzbemerkung. Es könnte sein, dass die USA auch geschlagen ist. Aber die USA ist ja so stark. Ja, sie haben eine Zerstörungskraft, sagen wir Z1 und die andere Seite hat Z2. Wer auch immer diese andere Seite ist. Und dieses Z2 ist viel geringer als Z1. Aber dann muss man die Verwundbarkeit subtrahieren. Die Verwundbarkeit der Vereinigten Staaten ist sehr hoch, aber in Afghanistan sehr niedrig. .... Also die Unverletzbarkeit ist sehr hoch in Afghanistan, in den Vereinigten Staaten sehr niedrig. Es könnte sein, dass die andere Seite viel mächtiger ist. Und hier macht man einen Fehler, wenn man glaubt, dass es nur eine Sache von Muslimen ist. Es gibt viele Vietnamesen, Koreaner, Kleinbauern in den Anden, Leute im Orthodoxentum, die jetzt Gefühle haben, die nicht auf der amerikanischen Linie sind. Das hat nichts mit den Regierungen zu tun. Einige, von diesen Gefühlen, sind sehr gewalttätig und negativ. Und ich werde diese Sachen verwerfen. Aber noch erlaube ich mir, ein wenig optimistisch zu sein. Wenn wir eine Bewegung auf die Beine stellen könnten, mit Selbstreflexion, Konflikte identifizieren, Dialog, Konflikte lösen, Versöhnen - als Parolen, dann haben wir jetzt eine große Möglichkeit.

      Ich danke Ihnen.
      http://www.bayern.gew.de/gew/Landesverband/aktuelles/johan_g…
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 15:39:03
      Beitrag Nr. 35 ()
      @ gilly
      oups - also pausen dazwischen gibts ja immer wieder. insofern steht dem nichts entgegen. am anfang stand der dokumentarfilm. wer den gesehen hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich innerlich aufzumachen, um das unglaubliche zu begreifen und zusammenhänge zu entwickeln. ich kann den filmemachern nicht genug dankbar sein, was müssen die an bergen von filmmaterial ausgewertet haben, eine phänomenale leistung :) jedenfalls hat der film mich dazu inspiriert, das ganze in einen kontext zu stellen, der mir plausibel erscheint.
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 17:09:32
      Beitrag Nr. 36 ()
      Gibts noch mehr Infos über den Staatsterror der Türkei????
      Sehr interessant
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 17:58:28
      Beitrag Nr. 37 ()
      Schweden
      Die schwedische Stay-behind-Truppe wurde vom Botschaftsattaché, CIA-Offizier und späteren CIA-Chef William Colby organisiert.
      Ihm gelang es, anfang der fünfziger Jahre eine Untergrundorganisation zu etablieren, die aus der rechtsextremen Waffenbrüderschaft "Sveaborg", die ihrerseits eine Unterorganisation der faschistischen Vereinigung "Schwedens Sozialistische Sammlung" (SSS) war, hervorging. Die 1941 von Otto Hallberg gegründete Brüderschaft bestand mehrheitlich aus Veteranen eines schwedischen Freiwilligenbataillons, das im finnisch-sowjetischen Krieg gekämpft hatte. Aus dieser Vereinigung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die schwedische Stay-behind-Truppe gebildet. Etwa 1200 Kontaktpersonen, von denen viele Armeeangehörige gewesen sein sollen, hätten im Notfall ihre Guerillatruppen selbständig führen. Ihre Aufgabe war es, als Guerillas eine etwaige sowjetische Invasion zu bekämpfen und mutmaßliche Unterstützer der Invasion auszuschalten. 1953 deckte die schwedische Polizei die Organisation auf. Hallberg wurde in einem Geheimverfahren freigesprochen. Er starb 1968, die Akten wurden bis 2004 gesperrt. Seine Organisation soll aber noch 1989 intakt gewesen sein. Fragen im Zusammenhang mit dem Mord am schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme drängen sich auf.

      So soll der zweite Mann der CIA in Europa und Chef des Intelligence Tactical Assessment Center (ITAC), ein gewisser Oswald LeWinter, Papiere vorgelegt haben, die beweisen sollen, daß Palme im Zuge einer "Operation Tree" ermordet werden sollte. Ausgangspunkt dieser angeblichen vom Allied Clandestine Committee/ Special Operations Planning Staff (ACC/SOPS), dem Koordinierungszentrum der Stay-behind-Netzwerke, herrührenden Überlegungen waren Pläne Palmes über einen kernwaffenfreien Norden und etwaige Verhandlungen darüber mit Moskau. An solchen SOPS-Treffen sollen der Chef der Operativen Abteilung (B) des schwedischen Sicherheitsdienstes (SÄK) P. G. Näss und der ehemalige Stay-behind-Chef und frühere Scandia-Versicherungs-Direktor Alvar Lindencrona teilgenommen haben. Das Scandia-Haus in Stockholm – früher Thule-Haus – soll die Zentrale der Stay-behind-Netze gewesen sein. Vor diesem Haus wurde Olof Palme am 28.2.1986 mit einem Smith & Wesson erschossen.

      Eine andere Spur führt zur "World Anticommunist League" (WACL), deren früherer Generalsekretär der Europa-Sektion Anders Larsson behauptete, über eine Ermordung Palmes im Zusammenhang mit dessen bevorstehender Moskaureise informiert worden zu sein. Außerdem hätte das WACL-Mitglied Michael Townly den Namen Palme auf einer Todesliste stehen gehabt. Das WACL- und Ustaschamitglied Miro Baresic soll wiederum an einem Waffengeschäft mit einem kurdischen Heroinhändler mit PKK-Verbindungen beteiligt gewesen sein, bei dem es um einen Revolver der Marke Smith & Wesson ging (die sogenannte "Kurdenspur"). Larsson behauptete außerdem, daß das "Covert Action Department" der CIA, das den WACL durch dessen internationalen Leiter General John Singlaub kontrollierte, den Entschluß zu diesem Mord gefaßt hätte. Die WACL vereinigt weltweit alle möglichen rechtsextremen Gruppierungen, Vertreter der freien Marktwirtschaft und radikale Antikommunisten. Auch im Umfeld der Stay-behind-Mitglieder trifft man immer wieder auf die WACL.


      Eine weitere Spur weist den Weg zu rechtsextremen Elementen in der Polizei, die Mitglieder eines privaten Kampfschützenvereins waren. In deren Umkreis bewegte sich ein namentlich nicht genannter Psychologielehrer an der Polizeischule, der Anführer der "Sturmabteilung Sveaborg" gewesen sein soll. Diese war ja Rekrutierungsstelle für die Stay-behind-Netze des damaligen CIA-Residenten William Colby. Und da gab es noch die aus Polizisten gebildete, 1983 wegen eines ungeklärten Todesfalles aufgelöste rechtsextreme Baseball-Liga des Hans Holmér, Mitglied der schwedischen Sozialdemokraten und zu der Zeit Polizeichef von Stockholm. Er führte lange Zeit die Mordkommission im Fall Palme, die jetzt Hans Olebrö leitet. Dann gab es noch den Polizeiwagen 1520. Und jede Menge Walkie-Talkie-Männer in der Mordnacht rings um die Route Olof Palmes zwischen dem von ihm und seiner Frau besuchten Kino und ihrer Wohnung. Und einen Waffenhändler Sege Östling. Und die schwedischen Sozialisten Ebbe Carlsson und Carl Lidbom. Und die Beobachtung zweier AugenzeugInnen: Sie sahen kurz vor der Tat einen Finnen, den eine von ihnen aus einem Sportverein, in dem auch Polizisten verkehrten, kannte. Er stand in einem Hauseingang in der Nähe des Kinos.

      Apropos Finnland: In Stockholm hätte für den Fall einer sowjetischen Invasion in Finnland eine finnische Exilregierung installiert werden sollen. Dafür standen Infrastruktur, Geld und Kommunikationseinrichtungen zur Verfügung, mit denen die finnische Stay-behind-Gruppe geführt werden hätte sollen. Wäre auch Schweden überrannt worden, hätten beide Regierungen nach London ausweichen sollen. Der ehemalige schwedische Geheimdienstmann Birger Elmér, der als Kontaktperson zu Helsinki genannt wurde, verweigerte allerdings jede Aussage dazu.

      Daneben soll es noch einen "geheimen" Geheimdienst "IB" in Schweden gegeben haben, der mit der CIA und den NATO-Geheimdiensten in Osteuropa zusammengearbeitet haben soll. Ob dieser ident war und ist mit dem ukrainischen Geheimdienst IB der rechtsextremen OUN, die vom Dritten Reich (bis 1945) und von der CIA (nach 1947) unterstützte ukrainische Exilorganisation, kann derzeit nicht ausgeschlossen werden.

      John Foster LeMay

      --------------------------------------------------------------------------------
      Quellen:
      Taz, 15. & 17.11.1990, 17.8.1991;
      Die Presse, 2.7.1996;
      Leo A. Müller: Gladio – das Erbe des Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und sein deutscher Vorläufer. Mit einem Beitrag von Werner Raith. Verlag Rowohlt Taschenbuch, Reinbeck bei Hamburg 1991;
      Ola Tuander: Der vielfache Palme-Mord, in: Karl Markus Michel und Tilman Spengler (Hg.): Kursbuch 124, Verschwörungstheorien. Juni 1996. Verlag Rowohlt, Berlin 1996;
      Burkhard Nagel und Klaus D. Knapp: "Mord in Stockholm". Fernsehdokumentation in Zusammenarbeit von N3 und Arte, August 1996.
      Avatar
      schrieb am 29.07.02 22:43:13
      Beitrag Nr. 38 ()
      rossi,
      mal schaun, auf was ich noch stosse bei meiner suche. während ich mich mit dem teil der italienischen geschichte immer wieder beschäftigt habe, bin ich in der türkischen nicht bewandert und entsprechend vorsichtig bei dem, was ich reinstelle :)



      29. Juli 2002, 16:58, NZZ Online
      Sprengsätze in Italien entschärft

      (ap) In Norditalien sind am Montag zwei Sprengsätze entdeckt und von Experten entschärft worden. Da sie in ihrer Machart sehr ähnlich waren, wurde vermutet, dass sie von den selben Tätern versteckt wurden. Eine der Bomben war in der Nähe einer Fiat-Niederlassung in Mailand, die andere in der Nähe eines Gewerkschaftshauses in Monza versteckt. Zu den versuchten Anschlägen bekannte sich niemand, erklärte ein Polizeisprecher.

      Kontroverse um Arbeitsreform
      Hinter den Bomben könnten Auseinandersetzungen auf dem Arbeitsmarkt stehen. So hat der angeschlagene Autohersteller Fiat angekündigt, Tausende Arbeiter in diesem Sommer für einen Monat zu beurlauben, um Kosten zu sparen. Einige Gewerkschaften haben ihre Zustimmung zu einer von der konservativen Regierung eingeleiteten Reform erklärt, die Entlassungen vereinfachen würde. Zudem gab es in jüngster Zeit eine ganze Serie von Bombendrohungen in Italien.

      Bombendrohung im Parlament
      In der vergangenen Woche wurde das Parlament in Rom wegen einer Bombendrohung geräumt, doch fanden Experten bei einer Durchsuchung des Gebäudes keinen Sprengsatz. Wer hinter diesen Vorfällen steckt, ist unbekannt. Italien war in den 70er und 80er Jahren Schauplatz zahlreicher Terroranschläge, die von Extremisten der Linken und der Rechten verübt wurden. In den vergangenen drei Jahren hat eine Nachfolgeorganisation der Roten Brigaden zwei Regierungsberater ermordet.
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 11:54:24
      Beitrag Nr. 39 ()
      Nr. 27/2002 - 26. Juni 2002

      Extremisten der Staatssicherheit
      Schneller, schneller! Ein neuer Gesetzentwurf gegen »Extremismus« wird derzeit durch die russische Duma gepeitscht. Am vergangenen Donnerstag wurde er in zweiter Lesung - die erste fand am 6. Juni statt - mit 226 gegen 126 Stimmen verabschiedet. Die der Regierung nahe stehenden Parteien stimmten dafür, die Liberalen waren gespalten, die so genannte Kommunistische Partei stimmte dagegen. Die KP-Abgeordnete Tamara Pletneva sagte: »Wir sind für eine Bekämpfung von Faschismus, Rassismus und ethnischem Chauvinismus, aber das findet sich alles bereits in existierenden Gesetzen. Das Ziel ist es, jede Opposition zum Schweigen zu bringen.«

      In dem Entwurf wird Extremismus als Aktivität definiert, die darauf zielt, die bestehende Ordnung umzustürzen oder rassistischen, religiösen und ethnischen Hass zu schüren. Wenn das Gesetz verabschiedet wird, können die Behörden Parteien oder NGO, deren Mitglieder des Extremismus beschuldigt werden, verbieten. Kritiker verweisen insbesondere darauf, dass die Behörden verschiedene Standards anlegen, wen sie als »Extremisten« sehen. So wurde eine Demonstration von 200 Globalisierungskritikern am 28. Mai in Moskau von 2 000 Antiaufstandspolizisten begleitet und aufgelöst; bei der Randale im Anschluss an ein verlorenes Fußballspiel Russlands mit 8 000 aufgeheizten Fans waren zunächst 120 Polizisten im Einsatz.
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 12:45:25
      Beitrag Nr. 40 ()
      der eine oder andere User wird meinen, daß dieser taz-Artikel weiter unten in diesem posting nicht zum Thema passt.....



      ......ich finde jedoch, daß dieser Artikel beklemmend deutlich vor Augen führt, wie schnell sich Menschen an mehr oder weniger schleichende Brutalität gewöhnen und sogar Personen, die sich von ihrer beruflichen Position her dem entgegenwerfen müssten, rasch mit nahezu allem arrangieren und Menschen opfern, um weiter bequem leben zu können oder auch nur ihre eigene Haut zu retten.

      Das gefährliche an solchen antidemokratischen Bewegungen wie der Berlusconi-Mafia ist ja, daß man überrascht ist, wie unspektakulär und unauffällig die einzelnen Mosaiksteine des Totalitarismus oder seiner Vorstufen aussehen, wenn man die Betrachtung der zugrundeliegenden Struktur auf diese winzigen, aber in der Summe eben doch mächtigen und verheerenden Mikrostrukturen lenkt.

      Totalitäre Strukturen sind unauffällig und kaum wahrnehmbar gewobene, feinste Netze.... deswegen belächeln auch scheinbar kluge Leute solche (andere) Menschen, die aufgrund ihres Sensoriums früher als andere die verheerende Entwicklung nicht nur wahrnehmen, sondern zum Thema machen.

      Wie früh hat z.B. Tucholsky gegen die von ihm wahrgenommene mächtige Grundströmung angeschrieben und verzweifelt versucht zu warnen!?

      Doch erst nach dem Desaster des 3. Reiches hat die Erkenntnis dazu ereicht, solche Gedichte zu schreiben:

      (kann es leider nur sinngemäß zitieren)

      "Als sie die Kommunisten holten, habe ich nichts getan -
      schließlich war ich kein Kommunist.

      Als sie die Sozialisten holten, habe ich nichts getan -
      schließlich war ich kein Sozialist.

      Aöls sie die gewerkschafter holten, habe ich nichts getan - ich war ja kein gewerkschafter.

      Als sie die Sozialdemokraten holten, habe ich nichts getan -
      schließlich war ich kein Sozialdemokrat.

      Und als sie mich holten - da war keiner mehr da, der etwas tun konnte."

      (Bonhöfer)

      ----------------------------------------------------------


      Die Beifahrer der Diktatur
      aus Buenos Aires und La Plata GABY WEBER

      Der Esszimmertisch wird zum Zeugenstand. Um ihn herum haben sechs Gerichtsdiener Platz genommen, Staatsanwalt Felix Crous und die Richter Jorge Ballesteros und Leopoldo Schiffrin. Man sieht es dem Hausherrn an, er will kein Zeuge sein. Monatelang hat David Filc versucht, sich um die Vernehmung zu drücken. Nein, meint er, der heutige Besuch sei ihm nicht angekündigt worden. Er wolle sich später schriftlich äußern. Unruhig rutscht er im Trainingsanzug auf seinem Sessel herum. Langsam dämmert es ihm, dass er angesichts dieses Aufgebots um eine Aussage nicht herumkommen wird.

      Seit einem Jahr stand sein Name auf der Zeugenliste des Juicio por la Verdad in La Plata. Das Wahrheitstribunal wurde vor drei Jahren ins Leben gerufen. Wegen der immer noch gültigen Amnestiegesetze kann es niemanden verurteilen oder bestrafen, es soll aber das Schicksal der während der Militärdiktatur Verschwundenen aufklären. Während der Gewaltherrschaft zwischen 1976 und 1983 ließen die Generäle 30.000 Regimegegner ermorden. Die meisten Leichen tauchten nie auf.

      Verstrickt in die Morde waren auch die Konzerne, die damals ihre Fabriken von unbequemen Betriebsräten säuberten. Bei Mercedes Benz Argentina, heute DaimlerChrysler Argentina, "verschwanden" mindestens 14 Betriebsräte. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelt unter dem Aktenzeichen 407 Js 41063/98 gegen die argentinische Tochter des Weltunternehmens wegen Beihilfe zum Mord. Konkrete Stellungnahmen zu den Vorwürfen haben Mutterkonzern und auch DaimlerChrysler Argentina nicht veröffentlicht.

      Bei Mercedes Benz Argentina war David Filc, der demnächst 80 wird, bis 1982 Einkaufschef. Er hatte dem Wahrheitstribunal ein Attest geschickt. Herzkrank. Verhandlungs- und transportunfähig. Der Amtsarzt hatte es bestätigt. Doch Richter Schiffrin wollte sich nicht mit einer schriftlichen Erklärung zufrieden geben, und so hat das Tribunal eben Filc in seinem Haus in Buenos Aires aufgesucht, das gleich gegenüber dem Botanischen Garten liegt. Schiffrin hatte bereits den Gewerkschaftschef José Rodríguez (siehe Kasten) und die damaligen Manager von Mercedes vorgeladen.

      Zum Beispiel Produktionschef Juan Tasselkraut. Auch gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg seit drei Jahren wegen Beihilfe zum Mord. Vor dem Tribunal im Landgericht von La Plata bestritt der 61-Jährige, Adressen von Betriebsaktivisten an Militärs weitergegeben zu haben, erwähnte aber, dass wegen der Betriebsräte damals die Produktivität auf 40 Prozent gefallen sei. Nach ihrer Ermordung habe wieder mit ausgelasteten Kapazitäten produziert werden können. Warum? "Wunder gibt es nicht, Euer Ehren", sagte Tasselkraut.

      Justiziar Pablo Cueva. Der 74-Jährige hatte im Auftrag der Firma eine Liste mit Namen und Privatadressen der - später ermordeten - Betriebsräte an die Politische Polizei übergeben: "Ja, das ist meine Unterschrift", erklärte er. Ob das Unternehmen die Polizeireviere der Umgebung - berüchtigte Folterzentren - mit Spenden bedacht habe? Ja, dafür habe man jährlich zwei Millionen Dollar aufwenden können. So habe etwa die Firma, erinnerte sich Cueva lachend, der Armeekaserne Campo de Mayo medizinische Geräte zur Behandlung von Frühgeburten gespendet. Der Armeekaserne? Ruhe im Gerichtssaal. Jawoll, der Kaserne. Nicht dem Militärhospital, wo die Ehefrauen der Offiziere ihre Kinder zur Welt bringen? Nein. Der Kaserne. Dort waren während der Diktatur Schwangere gefangen, die Niederkunft wurde künstlich eingeleitet. Danach wurden sie gefoltert und ermordet, die Babys Militärs übergeben. Die von Mercedes gespendeten Geräte könnten dabei hilfreich gewesen sein.

      Zwangsweise vorgeführt wurde Ruben Lavallen, Folterer und wegen Raubs eines Kindes von ermordeten Regimegegnern rechtskräftig verurteilt (siehe taz vom 10. 4. 2001). 1978 wurde er Werkschutzchef von Mercedes. "Ein lukrativer Job", erinnerte sich der 66-Jährige. Von Folter will er als Kommissariatsleiter nichts erfahren haben, in Sachen Kindesraub verweigerte er die Aussage. Gegen ihn haben jetzt Staatsanwalt und Nebenkläger Haftbefehl beantragt.

      Die Vernehmung im Hause von David Filc. Schließlich redet er doch. "Ich war der Jude im Vorstand", erzählt er den Richtern, "DER Jude, bei DER Firma." Staatsanwalt Crous nickt. Hatte nicht der Deutsche Adolf Eichmann, bis 1945 verwaltungstechnisch für die "Endlösung" zuständig, bis zu seiner Entführung durch den Mossad im Mai 1960 bei Mercedes Benz Argentina gearbeitet? Filc bejaht. Seine eigene Familie, die in Warschau verblieben war, ermordeten die Nazis. Filc war zwei Monate vor Eichmanns Entführung in die Firma eingetreten. "Damals hatten bei Mercedes Benz noch zahlreiche SS-Leute das Sagen", berichtet er.

      Die Entführung Eichmanns war in der Firma "ein Tabu". Ein Tabu war auch das Verschwinden der Betriebsräte in den Jahren 1976/77. Der Autorin dieses Artikels gegenüber hatte Filc gesagt, dass seine Firma die Gunst der Stunde - der Militärdiktatur genutzt und diese Leute als "Subversive" beschuldigt habe. Damals ein sicheres Todesurteil. Die näheren Umstände der Entführungen will Filc nicht gekannt haben, sein Arbeitsplatz war nicht die Fabrik draußen in González Catán, sondern die Zentrale Buenos Aires. Ob das "Verschwinden" des Betriebsrats nicht aufgefallen sei?, fragen ihn die Richter des Wahrheitstribunals. Doch, seinen Kollegen natürlich, diese Leute seien ja physisch verschwunden. Warum die Firma zehn Jahre lang den Witwen die Löhne weitergezahlt habe? Dafür sei nicht er, sondern der Personalchef zuständig gewesen. Und der ist tot.

      Filc hatte ab Mai 1977 innerhalb des Direktoriums den Verkauf geleitet, sein größter Abnehmer von Lastwagen, Unimogs und Kriegsgerät aller Art war die Armee. Zu seinen Geschäftspartnern pflegte er auch sozialen Kontakt. Der Innenminister der Diktatur, Albano Hargindeguy, lud ihn zur Hochzeit seines Sohnes ein. Der besonders sadistische Oberbefehlshaber des 1. Heerescorps, Carlos Guillermo Suarez Mason, beschrieb ihm beim Mittagessen die Arbeit der ihm unterstehenden Folter- und Mordkommandos.

      Der tägliche Kontakt zur Armee lief über den Vermittler Rodolfo Schneider. Dieser habe dafür viel Geld kassiert. Aber Schneider, inzwischen verstorben, habe auch hohe Ausgaben gehabt; er bezahlte die Schmiergelder an die Militärs und an den Gewerkschaftschef, José Rodríguez. "Wir wussten alle, womit Rodríguez seine Villa in Punta del Este bezahlt hat", spricht Filc den Richtern ins Mikrofon.

      1982 schied Filc aus der Firma aus, seine Frau hatte ihn gedrängt. Er hatte einen Herzinfarkt erlitten und hielt auch den Widerspruch nicht mehr aus. Während er mit uniformierten Mördern beim cafecito übers Geschäft plauderte, wurden Verwandte seiner Frau als Guerilleros verfolgt; viele flüchteten ins Ausland. Ein Freund wollte zurückkehren, wurde jedoch an der paraguayischen Grenze verhaftet und schluckte eine Zyankalikapsel.

      Im Laufe der Vernehmung taut Filc auf. Es scheint ihm gut zu tun, sich alles von der Seele zu reden. Impunidad, Straffreiheit, ist für ihn mehr als eine Parole. Er weiß, wie viele Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg unbehelligt am Rio de la Plata ihr Unwesen trieben. Er war Schatzmeister der Jüdischen Gemeinde, und die Attentäter auf das Gemeindehaus, bei dem 86 Menschen ums Leben kamen, sind bis heute nicht verurteilt. Die Mörder der Mercedes-Betriebsräte verstecken sich hinter Amnestiegesetzen.

      Auf der Anrichte im Esszimmer steht ein gerahmtes Foto, sein Sohn Dani. Er ist 1984 nach Tel Aviv gezogen und leitet dort die Organisation "Ärzte für Menschenrechte". Als Arzt eines Reserveregiments hat er öffentlich dazu aufgerufen, keinen Dienst in den von Israel besetzten Gebieten zu leisten. Das kann mit Gefängnis bestraft werden. Filc senior ist stolz auf Dani. Lächelnd unterschreibt er das Protokoll, der Gerichtsdiener steckt die Kassette in den Briefumschlag und versiegelt ihn.

      taz Nr. 6813 vom 30.7.2002, Seite 5, 226 Zeilen (TAZ-Bericht), GABY WEBER

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 31.07.02 22:53:12
      Beitrag Nr. 41 ()
      zum thema deutsche kontinuitäten

      momentan auf phoenix: monowitz


      ansonsten:

      20.04.2002

      Inland
      Janis Schmelzer

      Kontinuitäten

      Wie setzt man sich mit dem Genozid als Teil der eigenen Geschichte auseinander? Zwei Fallbeispiele

      Im Februar 2001 informierte das Deutsche Historische Museum (DHM) den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Köln, über das Projekt seiner Holocaust-Ausstellung und schrieb, daß es dabei auch um die Frage geht, »wie man sich nach 1945 mit dem Holocaust als Teil der eigenen Geschichte auseinandergesetzt hat«. Generaldirektor Dr. Hans Ottomeyer schrieb, daß in der Ausstellung »auch auf die Rolle des IG-Farben-Konzerns im Zweiten Weltkrieg sowie auf das Problem der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter/innen« eingegangen werde. In einem zweiten Schreiben vom August 2001, diesmal an den Geschäftsführer der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG), erbat das DHM Hinweise auf »verschiedene biographische Kontinuitäten« nach 1945, auf die die Ausstellung Bezug nehmen wolle, und Material über die Lebensläufe einiger wichtiger Mitglieder der IG Farben, wie Carl Krauch, Fritz ter Meer, Heinrich Bütefisch oder Otto Ambros. Als die Ausstellung »Holocaust. Der Nationalsozialismus und die Motive seiner Erinnerung« dann im Januar im Kronprinzenpalais in Berlin eröffnet wurde, fehlten jedoch die geplanten Vorhaben. Lediglich in einem aus neun Exponaten bestehenden Kapitel unter dem Namen »Biographische Kontinuitäten« erschien das Konterfei von Heinrich Bütefisch mit dem Dokument der Rücknahme der Ordensverleihung vom 14. April 1964 (5/103). Als Grund für die Peinlichkeit, daß Bundespräsident Heinrich Lübke Bütefisch auffordern mußte, das Verdienstkreuz wieder zurückzugeben, wurde zwar mit Recht der öffentliche Protest genannt, jedoch der Zusammenhang ausgeblendet. Mit seiner Zeugenaussage im Frankfurter Auschwitz-Prozeß 1964 wurden die Verbrechen der IG Farben in der Öffentlichkeit bekannt. Daß Bütefisch SS-Obersturmbannführer, Wehrwirtschaftsführer und Mitglied des »Freundeskreises Reichsführer SS« war, hatte das Deutsche Historische Museum als Kenntnis der Besucher vorausgesetzt. Die weiteren vorgesehenen IG-Herren wurden erst gar nicht einbezogen. Carl Krauch, der nach Göring und Speer der mächtigste Vertreter der Rüstungswirtschaft war, Fritz ter Meer, ein Verwandter des damaligen CDU-Schatzmeisters Leisler-Kiep und Otto Ambros, der sich der sehr segensreichen »neuen Freundschaft mit der SS« brüstete, schienen dem Deutschen Historischen Museum nicht geeignet, in die Ausstellung aufgenommen zu werden.

      Die Unabhängige Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg befaßt sich dagegen in ihrer Veröffentlichung »Tarnung, Transfer, Transit. Die Schweiz als Drehscheibe verdeckter deutscher Operationen (1939-1952)« eingehend mit dem Verbleib der im US-Nachfolgeprozeß Fall VI gegen IG Farben verurteilten und frühzeitig entlassenen ehemaligen IG-Direktoren Dr. Heinrich Bütefisch und Otto Ambros. Und beschönigt nichts. Obwohl in der Schweiz »wegen krimineller Geschehen von Auschwitz« als »verurteilte Kriegsverbrecher« bekannt, konnten die beiden Herren die Schweiz in den fünfziger Jahren ohne weiteres aufsuchen. Bütefisch, einst Vorstandsmitglied der IG Farben, pflegte enge Verbindungen zum Leiter der Holzverzuckerungs AG (Hovag), Werner Oswald. Er übernahm Beraterdienste für die Hovag neben seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Kohle-Öl-Chemie GmbH, Gelsenkirchen.

      Als einer der Hauptverantwortlichen für die Verbrechen des IG-Konzerns in Auschwitz-Monowitz gilt das Vorstandsmitglied Otto Ambros. Im Januar 1956 reichte er ein Gesuch beim Schweizer Konsulat in Stuttgart für eine Übersiedlung in den Kanton Tessin ein, um dort nach seiner Pensionierung ab 1960 seinen ständigen Wohnsitz zu nehmen. Obwohl die Eidgenössische Fremdenpolizei dieses Gesuch ablehnte, gewährte ihm die Tessiner Fremdenpolizei 1959 das Aufenthaltsrecht zum Zwecke von Kur und Erholung. 1961 - Ambros lebte bereits zwei Jahre im Tessin - gelangte die Angelegenheit zwar vor die Bundesbehörden, doch ohne Konsequenzen.

      Erst als 1964 beim Frankfurter Auschwitz-Prozeß vom DDR-Nebenkläger Prof. Friedrich Karl Kaul befragte Zeugen Ambros als modernen Sklavenhalter bezeichneten, der »die Leute schlimmer behandelte als die SS«, entschied der Bundesrat, der Mann ist »in der Schweiz politisch-polizeilich untragbar«. Damit erledigte sich der Fall für die Schweizer Behörden. Ambros selbst lebte da schon das sechste Jahr in der Schweiz und blieb auch weiterhin unbehelligt.
      http://www.jungewelt.de/2002/04-20/017.php
      Avatar
      schrieb am 31.07.02 23:28:12
      Beitrag Nr. 42 ()
      von mir auch danke :)
      Avatar
      schrieb am 31.07.02 23:36:08
      Beitrag Nr. 43 ()
      ähm, genova, thanks.
      aber jetzt hab ich mich doch vertan, wenn auch wieder nicht ;) - der letzte beitrag gehörte eigentlich in deep thoughts thread über chile oder argentinien oder bolivien oder italien oder.....

      oups, jetzt hats fürchterlich gedonnnert. was soll mir das sagen?
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 00:10:17
      Beitrag Nr. 44 ()
      ist ja wurscht. wenn wir schon mal hier sind, dann weiter in sachen deutscher kontinuitäten:


      25. November 1998 Jungle World


      Ambros, Otto
      Vor 1945: Vorstandsmitglied; Wehrwirtschaftsführer; Geschäftsführer des Werkes Buna IV in Auschwitz.
      Nach 1945: Angeklagter im IG-Farben-Prozeß, acht Jahre Haft, aber bereits 1952 vorzeitig entlassen; Aufsichtsratsposten bei: Chemie Grünenthal, Pintsch Bamag, Knoll, Feldmühle, Telefunken und vielen anderen, Berater von Flick.

      Bütefisch, Heinrich
      Vor 1945: Vorstandsmitglied; Kontakte zu Hitler und Heß; Wehrwirtschaftsführer; Obersturmbannführer; Produktionsbeauftragter Öl im NS-Rüstungsministerium; Leiter der Abteilung Benzinsynthese in Buna-Auschwitz.
      Nach 1945: Angeklagter im IG-Farben-Prozeß, sechs Jahre Haft, vorzeitige Entlassung 1951; Aufsichtsratsmitglied Ruhr-Chemie u.a.

      Claussen, Wilhelm
      Vor 1945: Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung von IG Farben; Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft im (besetzten) Serbien.
      Nach 1945: Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.

      Hansen, Kurt
      Vor 1945: IG-Chef für Rohstoffbeschaffung.
      Nach 1945: Vorstandsvorsitzender Bayer.

      Jähne, Friedrich
      Vor 1945: Vorstandsmitglied; Wehrwirtschaftsführer; Aufsichtsratsmitglied mehrerer IG-Tochterfirmen.
      Nach 1945: Angeklagter im IG-Farben-Prozeß, verurteilt zu sieben Jahren Haft, 1951 begnadigt; Aufsichtsratsvorsitzender der Hoechst AG.

      Knieriem, August von
      Vor 1945: Vorstandsmitglied und als Leiter der Rechtsabteilung Chefsyndikus von IG Farben.
      Nach 1945: Angeklagter im IG Farbenprozeß; Vorsitzender des Aufsichtsrates von IG Farben i.L.

      Krauch, Carl
      Vor 1945: Aufsichtsratsvorsitzender; NS-Generalbevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Erzeugung; Präsident des Reichsamtes für Wirtschaftsausbau; Wehrwirtschaftsführer.
      Nach 1945: Angeklagter im IG-Farben-Prozeß; Urteil 1948: sechs Jahre Haft, vorzeitige Entlassung 1950; Aufsichtsratsmitglied der Buna-Werke Hüls.

      Kugler, Hans
      Vor 1945: IG Farben-Direktor; Kommissar des Reichswirtschaftsministeriums im besetzten Tschechien.
      Nach 1945: Angeklagter im IG-Farben-Prozeß; kurze Gefängnisstrafe, Vorstandsmitglied der Entflechtungsfirma Cassella; Mitglied des Hauptausschusses des Verbandes der Chemischen Industrie.

      Meer, Fritz ter
      Vor 1945: Vorstand IG Farben, verantwortlich für die Planung von Buna; Wehrwirtschaftsführer; NS-Generalbevollmächtigter für Rüstung in Italien.
      Nach 1945: Angeklagter im IG-Farben-Prozeß, sieben Jahre Haft, aber bereits 1951 entlassen; Aufsichtsratsvorsitzender Bayer.

      Schmitz, Herrmann
      Vor 1945: Vorstandsmitglied; Wehrwirtschaftsführer; Reichstagsmitglied der NSDAP seit 1933.
      Nach 1945: Angeklagter im IG-Farben-Prozeß, vier Jahre Haft; 1950 vorzeitig entlassen, Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank und Ehrenvorsitzender der Rheinischen Stahlwerke.

      Winnacker, Karl
      Vor 1945: IG-Farben-Direktor Farbwerke Hoechst.
      Nach 1945: Vorstandsvorsitzender der Hoechst AG; Aufsichtsratsvorsitzender der Kernreaktorbau- und Betriebs GmbH; Präsident des Deutschen Atomforums.

      (Quellen: IG Farben - Von Anillin bis Zwangsarbeit. Zur Geschichte von Bayer, BASF, Hoechst und anderen deutschen Chemiekonzernen. Hg.: Coordination gegen Bayer-Gefahren. Schmetterling-Verlag, Stuttgart 1995; Performance einer Aktie, Botschaft e.V., Berlin 1993; Memorandum anläßlich der 41. Aktionärsversammlung der IG Farben i.L., Hg.: Internationales Auschwitz-Komitee u.a., 1996)
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 10:51:35
      Beitrag Nr. 45 ()
      ähm, ehrlich gesagt, meinte ich nur dein posting nummer 12, antigone (quelle??). ich lese extrem lange postings generell nicht. das ist mir zu anstrengend, am computer. länger als 20 zeilen sollte kein posting sein. denk an die informationsfülle hier und dann an den leser ;)

      aber der ansatz dieses threads ist schon der richtige. italien ist überall möglich.
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 10:55:01
      Beitrag Nr. 46 ()
      ja mein Gott, was heisst schon "Legastheniker", der Bub liest halt wenig. (Gerhard Polt)
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 11:06:13
      Beitrag Nr. 47 ()
      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 11:10:48
      Beitrag Nr. 48 ()
      @ genova
      ja schad, dasd net les`n mogst :)

      @ hossinger
      aba mei, da kama nix macha,
      wenn da bub ned les`n mog.
      gibts merad von dene
      und kann trotzdem wos ausam werdn,
      wenna gross is ;)
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 11:12:16
      Beitrag Nr. 49 ()
      ähm, genova, quelle war die zeit :)
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 11:17:29
      Beitrag Nr. 50 ()
      aba i lös doch schon so fui.

      :confused:

      ich hab halt keine flatrate, antigone :cry:

      antigone, jetzt stell doch noch die verbindung von ig farben über flick zur fdp her. findest du das was? die connecton ist meiner meinung nach sehr ergiebig, möllemann da sehr bezeichnend.
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 11:18:36
      Beitrag Nr. 51 ()
      ich könnte natürlich auch selbst suchen :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 11:34:40
      Beitrag Nr. 52 ()
      Online sein braucht man nur zum LAden der texte... Lesen (oder vorlesen lassen) oder ausdrucken kann man auch offline.... :D
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 11:37:08
      Beitrag Nr. 53 ()
      mist. erwischt :D
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 15:44:46
      Beitrag Nr. 54 ()
      für genova: auf besonderen wunsch. möllemann und flick :)

      8.3.2000

      Woche aktuell 10/2000
      Möllemann: "Naturtalent" des Machtinstinkts
      Die FDP präsentiert sich zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit einem Spitzenkandidat, den selbst ein Fallschirm nicht vor dem Absturz bewahrt, der aber immer wieder aufzustehen gelernt hat. Unter dem Vorsitz von Jürgen W. Möllemann hatte die FDP in NRW bereits bei den Kommunalwahlen 1994 von 978 Ratsmandaten 664 verloren. Medienwirksam trat er zurück. Das tat jedoch seiner Wiederwahl zum Landesvorsitzenden zwei Jahre später keinerlei Abbruch. Wie kein anderer steht Möllemann für den seiner Partei typischen "Mut der Verzweiflung" und die Bereitschaft, jederzeit die Fahne nach dem Wind zu richten.

      Sein ausgeprägter Machtinstinkt trieb ihn schon früh zu äußerster Flexibilität. Bis 1969 in der CDU, wechselte er sofort nach Regierungsantritt der SPD/FDP-Koalition zur FDP. Anfang 1978 wurde er "vom Haus Flick" als Direktionsassistent für 60.000 DM heimlich "unter Vertrag genommen" und lernte das Handwerk des Schmierens und der Korruption von der Pike auf.

      Seine Sporen verdiente er sich als Rüstungslobbyist im Verteidigungsausschuß und als Staatsminister im Auswärtigen Ausschuß (1982-1987). Als Wirtschaftsminister (1991-1993) und gleichzeitiger Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft ("Ich gebe Firmen Rückendeckung, ich mache Türen auf" - eine art hunzinger der fdp ;) ) war er an dem größten Rüstungsdeal der Nachkriegsgeschichte, der Panzer-Lieferung an Saudi-Arabien, maßgeblich beteiligt. Mit von der Partie war damals auch der Dortmunder Geschäftsmann Wegener. Dessen Lohn bestand in einem Marketing-Vertrag der Firma Thyssen in Höhe von 8,93 Millionen Mark mit der Firma Great Aziz Corp. mit Sitz in Panama, für die Rolf Wegener zeichnete. Mit diesem Wegener gründete Möllemann am 12. Dezember 1994 in Münster die MS-Air-Gesellschaft für Flug- und Luftbildservice mbH. Im Jahr 1996 spendet Wegener der FDP in NRW 300.000 Mark. Möllemann war inzwischen wieder Landesvorsitzender geworden. An die Rolle Wegeners kann sich Möllemann heute nicht mehr erinnern: "Das liegt ja schon zehn Jahre zurück."

      Ebenfalls mit von der Partie beim Panzer-Deal war der damalige Militärattache in der deutschen Botschaft in Riad, Klaus Geerdts. Zum selben Zeitpunkt, wo Wegener die letzte Rate von Thyssen erhielt, gründete Möllemann am 24. Februar 1994 mit eben diesem Geerdts in Düsseldorf die Firma WEB (Wirtschafts- und Exportberatung) / TEC (Trade and Export Consult).

      Das von Kohl wegen seiner Eigenschaften hochgeschätzte "politische Naturtalent" Möllemann mußte Anfang 1993 seinen Hut als Wirtschaftsminister nehmen. Der Grund war die sogenannte "Chip-Affäre". In persönlichen Empfehlungsschreiben pries Möllemann damals Großmärkten wie Aldi und Coop einen Plastik-Chip für Einkaufswagen an. Hersteller war "rein zufällig" ein Vetter seiner Frau. Als das aufflog, beschuldigte Möllemann zunächst seinen persönlichen Referenten Frings, seine Blankounterschrift mißbraucht zu haben. Kleinlaut mußte er später zugeben, selber unterschrieben zu haben. Möllemann wählte damals schon den inzwischen üblichen Sprachgebrauch: Er habe "nicht gelogen", nur "objektiv falsche Erklärungen" abgegeben. Seine ehemals geschätzte Kollegin Ex-Wohnungsbauministerin Adam-Schwaetzer hält Möllemann schlicht für ein "intrigantes Schwein". Was könnte ihn mehr für die Spitzenkandidatur der FDP qualifizieren?

      Daß Möllemann jedes Mittel recht ist, um nach oben zu kommen, stellte er im jetzigen Wahlkampf erneut unter Beweis. Auf einem Wahlplakat sah man Sekten-Guru Bhagwan, Adolf Hitler und Horrorfilmfigur Freddy Krueger abgebildet. Darunter die Unterschrift: "Wenn wir nicht schnell für mehr Lehrer sorgen, suchen sich unsere Kinder selbst welche". Während Möllemann selbst vor solchen demagogischen und populistischen Methoden nicht zurückschreckt, erklärte er hinsichtlich der Massenproteste gegen Jörg Haider in Österreich: "Ich verstehe die Hysterie nicht".

      Um sich alle Möglichkeiten offen zu lassen, vermeidet er jede Koalitionsaussage. Nur eines möchte Möllemann nicht so gerne - ein Ministeramt. Statt dessen wolle er lieber Abgeordneter und Fraktionschef bleiben, "denn das würde mir erlauben, meine wirtschaftliche Unabhängigkeit als Inhaber einer erfolgreichen Firma zu behalten". (RP 11.2.00) Es dreht sich wohlgemerkt um die Düsseldorfer WEB/TEC, wo sich Möllemann mit seinen Insider-Beziehungen auch weiterhin eine goldene Nase verdienen möchte.

      Quellen: Munzinger-archiv; spiegel 1/93, S.22; 46/94, S.26; stern 9.12.99
      http://www.gsa-essen.de/gsa/publikationen/dossiers/analysen_…
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 15:55:25
      Beitrag Nr. 55 ()
      ein bisserl ig farben und visionen für einen neuen MAI

      http://www.subventionsberater.de/gier/igfarbeni.html

      mit hübschen zukunftsaussichten ;)
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 16:31:35
      Beitrag Nr. 56 ()
      Hi, hab den Thread jetzt erst entdeckt. Ich hab das neulich Abend auch gesehen. War absolut beunruhigend, was da über die Prügelexzesse in der Kaserne berichtet wurde, daß angebl. die Gefangenen gezwungen wurden, faschistische Lieder zu singen, Zigaretten auf der Haut ausgedrückt wurden etc. Das ganze Repertoire eines totalitären Polizeistaates.


      Gruß
      H.
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 16:46:43
      Beitrag Nr. 57 ()
      In zwei Etappen zum Sieg –
      Wie Bayer & Co die Nachkriegsgeschichte bestimmen

      von Dr. Janis Schmelzer

      Nach der Zerschlagung des von den IG FARBEN maßgeblich mitinstallierten Hitlerfaschismus übten BAYER-Direktor Prof. Dr. Ulrich Haberland (1943 Stellvertretendes Vorstandsmitglied der IG Farben und Werksleiter Uerdingen und Leverkusen
      http://www.leverkusen.com/whoiswho/h/Haberlan.html) und andere Chemieführer Druck auf die Adenauer-Regierung aus, um die Enteignung der IG FARBEN zu verhindern. Im Ergebnis wurde die einst so mächtige Chemie-Industrie, die Abertausende von Zwangsarbeitern in Auschwitz und anderswo bis zum Tod ausgebeutet hatte, nicht abgewickelt, sondern lediglich halbherzig entflochten. Heute sind die Konzerne BAYER, BASF und HOECHST jeder für sich mächtiger und reicher, als es das IG FARBEN-Kartell jemals war.

      Die Zeit vom Sommer 1947 bis zum Ende des Jahres 1948 war von der zunehmend gegen den Geist der Anti-Hitler-Koalition gerichteten neuen Politik des "Eisernen Vorhangs" geprägt, wie sie in der Fulton-Rede Churchills formuliert worden war. Mit dem ersten Schritt zur wirtschaftlichen und politischen Absonderung von Teilen Deutschlands in Gestalt der Bizone wurden im Herbst 1948 im "Vereinigten Wirtschaftsgebiet" der ehemaligen amerikanischen und britischen Zone auf dem Sektor der chemischen Industrie zur Regelung des Gesetzes Nr. 9 des Alliierten Kontrollrates vom 30. November 1945 über die"Beschlagnahme und Kontrolle des Vermögens der IG-FARBENINDUSTRIE" zwei entscheidende Gremien geschaffen: DieBIFCO = "Zweimächte-IG-FARBEN-Kontrollbüro" (BIPARTITE IG-FARBEN CONTROL OFFICE) rekrutierte sich aus amerikanischen und britischen Kontrolloffizieren. Zum Stab zählten seit 1945 ungefähr 400 deutsche "Experten", die dem US-Kontrolloffizier unterstanden.Ihr Büro befand sich im BAYER-Haus in Frankfurt/Main. Das zweiteGremium wurde abgekürzt FARDIP genannt ("Zweizonen-IG-FARBEN-Aufteilungsausschuß" bzw. BIZONAL IG-FARBENDISPERAL PANEL), das sich im Dezember 1948 konstituierte. Die Berufung dieses Gremiums wurde als grundlegende Änderung der bisher von den westlichen Besatzungsmächten verfolgten IG-FARBEN-Politik gewertet. (1) Wohl mit Recht.

      Unmittelbar nach der Aufforderung der BIFCO, die Mitglieder des FARDIP-Ausschusses zu benennen, fanden auf Initiative der "Arbeitsgemeinschaft Chemische Industrie des Vereinigten Wirtschaftsgebietes" im August 1948 Beratungen über die prinzipielle Linie bei der Auswahl der Experten statt. An diesen Beratungennahmen neben Prof. Ludwig Erhard allein drei Vertreter der IG-FARBEN teil. In der Beratung wurde zunächst folgender Standpunkt erarbeitet: "Der FARDIP-Ausschuß soll aus erstklassigen Fachleutender Chemie, der Rechts-, Finanz- und Wirtschaftswissenschaft bestehen. Eine Besetzung des Gremiums mit politisch abgestempelten Persönlichkeiten soll vermieden werden. Da die Entflechtung im Augenblick als eine der bedeutendsten politischen Fragen betrachtet werden muß, ist es notwendig mit den Vertretern der Politik und den Vertretern der möglicherweise hier aufkommende Interessen Fühlung zu halten." In einer weiteren Beratung, zu der auch Bankier Hermann Josef Abs hinzugezogen wurde, kam es zur erwarteten Bestätigung der Generallinie. Sie fand lediglich eine Erweiterung hinsichtlich der "Beteiligung und Berücksichtigung von Gewerkschaften und Verbänden", entsprechend des Grundsatzes, die Zusammensetzung des Ausschusses nur "rein fachlich" vorzunehmen. Zur politischen Abschirmung sollte eigens ein "Beirat" geschaffen werden (2). Die erste, am 6. September 1948 eingereichte Personalliste des Verwaltungsrates der Bizone FARDIP enthielt noch die Namen des Kriegsverbrechers Hermann Josef Abs und des ehemaligen Nazi-Wehrwirtschaftsführers und Vorstandsvorsitzenden der VEREINIGTEN GLANZSTOFF-FABRIKEN AG, Dr. Ernst H. Vits. Die Auswahl sei unter Berücksichtigung des "allgemeinen Ansehens, das sie in weitesten Kreisen des deutschen Volkes und der Wirtschaft genießen" erfolgt und der "besonderen Kenntnisse und Erfahrungen, die sie auf dem allgemein wirtschaftlichen, rechtlichen, finanziellen, betriebswirtschaftlichen oder chemisch-technischen Gebiet besitzen", hieß es zur Begründung. (3)

      FARDIP nahm zahlreiche Neuordnungsvorschläge entgegen, so von Aktionärsvereinigungen, Vertretern der Gründerfamilien und Gewerkschaften. Aus der Reihe der Besetzungsvorschläge, die an FARDIP herangetragen wurden, erscheint der von Dr. Leisler-Kiep (Taunus) am bemerkenswertesten. Leisler-Kiep sprach sich unverblümt für den status quo ante aus, d. h. für die Wiederherstellung des Zustandes, wie zur Gründung der IG-FARBEN im Jahre 1925. Dieser, aus dem März 1948 stammende Vorschlag, werde, so hieß es, vom Vorsitzenden des Decartellisations-Branch unterstützt, der sich "von dem großen geschäftlichen Wert der Firmennamen der Gründer, HOECHSTER FARBENWERKE, BAYER, BASF, überzeugt habe und infolgedessen ihr Wiedererstehen zulassen würde". (4)

      Voraussetzung für die Realisierung dieses Vorschlages sei, daß die Initiative von den Eigentümern der IG-FARBEN ausgehen müsse. Ein solcher Schritt würde einen ungeheuren Eindruck in der US-amerikanischen Öffentlichkeit auslösen, den Vertretern der Morgenthau-Pläne den "Wind aus den Segeln" nehmen, aber vor allem die IG-FARBEN "privatwirtschaftlich unantastbar" machen. (5)

      Am 29. Juni 1950 unterbreitete FARDIP ihre "Grundlinien eines Gesamtplanes zur Entflechtung der IG-FARBEN-Industrie i. A." (6). Die Leitgedanken dieses Gesamtplanes beruhten im wesentlichen auf dem Vorschlag der IG-FARBEN "Beschleunigte Aufteilung statt Chemietreuhandverband", ausgearbeitet und vorgelegt durch die "Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen für Wertpapierbesitz, Düsseldorf" vom Dezember 1949. (7) Als Alternative zum Gewerkschaftsvorschlag wurden folgende Nachfolgegesellschaften genannt:

      1. die BASF mit den Werken Ludwigshafen und Oppau; 2, die Farbenfabriken BAYER mit den Werken Leverkusen, Dormagen, Uerdingen und Wuppertal-Elberfeld; 3. die Farbwerke HOECHST mit den Werken Frankfurt-Hoechst/Main, Griesheim, Mainkur und Offenbach. Diese Gliederung entsprach der bis zum Zusammenbruch des Hitlerfaschismus bestehenden Einteilung des Gesamtbetriebes des Konzerns in die Betriebsgemeinschaften Oberrhein, Niederrhein und Mittelrhein (Maingau). Die weiteren nicht genannten ehemaligen Betriebsgemeinschaften "Mitteldeutschland" und "Berlin" lagen im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone.

      Vom Herbst 1950 bis Dezember 1951 leistete die Bonner Bundesregierung einen enormen Arbeitsaufwand, um mit den westlichen Besatzungsmächten Einzelheiten über die Zusammensetzung der großen Nachfolgegesellschaften der IGFARBEN zu regeln. Auffallend ist, daß der damit befaßte Personenkreis weitgehend mit dem identisch war, der bereits ein Jahr vor der Gründung der BRD die Interessen der IG FARBEN direkt vertrat. Prof. Dr. Erhard und Dr. Brentzel (vor 1945 führender Mitarbeiter im IG FARBEN-Büro "Berlin NW 7" und im "Ostministerium" sowie zeitweilig Oberkriegs-Verwaltungsrat bei der Hitlerschen Militärregierung in Prag) waren 1948 als Leiter der "Verwaltung für Wirtschaft" der Bizone tätig. W. A. Menne (späteres Vorstandsmitglied der FARBWERKE HOECHST), Dr. Erlenbach und Dr. Haberland (Generaldirektor der BAYER-WERKE) waren 1948 Vertreter der "Arbeitsgemeinschaft Chemie".

      Im Zentrum der Verhandlungen in dieser Etappe stand das von den Vertretern der IG FARBEN erarbeitete Dokument zur "Aufteilung der IG-FARBENINDUSTRIE AG", das im Oktober 1950 als Entwurf der "Vorschläge der Bundesregierung an die Alliierte Hohe Kommission" (AHK) (8) vorlag und
      im Dezember 1950 als "Memorandum der Bundesregierung" vom Bundeskanzler Adenauer an den Geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission, Botschafter Francois-Poncet übermittelt wurde. (9) Adenauer bat in seinem Anschreiben darum, den Aufteilungsplan zum Gegenstand von Besprechungen zwischen den Sachverständigen des Bonner Wirtschaftsministeriums und den beteiligten Stellen des AHK werden zu lassen. So nahmen auch am 29. Mai 1951 an der erbetenen Beratung außer Prof. Erhard allein drei Vertreter der ehemaligen IGFARBEN teil. Laut Protokoll gab Prof. Erhard folgende Erklärung ab:"Die Verantwortung für das Gesetz Nr. 35 – auch vor der Geschichte – könne die Bundesregierung nicht übernehmen." (10)

      In der am 27. September 1951 erneut angesetzten Beratung des gleichen Gremiums, an der auch Abs teilnahm, sprach sich Prof. Erhard erneut gegen das Kontrollrat-Gesetz aus. Dieses Mal ging es um die noch übliche Auslegung des Artikels 10, nach der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates der früheren IG FARBEN von der Aufnahme in die Organe der Nachfolgegesellschaften ausgeschlossen werden sollten, da nach diesem Artikel Kriegsverbrecher auszuschließen seien. Erhard setzte sich für eine grundsätzliche Klärung der Personalfragen ein. Um eine konkurrenzfähige Wirtschaft zu gewährleisten, seien die ehemaligen "leitenden Herren der IG" gerade die "besten Männer" für eine Übernahme der Nachfolgegesellschaften. Sie seien "am geeignetsten für die Liquidation und Führung der Nachfolgegesellschaften", zumal diese Herren schon selbst Entflechtungspläne entworfen hätten. Prof. Erhard sprach sich hinsichtlich der Besetzung für eine sofortige stabile Lösung aus. Abschließend äußerte er sich noch einmal zur Frage der früheren Vorstandsmitglieder des Kriegsverbrecherkonzerns wie folgt: " (… ) bei vielen Deutschen (sei) eine innere Wandlung erfolgt (… ). Im Himmel sei mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 1.000 Gerechte. Er schlage einen kleinen Ausschuß für die Regelung der Personalfragen vor (… ). " (11)

      Der ehemalige Mitarbeiter der Abteilung für Entkartellisierung der US-Militärregierung in der BRD, J. Martin, charakterisierte diese Situation folgendermaßen: "Die Veränderungen in der amerikanischen Wirtschaftspolitik gegenüber Deutschland, die Wiedereinsetzung der Nazis in ihre alten Stellungen, die Förderung der Kartelle, die Spaltung Deutschlands durch die Bildung Bizoniens und dann Trizoniens – das alles sind eigenartige Gegenmaßnahmen, die die Erlangung der deutschen Unterstützung gegen Rußland zum Ziele haben. " (12) Am 14. Dezember 1951 eröffnete W. A. Menne in der Rhein-Main-Bank in Frankfurt/Main die erste Sitzung des Aufsichtsrates der IG-Nachfolgegesellschaft FARBWERKE HOECHST. Menne erklärte, daß die Verhandlungen in den letzten Wochen mit westdeutschen und alliierten Stellen erfolgreich gewesen seien. Zwar müßten formell für eine gewisse Übergangszeit noch Treuhänder in Funktion bleiben, der Vorstand könne aber faktisch so handeln, als ob er bereits die volle Verantwortung trage. (13)

      Bemerkenswert offen ist das von H-D. Kreikamp formulierte Resümee der Entflechtung. Die formale Auflösung des IG FARBEN-Monopols hätte "keine grundsätzliche Entscheidung gegen Monopolbildung in der westdeutschen Wirtschaft " bewirkt, sondern solche Strukturen sogar begünstigt. Die Bemerkung, eine Wiedergeburt der IG FARBEN, die den Wünschen der IG FARBEN entsprochen hätte, sei selbst nicht erfolgt, da nur weniger als die Hälfte des Besitzes in den Westzonen lag, weist auf den revanchistischen Anspruch auf die in den sozialistischen Ländern verlorengegangenen Werke hin. "Formell waren an die Stelle eines Monopol-Unternehmens mehrere zumindest den Binnenmarkt beherrschende Großgesellschaften getreten, die hinsichtlich ihrer Zielsetzung die Unternehmenspolitik `im alten Geist` fortführen. " (14) Darüber hinaus blieben die Besitzverhältnisse unangetastet und "werden maßstabsgetreu auf die Neugründungen übertragen. " (15)

      Anmerkungen:
      1) Trouet, Klaus. Der HOECHST-Konzern entsteht. Die Verhandlungen über die Auflösung von IG-FARBEN und die Gründung der FARBWERKE HOECHST AG 1945 bis 1953. Teil I. Dokumente aus HOECHST-Archiven. Beiträge zur Geschichte der Chemischen Industrie. HOECHST AG, Frankfurt/M. 1978. Dokument Nr. 6, S. 29ff.. Dok. Nr. 7. S. 32-35
      2) ebd. Dok. Nr. 9. S. 38. ff.
      3) ebd. S. 40
      4) ebd. Dok. 13. S. 51
      5) ebd. S. 47ff
      6) ebd. Dok. Nr. 18
      7) ebd. Dok. Nr. 15. S. 54ff.
      8) ebd. Dok. Nr. 21. S. 70-82
      9) ebd. Dok. Nr. 29. S. 126
      10) ebd. Dok. Nr. 40. S. 161
      11) ebd. Dok. Nr. 48. S. 182f.
      12) Martin, J. All Honorable Men. New York 1950
      13) Trouet, Klaus. a.a.O. Dok. Nr. 52. S. 189-192
      14) Kreikamp, Hans-Dieter. Die Entflechtung der IG-FARBENINDUSTRIE AG und die Gründung der Nachfolgegesellschaften. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Stuttgart, 1977/2, S. 250
      15) ebd.
      16) Otto Köhler in KONKREIT 8/97, S. 30
      17) ebd.

      http://www.kritischeaktionaere.de/Konzernkritik/I_G__Farben/…
      Avatar
      schrieb am 01.08.02 17:26:54
      Beitrag Nr. 58 ()
      Deutscher Treibstoff... und die Pflege der politischen Landschaft

      Zur Gründung der IG Farben vor 75 Jahren. Von Otto Köhler

      Am 9. Dezember 1925 entstand durch Eintragung beim Amtsgericht Ludwigshafen der mächtigste Chemiekonzern Europas, die IG Farben Aktiengesellschaft. Aus der kleinen Interessengemeinschaft, zu der sich mitten im Ersten Weltkrieg, im August 1916, sieben Chemiekonzerne
      zusammengeschlossen hatten, war nun die große IG, die Fusion der beteiligten Firmen, entstanden, die drei größten, die BASF in Ludwigshafen, Bayer in Leverkusen und Hoechst in Frankfurt/Main, gaben den Ton an.

      Bosch, der Erfinder ...

      Bis zum Ersten Weltkrieg blieben die Vorgänger der IG Farben friedlich, sie beschränkten sich auf die Farben- und Pharmaproduktion, und Carl Bosch von der BASF wollte sogar die Menschheit vor dem Hungertod retten. Die Salpetervorräte in Chile, unentbehrlich für die
      Herstellung von Dünger, waren beschränkt. Zusammen mit Fritz Haber fand Bosch durch die Ammoniaksynthese aus Wasserstoff und Stickstoff Ersatz für Salpeter. Doch der neue Stoff diente alsbald weniger der Rettung von Menschen vor dem Hungertod als deren Vernichtung durch tödliche
      Geschosse.

      Denn fast genau zehn Jahre vor der Fusion von 1925 gab Carl Bosch im November 1915 für die BASF sein Munitionsversprechen. Des Kaisers Generale hatten den Ersten Weltkrieg zwar sorgfältig vorbereitet, der Sieg über Frankreich war mit dem sogenannten Schlieffenplan schon fest programmiert, aber da trat ein Ereignis ein, mit dem sie einfach nicht rechnen konnten. England - unfair - blockierte die Salpeterzufuhr aus Chile, und schon im Frühjahr 1915 drohte den Deutschen die Munition zu der kriegswichtigen Tötung von Menschen auszugehen. Daß Salpeter für die Munitionserzeugung damals ebenso unumgänglich war wie für die Düngerherstellung, das hatte den Generalen, die ehrlichen Herzens die Niederlage des Feindes vorbereiteten, einfach keiner gesagt.

      Carl Bosch rettete den deutschen Krieg. Statt »Brot aus der Luft« gab es nun den Tod aus der Luft. Bosch stellte sein Syntheseverfahren von der Herstellung von Dünger zur Herstellung von Munition um. Die gerade erst - 1914 - in Oppau errichtete Fabrik zur Erzeugung von Dünger wurde
      umfunktioniert, und 1916 stampfte Boschs Vertrauter Carl Krauch mit Hilfe von ausländischen Zwangsarbeitern in Leuna eine Riesenproduktionsstätte aus dem Boden - auf bestem Ackerland, das den Bauern, die an der Front kämpften, im militärischen Schnellverfahren enteignet worden war.

      Im gemeinsamen Kampf um Deutschlands Zukunft fanden sich die großen Chemieunternehmen zusammen. Bei Bayer in Leverkusen hatte Carl Duisberg - ebenfalls gemeinsam mit Fritz Haber - aus chemischen Abfallstoffen die deutsche Gaswaffe entwickelt. Haber wurde Chef der Gaskampftruppe,
      und auch andere Chemieunternehmen beteiligten sich an diesem Geschäft, so daß es endlich im August 1916 zur Gründung der Interessengemeinschaft, der »kleinen IG« kam.

      ... Duisberg, der Lenker...

      Ein Jahrzehnt später, nach der Fusion der Mitglieder der
      Interessengemeinschaft zur »großen IG«, gebot die gewachsene Verantwortung, daß man Überlegungen anstellte, wie man fortan mit dem irgendwie parlamentarisch gewordenen Staat umgehen müsse. Zu diesem Zweck lud Carl Duisberg - er war inzwischen Aufsichtsratsvorsitzender und Carl Bosch Vorstandsvorsitzender der IG - seine Industriekollegen
      zu einem Treffen ins Hotel Continental in Berlin ein. Er eröffnete den versammelten Großindustriellen, »daß eine Änderung in der Behandlung wichtiger wirtschaftlicher Fragen eintreten« müsse.

      Seit der Jahrhundertwende hatte Duisberg immer wieder Erkundungsreisen in die USA gemacht, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wie die Vereinigten Staaten von Amerika damals noch hießen. Da er dort als Gast sehr freimütig seine Meinung sagte, war es früher bei diesen Reisen nicht immer ohne Skandal abgegangen: »Der amerikanische Arbeiter hat die Industrie an der Kehle und wird sie erwürgen«, hatte er einmal nach dem Bericht einer New Yorker Zeitung gesagt. Doch der Hauptzweck seiner
      Reisen war stets, positive Erfahrungen für das Gedeihen der deutschen Industrie zu sammeln.

      Und so sprach er sich bei seiner großen Rede im Hotel Continental - gleich gegenüber dem Reichstag - für eine »Änderung in der Behandlung wichtiger wirtschaftlicher Fragen« im »demokratischen Staat« aus. Nämlich so: »In Amerika hat man die Lösung gefunden, wie wir sie heute
      annehmen wollen. Dort wird die ganze Politik von einem Gremium von Wirtschaftlern gemacht. Vor jeder größeren Frage kommen sie zusammen, sprechen sich aus und setzen dann die Richtlinien fest, nach denen sie arbeiten. Da muß ich einen Punkt berühren, der von großer Bedeutung ist, und das ist die Geldfrage. Daß wir uns verständigen, unterliegt
      keinem Zweifel, über viele Fragen sind wir uns gewiß einig. Aber wenn wir uns verständigt haben, was dann?«

      Was dann? Da mag, an dieser Stelle seiner Rede, so manches
      Industriellen-Auge voll Neugier an Duisbergs Lippen gehangen haben. Der berühmte Paul Silverberg saß da, vom Braunkohlensyndikat, Eduard Hamm vom Deutschen Industrie- und Handelstag und viele andere Wirtschaftsführer vom Reichsverband der Industrie. Die Antwort, die Duisberg auf seine selbstgestellte Frage gab, wirkte zunächst etwas -
      ja, man muß es sagen -, sie wirkte in diesem erlesenen Kreis nahezu vulgär, zumindest anstößig. Duisberg sagte und deutete dabei vom Hotel Continental in Richtung Reichstag: »Wo wir einwirken können und müssen, das ist die Parteipolitik. Wo werden alle diese Dinge entschieden? Dort
      drüben in diesem großen Haus.«

      ... und Enkel Brauchitsch

      Jetzt aber kam die entscheidende Frage zugleich mit ihrer Lösung: »Und was ist zur Durchsetzung unserer Gedanken notwendig? Geld! Das war auch die Frage in Amerika. Und da hat man die nötigen Summen aufgebracht. Daher müssen Sie sich jetzt darüber klar sein, daß die Herren, die
      zusammenkommen, auch das Geld aufbringen müssen. Mit der Vernunft auf die Parteien einzuwirken, habe ich aufgegeben! Alle Schwierigkeiten lassen sich nur überwinden durch planmäßige Beeinflussung.«

      Das klingt heute ganz selbstverständlich - für jeden, der gerade erst die Erinnerungen des Flick-Managers Eberhard von Brauchitsch gelesen hat, ist das eine Platitüde. Dessen »Pflege der politischen Landschaft«, die für alle wichtigen Parteien vorgesehen war, gehört längst zum unentbehrlichen Wortschatz dieser Republik. Und auch damals, als der mächtige IG-Chef Duisberg seinen Plan vortrug, gab es natürlich schon Korruption und das nicht knapp. Aber so einfach die ganze Parteienlandschaft anzukaufen - natürlich nur die bürgerliche, aber die war groß und vor allem vielfältig genug -, das war für die deutschen Industriellen eine ungewohnte Vorstellung. Man förderte und zahlte - aber doch nur die Partei, die einem persönlich gefiel. Diese amerikanischen Verhältnisse, sie drohten sehr teuer zu werden.

      Was Duisberg da wollte, das war die uns spätestens seit der
      Flick-Affäre vertraute Erscheinung einer »Staatspolitischen
      Vereinigung«. Die Schwierigkeit war nur, die Industriellen wußten damals noch nicht, was das ist, nämlich ein Apparat, wo man oben Geld hineinwirft, und unten kommt eine bestimmte Politik und dazu noch eine steuermindernde Spendenbescheinigung heraus.

      Brauchitsch hat seine 1999 erschienenen Erinnerungen unter den programmatischen Titel »Der Preis des Schweigens - Erfahrungen eines Unternehmers« gestellt und macht dort kein Hehl daraus, wie Helmut Kohl 1982 ins Kanzleramt gepflegt wurde. Als dann Kohl am 5. März 1983 auch noch vom Wähler erwählt worden war, schrieb Spender Eberhard dem lieben Helmut: »Voller Freude und Respekt haben wir die Wahlauszählungen verfolgt. In der langen Wegstrecke, die ich Dich nun schon begleiten durfte - ich denke auch an schwierige Perioden - ist dies sicher der herausragendste Tag gewesen.« Nunmehr solle ihm »Gottes Segen« zur Seite stehen, nachdem der andere so reichlich geflossen war. Denn jetzt - »nach dem Wahlkampf« - sei es auch, schrieb Brauchitsch dem Freunde, »an der Zeit, daß die führenden demokratischen Politiker unserer Republik der Öffentlichkeit reinen Wein einschenken über die
      Selbstverständlichkeit der wesentlichen finanziellen Unterstützung aller demokratischen Parteien durch die Wirtschaft seit Beginn der Republik«. Nur so könnten »der unglaublichen Diffamierungskampagne Einhalt geboten und die Stellvertreter-Vorverurteilungen beendet« werden. Kohls liebem Eberhard lag - wie er schreibt - an einer
      öffentlichen Erklärung, daß diejenigen, die »ihrer Spendenpflicht« nachgekommen waren, sich »nicht schuldig gemacht« hätten. Brauchitsch: »Ich wollte keinen Freispruch, sondern Rückendeckung, keinen Persilschein, sondern mehr Ehrlichkeit«. :laugh:

      »Schmiert alle«

      Das alles ist heute mehr oder weniger selbstverständlich. Doch vor 75 Jahren stand das »System Duisberg«, wie der Wirtschaftspublizist Richard Lewinsohn die damalige Pflege der politischen Landschaft nannte, erst am Anfang. 1925, im Fusionsjahr der IG Farben, hatte Duisberg als Vertreter der chemischen Industrie die Schwerindustrie in Gestalt des Krupp-Direktors Kurt Sorge im Vorsitz des Reichsverbands
      der Deutschen Industrie (RDI) abgelöst. Lewinsohn, der unter dem Pseudonym Morus auch in der »Weltbühne« schrieb: »Unter der Führung Duisbergs ist man seither dabei, die Beeinflussung der Politik durch die Wirtschaft nach amerikanischem Vorbild umzugestalten. In Amerika
      sind die Großunternehmungen längst davon abgekommen, sich politisch einseitig festzulegen und alles auf eine Karte zu setzen. Das große Industrie- und Finanzkapital unterstützt, wie wir später noch im einzelnen zeigen werden, regelmäßig beide Parteien, die für die Präsidentschaft und die Regierungsbildung in Frage kommen: die Republikaner und die Demokraten. Dadurch ist man gegen alle Wahlzufälle gesichert.« Doch das vorzügliche Rezept »Schmiert alle«
      ließ sich damals noch nicht so einfach auf deutsche Verhältnisse übertragen. Dazu war die deutsche Parteienlandschaft zu zersplittert.

      Der Kalle-Kreis

      Die Staatspolitische Vereinigung, die Spendenorganisation der Industrie für die Parteien, kam damals noch nicht zustande. Innerhalb des Farben-Konzerns aber gab es bald den sogenannten Kalle-Kreis, der nicht nur seine Gunst gleichmäßig über die bürgerlichen Parteien verteilte,
      in ihm waren auch IG-Direktoren und Aufsichtsratsmitglieder als Parlamentarier all dieser Parteien vertreten. So der Stand vom Mai 1928 nach der Reichstagswahl:

      Deutsche Volkspartei: Dr. Wilhelm Kalle selbst, Mitglied des Verwaltungsrates der IG und Vorstandsmitglied des RDI, und Professor Dr. Paul Moldenhauer, IG- Aufsichtsratsmitglied, ab Ende 1929 erst
      Reichswirtschafts-, dann Reichsfinanzminister.

      Zentrum: Clemens Lammers, IG-Aufsichtsratsmitglied und
      Präsidiumsmitglied des Reichsverbands der Deutschen Industrie.

      Deutsche Demokratische Partei: Hermann Hummel, IG-
      Aufsichtsratsmitglied und Mitglied des Wirtschaftspolitischen
      Ausschusses des RDI.

      Das war allein schon eine Vier-Mann-Fraktion der IG, die offen im Reichstag arbeiten konnte. Dazu kam eine schwer abschätzbare Zahl von Abgeordneten, die direkt oder indirekt über ihre Parteien angekauft waren. Die Gesamtsumme, die die Interessengemeinschaft in die Parteien
      investierte, ist allerdings nicht bekannt, die Unterlagen des Kalle-Kreises sollen vernichtet sein. Einige Einzelsummen sind allerdings im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß bekannt geworden. So
      wurden an laufenden jährlichen Beiträgen gewährt: an die Deutsche Volkspartei 200 000 Mark; an die Deutsche Demokratische Partei 30 000 Mark; an das Zentrum 50 000. Und dazu kamen noch beträchtliche Sondergaben anläßlich von Reichstags- und Landtagswahlen.

      Erfolgserlebnisse beflügelten die Pflege der politischen Landschaft. Wilhelm Kalle am 26. November 1930, als Feldmarschall Paul von Hindenburg in seiner Eigenschaft als Reichspräsident Heinrich Brüning als Kanzler eingesetzt hatte: »Das große Glück dieser Stunde ist..., daß wir einmal sehen, daß wir eine Regierung haben, daß zum ersten Mal seit zwölf Jahren ein führender Mann vom Zentrum sich auf den bürgerlichen Standpunkt bewußt und stark gestellt hat und daß heute dieses Kabinett sich bemüht, ohne Rücksichtnahme auf dieses ewige Handeln der Parteien im Reichstag, der an dieser Zersplitterung ja scheitert, nun hier zu diktieren, was in dieser schwersten Stunde für
      uns nötig ist..., denn diese heutige Regierung ist ja wahrscheinlich mehr oder weniger eine Regierung mit diktatorischer Gewalt.«

      Bei der gleichmäßigen Verteilung der Gaben durch den Kalle-Kreis fehlten - soweit bekannt - die Nationalsozialisten, was nicht ausschloß, daß Einzelpersönlichkeiten wie der NS- Reichstagsabgeordnete und spätere Reichswirtschaftsminister Walther Funk von der IG-Pressestelle mit regelmäßigen Zahlungen bedacht wurden. Doch die großen Zahlungen an die NSDAP entstanden erst spät aus dem Zwang der
      inneren Notwendigkeit.

      Unter Opfern verwirklicht

      Da war nämlich die Herstellung von Benzin aus Kohle, auf die man bei der IG hohe Gewinnerwartungen setzte, in eine Krise geraten, durch die die ganze IG in den Abgrund gezogen werden konnte. Statt zu versiegen, wie man erwartet hatte, flossen auf der ganzen Welt die Ölquellen immer
      reichlicher: Der Gestehungspreis für das künstliche Benzin der IG war etwa viermal so hoch wie der Weltmarktpreis fürs Benzin. Duisberg wollte sofort die Produktion einstellen, Bosch und sein engster Mitarbeiter Carl Krauch setzten auf Durchhalten. Am 25. Juni 1932 schickte Bosch seine Abgesandten Heinrich Bütefisch und Heinrich Gattineau zu dem ihm persönlich unsympathischen Adolf Hitler nach
      München. Man war sich schnell einig. Hitler begriff, daß er ohne das synthetische Benzin aus Leuna, koste es nun, was es wolle, keinen Krieg würde führen können. Er erklärte den IG-Leuten: »Der deutsche Treibstoff muß daher selbst unter Opfern verwirklicht werden. Es besteht für die Kohlehydrierung die zwingende Notwendigkeit, weiter zu
      arbeiten.«

      Wenige Wochen später faßte die IG-Spitze den Entschluß, in Leuna weiter zu produzieren, gezahlt wurde beidseitig - später. Kurz nachdem Hindenburg die Macht an Hitler übergeben hatte, am 20. Februar 1933, veranstaltete Hermann Göring im Haus der Reichstagspräsidenten ein großes Treffen mit den Spitzen der Industrie, bei dem Hitler versprach,
      er werde keine Ruhe geben, »bis der Marxismus erledigt ist«. Dann sammelte Göring Spenden ein und die höchste Gabe - 400 000 Mark von insgesamt zwei Millionen - kam von der IG. Der Rest war eine Formalität. Bevor noch das Jahr 1933 zu Ende ging, unterschrieb das Deutsche Reich den Benzinvertrag mit der IG, der ihr die Gestehungskosten und einen angemessenen Gewinn sicherte.

      Carl Krauch, Vorstandsmitglied und ab 1940 Aufsichtsratsvorsitzender, wurde zugleich - ehrenamtlich - in Görings Vierjahresplanbehörde Generalbevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Erzeugung und konnte so jahrelang das Rüstungsprogramm im Sinne und zum Gewinn der IG bestimmen. Als - ebenfalls ehrenamtlicher - Präsident der Reichsamtes für den Wirtschaftsausbau legte er zusammen mit seinen IG-Vorstandskollegen Otto Ambros und Fritz ter Meer (dem späteren Schwiegervater des Kofferträgers Walther Leisler Kiep) am 6. Februar 1941 den Standort Auschwitz für die neue große Buna-Fabrik im Osten fest. Im selben Monat noch bestellt er über Göring bei Heinrich Himmler Zwangsarbeiter aus dem damals noch kleinen KZ, und schon am 1. März besucht der Reichsführer SS, der auch über IG-Mitglieder seines »Freundeskreises« versorgt wurde, Auschwitz und kümmert sich darum, daß das KZ nach den Bedürfnissen der IG Farben ausgebaut wird. In den nur sechzehn Jahren seit ihrer Fusion hat so die Interessengemeinschaft Farben alles erreicht, was sich ein großes tatkräftiges Unternehmen wünschen kann.

      Junge Welt 09.12.2000
      http://www.ring-gegen-rechts-und-rassismus.de/Aktuell/12_200…
      Avatar
      schrieb am 02.08.02 09:59:48
      Beitrag Nr. 59 ()
      vielen dank, antigone, das ist nett von dir :)

      politiker lassen sich von der wirtschaft schmieren, das ist das eine.

      das andere ist, wenn politiker ihre macht ausbauen, indem sie kurzerhand die arbeit der justiz erschweren, wie es gerade in italien passiert.

      wenn es stoiber am 22. september tatsächlich schaffen sollte, dann haben wir wohl eine neuauflage der achse berlin-rom...

      passt das überhaupt hierher? :confused:
      Avatar
      schrieb am 02.08.02 10:11:43
      Beitrag Nr. 60 ()
      hi genova.
      es paßt alles, wenns der wahrheitsfindung dienlich ist ;)
      nicht nur vor dem hintergrund der möglichen achse halten mich die erkenntnisse aus deschners moloch in atem.

      wehe uns, wenn sich die geschichte wiederholen sollte. :(
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 16:27:33
      Beitrag Nr. 61 ()
      Literatur-Auszug

      Hintergrund-Text zum Film "Ratlines", ARTE 1996

      Nazis, CIA und der Vatikan:

      Das Fundament einer neuen Weltordnung


      Am 10. August 1944 trafen sich im Straßburger Hotel ªMaison Rouge´ klammheimlich führende Vertreter des Dritten Reiches, Vertreter der deutschen Industrie, des Geheimdienstes SD und des Rüstungsministeriums, um endgültig Pläne in die Tat umzusetzen, die vermutlich ebenfalls seit 1943 existierten. Während Goebbels noch immer Endsiegparolen ausgab und Hitler nach wie vor und erst recht an das tausendjährige Reich, an ein auf seine Weise entrümpeltes und vereintes Europa glaubte, wurde in der Maison Rouge ein weitsichtiger Entschluß gefaßt, nämlich ein Gutteil des Reichskapitals in neutralen Ländern zu verstecken, weniger wohl zur Beseitigung des Geldüberhanges nach der Niederlage, sondern ªdamit nach der Niederlage wieder ein starkes deutsches Reich entstehen´ könne, wie es im sogenannten Straßburger Protokoll heißt. Ein halbes Jahr vor Kriegsende, damals also noch unter der Kontrolle von Nazi-Größen, wurde dann tatsächlich bereits damit begonnen, enorme Summen ausser Landes zu schleusen. Die Schätzungen (etwa der russischen Prawda) gingen bis zu fünf Milliarden Dollar allein in Schweizer Banken eingelagerten deutschen Volks- und Reichsvermögens,1007 sieht man von den Kriegsgewinnen diverser Banken ab, die über die Bank von Hermann Abs (späterer hausbankier von konrad adenauer nach Argentinien transferiert und später von Tarnorganisationen wie der World Commerce Corporation sozusagen unter dem Schutz eines euro-amerikanischen Geheimdienst-Konsortiums in irgendeiner Weise reinvestiert worden waren.

      Einige Vorarbeiten für die später mehr oder weniger gerüchteweise unter dem Namen ªODESSA´ bekannt gewordenen Operationen hatte sicherlich auch der im Zusammenhang mit den Aktivitäten Allen W. Dulles schon erwähnte Schweizer Francois Genoud im Verein mit einer unter Einfluß Martin Bormanns eingerichteten und bis Ende der vierziger Jahre existierenden Firma Gebr. Diethelm geleistet. Genoud verfügte bereits 1943 über die für eine derartige Operation notwendigen Verbindungen zur Bankenwelt, aber auch ins aufnahmebereite Ausland. So hatte Genoud schon 1936 die Basis für seine vielfältigen Beziehungen zum Nahen Osten und zur Arabischen Welt gelegt, als er im Zuge einer ausgiebigen Nahostreise die Bekanntschaft des Großmuftis von Jerusalem und Hitler-Verehrers Al-Husseini gemacht hatte. Unmittelbar nach Kriegsende war Genoud wesentlich daran beteiligt, die Operation des nach wie vor bestehenden Nazi-Netzwerkes nach Lateinamerika, insbesondere nach Argentinien auszudehnen, wobei auch Hans-Ulrich Rudel eine Rolle spielte und die Operationsbasis für Klaus Barbie ebenso geschaffen wurde wie für den späteren Großmeister der Propaganda due, Licio Gelli. siehe hierzu auch meinen thread zu genua

      Ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle spielte dabei auch der verhinderte Gralssucher und Mussolini-Befreier Otto Skorzeny, der aller Wahrscheinlichkeit nach schon während des Krieges als Einflußagent vor allem der britischen Dienste tätig war, und dem nach dem Krieg die Aufgabe zugewiesen wurde, die Übergabe diverser SS- und Abwehrnetzwerke in die Hände der angloamerikanischen Dienste OSS bzw. CIA und SIS zu organisieren. Wie Genoud hatte auch Skorzeny, der mit einer Nichte von Hjalmar Schacht verheiratet war, die in den siebziger und achtziger Jahren zusammen mit Genoud in verschiedene Finanzschiebereien verwickelt war, zahlreiche Verbindungen in den Nahen Osten. Seine Nachkriegsoperationen erstreckten sich beispielsweise auf König Faruks Ägypten, König Senussis Libyen und durch Kontakte mit der Familie Khalil auf Kuwait. Dank dieser Verbindungen, vor allem zur Familie Khalil, war Skorzeny in der Lage, eine Reihe von Projekten im Nahen Osten zu finanzieren. So etwa wirkten ein Sohn der Familie Khalil und Skorzeny nach dem Krieg gemeinsam an dem ägyptischen Raketenbauprogramm mit. Der 1975 verstorbene ehemalige Generalmajor der Waffen-SS, der nach dem Krieg von Spanien aus operierte, war unter anderem der Begründer der Organisation ªCedade´ (Circulo Espanol de Amigos de Europa = Kreis der Freunde Europas), die eine wesentliche Rolle im Netzwerk einer der wichtigsten Nazi-Nachkriegs-organisationen spielte, der ªNeuen Europäischen Ordnung´, die nach wie vor eine wichtige Kontaktstelle innerhalb der Schwarzen Internationalen ist.1008 Zusammen mit einem Mitarbeiter namens Wermuth baute Skorzeny ein internationales Netz logistischer und finanzieller Beziehungen aus, das vielfach mit Genouds Aktivitäten zusammenfiel. Mit seiner Madrider Firma ADSAP war Skorzeny zum Beispiel in zahlreiche Waffen- und Drogenschmuggel-Operationen nach Wien und Paris beteiligt, über die in den sechziger Jahren die Finanzierung sowohl der französischen OAS als auch der algerischen FLN abgewickelt wurde. Genouds wie Skorzenys Operationen überlappten sich teilweise mit den Aktivitäten der Nazi-Terror-lnternationale mit den Schlüsselpersonen Stefano della Chiaie, Klaus Barbie, Joachim Fiebelkorn und den türkischen ªGrauen Wölfen´, ebenso wie mit den Aktivitäten der Moslembrüder und palästinensischen Organisationen. Doch das gehört schon fast zur Gegenwart. Zunächst galt es, nicht nur jene gewaltigen Summen in Sicherheit zu bringen, sondern auch Tausende von SS- und NS-Führern ins sichere Ausland zu evakuieren, vorzugsweise nach Marokko, Spanien und Lateinamerika, und den Nazi-Apparat international zu regruppieren.

      Ob auch von diesem Geld tatsächlich etwas in das Wirtschaftswunderland Deutschland zurückgeflossen ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Sicher indessen ist, daß im Laufe von eineinhalb Jahren mit einem Teil des ins Ausland transferierten Kapitals mindestens 750 getarnte Firmen in der Schweiz, in Portugal, Spanien, Argentinien und in der Türkei erworben wurden. Ein Teil des Nazi-Geldes wurde für Tausende NS-Exilanten zum Grundstock ihrer zweiten Existenz, ein Gutteil davon floß in die Kassen des Vatikans, in die Taschen lateinamerikanischer Diktatoren, allen voran der Argentinier Peron, und vor allem auch in die Taschen eines Mannes namens Licio Gelli, den man bald darauf ªIl Burratinaio´ nennen sollte, den ªMann, der die Puppen tanzen läßt´, dem Juan Peron nach seiner Rückkehr an die Macht im Beisein von Italiens Ministerpräsident Andreotti auf den Knien dankte, der Mann, der Zugang zu allem und jedem im Vatikan haben wird, der Mann, der für die CIA arbeitete, der beim Antrittsball Reagans als Ehrengast glänzte: Licio Gelli, Malteserritter, Papstmacher, Großmeister der Freimaurerloge Propaganda due. zur propaganda due siehe ebenfalls den genua-thread

      Abgesehen von den von Genoud und anderen Organisationen wie möglicherweise ªODESSA´ getroffenen organisatorischen Vorbereitungen, waren es vor allem der Vatikan und einzelne Fraktionen der angloamerikanischen Geheimdienste, die es Tausenden Nazis ermöglichten, sich über die von den angloamerikanischen Geheimdienstlern ªRatlines´ genannte ªKlosterroute´ zwischen Österreich, Italien, Lateinamerika, Kanada, Australien und den USA in Sicherheit zu bringen, während die Behörden von Westdeutschland, Italien, Österreich, Frankreich, der USA und der Sowjetunion zumindest offiziell damit beschäftigt waren, nach Nazi-Verbrechern zu fahnden.1009

      Die alte Mär, wonach es die geheimnisvollen SS-Organisationen ODESSA und DIE SPINNE gewesen seien, die die Massenflucht der Volksgenossen organisiert hätten, entspringt indessen eher den romantisierenden Vorstellungen von Romanautoren oder diente gezielter Desinformation.1010 Auch die vielfach vertretene Meinung, die aus den Tagen der mißglückten Friedensinitiativen herrührenden engen Kontakte zwischen SS und dem Vatikan seien der Grund gewesen, ist nur die halbe Wahrheit.

      Ein Teil der Wahrheit aber ist es sicher, daß der Vatikan entweder von sich aus im Kalten Krieg mitmischen wollte oder, was auf jeden Fall später der Fall war, von den Briten und den Amerikanern benutzt wurde. Und Tatsache ist auch, daß der spätere Papst, der vatikanische Unter-Staatssekretär Montini, bereits während des Krieges von Papst Pius XII. damit beauftragt worden war, einen spezifischen vatikanischen Nachrichtendienst aufzubauen,[/b] vorgeblich, um sich um Vermißte, Flüchtlinge, und Kriegsgefangene zu kümmern, in Wirklichkeit aber, um sich für die aktive Teilnahme am unvermeidlichen Endkampf gegen den Bolschewismus vorzubereiten und eine katholische Armee für den bevorstehenden Endkonflikt zu rekrutieren.1011

      Tatsache ist auch, daß sich bei Kriegsende zuallererst und in erster Linie der Vatikan um ehemalige Nazis sorgte. Und daß die Nazis nur aus humanitären und seelsorgerischen Gründen vatikanischer Hilfe und vatikanischer Reisedokumente teilhaftig geworden wären, ist bestenfalls eine Sonntagspredigt mit Märcheneinlage. ªDie Beweise bestätigen, daß eine kleine Clique von Vatikan-Angehörigen die Massenevakuierung faschistischer Flüchtlinge [...] organisierte. Unter der Leitung von Papst Pius Xll. überwachten vatikanische Würdenträger wie Monsignore Montini [...] eine der größten Justizbehinderungen in der modernen Geschichte.´1012 Bei der kleinen Clique handelt es sich zunächst um den aus Osterreich stammenden Bischof Alois Hudal, dem Rektor des Pontificio Santa Maria dell Anima, eines der drei Priesterseminare in Rom. Er war den Nazis kein Unbekannter. Er hatte öffentlich Hitler unterstützt und sich sogar in einem Buch mit den Vorzügen des Nationalsozialismus befaßt. Er organisierte die ersten Ratlines, die Nazi-Verbrecher über Österreich nach Genua und von dort in die Freiheit lateinamerikanischer oder arabischer Länder führten, versehen mit italienischen Identitätsausweisen, gefälschten Geburtsurkunden und Visa sowie Internationalen Rot-Kreuz-Pässen: beispielsweise Franz Stangl den Kommandanten von Treblinka, Gustav Wagner, Kommandant von Sobibor, Alois Brunner, Adolf Eichmann, Richard Klement, um nur einige zu nennen.1013 Auch Walter Rauff, der unmittelbar nach Kriegsende von der britisch-amerikanischen Special Counter Intelligence Einheit (SCI-Z) rekrutierte SS-Kontakt zu Dulles, war unter Hudals Klienten, der es ihm insofern dankte, daß er sich selbst an der Organisation der Rattenpfade beteiligte und einen Teil der dafür notwendigen Finanzen beisteuerte. ªAbgesehen von Rauffs Kontakten zu den Amerikanem und dem Vatikan auf hoher Ebene, dürfte sein Hauptanteil an Hudals Schmuggelsystem finanzieller Natur gewesen sein. Der Mann, der einst das Programm mit den mobilen Gaskammer-Lastwagen überwachte, wurde nun zum Geldwäscher, gemeinsam mit seinem früheren SS-Kollegen Frederico Schwendt. Schwendt gilt als einer der größten Geldfälscher der Geschichte: Während des Krieges hatte er Millionen von falschen Banknoten im Rahmen einer SS-Operation mit dem Codenamen >Wendig< produziert.´1014 Die ursprüngliche Absicht dieser Operation war vielleicht tatsächlich die Unterminierung und wenn möglich die Zerstörung der ökonomischen Strukturen der alliierten Staaten gewesen, doch schon als sich der Ausgang des Krieges abzeichnete, wusch Schwendt das Falschgeld über verschiedene Banken in saubere westliche Banknoten: Das war das Grundkapital für dieses erste, noch relativ unprofessionelle Fluchthilfe-Netzwerk. Über den Einsatz dieses Vermögens gibt es verschiedene Versionen. Nazi-Jäger Wiesenthal meint, daß Schwendt die Gewinne direkt an Rauff weitergegeben habe,1015 während sich der einstige NS-Jugendführer Alfred Jarschel daran erinnert, der zunächst in Mailand untergetauchte Rauff sei von Bischof Hudal im Juli 1945 gebeten worden, sich mit dem neuernannten Bischof Siri in Genua in Verbindung zu setzen. Von dessen Privatsekretär habe Rauff eine beträchtliche Summe sowie einen mit einem syrischen Visum versehenen Rot-Kreuz-Paß bekommen. Worauf Rauff nach Mailand zurückgekehrt sei, um das Fluchthilfe-Netzwerk aufzubauen.1016 Auch hier dürfte die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen: ªAller Wahrscheinlichkeit nach verwendete Rauff Siris Geld, um die Gewinne aus den Geldwäsche-Operationen Schwendts zu erhöhen.´1017 Sicher jedenfalls scheint zu sein, daß in den nächsten Jahren zahlreiche der am meisten gesuchten Kriegsverbrecher über Rauffs Basis in Mailand zu Hudals Pontificio Santa Maria dell Anima und von dort zu Erzbischof Siri nach Genua gelangten. Dort wurden sie dann nach Lateinamerika verschifft.

      Als 1947 Hudals Aktivitäten ruchbar wurden und zu einem Presseskandal auszuarten drohten, wurde er still und unauffällig aus dem Verkehr gezogen. Er war auch schon längst überflüssig geworden. Denn da war die Szene für eine weitaus professionellere und weitaus geheimere Operation aufbereitet, um Kriegsverbrecher und Quislingen aus sämtlichen europäuschen Ländern nicht bloß zu helfen, sondern um sie für einen neuen Krieg zu rekrutieren. ªOb nun Hudal eigenmächtig gearbeitet hatte oder nicht, seine Nachfolger waren eindeutig von höheren vatikanischen Stellen autorisiert´1018 Wie Hudal selbst, konnten sich auch seine Nachfolger dank vatikanischer Intervention alliierte Ausweise für ihre Klienten bedienen, sofern es ihnen nicht gelang, eine päpstliche Unterschrift unter einen vatikanischen Reisepaß zu bekomrnen, wie dies bei Martin Bormann der Fall war.

      Hier zeigte sich, daß der Vatikan vor allem auch dann sehr aktiv wird, wenn Geld ins Spiel der christlichen Nächstenliebe kommt. Im Fall des wohl berühmtesten Flüchtlings unter dem Schutz und Schirm des Vatikans und des damaligen Papstes, nämlich Bormanns, wurde eine erkleckliche Summe an einen Franziskanermönch deutscher Herkunft bezahlt, der an der Organisation der Klosterroute wesentlich beteiligt war. Inwieweit bei Bormann der Umstand eine Rolle spielte, daß er sich mit dem späteren Papst Pius XII. während dessen Tätigkeit als Nuntius in Deutschland recht gut angefreundet hatte, mag dahingestellt bleiben.1019 Jedenfalls präsentierte im Mai 1948, als schon längst Briten und Amerikaner die vatikanischen Ratlines übernommen hatten und in Flüchtlings- und Kriegsgefangenenlagern ehemalige Nazis für ihre Zwecke rekrutierten, der als Jesuitenpater verkleidete Bormann vatikanische Papiere, die ihn als staatenlose Person auswiesen. Sie hatten die Nummer 073.909 und trugen die Unterschrift des Papstes persönlich. Eine beinahe makabre Kuriosität am Rande: Jesuitenpater Bormann hieß nunmehr ªEliezer Goldstein´ und stammte aus Polen ... die jüdischen vermächtnisse lassen grüßen

      Damit gelangte Bormann heil nach Brasilien, und später konnten auch fünf seiner Kinder mit vatikanischer Hilfe Europa verlassen, nachdem sie einige Zeit im Kloster der Palottiner in Rom untergebracht waren.

      Ein weiterer Fall vatikanischer Nächstenliebe besonderer Art ist der des stellvertretenden Kommandanten der pronazistischen Miliz von Lyon, Paul Touvier. Nach dem Krieg wurde zweimal gegen ihn verhandelt, und zweimal wurde er zum Tode verurteilt, allerdings in Abwesenheit, denn Touvier war zunächst einmal für fünfundzwanzig Jahre aufgrund eines besonderen Geschäftes mit dem Vatikan entkommen: Nachdem er sich nach Kriegsende bereit erklärt hatte, die gesamten noch verbliebenen, aus der Plünderung jüdischen Eigentums während der Besatzungszeit stammenden Geldmittel der Miliz dem Vatikan zu übergeben, wurde ihm dessen Schutz zugesagt. Und manchmal hält der Vatikan auch, was er verspricht:

      Touvier besaß Identitätsausweise auf den Namen Paul Perthet, die darin angegebene Adresse war die des Erzbischofs von Lyon. Häufig trug Touvier/Perthet selbst eine Priestersoutane, und es gab mindestens ein Dutzend Geistliche, die sich um das Wohl des Nazis kümmerten, während die Resistance vergeblich nach ihm fahndete. 1962 tauchte er dann mit einem Gnadengesuch an den französischen Präsidenten Pompidou aus dem Untergrund des erzbischöflichen Palais wieder auf, unterstützt vom zuständigen französischen Kardinal, der sich überdies auch eifrig um für Touviers Rehabilitierung nützliche Information bemühte. Kaum wurde dieser Kardinal auf einen wichtigen Posten im Vatikan befördert, wurde Touvier auch tatsächlich begnadigt. Allerdings konnte Touvier seine Begnadigung nicht recht genießen, da Mitglieder der Resistance nach wie vor danach trachteten, die einst verfügten Todesurteile in die Tat umzusetzen. 1972 tauchte Touvier zunächst wieder unter. Dies waren nur zwei Einzelfälle, sieht man von Bormanns Verbindungen zu den finanziellen Transaktionen des Wirtschaftswunder-Bankiers Hermann Josef Abs während des Krieges ab.

      Anders verhält es sich bei dem ªPoglavnik´ (ªFührer´) der faschistischen kroatischen Ustascha und des Nazi-Marionetten-Regimes, Dr. Ante Pavelic, der vor dem Krieg für den britischen Geheimdienst gearbeitet hatte 1020 und nun von dem bereits weitgespannten britisch-amerikanischen Intermarium-Netz aufgefangen wurde. Seine Flucht wurde von Pater Krunoslav Draganovic organisiert, einem prominenten Mitglied von Intermarium 1021 zweifellos einer der Schlüsselfiguren in diesem dunklen Kapitel der Nachkriegszeit. ªDraganovic Ratlines waren eine ausgeklügelte und professionelle Operation. Sie war außergewöhnlich gut organisiert und konnte Hunderte Flüchtlinge gleichzeitig betreuen. Einer von Draganovic wichtigsten Mitarbeitern schätzt, daß mehr als 30.000 Personen von Österreich über Rom und von dort über Genua in ihre neue Heimat in Südamerika und Australien geschleust wurden. Die meisten dieser Personen hatten eine überaus dunkle Vergangenheit. Sie waren kein Teil irgendeiner
      exotischen SS-Bruderschaft: Tatsächlich waren fast alle an der Organisation dieser Ratlines Beteiligten katholische kroatische Priester.´1022 Während die Mehrheit der Intermarium-Führer führende Ex-Faschisten waren, die für den britischen oder französischen Geheimdienst und teilweise für Turkul oder direkt für die Sowjets gearbeitet hatten.1023

      Der rumänische Nazi-Außenminister Gregorij Gafencu, der polnische Botschafter beim Vatikan, Casimir Papee, Monsignor Bucko, der spirituelle Führer der ukrainischen Widerstandsbewegung, oder der frühere slowakische Außen- und Innenminister und gesuchte Kriegsverbrecher Ferdinand Durcansky waren seit Vorkriegszeiten britische Intermarium-Agenten, wieder Führer der ukrainischen Nationalisten, Stephan Bandera oder der Führer der Galizischen SS, General Shandruck, auch. 1024 Und die meisten, die über die Ratlines in Sicherheit gebracht wurden, waren auch keine Deutschen. ªDie meisten Nazi-Massenmörder waren nicht unbedingt Deutsche. Am Ende des Zweiten Weltkrieges gab es Zehntausende aus Zentral- und Osteuropa, die genauso schuldig waren wie ihre deutschen Schutzherren. Sie waren die Führer von Nazi-Marionetten-Regimes Verwaltungsbeamte, Polizeichefs und Mitglieder lokaler Polizeieinheiten, die desgleichen am Holocaust beteiligt waren. Viele von ihnen waren auf der Schwarzen Liste der Alliierten, entweder weil sie persönlich an Kriegsverbrechen beteiligt waren, oder weil sie Mitglieder von Einheiten waren, die das blutige Werk der Nazis vollbrachten.´1025 Einer von diesen war zweifellos Pavelic. Seine Ustascha stand bekanntlich im Bezug auf die von ihnen an Serben, Muselmanen und Zigeuner verübten Greueltaten den Deutschen wahrhaftig in nichts nach, ja sie trieben es vielfach in einem geradezu psychopathischen Sadismus so weit, daß es selbst manchem deutschen Besatzer zuviel wurde. ªBei diesen Greueltaten war freilich auch ein Teil des katholischen Klerus Kroatiens zur Stelle -galt es doch, die Unterwanderung durch gottlose Bolschewiken abzukehren und die heidnischen Serben dem rechten Glauben zuzuführen: So wurden allein in der Kirche von Galina 1200 Serben ermordet, die man dorthin gebracht hatte, um sie zum Katholizismus zu bekehren.´1026 Mehrere Bischöfe saßen in der Tat im Ustascha-Parlament, Kleriker fungierten als Polizeichefs und als Offiziere in Pavelic` Leibwache, wie beispielsweise der Jesuit Dragutin Kamber, der in dem Netzwerk der Nazi-Rettung neben Pater Dominik Mandic und einem Priester namens Petranovic dann eine der Hauptrollen spielte Er war Polizeichef von Doboj (Bosnien) und höchstpersönlich für den Mord an Hunderten orthodoxer Serben verantwortlich.1027 Draganovic selbst war zwar kein Massenmörder, immerhin aber auch ein gesuchter Kriegsverbrecher und einer der Hauptverantwortlichen für die Zwangsbekehrung der Serben. Darüber hinaus war er während des Krieges als Ustascha-Repräsentant nach Rom entsandt, wo er Zeit hatte, die Flucht seines Meisters Pavelic und seiner Landsleute vor jenen Leuten vorzubereiten, die nach dem Krieg nicht verstehen sollten, was Gottes eigentlicher Wille war.

      Organisatorisches Zentrum der vatikanischen Ratlines in Rom war das Institut der Bruderschaft von San Girolamo in Rom, deren Sekretär Draganovic war.1028 Dort und in Castell Gandolfo, wo sich auch der Sommersitz des Papstes befindet, hatte sich bald die gesamte Ustascha-Führung praktisch vor den Nasen der offiziellen Behörden und der Alliierten auf extraterritorialem Vatikan-Gebiet zusammengefunden.

      Geschützt und gedeckt von den Briten und mit Hilfe von Draganovic gelang es Pavelic schließlich, von Österreich nach Rom und von dort nach Argentinien zu entkommen, wo er sich eines freundlichen Empfangs durch den Gelli-Freund Peron sicher sein konnte. Vor Argentinien aus versuchte Pavelic mit Unterstützung des britischen Geheimdienstes, des Vatikans und nicht zuletzt der damaligen österreichischen Regierung, die Ustascha zu reorganisieren und eine Untergrundarmee aufzubauen, die als neue Kreuzzügler ªKrizari´ den Kampf gegen das Tito-Regime führen sollte. ªBereits 1944 hatte Pavelic begonnen, mit Hilfe katholischer Priester Gold und Devisen in die Schweiz zu transferieren. Ein Teil des von der Ustascha zusammengeplünderten Schatzes wurde von dem britischen Leutnant Colonel Johnson zur Finanzierung der Krizari nach Italien gebracht. Ein anderer Teil ging über Dragonovic nach Rom und wurde ebenfalls zur Finanzierung des Terroristen-Netzwerkes verwendet.´1029

      Dies war allerdings nur ein Teil des finanziellen Netzes, mit dem die mit Hilfe des britischen SIS reorganisierte Ustascha operierte. Über hohe kirchliche Würdenträger erhielt das Krizari-Kommando direkt vatikanisches Kapital. Etliches davon wurde dazu verwendet, um die italienische Regierung unter Alcide de Gasperi dazu zu ªbewegen´, die für den Anti-Tito-Kreuzzug notwendigen Waffen zur Verfügung zu stellen. Neben Triest war vor allem Österreich der Ausgangspunkt der meisten Aktionen. Die Hauptbasis in Österreich war Troifach, von wo aus unter der direkten Leitung von Ante Pavelic und Pater Draganovic die Terror- und Spionageoperationen gegen Jugoslawien organisiert wurden.

      Es ging dabei nicht um den Kampf gegen das Tito-Regime sondern nach wie vor um den Kampf gegen die serbische Orthodoxie. Da erhielt die Welt schon wieder eine Probe für den nächsten Akt des Welttheaters. Unmittelbar nach Kriegsende hatten Ustascha-Emissäre die päpstliche Mission in Salzburg in der amerikanischen Besatzungszone kontaktiert und angefragt, ob der Papst bereit sei, entweder die Schaffung eines unabhängigen kroatischen Staates zu unterstützen, oder eine Donau-Adria-Union, innerhalb derer sich Kroatien eine Entwicklungsmöglichkeit böte.1030 Wie die italienische Regierung unter de Gasperi, die nicht nur ihren Sicherheits- und Geheimdienstapparat für die Ratlines zur Verfügung stellte (der in diese Operationen sowieso von allem Anfang an eingebunden war), sondern zwecks Verwirklichung der Intermarium-Pläne im Verein mit Vatikan, Großbritannien und USA auch ausländische Regierungen zu unterwandern versuchte, 1031 unterstützte, wie erwähnt, auch die österreichische Nachkriegsregierung voll diese Pläne und natürlich auch die Aktionen der Krizari. Die österreichische Intermarium-Verbindung war mit großer Sicherheit der spätere UN-Generalsekretär und österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim.1032 Wobei es schon fast nicht mehr verwundert, daß es Allen Dulles` Schwiegersohn, der damals für den amerikanischen OSS tätige spätere Verleger Fritz Molden war, der der österreichischen Regierung einen vor allem hinsichtlich seiner Kriegsvergangenheit getürkten Lebenslauf Waldheims untergejubelt hatte.1033 Eine andere Intermarium-Anlaufstelle während der Ustascha-Kreuzzüge gegen Tito war der Salzburger Erzbischof Rohracher.1034 Vor allem war er es schließlich, der sich bei den alliierten Autoritäten in Österreich für die Ustascha einsetzte und diese für das Angebot der Ustascha-Führung zu erwärmen suchte, sich in ihrem antikommunistischen Kreuzzug voll der anglo-amerikanischen Führung zu unterstellen. Da brauchten sie nicht lange zu warten. Allen voran die Briten nahmen diese Offerte augenblicklich ohne zu zögem und dankend an. Denn sie hatten schließlich die besten Erfahrungen in derlei Kooperationen mit vom Vatikan abgesegneten Operationen, vor allem mit Intermarium: Diese Organisation war ªvoll mit Priestern, Mönchen, Brüdern und Schwestern einer ganzen Reihe von Orden, einschließlich Jesuiten, Benediktiner, Franziskaner. Sie betätigten die Druckerpresse für die falschen Identitätsaüsweise, koordinierten das Netzwerk von Klöstern, die als sogenannte >sichere Häuser< dienten, sie wuschen Geld und, vielleicht das wichtigste, sie organisierten eine überaus effiziente Propaganda-Karnpagne, die Hand in Hand mit den britischen Interessen ging. Von den Krizari bis zur OUN [Anm: Organisation Ukrainischer Nationalisten], von der Baltischen See bis zum Schwarzen Meer, organisierten katholische Geistliche ein für den britischen Nachrichtendienst lebenswichtiges Spionage-Netzwerk.´1035 Darüber hinaus waren sie dank ihrer Intermarium-Agenten wie Draganovic ohnedies schon längst im Zentrum des Zyklons.

      Denn Pavelics Krizari waren tatsächlich nur ein Teil viel weiter gesteckter Umtriebe, die der Vatikan gemeinsam mit den westlichen Nachrichtendiensten in der Nachkriegszeit in Szene setzte und die, kombiniert mit den Aktivitäten etwa Allen Dulles` wohl einige Rückschlüsse zulassen. ªWährend Angleton und Dulles über den Vatikan Millionen Dollars nach Italien schleusten, um einen Sieg der Kommunisten bei den Wahlen zu vereiteln, verhalf der Vatikan Zehntausenden von Nazis zur Flucht in den Westen, wo sie als >Freedomfighters< ausgebildet werden sollten.´1036 Eine Hand wäscht eben die andere, sieht man einmal davon ab, daß die Absichten der treibenden Kräfte im Vatikan und diejenigen Dulles` ja sowieso nahezu deckungsgleich waren, vielleicht sogar dank des ClA-Mannes in Rom und unbedingten Dulles-Anhängers, James Jesus Angleton und dessen enger Beziehungen zu Monsignore Montini. Dieses ganze Geschehen war jedenfalls das Ergebnis eines bemerkenswerten Deals zwischen Allen Dulles und dem Vatikan, der durch Angleton zustande gekommen war; oder vielmehr auch dank der Informationen über die päpstlichen Absichten und politischen Vorstellungen, die dessen Unterstaatssekretär Montini brühwarm an die Amerikaner weiterzuleiten pflegte, wie vor noch nicht allzulanger Zeit deklassifizierte ClC-Dokumente beweisen.1037

      Der Handel war für alle Seiten zufriedenstellend: Über die von Dulles und seine Freunde kontrollierte Special Projects Division des State Departments begannen die ersten von vielen Millionen Dollar an die italienischen Christdemokraten wie überhaupt nach Italien zu fließen, vordergründig, um die Möglichkeit eines kommunistischen Erfolges bei den Wahlen im Jahr 1948 im Keim zu ersticken, die den Vatikan naturgemäß um Privilegien und politischen Einfluß neben allen möglichen anderen Folgen für das Seelenheil der Italiener fürchten ließ.

      Dafür bekamen nun Angleton und Dulles die vatikanischen Ratlines für ihre eigenen Zwecke. Denn Dulles brauchte unbedingt dieses Evakuierungsnetzwerk, um die von der DDU in Bayern versteckten Kriegsverbrecher und vor allem die wachsende Anzahl von Turkuls Nazi-Agenten in den österreichischen Flüchtlingslagern in Sicherheit bringen zu können, ohne beim CIC in Frankfurt oder bei den ªLiberalen´ im OSS bzw. nach 1947 bei den ªLiberals´ der CIA anzuecken. Der Handel galt, auch Pater Draganovic war einverstanden, wenn auch nicht selbstlos: Wenn er half, die Nazis der Amerikaner in Sicherheit zu bringen, dann müßten auch die Amerikaner ihm behilflich sein, seine Nazis in sichere und freundliche Gefilde zu bringen. Indirekt dank des Schlächters von Lyon, K]aus Barbie, konnte sich Dulles die für Massen-Evakuierungs-Operationen dieser Art ungemein wichtige Quelle sichern, nämlich die vatikanische Haupt-Quelle fur die Rot-Kreuz-Pässe, die den damit ausgestatteten ªFreedomfighters´ endlich die notwendige Bewegungsfreiheit verschafften: Dulles` alter und dankbarer Freund Poncet, wie bereits früher erwähnt, de Gaulles Intermarium-Verbindung zum Vatikan, Hochkommissar in Deutschland, französischer Repräsentant beim IRK und später dessen Präsident und vor allem: Barbies und der Gestapo heimlicher Informant zur rechtzeitigen Säuberung der Resistance von für die künftige Friedensordnung schädlichen Kommunisten. 1949 wurde der erste Nazi-Freedomfighter von dem OPC-Mann Carmel Offie in den USA empfangen. Sein Job war es, für diesen und weitere ªantikommunistische Emigranten´ unter anderem Jobs bei Radio Liberty und The Voice of America zu beschaffen.1038

      Zirka 10.000 solcher Freiheitskämpfer aus dem Dritten Reich sollten ihm bald nachfolgen.

      In der Tat: Andere ªKatholische Armeen´ standen nun bereit um gegen die kommunistischen Regierungen in Zentral-und Osteuropa zu kämpfen. ªIn der Tschechoslowakei, Polen, in den Baltischen Staaten und in der Ukraine operierten geheime Nazi-Gruppen in enger Verbindung mit den Krizari.´1039 Eines dieser Netzwerke war der Antikommunistische Block der Nationen, den der britische Doppelagent Kim Philby bereits 1946 reorganisiert hatte und in dem nun alle vereint waren: Intermarium, das britische Prometheus-Netz mit den ukrainischen Nationalisten Stepan Banderas einschließlich der Belorussischen SS-Division Belarus und der Galizischen SS unter General Pavel Shandruck, die durch die persönliche lntervention des Papstes für den neuen Kreuzzug gerettet worden war.1040 Als ªFreiheitskämpfer´ bereit stand nun auch Prinz Turkuls von Allen Dulles` über das American Committee for the Liberation of the Peoples of Russia (Radio Liberty) mit Millionen von Dollar finanzierte Netz von Agenten,1041 die wie Philbys Leute allen Herren dienten.

      Dahinter steckte System. Während CIC und Teile der CIA Philbys ABN-Nazis ganz im Sinne des Kalten-Kriegs-Schemas als potentielle Sowjetspione auszuschalten versuchten, brachte sie Dulles über die DDU und die Organisation Gehlen wieder in die amerikanischen Dienste zurück. Mehr noch: Daß Philbys Leute verdächtig waren, ermöglichte Dulles, sich ungehindert des Turkul-Netzes zu bedienen. Wie die durch das Windsor-Geheimnis geschützte Cambridge-Connection im britischen Geheimdienst, sorgten Angleton & Co dafür, daß jeder Hinweis auf eine mögliche Infiltrierung von Turkuls Organisation aus den CIA-Akten verschwand. Informationen, die vom üblichen Standpunkt wichtig im lnteresse der so häufig zitierten Sicherheitsinteressen der USA waren, erreichten wohl ªhöherer Endzwecke´ wegen niemals die Schreibtische der verantwortlichen CIA-Analytiker, deren Job es war, in der Sowjetunion das zu sehen, was jeder sehen sollte: eine angeblich tödliche Bedrohung. Philby akzeptierte der ªhöheren Interessen´ wegen sein ªAgentenopfer´, ebenso wie vor ihm KLATT verstanden hatte, daß er von Turkul denunziert werden mußte. Andere, wie Stepan Bandera beispielsweise, wurden im Dienste an der Sache auch physisch liquidiert.

      Nun, die ªBefreiungsaktionen´ sowohl der Krizari wie jene von Allen W. Dulles` ªFreedomfighters´ endeten dank Anatol Turkuls Umsicht stets in einem kalkulierten Desaster, derweil die ultrageheime Organisation GLADIO mit Leuten wie dem späteren P2-Chef Licio Gelli im Westen dafür sorgte, daß die Dinge ªrechtens´ liefen.1042 Die kommunistischen Regierungen waren stets vorbereitet. Und die solcherart provozierten Aktionen gaben Stalin und Genossen vor allem die Möglichkeit, mit echten Oppositionellen aufzuräumen und tatsächlichen Widerstand im Keim zu ersticken.

      Der Vatikan ist in dieser Angelegenheit durchaus nicht unschuldig und auch nicht aus naivem Glauben hineingeschlittert. Montini und auch Pius XII. waren viel zu erfahrene Diplomaten, um sich der Konsequenzen ihrer Handlungen nicht bewußt zu sein. Der Vatikan wird sich von der künftigen Geschichtsschreibung zumindest den Vorwurf nicht ersparen können, als Erfüllungsgehilfe der Weltordnungsbande seine religiöse Autorität mißbraucht zu haben. Aber vielleicht ist gerade das die Rolle, die der Vatikan seit Jahrhunderten zu spielen hat. In diesem Fall hat er sie gut gespielt: ªAbgesehen von einigen Erfolgen in der italienischen Politik, spielte die vatikanische Diplomatie eine signifikante Rolle bei der Diskreditierung der legitimen antikommunistischen Bewegungen in Zentral- und Osteuropa. Intermarium war ein Akt des Krieges, und die menschlichen Verluste, die durch den Vatikan während des Kalten Krieges verursacht wurden, waren weit größer als die der Canaris-Gruppen im Zweiten Weltkrieg. Durch die Wiederholung des Irrtums mit dem Schwarzen Orchester halfen sie ungewollt den Kommunisten, die Kontrolle zu behalten.´1043

      ªAls die faschistischen Rekruten hinter den Eisernen Vorhang zurückgeschickt wurden, lief alles schief. Die Waffen, die über den Vatikan in den Osten geschleust wurden, wurden prompt entdeckt und beschlagnahmt. Das NaziProjekt endete mit dem Verrat von Tausenden von unschuldigen Antikommunisten.´1044

      Der Vatikan und Dulles` Friedenskämpfer hatten ganze Arbeit geleistet. 1959 waren auch die gutgläubigen Reste des amerikanischen Geheimdienstes und der anderen westlichen Dienste hinter dem Eisernen Vorhang eliminiert. Der Ostblock und der Westblock waren fest etabliert und mehr oder weniger unter Kontrolle. (Und was in diesem Kontrollsystem gegenseitiger Bedrohung für Westeuropa der sowjetische Hammer, das war für Moskau u.a. die Viererbande im fernen Peking; dies nur nebenbei, denn das gehörte zu einer ªWeltgeschichte´ des 20. Jahrhunderts.)

      Das alles ist indessen keineswegs Vergangenheit, es spielt in vielfacher Hinsicht in die Gegenwart herein und wird es wohl auch künftig tun. Die damals entwickelten Strukturen existieren noch heute, die Ratlines, Networks und Geldwäscher-Kanäle von damals sind nach wie vor aktiv und werden - den neuen Verhältnissen angepaßt- auch genutzt.

      Wie noch zu sehen sein wird, und wie auch Penny Lemoux in ihrem Buch In Banks we Trust feststellt, waren dieselben Leute, die etwa an Angletons und Dulles` Geldwäsche-System beteiligt waren, auch in die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch diverser Vatikan-Banken involviert.1045 Das war freilich auch keine isolierte Affäre.

      Die Ereignisse von damals ziehen noch viel weitere Kreise auf verschiedenen Ebenen des aktuellen Zeitgeschehens. Einige Beispiele mögen dies im Einzelfall verdeutlichen, und vor allem einen Eindruck davon geben, wie die Dinge zusarnmenhängen:

      Der Kreuzzug der Krizari von damals beispielsweise fand zweifellos bis in die Jugoslawienkrise der postkommunistischen Ära hinein seine Fortsetzung, wo sich die kroatischen Ustascha-Einheiten mit neonazistischen Söldnern aus ganz Europa ungeniert zu ihrer faschistischen Vergangenheit bekennen konnten, während sie ihr Unwesen trieben. Es herrscht deswegen weder in den Medien noch sonstwo besondere Aufregung - man hielt das bestenfalls für exotisch. Es hat auch niemals sonderlich Aufregung verursacht, als der für hunderttausende Morde im kroatischen Vernichtungslager Lasanovic verantwortliche ehemalige Chef des 3. Polizeidezemates des Ustascha-Regimes in Kroatien, Vjekoslaw Luburic, unter dem Codenamen Max sein Unwesen in Europa trieb. Von Spanien aus, wo er es dank Heirat zum Chef des spanischen Verlagshauses Drina gebracht hatte, organisierte er im Zuge diverser Führungskämpfe zahlreiche Bombenanschläge und Attentate auch gegen ehemalige Ustascha-Kumpane in Westdeutschland, die dann von deutschen Politikern dem titoistischen Sicherheitsdienst zugeschrieben wurden.

      Ein anderes Beispiel mag veranschaulichen, wie sehr die Vergangenheit auch ihre Schatten auf das zerfallene Jugoslawien geworfen hat, und es zeigt deutlich auf, wie die Kräfte aus dem ªReich´ ihren Einfluß auch ªdanach´ auf höherer diplomatischer Ebene zu nutzen imstande gewesen sind. Nicht alle Leute aus der Pavelic-Ära mußten sich mit dem Gewehr in der Hand an dem britisch-vatikanischen Kreuzzug gegen den übrigens ab 1944 sowohl vom britischen Special Operations Service (SOE) als auch von Churchill selbst gegen General Mihailovic unterstützten Tito beteiligen.1046 Viele von ihnen brachten es mit geringfügigen Kurskorrekturen zu angesehenen und gar einflußreichen Positionen in Westeuropa, was angesichts der bereits erläuterten Zusammenhänge nicht verwunderlich ist. Auf eine derartige Metamorphose stieß Bernt Engelmann bei Recherchen über den deutschen Multimillionär Georg von Walburg zu Zeil und Trauchenburg und dessen Anhang, worauf Engelmann (und zwar ohne deshalb ein gerichtliches Verfahren an den Hals zu bekommen) niederschrieb, was man sich vorher nur hinter vorgehaltener Hand erzählt hatte:1047 ªAlfons Dalma zum Beispiel, heute Chefredakteur des österreichischen Rundfunks [Anm. d. Verf.:der langjährige politische >Chefkommentator der Nation< verlor diesen Job 1974 im Zuge einer ORF-Reform], zuvor politischer Berater des Franz Josef Strauß und Mitherausgeber des Bayernkurier, noch früher (unter seinem richtigen Namen Stefan Tomicic) Ideologe der militanten antisemitischen und klerikal-faschistischen Ustascha-Bewegung Kroatiens, bezog jahrelang monatlich 2000 DM Salär aus fürstlichen Kassen, abgerechnet über die Tageszeitung Der Allgäuer.´1048 Daß Tomicic/Dalma, unter seinem ªPoglavnik´ Pavelic einst auch Presseattache an der Ustascha-Botschaft in Hitlers Reich, im Zuge der Jugoslawienkrise im Sommer 1991 offizieller Reise-Begleiter des österreichischen Außenministers Alois Mock bei dessen diplomatischen Sondierungen war, zeigt, daß die Gegenwart in der Tat nicht von der Vergangenheit zu trennen ist.

      Dies zeigt sich auch auf einem anderen Schauplatz: Eine bedeutsame Rolle bei der Fluchthilfe für die Nazis teils in Zusammenarbeit mit vatikanischen Agenten, teils im Dienste des OSS bzw. der CIA spielte niemand geringerer als Licio Gelli, der Mann, der wenig später zwischen Lateinamerika und Europa wahrhaftig die Puppen tanzen lassen sollte. Gelli selbst ist ein Paradebeispiel dafür, daß in der Zwielichtzone der höheren und allerhöchsten Politik eben nicht nur Gut und Böse an sich zwei sehr relative Begriffe sind, sondern auch Freunde und Feinde sich nicht nur begrifflich sondern auch praktisch überlappen.

      Seine Karriere startete der 1919 in der mittelitalienischen Stadt Pistoia geborene Gelli als siebzehnjähriger fanatischer Antikommunist. Gemeinsam mit seinem Bruder kämpfte er in den Reihen der italienischen Schwarzhemd-Divisionen in Spanien Seite an Seite mit General Francos Truppen gegen die Kommunisten. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kämpfte er in Albanien, trat später in die Waffen-SS ein und brachte es dabei bis zum Obersturmbannführer. Als ªVerbindungsoffizier´ der Nazis gehörte es zu seinen Aufgaben, italienische Partisanen aufzuspüren und an seine deutschen Befehlshaber zu verraten. Schon da zeigte sich, daß Gelli bei allem antikommunistischen Fanatismus einen kühlen Kopf mit Sinn auch für das Materielle hatte: So stahl er ganz nebenbei einen beträchtlichen Teil des in der italienischen Stadt Cattaro versteckten jugoslawischen Staatsschatzes und schaffte ihn fort. Sein Antikommunismus indessen verringerte sich stückchenweise mit dem für die Achsenmächte negativen Fortgang der Ereignisse: Gelli begann vorsorglich mit den größtenteils kommunistischen Partisanen zusammenzuarbeiten, indem er sie vor den Deutschen warnte, ehe er sie an diese verriet.

      Als der Krieg zu Ende war, rettete sich Gelli mit dem Versprechen, auch weiterhin für die Kommunisten zu spionieren, das Leben. Eine antifaschistische Spruchkammer in Florenz erklärte auf eine diskrete Intervention der Kommunisten hin diverse Zeugenaussagen, Gelli habe während des Krieges italienische Patrioten gefoltert oder gar ermordet, für nicht ausreichend glaubwürdig. Solcherart entlastet, machte er sich sofort daran, die Flucht untergetauchter Nazis gegen 40 Prozent von deren Barschaft zu organisieren, gemeinsam übrigens mit Pater Draganovic.1049

      Gelli war es, der mit Draganovic im Auftrag von Allen Dulles DDU und der CIC 1951 Barbies Ausschleusung organisierte, wobei zur Ehrenrettung des Counter Intelligence Corps der US Army gesagt werden muß, daß die allgemein verbreitete Ansicht, Barbie hätte dem CIC bis 1951 als Informant gedient, nur teilweise stimmt. Das CIC war von Dulles und den DDU-Leuten hereingelegt worden.1050 Danach jedenfalls machte der ehemalige Gestapo-Chef in Lateinamerika, vor allem in Bolivien Karriere, wo er als Sicherheitsberater einem Oberst Gomez seine Erfahrungen zur Verfügung stellte und eine private Kampftruppe mit dem vielsagenden Namen ªBräute des Todes´ auf die Beine stellte, die auf Bestellung mit dem Segen der bolivianischen Regierung politische Morde ausführte. Es ist anzunehmen, daß dabei Barbies Beziehungen zu den Verteidigern der Freiheit und der Demokratie und Kämpfern gegen den Kommunismus in Lateinamerika, den ªRambos´ von der CIA, auch nicht abgebrochen sind.1051

      Zwischendurch machte sich Barbies Truppe um die ªRationalisierung´ der bolivianischen Kokainindustrie verdient, vor allem durch die Ausschaltung der Kleinhändler, so daß die großen Haie des Geschäftes, die sich der Protektion der Junta erfreuten, ungestört abkassieren konnten. 1965 stieg Barbie dann auch in das internationale Waffengeschäft ein, nicht nur für Bolivien, auch für andere südamerikanische Regierungen und für- Israel.1052

      In dieser Eigenschaft wurde er zum Geschäftspartner jenes Mannes, der ihm nach dem Krieg im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes zur Flucht verholfen hane: Licio Gelli, dessen Netze inzwischen schon die gesamte Machtstruktur des ªExerzierfelds der braunen Internationale´,1053 nämlich Italiens umschlangen und der in seiner Eigenschaft als offizieller Wirtschaftsberater der argentinischen Regierung ebenfalls mit Waffengeschäften großen Stils beschäftigt war, wenn er nicht zwischendurch für den italienischen, amerikanischen oder sowjetischen Geheimdienst spionierte oder mit Erzbischöfen und Kardinälen speiste und über vatikanische Geschäfte sprach.

      Mit Gelli schließt sich ein Kreis, der wiederum nahtlos in einen größeren übergeht. Daß Gelli beste Beziehungen zum Weißen Haus hatte, kommt auch nicht von ungefähr:

      ªAls Dulles nach dem Weltkrieg sein Netzwerk aus faschistischen >Freedomfighters< etablierte, war er auch besonders damit beschäftigt, aufstrebenden jungen Amerikanern unter die Arme zu greifen und in seinem Sinne zu fördern. Eine seiner ersten Entdeckungen war ein Mann namens Ronald Reagan. Während der fünfziger Jahre war Reagan folgerichtig der öffentliche Sprecher der Dullesschen Tarnorganisation Crusade for Freedom.´1054

      Als Gouverneur von Kalifornien wußte Reagan wohl zu wenig über die massenmörderische Vergangenheit der kroatischen Ustascha-Bewegung, so daß er ausgerechnet den 10. April zum Feiertag für die kroatische Volksgruppe erklärte, jenen Tag, an dem Hitler sein Marionettenregime unter Pavelic eingesetzt hatte. Präsident Bush, der eigentlich über die Ustascha hätte Bescheid wissen müssen, da kroatische Terroristen während seiner Zeit als CIA-Chef ein amerikanisches Flugzeug entführt hatten, hatte desgleichen keine Bedenken, als sein Wahlkampfstab während der Wahlkampagne von 1988 einen Kalender produzierte, in dem ebenfalls der 10. April als Kroatischer Unabhängigkeitstag angeführt war. Nicht nur das:

      Bekannte kroatische Faschisten arbeiteten an seinem ªEthnic-Outrich-Program´ mit. Diesbezügliche Hemmungen hatte auch sein Vorgänger Reagan nicht gehabt, der sich ungeniert ehemalige Faschisten ins Weiße Haus einlud, von denen das State Department zugeben mußte, daß es sich um notorische Kriegsverbrecher aus den Networks des britischen Doppelspions Philby handelte.

      Ein weiterer früherer Schützling von Dulles war, wie Aarons und Loftus berichteten, William Casey, der sich nach dem Krieg als Geheimdienstler in London betätigte, zu jener Zeit also, als die vatikanisch-britisch-amerikanische Connection ihre Aktivitäten aufnahm. Dulles rekrutierte Casey, um das International Rescue Committee zu überwachen, das die illegale Einwanderung der von den Briten geretteten Nazis nach Amerika während der fünfziger Jahre organisierte. Casey war das amerikanische Ende des vatikanischen Rattenpfades, und dort lernte er auch, wie das Spiel gespielt werden muß. 1980, unter Reagans Präsidentschaft, wurde er folgerichtig Chef der CIA und spielte später bei der Irangate-Affäre konsequenterweise eine Hauptrolle. Ohne Zweifel die wichtigste Anwerbung Dulles` war ein junger Navy-Offizier namens Richard Nixon, der aus dem Nachkriegsdunkel gefischt wurde, um sich mit Unterstützung rechtsgerichteter Kreise um einen Sitz im Kongreß zu bemühen. ªUm zu verstehen, welche rechten Kräfte das waren, sollte festgehalten werden, daß nach seiner Wahl seine frühere kalifornische Anwaltsfirma einen prominenten faschistischen Finanzier namens Malaxa in dessen Bemühungen vertrat, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Gegen Malaxa wurde später wegen diverser Kriegsverbrechen ermittelt [...] Nixons antikommunistische Bekenntnisse waren 1951 so fest etabliert, daß er den Auftrag bekam, Senator Joe McCarthy zu steuern - ihn nämlich daran zu hindern, kommunistische Agenten innerhalb von Dulles` Geheimdienstladen zu vermuten.´1055

      Als dann Nixon im Jahr 1953 Eisenhowers Vize wurde, waren die Freunde alle beisammen: Allen Dulles wurde bekanntlich CIA-Chef, John Foster Dulles wurde Außenminister. Nimmt es da noch wunder, daß Nixon wärmstens das ªFreedomfighter´- Konzept seines Förderers unterstützte und vor allem auch dank der durch McCarthys Hetze hervorgerufenen allgemeinen antikommunistischen Stimmung nun auch keine Hemmungen zu haben brauchte, prominente faschistische Flüchtlinge als potentielle Befreier der hinter dem Eisernen Vorhang gefangenen Nationen im Weißen Haus zu empfangen? Denn wer gegen die Kommunisten war, der mußte einfach ein guter Mensch sein, auch wenn er als Nazi einmal Leute umgebracht hatte, die vermutlich sowieso irgendeine Art von Kommunisten waren. Diese psychopathische Hexenjagd war, selbst wenn sie nur zufällig zur rechten Zeit veranstaltet worden wäre, das ideale Klima, um Türkuls janusgesichtige Nazi-Doppelagenten in den Dienst der ªfreien Welt´ zu stellen.

      ªUm 1959 war es den Nachrichtenchefs der NATO auf peinliche Weise klar geworden, daß sämtliche der faschistischen Emigrantengruppen einschließlich Turkuls NTS hoffnungslos von Kommunisten unterwandert waren. Dulles war bestürzt, aber Nixon war verzweifelt.´1056

      Das ist auf jeden Fall vorstellbar. Nixon war gerade dabei, seine eigene Präsidentschaftskampagne für 1960 zu starten. Da fehlte es gerade noch, zugeben zu müssen, daß die Regierung über den Nazi-Transfer von den Sowjets zum Narren gemacht worden war. (Darüber, eventuell zugeben zu müssen, man hätte über die Doppelfunktion dieser Netzwerke Bescheid gewußt, brauchte man sich wohl keine Gedanken zu machen, denn das hätte ohnedies niemand so bald für möglich gehalten.) Doch man hatte ja Freunde. Innerhalb der CIA und des Pentagon kam es plötzlich und zufällig und auch nicht zum erstenmal zu einer ªgeradezu orgienhaften Vernichtung geheimer Akten. Nur das State Department wußte was los war und transferierte seine Akten an andere Dienststellen´.1057

      Daß Nixon voll über die Nazi-Bewegung Bescheid wußte, fanden Aarons und Loftus in offiziellen parlamentarischen Dokumenten in Australien bestätigt: Während der Nixon-Regierung bat die australische Regierung das State Department um Rat, wie das Problem der in Australien wohnenden Ustascha-Faschisten zu handhaben sei. In einem ausführlichen Gespräch teilte ein Sprecher seinem australischen Partner mit, daß die Nixon-Regierung insgeheim über diese kroatischen Extremisten Bescheid wisse, aber nichts gegen sie unternehmen wolle: Sie seien wichtig, um die Stimmen dieser ethnischen Gruppe in fünf Schlüsselstaaten zu bekommen.´1058

      Als 1970 der Kongreß Anklagen der jüdischen Gemeinde zu überprüfen begann, daß in den USA gesuchte Kriegsverbrecher lebten, wurde das State Department immerhin nervös. Die heikelsten Kriegsverbrecher wurden nun vom State Department zum Pentagon transferiert, für das sie nunmehr als Berater für ªspecial operations´ tätig wurden. Derlei Aktionen gab es auch später immer wieder. Nixons Erbe: der permanente Zwang, das Dulles-Geheimnis zu vertuschen. Als Reagan Präsident wurde, fand man für die noch aktiven, in amerikanischen Diensten stehenden Ex-Nazis neue Aufgaben: Diesmal nicht als antikommunistische Experten, sondern als ªAnti-Terror-Berater´ für die Special Operations Division, einer verdeckten Operationseinheit, die sozusagen Feuer mit Feuer vergelten sollte.

      Es hat sich seit Dulles` Zeiten nichts geändert. Die SOD-Leute führten einen unerklärten Krieg, einen Krieg ohne Grenzen, finanziert und ausgefochten ohne Wissen des Kongresses. Und wiederum wußte man selbst innerhalb der CIA nicht, daß ihr eigener Chef, William Casey dahintersteckte: Er selbst hat etliche Nazis angeheuert, die nun für die SOD und fürdie private World Anticommunist League des General Singlaub arbeiteten. Vorzugsweise in Lateinamerika, wo die berüchtigten Todesschwadronen ªvon asiatischen und europäischen Faschisten trainiert wurden´.1059

      Der inzwischen verstorbene Casey hatte die Ratlines und Dulles System des Kalten Krieges bis ins Detail wiederbelebt: ªEr, der Superstratege, der Bush und Reagan 1980 an die Macht brachte, durfte später mit der Rückendeckung seiner Gefolgsleute in der Administration ein weltweites Netzwerk aufbauen, um den sowjetischen Einfluß zu bekämpfen, wo immer er entdeckt wurde.´ 1060 Und dies unabhängig davon, ob es sich nun um wirklichen sowjetischen Einfluß oder um einen bloßen Vorwand handelte. Jürgen Roth zitiert die in New York ansässige Wochenschrift The Nation, die das 1987 von Reagan zur politischen Konzeption erhobene System der verdeckten, sozusagen privatisierten Kriegsführung als ªein permanent sich neubildendes Netz von ausländischen Regierungen, politischen Parteien und privaten Institutionen, deren Zweck es ist, eine weltweite Konterrevolution zu unterstützen, ohne dabei den Launen lokaler Wahlen oder öffentlicher Kritik der öffentlichen Meinung in irgendeinem Land ausgesetzt zu sein´.1061 Wie das System funktionierte, zeigte sich deutlich, als 1982 die Waffenpipeline aus der Bundesrepublik in den Iran installiert wurde, mit der die Reagan-Bush-Administration einen Teil ihrer Schulden bei den Ayatollahs abzahlte, die daraus erwachsen waren, daß diese 1979 so lange mit der Freilassung der amerikanischen Geiseln gewartet hatten, bis sichergestellt war, daß Reagan und der Ex-CIA-Chef Bush ins Weiße Haus kamen und Carter auf seine Erdnußfarm zurück mußte. Damals wurden die NATO-Bestände in bundesrepublikanischen und südbelgischen Lagern geplündert. HAWK-Ersatzteile, die beispielsweise 20.000 Dollar kosteten, wurden an die Iraner um 200.000 Dollar verkauft. Jürgen Roth zitiert einen daran beteiligten amerikanischen Geheimdienstler, der sich die Quittungen über die damaligen Finanztransaktionen als Lebensversicherung besorgt hatte: ªBundesdeutsche Politiker sind nicht nur über diese Geschäfte eingeweiht gewesen. Sie haben über eine Tarnfirma in Zürich erheblich mitverdient. Profite daraus sind schwarz in bestimmte Parteikassen geflossen.´1062

      Die Todesschwadronen der World Anticommunist League des Generals Singlaub waren eben nur ein Teil und ein neuer Anfang eines alten Spiels.1984 wurde die National Security Decision Directive NSDD 138 offiziell installiert. Bushs nationaler Sicherheitsberater, Donald Gregg, baute das Team auf, das gemeinsam mit dem britischen Geheimdienst wie zu alten Nachkriegszeiten aktiv werden sollte. Durch Caseys Einwirken wurde für diese Gruppe seitens des Nationalen Sicherheitsrates ein Mann abgestellt, der im Laufe der Ereignisse für die Öffentlichkeit die Hauptrolle im Irangate-Skandal übernehmen sollte - Oliver North.

      Später zeigte sich, ªdaß General Singlaub ein enormes Netzwerk intergouvernmentaler Geldgeber aufgebaut hatte, um die geheimen Operationen ohne Wissen des Kongresses zu finanzieren´.1063 Und dies nicht nur in Nicaragua, sondem auch im Nahen Osten und in Afrika.

      Über Irangate selbst muß hier im Detail nichts gesagt werden. Was uns vor allem interessiert, sind die unmittelbaren Zusammenhänge zwischen den Nazi- Netzwerken von einst und den von Casey, North und ihren Auftraggebem im Weißen Haus diesen nachgebildeten Strukturen: Derjenige, der im Zuge des ersten großen Waffendeals zwischen Iran und Israel 1981 mit dem iranischen Unterhändler, Khomeinis Schwiegersohn Sadegh Tabatabai für Israel beziehungsweise für die USA verhandelte, war niemand anderer als Stefano della Chiae, Rechtsextremist, Waffenhändler, Terrorist und einer der Vollstrecker der italienischen Freimaurerloge Propaganda due.1064 Daß sich andererseits Oliver North für seine Ratlines und vor allem für sein Waffenschiebungs- und Geldwäschesystem eines palästinensischen Terroristen, nämlich des vom spanischen Marbella aus operierenden, mit dem syrischen Geheimdienst-Chef verschwägerten Chef-Geldwäschers und Chef-Geldbeschaffers der PLO, Monzar Al-Kassar, bediente, war wohl nur eine Frage des Gleichgewichts und ist ein weiterer Hinweis darauf, daß vorgebliche Feinde durchaus auch heimliche Freunde sein können. Auch hier eine bemerkenswene Parallele zu den Zeiten, da Dulles, Angleton, Wiesner und Casey agierten: ªEs ist bestätigt, daß Monzar Waffen aus kommunistischen Ländenn an die Contras lieferte und es besteht der Verdacht, daß er andererseits wieder die Kommunisten mit Informationen über die Contras versah.´1065

      Viele Dinge ändern sich, viele Dinge bleiben gleich. Und es ist kaum übertrieben, wenn Aarons und Loftus in ihrer Untersuchung über die Ratlines schließen: ªDer Weg gescheiterter Operationen und geheimer Destruktion führt unerbittlich zurück nach Rom.´1066 Das gilt nicht nur für die Beihilfe zur Rettung und Rekonstruktion der Nazi-Netzwerke. In der Tat: CIA, Nazis, Vatikan, lateinamerikanische Diktaturen, Todesschwadrone, Terrorismus, Rauschgift- und Waffenhandel, Börsenspekulationen, Eurodollars, Ostkredite und Mafia, Subversion und verdeckte Aktionen - das sind sozusagen die Markierungspunkte genau jenes Betätigungsfeldes von Gelli und seinen Logenbrüdern innerhalb und außerhalb Italiens, in dessen Rahmen sich später auch die ªvatikanisch inspirierte Wirtschaftskriminalität´1067 über die ganze Welt ausbreiten sollte, die wiederum auch nur Teil eines größeren Systems ist.



      Anmerkungen:

      1007 Vgl. Bremer, Georg, ªSeid umschlungen Millionen - Wie Fluchtgeld in saubere Schweizer Fränkli verwandelt wird´, in: Die Zeit, Nr. 18, Dossier v.27. April 1984.

      1008 Vgl. Gutierrez, Ignacio, ªArriba und Heil Hitler´, in: Die Zeit, Dossier v. 31.10.1980; vgl. auch Purtscheller, Wolfgang, Aufbruch der Völkischen - Das braune Netzwerk, Wien 1992, S. 30ff. insbes. S. 33f.: Zu Skorzenys erfolgreichen Unternehmungen trug wesentlich auch der Umstand bei, daß seiner spanischen Firma ungeachtet seiner Kriegsverbrechen und ungeachtet des Umstandes, daß zumindest damals in Österreich ein Haftbefehl gegen ihn vorlag, die Generalrepräsentanz der verstaatlichten österreichischen VoEST (vormals Hermann-Göring-Werke) für die iberische Halbinsel und Lateinamerika übertragen worden war. Skorzeny war übrigens eine der treibenden Kräfte hinter der ªOrganisation ehemaliger SS-Angehöriger´, allgemein als ODESSA bekannt. Heute dient Skorzenys spanische CEDADE auch als Regenerationsort für wegen Wiederbetätigung verurteilte Neonazis wie etwa die Österreicher Walter Ochsenberger und Gerd Honsik.

      1009 Lo Bello, Nino, Vatikan im Zwielicht - Die unheiligen Geschäfte des Kirchenstaates, München 1983, S. 67.

      1010 Die Schlepperorganisation DIE SPINNE wurde sozusagen im österreichischen Internierungslager Glasenbach erfunden. Einer der Gründer dieser Fluchthilfestruktur war nicht von ungefähr der Schriftsteller Erich Kernmayer, der In seinen Büchern, die er mit dem Pseudonym Erich Knud Kern signierte, das NS-Regime und die SS geradezu als eine Art europäische Verteidigungsallianz gegen den gleichmacherischen Bolschewismus verklärte. Kernmayer-Titel, deren Auflagen in die Hunderttausende gingen, und sozusagen zur Basisliteratur der neofaschistischen Szene wurden: Insel der Tapferkeit, Das Buch der Tapferkeit, Buch der Tapferkeit: Soldatenschicksale unseres Jahrhunderts, Adolf Hitler und das Deutsche Reich: Der Staatsmann, Adolf Hitler und das Deutsche Reich: Der Feldherr usw.



      1011 Aarons/Loftus, a.a.O., S. 18.

      1012 Ebd., S. XII.

      1013 Ebd., S. 28ff.

      1014 Ebd., S. 39f., u.a. Zit.: Departrnent of State,

      Report from Vinvent La Vsta to Herbert J. Cummings, 15. May 1947, USNA (US National Archive), RG 59, FW 800.0128/5 - 1547.

      1015 Ebd., Zit.: Interview with Simon Wiesenthal, Vienna 21. February 1985. Vgl. Brockdorf, Werner (Alfred Jarschel), Flucht vor Nürnberg, a.a.O., S. 55ff. S. 81.

      1016 Ebd., vgl. Brockdorff, a.a.O., S. 79. 1017 Ebd.

      1018 Ebd., S. 47ff.

      1019 Lo Bello, a.a.O., S. 70.

      1020 Aarons/Loftus, a.a.O., S. 71, 72. Der britische Geheimdienst hatte engste Beziehungen zu Pavelic1 Terroristennetz unterhalten, vor allem nach der Ermordung des jugoslawischen Königs Alexander in Marseille im Jahr 1934.

      1021 Ebd., S.56ff. u.a. Zit.: Gowen CIC report of 23 June 1947, Vajta file, obtained under the US FOIA, pp. 49-51; and CIC memos of 21. August, 4. and 5. October, and In December 1946, Intermarium file, obtained under US FOIA, pp. 1-6.

      1022 Ebd., S. 87. 1023 Ebd., S. 59. 1024 Ebd., S. 58f., 180, 200. 1025 Ebd., S. 88.

      1026 Ebd., S. 72; zu Ante Pavelic vgl. Lrnberger, Harald, Die Terror-Multis, Wien, München 1976, S. 128ff.

      1027 Deschner, Karlheinz, Kirche und Faschismus, Rastatt 1993, S. 110. Deschner gibt in seinem Buch in der Tat erschöpfend Auskunft über die grauenhaften Umtriebe der Ustascha im Verein mit dem katholischen Klerus, insbes. auf S. 101ff. sowie 106ff. Im Mai 1941 reiste Pavelic mitsamt seinen Ministern und etlichen Geistlichen, darunter der Generalvikar des Erzbischofs Stepinac, Bischof Salis-Sewis nach Rom, wo er auch in ªbesonders feierlicher Privataudienz von Pius XlI. empfangen und gesegnetª wurde. ªDer Papst entließ ihn und seine Suite mit den besten Wünschen für >weitere Arbeit<. Darauf wurden im >Unabhängigen Kroatien< 299 serbisch-orthodoxe Kirchen ausgeraubt und vernichtet, weitere Kirchen in katholische umgewandelt, in Schlachthäuser, Warenhäuser, öffentliche Toiletten und Ställe. In Gegenden, wo die Serbisch-Orthodoxen die Bevölkerungsmehrheit bildeten, hat man ihre Kirchen meist total zerstört, wo die Orthodoxen in der Minderheit waren, wurden ihre Kirchen für katholische Zwecke umgewandelt. Alles zeigt, daß eine wohlgeplante Politik befolgt worden ist. Der ganze Besitz der serbisch-orthodoxen Kirche ging in den Besitz der katholischen über. [...] In Zagreb, wo der Primas der kroatischen Katholiken, Erzbischof Stepinac, und der apostolische Nuntius Marcone residierten, schlug und quälte man den orthodoxen Metropoliten Dositej derart, daß er wahnsinnig wurde. Andere orthodoxe Patriarchen und Bischöfe schleppte man nach Dachau oder in italienische Konzentrationslager, wo sie bis zum Ende des Krieges blieben. [...] Bischof Platon und seinem Begleiter, dem Priester Dusan Subotic, stach man, während auf ihrer Brust ein Feuer brannte, die Augen aus, schnitt ihnen die Ohren ab und gab ihnen endlich den Todesstoß. Überall forderte der katholische Klerus die Orthodoxen zur Konversion auf. >Wenn ihr zur katholischen Kirche übergetreten seid<, versprach der Bischof Aksamovic von Djakovo, >werdet ihr in euren Häusern in Ruhe gelassen werden.< Viele wurden so katholisch, noch mehr aber wurden massakriert: erschossen, erstochen, zerstückelt, lebendig begraben oder gekreuzigt. Als Pavelic am 26. Juni 1941 den katholischen Episkopat in Audienz empfing und Erzbischof Stepinac sagte: >Wir bezeugen von ganzem Herzen Ehrerbietung und versprechen ergebene und treue Mitarbeit für die strahlendste Zukunft unseres Vaterlandes<, hatte man innerhalb von sechs Wochen bereits drei orthodoxe Bischöfe, mehr als hundert orthodoxe Priester und Ordensleute sowie 180.000 Serben und Juden ermordet.´

      1028 Aarons/Loftus, a.a.O., S. 79.

      1029 Ebd., S. 132; vgl. auch S. 128ff. und 132 über die Rolle des Nazi-Quislings und spirituellen Führers der slowenischen Ustascha-Einheiten, Bischof Gregory Rozman bei der Geldwäsche von Ustascha-Vermögen in Bem. Über Vermittlung des amerikanischen Kardinals Spellman und Erzbischof Rohracher in Salzburg durfte er 1948 ungehindert in die USA einreisen und sich in Cleveland, Ohio, niederlassen. U.a. Zit.: Harrington CIC memo of 9. March 1948, ªActivity of Bishops Rozman and Saric´, released under US FOIA; Airgram from Berne to State Department, USNA, Myron Taylor Papers, Box 21.

      1030 Ebd., S. 51, 125.

      1031 Ebd., S. 267f.

      1032 Ebd., S. 266. Damit wird im Zusammenhang mit der Waldheim-Affäre einiges klar. Waldheim behauptete stets, daß er nicht in die blutigen Kozara-Massaker von 1942 verwickelt war, da er zu dieser Zeit im Stab des deutschen Quartiermeisters in Westjugoslawien Dienst getan habe. Immerhin aber könnte er durchaus Gelegenheit gehabt haben, Pater Draganovic kennenzulernen, der zur Zeit der Kozara-Offensive in West-Bosnien auf Requisitionstour war. Auf welche Weise Waldheim Ante Pavelic dermaßen beeindruckt haben konnte, daß dieser ihm die silberne Medaille mit Eichenlaub für seine Dienste in dieser Gegend verlieh, bleibt wohl ein Rätsel, bis entsprechende Dokumente freigegeben werden. Für welche Verdienste Waldheim nun genau im Juli 1994 eine der höchsten päpstlichen Auszeichnungen, nämlich den Pius-Orden verliehen bekam, bleibe dahingestellt.

      Möglicherweise war es eine späte Belohnung für die Tätigkeit im Rahmen der Intermarium-Operationen des Vatikans.

      1033 Ebd. Wie Waldheims früherer Vorgesetzter im österreichischen Außenministerium, Karl Gruber zugegeben hat, hätten die alliierten Nachrichtendienste Waldheim vermutlich von jeder Betätigung im österreichischen Außenministerium zunächst disqualifiziert. Doch dank eines von Molden der Regierung zugespielten gewaschenen Lebenslaufes war Waldheim schließlich sauber genug, um in das diplomatische Corps einzutreten: zu jener Zeit also, da die österreichische Regierung die Umtriebe des Terroristen-Netzes der Krizari auf ihrem Territorium forderte. Draganovic wurde bemerkenswerterweise österreichischer Staatsbürger, ehe er hinter den Eisernen Vorhang in Titos Reich zurückkehrte, den Titoismus über den grünen Klee lobte und wegen seiner Ustascha- und Krizari-Vergangenheit völlig ungeschoren blieb. Im Zusamrnenhang mit Waldheim, Gruber und Molden u.a. Zit.: London Observer Service, Interview with Karl Graber, reported in QuincyPatriotLedger, 29. April 1986. Der Verleger Fritz Molden produzierte sich übrigens Ende der fünfziger Jahre ebenso wie der damalige Express-Chefredakteur und spätere ORF-Generalintendant Gerd Bacher als finanzieller und medialer Förderer jener rechtsextremen Südtiroler, die als sogenannte ªBumser´ in die Zeitgeschichte eingegangen sind. (Vgl. Purtscheller, Aufbruch der Völkischen, a.a.O., S. 46f.)

      1034 Aarons/Loftus, a.a.O., S. 126, 132 1035 Ebd., a.aO., S. 203f.

      1036 Ebd., S. XIIff.

      1037 Ebd., S.236, Zit.: INSCOM-DOSSIER, Subject: ªGiovanni Montini´, Memo of July 1946 Unattributed, US Army Investigate Records Repository, Ft. George V. Meade, Md., declassified under US FOIA.

      1038 Ebd., S. 269.

      1039 Ebd.,S.138;vgl.auchS.173ff.189ff.207ff. 1040 Ebd., S. 203, Zit.: Simpson, Christopher, Blowback, New York, 1988, 180f. Im Laufe der Nachkriegszeit entstand dank entsprechender Propaganda und Verschleierungstaktik der Beteiligten die Ansicht, die Mitglieder der Galizischen SS seien so etwas wie Opfer der nazistischen Unterdrückung gewesen. Tatsache indessen ist, daß gerade zahlreiche Mitglieder dieser SS-Einheit für ihre Brutalität während der grausamen Exekutions-Aktionen in der Ukraine bekannt waren. Viele von ihnen waren als Mitglieder der mobilen SS-Mordeinheiten an Massakern wie jenem von Babi Yar beteiligt(vgl.S.180,189,192). 1041 Ebd., S. 259, 260f.

      1042 Vgl. O`Shaughnessy, Hugh, ªEurope1s best kept secret´, in: The Observer v. 7. Juni 1992, S. 53, wo P2-Logenchef Gelli als Schlüsselfigur auch dieser NATO-Geheimorganisation identifiziert wird. Außerdem wird James Jesus Angleton als die treibende Kraft beim rechtsradikalen und terroristischen Niedergang dieser aus ursprünglich ganz und gar edlen und unschuldigen Gründen zur Verteidigung des Westens vor den Russen installierte Untergrund-Organisation genannt.

      1043 Aarons/Loftus, a.a.O., S.285.

      1044 Ebd., S. XIII.

      1045 Ebd.; vgl. Lernoux, Penny, In banks we trust, New York 1984, insbes. S. 181ff.; über Zusammenhänge zwischen den finanziellen Transaktionen der Loge P2 und dem amerikanischen Wahlbetrug von 1980 bzw. personelle Verbindungen zwischen Licio Gelli und George Bush vgl
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 16:37:12
      Beitrag Nr. 62 ()
      leider fehlen im vorausgegangenen posting der link und ein teil der literaturangaben am schluss. das hole ich hiermit nach:

      1045 Ebd.; vgl. Lernoux, Penny, In banks we trust, New York 1984, insbes. S. 181ff.; über Zusammenhänge zwischen den finanziellen Transaktionen der Loge P2 und dem amerikanischen Wahlbetrug von 1980 bzw. personelle Verbindungen zwischen Licio Gelli und George Bush vgl. Roth, Mitternachtsregierung, a.a.O., S.132ff.

      Siehe zum Thema Vatikan-Banken auch die Zusamrnenfassung bei Malachi, Martin, Das letzte Konklave, Wien, Hamburg 1978, S. 40 bis 48.

      1046 Görlitz, Geldgeber, a.a.O., S. 213f., insbes. S. 220f.

      1047 Ebd., S. 129.

      1048 Ebd.; vgl. Engelmann, Bernt/Walraff, Günter,lhr da oben-wir da unten,Köln 1973,S.114. 1049 Yallop, David A., Im Namen Gottes? Der mysteriöse Tod des 33-Tage-Papstes Johannes Paul 1. -Tatsachen und Hintergründe, München 1984, S. 159f.

      1050 Ebd., S. 160. Vgl. bezüglich der Täuschungsmanöver, mit denen das Counter Intelligence Corps ausgetrickst wurde, Aarons/Loftus, Unholy Trinity, a.a.O., S. 250ff.

      1051 Vgl. Yallop, a.a.O., S. 160. Auf Barbies Konto geht u.a. die Ermordung des bolivianischen Sozialistenführers Marecelo Quiroga Cruz. 1980 halfen die ªBräute des Todes´ dabei, General Garzia Meza an die Macht zu bringen.

      1052 Ebd., S. 165.

      1053 Ebd. Vgl. Irnberger, a.a.O., S.l99ff.

      1054 Aarons/Loftus, Unholy Trinity, a.a.O., S. XIV. In den fünfziger Jahren hat übrigens Ronald Reagan Geld für eine jener Frontorganisationen gesammelt, die das gewaschene Geld dann an die faschistischen ªFreedomfighters´ Dulles` transferierten.

      1055 Ebd., S. XV. 1056 Ebd. 1057 Ebd. 1058 Ebd., S. XVI. 1059 Ebd., S. XVII; vgl. auch Roth, Mitternachtsregierung, a.a.O., S. 89: Während der Reagan-Casey-Ära wurde die WACL des Generals Singlaub mit der ªWestem Goals Fundation´ zusammengeschlossen: einer der für die Realisierung der ªLaw-Intensity-Conflicts´-Strategie und der verdeckten Einmischung mittels ªprivater Intervention´ in die Angelegenheiten fremder Länder

      (ªohne der Kritik der öffentlichen Meinung dieser Länder ausgesetzt zu sein´) geschaffenen Stiftungen. Weitere solcher über Geheimdienstkanäle finanzierten Institutionen sind die ªInternational Freedom Foundation´, die ªInternational Society of Human Rights´ und die ªHeritage Foundation´, die vor allem auch gern von strammen bundesdeutschen Politikern besucht wird.

      1060 Vgl. Roth, Mitternachtsregierung, a.a.O., S. 95.

      1061 Ebd., S. 88.

      1062 Ebd., S. 293. Daß übrigens Reagan und Bush über die Iran-Lieferungen nicht nur voll informiert waren, sondern daß Reagan persönlicher Initiator des illegalen Waffendeals gewesen war, bestätigte im Januar 1994 der mit der Untersuchung des Iran- Contra-Skandals beauftragte amerikanische Sonderstaatsanwalt Lawrence Walsh. Reagan habe den Verkauf von Waffen an den Iran - gegen ein bestehendes Embargo - ausdrücklich autorisiert. Dabei, so Walsh, habe Reagan allerdings gegen keine Gesetze verstossen ... (News 319)

      1063 Vgl. Aarons Loftus, a.a.O., S. XVI1. 1064 Vgl. Roth, a.a.O., S. 138.

      1065 Aarons/Loftus, a.a.O., S. XIX. Vom Lockerbie-Anschlag bis zur Iran-Contra-Affäre gibt es kaum eine größere Aktion aus dem Bereich Waffen, Drogen und Terror und auch Geheimdiplomatie, mit der der Syrer Al-Kassar nicht in Verbindung zu bringen wäre. Im Januar 1994 machte er wieder Schlagzeilen, weil er in Spanien für einige Tage aus der Untersuchungshaft beurlaubt wurde, um angeblich seinen kranken Bruder in Syrien zu besuchen. Allerdings sind durchaus nicht unbegründete Spekulationen laut geworden, der PLO-Geldwäscher, Waffenschieber, und CIA-Vermittler sei freigelassen worden, um einen Vermittlungsauftrag im Zusammenhang mit den palästinensisch-israelischen Verhandlungen zu übernehmen, die dann wenig später tatsächlich zu einem Abkommen über die Autonomie der Westbank und des Ghazastreifens führten (TVE v.20. l .1994). Al-Kassar saß wegen der Beteiligung an einem Mordversuch an dem libanesischen Agenten Elias Awad im Jahr 1994 in spanischer Untersuchungshaft. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, die Entführer des Kreuzfahrtsschiffes ªAchille Lauro´ 1985 mit Waffen versorgt, wenn nicht die Entführung überhaupt organisiert zu haben. Es war jedoch anzunehmen, daß Al-Kassar mehr oder weniger ungeschoren davonkommen würde, da der spanische Geheimdienst CESID zweifellos seine schützende Hand über den Syrer hält, der doch Staat und Geheimdienst schon etliche Dienste erwiesen hat: etwa durch die Lieferung von mit Peilsendern ausgestatteten Waffen an die spanische Terrororganisation ETA, wodurch es möglich wurde, ein umfangreiches Waffenlager auszuheben. Auch die Franzosen sind ihm zu Dank verpflichtet. Umfangreichere Aktivitäten entfaltete er auch in Österreich, wo er nicht nur das Wiener Flugunternehmen ªJet-Air´ finanzierte, sondern sich durch die Beschaffung von Endverbraucher-Zertifikaten für die Iran-Waffenexporte der staatlichen Firma Noricum einen Namen und saftige Provisionen machte. Er soll der Auftraggeber jenes Mannes gewesen sein, den der VOEST-Generaldirektor Apfalter kurz vor seinem mysteriösen und nach wie vor ungeklärten Tod getroffen hatte ...

      1066 Ebd., S. 264.

      1067 Yallop, a.a.O., S. 196f.

      Quelle:

      E.R. Carmin, Das Schwarze Reich, Okkultismus und Politik im 20. Jahrhundert, Bad Münstereifel 1994, S.273-285 ff.

      *** Home


      http://home.t-online.de/home/Jens_Kroeger/vatican
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 17:17:18
      Beitrag Nr. 63 ()
      @antigone,
      nicht nur du, auch andere user
      sind außer Atem, weil wenig Raum
      zum "Luftholen" bleibt! gute Filme hin oder her!
      Allein schon die Wiederholungen "Drescherer" Aussagen
      und deren Literaturnachweise aus älteren Schriften dauern sehr lange!
      Die Aufarbeitung seines Adenauer-Komplexes, - und USA-Komplexes - rückdatiert auf das Jahr 1962 dauert etwas;
      wir, wenige user, bitten un Geduld!
      Drescher schreibt viel; kannst du, die wesentlichen Kernaussagen, so vorab mal zusammenfassen?
      Wäre schön!
      Drescher zu widerlegen ist schwer, weil er taktisch sehr versiert vorgeht, aber auch leicht, weil sehr oberflächlich recherchiert...normal für einen Nichthistoriker..!

      Darf ich das?? :confused:

      In diesem oder einem der Parallel-Threads hast du den user "Donat.." oder so ähnlich locker aus dem Ring geworfen
      und ohne Argumente abgekanzelt!
      Darf ich das auch mit dir machen??;
      natürlich abgefedert und milder ..;)

      @antigone,
      warum haßt Drescher seit nunmehr 45 Jahre die Karmeliter,
      den Katholiken Adenauer und die Amerikaner?


      bevor du weiterhin ellenlange Texte von Vielschreiber und -Vieldeuter Drescher hier unkommentiert postest, sei so nebenbei ein Mini-Thread angeregt:

      "Wer ist Drescher und was treibt in um?"
      Eine schlichte Hinterfragung junger W:0 -Leser; oder
      warum ist user Antigone von Dreschers "Bibel"-Weisheiten
      so kritiklos begeistert ??

      danke für die bescheidene Aufmerksamkeit

      Gillybär
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 18:03:35
      Beitrag Nr. 64 ()
      gilly, der zuletzt reingestellte beitrag ist gar nicht von deschner, wie vieles anderes auch nicht. von deschner sind wesentlich die beiträge im moloch-threae. ich bin heute eher zufällig über diesen letzten beitrag gestolpert, als ich im netz für etwas ganz anderes rumrecherchiert habe.

      wer ist deschner?
      http://www.deschner.info/

      zusammenfassen? deschner - du bemängelst es als `oberflächlich - faßt bereits zusammen... und ich hab einige seiten aus dem "moloch" reingestellt. das interessante an deschner ist meiner meinung nach, dass er das wesentliche auf den punkt bringt und nicht nebulös bleibt, sondern namen nennt. was man sonst nur weit verstreut findet bzw. eher gar nicht findet, das sucht er zusammen. ich finde es schon wichtig, zum beispiel zu wissen, dass boehringer das agent orange für den krieg in vietnam geliefert hat, dass von weizsäcker keine probleme damit hat, das als ganz normalen geschäftsvorgang zu sehen und dennoch präsident der ekd zu sein. geht alles wunderbar zusammen.

      solange sowas völlig normal ist, ist in dieser gesellschaft nichts normal und wird sich auch nichts ändern.

      wir sollten dann aber allesamt einpacken, denn dann muss es erst recht erlaubt sein, sich über die zu wundern, die sich über grüne fraktionssprecher wundern, die über das osterfest mal schnell auf steuerzahlers kosten zur erledigung höchst privater angelegenheiten erster klasse nach thailand fliegen. das ist dann nämlich in relation wirklich lächerlich. was nicht heißt, dass ich es gut finde. nur sollte dann ein heuchelei-barometer eingeführt werden und da halte ich die heuchelei eines grünen abgeordneten in diesem falle für läßlicher als das milde lächeln eines ekd-präsidenten, der hunderttausendfaches morden am völkerrecht vorbei für ein ganz normales geschäft hält. das ist nur ein beispiel. ich hätte auch den gedächtnislosen leisler-kiep oder den brutalst-möglichen aufklärer koch nennen können, oder unser aller oberster ehrenmann der nation, der uns nach wie vor verkohlt.

      jedenfalls, um auf deschner und mein zurückgreifen auf seine arbeiten anbelangt, so kann ich mich darauf verlassen, dass deschner absolut sauber recherchiert. seine ergebnisse sind jedenfalls, so unglaublich und haarsträubend sie teilweise zu lesen sind, von den betroffenen personen nicht mit klagen belegt worden, die erfolge gehabt hätten. das sagt ja was.... deschner betätigt sich seit jahrzehnten vor allem als kirchenkritiker. über den weg von der kritik an der katholischen kirche zu ihrem immer mit den herrschenden paktierenden engagement und ihrem hang zum grossen geld, über den weg wird er zu seinem thema "moloch" gekommen sein.

      was danatbank`s einwendungen anbelangt, so habe ich mich dazu geäußert. mich wundert immer wieder, welcher müll und welch übel form des umgangs, welcher ton im board in politischen threads ge"pflegt" werden kann, ohne dass sich jemand stört. ja, auch die verfälschung der tatsachen ruft selten mal jemanden auf den plan. und wer keine bohrenden fragen aufwirft, der darf posten bis zum abwinken.

      was ist so störend an dem, was ich hier reinstelle? jedenfalls ist es für einige leute ein rotes tuch. um so besser, könnte ich sagen. was ist so störend, dass man ein paar dumme statements abläßt, die anzeigen, dass man unbedingt widersprechen muss. auch bei nachfrage kommt nichts genaues nicht, weil mans offensichtlich auch nicht besser weiss... aber man glaubt was zu wissen. und das scheint zu genügen. auf bluff basiert ja ne menge in unserer welt.

      ich weiss es nicht. das einzige, was ich weiss ist, es ist nicht angenehm, diesen wahrheiten ist auge zu sehen. mir übrigens auch nicht. das allein aber macht sie nicht falsch.

      gruss antigone
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 18:21:09
      Beitrag Nr. 65 ()
      Karl Heinrich Leopold Deschner wurde am 23. Mai 1924 in Bamberg geboren. Sein Vater Karl, Förster und Fischzüchter, katholisch, entstammte ärmsten Verhältnissen. Seine Mutter Margareta Karoline, geb. Reischböck, protestantisch, wuchs in den Schlössern ihres Vaters in Franken und Niederbayern auf. Sie konvertierte später zum Katholizismus.

      Karlheinz Deschner, das älteste von drei Kindern, ging zur Grundschule in Trossenfurt (Steigerwald) von 1929 bis 1933, danach in das Franziskanerseminar Dettelbach am Main, wo er zunächst extern bei der Familie seines Tauf- und Firmpaten, des Geistlichen Rats Leopold Baumann, wohnte, dann im Franziskanerkloster. Von 1934 bis 1942 besuchte er in Bamberg das Alte, Neue und Deutsche Gymnasium als Internatsschüler bei Karmelitern und Englischen Fräulein. Im März 1942 bestand er die Reifeprüfung. Wie seine ganze Klasse meldete er sich sofort als Kriegsfreiwilliger und war mehrmals verwundet - bis zur Kapitulation Soldat, zuletzt Fallschirmjäger.

      Zunächst fernimmatrikuliert als Student der Forstwissenschaften an der Universität München, hörte Deschner 1946/47 an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Bamberg juristische, theologische, philosophische und psychologische Vorlesungen. Von 1947 bis 1951 studierte er an der Universität Würzburg Neue deutsche Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte und promovierte 1951 mit einer Arbeit über » Lenaus Lyrik als Ausdruck metaphysischer Verzweiflung » zum Dr. phil. Einer im selben Jahr geschlossenen Ehe mit Elfi Tuch entstammen drei Kinder, Katja (1951), Bärbel (1958) und Thomas (1959 bis 1984).

      Von 1924 bis 1964 lebte Deschner auf einem früheren Jagdsitz der Würzburger Fürstbischöfe in Tretzendorf (Steigerwald), dann zwei Jahre im Landhaus eines Freundes in Fischbrunn (Hersbrucker Schweiz). Seitdem wohnt er in Haßfurt am Main.

      Karlheinz Deschner hat Romane, Literaturkritik, Essays, Aphorismen, vor allem aber religions- und kirchenkritische Geschichtswerke veröffentlicht. Auf über zweitausend Vortragsveranstaltungen hat Deschner im Laufe der Jahre sein Publikum fasziniert und provoziert.

      1971 stand er in Nürnberg «wegen Kirchenbeschimpfung» vor Gericht.

      Seit 1970 arbeitet Deschner an seiner großangelegten «Kriminalgeschichte des Christentums» . Da es für so beunruhigende Geister wie ihn keine Posten, Beamtenstellen, Forschungsstipendien, Ehrensolde, Stiftungsgelder gibt, war ihm die ungeheure Forschungsarbeit und Darstellungsleistung nur möglich dank der selbstlosen Hilfe einiger Freunde und Leser, vor allem dank der Förderung durch seinen großherzigen Freund und Mäzen Alfred Schwarz, der das Erscheinen des ersten Bandes im September 1986 noch mitgefeiert, den zweiten Band aber nicht mehr miterlebt hat, dann des deutschen Unternehmers Herbert Steffen.

      Im Sommersemester 1987 nahm Deschner an der Universität Münster einen Lehrauftrag wahr zum Thema » Kriminalgeschichte des Christentums » .

      Für sein aufklärerisches Engagement und für sein literarisches Werk wurde Karlheinz Deschner 1988 - nach Koeppen, Wollschläger, Rühmkorf - mit dem Arno-Schmidt-Preis ausgezeichnet, im Juni 1993 - nach Walter Jens, Dieter Hildebrandt, Gerhard Zwerenz, Robert Jungk - mit dem Alternativen Büchnerpreis und im Juli 1993 - nach Sacharow und Dubcek - als erster Deutscher mit dem International Humanist Award. Im Herbst 2001 wurde er mit dem Erwin-Fischer-Preis ausgezeichnet, im November 2001 zudem mit dem Ludwig-Feuerbach-Preis.
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 22:40:11
      Beitrag Nr. 66 ()
      @antigone,
      nein, störend sind die postings nicht;
      im Gegenteil; wir haben in Deutschland leider zu wenig kritische Geister;
      oberflächlich ist auch kein treffender Ausdruck;
      es ist nur sehr schwer - wegen dessen historischer Sprunghaftigkeit - sich mit Drescher auseinanderzusetzen.

      Grüsse
      Gilly
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 23:17:21
      Beitrag Nr. 67 ()
      @ gilly
      na, das beruhigt mich. schwer ist es, weil der informationsstand bei jedem absolut unterschiedlich ist. ich hab nach dem 11. september mit meinen nachforschungen zu den hintergründen, die ich sehen konnte, angefangen, bin aber - von sagen wir mal: kindesbeinen an - geschichtlich interessiert und nicht ganz ohne hintergrundkenntnisse :)
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 02:31:11
      Beitrag Nr. 68 ()
      Ein sehr interessanter Thread.
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 11:22:13
      Beitrag Nr. 69 ()
      Banken, Börsen, Berlusconi.
      Mathias Bröckers 01.10.2001
      The WTC Conspiracy XI


      Wenn eine Spur der Insidertransaktionen an den Börsen vor und nach dem WTC-Anschlag tatsächlich auf das braune Finanzimperium des (mittlerweile verstorbenen) Schweizers Francois Genoud deuten [http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/9673/1.html] sollte, dann führen die Hintergründe nicht nur auf die historische Nazi-Vatikan-US-Geheimdienst-Connection zurück, sondern auch aktuell zu einem verurteilten Konspirationsexperten, der sich auf Staatsbesuch in Berlin gerade verplappert bzw. faschistoiden Klartext geredet hat: Silvio Berlusconi (Berlusconi will die Völker "okzidentalisieren und erobern" [http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9675/1.html]).
      "Wir müssen uns der Überlegenheit unserer Zivilisation bewusst sein, die aus Prinzipien und Werten besteht, die einen breiten Wohlstand für die Allgemeinheit gebracht haben. Der Westen wird weiterhin Völker erobern, so wie es ihm gelungen ist, die kommunistische Welt und einen Teil der islamischen Welt zu erobern, aber ein anderer Teil davon ist um 1400 Jahre zurückgeblieben. Die westliche Gesellschaft hat Werte wie Freiheitsliebe, die Freiheit der Völker und des Einzelnen, die sicherlich nicht zum Erbgut anderer Zivilisationen, wie der islamischen, gehören.." (Silvio Berlusconi)
      Mitte der Siebziger Jahre, als sich Berlusconi vom Bauunternehmertum dem Mediengeschäft zuwandte, trat er dem Geheimbund "Propaganda Due" (P2) bei, was er später natürlich bestritt, doch aufgrund vorliegender Beweise dafür wegen Meineids verurteilt wurde. Dank einer allgemeinen Amnestie wurde ihm die Bestrafung allerdings erlassen. Der P-2-Fall ist einer der am besten dokumentierten Verschwörungsfälle der jüngeren Zeit - angesichts des kometenhaften Wiederaufstiegs des neuen Duce Berlusconi sind einige Beobachter sogar der Meinung, dass er immer noch läuft.
      Zu den Top-Nazis, die über die Rattenlinie und Genouds Netzwerk nach dem Krieg in sicheren Häfen untergebracht wurden, gehörten nicht nur Figuren wie Adolf Eichmann, Klaus Barbie oder Oberst Rudel, sondern auch der italienische Faschist und SS-Mann Licio Gelli (geb. 1919), der sich fortan von Südamerika auch als Waffenhändler betätigte. Für die deutschen Terror-Fachleute vom Schlage der "Bestie" Barbie fand sich in der Folge beim Aufbau bzw. der Destabilisierung diverser südamerikanischer Länder reichlich Verwendung -viele der unter der Patronage der CIA ausgerüsteten "Befreiungskrieger", Todesschwadronen und "Contras" wurden von deutschen "Profis" geschult.

      Gelli ging Anfang der 70er Jahre nach Italien zurück und soll dort P2 gegründet haben, um in einem "weißen Staatsstreich" die Macht in Italien zu übernehmen - als der Coup 1981 aufflog, wurde in seinem Haus die P2-Mitgliederliste gefunden, in der 43 Regierungs- und Parlamentsmitglieder, rund 900 hohe Beamte, führende Offiziere der Streitkräfte, der Nachrichtendienste sowie Führungskräfte aus Medien, Industrie und Banken verzeichnet waren - darunter mit der Nr. 1816 auch Silvio Berlusconi.

      Einer der Top-P2-Mitglieder, der Bankier Roberto Calvi, wurde kurz darauf unter erhängt unter einer Londoner Brücke gefunden - später fand man heraus, dass der "Bankier Gottes" über seine "Banco Ambrosiano" und die Vatikanbank (IOR) eine große Waschanlage für Mafia-und Drogengelder betrieben hatte. Unter den zahlreichen Banken und Scheinbanken, die Calvi weltweit gegründet hatte, befand sich auch die Cisalpine-Bank auf den Bahamas, als deren zweiter Haupteigentümer Erzbischof Paul Marcinkus von der Vatikanbank eingetragen war. Die Cisalpine war 1981 in der Gerichtsverhandlung gegen die "World Finance Corporation" (WFC) anrüchig geworden, einer Bank in Miami, deren Leiter, ein "ehemaliger" CIA-Agent, angeklagt war, Geld aus dem Kokainhandel südamerikanischer Diktatoren gewaschen zu haben, und zwar über das "Schwarze Loch" des Calvi-Marcinkus-P2- Konsortiums.

      Die Autorin Benny Lernoux ("In Banks we trust" ) , die den Fall recherchiert hat, geht davon aus, dass P2 der Hauptfinanzkanal faschistischer Regime in Lateinamerika war. Diese enge Verknüpfung mit den netten Hurensöhnen [http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/9563/1.html] der US-Außenpolitik erklärt dann auch, warum Michele Sindona - Partner von Calvi und Gelli im Geldwäsche-Geschäft - beim Inaugurationsball von Präsident Nixon geladen war und Gelli höchstselbst Gast bei selbigem Ball zur Inauguration Ronald Reagans.

      Dass die Mafia auch "Ehrenwerte Gesellschaft" genannt wird, hatte mit der Liste von zu schützenden Mitgliedern der "ehrenwerten Gesellschaft" Italiens zu tun, die New Yorker Mafiosi den US-Geheimdiensten übergaben, als sie mit ihnen zum Zwecke der US-Invasion in Italien 1944 zusammenarbeiteten. Nachdem die wildgewordenen "Hurensöhne" Hitler und Mussolini gestoppt waren, baute sich die CIA über die Mafia und den Vatikan einen neuen anti-kommunistischen Einflusskanal auf, der in den terroristischen 70er Jahren u.a. mit zahlreichen Bombenattentaten aktiv wurde, die dank falscher Spuren den "Roten Brigaden" angelastet wurden. So auch der Höhepunkt der Terrorserie, der Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna am 2. August 1980, der 85 Tote und 200 Verletzte hinterließ. Die wahren Hintermänner wurden erst im November 1995 verurteilt. Zwei Täter erhielten lebenslänglich, ihre Auftraggeber kamen mit jeweils zehn Jahren davon: der P-2-Großmeister Licio Gelli und seine rechte Hand, der CIA-Agent, Francesco Pazienza.

      Auch wenn es dafür keinen Beweis gibt scheinen die jüngsten Bombenattentate in Genua und Venedig, die zum Anlass wurden, die Anti-Globlasierungs-Demonstranten brutal anzugreifen, doch ganz die Handschrift dieser typischen, italo-amerikanischen Counter-Intelligence- Operationen zu tragen. Zumal mit Berlusconi ein gelehriger Schüler Gellis jetzt an den Schalthebeln der Medien und der Macht sitzt.

      Ich bin skeptisch, ob die Recherchen zu den kurzfristigen Spekulationen und Finanztransaktionen vor und nach dem WTC-Anschlag wirklich zu einem Ergebnis führen -würden die Auftraggeber ermittelt, die für den 20-fach über normal liegenden Umsatz mit Put-Optionen von Airline-Aktien gesorgt haben, wäre das ein besserer Beweis als alles, was bisher gegen Ibn Ladin vorgebracht wird. Doch die Verfolgung von derlei Finanzkriminalität - und vor allem ihre künftige überwachungsmäßige Verhinderung, die technisch ohne weiteres möglich wäre - tangiert einen Bereich, der einigen Anti-Terror-Koalitionären dann doch unter die Gürtellinie geht: das Bankgeheimnis. Zwar könnte man Off-Shore-Banken in der Karibik oder diskrete Depots in der Schweiz, Luxemburg und anderswo im Rahmen der globalen Anti-Terror-Maßnahmen morgen transparent machen ("Wer nicht dafür ist, ist für die Terroristen!" ), und ca. 97% der Weltbevölkerung würden von solch einer Radikalkur in Sachen Geldwäsche kaum tangiert - doch bei den verbleibenden, entscheidenden ca. 3 % hört es, wenn`s um`s Geld geht, mit der großen Liebe zu innerer Sicherheit und Transparenz ganz schnell wieder auf.

      So werden Tick, Trick und Track sich künftig in ihrem Alltag zwar an verschärfte Überwachungs-Mechanismen der Orwellschen Art gewöhnen müssen, die Kapitalbewegungen im Geldspeicher von Onkel Dagobert aber bleiben weiterhin weitgehend unkontrolliert - zur Freude aller Panzerknacker, egal ob sie nun bei der Djihad Terror Inc., bei McDope im Drogengeschäft (Weltjahresumsatz: 300 Mrd. $, Top-Heroin-Produzent: Afghanistan!) oder im Counter-Intelligence-Business tätig sind.

      Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/9683/1.html


      http://home.mail.de/akin/conspirary2.htm

      hat irgendjemand neuere informationen zur emsigen ermittlungsarbeit der finanzfahnder? :eek:
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 15:26:01
      Beitrag Nr. 70 ()
      eben macht mich ein freund darauf aufmerksam, dass der link zu "nazis, cia und vatikan" im netz nicht mehr funktioniert ;)
      bei mir funzt es auch nicht.

      http://home.t-online.de/home/Jens_Kroeger/vatican

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      Please check the URL to ensure that the path is correct.
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 00:18:07
      Beitrag Nr. 71 ()
      http://eur.news1.yimg.com/eur.yimg.com/xp/afpde/20020803/109…

      Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi (Archivbild) verdient nach Meinung einiger seiner Freunde den Friedensnobelpreis. Bislang haben sich jedoch erst acht Unterzeichner für eine entsprechende Petition gefunden.

      Quelle: http://de.news.yahoo.com/020719/286/2v6sj.html
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 00:18:57
      Beitrag Nr. 72 ()
      So ist es richtig:
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 00:26:27
      Beitrag Nr. 73 ()
      nach henry kissinger ist er sicher ein ebenso würdiger friedensnobelpreisträger :mad:
      Avatar
      schrieb am 09.08.02 00:28:02
      Beitrag Nr. 74 ()
      He, nicht den Terroristen Arafat vergessen.
      Die ganze Veranstaltung ist ohnehin nur eine Witznummer.
      Avatar
      schrieb am 12.08.02 01:17:15
      Beitrag Nr. 75 ()
      @antigone,
      da du von allen usern bei W:0 am besten informiert und auch engagiert bist,
      hier,meine Eingangfrage:

      Welche demokratischen Machtmittel haben wir,
      ich meine Bürgerbewegungen +/- Regierung-Initiativen,
      um
      a) auf unsere Verbündete (Italien) massiv einzuwirken

      b) zu verhindern, dass solche Zustände in Deutschland
      Einzug halten ??
      Avatar
      schrieb am 12.08.02 02:28:15
      Beitrag Nr. 76 ()
      @antigone,
      jetzt sind nur noch 30 user online!
      dennoch, dank den "unbekannten Watch-Keepers",

      ...glaubst du alles,,was dir 1:1 in der ard/zdf
      serviert wird, oder denkst du noch in die Zukunft ??

      Gute Nacht
      Gilly
      Avatar
      schrieb am 12.08.02 17:23:50
      Beitrag Nr. 77 ()
      @ gilly
      glaubst du alles: nö ... oder denkst du noch in die zukunft :confused: verstehe ich nicht. ich versuche, sagen wir mal, in der gegenwart die strukturen ausfindig zu machen, die uns hinweise für die zukunft geben, für das, was geschehen könnte bzw. wird.

      ansonsten: entschieden zu hoch gegriffen, macht mich verlegen. mich interessieren ganz bestimmte themen... und manchmal leg ich mich ins zeug, weil ichs wissen will. dann wieder hab ich genug und schalte ab, weil ich nichts mehr wissen will. ich glaube, du verstehst... in italien gehen die menschen gegen berlusconi schon auf die strasse. und ich denke, auch bei uns wird nur eine neue, entschieden auf freiheitsrechten des bürgers !!! - also nicht vor allem und in erster linie auf die fdp-freiheit des sogenannten marktes - pochende, sozial und demokratisch orientierte bürgerbewegung die etablierten parteien, die meilenweit vom alltag des bürgers entfernt sind, politisch auf trab bringen und selbst neue akzente setzen. diese bewegung wird in welcher form auch immer entstehen oder ist eben im entstehen begriffen... darauf setze ich hoffnung...

      gruss antigone
      Avatar
      schrieb am 12.08.02 17:27:22
      Beitrag Nr. 78 ()
      ich mach mit, antigone :)

      wenn ich mich in diesem board umschaue, habe ich nicht viel hoffnung.
      Avatar
      schrieb am 12.08.02 20:57:46
      Beitrag Nr. 79 ()
      genova :)
      .... aber es gibt doch das innere stehaufmännchen, d.h. alles eine frage der anschauung.
      ist das glas halbleer oder ist es halbvoll?
      Avatar
      schrieb am 12.08.02 22:03:34
      Beitrag Nr. 80 ()
      Yep.

      :)

      ;)
      Avatar
      schrieb am 01.09.02 18:04:51
      Beitrag Nr. 81 ()
      ITALIEN

      V-Männer im Schwarzen Block

      Die juristische Aufarbeitung der blutigen Straßenkämpfe beim G-8-Gipfel in Genua enthüllt: Um brutale Prügel-Orgien zu rechtfertigen, haben Italiens Ordnungshüter gelogen und gefälscht.


      Es war eine blutige Schlacht. Kiefer splitterten, Arme und Beine brachen, Köpfe platzten auf. Nahkampf-Profis der italienischen Polizei stürmten ein Schulgebäude, in dem junge Menschen aus ganz Europa sich gerade zur Nacht betteten. Die Stadt hatte ihnen das Quartier zugewiesen.
      "Wie unter Drogen", sagt ein 21-jähriger deutscher Zivildienstleistender, hätten die Polizisten dort mit ihren Schlagstöcken gewütet. 93 Männer und Frauen wurden aufgegriffen und verhaftet, 62 von ihnen mussten im Krankenwagen abtransportiert werden, viele schwer verletzt auf Intensivstationen.


      Trauriger Höhepunkt eines politischen Sommerwochenendes in Genua: Vom 20. bis 22. Juli vorigen Jahres hatten sich die Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen und Russlands zum Meinungsaustausch versammelt. Etwa 300 000 Menschen kamen zusammen, um gegen die Politik der "Großen Acht" zu demonstrieren. Auch die Staatsmacht war mit mehr als 15 000 Soldaten und Polizisten vor Ort. Krawalle wie kurz zuvor beim EU-Gipfel im schwedischen Göteborg sollte es in Genua nicht geben.

      Es kam viel schlimmer. Der G-8-Gipfel endete in Straßenschlachten und Gewaltorgien. Über 400 Demonstranten wurden verhaftet, fast 600 verletzt, einer durch eine Polizeikugel getötet. Entsetzt verfolgte ganz Europa das Chaos an den Fernsehschirmen.

      13 Untersuchungsverfahren wurden seitdem eingeleitet. Einige davon, vom Parlament oder vom Innenminister initiiert, folgten brav den politischen Vorgaben, dass außer einigen persönlichen "Fehlern und Versäumnissen" (so das Mehrheitsvotum des Parlamentsberichts) in Genua alles seine Ordnung hatte. Schließlich war Vizepremier Gianfranco Fini von der postfaschistischen Alleanza Nazionale seinerzeit selbst im Lagezentrum der Polizei. Und Regierungschef Silvio Berlusconi hatte sogleich unmissverständlich erklärt: "Ich stehe zur Polizei." Drei hohe Offiziere der Genua-Einsatzleitung wurden in andere, gleichrangige Jobs versetzt. Das war`s.

      Die zuständigen Staatsanwälte machten es sich nicht so einfach. Sie vernahmen Polizisten und Demonstranten, sichteten Fotos, werteten Videos aus und stellten erst einmal das Gros der von der Polizei angestrengten Strafverfahren gegen Teilnehmer der Protestaktionen ein. Nach einem Monat eröffneten sie acht neue Ermittlungskomplexe - gegen 148 Polizeibeamte.

      Noch sind die Genueser Amtsjuristen mit ihrer Arbeit längst nicht fertig. Doch schon jetzt brachten sie Ungeheuerliches ans Licht, etwa zum Auftritt der Staatsmacht in der Pascoli-Schule.

      Der Einsatz habe gefährlichen, schwer bewaffneten Krawallmachern gegolten, hatten die Behörden ihr rüdes Vorgehen begründet. Polizeifahrzeuge seien zuvor mit Steinen beworfen und während der Aktion 17 Beamte verletzt worden, einer davon beinahe tödlich.

      Auf einer internationalen Pressekonferenz präsentierten die Behörden eindrucksvolle Belege: Furchtbare Schlagwaffen wie Spitzhacken und schwere Metallrohre hatten sie im Schulgebäude sichergestellt. Dazu zwei Molotow-Cocktails, benzingefüllte Flaschen mit einer Wirkung fast wie Handgranaten.

      Nur, den Vernehmungen und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hielt die amtliche Kriminalstory nicht stand. Stück für Stück kam heraus: Die polizeilichen Beweise waren getürkt, der Anlass für den mitternächtlichen Einsatz war frei erfunden. So gab der Beamte, der den Steinhagel gegen die Polizei im Protokoll persönlich verbürgt hatte, am Ende an, er habe von dem Vorfall nur von einem Kollegen gehört, dessen Name ihm leider entfallen sei.

      In Genua seien "die Menschenrechte in einem Ausmaß verletzt worden", resümierte die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International nach einer Befragung von Zeugen aus 15 Ländern, wie man es "in der jüngeren Geschichte Europas nicht mehr erlebt" habe. Die Arbeit der Staatsanwaltschaft stützt diesen Befund.


      Die Steine, hätte es sie denn gegeben, wären ohnehin zu spät geflogen. Die Polizeiführung hatte schon am Vormittag die Aktion beschlossen.

      Die stolz präsentierten Molotow-Cocktails erkannte der stellvertretende Polizeichef von Bari, Pasquale Guaglione, auf Fotos und Videos wieder. Er selbst hatte sie am Nachmittag in der Stadt, in einem Gebüsch, gefunden und sichergestellt. Ein hochrangiger Polizeioffizier hatte sie am Abend dann eigens zur Schule gebracht, was Amateurvideos belegen. In wessen Auftrag er das tat, ist nicht geklärt. Das Video zeigt nur, wie sich nahezu die komplette Führung des italienischen Sicherheitsapparats die brennbaren Mitbringsel vor dem Einsatz interessiert zeigen lässt.

      Auch die Spitzhacken und Metallrohre waren keine Waffen gewalttätiger Demonstranten, sondern Werkzeuge von Bauarbeitern, die während der Sommerferien die Schule renovieren sollten. Sie lagerten in einem verschlossenen Raum, den, wie sich herausstellte, erst die Polizei aufbrach.

      Bei der Befragung der 17 angeblich verletzten Polizisten wollten 15 plötzlich keine Aussage mehr machen. 2 gaben an, sie hätten sich durch eine Ungeschicklichkeit selbst verletzt.

      Nur der Beamte Massimo Nucera blieb standhaft: Ein Mann habe ihn in der Schule mit einem Messer angegriffen, nur dank seiner kugelsicheren Weste lebe er noch. Der Täter sei leider entkommen, habe aber das Messer fallen lassen. Und der große Schnitt quer durch seine Uniformjacke wurde im Fernsehen als Beweis in Großaufnahme gezeigt.

      Ein Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft kommt freilich zu dem Schluss, dass diese Geschichte kaum stimmen dürfte. Der Schnitt könne nicht bei einem Angriff entstanden sein, die Jacke müsse auf dem Boden oder auf einem Tisch gelegen haben.

      Die Ordnungshüter seien "Opfer gewaltiger Aggressionen" gewesen, hatte Polizeichef Gianni De Gennaro beharrlich behauptet. Es habe der Gewalt bedurft, "um auf die Gewalt zu antworten". Die juristische Aufarbeitung des blutigen G-8-Gipfels zeigt indes ein anderes Bild. Polizeieinheiten haben grundlos geschlagen und getreten, friedliche Demonstranten brutal niedergeknüppelt, arglose Passanten mit Tränengas beschossen.

      Nicht nur in der Pascoli-Schule, auch in den Straßen Genuas und in den Zellen der Bolzaneto-Kaserne, in der Demonstranten auf das Übelste malträtiert wurden, hatte der italienische Rechtsstaat sich vorübergehend abgemeldet. Bei manchen Einsätzen führten sich die Ordnungshüter wie Schergen eines Dritte-Welt-Diktators auf.



      Nur eine Gruppe unter den vielen tausend "No Global"-Protestierern entkam den Attacken der Ordnungshüter regelmäßig: der im Polizeijargon "Schwarzer Block" genannte internationale Schlägertrupp, der seit etlichen Jahren bei vielen Demonstrationen mitmischt, egal, wogegen es geht. Die schwarz gekleideten und vermummten Krawallos zerschlugen Schaufenster und Mobiliar von 34 Banken, 126 Geschäften, 6 Supermärkten, 9 Postämtern und steckten laut offizieller Bilanz 226 Autos an. Doch seltsam, obwohl sie ihr Unwesen oft nur wenige Meter neben einer martialisch ausgerüsteten Polizeimacht trieben, wurde von den Schwarz-Block-Randalierern nicht einer auf frischer Tat verhaftet.

      Und noch etwas war eigenartig. Im vermeintlich linksradikalen Randalehaufen, so viel ist inzwischen klar, mischten Dutzende rechtsradikaler Schläger mit. Die Polizei wusste vorher darüber bestens Bescheid. In einem internen Dokument, später in Zeitungen veröffentlicht, beschreiben die Sicherheitsbehörden noch vor dem G-8-Gipfel, wie Mitglieder der Neonazi-Gruppen "Forza Nuova" und "Fronte Nazionale" sich unter die Anarchistentruppe mischen und Randale machen wollten, um "die Linken" in Misskredit zu bringen. Konsequenzen hatten diese Erkenntnisse wohl nicht.

      Im Gegenteil. Englische Gesinnungsgenossen wurden von den Italo-Schlägern mit dem Hinweis eingeladen, die Polizei werde in Genua nichts gegen sie unternehmen. "Wir könnten alles machen, was wir wollten", berichtete ein bekennender "Nazi aus Birmingham" einem Zeitungsreporter von der glücklichen Verheißung.

      Neben den Nazis marschierten offenbar auch Polizisten im schwarzen Umfeld mit. Ein Foto, verbreitet vom Demo-Veranstalter "Genoa Social Forum", zeigt zum Beispiel eine Gruppe von Männern gegen 16 Uhr an jenem blutigen Samstag auf einer Treppe. Einige sind in unauffälliges Zivil gekleidet, andere schwarz vermummt und mit Stöcken bewaffnet, einer trägt Uniform und Polizeihelm. Einträchtig kommen sie gerade aus einer Carabinieri-Kaserne.

      Das italienische Fernsehen zeigte heimlich gefilmte Szenen, in denen sich offenkundige Anarcho-Kämpfer mit Uniformierten treffen, eine Zigarette rauchen, plaudern - und wieder in den Straßenkrieg ziehen.

      Auch der Regisseur Davide Ferrario, 46, versichert, er habe traute Zusammenkünfte von Polizisten mit Maskierten, wie sie im Schwarzen Block herumlaufen, beobachtet und teilweise mit einer Videokamera gefilmt, bis er von der Polizei verjagt wurde. Einer der vermeintlichen Straßenkämpfer habe sich sogar "eine Polizeimarke um den Hals gehängt", ehe er sich einem Trupp Uniformierter näherte.


      Der damalige Innenminister Claudio Scajola hatte stets behauptet, in Genua habe ein Heer von 5000 Black-Block-Krawallos Krieg geführt. Doch die Staatsanwälte Anna Canepa und Andrea Canciani bestätigten inzwischen nach Auswertung Hunderter von Fotos, Filmaufnahmen und Zeugenaussagen, was viele Beobachter schon vermutet hatten: Der harte Kern zählte kaum mehr als 200 Köpfe.

      Die freilich durften ungehindert Teile der Stadt zerstören und in den brennenden Straßen aufreizende Parademärsche mit Trommeln und Fahnen veranstalten. Die Ordnungsmacht griff erst ein, nachdem die Schlägertrupps sich zurückgezogen hatten. Dann schoss die Polizei mit Tränengas in die verbliebene Menge der Demonstranten und knüppelte nieder, was auf den Straßen war, darunter junge Katholiken, die die Globalisierungskritik von Papst Johannes Paul II. nach Genua tragen wollten.

      Aber nicht nur die Polizei verhielt sich rätselhaft, auch die militante schwarze Schar agierte ungewöhnlich. Sie attackierte andere Demonstranten und Journalisten und fackelte entgegen ihren sonstigen Allüren und Bekenntnissen nicht nur "Bonzenautos" ab, sondern auch verbeulte Arme-Leute-Karossen.

      Vor allem versuchte sie überhaupt nicht, zur verbotenen "Roten Zone" vorzudringen, in der die Staatenlenker speisten und diskutierten. Die vermummten Schläger randalierten in den Außenbezirken und lieferten der Polizei so die willkommenen Anlässe, schon dort gegen Zigtausende Anti-Globalisten vorzugehen - weit entfernt vom Sperrbezirk. Zufall, Unfähigkeit oder Strategie?

      Selbst ein 28-Jähriger, aus Nürnberg angereister Black-Block-Randalierer, staunte im Rückblick, wie unbehindert er mit seinen Freunden zündeln und zerstören durfte. "Vielleicht", sinnierte er in einem Zeitungsinterview, "sind wir in etwas reingeraten, das viel größer ist als wir."



      Rätselhaft blieb bis heute auch, wie der Demonstrant Carlo Giuliani, 23, ums Leben kam.
      Auf der Piazza Alimonda, im Zentrum der norditalienischen Hafenstadt, wurde ein Carabinieri-Jeep von gewalttätigen Demonstranten rüde attackiert. Einer, Giuliani, fand einen Feuerlöscher auf dem Boden, hob ihn in die Höhe und setzte an, ihn durch das zerschlagene Heckfenster ins Polizeifahrzeug zu schleudern. Da schoss der im Wagen sitzende 20-jährige Carabiniere Mario Placanica. Aus Angst und in Notwehr, wie er sagt.

      Carlo Giuliani fiel aufs Pflaster, aus seinem Kopf quoll ein dicker Blutstrahl. Der Jeep, plötzlich in hastiger Rückwärtsfahrt, überfuhr den Sterbenden.

      Was anfangs klar und durch Fotos und Filmaufnahmen gut belegt schien, wurde im Laufe der Ermittlungen immer widersprüchlicher. Zweimal habe er geschossen, gab der junge Carabiniere zu Protokoll. Zwei Geschosshülsen wurden gefunden. Doch eine davon, so das ballistische Gutachten, passt nicht zur Waffe des jungen Polizisten. Gab es einen zweiten Schützen?

      Eineinhalb Meter neben dem Auto befand sich Guiliani, als er tödlich getroffen wurde, sagt ein Gutachten. Ein Videofilm dagegen zeigt deutlich, dass Giuliani mindestens drei, eher vier Meter vom Heck des Fahrzeugs entfernt war.

      Woher stammt der Feuerlöscher? Aus dem Jeep? Wie ging die Heckscheibe des Jeeps kaputt? Von innen oder von außen? Und warum griffen mehrere Dutzend Beamte, die in Reih und Glied mit Schild und Schlagstock 50 Meter neben dem attackierten Auto ihrer Kollegen standen und der Randale zuschauten, nicht ein?

      Die Aufklärung ist schwierig. Beamte der Spurensicherung brauchten damals zwei Tage, bis sie am Tatort waren. Schneller war die Straßenreinigung. Die hatte schon längst alle Spuren beseitigt.

      HANS-JÜRGEN SCHLAMP
      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,211993,00.html
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 18:26:05
      Beitrag Nr. 82 ()
      das ist unglaublich
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 19:56:37
      Beitrag Nr. 83 ()
      Übrigens.....


      hat unser Bundesschwätzkanzler noch 1 Stunde vor den tödlichen Schüssen in einem Fernseh-Interview sinngemäß gesagt, man müsse "da mal endlich hart durchgreifen" .

      Tja, erstens als Sozialist den recten Provokateuern auf den leim gehen, zweitens populistische Dummsprüche absondern und nach drittens nach dem Attentat auf Tauchstation gehen... Schröder - wie er schwätzt und Quasselt.

      Übigens hat man merkwürdigerweise NACH den tödlichen Schüssen das Interview in der versenkung verschwinden lassen... ein Armutszeugnis für den Journalismus! :mad:
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 20:13:47
      Beitrag Nr. 84 ()
      danke, deep thought, für deinen beitrag.
      Avatar
      schrieb am 08.10.02 20:49:42
      Beitrag Nr. 85 ()
      Es geschah in Genua

      Peter Nowak 07.10.2002
      Das Projekt Memoria will an die Polizeiübergriffe gegen Globalisierungsgegner erinnern

      "Meine Zelle füllte sich mit meist sehr jungen Jungen und Mädchen. Die meisten bluteten stark. Ihre Gesichter waren von den vielen Schlägen verunstaltet. Viele waren kaum noch bei Bewusstsein und weinten nur noch." Was die französische Globalisierungskritikerin Valerie Vie am Samstag im Berner Kulturzentrum Reithalle schilderte, spielte sich in Genua in der Nacht vom 21. auf den 22. Juli und an den folgenden Tagen ab.

      Viel wurde danach über diese Ereignisse geschrieben. Trotzdem schienen sie schnell in Vergessenheit geraten zu sein. Dem wollte das Projekt Memoria entgegentreten. Initiiert wurde es von Schweizer Globalisierungsgegnern zusammen mit Gleichgesinnten in Italien und Deutschland.

      Schon Mitte September begann in der Reithalle eine Ausstellung. Dort wurden Videoausschnitte von den Polizeiübergriffen mit anderen Bildern kontrastiert, die Zigtausende von Demonstranten und ihren phantasievollen Protest zeigen. Am Boden der Ausstellungshalle sind weitere Fotos von den Protesten verteilt. Scheinbar wahllos wie zufällig fallen gelassen. Doch dahinter steckt ein künstlerisches Konzept. Der Betrachter soll nicht wie in einem Museum Kunst konsumieren. "In diesem Projekt treffen Kunst und Politik, genauer die Installationen von Pino Scuro und die globalisierungskritische Bewegung aufeinander"; meinte einer der beteiligten Künstler. Im Zentrum steht die Reflexion über die Gewaltexzesse der Polizei, die in der Erschießung des jungen Demonstranten Carlo Giuliani am 20.Juli 2001 und den Sturm auf die Diaz-Schule, dem Schlafplatz vieler Demonstranten, einen Tag später kulminierte.

      Am vergangenen Samstag fand das kunstpolitische Projekt mit einem sogenannten Volkstribunal zu Genua seinen Abschluss. Auch hier wechselten künstlerische und politische Mittel einander ab. Während die Eröffnung stark kabarettistische Züge trug und im Hintergrund der Song "Tanz den Mussolini" von der Band Deutsch-Amerikanische Freundschaft lief, konnte der Block mit den Berichten der Betroffenen nicht eindrucksvoller sein. Demonstranten aus Italien, der Schweiz, Frankreich und Deutschland schilderten ihre Erfahrungen in den Polizeiwachen und den Gefängnissen. Sie alle sprachen von den Erniedrigungen und Misshandlungen. Vieles hatte man im Sommer 2001 schon mal gehört. Trotzdem hinterlassen die intensiven Schilderungen der Betroffenen noch immer ein Gefühl der Beklommenheit. Vor allem angesichts des schwarzen Lochs, in das die Ereignisse von Genua seit dem 11. September 2001 gefallen zu sein scheinen.

      "Die Erfahrungen der Julitage in Genua waren noch frisch und kaum aufgearbeitet, als am 11.September 2001 die Himmelfahrtskommandos in New York und Washington zuschlugen und Tausende von Menschen in den Trümmern begruben. Die in Genua aufgeworfenen Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und einer Umverteilung des Reichtums waren auf einem Schlag vom Tisch. Die Angst vor dem Terror wurde zur Trumpfkarte der Herrschenden", schrieben die Schweizer Veranstalter des Memoria-Projekts.

      Die meisten der in Bern anwesenden Zeugen müssen noch immer mit Anklagen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und anderer Delikte rechnen. Ob es je zu Anklagen gegen die Polizisten kommt, ist dagegen noch immer ungewiss. Italiens rechte Regierungsmehrheit steht noch immer zu ihren Ordnungshütern. Dem Chef des Mobilen Polizeieinsatzkommandos von Rom, Vinzenzo Canterini, wird beispielsweise Fälschung von Beweismitteln vorgeworfen. Er soll dafür verantwortlich sein, dass zwei schon einen Tag vorher auf einer Strasse gefundene Molotow-Cocktails in der Diaz-Schule deponiert wurden, um die Insassen als gewaltbereite Chaoten hinstellen zu können.



      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13373/1.html
      Avatar
      schrieb am 26.10.02 20:24:18
      Beitrag Nr. 86 ()
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13480/1.html

      Das Innenministerium tut alles, um ein neues Genua herauf zu beschwören

      Dario Azzellini   26.10.2002

      Gefährdung des Europäischen Sozialforum Florenz

      Interview mit Francesco Raparelli, Rom, Aktivist der Bewegung der Disobbedienti (der Ungehorsamen, vgl. (1) "Der Ungehorsam ist eine hervorragende Intuition gewesen." ) und Mitarbeiter der Redaktion der Zeitschrift "Posse". Autor zweier Beiträge in "Genua - Italien - Geschichte, Perspektiven" (Assoziation A 2002) von Dario Azzellini.


      Wie ist denn der Stand zum Europäischen Sozialforum ( ESF (2), deutsche Seite (3))?

      Raparelli: Mitte Oktober sind die Gespräche zwischen der Vorbereitung des ESF und den Regierungsinstitutionen und Präfektur abgebrochen worden, die Regierung hat gedroht, das Schengener Abkommen aufzuheben. Diese Drohung besteht weiterhin. Begründet wird sie mit der angeblichen Anreise von "gewalttätigen Extremisten" aus dem Ausland. Das Innenministerium streut laufend Meldungen von vermeintlichen "5-6.000 Black Block" die aus dem europäischen Ausland kommen. Diese stellten nicht nur eine Gefährdung der Stadt dar, sondern auch des ESF.

      Der Innenminister Giuseppe Pisanu hat am Dienstag in einer Rede vor dem Parlament bestätigt, dass es - gemäß Paragraf 2 des Schengener Abkommens - "aus Gründen der öffentlichen Ordnung strenge Kontrollen" an den Grenzen geben soll. Was bedeutet das und wie wird die Bewegung darauf reagieren?

      Raparelli: Das ESF hat in einer Pressekonferenz reagiert und angekündigt, dass alle Parlamentarier, die dem Forum schon immer nahe standen, also die von  Rifondazione Comunista (4) und den Grünen, in den Tagen an den Grenzen sein werden, um zu sehen was wirklich geschieht. Ich denke, die Kontrollen an den Grenzen werden sehr hart sein, aber die die Abgeordneten und auch die Bewegungen an den Grenzen sein werden, werden die Grenzen am Ort des Konflikts sein.

      Pisanu hat auch erklärt, die Stadt Florenz sei "nicht geeignet für das ESF", was steckt hinter dieser Aussage?

      Raparelli: Zusammen genommen mit seinen restlichen Erklärungen zu Black Block und Gewalt, geht es Pisanu um einen Bruch innerhalb des Forums. Er teilt auch das Forum in Moderate und Radikale, die Besetzungen von Banken und Aktionen in der Stadt vorhaben, das sind die Ungehorsamen, und die daher auch innerhalb des Forums und in der Stadt ein Risiko darstellen, für die öffentliche Ordnung und für die Stadt. Nach diesen Aussagen Pisanus hat die Regierung die Position eingenommen, dass das ESF nicht mehr, oder zumindest nicht mehr in Florenz, stattfinden sollte. Das wurde gleich von der Presse aufgegriffen. Italiens größte Tageszeitung "Corriere della sera" titelte gleich "Rettet Florenz" und forderte, das ESF aus Florenz fernzuhalten. Innerhalb der DS verschärft dies die Spaltung und den Konflikt um das ESF. Denn die starke Strömung "correntone" innerhalb der DS (5) setzt in Zusammenarbeit mit dem Gewerkschaftsdachverband CGIL (6) und dem Europäischen Gewerkschaftsbund klar auf das Forum. Die Strömung um D`Alema hingegen will am liebsten gar kein Forum und hat in dieser Hinsicht vor einigen Wochen die eigene Position in der Leitung durchgeboxt. Leonardo Domenici, der DS-Bürgermeister der Stadt Florenz, betont weiterhin Florenz sei eine "offene Stadt", man müsse sehen "wie das Forum durchgeführt werden kann". Das zielt darauf ab, die linkeren Komponenten der Bewegung aus dem Forum herauszuspalten.

      Und wie haben die linken Kräfte der Bewegung reagiert?

      Raparelli: Es gab eine Pressekonferenz in der Disobbedienti, Cobas (7) und andere verkündet haben, die Breite der Bewegung, die moderate und radikale Teile beinhalte, stelle die Matrix der Bewegung dar und das werde auch so bleiben.

      Diese Woche haben die OrganisatorInnen des ESF versucht, die Gespräche mit den Institutionen wieder aufzunehmen. Überschattet wurde die Angelegenheit davon, dass die Stadt Florenz und die regionale Regierung nur die Hälfte der Schlafplätze und Veranstaltungsorte zur Verfügung, die sie ursprünglich versprochen hatten. Gibt es Neues zu berichten?

      Raparelli: Nein, bisher werden nicht genügend Strukturen angeboten. Es wird weiter verhandelt, doch wenn sich nichts tut, wenn kein geeigneter Raum angeboten wird, bleibt uns und vielen anderen keine andere Möglichkeit als zu besetzen.

      Wie stehen die Ungehorsamen, die Disobbedienti, zum Forum?

      Raparelli: Wir werden massiv (8) auf dem Forum sein. Wir wollen sowohl drinnen als auch draußen sein, Unterschiede klar machen, aber keine abgetrennte Position einnehmen, wie sie von einigen auf europäischer Ebene vorgeschlagen wurde. Die interessiert uns nicht, wir wollen Teil des Prozesses des Aufbaus des Europäischen Sozialforums sein und zwar in radikaler und konfliktiver Weise. Aber deswegen stehen wir noch lange nicht außerhalb des Forums, eine Position, die denen nutzt, die eine Teilung des Forums wollen. Die Position des Autonomen Forums, wie sie wie von der  PGA (9) vorgeschlagen wurde, steht nicht zur Debatte und das haben auch viele andere Kräfte der Bewegung in einer Stellungnahme (10) nach einem Treffen am 5. Oktober in Barcelona deutlich gemacht.

      Wen würde denn eine freiwillige Trennung, ein Fernbleiben dem offiziellen Forum, nützen und was wollen die Disobbedienti im Forum?

      Raparelli: Es würde dem Versuch nützen, das Forum zu spalten, es zu polarisieren, mit auf der einen Seite "moderaten und gewaltfreien" und auf der anderen Seite "gewalttätigen" Teilen. Es wird dann so aussehen, als ob sich im Forum jene befänden, die eben den Stand der Bewegung darstellen, wodurch diejenigen, die außerhalb stehen, der Repression und Kriminalisierung aufgrund vermeintlich gewaltförmiger Praxen ausgesetzt wären. Daher sagen wir, wir sind im Forum, wir durchqueren es in konfliktiver Weise. Das bedeutet, es geht uns nicht darum Konferenzen abzuhalten, um einige Themen bezüglich der Ungerechtigkeit der Welt auf die Tagesordnung zu setzen. Wir wollen versuchen, eine kollektive Massendynamik in Gang zu setzen, ein anderes Treffen, Aktionen, Praxen und Konflikt zu entwickeln. Das wollen wir unter anderem auf einem "Meta-Workshop" - wir sagen "no work - no shop" - über Kommunikation umsetzen. Das läuft im Rahmen von "global", einer Zeitschrift, die wir als Bewegung demnächst lancieren. Auf dem Forum wird es aber auch ein "Global Radio" und ein "Global TV" geben. Wir haben für die Tage des ESF einen Satelliten gemietet und werden vor Ort Fernsehen machen.

      Glaubt ihr dass das Forum ein Erfolg wird für die linkeren Teile der Bewegung?

      Raparelli: Wir hätten das ESF lieber in einer ganz anderen Dynamik und Situation organisiert als in Florenz. Es braucht heute den Impuls für einen neuen Zyklus globaler Kämpfe und nicht die Selbstdarstellung der Bewegung und den Aufbau eines organisatorischen Gerüsts. Wir brauchen ein offenes Experimentieren, wie denn globale Kampfzyklen in die Wege geleitet werden können, das schließt ein Experimentieren mit Praxen, ein gegenseitiges "Anstecken" unter den verschiedenen Akteuren und eine Verwurzelung in den Konflikten, in denen die Subjekte stecken, ein - nicht einfach nur den vermeintlichen Aufbau ein formal europäischen Bewegung, der nicht von Seiten der Netzwerke der europäischen Konflikte erfolgt. Die Gewerkschaften und Teile der DS hingegen bilden eine Achse mit Attac Frankreich und vielen trotzkistischen Organisationen in Europa. All diese Kräfte wollen den Aufbau einer formalen Repräsentanz der Bewegung, sie setzen nicht auf die Förderung von Bewegung, sondern von politisch-personeller Repräsentanz.

      Findet das ESF in Italien zu einem günstigen Augenblick statt?

      Raparelli: Es ist eine delikate Situation. Die Zerstörung von FIAT droht 40.000 Beschäftigte auf die Straße zu werfen, bezüglich des "Paktes für Arbeit" und in der Gesetzgebung besteht eine Situation in der sich nichts bewegt. Es herrscht ein offener Konflikt und das ist gut. Aber das Innenministerium tut alles, um ein neues Genua heraufzubeschwören und redet vom Black Block, "Terrorismus in den Tagen von Florenz" usw., das wiegt natürlich sehr schwer, denn es schafft eine Situation in der weniger die innovativen Elemente der Bewegung hervortreten, als viel mehr eine defensive Dynamik gegenüber der offensiven der Regierung. Die Situation ist also bezüglich dessen was das ESF für Italien bedeuten wird, sehr delikat.

      (1) http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12920/1.html
      (2) http://www.carta.org/cantieri/G8genova/articoliG8/indexArtic…
      (3) http://www.controg8.org/
      (4) http://www.rifondazione.it/
      (5) http://new.dsonline.it/
      (6) http://www.cgil.it/
      (7) http://www.cobas.it/
      (8) http://www.sherwood.it/portal/article.php?sid=3111&mode=thre…
      (9) http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/
      (10) http://www.carta.org/agenzia/ForumEuropeo/021017barcellona.h…
      Avatar
      schrieb am 09.11.02 18:01:30
      Beitrag Nr. 87 ()
      .
      http://www.wdr.de/tv/diestory/; die story; montags um 22.30 Uhr im WDR Fernsehen

      Silvio Berlusconi - ein Doppelleben

      18.11.2002

      Ein Film von Heribert Blondiau und Udo Gümpel; Redaktion: Gert Monheim



      Silvio Berlusconi hat viele Berufe: Bauunternehmer, Medienzar, Regierungschef. Und Silvio Berlusconi hat viele Gesichter: Charmant und glamourös, unterhaltsam und egozentrisch, liebenswürdig und gefährlich. Berlusconi ist der Begründer einer neuen Generation von Politik-Darstellern. Seine Person polarisiert: entweder ist man für oder gegen ihn. Momentan sind viele Italiener mal wieder gegen ihn. "Nutznießer von Berlusconis Finanzpolitik sind nicht nur die Reichen, sondern die reichen Kriminellen, ja sogar Terroristen werden begünstigt", sagt Wirtschaftsprofessor Sylos-Labini.

      Die Biografie von Italiens Präsidenten Berlusconi ist voller dunkler Flecke: An der Wiege des Imperiums stehen Schweizer Briefkastenfirmen mit ominösen Hintermännern aus dem Geldwäschergewerbe. Bis heute ist nicht bekannt, wem die 34 anonymen Holdings, die seine Firmengruppe kontrollieren, wirklich gehören, von wem die Anschubfinanzierungen - oft in bar - wirklich kamen. Für wen agieren die Treuhänder? Fragt man Berlusconi, heißt es: "Alles gehört mir und meiner Familie." Nur: Wer alles ist unter "Familie" zu verstehen? Wer seinen blendenden Manieren und seinem Zauber erst mal verfallen ist, der glaubt nicht an die dunklen Seiten seines Wesens. Berlusconi, das ist die fleischgewordene Legende vom schönen und reichen Mailänder Baulöwen Silvio, mysteriösen Geldquellen und den bad guys in seiner Gesellschaft.

      In den sieben Monaten seiner Regierungszeit hat Berlusconi mit großer Energie versucht, Italien umzukrempeln. Neue Gesetze schneiderte er sich und seinen Unternehmen auf den Leib, wie die Abschaffung der Erbschaftssteuer und die Abmilderung des Strafmaßes bei Bilanzfälschung - gegen ihn und seine Freunde laufen Prozesse wegen Bilanzfälschung. Richter und Staatsanwälte in Italien sind empört: "Die Richter, die der Korruption den Prozess gemacht haben, sollen deswegen selbst verurteilt werden", protestiert Giuseppe Gennaro, Präsident der Richtervereinigung.
      Dario Fo, Italiens Nobelpreisträger für Literatur, bringt es auf einen bitteren Punkt: "Berlusconi - das ist Macchiavelli in die Praxis umgesetzt."

      Die WDR-Autoren Heribert Blondiau und Udo Gümpel sind den vielen Spuren einer illustren und schillernden Person nachgegangen und haben hinter den glänzenden Bildern vom Superman viele dunkle Stellen gefunden - ein Doppelleben.


      Links zum Thema ...

      Silvio Berlusconi - eine kritische Biographie (Informationsdienst gegen Rechtsextremismus)

      "Dubios, mächtig, populär" ("Die ZEIT" über Silvio Berlusconi, 18/2001)

      Das Phänomen Berlusconi (Auszüge aus einem Buch über Silvio Berlusconi)

      Berlusconis Regierung - Geld, Macht und Medien (ein Dossier der "Süddeutschen Zeitung")

      Dossier: Italien - neuer Bremser in der Europapolitik? (WDR Funkhaus Europa, 14.1.2002)

      Linksammlung Italien (zusammengestellt von "Funkhaus Europa")

      Italienische Verhältnisse - vom Nachkriegsitalien bis zur ersten Wahl Berlusconis

      .
      Avatar
      schrieb am 09.11.02 18:16:29
      Beitrag Nr. 88 ()
      wenigstens ein user, der sich für dieses thema interessiert.

      ;)
      Avatar
      schrieb am 09.11.02 18:23:04
      Beitrag Nr. 89 ()
      Si, certamente ;) (schreibt die userIn an den user :) )
      Avatar
      schrieb am 08.01.03 18:53:42
      Beitrag Nr. 90 ()
      SPIEGEL ONLINE - 08. Januar 2003, 16:31
      URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,229855,00.html

      Ausschreitungen von Genua
       
      Polizei räumt schwere Rechtsverstöße ein

      Bei der Razzia in einer Schule während des G-8-Gipfels in Genua hat die italienische Polizei massiv gegen das Gesetz verstoßen. Anderthalb Jahre später haben jetzt Beamte zugegeben, damals Beweise gefälscht zu haben.

      Rom - Die Razzia hatte in einer Schule stattgefunden, in der Globalisierungskritiker übernachteten. Die Polizisten gestanden jetzt, zwei Molotow-Cocktails in die Schule geschmuggelt zu haben, um so die Demonstranten zu belasten, hieß es.

      Bei der Razzia waren Dutzende Menschen von Sondereinheiten der Polizei verprügelt und zum Teil schwer verletzt worden. Viele von ihnen wurden vorübergehend festgenommen. Die Razzia hatte in der Nacht zum 22. Juli 2001 stattgefunden, wenige Stunden nachdem ein junger Demonstrant von einer Polizeikugel tödlich getroffen worden war. Wegen der Gewaltexzesse am Rande des G8-Gipfels war Italiens Polizei scharf kritisiert worden.
      Avatar
      schrieb am 08.01.03 23:06:44
      Beitrag Nr. 91 ()
      Polizei schafft Fakten
      Ermittlung ergibt: Beim Polizeisturm auf schlafende Gegner des G-8-Gipfels in Genua brachte die Einsatzleitung "Beweismittel" selbst mit


      ROM taz Nun ist es offiziell: Italiens Ordnungshüter haben sich die "Beweise" selbst gefertigt, die ihren brutalen Sturm auf die vom Genoa Social Forum während des G-8-Gipfels im Juli 2001 rechtfertigen sollten. 93 friedlich in einer Schule Schlafende waren damals erst verprügelt, dann verhaftet und schließlich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angezeigt worden; 62 trugen teils schwere Verletzungen davon. Jetzt bekannt gewordene Vernehmungsprotokolle der Staatsanwaltschaft Genua belegen endgültig, dass die Polizei sich nicht nur die zwei in der Schule "gefundenen" Mollis selbst mitgebracht hatte, sondern dass auch der angebliche Messerangriff auf einen Beamten ein Fake war.

      So räumt Polizeioffizier Pietro Troiani ein, es sei "eine Leichfertigkeit" seinerseits gewesen, die Mollis in die Schule zu tragen. Und so äußert Francesco Gratteri, Chef der Zentralen Operativen Einsatzgruppe: "Die Episode des simulierten Messerstichs kann dazu gedient haben, den Gewaltexzess einiger Beamter zu rechtfertigen; ich denke, dass auch die Episode mit den Molotowcocktails in die Welt gesetzt wurde, um die Ereignisse in der Scuola Diaz zu rechtfertigen."

      So recht will dann aber doch keiner der vielen beim Sturm anwesenden Polizeichefs etwas von den Mollis gewusst haben. Ihre Aussagen zielen darauf ab, einzig einen Kommandeur der Bereitschaftspolizei schuldig erscheinen zu lassen. Dagegen spricht ein der Staatsanwaltschaft vorliegendes Video: Es zeigt die gesamte Riege der Polizeiführer im Hof der Schule, während sie die Plastiktüte mit den brisanten "Beweisen" begutachten. Sehr fraglich und geschönt scheint deshalb die Version, es sei um nachträgliche Legitimierung einer aus dem Ruder gelaufenen Gewaltorgie gegangen. Die Tatsache, dass der am Einsatz gar nicht beteiligte Troiani samt Mollis zur Schule beordert wurde, spricht für eine andere Version: Von Anfang an verfügte Italiens Polizei - und nicht etwa ein einzelner ausgerasteter Dr. Seltsam - über ein präzises Drehbuch des Einsatzes, der darauf zielte, mit den 93 Schulinsassen zugleich das gesamte Genoa Social Forum zu kriminalisieren. "MICHAEL BRAUN

      taz Nr. 6949 vom 9.1.2003, Seite 2, 72 Zeilen (TAZ-Bericht), MICHAEL BRAUN


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