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    Buchtipp  4102  0 Kommentare Eine bahnbrechende Studie zu den Mitgliedern der NSDAP - Seite 3

    Die bisherige Forschung hat – oft auf schlechter Datenbasis – immer wieder versucht, den Arbeiteranteil in der Partei kleinzureden. Heinrich August Winkler meinte etwa, wenn sich Arbeiter der NSDAP angeschlossen hätten, dann seien dies eher „atypische“ Arbeiter gewesen, was Falter überzeugend widerlegt (S. 208).

    Die NSDAP war, so der Autor, von ihrer schichtmäßigen Zusammensetzung her keine Klassenpartei, sondern eine „sozial ausgesprochen heterogen zusammengesetzte Partei“. Nicht überraschend ist, dass Männer in der Partei sehr viel stärker vertreten waren als Frauen, doch dies galt auch für andere Parteien der Weimarer Republik.

    Eine jugendliche Partei

    Die NSDAP unterschied sich von anderen Parteien vor allem durch die Jugendlichkeit ihrer Anhänger. In den frühen Jahren waren die meisten Menschen, die sich der Partei neu anschlossen unter 30 Jahren, nicht wenige sogar unter 25 Jahren (S. 124). Jung waren ihre Mitglieder meist beim Parteieintritt. „Aber mit zunehmender Dauer der Existenz der Partei wurden auch ihre Mitglieder älter. Sie alterten quasi im Gleichschritt mit der Partei, sodass das Durchschnittsalter der Parteimitglieder gegen Kriegsende bei immerhin 45 Jahren lag, was ganz und gar nicht der Vorstellung Hitlers und der NSDAP von einer revolutionären Bewegung entsprach.“ (S. 476). Deshalb wurden nach der zweiten Schließung der Partei im Jahre 1942 in der Regel neben Kriegshinterbliebenen und aus der Wehrmacht Ausgeschiedenen nur noch Abgänger bzw. Abgängerinnen der Hitler-Jugend und des BDM aufgenommen.

    Motive für den Parteieintritt

    Das achte Kapitel des Buches gibt zunächst einen Überblick über sämtliche Studien zur Frage des Motivs für den Beitritt zur NSDAP. Manche Studien entstanden schon in den 30er Jahren, andere erst nach dem Ende der Diktatur. Die Quellen zu diesem Thema sind – wie stets in der Forschung – einer eingehenden Kritik zu unterziehen. So zeigt Falter, dass die in den Entnazifizierungsverfahren angegebenen Motive (erwartungsgemäß) meist geschönt waren (S. 446). Das eine, alles überlagernde Motiv, Nationalsozialist zu werden, gab es nicht. Antisemitismus spielte eine Rolle, jedoch vor allem bei Anhängern der sogenannten Alten Garde, die der Partei bis Oktober 1928 beitraten. Eine Analyse, auf die Falter sich bezieht, zeigt, dass 50 Prozent der „älteren“ Generation (40 Jahre und älter), aber nur 26 Prozent der jüngeren Generation (zwischen 20 und 40 Jahren) in ihren Berichten eine Ablehnung von Juden als Motiv für den Parteieintritt nannten (S. 437). Zweifelsohne war die NSDAP eine durch und durch antisemitische Partei, aber Hitler wusste, dass er mit antisemitischen Parolen nur eine Minderheit der Wähler mobilisieren konnte. Anders als in der frühen Zeit der NSDAP Anfang der 20er Jahre spielten denn auch – wie ich in meiner eigenen Studie gezeigt habe – Ende der 20er Jahre nicht antisemitische Motive die Hauptrolle in Hitlers Reden, sondern eher soziale Versprechungen und die Ideologie der „Volksgemeinschaft“. Falter berichtet denn auch, dass der Sozialismus „in seiner NS-Variante“ unter den Anhängern der NSDAP eine gewichtige Rolle spielte: „Hand in Hand mit dem Ideal der Volksgemeinschaft ging häufig der Wunsch nach einer Abschaffung von Privilegien und des Klassensystems der Gesellschaft. Häufig finden sich auch Bezüge zur Frontgemeinschaft mit dem Ziel der Beseitigung der Klassenschranken und dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit über die Klassen hinweg. Die Verbindung von Nationalismus und Sozialismus im Namen und im Programm machte einen großen Teil der Attraktivität des NS aus.“ (S. 436).


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Buchtipp Eine bahnbrechende Studie zu den Mitgliedern der NSDAP - Seite 3 Jürgen W. Falter, Hitlers Parteigenossen. Die Mitglieder der NSDAP 1919-1945, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2020, 584 Seiten.

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