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    Tschetschenien und andere Kriegs- oder Krisengebiete ohne US-Beteiligung - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 31.05.06 11:34:56 von
    neuester Beitrag 03.06.07 12:35:26 von
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      schrieb am 31.05.06 11:34:56
      Beitrag Nr. 1 ()
      Da ich ja immer das Gefühl habe, daß die "richtig schönen" Kriege immer ohne Journalisten oder US-Beteiligung auskommen, fange ich mal hier mit dem schönen Tschetschenien an, in das sich meines Wissens sowieso kein ausländischer Journalist begibt, weil es ja sowieso eine "innere Angelegenheit" eines befreundeten Landes ist, dessen Präsident nach Aussage eines unseres Kanzlers ruhig als "lupenreiner Demokrat" gesehen werden kann.
      Ich fange mal an mit einer nicht mehr ganz aktuellen Studien-Zusammenfassung der Friedrich-Ebert-Stiftung, die aber einen sehr schönen historischen Überblick bietet.
      Mal sehen, ob der vorgesehene Raum eines Postings dafür ausreicht. Wenn nicht, folgt sofort das nächste Posting.


      Sturm über Tschetschenien : Rußlands Krieg im Kaukasus

      Henrik Bischof: Sturm über Tschetschenien : Rußlands Krieg im Kaukasus Studie zur Außenpolitikforschung ; 65) - ISBN 3-86077-350-X
      Inhaltsverzeichnis
      I. Wirtschaftliche und soziale Lage
      II. Innenpolitische Kräfteverhältnisse
      III. Zentrifugale Tendenzen in Staat und Gesellschaft
      IV. Im Schatten der russischen Großmacht
      V. Außen- und Sicherheitspolitik
      Sturm über Tschetschenien - Rußlands Krieg im Kaukasus
      Abstract
      Der Konflikt zwischen dem Moskauer Zentrum und Tschetschenien ist sowohl ein rechtliches als auch in erster Linie ein politisches bzw. sicherheitspolitisches Problem. Konflikte dieser Art lassen sich - zumal auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion - nicht juristisch, sondern nur politisch lösen. Der Versuch von Präsident Jelzin und seinen Verbündeten in Regierung und Armee, den Konflikt in Tschetschenien mit Gewalt zu "lösen", ist zum Scheitern verurteilt. Denn selbst "erfolgreiche" Gewaltanwendung und Unterdrückung bergen die Gefahr in sich, daß das nur niedergehaltene, aber nicht ausgeräumte Konfliktpotential wieder ausbricht. Trotzdem entschied sich die Moskauer Zentrale für die Intervention der russischen Armee in Tschetschenien. Der Ratschlag Solschenizyns blieb unbeachtet: Moskau sollte im Interesse des Aufbaus eines starken Kernrußlands die Finger von Zentralasien und dem Kaukasus lassen.
      Im Westen entbrannte eine Diskussion über die Frage, ob die Intervention eine klassische imperiale Politik darstellt oder zum Schutze des Moskauer Zentrums vor dem wachsenden Druck der Peripherie erfolgt. Will Moskau Tschetschenien um seiner selbst willen in der Rußländischen Föderation behalten oder befürchtet es durch den Austritt Tschetscheniens Instabilität und Unsicherheit für den russischen Süden? Wie auch immer die Antwort auf diese Fragen ausfällt, die militärische Intervention wird nicht nur nachhaltige Auswirkungen für die russische Innenpolitik, den Kampf um die Macht, haben. Auch die Außenpolitik Moskaus erscheint als Folge einer langen Kette von Aktivitäten in einem anderen Licht. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Analyse (Ende Dezember 1994) ist noch nicht abzusehen, ob sich Tschetschenien in die Rußländische Föderation eingliedern läßt - sei es mit militärischer Gewalt oder durch Verhandlungsdiplomatie - oder ob ein langwieriger Kaukasus-Krieg bevorsteht. Festzustehen scheint nur, daß eine Rußländische Föderation nach dem Muster des Zarenreiches oder des Sowjetstaates nicht aufzubauen ist.
      Vorgeschichte
      Die Tschetschenen, die sich selbst Nochtscho oder Nachtschi nennen, sind ein autochthones Volk im Nordkaukasus, das ursprünglich Naturgötter verehrte (Herdkult) und bis heute, in Geschlechterverbänden/Stämmen organisiert, Sippenkriege (mit Blutrache) untereinander führt. Tschetschenisch ist eine kaukasische Sprache, die seit dem 19. Jahrh. (seit 1938 mit kyrillischem Alphabet) auch eine Literatursprache ist. Auf dem heutigen Territorium von Tschetschenien leben rund 1 Mio. Tschetschenen (über 80%). Tschetschenische Minderheiten befinden sich vor allem in Dagestan sowie (eine zahlenmäßig starke Diaspora) in Moskau und in Nahost (Irak, Syrien, Jordanien). In der Antike und im Mittelalter (8. Jahrh. ) wurden die unter der Herrschaft georgischer Könige lebenden Tschetschenen christianisiert. Ihre Islamisierung erfolgte erst im 16. Jahrh. Seitdem sind die meisten tschetschenischen Stämme sunnitische Moslems. Die Angehörigen des in Georgien lebenden Tschetschenen-Stammes der Kist sind Christen geblieben.
      Der Kampf zwischen David und Goliath im Kaukasus dauerte insgesamt 400 Jahre - bis in das 19. Jahrh. hinein. Zunächst scheiterte Iwan der Schreckliche, dann auch Peter I. mit dem Versuch der Befriedung der für Rußland geopolitisch wichtigen Kaukasus-Region am Widerstand der Tschetschenen (zusammen mit Dutzenden von kleinen Kaukasus-Volksgruppen), die offenbar bis zum heutigen Tage unwillig scheinen, eine Fremdherrschaft zu ertragen. Erst nachdem Rußland zwischen 1801-1828 Armenien, Georgien und Aserbaidschan erobert hatte, gelang es Moskau, im Kaukasus-Krieg (1817-1864) auch die Tschetschenen zu unterwerfen. Anführer des Widerstandes war der in einem awarischen Dorf in Dagestan geborene Schamil, Führer einer aus der islamischen Mystik (Sufismus) hervorgegangenen politisch-religiösen Bewegung (Muridismus) der Bergvölker im Nordost-Kaukasus, der während des 47 Jahre andauernden Krieges einen eigenen Staat (Imamat) schuf. Schamil kämpfte in diesem Krieg 25 Jahre lang allein erfolgreich mit 20.000 Kriegern gegen eine 280.000 Mann starke russische Armee, bis er 1859 in Gefangenschaft geriet und nach Mekka ausgewiesen wurde. Rund 40.000 Tschetschenen flohen daraufhin in die Türkei.
      Die jahrhundertealte Tradition des tschetschenischen Widerstandes gegen Moskau, die unvorstellbare Menschenopfer aus den eigenen Reihen forderte, setzte sich auch im Sowjetstaat, vor allem in den 20er und 30er Jahren, fort. 1921 wurde ein Teilgebiet der Tschetschenen der Gorskaja (Berg) ASSR zugeschlagen. 1922 erhielt Tschetschenien den Status eines Autonomen Gebietes. 1934 entstand durch Zusammenlegung das Tschetscheno-Inguschische Autonome Gebiet, das 1936 in eine Tschetscheno-Inguschische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (ASSR) im Rahmen der RSFSR (Russische Föderation) umgewandelt wurde. 1944 kam es auf Stalins Befehl zur Auflösung der ASSR sowie zur Deportation der Tschetschenen, Inguschen und anderer Kaukasus-Völker nach Zentralasien (Sibirien, Kirgisien und Kasachstan) - unter dem Vorwand einer Kollektivstrafe für angebliche Kollaboration mit Hitler-Deutschland. In Wirklichkeit hat kein einziger deutscher Soldat Tschetschenien betreten. Heute gibt es kaum eine tschetschenische Familie, die kein Opfer der Vertreibung zu beklagen hätte. Erst 1957 wurden die Tschetschenen rehabilitiert, durften die Überlebenden aus Zentralasien in ihre wiederhergestellte, jedoch territorial verkleinerte Tschetscheno-Inguschische ASSR zurückkehren. 1991, zur Zeit des Unterganges der UdSSR, hatte diese ASSR rund 1,3 Mio. Einwohner, darunter 57,8% Tschetschenen, 23,1% Russen, 12,9% Inguschen, 1,2% Armenier u.a. Die Mehrheit der Tschetschenen, die sich heute gegen Moskau auflehnen, wurden in der Deportation geboren.
      Die Tschetschenische Republik
      In der Zeit von "Perestrojka" und "Glasnost" unter Gorbatschow (1985-1991), die den Völkerschaften der Sowjetunion die Möglichkeit einer nationalen und staatlichen Eigenständigkeit eröffnete, konnten auch die Tschetschenen ihre nationale Wiedergeburt feiern. Am 27. November 1990 deklarierte die Tschetscheno-Inguschische ASSR ihre staatliche Souveränität und ihren Austritt aus der UdSSR. Initiator dieses Schrittes war der aus der nationalen Bewegung hervorgegangene Volkskongreß der Tschetschenen unter Führung des pensionierten Generalmajors der strategischen Luftstreitkräfte der UdSSR, Dschohar Dudajew (Jahrgang 1944), der Jelzin mit seiner im Machtkampf gegen Gorbatschow gegenüber Tatarstan gemachten Aussage - "Nehmt so viel Souveränität, wie Ihr wollt" (Neue Zeit, Moskau, Nr. 44/1991, S. 12) - beim Wort nahm. Die Souveränitätsbestrebungen wurden u.a. auch von der im August 1990 gegründeten Demokratischen Partei der Wainachen (Sammelbegriff für Tschetschenen und Inguschen) unter Vorsitz des Dichters Silimkhan Inderbajew, der Bewegung der Grünen, der Volksfront für Perestrojka und der Partei des Islamischen Weges unter Führung von Beslan Gantamirow unterstützt. Der Volkskongreß von Dudajew wurde zur führenden politischen Kraft in Tschetschenien, weil er sich auf die Diaspora stützen konnte. Unter den nach wie vor in Clans (Tjebs) organisierten Tschetschenen der Moskauer Diaspora hatte sich unter den Bedingungen der Privat- und Schattenwirtschaft relativ schnell ein starkes nationales Bürgertum entwickelt, das enge Verbindungen zum Heimatland unterhielt. Dadurch wurde die Machtposition der Partei- und Verwaltungsbürokratie Tschetscheniens, eines geschlossenen und korrumpierten Systems nationaler Nomenklatura, erheblich geschwächt. Tschetschenien zählte zu den ärmsten Regionen der UdSSR. Von der erdölverarbeitenden Industrie profitierte nur Moskau. Das Volk der Tschetschenen und Inguschen lebte in tiefster Armut. Bereits damals erreichte die Zahl der Arbeitslosen 200.000. Für sie gab es in ihrer eigenen autonomen Republik keinen Lebensraum.
      Während des Moskauer Putschversuchs im August 1991 stand der Volkskongreß der Tschetschenen unter Führung von Dudajew an der Seite Boris Jelzins. Die tschetschenische Partei- und Verwaltungsbürokratie (Nomenklatura) unterstützte die Putschisten oder verhielt sich neutral. Erst nach harten Auseinandersetzungen konnte sie ausgeschaltet werden. Am 15. September 1991 löste sich der Oberste Sowjet der Autonomen Republik auf. Davor war bereits der Vorsitzende des Obersten Sowjets, Doku Sawgajew (seit 1989 1. Sekretär des Tschetscheno-Inguschischen Gebietskomitees der KPdSU), zurückgetreten. Auf Moskauer Betreiben wurde zwar ein 13köpfiger provisorischer Oberster Sowjet geschaffen, er konnte jedoch nur von zwei Bezirken Tschetscheniens bewaffnete Unterstützung erhoffen. Anfang Oktober 1991 übernahm der Volkskongreß der Tschetschenen (Dudajew) de facto die Macht, nachdem seine 62.000 Mann starke Nationalgarde, die aus den Selbstverteidigungsgruppen der Grünen Bewegung hervorgegangen war, die wichtigsten Gebäude in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny (Rundfunk und Fernsehen, KGB, Ministerien) besetzt hatte. Der Volkskongreß wählte einen provisorischen Rat mit Hussein Achmadow an der Spitze sowie ein provisorisches Komitee zur Ausarbeitung von Gesetzen unter Führung von Letschi Magomadow.
      Zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Moskau und den Tschetschenen trug das Ultimatum Boris Jelzins vom 20. Oktober 1991 bei. Jelzin verlangte, daß innerhalb von drei Tagen die besetzten Gebäude geräumt und die Waffen der Nationalgarde abgegeben werden. Dudajew reagierte darauf mit einer Generalmobilmachung.
      Am 27. Oktober 1991 wurden in Tschetschenien Präsidentschaftswahlen durchgeführt, die Dschohar Dudajew gewann. Nach offiziellen Angaben nahmen 490.000 der 640.000 Wahlberechtigten an den Wahlen teil. 420.000 davon stimmten für Dudajew. Nach inoffiziellen Angaben hat nur die Hälfte der Wahlberechtigten gewählt. Moskau erklärte die Wahlen für illegal.
      Im November 1991 verhängte Jelzin über Tschetschenien den Ausnahmezustand, was vom russischen Parlament abgelehnt wurde. Dieses bestand darauf, den Konflikt mit politischen Mitteln zu lösen. Jelzin und seine "demokratische" Regierung beharrten jedoch auf der Wiedereinsetzung der alten kommunistischen Führung und des Parlaments in Tschetschenien. Die 2.000 vom sowjetischen bzw. russischen Innenministerium nach Grosny entsandten Soldaten mußten einen schmählichen Rückzug antreten, nachdem sie mit ihrer Aufgabe, der "Wiederherstellung der Ordnung", gescheitert waren. Der Vertreter des russischen Präsidenten und Leiter der Sonderverwaltung in Tschetschenien, Achmed Arsanow, trat zurück.
      Boris Jelzin mußte in Tschetschenien mit seiner auf Konfrontationskurs ausgerichteten Politik die erste empfindliche persönliche Niederlage einstecken - obwohl Vizepräsident Ruzkoj und der Tschetschene und damalige Präsident des russischen Parlaments, Ruslan Chasbulatow, den Erlaß über den Ausnahmezustand vehement verteidigten. Dudajew erklärte seinerseits den Ausnahmezustand für ungültig und rief statt dessen den Kriegszustand aus. Tausende von Tschetschenen kamen nach Grosny, um die "Freiheit gegen die Russen" zu verteidigen. Im nachhinein lassen sich die Ereignisse auch so deuten, daß das russische Parlament das Ansehen Jelzins in der Welt als leidenschaftlicher Verfechter von Demokratie rettete, indem er seine Zustimmung zum Ausnahmezustand verweigerte.
      Parallel zu diesen Ereignissen begann Ende 1991 in Moskau eine konzentrierte Medienkampagne gegen die Tschetschenen ("Schwarze", "Gangster", "Kriminelle", "Verbrecher" ), die nicht ohne Wirkung auf die städtische Bevölkerung blieb und bis heute anhält. Nicht die russische, sondern eine gefährliche tschetschenische Mafia bedrohte demnach die Bürger und die öffentliche Ordnung.
      Gleichzeitig versuchte Moskau, die Macht in Tschetschenien zu destabilisieren, indem es die russische Bevölkerung sowie die Terek-Kosaken in Tschetschenien aktivierte. Tausende von Russen, Juden und Armeniern flohen in den Süden Rußlands (Krasnodar, Stawropol). Auch gegenseitige Territorialforderungen begannen eine Rolle zu spielen. Die Terek-Kosaken verlangten den Anschluß der von ihnen bewohnten tschetschenischen Bezirke Naurskij und Schelkowskij an das russische Gebiet Stawropol. Der Tschetschenen-Stamm der Akinzen forderte einen awarischen Bezirk Dagestans zurück, aus dem die Akinzen 1944 gewaltsam vertrieben worden waren. Gleichzeitig beanspruchten die Inguschen ihre ursprünglichen Siedlungsgebiete, die 1944 Nord-Ossetien zugeschlagen worden waren.
      Trotz dieser lokalen Konflikte der Kaukasus-Völker untereinander schienen diese sich in einem Punkt einig zu sein, nämlich der Unterstützung des Widerstandes der Tschetschenen. Präsident Dudajew gelang es, nicht nur zu dem in Georgien lebenden Tschetschenen-Stamm der Kist, sondern auch zum damaligen georgischen Präsidenten Gamsahurdia, zu den Abchasen Georgiens, den Moslem-Führern Aserbaidschans, dem Kongreß des Awaren-Volkes und den Moslems von Dagestan enge Kontakte zu knüpfen. Auch die 1989 gegründete Konföderation der Bergvölker des Kaukasus, die sich als Sammlungsbewegung der politischen Opposition gegenüber der in den autonomen Republiken der Kaukasus-Region fest etablierten alten Nomenklatura versteht, sagte Dudajew Unterstützung zu. Präsident Jelzin erklärte jedoch die Konföderation für verfassungswidrig und stützte sich weiterhin auf die frühere kommunistische Partei- und Verwaltungsbürokratie im Kaukasus.
      Das Jahr 1992 begann mit der verwaltungsmäßigen Trennung der Inguschen von Tschetschenien. Die Inguschen (ursprünglich auch ein Tschetschenen-Stamm, der sich Galgai nennt) haben schon seit 1989/90 die Wiederherstellung ihrer eigenen Autonomen Republik im Rahmen der Russischen Föderation, wie sie 1934 bestand, gefordert. Nur ein Teil der Inguschen strebte gemeinsam mit den Tschetschenen eine einheitliche "Republik der Wainachen" an. Der Wunsch der Inguschen, sich von den Tschetschenen zu trennen, kam Moskau entgegen, zumal sich dadurch das Territorium des abtrünnigen Tschetschenien verkleinert. Nachdem die Inguschen am 31. März 1992 den Föderationsvertrag unterzeichnet hatten, erklärte Präsident Jelzin die neue Inguschische Republik per Dekret zum Mitglied der Russischen Föderation. Auch das russische Parlament verabschiedete im Juni 1992 ein entsprechendes Gesetz. Die Inguschen wurden jedoch getäuscht, da sie ihre Republik nicht in ihren alten Grenzen von 1934 zurückerhielten, obwohl dies rechtlich aufgrund des Gesetzes der Russischen Föderation vom 26. April 1991 über die Rehabilitierung unterdrückter Völker möglich gewesen wäre. Die nach 1944 abgetrennten (inguschischen) Gebiete blieben unter der Verwaltung von Nord-Ossetien. Daraus entstand ein blutiger Konflikt zwischen Inguschen und Osseten, der - trotz der Sonderverwaltung Moskaus - bis heute andauert. Ein Angebot der Konföderation der Bergvölker des Kaukasus, im Konflikt die Vermittlung sowie die Errichtung einer Pufferzone mit eigenen Friedenstruppen zu übernehmen, lehnte Moskau ab. Offenbar war Moskau an Stabilität ohne Präsenz russischer Truppen in der Region nicht interessiert.
      Die Tschetschenen kehrten bereits im Januar 1992 zur alten Grenzziehung von 1934 mit der Inguschischen Republik zurück. Sie verabschiedeten am 12. März 1992 eine eigene Verfasssung, die die Tschetschenische Republik zum unabhängigen Staat erklärte. Präsident Dudajew übernahm auch das Amt des Ministerpräsidenten. Sein erster Auslandsbesuch führte ihn im August 1992 nach Saudi-Arabien.
      Kaum war die neue tschetschenische Verfassung am 12. März 1992 in Kraft getreten, setzte Moskau seine Destabilisierungsversuche der Tschetschenischen Republik fort. Am 31. März, dem Tag der Unterzeichnung des Föderationsvertrags in Moskau, dem Tschetschenien nicht beitrat, unternahm die alte kommunistische tschetschenische Nomenklatura, deren Hochburg sich im tschetschenischen Bezirk Nadteretschnij befand, in Grosny einen Putschversuch, der jedoch kläglich scheiterte. Danach verließen auch die noch auf tschetschenischem Territorium stationierten Einheiten der GUS-Streitkräfte die Republik. In Moskau entließ Präsident Jelzin seine kompromißbereite Beraterin für Nationalitätenpolitik, Galina Starowojtowa. Ihr Nachfolger Sergej Schachrai schlug einen härteren Kurs gegenüber Tschetschenien ein.
      Im Frühsommer 1992 verhängte Rußland eine Wirtschaftsblockade gegen Tschetschenien. Die erdölverarbeitenden Betriebe in Grosny mußten die Produktion einstellen, weil aus Krasnodar in Südrußland kein Rohöl mehr geliefert wurde. Die meisten Autobusse des öffentlichen Verkehrs konnten nicht mehr fahren, weil die Ersatzteile aus Rußland fehlten. Russische Flugzeuge stellten den Flugverkehr nach Grosny ein. Nur noch Armenien, Moldawien, Litauen und die Ukraine flogen Grosny an. Eisenbahngüter, z.B. für Litauen oder Aserbaidschan, wurden an der russischen Grenze nicht mehr weiterbefördert. Sämtliche Zufahrtsstraßen nach Tschetschenien wurden von Sondereinheiten der russischen Miliz streng kontrolliert. Ab Mai 1992 sperrten russische Banken sämtliche Konten Tschetscheniens. Während Tschetschenien weiterhin alle Lieferungen nach Rußland im Rahmen von Wirtschaftsverträgen ausführte, summierten sich Rußlands Schulden auf rund 12 Mrd. Rubel. Ohne Bargeld litt vor allem die russische Bevölkerung Tschetscheniens unter dem Wirtschaftsboykott. Ein Einlenken der Tschetschenen deutete sich um die Jahreswende 1992/93 an. Tschetschenien zeigte sich bereit, sowohl dem Föderationsvertrag als auch der GUS beizutreten mit der Sonderregelung, daß die Tschetschenen die Bereiche Außen- und Außenwirtschaftspolitik sowie gemeinsame Verteidigung nach außen Moskau überlassen. Warum Moskau auf diese Kompromißlösung nicht einging und Sergej Schachrai (Vorsitzender des Staatskomitees für Nationalitätenpolitik) auf einer Position der Stärke beharrte, blieb unklar.
      Die innere Machtkrise
      Die von Moskau verhängte Wirtschafts- und Finanzblockade führte bereits Anfang 1993 zu einer erheblichen Verschlechterung der ohnehin kargen Lebensbedingungen der Bevölkerung Tschetscheniens, was zu Unzufriedenheit und der Herausbildung oppositioneller Kräfte gegen Präsident Dudajew beitrug. Zur Opposition gehörten einerseits die alte lokale Nomenklatura der Partei- und Verwaltungsbürokratie und die 1990 gewählten Abgeordneten der Tschetscheno-Inguschischen ASSR für den Volksdeputiertenkongreß in Moskau (darunter der damalige Parlamentspräsident Ruslan Chasbulatow) und andererseits Teile der nationalen Bewegung und Mitstreiter für die Unabhängigkeit Tschetscheniens, die sich von Dudajew getrennt hatten, darunter Hussein Achmadow (Parlamentspräsident bis 1993), Jusuf Soslambekow (Parlamentspräsident ab 1993 und Mitglied des Parlaments der Konföderation der Bergvölker des Kaukasus), Letscha Umajew (Vorsitzender der Daimok-Bewegung), Sabrail Gakajew (Vorsitzender der Bewegung Demokratischer Kräfte), Jaragi Mamodajew (1. stellvertretender Ministerpräsident bis 1993) sowie die Kommandeure der Streitkräfte Salman Chasemikow und Chamzat Chankarow. Präsident Dudajew stützte sich auf den von ihm geführten Volkskongreß der Tschetschenen und die Demokratische Partei der Wainachen von Silimkhan Inderbajew.
      Da die tschetschenischen Stämme gesellschaftlich in Großfamilien bzw. Sippen und Clans organisiert sind, spiegelte die Machtkrise auch den Machtkampf zwischen einzelnen Clans wider, die unter dem Eindruck der schweren Wirtschaftskrise ihre Claninteressen durchzusetzen versuchten. Diese mit Claninteressen verwobenen oppositionellen Kräfte warfen Dudajew vor allem vor, eine Alleinherrschaft anzustreben und die Islamisierung des Landes zu betreiben.
      Die innenpolitische Machtkrise, in der sich Präsident Dudajew letztlich als der starke Mann behaupten konnte, blieb das beherrschende Ereignis des Jahres 1993. Im Kampf um Einfluß und Macht standen sich - wie gleichzeitig auch in Moskau - Präsident und Parlament, das mehrheitlich von der alten Nomenklatura und der nationalen Opposition beherrscht wurde, gegenüber. Die letzteren beiden verbündeten sich (Rat des Nationalen Einvernehmens), als Präsident Dudajew für den 19. Februar 1993 ein Referendum über eine Verfassungsrevision in Richtung Präsidialherrschaft ankündigte. Das Parlament beschloß daraufhin, für den 27. März ein Referendum zur Frage der Regierungsform anzuberaumen. Nach dieser gegenseitigen Paralysierung im Streit um Macht und Einfluß erklärte Präsident Dudajew, um einem Impeachment zuvorzukommen, am 17. April das Parlament für aufgelöst. Als Antwort darauf setzte das Parlament für den 5. Juni ein Referendum über die Fortsetzung der Herrschaft Dudajews und die Festsetzung von Neuwahlen an. Dudajew kündigte seinerseits ein Referendum für Juli sowie vorzeitige Neuwahlen für September 1993 an. Bis zum Abschluß der Parlamentswahlen sollte der Präsident im Amt bleiben.
      Im Mai 1993 bildeten sich zwei Regierungen. Präsident Dudajew ernannte ein neues Kabinett und bestimmte Mairbek Mugadajew zum neuen Regierungschef. Das Parlament wählte eine eigene "Parlamentsregierung" unter Ex-Regierungschef Jaragi Mamodajew, der inzwischen zur Opposition übergewechselt war. Jusup Soslambekow wurde neuer Parlamentspräsident. Der Konflikt zwischen Präsident und Parlament endete am 6. Juni 1993 ähnlich wie vier Monate später in Moskau - mit einem Gewaltakt. Präsident Dudajew ließ die Opposition, die im April 1993 das Bürgermeisteramt und die Polizeibehörde von Grosny besetzt hatte und seither auf dem Theaterplatz laufend Meetings abhielt, mit Hilfe seiner Nationalgarde gewaltsam (14 Todesopfer) vertreiben. Die Oppositionsführer flohen in ihre Hochburg, den Bezirk Nadteretschni, bzw. nach Moskau. Nach einer Kampfpause - bedingt durch die Zuspitzung des Machtkampfes in Moskau - unternahm die Opposition erst im Dezember 1993 einen erneuten Versuch, Präsident Dudajew zu stürzen. Die im Frühjahr 1993 vom Parlament gebildeten bewaffneten Einheiten unter dem Verteidigungsminister der "Parlamentsregierung", Generalmajor Ibrahim Sulejmenow, besetzten den Präsidentenpalast, um Dudajew zum Rücktritt zu zwingen. Aber auch dieser Umsturzversuch scheiterte.
      Präsident Dudajew blieb zwar in Tschetschenien der starke Mann, doch hatten sich inzwischen die Verhältnisse in den Nachbarstaaten grundlegend zu seinen Ungunsten verändert. Die nationalistischen und antikommunistischen Präsidenten Georgiens (Gamsachurdia) und Aserbaidschans (Eltschibej) - potentielle Verbündete Dudajews - wurden inzwischen gestürzt und durch neue prorussische Machthaber (Schewardnadze, Alijew) ersetzt. Zum Sturz des georgischen Präsidenten Gamsahurdia, der bei Dudajew in Grosny Zuflucht fand, trugen indirekt auch tschetschenische "Freiwillige" im Sezessionskampf Abchasiens bei. In Moskau erinnerte man sich möglicherweise daran, daß Rußland die Tschetschenen im 19. Jahrh. erst besiegen konnte, nachdem die zaristische Armee Georgien und Aserbaidschan erobert hatte. Nachdem sich Präsident Jelzin im Oktober 1993 gewaltsam des widerspenstigen Parlaments entledigt hatte, war nicht mehr damit zu rechnen, daß sich Moskau auf eine friedliche Lösung des Tschetschenienkonflikts durch Verhandlungsdiplomatie einlassen würde. Die neue Staatsduma setzt sich mehrheitlich aus Nationalisten und Kommunisten zusammen. Der Spielraum für eine auf Ausgleich ausgerichtete Politik ist eng. Der Machtkampf in Moskau dauert unvermindert an. Folglich blieb die Lösung des Tschetschenienkonflikts dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Sergej Schachrai überlassen. Seine Konzeption der Konfliktlösung: Aufbau einer bewaffneten prorussischen Opposition mit Moskaus Hilfe, um unter Inkaufnahme eines Bürgerkrieges Präsident Dudajew zu stürzen und die Macht zu übernehmen.
      Die innere Opposition
      Von diesem Zeitpunkt an betrachtete Moskau die Lösung der Tschetschenien-Frage als Priorität, um - so Sergej Schachrai - die "föderative Natur des Russischen Staates zu schützen". Nach Schachrais Meinung kann Moskau nicht länger eine Situation tolerieren, in der 1,2 Mio. russische Staatsbürger ohne den Schutz der Verfassung leben (Nezavisimaja Gazeta, 5. März 1994). Einige Jelzin-Anhänger, darunter der Vorsitzende des Föderationsrates, Schumejko, traten jedoch weiterhin für die Fortsetzung des politischen Dialogs mit dem tschetschenischen Präsidenten Dudajew ein. Noch im Frühjahr 1994 zeigte sich auch Präsident Jelzin nicht abgeneigt, mit Tschetschenien - ähnlich wie mit Tatarstan - einen Vertrag über die gegenseitige Abgrenzung von Vollmachten der Organe der jeweiligen Staatsmacht zu vereinbaren (FAZ, 30. Juli 1994). Als jedoch der Kosake und Ex-Schwergewichtsboxer Nikolaj Jegorow Schachrai als Minister für Nationalitätenpolitik ablöste, wurde klar, daß sich in der Moskauer Exekutive die "Hardliner" durchgesetzt hatten. Schachrai behielt als stellvertretender Ministerpräsident zunächst die Hauptverantwortung für das Tschetschenien-Problem. Rußland ging jedoch von nun an gegen Tschetschenien nach dem gleichen Muster vor wie in den Konflikten mit anderen GUS-Staaten (Georgien, Aserbaidschan, Tadschikistan), d.h. die Konflikte werden so lange geschürt, bis ein Eingreifen Moskaus unvermeidbar und international akzeptabel erscheint.
      Am 29. Juli 1994 verbreitete die russische Regierung zunächst eine Stellungnahme zu den Briefen und Appellen von Bürgern und Organisationen aus Tschetschenien, in denen u.a. über die Isolierung Tschetscheniens von der Russischen Föderation und die Aktivitäten organisierter krimineller Gruppen geklagt wird. Am 3. August wurde in Moskau eine "politische Deklaration" der tschetschenischen Opposition veröffentlicht (Rossijskaja Gazeta, 3. August 1994). Dann wurde die Opposition durch russische Hubschrauber mit Waffen und Ausbildern versorgt, ihre Führer erhielten eine russische Leibgarde. Gleichzeitig startete Rußland eine neue Medienkampagne mit Stereotypen, die darauf hinausliefen, daß eine militärische Intervention nicht nur nötig sei, um Recht und Ordnung in Tschetschenien wiederherzustellen, sondern auch, um die Kriminalität in den russischen Städten einzudämmen. Am 26. August startete die Opposition ihre militärische Operation. Drei Tage später, am 29. August, beklagte sich der Leiter der Präsidialverwaltung Jelzins, Sergej Filatow, über die Uneinigkeit der Opposition gegenüber dem Regime Dudajews (ITAR-TASS, 29. August 1994).
      Mit der offenen Unterstützung der bewaffneten Opposition ließ sich Moskau auf ein riskantes Spiel ein. Sollten die innere Destabilisierung und der Umsturz mit Hilfe der bewaffneten Opposition mißlingen, bliebe Moskau nur die Alternative einer militärischen Intervention oder des Eingeständnisses der Niederlage, d.h. Anerkennung der Unabhängigkeit Tschetscheniens. Zu spät entdeckte Moskau, daß es die "falschen" Leute für die innere Opposition ausgesucht und unterstützt hatte (Izvestija, 21. Oktober 1994). Zu ihnen gehörten Umar Awturchanow (Ex-KGB-Mann und Verwaltungschef des Bezirks Nadteretschni), Aslanbek Aslachanow (Armeegeneral der russischen Armee), Ruslan Chasbulatow (Ex-Vorsitzender des russischen Parlaments), Doku Sawgajew (Ex-Parteichef des Tschetscheno-Inguschischen Gebietskomitees der KPdSU und Abteilungsleiter im Präsidialapparat Boris Jelzins), Salambek Chadschijew (Ex-Erdölminister der UdSSR), Beslan Gantamirow (Ex-Bürgermeister von Grosny), Jaragi Mamodajew (Ministerpräsident des "nationalen Einvernehmens", d.h. der "Parlamentsregierung"), Ruslan Labasanow (Ex-Leibwächter Dudajews) sowie einige Militärkommandeure (Chamzat Chankarow, Ibrahim Sulejmenow u.a.).
      Der Aufbau der prorussischen bewaffneten Opposition begann im Dezember 1993 in der Hochburg der alten Nomenklatura, im Bezirk Nadteretschni im Nordwesten Tschetscheniens. Dort etablierte sich ein 22köpfiger Provisorischer Rat unter Vorsitz von Umar Awturchanow und bereitete im I. Halbjahr 1994 den geplanten Umsturz vor. In Meetings mit den rund 150 lokalen, darunter den neun mächtigsten Clans in Tschetschenien, wurde versucht, diese zum Widerstand gegen Dudajew zu überreden. Moskau stellte dem Rat etliche Milliarden Rubel zur Verfügung, um die Bevölkerung durch die Auszahlung ausstehender Löhne, Gehälter und Renten für sich zu gewinnen. Am 24. Juli ersuchte Awturchanow Präsident Jelzin offiziell um Anerkennung des Provisorischen Rates und Hilfe bei der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Anfang August bildete der Provisorische Rat eine Gegenregierung unter Vorsitz von Ali Alawdinow, eines "Geschäftsmannes", der im November durch Salambek Chadschijew ersetzt wurde. Die bewaffneten Einheiten des Provisorischen Rates standen unter dem Kommando von Badrudi Dschemalchanow.
      Neben dem prorussischen Provisorischen Rat im Bezirk Nadteretschni existierten noch andere Gruppierungen, die das Regime Dudajews stürzen wollten. Zu ihnen gehörte Ruslan Chasbulatow, der im August am Sitz seines Clans im Tolstoj-Jurt, nördlich von Grosny, eintraf, um seine Basis für eine Machtübernahme auszubauen. Die Verkehrswege östlich von Grosny sowie die Stadt Argun wurden von Einheiten des Dudajew-Gegners Ruslan Labasanow kontrolliert, der im Juni vergeblich versuchte, Grosny einzunehmen. Den Bezirk Urus-Martan, südwestlich von Grosny, hielten die Truppen von Beslan Gantamirow besetzt. Bei einem Vorstoß Anfang September 1994 gelang es der Armee Dudajews, die Stadt Argun von den Truppen Labasanows zu befreien. Daraufhin schlossen sich die Anhänger Labasanows und Jaragi Mamodajews (Ministerpräsident des "nationalen Einvernehmens") Ruslan Chasbulatow in Tolstoj-Jurt an. Chasbulatow ließ sich zum Vorsitzenden eines Staatsrates der oppositionellen Kräfte wählen. Mitte Oktober versuchten die von Gantamirow angeführten Truppen, mit russischer Luftunterstützung Grosny einzunehmen. Aber auch dieser Umsturzversuch scheiterte. Dudajews Regierungstruppen besetzten im Gegenangriff den Bezirk Urus-Martan. Gantamirow schloß sich dem Provisorischen Rat von Awturchanow an.
      Einen letzten - mißglückten - Umsturzversuch unternahm die bewaffnete innere Opposition mit offener russischer Unterstützung Mitte November 1994. Russische Panzer aus Mosdok (Nord-Ossetien) stießen nach Urus-Martan vor. Bratskoje, das einzige von Dudajews Anhängern gehaltene Dorf im Bezirk Nadteretschni, wurde von russischen Truppen besetzt. Am 18. November versuchten russische Einheiten zusammen mit der inneren Opposition, mit russischer Luftunterstützung erneut Grosny einzunehmen. Auch dieses Vorhaben mißlang. Eine Reihe russischer Soldaten geriet in Dudajews Gefangenschaft. Nachdem Moskaus Konzeption, mit Hilfe der bewaffneten inneren Opposition Dudajew zu stürzen, gescheitert war, blieb nur die Alternative Anerkennung der Unabhängigkeit Tschetscheniens oder militärische Intervention. Präsident Jelzin entzog dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Schachrai die Aufgabe, die Tschetschenien-Politik zu koordinieren. Der Minister für Nationalitätenpolitik, Nikolaj Jegorow, erhielt die ausschließliche Vollmacht für diese Politik. Die "Hardliner" hatten sich durchgesetzt. Damit entschied sich Moskau für die militärische Intervention.
      Die militärische Intervention
      Am 1. Dezember 1994 unterzeichnete Boris Jelzin ein Dekret über Maßnahmen zur Festigung von Gesetz und Ordnung im Nord-Kaukasus. Dazu gehörte auch eine Amnestie für die Regierungstruppen Dudajews, die bis zum 15. Dezember die Waffen niederlegen. Gleichzeitig begann der Aufmarsch russischer Truppen an den Grenzen Tschetscheniens. Seitdem wurde Grosny täglich von russischen Flugzeugen bombardiert.
      Am 9. Dezember erließ Präsident Jelzin nach Beratungen im Sicherheitsrat ein weiteres Dekret über die "Entwaffnung illegaler Formationen und die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung" in Tschetschenien. Am 11. Dezember begann die militärische Intervention russischer Armee-Einheiten. Mindestens 40.000 Mann drangen aus drei Richtungen (Inguschien, Nord-Ossetien, Dagestan) vor, um die tschetschenische Hauptstadt einzukreisen. Sie stießen bereits bei ihrem Vormarsch auf Grosny nicht nur in Tschetschenien, sondern auch in Inguschien und Dagestan auf erbitterten Widerstand. In einem Appell an die Bürger Rußlands begründete Boris Jelzin den Einmarsch russischer Truppen mit der Absicht, eine "politische Lösung zu finden" (ITAR-TASS, 11. Dezember 1994). Die politische "Lösung" des Konfliktes erfolgte jedoch mit Mitteln der Gewalt. Die tschetschenisch-russischen Verhandlungen verliefen ergebnislos. Inzwischen solidarisierte sich auch der Vorsitzende des Föderationsrates, Wladimir Schumejko, der bis dahin vehement für die Fortsetzung des politischen Dialogs eingetreten war, mit Jelzin und bezeichnete die militärische Intervention im Interesse der territorialen Integrität Rußlands als notwendig.
      Moskaus Verzicht auf Verhandlungen ohne Vorbedingungen versperrte den Weg zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes. Der Sekretär des Sicherheitsrates, Lobow, unterstrich Moskaus harte Haltung mit seiner Äußerung, daß es ohne eine vollständige Entwaffnung der Regierungstruppen Dudajews keine Gespräche geben werde (Neue Zürcher Zeitung, 20. Dezember 1994). Dudajew war zwar bereit, bedingungslos zu verhandeln, nicht aber zuvor seine Truppen zu entwaffnen. In diesem Stadium der russischen Militärintervention wären die Tschetschenen nicht einmal auf Anweisung Dudajews bereit gewesen, ihre Waffen niederzulegen.
      Die für den 15. Dezember gesetzte und inzwischen um 48 Stunden verlängerte Frist des Ultimatums verstrich, ohne daß die Tschetschenen aufgegeben hätten. Zwar war es den regulären Einheiten der russischen Armee bis dahin nicht gelungen, einen vollständigen Blockadering um Grosny zu ziehen, doch versuchte Moskau, durch Raketenbeschuß und Bombardierung der tschetschenischen Hauptstadt Präsident Dudajew zur Aufgabe zu zwingen. Gleichzeitig beschloß Moskau, alle Verkehrswege nach Aserbaidschan und Georgien zu schließen. Ferner wurde mit einem Erlaß Jelzins eine "Territorialverwaltung der föderalen Exekutivorgane auf dem Gebiet der Tschetschenischen Republik" unter Leitung des "Hardliners" Nikolaj Jegorow eingesetzt. Im russischen Fernsehen erklärte der Oberbefehlshaber der russischen Luftstreitkräfte, Dejnekin, daß "nicht eine Rakete und nicht eine Bombe der russischen Luftstreitkräfte gegen die Stadt Grosny eingesetzt werden" und daß "niemand den Befehl zu eventuellen Bombardements auf friedliche Bewohner geben" werde. Dessenungeachtet waren die Opfer des Raketenbeschusses und der Bombardierung fast ausschließlich Zivilisten. Außenminister und "Hardliner" Kosyrew wollte das Tschetschenien-Problem in "wenigen Tagen" lösen und erklärte, daß der Staat die "bewaffneten Banden entschlossen ausrotten" müsse (INTERFAX, 15. Dezember 1994). Die Tschetschenen gingen am 21. Dezember jedoch zum Gegenangriff über. Es wurde deutlich, daß Präsident Dudajew in seiner Opposition gegen Rußland nicht von "organisierten Banden", sondern vom gesamten tschetschenischen Volk unterstützt wird.
      Der Generalangriff und die Erstürmung von Grosny begannen am 28. Dezember. Gleichzeitig verkündete Moskau die Bildung einer Oppositionellen "Regierung der nationalen Wiedergeburt" mit Salambek Chadschijew an der Spitze, die aus dem erfolglosen Provisorischen Rat (innere Opposition) hervorging. Chadschijew war Mitglied der KPdSU, bis 1991 Generaldirektor der wissenschaftlich-technischen Vereinigung "Grozneftechim" in Grosny sowie bis 1993 Volksdeputierter der RSFSR. 1991 war er Minister für chemische und Erdölprodukte der UdSSR und schloß sich der Bewegung für Demokratische Reformen (Reformkommunisten) an.
      Bis zum 1. Januar 1995 (zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Berichts) dauern die Kämpfe zwischen der russischen Armee und den tschetschenischen Regierungstruppen Dudajews unvermindert an. Die Stadt Grosny konnte noch nicht erobert werden. Ob an der Seite der Tschetschenen auch Freiwillige und Söldner (aus der Ukraine, aus dem Baltikum, Gamsahurdia-Anhänger aus Georgien, Tataren, "Graue Wölfe" aus Aserbaidschan) kämpfen, ist zur Zeit noch unklar. Fest steht nur, daß die Konföderation der Bergvölker des Kaukasus "freiwillige" Kämpfer für den Einsatz in Tschetschenien organisiert. Es könnte durchaus eine Situation entstehen, in der Tschetschenien zunächst geteilt wird: Der flache Norden käme unter russische Kontrolle, während sich im bergigen Norden die Kämpfe (Partisanenkrieg) länger hinziehen würden.
      Auswirkungen und Folgerungen
      Im Tschetschenien-Konflikt, in dem der frei gewählte Präsident eines "demokratischen" Rußlands seine eigenen "rußländischen" Staatsbürger mit Raketen beschießt und bombardiert, sind Begriffe wie Vernunft, Logik und Moral fehl am Platze. Sowohl die Anhänger Jelzins in der Russischen Föderation (damals RSFSR) als auch die Anhänger Dudajews in Tschetschenien haben die Unabhängigkeit ihres Landes erklärt und damit den Untergang des Bundesstaates UdSSR besiegelt. Während des zur Rettung der UdSSR unternommenen Putschversuchs vom August 1991 standen die Dudajew-Anhänger auf der Seite Jelzins. Die kommunistische Führung (Nomenklatura) Tschetscheniens unterstützte dagegen die Putschisten. Kaum waren Jelzin und Dudajew als Präsidenten Rußlands bzw. Tschetscheniens an der Macht, unternahm Jelzin alles, um anstelle Dudajews die alte kommunistische Führung in Tschetschenien wiedereinzusetzen. Als alle Versuche scheiterten, griff Jelzin zum Mittel der brutalen Gewalt, zur militärischen Intervention. Er berief sich auf die Rechtmäßigkeit der Gewaltanwendung, wohl wissend, daß die westlichen Demokratien keine Einwände erheben würden und niemand danach fragen würde, was für ein Recht das ist, dessen einzige Instrumente Gewalt und Stärke sind. Zwar ist sowohl in Moskau als auch im Westen von einer politischen Lösung des Tschetschenien-Konflikts die Rede, aber die Lösung eines Konfliktes, ob mit militärischen oder friedlichen Mitteln, ist immer politisch. Der Tschetschenien-Konflikt hätte, wenn Moskau dies gewollt hätte, problemlos mit friedlichen Mitteln gelöst werden können. Tschetschenien war stets bereit, im Rahmen eines Sonderstatus mit extensiver Autonomie, etwa nach dem Muster des völkerrechtlichen Abkommens zwischen Moskau und Tatarstan, im russischen Staatsverband zu bleiben. Doch Jelzin verzichtete, bewußt oder aufgrund von Fehleinschätzungen, auf eine friedliche Lösung des Konfliktes. Hätte Moskau den Konflikt friedlich beilegen wollen, hätte es die Verhandlungen mit den Tschetschenen nicht von der Position der Stärke aus und in ultimativer Sprache führen dürfen.
      Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob der Tschetschenien-Konflikt ein Problem des Völkerrechts ist. Sowohl Moskau als auch die westlichen Demokratien stellen den Konflikt als eine innere Angelegenheit Rußlands sowie in erster Linie als ein Rechtsproblem dar, wobei das "Recht" (Staats-, Verfassungs- und Völkerrecht) und damit auch die Rechtmäßigkeit der Mittel, dieses "Recht" durchzusetzen, auf der Seite Moskaus gesehen werden. Ist aber die Rechtslage so eindeutig? Die Russische Föderation (RSFSR) deklarierte am 11. Juni 1990 und die Tschetscheno-Inguschische ASSR in der RSFSR am 27. November 1990 (mit dem gleichzeitigen Austritt aus der UdSSR) ihre staatliche Souveränität. Die Tschetschenische Republik proklamierte im Oktober 1991 ihre Unabhängigkeit, noch bevor Jelzin den Austritt der RSFSR und damit den Untergang der UdSSR (Dezember 1991) vollzog. Die Tschetschenen beriefen sich dabei auf die Aufforderung Jelzins: "Nehmt soviel Souveränität, wie Ihr wollt" und das Selbstbestimmungsrecht, das die damals gültige Verfassung gewährte. Jelzin beruft sich auf Moskaus "Recht" aufgrund der neuen, erst nach der tschetschenischen Unabhängigkeitserklärung 1991 im Dezember 1993 verabschiedeten russischen Verfassung, die keinen Austritt aus der Russischen Föderation vorsieht, obwohl Tschetschenien den neuen Föderationsvertrag gar nicht unterzeichnet hat, d.h. der Russischen Föderation überhaupt nicht beigetreten ist. Vor diesem Hintergrund sollten die internationale Staatengemeinschaft und ihre Völkerrechtler die Frage prüfen: Warum dürfen die RSFSR, die Ukraine, die baltischen Staaten u.a. aus der UdSSR austreten und damit diesen Bundesstaat zerstören? Und warum darf die Tschetschenische Republik aus dem Bundesstaat Russische Föderation nicht austreten, obwohl dadurch die Staatlichkeit Rußlands nicht zerstört wird? Oder: Warum darf z.B. die Republik Slowenien problemlos aus dem Bundesstaat Jugoslawien austreten, während die territoriale Integrität der Republik Bosnien-Herzegowina durch Krieg und Aggression zerstört wird, obwohl die Staatlichkeit des Bundesstaates Jugoslawien (Serbien und Montenegro) nicht gefährdet ist?
      Im Tschetschenien-Konflikt beruft sich Moskau auf das Prinzip der territorialen Integrität und der Unverletzlichkeit der Grenzen eines Staates - und dieser Haltung haben sich die westlichen Regierungen angeschlossen -, während die Tschetschenen sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker berufen. Beide Prinzipien sind geltende Völkerrechtsnormen. Die in Nationalstaaten organisierten westeuropäischen Demokratien bevorzugen offenbar das Prinzip der territorialen Integrität. Gleichzeitig propagierten sie zu Zeiten des Kalten Krieges unentwegt in Osteuropa das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts als das höchste Gut in den internationalen Beziehungen. In Osteuropa und Eurasien, einer Region mit künstlichen Bundes- und Vielvölkerstaaten, bedeutet eine Bevorzugung des Prinzips der territorialen Integrität, unzählige Konflikte und Kriege heraufzubeschwören. Ebenso wie die baltischen Staaten hat die Tschetschenische Republik das Recht, sich auf das Prinzip der Selbstbestimmung zu berufen, unabhängig davon, wann und wie das tschetschenische Volk in das russische/sowjetische Imperium einverleibt wurde. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß Rußland die Tschetschenen kolonisiert und im Kaukasus alle möglichen Formen der Unterdrückung und des Völkermordes praktiziert hat. Niemand hat das tschetschenische Volk gefragt, ob es sich der Russischen Föderation anschließen wollte oder nicht. Wenn Präsident Jelzin sein "Recht" zur militärischen Invasion aus seiner geltenden Verfassung ableitet, dann spiegelt dies eine imperiale Machtpolitik wider. Dort, wo Vernunft, Logik und Moral versagt haben, bleibt nur das selbstgeschaffene "Recht" zum politischen Handeln. Folgt man Jelzins Argumentation, dann waren auch die europäischen Freiheitskämpfe 1848/49, der Unabhängigkeitskrieg der USA oder die Befreiungsbewegungen in den Kolonien "unrechtmäßig", weil sie alle gegen die zu ihren Zeiten geltenden Verfassungen verstießen. Eine Entkolonisierung Eurasiens steht noch aus.
      Wenn sich der Tschetschenen-Konflikt auch für Moskau (und den Westen) vorrangig als ein juristisches Problem darstellt, so handelt es sich in Wirklichkeit doch um ein macht- und sicherheitspolitisches Problem. Zwar hat Rußland die Unabhängigkeit Tschetscheniens de jure nicht anerkannt, doch hat Moskau sie drei Jahre lang de facto hingenommen. Daß es ausgerechnet jetzt zum Ausbruch von Gewalt kam, hängt nicht zuletzt mit dem erbitterten Machtkampf im Moskauer Zentrum zusammen, der nunmehr auch auf dem Schauplatz Tschetschenien ausgetragen wird. Für rassistische Kräfte in Rußland ist dieses Kaukasus-Volk, dem jedes Mittel recht ist, um einer Fremdherrschaft zu entgehen, das Feindbild Nr. 1. Für die Tschetschenen ist das Feindbild der russische imperiale Chauvinismus. Die russische Politik war seit dem Rückzug der "Goldenen Horde" der Mongolen nur auf ein einziges Ziel ausgerichtet - die ständige territoriale Erweiterung.
      Der Krieg Rußlands in Tschetschenien ist die größte Militäraktion Moskaus seit der mißglückten und erfolglosen Afghanistan-Intervention. Bei dem schmutzigen Krieg im Kaukasus, einem Gebiet, dessen Kultur den Russen völlig fremd ist und dessen Bevölkerung sich Rußland nie freiwillig angeschlossen hat, spielen nicht rechtliche Erwägungen, sondern vermeintliche sicherheitspolitische Interessen sowie das Prestigedenken einer Großmacht die Hauptrolle. Das tschetschenische Territorium (nach der Abtrennung Inguschiens nicht einmal 18.000 qkm groß) ist für die geopolitisch denkende russische Führung wegen des dortigen Erdölvorkommens, der über tschetschenisches Territorium verlaufenden Erdölpipelines sowie der Verkehrswege (Straßen, Eisenbahnen), die Rußland mit Transkaukasus verbinden, von strategischer Bedeutung. Hinzu kommt gewiß auch das Bedürfnis, im Zeichen des neu aufgebauten Feindbildes des islamischen Fundamentalismus (nach dem Verlust des alten, des Kapitalismus) keinen islamischen Staat im christlichen Europa (sei er auch noch so klein) entstehen zu lassen.
      Moskaus Kaukasus-Krieg, der auch als Ablenkungsmanöver vom Machtkampf in der russischen Führungselite oder Demonstration der Stärke verstanden werden kann, hat zweifellos Auswirkungen auf die Innenpolitik Rußlands. Er verringert die Chancen für eine Demokratisierung Rußlands und fördert die Entstehung eines autoritären Regimes. Bereits vor der militärischen Intervention in Tschetschenien hat Präsident Jelzin durch seine Dekrete, die immer häufiger gegen seine eigene Verfassung verstoßen, durch den ungesetzlichen Überfall seiner Sicherheitsgarde auf die Most-Bank bzw. die Knebelung der staatlichen Medien (Rundfunk und Fernsehen) aufgezeigt, wo für ihn die Grenzen der Demokratie zu ziehen sind. Präsident Jelzin, im Westen als Bollwerk der Demokratie betrachtet, kann den Krieg im Kaukasus als Vorwand benutzen, um seine Macht in Richtung Präsidialdiktatur auszuweiten und/oder die Präsidentschaftswahlen 1996 zu umgehen. Er kann als Handlanger antidemokratischer Kräfte weiterregieren, aber auch, innenpolitisch zunehmend isoliert, gestürzt werden. Unabhängig davon, wie der Krieg ausgeht, bringt er für Rußland nicht mehr Stabilität, sondern mehr innenpolitische Unsicherheiten.
      Fest steht, daß die Politik Jelzins von den "Falken" unter den politischen Kräften bestimmt wird. Dazu zählen u.a. Sicherheitsratssekretär Lobow, Verteidigungsminister Gratschow, Innenminister Jerin, Spionageabwehrchef Stepaschin und der Präsidenten-Bevollmächtigte in Tschetschenien, Jegorow. Im Parlament unterstützen Jelzins Tschetschenien-Krieg die Fraktion der nationalistischen Liberal-Demokratischen Partei von Schirinowskij und die Fraktion Frauen Rußlands. Die Kommunisten warfen Jelzin vor, die Verhandlungsmöglichkeiten nicht genutzt zu haben und warten im übrigen geduldig ab, bis der Präsident sich im Abnützungskampf verschlissen hat. Die Demokraten sind in der Kriegsfrage tief gespalten. Die noch in der Regierung verbliebenen Demokraten stellten sich auf die Seite Jelzins: Außenminister Kosyrew, der aus der Fraktion Wahl Rußlands austrat, der stellvertretende Ministerpräsident Schumejko, der sich vom Befürworter des politischen Dialogs zum Anhänger der militärischen Intervention wandelte, der stellvertretende Ministerpräsident und Erfinder der Konzeption der inneren Opposition in Tschetschenien, Schachrai, der neuerdings die Kriegsberichterstattung in den staatlichen Medien kontrolliert, sowie die meisten Präsidialratsmitglieder. Der Bürgermeister von St. Petersburg, Sobtschak, ein "glühender Demokrat", sprach sich sogar für die Deportation der tschetschenischen Diaspora aus den Städten Zentralrußlands aus. Die überwiegende Mehrzahl der Demokraten betrachtet Tschetschenien als Bestandteil Rußlands und die militärische Intervention als völkerrechtlich legal, lehnt sie jedoch ab, weil sie die Entstehung eines Polizeistaates in Rußland fördert. Vertreter dieses Standpunktes sind u.a. Gajdar (Wahl Rußlands), Jawlinskij (Jabloko), Borowoj (Partei der ökonomischen Freiheit), Lyssenko (Republikanische Partei), Satulin (Unternehmer-Vereinigung) und Popow (Ex-Bürgermeister von Moskau). Nur eine verschwindend geringe Zahl von Demokraten unter Führung von Sergej Kowaljow (Beauftragter für Menschenrechte der Staatsduma) tritt für das Selbstbestimmungsrecht des tschetschenischen Volkes ein. Von Präsidialratsmitglied Emil Pain werden sie als "schwärmerische Demokraten" und von Außenminister Kosyrew als "extreme Demokraten" bezeichnet.
      Eine weitere Folge der militärischen Intervention in Tschetschenien ist die offensichtliche Spaltung der ohnehin zerrütteten, demoralisierten und schlecht bezahlten russischen Armee, die letztendlich alles auszubaden hat, während sich Präsident Jelzin auf dem Höhepunkt der Krise einer Nasenoperation unterzog. Die schlecht vorbereiteten Soldaten regulärer Einheiten wissen nicht, was sie in Tschetschenien zu suchen haben, da es sich um eine "innere Angelegenheit" handelt. Rußland wird von keinem äußeren Feind bedroht. Die Tschetschenen haben keine anderen Gebiete der Föderation angegriffen. Ein Teil des Militärs steht auf Jelzins Seite, darunter Gratschow, einige Spezialeinheiten (Kantamirow-Division, Tuman-Division), die Kreml-Garde (Barschukow) und der Sicherheitsdienst (Korschakow), auf die sich der Präsident bereits bei der Erstürmung des Parlaments im Oktober 1993 stützen konnte. Ihnen gegenüber stehen die Jelzin-Gegner und -Kritiker (Lebed, Gromow), entlassene Generäle sowie nationalistische, kommunistische und demokratische Offiziersverbände wie die Bewegung "Militärs für die Demokratie". Die Spaltung des Militärs könnte dazu führen, daß Präsident Jelzin die Kontrolle über das Militär verliert.
      Dies würde heißen: Entweder übt Präsident Jelzin, gestützt auf den ihm ergebenen Teil des Militärs, seine Macht aus oder er verliert seine Macht durch einen "Aufstand" des anderen Teils der Armee. Beide Alternativen wären tödlich für die Demokratie in Rußland. Somit behielt Präsident Jelzin recht, wenn er Anfang Dezember auf dem KSZE-Gipfel in Budapest erklärte: "Es wäre zu früh, die russische Demokratie zu begraben". Sie hatte noch knapp eine Woche zu leben, bis zum 11. Dezember, dem Beginn der Tschetschenien-Invasion.
      Im Schatten des Tschetschenien-Krieges erscheint die vom demokratischen Rußland konzipierte Außen- und Sicherheitspolitik in einem anderen Licht. Ihre Grundlage ist erneut die Geopolitik, und in ihren Grundzügen greift sie auf die zaristische und sowjetische imperiale Politik zurück. Dieser Krieg kann nicht ohne weiteres als eine "innere Angelegenheit" betrachtet werden, die für die Außenpolitik von Drittstaaten ohne Belang ist.
      Wenn zur Entscheidung eines politischen Konfliktes zwischen Moskau und Tschetschenien die russische Armee eingesetzt werden kann, dann kann dies auch in Moskau (wie bereits geschehen) und in anderen Regionen der Russischen Föderation, nicht zuletzt aber auch in Ländern des "nahen Auslands", geschehen. Die destabilisierende Wirkung des Tschetschenien-Krieges auf die GUS ist aus den ängstlichen Reaktionen ihrer Mitgliedstaaten (Kasachstan, Kirgisistan) abzulesen. Georgien, dessen Staatlichkeit weitgehend vom Wohlwollen Moskaus abhängt, rechtfertigte den Einmarsch russischer Truppen in Tschetschenien damit, daß Rußland keine andere Wahl gehabt habe, um seine territoriale Integrität zu bewahren. Die Ukraine bezeichnete dagegen den russischen Militäreinsatz als Verletzung der Menschenrechte. Ohnehin ist die russische Armee bereits als GUS-Streitkraft (Tadschikistan), als Friedenstruppe (Georgien, Aserbaidschan), mit Militärstützpunkten (Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Kasachstan, Ukraine) sowie als Grenztruppe in allen GUS-Staaten des Transkaukasus und Zentralasiens präsent.
      In diesem Zusammenhang darf auch nicht vergessen werden, daß Rußland in Osteuropa - nicht zuletzt mit der erfolgreichen Verhinderung der NATO-Osterweiterung - bereits wieder in seiner alten Großmachtrolle auftritt. Im Jugoslawien-Krieg gewann Moskau als engster Verbündeter der Serben seine erste diplomatische Schlacht. Es setzte sich durch mit der Option für die Schaffung einer Konföderation zwischen Belgrad und den bosnischen Serben - als Vorstufe für ein Großserbien. Wenn man den Versuch des Umbaus der OSZE (KSZE) nach russischen Vorstellungen, die gelungene Paralysierung der Türkei im Tschetschenien-Konflikt, die Bemühungen um Aufhebung des UNO-Embargos gegen Irak und die russische Forderung nach sofortiger Revision des Vertrages über die konventionellen Streitkräfte in Europa betrachtet, ergibt sich ein abgerundetes Bild der Spannbreite einer neuen russischen Außen- und Sicherheitspolitik unter Ausnutzung der Schwächen bestehender westlicher Allianzen.
      Vor diesem Hintergrund erscheint die Position des Westens zu Rußlands Kaukasus-Krieg, d.h. seine Einstufung als "innere Angelegenheit", die die westlichen Demokratien nichts angeht, schwer verständlich. Sie ist kaum mit Vernunft, Logik und Moral, eher mit dem unpolitischen Begriff "Feigheit" zu erklären. In dem Glauben, den Kalten Krieg gewonnen zu haben, begibt sich der Westen in eine freiwillige und selbstgefällige Selbstisolation. Kein westlicher Politiker von Gewicht steht dagegen auf. Sowohl die UNO als auch NATO-Generalsekretär Willy Claes und US-Verteidigungsminister William Perry haben sich der Sprachregelung Moskaus angeschlossen, indem sie den Tschetschenien-Krieg als "innere Angelegenheit" Rußlands bezeichneten (Süddeutsche Zeitung, 16. Dezember 1994). Es ist bestenfalls ein Stimmungsumschlag im Hinblick auf die Brutalität der russischen Kriegsführung zu erwarten, nicht aber eine Änderung der westlichen Auffassung, daß die Einverleibung der Tschetschenischen Republik an sich "rechtmäßig" ist.
      Der Westen begründet sein Schweigen mit dem Argument, man wolle den Gegnern von Präsident Jelzin nicht in die Hände arbeiten. In Wirklichkeit sind es jedoch die Jelzin-Anhänger, Demokraten, liberale Kräfte und Pro-Westler, die den Krieg ablehnen, und das westliche Schweigen schwächt ihre Positionen, während es den Jelzin-Gegnern und Kriegsbefürwortern neuen Auftrieb gibt.
      Eine andere westliche Argumentation läuft auf ein Horror-Szenario hinaus: Sollte Präsident Jelzin im Kaukasus-Krieg scheitern, würde dies die Destabilisierung Rußlands mit unabsehbaren Folgen bedeuten. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mike McCurry, erklärte: "Wir sehen eine enorme Gefahr bei der Aussicht, daß die Russische Föderation aufgrund der ethnischen und regionalen Rivalitäten zerfallen könnte" (zitiert nach: BPA-Hörfunkspiegel Ausland, 15. Dezember 1994, S. 13). Es ist schwer verständlich, welche Gefahren sich ergeben könnten, wenn in einigen Gebieten der Föderation unabhängige Staaten entstehen, anstatt daß die Föderation mit bewaffneter Gewalt zusammengehalten wird.
      Tatsache bleibt: Ob Jelzin den Kaukasus-Krieg gewinnt oder nicht, dieser Krieg wird in jedem Falle destabilisierend auf die innenpolitische Situation wirken. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß eine friedliche Entlassung Tschetscheniens in die Unabhängigkeit gesetzmäßig und unweigerlich zur Kettenreaktion und zum Zerfall der Russischen Föderation geführt hätte. Vielmehr hätte eine solche Entscheidung Jelzins sowohl Rußland als auch die gesamte Region eher stabilisiert. Es hätte sich eine reelle Chance ergeben für die Entstehung eines auf echter Autonomie der nationalen und ethnischen Minderheiten beruhenden demokratischen Staatenverbandes.
      Die Behauptung, daß Moskaus Krieg in Tschetschenien eine reine innere Angelegenheit sei, die der internationalen Staatengemeinschaft nicht erlaubt, sich einzumischen, steht in eklatantem Widerspruch zum heute praktizierten internationalen Recht. Nach dieser Betrachtungsweise hat die UNO seit Jahren nichts anderes getan, als sich in innere Angelegenheiten "einzumischen" (Somalia, Angola, Mozambique, Ruanda, Kambodscha, Haiti, Bosnien u.a.). Eine solche "Einmischung" wäre auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion um so mehr angebracht, als hier die Kommunisten innerhalb eines kommunistischen Einheitsstaates willkürliche und ungerechte Verwaltungsgrenzen geschaffen haben, die nach dem Zerfall dieses Staates vom Westen allzu schnell als unverrückbare Landesgrenzen anerkannt wurden. Die Folge ist eine Unzahl von Konflikten.
      Der Krieg in Tschetschenien beweist die mangelnde Voraussicht in der westlichen Politik, die davon ausgeht, daß die Rechtsgrundlage der gegenwärtigen Weltordnung in der territorialen Unversehrtheit der bereits existierenden Staaten besteht, unabhängig davon, wie "gerecht" diese Staaten sich herausgebildet haben. Das Wesen dieses "Rechts" ist, das Bestehende zu schützen, auch dann, wenn dies nur durch Gewalt erreicht werden kann. Diese Rechtsauffassung läßt sich zwar in Westeuropa, wo die Nationalstaaten seit langem fest etabliert sind, relativ problemlos anwenden. Aber der Prozeß der Herausbildung von Nationen und ihrer Verstaatlichung ist noch lange nicht abgeschlossen. In Osteuropa und Eurasien erreichen die Völker erst jetzt die Stufe, in der sie sich zu Nationen formieren, was eine selbständigere Staatlichkeit bedingt. Daher sollte, um Konflikte zu vermeiden, in diesen Regionen dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker Vorrang gegeben werden.
      Avatar
      schrieb am 31.05.06 11:38:43
      Beitrag Nr. 2 ()
      Als zweites Posting ein Artikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit" über die Gesellschaft Rußlands im Zusammenhang mit dem betreffenden Krieg und mit einer persönlichen Anmerkung von mir im Anschluß daran:



      DIE ZEIT – 43/2004
      Das verrohte Land
      Brutalität regiert die russische Gesellschaft. In den Kasernen sterben Rekruten, aus Tschetschenien kehren Sol¬daten als gefühllose Monster zurück und terrorisieren ihre Familien. Auftragsmorde sind an der Tagesordnung. Szenen eines gnadenlosen Alltags
      Von Johannes Voswinkel
      Der schäbige Waschraum der Einheit 5599 im tschetschenischen Braguny war der letzte Ort, den der 20-jährige Wehrdienstleistende Ilja Kusnezow von der Welt sah. Am 30. Juli 2002 stellte sich ihm am Ausgang sein Sol¬datenkamerad Asis Musafarow in den Weg und schlug ihm mit voller Kraft auf die Brust, um ihm, wie es im späteren Untersuchungsbericht hieß, »seinen Willen aufzuzwingen«. Dann trat er dem am Boden Liegenden in den Magen. Um 11.15 Uhr erlitt Ilja den Kasernentod in seinem »Dienst für das Vaterland«. Wie die spätere Obduktion zeigte, starb er an inneren Verletzungen des Magens, des Herzens, des Darms, der Milz. Am Abend schärfte der Täter den anderen Soldaten ein, über die Schläge zu schweigen. Die erste offizielle Diagnose lautete auf Herzgefäßschwäche.
      Der Kommandeur der Einheit ließ keine Zeugen befragen. Der Routinefall des Todes außerhalb von Kampf¬handlungen sollte nicht noch Ärger bereiten. Wo das Holz gefällt wird, fliegen auch in Russland sprichwörtlich die Späne. Iljas Eltern erfuhren am 31. Juli in einem Telegramm vom Herztod des Sohnes. Doch einer der Sol¬daten wollte seinen Mund nicht halten. Ein Verfahren ließ sich nicht mehr umgehen. Der interne Untersuchungs¬bericht der Streitkräfte kritisierte das Fehlen von erzieherischen Maßnahmen, von Kontrolle und Disziplin in der Einheit.
      Die russischen Streitkräfte sind nicht nur von »Diebstahl und Plünderei durchsetzt«, wie selbst der Exgeneral¬stabschef Anatolij Kwaschnin beklagte. Ihre innere Führung versagt auf weitem Felde. Die Truppen verzeichne¬ten im vergangenen Jahr offiziell 674 Tote außerhalb von Kriegshandlungen. Allerdings schätzt die nichtstaatli¬che Organisation der Soldatenmütter, die sich für die Menschenrechte der Rekruten einsetzt, die tatsächliche Zahl auf das Dreifache. Offiziell wurden 216 Soldaten ermordet – in der Bundeswehr mit einem Viertel der Mannstärke gab es einen einzigen Fall. Die Zahl der Selbstmorde stieg im ersten Halbjahr 2004 um 38 Prozent auf 109. Bei ihrer Mehrzahl besteht laut Aussage der Militärstaatsanwaltschaft der Verdacht auf eine vorherge¬hende Misshandlung durch Mitdienende oder auf einen vertuschten Mord.
      Freunde stellen einen Plastikbecher mit Wodka vor den Grabstein
      »Russland hat immer gegen irgendjemanden Krieg geführt«, sagt die Juristin der Petersburger Soldatenmütter, Jelena Filonowa. »Patriotismus, so lernten wir von Kindheit an, ist die Bereitschaft zu sterben.« Die Militarisie¬rung der sowjetischen Welt begann bereits im Kindergarten, wo die Kleinen zum Tag der Sowjetarmee Kriegs¬gedichte aufsagten und mit Panzern spielten. »Der Soldat wächst heran«, hieß es. Die wehrbereite Erziehung führte über Marschübungen vor der Schuldirektion bis zum Armeedienst als dem Höhepunkt der Gleichheitsso¬zialisierung. Für viele wurde Gewalt zu einem normalen Begriff der menschlichen Beziehungen. Noch heute gilt der Wehrdienst in Russland als Lehranstalt der Männlichkeit.
      Etwa ein Drittel aller Wehrpflichtigen, zumeist die Armen vom Lande, durchläuft die »Schule des Lebens«. Der Rest ist wegen Studiums oder schlechter Gesundheit freigestellt oder hat sich bei korrupten Offizieren der Weh¬rämter losgekauft. Die russischen Streitkräfte sind wieder eine echte Bauern- und Arbeiterarmee mit bedenkli¬chem »Einberufungsmaterial«, wie die Neurekruten unter Militärbürokraten auch genannt werden. Unter den Einberufenen des vergangenen Herbstes besaß jeder Fünfte nicht mal die mittlere Bildung, jeder Zwanzigste bereits eine kriminelle Vergangenheit. Die Streitkräfte ziehen die Aggressivität der Gesellschaft ein und geben sie später wie aus einem Gewaltkraftwerk potenziert wieder ab. »Unsere Armee ist eine Schule des Überlebens«, betonen die Soldatenmütter sarkastisch. Ilja Kusnezow hat die Prüfung nicht bestanden.
      »Uns ist es künftig genommen, den Geburtstag unseres einzigen Sohnes zu feiern«, sagt seine Mutter Jelena leise. »Stattdessen werden wir bis zum Lebensende seinen Todestag begehen.« Am 30. Juli versammelt sich die Familie Kusnezow im Städtchen Wyksa südlich von Nischnij-Nowgorod. In Iljas Kinderzimmer brennt in der Ikonenecke vor einem Foto des uniformierten Rekruten eine Kerze. Die Hitze drängt durch die offenen Fenster nach innen, der Deckenventilator schnurrt rhythmisch zum Schluchzen der Frauen. »Meine Nachbarin hat wegen der vielen Drogentoten gesagt: ›Sei doch froh, dass dein Enkel wenigstens für die Heimat gestorben ist‹«, erzählt Iljas Großmutter. Gewalt erblickt sie überall. »Erst vor kurzem ist ein Mann in Wyksa von Neuntklässlern zu Tode geprügelt worden, weil er einen von ihnen ›Ziegenbock‹ schimpfte«, sagt sie und schüttelt den Kopf.
      Den toten Ilja charakterisierte der Armeebericht nachträglich als »ruhig, ausgeglichen und mit einem Gefühl für die eigene Würde«. Er hatte seinen Wehrdienst unbedingt leisten wollen, denn in der Kleinstadt ist es unüblich, sich zu drücken. Für das Freikaufen, das in der Regionshauptstadt bis zu 5.000 Dollar kostet, hätte ihm sowieso das Geld gefehlt. Der Vater konnte nicht einmal die 1.500 Dollar bezahlen, die ein Major aus Iljas Einheit for¬derte, um ihn nicht nach Tschetschenien zu schicken. Auf dem Menschenbasar der russischen Streitkräfte einig¬ten sie sich auf 300 Dollar für die Versetzung in den Sanitätsdienst. Gerettet hat es Ilja nicht.
      Mit schweren Schritten gehen Iljas Verwandte zum Kantinenrestaurant des Stadtteils, wo die Kellnerinnen Kü¬chenschürzen tragen und das Aluminiumbesteck sich auf Löffel und Gabel beschränkt. Gemeinsam mit seinen Freunden erheben sie schweigend das Wodkaglas auf den Toten. Dann fahren sie auf den angesehenen Wald¬friedhof. Zwischen Kiefern und Birken liegt Iljas Grabplatz im trockenen Sandboden. Der Großvater konnte ihn dank seiner Beziehungen zur Stadtverwaltung ergattern. Die Freunde stellen einen Plastikbecher mit Wodka vor den Grabstein. Dazu legen sie eine Scheibe Brot, etwas Reis mit Rosinen vom Kantinentisch, Bonbons und eine angezündete Zigarette. Ihr Rauch steigt in Kringeln auf. »Ilja nimmt einen Zug«, sagt ein Freund. Der Großvater, der 40 Jahre der Kommunistischen Partei diente, versteht diese Welt nicht mehr. »Früher war ein solcher Tod ein schwerwiegendes Ereignis«, sagt er, »heute ist es die Norm.«
      Zum Inbegriff des Soldatentums gehört es, Schmerz zu ertragen
      Die Gewalt in der Armee hat durch die gesellschaftlichen Umbrüche während der neunziger Jahre eine neue Stufe der Grausamkeit erreicht. In der totalitären und vor der Öffentlichkeit weitgehend abgeschotteten Kaser¬nenwelt herrschen die Dienstälteren über die jüngeren Rekruten. Die informelle Hierarchie wird allgemein »Großväterherrschaft« genannt, nur das Verteidigungsministerium besteht auf der Bezeichnung »vorschrifts¬widrige Beziehungen«. Die zweijährige Dienstzeit teilt sich in vier Halbjahre: Während der ersten beiden ist der »Geist«, »Schildkröte«, »Elefant« oder »Schnürsenkel« genannte Rekrut zur Demütigung und Folter freigege¬ben. Wenn die Dienstälteren das zivile Wertesystem aus ihm herausgeprügelt haben, kommt er in den letzten beiden Halbjahren selbst in den Genuss des Peinigens. Er heißt dann »Fasan« oder »Großvater«. Viele Offiziere finden die »Großväterherrschaft«, die an die ungeschriebenen Hierarchien in Jugendheimen und Straflagern erinnert, angenehm. Sie können in Ruhe ihrem Zweitjob nachgehen, während die »Großväter« die Disziplinie¬rung in den Kasernen garantieren. Das Gewaltsystem beruht zunehmend auch auf ethnischen Merkmalen: Vor allem muslimische Rekruten aus der Republik Dagestan terrorisieren oft die slawischen Dienstleistenden.
      Die »Großväterherrschaft« trat bereits in den sechziger Jahren in der Sowjetarmee zutage, wie Berichte von Uniformdiebstahl durch Ältere und Hooliganismus belegen. »In der Stalinzeit war der Offizier noch wie der Soldat ein Leibeigener und lebte in der Kaserne«, erzählt der Militärexperte Alexander Golz. »Aus Furcht vor Bestrafung kümmerte er sich persönlich um die Pyramide der Disziplin. Doch als die sowjetische Gesellschaft sich etwas liberalisierte, fühlten sich die Offiziere freier und gaben den Auftrag der Disziplinierung an die Sol¬daten des zweiten Dienstjahres weiter.« Bis heute fehlt den russischen Streitkräften für diese Aufgabe eine ei¬genständige Unteroffiziersklasse wie in westlichen Truppen.
      Die russische Armee hat sogar in ihrer Dienstsatzung festgeschrieben, dass der Wehrdienstleistende standhaft Belastungen und Entbehrungen zu dulden habe. Schmerz zu ertragen gehört danach zum Inbegriff des Soldaten¬tums und dient der Abhärtung für den Kampf. Heimaturlaub ist eine Seltenheit, der Sold bei karger Verpflegung eher ein Bettlerlohn. Generalleutnant Wladimir Schamanow rühmte einst seine Stoiker in Uniform: »Sie finden keinen anspruchsloseren, selbstaufopferungswilligeren und anpassungsfähigeren Krieger als den russischen.« Wie das Soldatensiechtum jenseits des mythischen Vorhangs in den Kasernen aussieht, versuchen die Militärs durch ihren Geheimhaltungskult zu verbergen.
      Nur selten gibt sich ihre PR-Einheit zugänglich, dann präsentiert sie den Rekrutensammelpunkt Schelesnodo¬roschnoje bei Moskau. »Es ist eine heilige Sache, der Heimat zu dienen«, steht auf Plakaten, auf denen markige Soldatengesichter penetrant nach oben blicken. Das Vorzeigeobjekt riecht dank der »Renovierung in europäi¬schem Standard« mehr nach Farbe als nach Schweiß. Im wehrhaften Kirchlein auf dem Kasernenhof haben die orthodoxen Priester, die sich im Kult der leidvollen Aufopferung der Armee verbunden fühlen, sogar einen ruhmreichen Flottenkommandanten gleich zur Ikone gemalt.
      Ein Oberst führt durch das Hauptgebäude vorbei an Rekruten, die mit Vier-Sterne-Höflichkeit behandelt werden. Unter seinem Arm trägt er eine rote Mappe mit der Aufschrift »Plan zum Besuch des Sammelpunktes«. Die Abwicklung der Werbetour ist Routinesache. Im Computerraum, der wie die Verkaufsausstellung eines Hi-Fi-Marktes nach frischen Plastikgehäusen riecht, testen künftige Rekruten ihre Psyche. »Ich spüre fast täglich eine Trockenheit in der Kehle«, bietet das Programm als Fangantwort an. Oder: »Ich fühle häufig eine Ermüdung vom Leben und möchte nicht mehr weiterleben.« Zur Aufheiterung des Armeeidylls treten im Theatersaal manchmal Afghanistan-Veteranen und das Tanz- und Gesangsensemble der Grenztruppen auf. »Wir machen aus demjenigen, der die Heimat verteidigt, einfach einen guten Menschen«, lobt der Oberst seine Ausbilder.
      Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Nikolaj, der als Leutnant in der Einheit Gorelowo bei Petersburg seine letzten Diensttage zählt, hat formal einen Personalbestand von 60 Soldaten unter sich. In Reih und Glied stehen meist 30 bis 35 vor ihm, wenn überhaupt. Die anderen hat er kaum gesehen. Viele von ihnen sind Offiziers¬frauen, die sich auf die Personalliste setzen ließen, um Sold zu kassieren.
      Wer als Idealist in die Armee gekommen ist, leidet am meisten
      Die Offiziere sind selten anwesend. »Der Staat gibt vor, uns zu bezahlen, und wir geben vor, ihm zu dienen«, lautet der Schnack der Einheit dazu. Sogar Offiziere, die in Moskau die Militärakademie besuchen, fahren nachts Taxi und schlafen tagsüber in den Vorlesungen. »Da gibt es eine klassische Haltung«, erzählt Nikolaj aus eige¬ner Erfahrung: »Den Stift mit einem Kaugummi auf dem Tisch befestigen, die Hand darumlegen und den Kopf schräg auf das zusammengefaltete Schiffchen auf die Schulter betten – und schlafen.«
      Der Dienst ähnelt einer absurden Komödie, wenn Inspekteure die Einheit besichtigen und die Aufstellung von Propagandawänden fordern. »Da haben wir die Wände zusammengenagelt und angestrichen«, erzählt Nikolaj. »Und bei der nächsten Inspektion befahlen sie uns, sie wieder abzubauen.« Das ziellose Soldatenleben bekämp¬fen manche mit Alkohol. Ein Wehrdienstleistender aus Nikolajs Personalbestand hat angetrunken vor vier Mo¬naten einem Rekrutenkollegen mit dem Militärstiefel eine Schramme unter das linke Augen getreten. Ein anderer brachte im vergangenen Winter für drei Euro Beute im Suff seinen Nachbarn um. »Vielleicht zehn Prozent bei uns sind als Idealisten in die Armee gekommen«, sagt Nikolaj. »Die leiden am meisten.« In seiner Einheit kam es allein im ersten Halbjahr zu fünf Verbrechen: eine Schlägerei, zwei Desertionen, ein Diebstahl und eine Be¬fehlsverweigerung. Zuweilen fährt Nikolaj wie ein Detektiv durch das Leningrader Gebiet, um die Ausreißer aufzuspüren.
      Allein in den Monaten März und April haben knapp 500 Rekruten ihre Einheiten in Russland widerrechtlich verlassen. Manche nehmen ihre Waffen mit und richten bei ihrer Flucht ein Blutbad an: Am 1. September er¬schoss ein Deserteur im Fernen Osten drei Polizisten, als sie ihn festnehmen wollten. Viele retten sich zu den Soldatenmüttern. Ihrer Organisation ist es vor allem zu verdanken, dass die innere Zerrüttung der Streitkräfte schon unter dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow zu einem öffentlichen Thema wurde. Der Ver¬such vieler Militärs, den Protest als weibliche Hysterie zu verunglimpfen, misslang. Fast jeder zweite Russe kennt die Soldatenmütter. Zwei Drittel beurteilen ihr Engagement positiv.
      In Petersburg ist den Soldatenmüttern das Türschild schon seit langem abhanden gekommen. Der frühere Stabs¬feldwebel, der über ihnen wohnt, hat es zur persönlichen Rache abgeschraubt. Manchmal, wenn er zu viel ge¬trunken hat, versucht er auch, vermeintliche Deserteure im Hauseingang in Handschellen zu legen – bis die wehrhaften Mütter dazwischengehen.
      Drinnen wirkt das Nebeneinander von Agitationsplakaten, abgeschabten Kunstledersesseln, plüschigen Hauskat¬zen und erschlafften Luftballons wie eine ortsfeste Kirchenfreizeit. Die Wand schmücken Urkunden und eine hässliche rote Solidarność-Uhr, ein Geschenk von Lech Wałęsa. Den Aachener Friedenspreis erhielten die Sol¬datenmütter Anfang September. »Das tut moralisch gut«, sagt die Vorsitzende Ella Poljakowa. Denn die Zukunft ihrer Organisation, auf deren Emblem eine Kerze in einen Tunnel hineinleuchtet, ist eher düster. Nachdem sich im Januar 2003 gleich 24 Rekruten einer Einheit der Eisenbahntruppen zu den Soldatenmüttern flüchteten, stellte Verteidigungsminister Sergej Iwanow laut die bedrohliche Frage, wer sie eigentlich finanziere. Für untergeord¬nete Beamte mag das wie der Ruf »Fass!« klingen. Eine erste Prüfung durch die Justizbehörden hat Poljakowa noch mit Verwarnungen und Drohungen überstanden.
      Mit der leisen, aber eindringlichen Stimme einer geduldigen Missionarin belehrt sie Deserteure, die sie »Läufer« nennt, mit welchen Eingaben sie ein Strafverfahren vermeiden können. »Unsere Menschen sind gewohnt, in Sklaverei zu leben«, sagt sie. »Wir möchten sie dazu bringen, die Reserven ihrer Würde für sich zu mobilisie¬ren.«
      Bisher sammeln die Soldatenmütter wie in Nischnij Nowgorod zwischen roten Aktendeckeln vor allem Doku¬mente der Entwürdigung, des Leids und der Angst. Briefe, mal in ungelenker Handschrift mit Rechtschreibfeh¬lern, mal in Schönschrift, die von den Folterpraktiken der »Großväterherrschaft« berichten: Schläge mit Stiefeln auf die Brust, mit Gürtel und Gürtelschnalle auf die Schienbeine, mit Stöcken auf die Nieren und dem Hocker auf den Kopf. Die vorsichtigen Folterer wickeln sich nasse Handtücher um die Fäuste, damit es keine Bluter¬güsse gibt. Rekruten müssen mit bloßen Händen die Toiletten putzen, Zigaretten essen und Chlorkalklösung trinken.
      Sie werden gezwungen, sich über das untere Doppelbett zu hängen, bis die Kräfte nachlassen. Sobald sie fallen, werden sie verprügelt. Die Übung heißt »das Krokodil trocknen«. Um die Nerven besonders zu kitzeln, stellen die Peiniger manchmal einen Dolch ins untere Bettzeug. Sollte der Rekrut hineinfallen, findet sich später der Vermerk »unvorsichtiger Umgang mit Waffen« im Untersuchungsbericht. Als das Opfer nach einer Prügelorgie in einer Einheit im Leningrader Oblast nur noch röchelt und blutigen Schaum spuckt, stechen ihm die »Großvä¬ter« Nadeln in die Brust und halten Feuerzeuge an die Fersen, damit es wieder zu sich kommt. Als alles nichts hilft, lassen sie den Rekruten liegen. Am Morgen ist er tot.
      Stolz kehren die Veteranen zurück und werden zu Hause nur verachtet
      Ungezählte Briefe finden sich von Eltern, die seit Monaten nichts mehr von ihrem Sohn gehört haben und denen die Einheiten eine Auskunft verweigern. Von Rekruten, die von den »Großvätern« ständig um Geld erpresst werden, ein paar Euros jeweils. »Geld gebären« heißt das im Jargon, am besten per Brief von den Eltern. Denn in einer Armee, in der mitunter das Essen für die Rekruten nicht reicht, neigen die Stärksten zur Verpflegung in Selbstorganisation.
      Dazwischen klemmt der Brief eines verzweifelten Soldaten, der beim Abschuss seines Hubschraubers in Tsche¬tschenien Verbrennungen an Kopf und Körper erlitten hat. Seine Einheit weigert sich, ihm die Teilnahme an Kampfhandlungen für eine Zusatzprämie zu bescheinigen. In einem Brief an Präsident Wladimir Putin schreibt er: »Erklären Sie mir, wozu ich überlebt habe, wenn ich von meiner Pension von 22 Euro nach meiner Heirat auch meine Frau und Mutter mitversorgen muss. Entschuldigen Sie, dass ich Sie mit solchem Kleinkram beläs¬tige, aber für mich ist dieser Kleinkram mein Leben.«
      Die Soldatenmütter haben es bei allem Ansehen schwer. Denn nach wie vor nimmt die Mehrheit der Bevölke¬rung die Armee als Kernelement des russischen Staates wahr und hält sie für wichtiger als individuelle Rechte. Der Soziologe Boris Dubin vom Analytischen Institut Jurij Lewada hat ermittelt, dass jeder fünfte Russe die Stärkung des kriegerischen Geistes in der Armee befürwortet. Diese Meinung teilen sogar viele Jugendliche. 85 Prozent sprechen sich für die Wiedereinführung der Wehrerziehung in der Schule aus. Das Offizierskorps gilt weiterhin in der Erinnerung an die sowjetischen Zeiten als gesellschaftliche Avantgarde.
      Doch die vermeintliche Vorhut ist vor allem in der russischen Militärtradition der Soldatenmissachtung gefan¬gen. »Seit drei Jahrhunderten basiert unsere Armee auf dem Einsatz von Menschenmassen«, sagt der Militärex¬perte und Publizist Alexander Golz. »Die Untertanen waren für den Staat in erster Linie als künftige Soldaten interessant. Dabei lag die Welt der Offiziere unendlich weit von der soldatischen, von den Leibeigenen und Bau¬ern in Uniform, entfernt. Aus sowjetischer Zeit kenne ich noch den Spruch: Soldaten sind der Mist, auf dem die Karriere der Offiziere gedeiht.« Das Sprungbrett der vergangenen zehn Jahre, die Tschetschenien-Kriege, hat mehr als 100.000 Soldaten das Leben oder die Gesundheit gekostet. Die Zahl der Uniformierten, die den seit 1999 andauernden zweiten Krieg durchliefen, schätzt Golz auf bis zu eine Million. Sie sind in ihre Heimat zu¬rückgekehrt und haben Gewalt und Verbitterung mitgebracht.
      Der Lenin-Palast in Nischnij Nowgorod sieht reif aus für die Abrissbirne. Von den Wänden des Stalinschen Kolosses, der früher wie eine Burg die sozialistische Kultur in sich aufnahm, fällt der Putz gleich in Brocken herab. Quer zugenagelte Türen versperren Aufgänge über morsche Treppen, und in staubblinden Scheiben fehlen Glaszacken. Hier verschanzen sich Veteranen des Tschetschenien-Krieges in einem modrigen Mietzimmer hinter bunkerdicken Wänden, spielen Backgammon, trinken Pulverkaffee und rauchen in steifen, fahrigen Bewegungen ihre Zigaretten. Es ist ihr Bollwerk gegen die russische Gesellschaft. »Da draußen«, sagt Andrej und schaut durch das Fenster wie durch eine Schießscharte, »versteht uns keiner.«
      Allein im Gebiet von Nischnij Nowgorod leben zwischen 20.000 und 25.000 Tschetschenien-Kämpfer. Etwa 800 haben sich in diesem Verein zusammengefunden, in der Solidarität der Verlierer. »Wir kommen aus dem Krieg zurück und stellen fest, dass die anderen in der Zwischenzeit Karriere gemacht und eine Familie gegründet haben«, erzählt einer von ihnen. »Dort haben wir gekämpft, und hier wurden wir bestohlen.« Viele Veteranen kehren im Hochgefühl des Heldentums zurück – ins Nichts. Sie haben keine Ausbildung und werden häufig nicht mal von Sicherheitsfirmen als Wächter angestellt, wie es früher den meisten Afghanistan-Kämpfern mög¬lich war. »Wir können nur Töten und In-die-Luft-jagen«, sagt Andrej. »Kaum hört ein Arbeitgeber das Wort Tschetschenien, denkt er, ich müsse einen Knacks im Hirn davongetragen haben.« Viele Veteranen werden von ihren Vorgesetzten um Tagesgelder für Kampfeinsätze, die ihnen zuständen, betrogen. Die Regeln des friedli¬chen Lebens verstehen sie nicht. Die Gesellschaft wiederum missachtet sie als ihr lebendes schlechtes Gewissen eines verdrängten Krieges.
      Viele Veteranen empfinden die Reform der Sozialgesetzgebung zum nächsten Jahr als eine weitere Demütigung durch den Staat. Sie verlieren Anrechte auf eine Wohnung, kostenlose Medizin und freie Fahrt im Bus oder der Metro. Dabei stand schon jetzt einiges davon nur auf dem Papier. »Einer von uns kam ohne Beine zurück«, er¬zählt Andrej. »Der lebte wie im Rinnstein, in einem Wohnheimzimmer, und trank sich zu Tode.« Wer immerzu erlebt, dass seine Gesundheit nichts wert ist, der hat auch kaum mehr Respekt vor dem eigenen Leben. »Sieben Jahre lang stand er auf der Anwärterliste für eine Wohnung«, fährt Andrej fort. »Wir haben ihn selbst ins Grab gelegt. Die Grube mussten wir ihm besorgen.« Seine Staatswohnung hat er nie gesehen.
      Einige rutschen in die Kriminalität ab. Sie neigen zu Affekthandlungen. »Manchmal würde ich am liebsten ein Maschinengewehr nehmen und den ganzen Markt mit den kaukasischen Händlern ummähen«, gibt der frühere Scharfschütze Nikolaj zu. »Gegen die haben wir gekämpft, und sie verdienen sich hier dumm und dämlich.« Einer der Veteranen hat vor kurzem seine Frau umgebracht, einfach so, während die Verwandten im Nebenzim¬mer schliefen. »Uns haben sie damals die Bremsen gelöst, und jetzt baut uns keiner neue ein«, sagt Nikolaj. In einer Holzschachtel mit eingeschnitzter Blumenverzierung sammelt er Geld für alle, die einsitzen. Briefe schrei¬ben sie den Jungs in die Straflager als »Faden zum Überleben«.
      Die Mordrate in Russland liegt um ein Vielfaches höher als in westeuropäischen Ländern. Das Bundeskriminal¬amt zählte in Deutschland im vergangenen Jahr 2.541 Fälle von Mord und Totschlag. In Russland mit der dop¬pelten Bevölkerungszahl waren es 31.630. Die Zahl der Auftragsmorde steigt wieder. Die »feuchte Sache«, wie es im kriminellen Jargon heißt, gehört weiterhin zum Geschäftsgebaren mancher »Bisnessmeny«. Ein Moskauer Kriminalexperte schätzt, dass jährlich mindestens 500 bis 700 Menschen wegen kommerzieller oder krimineller Auseinandersetzungen umgebracht werden. Der Auftragsmord liegt zuweilen näher als ein Gerichtsstreit, der vielen wie eine sinnlose Auktion mit dem Zuschlag für den Zahlungskräftigeren erscheint. Potenzielle Mörder finden sich unter Exkämpfern von Spezialeinheiten, denen das schnelle Töten einziger Lebensinhalt war. Der Preis reicht von ein paar hundert bis zu ein paar hunderttausend Dollar.
      In vielen Familien gedeiht die Gewalt über Generationen hinweg
      Eine psychologische Behandlung zum Enttraumatisieren nach dem Tschetschenien-Einsatz erhält fast keiner der Rückkehrer. In der Region von Nischnij Nowgorod, erzählt ein Psychologe, komme ein Militärpsychiater auf 18.000 Soldaten. Zudem gilt es in Russland als ungewöhnlich und schändlich, sich in Behandlung zu begeben. Die wenigen Integrationsprogramme, die heimkehrende Militärs über ihre Rechte informieren und psychologi¬sche Hilfe anbieten, werden eher von ausländischen Stiftungen finanziert. »40 Prozent der Kriegsteilnehmer tragen nach unserer Erfahrung posttraumatische Störungen davon: Gereiztheit, starke Ermüdung, Depression«, resümiert die Psychologin Schanetta Agejewa. »Wer länger als sechs Monate in Tschetschenien war, hat eine ganz schlechte Prognose.« Eigentlich müsste sogar die Familie mitbehandelt werden. »Da wartet die Ehefrau sehnsüchtig unter großer Nervenlast auf ihren Mann«, erzählt Agejewa. »Doch der ist ein ganz anderer gewor¬den. Aus der Enttäuschung und Entfremdung entstehen tiefe Konflikte und Aggressionen.«
      So breitet sich die Gewalt von der Armee in die Gesellschaft aus. Die Schläge und das physische Herrschafts¬system werden dank der »Schule der Nation« zum allgemeinen Modell, zu dem viele Rückkehrer auch im zivilen Leben neigen. 14.000 Frauen sterben nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen in Russland jährlich bei häuslichen Gewalttaten. Jeden Tag erleiden 36.000 Frauen Schläge von ihren Ehemännern oder Partnern. Fast jede fünfte Frau wird regelmäßig misshandelt oder sexuell genötigt. Auslöser ist oft der lebenserleichternde Alkohol. Wenn kein Wodka zur Hand ist, werden auch Eau de Cologne, Bremsflüssigkeit oder Wanzenvernich¬tungsmittel getrunken.
      Viele Polizisten halten den »Schmorpfannenstreit«, wie sie häusliche Gewalt oft verspotten, für eine Privatsache, zumal sie sich ungern die Revierstatistik verderben lassen. Sie unterstellen, dass die Anschuldigungen der Frauen konstruiert sind oder schieben den Opfern die Schuld zu. »Er hat dich verprügelt, nun vertragt euch wie¬der«, heißt es oft in einem Land, das sogar im Sprichwort die männlichen Schläge für Liebesbeweise hält. Schon der Domostroj, das Lehrbuch für die wahre Hausordnung aus dem 17. Jahrhundert, schrieb vor, dass die Männer in der Familie schlagen und die Kinder ihre Eltern fürchten müssen.
      Die meisten der Frauen sind von ihren Männern finanziell abhängig. Zudem hält sie der soziale Druck lange Zeit in der Familie, denn wenn sie als Verheiratete mit Kindern ihren Status verlieren, haben sie nach landläufiger Meinung als Mutter und Frau versagt. Viele ziehen es vor, still zu leiden, und halten Opferbereitschaft für die Erfüllung ihrer Frauenrolle. Wenn sie sich letztlich von ihrem Mann trennen, beginnt oft erst das Martyrium. Hilfe finden sie am ehesten bei wenigen nichtstaatlichen Frauenorganisationen. Die Rechtsprechung ist unausge¬reift, die Wohnungssuche fast aussichtslos. In der Zwölf-Millionen-Stadt Moskau gibt es kein einziges Frauen¬haus – insgesamt sind es in Russland etwa zwölf.
      Gewalt in der Familie ist noch immer ein Tabuthema. Ehefrauen sprechen kaum darüber. Walentina Lotz schreitet als Jungunternehmerin so selbstständig durchs Leben, dass die 23-Jährige den Mut fand, sich von ihrem Freund zu trennen und davon zu erzählen. Er hat als Polizist für Spezialeinsätze in Tschetschenien gekämpft, ohne ihr jemals Genaues davon zu erzählen. »Ich bin durch diesen Dreck gegangen«, sagte er einmal, »und will dich davor schützen.« Nachdem er zurückgekehrt war, schien es ihm, als wollte ihm keiner mehr die Hand ge¬ben. Von den versprochenen Rehabilitierungskursen war keine Rede mehr. Einmal schrieb er Walentina in ihr Tagebuch: »Ich bin nicht schuld, dass ich in diesen Krieg gezogen bin und für diesen Staat getötet habe. Warum putzt ihr eure Füße an uns ab?«
      Immer häufiger verdächtigte er Walentina ohne Grund der Untreue. »Dahinter steckte eine immense Angst vor dem möglichen Verlust«, erzählt Walentina. »Er hat wie viele Kriegsheimkehrer ein tiefes Misstrauen und die¬sen Scannerblick, mit dem er jeden sofort einzuschätzen versucht. Er kennt nur Freund oder Feind. Es gab Grenzsituationen, in denen er explodierte und sich später oft nicht mehr erinnern konnte.« Eines Nachts macht er ihr eine Szene. Sie bekommt Angst, zumal er seine Dienstwaffe zu Hause hat. Als sie die Wohnung verlassen will, versucht er, ihr Handschellen anzulegen. Sie fällt hin und schlägt mit dem Kopf gegen die Wand. Da lässt er von ihr ab. Sie durchwacht furchtsam die Nacht und läuft am nächsten Morgen davon. »Wenn ein Mann ein¬mal seine Hand gegen mich erhebt, gehe ich«, sagt Walentina. Als ihr Freund mit dem vermeintlichen Neben¬buhler, dem Direktor ihrer damaligen Firma, abrechnen will, nehmen ihm seine Dienstkollegen rechtzeitig die Pistole weg. Später verpflichtet er sich erneut für Tschetschenien – als Lösung der Heimatprobleme.
      In vielen Familien gedeiht die Gewalt über Generationen hinweg. Nach Erkenntnissen des Moskauer Zentrums für Toleranz neigen 90 Prozent der Kinder aus gewalttätigen Familien selbst zur Brutalität. Verprügeln, Essens¬entzug und Hausverbot gehören zum Strafrepertoire fast jeder zweiten Familie. Die Zahl der Eltern, denen das Sorgerecht für ihre Kinder abgesprochen wurde, hat sich seit 1996 vervierfacht. »Wir fangen erst an zu verste¬hen, dass ein Kind nicht mit Schreien und Schlagen zu erziehen ist«, sagt die Psychologin Olga Nedosekina von Ärzte ohne Grenzen. Zwei Millionen Kinder werden in Russland jährlich Opfer verschiedener Formen häusli¬cher Gewalt. 2.000 sterben, 50.000 laufen davon.
      Verhaftete werden bis zur Ohnmacht gewürgt oder scheinexekutiert
      Die belgische Sektion der Ärzte ohne Grenzen versucht seit einem Jahr, Moskauer Straßenkindern zu helfen. Ihre Psychologenteams, je ein Mann und eine Frau, besuchen als mobiles Ersatzelternpaar regelmäßig die Bahn¬höfe, Unterführungen in der Nähe des Roten Platzes und die Umgebung von McDonald’s-Filialen, wo die Kin¬der betteln oder Jobs suchen. Mehr als 500 zumeist 14- bis 17-Jährigen haben sie bisher mit Tipps zu Essensaus¬gaben, Kleiderkammern und der Rückkehr nach Hause zu helfen versucht. »Wir sind ein Vorposten der Gesell¬schaft«, sagt Nedosekina, »und hören ihnen vor allem zu, weil es sonst keiner tut.«
      Nach manchen Schätzungen leben gegenwärtig mehr Kinder auf der Straße als nach dem Bürgerkrieg in den zwanziger Jahren. In Moskau sind es vermutlich mehrere Zehntausend. Die meisten Ausreißer kommen aus den Regionen. Manche von ihnen haben nur ein, zwei Klassen in der Dorfschule besucht. Sie laufen weg vor den Schlägen der Eltern, vor dem Hunger, wenn sich im heimischen Kühlschrank nur noch Wodka findet, und vor dem Vater, der sie zwingen will mitzutrinken. »Die Eltern haben oft eine geringe Bildung und fühlen sich seit dem Ende der Sowjetunion ins Nichts geworfen«, resümiert Nedosekina.
      Wie ihre Eltern, die sich langsam zu Tode trinken, neigen auch die Kinder zur Aggression gegen sich selbst. »Viele haben die Arme voller vernarbter Wunden, die sie sich in die Haut schneiden«, erzählt Nedosekina. »Der Staat, der bei uns eine so große und schreckliche Maschine ist, hilft ihnen nicht. Er sieht das Kind noch immer als Objekt an, das ihm gehört, und nicht als Persönlichkeit.« Einen Großteil seiner sozialen Verantwortung lädt der Staat bei der Polizei ab. Sie soll die Straßenkinder fangen, um sie in Heime oder zurück in ihre Trinkerfami¬lien zu bringen.
      Doch die Polizei ist selbst zur Brutstätte der Gewalt geworden. Viele Offiziere der Streitkräfte beenden ihre Uniformkarriere als Polizist. In der Region von Nischnij Nowgorod haben etwa 70 Prozent der Polizisten früher in Tschetschenien gedient. Manche Heimkehrer neigen zur Gewalt als Problemlösung oder Verhörmethode. Gegenüber dem Analytischen Zentrum Jurij Lewada gab jeder vierte Russe an, physische Gewalt durch Polizis¬ten erlitten zu haben. »Bei einer Umfrage unter 620 Rettungsärzten und Krankenhausmitarbeitern in der Notauf¬nahme haben 50 Prozent der Befragten gesagt, dass die Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam weit verbreitet oder gar übliche Praxis sei«, resümiert der Soziologe Dubin. Die polizeiliche Gewalt trifft am häu¬figsten Betrunkene, die zudem oft ohne Geld im Portemonnaie wieder zu sich kommen. Polizisten schlagen am ehesten bei der Festnahme zu, aber auch, um Geständnisse zu erzwingen.
      Menschenrechtler haben im Lauf der letzten Jahre klassische Verhörmethoden russischer Polizisten dokumen¬tiert. Dem Beschuldigten wird im Schneidersitz der Kopf zu den Füßen heruntergedrückt. Dann stellt einer der Beamten einen Stuhl auf seinen Rücken und setzt sich für eine bis zwei Stunden drauf. Andere Verhaftete wer¬den bis zur Ohnmacht gewürgt oder scheinexekutiert. Beliebt ist die Drohung, wie bei den »Tschechi«, den Tschetschenen, zu foltern. Polizisten setzen dem Opfer eine Gasmaske auf und drehen die Luftzufuhr ab oder klemmen für Elektroschocks Elektroden an die Ohrläppchen. »Anruf für Putin« nennen sie das.
      In den vergangenen Monaten haben sich Moskauer U-Bahn-Polizisten in besonders spektakulären Fällen durch Brutalität ausgezeichnet. Anfang August schoss ein Beamter einem tadschikischen Schwarzfahrer ohne Vorwar¬nung in den Mund. Zwei Monate zuvor hatte ein Polizist einen 27 Jahre alten Betrunkenen zu Tode geprügelt. Ende Juli schlugen drei Polizisten auf einen tatarischen Gastarbeiter ein, da er keine ausreichenden Personalpa¬piere bei sich hatte. Ein Arzt stellte später innere Blutungen und schwere Blutergüsse fest. Das Opfer starb noch am selben Tag. In Moskau hat jeder fünfte Polizist in Tschetschenien gedient.
      Die russische Gesellschaft hat sich an die Gewalt des Terrors, der Polizeiübergriffe und des schleichenden Krie¬ges in Tschetschenien gewöhnt. Der Soziologe Dubin nennt es die besondere Schizophrenie der Menschen, dass viele aus Furcht vor der Gewalt diese im Einsatz zugunsten der Ordnung besonders begrüßen. »Zwischen 15 und 25 Prozent der Befragten sagen, dass die Polizei bei einem des Autodiebstahls oder des Drogenhandels Ver¬dächtigen Gewalt bis hin zum Schlagen oder zu Elektroschocks anwenden darf«, stellt Dubin fest. »Typisch ist, dass sich der Einzelne bei solchen Überlegungen nicht einschließt«, erklärt er. »Als Folge des sowjetischen tota¬litären Systems nehmen die meisten eine Position der Distanz und Passivität ein. Es gibt so gut wie kein gesell¬schaftliches Engagement.« Dem Gefühl der Schutzlosigkeit steht die Erkenntnis gegenüber, dass man sich nur an die Polizei um Hilfe wenden kann. Das zerrüttet weiter das Selbstwertgefühl.
      Als Gegenreaktion schreitet die Militarisierung der Gesellschaft voran. Ein Gesetzentwurf für die obligatorische Wehrerziehung in der Schule, die nach den Worten Putins »nicht schadet«, liegt bereits im Parlament. Einer der Abgeordneten begrüßte ihn mit den Worten: »Die Jungen sollen lernen, mit der Waffe umzugehen, und sich an die Geräusche des Gefechtslärms gewöhnen.« Bei der Begeisterung für das juvenile Zerlegen einer Kalaschni¬kow stört kaum der Tod eines Studenten, der bei einer militärpatriotischen Übung in Rjasan umkippte. Oder der Tod eines 16-Jährigen, der beim Geländelauf im freiwilligen Wehrlager im sibirischen Chanti Mansisk in seiner Gasmaske erstickte. Die verantwortlichen Offiziere erlaubten zu lang nicht das Abnehmen der Maske, medizini¬sche Hilfe fehlte. Der Chef der örtlichen Erziehungsbehörde will dennoch nicht auf die mehrtägigen Wehrlager verzichten. »Das ist unsere Visitenkarte«, sagte er. Der Gouverneur von Chanti Mansisk ist Wochen nach dem Tod des Jungen dafür ausgezeichnet worden, dass seine Region bei der Militärerziehung führend sei.
      Nach einem mehr als zehnjährigen Ringen haben verschiedene nichtstaatliche Organisationen dem russischen Staat immerhin erstmals ein Zivildienstgesetz abtrotzen können. Doch der Lobby des Verteidigungsministeriums ist es im Abnützungskrieg an der Parlamentsfront gelungen, die Alternative zur Bestrafung zu machen: Eine Gewissensprüfung und bis zu 42 statt 24 Monate Dienstzeit erwartet die Verweigerer. Zum Frühjahr gingen gerade 1500 Anträge ein.
      Die Reform der Streitkräfte – beendet, bevor sie begonnen wurde
      Die Militärs im Verteidigungsministerium fürchten jede Reform, vor allem den Übergang zu einer Berufsarmee. Viele stellen sich noch immer jeden militärischen Konflikt als eine riesige Panzerschlacht in der Ebene vor und setzen unverdrossen auf die Massenarmee, der nach einer verbreiteten Anekdote auch Stalins Marschall Georgij Schukow das Wort redete: »Was bedauert ihr die Soldaten? Sogar unsere Großmütter gebären doch noch.« Dem Journalisten Golz haben Offiziere im Tschetschenien-Krieg zugestanden, dass es mit den 18jährigen Burschen leichter sei. »Die verstehen noch gar nicht, was der Tod ist, und führen aus Angst vor dem Kommandierenden jeden beliebigen Befehl aus«, sagt Golz.
      Andere nutzen die Armee als Selbstbedienungsladen. Der Rechnungshof stellt Jahr für Jahr Betrugsdelikte in Millionenhöhe fest, und viele der Finanzströme sind besser camoufliert als die Stellungen im Manöver. Allein der Korruptionsmarkt des Freikaufs vom Wehrdienst wird pro Jahr auf 600 bis 800 Millionen Dollar geschätzt. Offiziere schicken ihre Rekruten als kostenlose Arbeitskräfte auf die Baustelle ihrer eigenen Datscha oder ver¬scherbeln sie zu Hilfsarbeiten in Fabriken und Landwirtschaftsbetrieben. »Die Armee dient nicht der Abwehr eines potenziellen Gegners, sondern den Eigeninteressen der Offiziere«, resümiert Golz.
      An den im November 2001 von der Regierung verabschiedeten Plan zur Abschaffung der Wehrpflicht kann sich heute nicht mal mehr Verteidigungsminister Iwanow erinnern. Er hat im Januar die fundamentale Reformierung der Streitkräfte für abgeschlossen erklärt, bevor sie richtig anfing. Die Modernisierung Russlands in den Streit¬kräften ist vorerst gescheitert. Das Leiden in den Kasernen und daheim in den Wohnzimmern geht weiter.
      Nach dem Friedhofsbesuch an Ilja Kusnezows Todestag betrachten seine Eltern zu Hause ein Gedenkbuch für die knapp 50 Armeetoten, die es im Städtchen Wyksa zu beklagen gibt; ein Buch, das die Soldatenmütter zum Unwillen mancher Militärs herausgegeben haben. Neben den Helden der Afghanistan-Invasion zeigt das Ge¬denkbuch auch die ausdruckslosen Gesichter auf schwarz-weißen Dienstfotos von Tschetschenien-Kämpfern und verunglückten Soldaten, über die sonst lieber geschwiegen wird. Das Gedenkbuch gibt den Eltern, was ih¬nen von staatlicher Seite vorenthalten wird: Anteilnahme.
      Denn der Prozess gegen Iljas Einheit über eine moralische Entschädigung platzte vor einem Jahr im 2.000 Kilo¬meter entfernten Wladikawkas, da der Täter nach dem Ende seines Wehrdienstes angeblich unauffindbar war. Iljas Eltern, die sich die weite Reise nicht leisten konnten, erfuhren das erst mit Hilfe der Soldatenmütter aus Nischnij Nowgorod. Nun versuchen sie, die Militärstaatsanwälte zu einer Fahndung zu animieren. Doch oftmals logieren Richter und Staatsanwälte im selben Haus der Garnison, nicht weit vom Kommandeurssitz. Mancher Prozess verläuft da wie ein Männerkränzchen in Uniform. Die trauernden Eltern sind mit der undurchschaubaren Justiz überfordert. Ein Anwalt bleibt für sie unerschwinglich. »Solange wir keinen normalen Staat haben«, sagt Iljas Tante, »bekommen wir auch keine anständige Armee.«

      Private Anmerkungen:
      Mich hat man mal im Oktober 2004 nach meiner Position bei der Bekämpfung des Terrorismus gefragt. Ich hatte mir damals bei der Antwort ziemlich viel Arbeit gemacht und muss bei einem Blick in die Papiere von russischen Menschenrechtsorganisationen feststellen, dass sie immer noch ziemlich aktuell ist, weshalb sie vielleicht auch für die Leser hier noch interessant ist:
      Ich werde versuchen, meine Meinung am Beispiel von verschiedenen realen Personen aus dem Kriegsverlauf in Tschetschenien zu erklären, denn die Entwicklung dieses Krieges ist von solcher Art, dass man dazu keine leicht erklärbare Position haben kann.
      Unter den Präsidenten Dudajew und Maschadow (gesprochen: Mas-chadow) während der kurzen tschetschenischen Unabhängigkeit hätte ich gesagt, dass da weit und breit kein Terrorismus war. In den letzten 10 Jahren hatte sich der Tschetschenienkrieg aber ähnlich entwickelt wie der 30jährige Krieg und seit ca. 5 Jahren finden die Russen plötzlich unter den von ihnen getöteten Rebellen Leute mit jordanischen, saudischen, türkischen und sogar deutschen Personalausweisen, deren deutsche Inhaber dann manchmal Namen haben wie Mehmet Kutlutürk. Das ist schon etwas seltsam für einen Krieg im so genannten "russischen" Kaukasus.
      Ehrlich gesagt, würde ich ja sehr gerne behaupten können, dass in Tschetschenien ausschließlich heldenhafte, ehrbare Rebellen für ihre Freiheit gegen das böse, böse alte Sowjetimperium kämpfen, aber so ist es leider nicht, sondern es ist in den letzten 10 Jahren alles viel schrecklicher und miteinander verwobener geworden, als wir uns in Deutschland alles vorstellen können.
      Wenn wir uns mal ganz groß zurückerinnern, begannen die Unabhängigkeitsforderungen der Tschetschenen vor knapp über 13 Jahren unter ihrem damaligen Präsidenten Dudajew, der witzigerweise bis ca. 1988 auch ein ziemlich erfahrener und mit viel Ordenslametta dekorierter General der sowjetischen Armee gewesen war. Er war innerhalb der Sowjetunion bekannt geworden, weil er Militärdistrikt-Kommandeur in Estland und Lettland gewesen war und zwischen 1988 und 1990 mehrfach Befehle seiner russischen Vorgesetzten verweigert und bewusst verbummelt hatte, die dortigen baltischen Unabhängigkeits-Demonstrationen mit seinen Truppen niederzuschlagen. Gorbatschow soll übrigens von dieser Auseinandersetzung innerhalb des sowjetischen Militärs über das Baltikum nichts gewußt haben.
      General Dudajew wurde daraufhin aus dem Dienst entlassen und ging zusammen mit tschetschenischen Piloten aus der sowjetischen Luftwaffe in die Heimat zurück, wo er bei den nächsten Wahlen wegen seiner Taten im Baltikum schnell Präsident wurde.
      Ab da wird es kompliziert, denn nachdem die baltischen Staaten ihre Unabhängigkeit wieder erreicht hatten, sah er keinen Grund mehr, dies nicht auch für Tschetschenien zu fordern und begründete dies mit seiner eigenen Familiengeschichte:
      Dudajews Vater war bereits Soldat in der sowjetischen Armee, noch überzeugt von den ach so schönen Idealen des internationalen Leninismus und Stalinismus und angeblich am Ende des Zweiten Weltkriegs an der Erstürmung Berlins beteiligt, mußte aber bei seiner Rückkehr als Held der Sowjetarmee in die Sowjetunion feststellen, dass inzwischen seine ganze Familie zusammen mit dem ganzen Volk wegen angeblicher Kollaboration mit dem deutschen Feind (und den Wolgadeutschen) nach Sibirien verbannt worden war, was ihn einigermaßen verbittert hat. Wenn man die aus demselben Grund deportierten Völker der (moslemischen) Krim-Tataren, Inguschen, Tschetschenen und (weitgehend buddhistischen) Kalmücken zusammenrechnet, müssen dabei mindestens ein bis zwei Millionen Menschen ab Ende 1944 deportiert worden sein, wovon über ein Viertel (250.000 bis 500.000) in Sibirien ums Leben kam. Die meisten sind in den 40er und 50er Jahren schlicht und einfach verhungert. Erst unter Chruschtschow wurden sie nach und nach rehabilitiert, durften aber erst ab Anfang der 70er Jahre in ihre alte Heimat zurückkehren.
      Der spätere Präsident Dudajew kam jedenfalls am Verbannungsort seiner Familie in Sibirien zur Welt und sah seine beste Gelegenheit, dem Elend zu entkommen, indem er selbst Soldat der sowjetischen Armee wurde, wo er sich bis zum Luftwaffen-General im Baltikum hochdiente, wo er noch heute für seine damalige Untätigkeit gegenüber den Balten wirklich verehrt wird.
      Bei seinen eigenen Unabhängigkeitsforderungen für Tschetschenien wurde er um 1994 von der nun russischen Armee unterschätzt und man rechnete im russischen Generalstab mit einem kleinen Aufstand von ein paar Halbwilden, die man schnell erledigen konnte. Dummerweise verfügten Dudajews Leute aber noch über ein paar MiG-Kampfflugzeuge, die den angreifenden russischen Truppen schwere Verluste beibrachten und erst nach zwei Tagen durch russische Flächenbombardements über tschetschenischen Flughäfen ausgeschaltet werden konnten. Dummerweise kamen schon dabei Hunderte von tschetschenischen Zivilisten ums Leben und ab da war es ein richtiger Volkskrieg, in den sich nun auch kriminelle Familien-Clans der traditionellen tschetschenischen und inguschischen Clan-Gesellschaft mit Geiselnahmen und Schmuggel aller denkbar kriegswichtigen Güter einmischten. Bei einem der späteren russischen Flächenbombardements kam Dudajew mitsamt seiner Familie ums Leben, was den Krieg aber so ähnlich verschlimmerte wie der Mord an Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg. Der Krieg war nach zwei weiteren Jahren für Rußland so verlustreich, dass es unter dem Druck des damaligen russischen Generals Lebed zu Friedensverhandlungen kam, in denen die Tschetschenen tatsächlich ihre Unabhängigkeit auf dem Papier erreichten. General Lebed war trotz seines Mopsgesichts für die Russen in den 90er Jahren ein echter Volksheld, weil er Konflikte wie den Krieg zwischen Moldawien und Transnistrien 1992 mit relativ wenig Toten weitgehend auf Verhandlungswege zu lösen verstand und solche Sachen sagte wie: "Kein Landstrich, in dem nur ein paar Dutzend Russen wohnen, ist es wert, dafür Tausende von jungen russischen Soldaten zu opfern."
      Oder er sagte Sachen wie: "An dem Krieg in Tschetschenien profitieren auch zu viele russische kriminelle Bisiness-Mjeni in Nadelstreifanzügen in den neuen Chefetagen oder die Irren von Schirinowski mit, als dass er wirklich ein Krieg für einen General wie einen von meiner Sorte wäre."
      Lebed handelte mit Dudajews Nachfolgern als Befehlshaber der Tschetschenen, Jandarbijew und Maschadow, im August 1996 einen Frieden aus, der dem Land tatsächlich für ca. 1 Jahr die Unabhängigkeit brachte, was aber sehr vielen Leuten nicht gefiel, beispielsweise den Clan-Warlords unter Maschadow, die nur ab und zu kontrollierbar waren und denen in dem zerstörten Land ihre schönsten Einnahmen durch den Petro-Schmuggel und die Kontrolle über andere einträgliche Dinge wie Geiselnahmen von russischen Soldaten fehlten, die von ihren Angehörigen freigekauft werden sollten. Auf der russischen Seite stieg natürlich bei den Öl-Konzernen wie Gazprom die Angst, die Beteiligung an Ölfeldern am Kaspischen Meer zu verlieren, wenn da jetzt Pipelines plötzlich durch unabhängig werdende Kleinstaaten laufen müßten, die so aussehen wie Tschetschenien. Nachdem Lebed, der auch noch Präsidentschaftskandidat werden wollte, auch das gesagt hatte, wurde er von Jelzin zum Gouverneur im fernen Sibirien ernannt und weggelobt. Dort sind dann Lebed und komischerweise auch alle seine Vertrauten bis 1998 ausschließlich bei ganz friedlichen Hubschrauberabstürzen ums Leben gekommen. Hubschrauberabstürze gelten in Sibirien seitdem als ziemlich natürliche Todesursache.
      Die Kriminalität im schon weitgehend zerstörten Tschetschenien ging in der Unabhängigkeit wirklich munter voran, aber es herrschte immerhin halbwegs Frieden bis zum sogenannten russischen Wahlkampf nach dem Abgang von Jelzin. Da gab es dann plötzlich Bombenanschläge auf Wohnblöcke in russischen Städten mit Hunderten von Toten, die natürlich den Tschetschenen zugeschrieben wurden, obwohl den meisten Journalisten komischerweise bis heute die Beweise fehlen. Meines Wissens ist auch nie ein identifizierter Schuldiger für diese komischen Anschläge festgenommen, geschweige denn verurteilt worden.
      Auf alle Fälle boten diese Anschläge unserem russischen Freund Putin, der in seiner Zeit beim KGB in der DDR so gut Deutsch gelernt hatte, die Möglichkeit, sich im Wahlkampf als harter Mann für Recht und Ordnung zu profilieren und die Bombenanschläge als Begründung für den zweiten Tschetschenienkrieg zu nehmen, der von Tschetschenien nicht mehr viel übrig gelassen hat.
      Dazu kamen seit 1999 interessante neue Mordtechniken auf beiden Seiten auf, die sehr stark an Grimmelshausens Geschichten aus dem 30jährigen Krieg bei uns erinnern und von u.a. denen die russischen Menschenrechtsorganisationen behaupten, sie könnten tatsächlich durch ausländische Söldner der Tschetschenen aus dem arabischen und afghanischen Raum eingeführt worden sein. Dummerweise sind einige dieser islamistischen Verrückten aus Arabien aber tatsächlich tschetschenischer Abstammung, denn ganze Dorfgemeinschaften waren schon in den fünf bis sieben früheren Tschetschenienkriegen zur Zarenzeit und später unter Stalin durch den Kaukasus und Aserbaidschan bis nach Jordanien geflohen, von wo aus heute ihre fanatisierten Urenkel zurückkehren. Die Einzelheiten der Taten, die ihnen die Russen heute zuschreiben, z.B. dem vom FSB angeblich vergifteten jordanischen Islamisten El Chatab, möchte ich Euch ersparen, aber dazu zählen so unkaukasische Neuerungen wie einem russischen Gefangenen den Kopf mit einem Kampfmesser abzusägen oder die Oberkörperhaut abzuziehen. Im Gegenzug gingen die russischen Spezialeinheiten seit etwa 1999 dazu über, den terrorismusverdächtigen Gefangenen bei sogenannten "verschärften Verhören" Nasen und Ohren abzuschneiden bzw. tschetschenische Frauen wegen ihrer verdächtigen Angehörigen im Gefängnis grundsätzlich erst mal zu vergewaltigen. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial (Leiter: Sergej Kowaljow; Freund des verstorbenen Andrej Sacharow) versuchte übrigens vergeblich anhand von verschiedenen Leichen herauszufinden, wie die Russen es im Jahr 2002 rein technisch gemacht haben könnten, so ca. 10 Terroristen, die man später auf diversen Müllhalde fand, die Arme auszureißen.
      Übrigens ist in Russland in einem bisher einzigartigen Prozeß im Juli 2003 ein Oberst namens Yuri Budanow angeklagt und verurteilt worden, weil er die 18jährige Tschetschenin Heda Kungayeva mehrfach vergewaltigt und schließlich zu Tode gefoltert hatte, wobei er den Fehler machte, sich auf das "Ehrenschweigen" der russischen Armee zu verlassen und dabei von jungen "unerfahrenen" Soldaten zusehen zu lassen. Man "muss" Neulingen in der Armee schließlich mal zeigen, wie man mit den Schwestern von mutmaßlichen Aufständischen umgehen "muss", um Informationen zu erhalten. Irgendeiner von den Nachwuchs-Soldaten hatte dann doch geplaudert, aber dem "netten" Oberst Budanow fehlte trotz des Urteils zu einer "hohen" Haftstrafe jedes Schuldgefühl, denn gleich nach dem Urteil reichte er ein Gnadengesuch wegen der besonders "mildernden Umstände" der Tat ein, das er erst wieder zurückzog, als russische Menschenrechtsorganisationen, die "Organisation der Soldatenmütter" und natürlich tschetschenische Parlamentarier gegen das Gnadengesuch dieses Unmenschen protestierten.
      Wir sehen: Der Krieg in Tschetschenien ist erst in seinem zweiten Anlauf unter Putin zu einem großartig blutrünstigen Gemetzel geworden.
      Pro Jahr begehen übrigens nach Meinung von "Memorial" bis zu 150 russische Offiziere und mindestens ca. 1000 einfache Soldaten Selbstmord - oder werden von Amok laufenden Kameraden erschossen.
      Der kleine, aber feine Unterschied zum Irak-Krieg ist hoffentlich noch erkennbar, oder? Es gab in Tschetschenien unter anderem nämlich keinen blutrünstigen Diktator wie Saddam Hussein - zumindest nicht, bis die russische Armee mit dem Krieg begann und außer der Unabhängigkeitsforderung gab es meines Wissens zur Zeit von Dudajew noch keinen Grund, in Tschetschenien Militär einzusetzen. Inzwischen ist vielen in dieser Region auch die letzte Spur von Menschlichkeit abhanden gekommen und der vor einigen Monaten ermordete russenfreundliche Präsident Kadyrow hatte mit Hilfe Putins nur deshalb in seinem Machtgebiet einen relativen Frieden erreicht, weil er als moslemischer Ex-Geistlicher sich in den tschetschenischen Familien-Clans genauestens auskannte und eigene Privatgefängnisse aufbaute, in denen er die Frauen, Kinder und sonstigen Angehörigen von tschetschenischen Rebellen einsperrte und hungern ließ, bis ihre tschetschenischen Rebellen-Angehörigen aus den Wäldern und Bergen kamen, um im Interesse ihrer Familie aufzugeben und zu Kadyrow überzulaufen.
      Lustiges Land für einen Abenteuer-Urlaub, nicht? Kadyrows noch halbwegs normaler Hauptgegner Maschadow, der 1997 mal in wirklich freien Wahlen zum Präsidenten von Tschetschenien gewählt worden war, hat vor ca. 5 Jahren auch noch den Fehler gemacht, sich mit allen tschetschenischen Untergrund-Warlords zu treffen, um den Kampf gegen die Russen abzusprechen. Leider waren darunter auch eindeutig Verrückte wie Schamil Bassajew, der schon so um 1995 das Krankenhaus von Budjonnowsk überfiel und dort ein Gemetzel anrichtete. Vor 1992 soll er noch ziemlich normal gewesen sein und auch noch keinen "Räuber-Hotzenplotz-Bart" gehabt haben, aber nachdem in einem russischen Bombenangriff seine Frau und seine Kinder ums Leben kamen und zu der offiziellen Statistik von ca. 25.000 getöteten tschetschenischen Zivilisten nur bis 1996 gehören, soll er sich den radikalsten Islamisten zugewandt haben und russischen Gefangenen schon mal selbst die Kehlen durchgeschnitten haben. Diesem Mann als Planer im Hintergrund wäre nicht nur der Selbstmordattentäter-Überfall auf das Moskauer Musical-Theater, sondern auch der dreihundertfache Kindermord in der Schule von Beslan zuzutrauen. Und der Mann ist dummerweise auch auf einem Film mit Maschadow zu sehen, den das russische Staatsfernsehen im Auftrage Putins seitdem immer wieder gerne ebenfalls als islamistischen Terroristen bezeichnet, obwohl es dafür keine Beweise gibt und Truppen von Maschadow auch schon mal gegen die von Bassajew kämpfen.
      Inzwischen hat auch der noch relativ vernünftige Maschadow bei einem russischen Luftangriff das Zeitliche gesegnet und die Verrückten unter den kämpfenden Führern sind jetzt so ziemlich allein unter sich.
      Seit zehn Jahren gibt es in Tschetschenien auf jeden Fall keinen geregelten Schulbetrieb mehr, das Land ist weitgehend zerstört, über 300.000 Menschen leben nicht mehr in ihren Heimatorten und es ist eine neue Kriegsgeneration herangewachsen, die wie im 30jährigen Krieg gar nichts anderes mehr kennt als diesen Krieg. Selbst diejenigen Menschen, die vor 10 Jahren noch ziemlich normal schienen, haben durch ihre Erlebnisse ihre Normalität und vielleicht auch ihren normalen Verstand verloren. Ein britischer Reporter berichtete beispielsweise schon vor 4 Jahren bei einem Besuch bei den tschetschenischen Kämpfern in den Bergen an der Grenze zu Georgien, er hätte dort eine Tschetschenin getroffen, die er bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul erstmals getroffen hatte. Sie war damals noch eine Spitzensportlerin und Medaillengewinnerin in den Schwimmwettbewerben, die damals noch für die Sowjetunion an den Start ging. Im Jahr 1999-2000 kämpfte sie als Partisanin gegen russische Truppen und war stolz darauf, schon über 50 Russen getötet zu haben! Damit nicht genug, sie sagte dem britischen Reporter, sie wären zwar seit 1988 befreundet, aber er solle nur dann wieder zu ihnen kommen, wenn er zum Islam übergetreten sei und sich mit dem Koran und islamischen Riten vertraut gemacht habe. Anderenfalls müßte sie ihn bei seinem nächsten Besuch leider töten. Der britische Reporter dache zuerst, das sei so eine Art tschetschenischer Humor, weil sie gerade zusammen an einem Tisch saßen und gemeinsam aßen, aber außer seinem kurzen Auflachen war kein Ton zu hören und er erkannte, dass dies durchaus ernst gemeint war. Am Ende seines Berichts sagte er dann, dass er wahrscheinlich nie wieder dieses Land besuchen werde, in dem die Menschen durch ihre Erlebnisse und daraus resultierenden Hass und Fanatismus inzwischen wohl alle am Rand des Wahnsinns oder schon darin gefangen zu sein scheinen.
      Wenn die USA und Rußland jetzt dahingehend zusammenarbeiten, daß in Tschetschenien Islamisten bekämpft werden sollen, dass keine Islamisten diesen Wahnsinn für sich ausnutzen, indem sie ihre fanatischen Selbstmordattentäter dorthin bringen, um Massaker wie an den Schulkindern in Beslan zu verüben, dann bedaure ich diese Zusammenarbeit einerseits, aber ich kann sie andererseits verstehen und muß sie widerwillig zustimmend billigen. Wobei ich aber auch nicht im geringsten überzeugt bin, dass die Kindermörder von Beslan auch nur zum Teil Araber waren, was immer noch behauptet wird. Es können auch alles Tschetschenen wie die oben beschriebene, ehemalige Medaillengewinnerin von Seoul gewesen sein, die im Krieg teilweise ihren Verstand verloren haben und zu islamistischen Selbstmördern mutiert sind.
      Was soll, was kann man überhaupt noch tun, um so viele Menschen, die ihre Menschlichkeit im Krieg verloren haben, nochmals in die Normalität um- oder zurückzudrehen?
      Avatar
      schrieb am 31.05.06 11:48:33
      Beitrag Nr. 3 ()
      Dann "freut" es mich natürlich auch immer wieder ganz besonders, wenn ich so ca. jedes Vierteljahr hier von irgendjemandem die "amüsante" Behauptung lesen muß, daß kein anderes Land jemals so viele unschuldige Opfer zu verantworten gehabt hätte wie die USA.

      Da schlage ich dann immer vor, doch mal einen Blick in so ein Buch wie das von Stéphane Courtois u.a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus zu werfen, aber da bekommt man ja manchmal solche Antworten wie diejenigen, über die "Der Spiegel" in diesem Artikel berichtet hatte:

      Der Spiegel, Nr. 27 / 1998 vom 26.06.1998, S. 176ff.

      Z E I T G E I S T
      Die Wirklichkeit wird ausgepfiffen

      Das auf deutsch erschienene „Schwarzbuch des Kommunismus“ erregt die Gemüter – vor allem jene Linken, die vom Gulag immer gern geschwiegen haben.
      Von Reinhard Mohr

      Zum Buch:
      Stéphane Courtois und andere: „Das Schwarzbuch des Kommunismus“. Piper-Verlag, München, Zürich;

      Im März 1990 wurde im Tagungssaal des Zentralkomitees der SED am Werderschen Markt in Ost-Berlin ein denkwürdiger Film gezeigt. Die in PDS umgetaufte einstige Staatspartei der DDR hatte zur öffentlichen Vorführung eines sowjetischen Dokumentarstreifens über das erste Zwangsarbeitslager geladen, das noch zu Lebzeiten Lenins, am 6. Juni 1923, eingerichtet worden war: Solowki, die „Wurzel des Gulag“, wie es im Kommentar hieß. Etwa 60 Menschen verloren sich in der heiligen Halle des soeben zusammengebrochenen DDR-Sozialismus und sahen zu, wie der Dichter Maxim Gorki 1929 dem Vorzeige-Lager einen Besuch abstattete. Freilich bekam er nur das extra für ihn errichtete, blitzsaubere Potemkinsche Sträflingsdorf zu Gesicht – die „blutige Treppe“, über die gefesselte Häftlinge hinabgestoßen wurden, bis sie als blutige Klumpen Fleisch ihr Leben ließen, wurde ihm vorenthalten. Auf das Versprechen, daß ein paar Gefangene freigelassen würden, sang er das Lob der Sowjetmacht. Titel seiner Reportage: „Unsere Errungenschaften“. Als das Licht im Saal wieder anging, herrschte einige Sekunden lang Schweigen – dann kehrten die Worte zurück.
      „Außergewöhnliche Methoden“ im russischen Bürgerkrieg dürften nicht mit dem späteren Terror in eins gesetzt werden, erklärte der Moskauer Parteihistoriker Wladlen Loginow: „Gewalt ist nicht Gewalt. Man darf sich nicht an Äußerlichkeiten orientieren.“ Sein Kollege Firsiw ergänzte, daß zu Zeiten Lenins „noch streng wissenschaftlich argumentiert“ worden sei, während es später die bekannten „Deformationen“ gegeben habe. Eine Dame fragte schüchtern, wer denn eigentlich unterscheiden könne, was der Klassenfeind und was das Volk sei. „Man traut sich ja sonst nichts. PDS“, machte ein rot beschriftetes Bettlaken Mut zur munteren Vergangenheitsbewältigung.
      Acht Jahre später, im Juni 1998, versinkt eine Diskussionsveranstaltung in West-Berlin über das gerade auf deutsch erschienene „Schwarzbuch des Kommunismus“ (SPIEGEL 48/1997) trotz mehrfachen Eingreifens der Polizei im grotesken Tumult. Drei Dutzend pöbelnde Twens aus der „Jeunesse dorée der postkommunistischen Nostalgie“ („taz“) sorgen mit Trillerpfeifen und Sprechchören dafür, daß aus der ernsthaften Debatte über die Bilanz stalinistischer Verbrechen im 20. Jahrhundert ein lärmendes Spektakel wird, in dem der Faschismus abermals verdammt und der Kommunismus gepriesen wird. „Im Land der Täter von Auschwitz darf die Relativierung dieses Menschheitsverbrechens nicht als akzeptabler Diskussionsbeitrag hingenommen werden“, dekretiert ein Flugblatt der politisch korrekten Zensurfreunde. Schöne junge Frauen, „den Furor christlicher Märtyrer im Blick“ („Frankfurter Rundschau“ ), entrollen ein Transparent mit der Aufschrift „Wer zählt die Opfer des Kapitalismus?“ und rufen dem französischen Mitautoren des Schwarzbuches, Stéphane Courtois, zu:
      „Scheiß-Aufklärung. Spring doch vom Eiffelturm!“ Die Berliner Travestieshow dummdreister Provokation blieb unter den verschiedenen Podiumsdiskussionen die Ausnahme, doch trägt die ganze bisherige Auseinandersetzung mit der deutschen Ausgabe des Ende 1997 in Frankreich veröffentlichten „Schwarzbuch des Kommunismus“ durchweg travestiehafte Züge.
      Dieselben Linken, die nichts dabei finden, daß der grüne Vorstandssprecher Trittin die Bundeswehr kurzerhand in die verbrecherische Tradition von Hitlers Wehrmacht stellt, entsichern ihre geistigen Handfeuerwaffen, wenn auch nur der Versuch unternommen wird, Kommunismus und Faschismus als totalitäre und mörderische Systeme zu „vergleichen“ – was ja keineswegs bedeutet, sie „gleichzusetzen“.
      Auch 60 Jahre nach den stalinistischen Schauprozessen gibt es sie noch, die Tabuwächter jener großen Menschheitsutopie, die um keinen Preis „angeschwärzt“ werden darf. Ein Fortschritt ist immerhin zu verzeichnen: Als nach dem Zweiten Weltkrieg Arthur Koestlers antistalinistischer Schlüsselroman „Sonnenfinsternis“ in Paris erschien, kauften die französischen Kommunisten alle greifbaren Exemplare auf und vernichteten sie. Das ist dem „Schwarzbuch“ nicht widerfahren. Man reibt sich die Augen und glaubt es kaum:

      Das „Elend linker Immunisierungsversuche“ Die ideologiegetränkte Abwehr funktioniert, und die Verdrängung historischer Tatsachen kennt weder Zeit noch Grenzen

      Ob 1945, 1990 oder 1998 – die Abwehr funktioniert, die Verdrängung historischer Tatsachen kennt weder Zeit noch Grenzen. Mal direkt und brachial, mal wissenschaftlich drapiert, offen zynisch oder verdruckst – das Thema wirkt wie ein Katalysator aller ideologischen Reflexe seit den sechziger Jahren. Der Publizist Christian Semler, als einstiges SDS-Mitglied und führender Maoist der siebziger Jahre selbst eine historische Figur der Linken, diagnostizierte kürzlich treffend das „Elend linker Immunisierungsversuche“. Alte Wunden brechen wieder auf, Verdrängtes kehrt zurück. Die Debatte in den Feuilletons, Veranstaltungssälen und intellektuellen Hinterzimmern der Republik ruft vor allem jene auf den Plan, die wesentliche Teile ihrer politischen Biographie bedroht sehen. Ihr seit 1989 bereits schwer ramponiertes Weltbild muß ebenso gerettet werden wie die identitäts- und sinnstiftende Existenz als unbeugsame Kritiker der westlich-kapitalistischen Gesellschaft. Dabei folgen sie der Logik projektiver Schuldzuweisung: Sie protestieren gegen die „Relativierung von Verbrechen“ und betreiben sie selbst. Sie klagen strengste Sachlichkeit ein und stecken voller Ressentiments. Sie protestieren gegen die Verharmlosung von Auschwitz und mißbrauchen das einzigartig Schreckliche als billige Chiffre ihrer angeschlagenen Diskurshoheit – und als Instrument der Verharmlosung. Sie kritisieren den ideologischen Renegateneifer von Courtois und klammern sich selbst an ranzige ideologische Muster vergangener Zeiten. So tauchte der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz plötzlich aus der Versenkung auf und attackierte im Feuilleton der „Zeit“ die angebliche „Geschichtsklitterung vom Bolchicaust“: Dieses Buch zähle auch jenen Eisenbahner zu den rund 80 Millionen Opfern des Kommunismus, der sich „auf der Baikal-Amur-Magistrale eine Grippe“ zugezogen habe. Das Schwarzbuch sei ein „Autodafé der Glaubensreinigung“, das der „Auslöschung“ der kommunistischen Idee und der „Apotheose“ des Kapitalismus diene. Der preisgekrönte Essayist Lothar Baier entledigte sich eine Woche später an gleicher Stelle der historischen Wahrheit über den sowjetischen Klassengenozid, indem er die traditionelle Lager-Frage linker Ideologen stellte: In welche – politische – Gesellschaft begibt sich der Leser dieses Werkes? Anhand einiger Sätze des Klappentextes und angreifbarer Zitatfetzen aus dem Vorwort von Courtois gelingt die gewünschte Antwort nach Hausmacherart: Natürlich begibt sich der Leser in die Nähe von Holocaust- Leugnern und Verharmlosern des Faschismus sowie unseriöser, aufs Medienspektakel versessener Geschäftemacher, die nicht einmal richtig aus dem französischen Original übersetzen können. Auftrag erfüllt, Gegner entlarvt, Thema erledigt. Noch kürzer macht es der Publizist Rudolf Walther: „Nolte läßt grüßen“, ruft er aus und meint, damit alles gegen Courtois gesagt zu haben, dem er selbst „grobschlächtigen Reduktionismus“ vorhält. Manfred Hildermeier, Historiker an der Universität Göttingen, repräsentiert dagegen jene Kritiker, die den Kern der auf fast tausend Seiten ausgebreiteten Tatsachen nicht bestreiten, aber die böse Absicht un terstellen, die es zu entlarven gelte – entscheidend sind hier nicht die Fakten, sondern „die Frage nach dem cui bono“. Auch bei ihm zieht stets der Soupçon durch die Zeilen, hier solle der Linken endgültig der Prozeß gemacht werden nach dem Motto: Rot schlägt Braun – der Kommunismus war noch schlimmer als der Faschismus. Dieser Generalverdacht trübt Wahrnehmungen wie Argumentation: Wie andere moniert Hildermeier die schwankenden Zahlenangaben auf durchaus fragwürdiger Berechnungsgrundlage – mal sind es 80, mal 100 Millionen Tote – und kritisiert den Vergleich mit jenen 25 Millionen Opfern des Nationalsozialismus. Doch er selbst beteiligt sich an der unseligen Rechnerei, die nicht die geringste Erschütterung über die schiere Dimension des Schreckens erkennen läßt: „Es gibt gute Gründe, die ,mehr als sechs Millionen‘ Hungertoten der Jahre 1932/34 nicht nur um eine Million zu kürzen, sondern sie vor allem nicht in einer Reihe mit den Opfern des NKWD aufzulisten“, formuliert der Historiker ganz akkurat und korrigiert fleißig noch andere Zahlen nach unten: „Statt 7 bis 8 Millionen Insassen von 53 Arbeitslagern und 425 Arbeitskolonien … lassen sich ,nur‘ rund 3,5 Millionen belegen und statt einer selten präzisierten, aber auf mehrere Millionen geschätzten Anzahl ,vorzeitiger‘ Todesfälle ,nur‘ 2,3 Millionen.“ Daß 2,3 Millionen Tote nicht „mehrere Millionen“ Tote sind, mag dem unbefangenen Zeitgenossen neu sein, der sich gar nicht ausmalen möchte, welcher Sturm der Entrüstung losbräche, wenn irgend jemand solche Zahlenspiele mit den Opfern des Holocaust triebe. Doch genau dies gehört zum Diskurs der Abwehr und seiner langen Geschichte der ideologischen Einäugigkeit. Wie vor 30, 40 oder 50 Jahren orthodoxe Kommunisten, denen die letzte Phrase ausgegangen war, so verkündet noch heute Professor Hildermeier, wenn er nicht mehr weiter weiß, daß er sowieso schon alles weiß: „Dem Kenner sagt das meiste wenig Neues.“ Dabei hindert ihn, Ironie der Entlarvung, seine vernebelnde Semantik, den eigenen Klartext zu erkennen: Denn für die allermeisten wird sehr vieles überraschend neu sein – wenn sie es denn lesen wollen.

      Der Katechismus des linken Spießers pflegt die negative Utopie vom „Furor teutonicus“

      Schon auf der tumultuösen Berliner Veranstaltung warnte Wolfgang Wippermann, Historiker an der Freien Universität, vor den Folgen dieser Lektüre, die „eine ermüdende Reihung von Mordgeschichten“ biete. Im „Neuen Deutschland“ konzedierte er, daß „die Bilanz der Regime in der Sowjetunion, China, Kambodscha etc. zweifellos grausig“ sei, doch müsse gefragt werden, „ob es sich hier wirklich um kommunistische bzw. sozialistische Systeme gehandelt hat“. Nach einer kleinen, aber feinen Zitatfälschung, mit der er Courtois drei Buchstaben unterjubelt – als habe dieser von „nur“ 25 Millionen Opfern der Nazis gesprochen –, kommt Wippermann zum eigentlichen Thema: Das Schwarzbuch betreibe die „Dämonisierung des Kommunismus“ und erscheine zur „rechten Zeit“, in der die „direkte und indirekte Relativierung des Holocaust durch Leugnung und vergleichende Verharmlosung schon weit verbreitet ist“. Nun schon auf der Zielgeraden, durchstößt er die Lichtschranke zur letzten Erkenntnis, die mit dem schlichten Glaubenskatechismus des linken deutschen Spießers identisch ist: „Revisionismus ist gefährlich. Er bedroht unsere politische Kultur und stellt den mühsam errungenen Konsens in Frage, daß der Holocaust und nicht die Verbrechen des Kommunismus der Zivilisationsbruch in diesem Jahrhundert gewesen ist. An diesem Konsens sollten die Deutschen festhalten, weil es Deutsche waren, die für den Holocaust die Verantwortung trugen.“ Perfekte Tautologie, Ethno-Logik: Deutsche, weil es Deutsche waren. Hier wird gar nicht mehr versucht, wissenschaftliche oder politische Kritik zu üben. Es geht weder um Opfer noch um Täter, weder um Vergangenheit noch Zukunft, schon gar nicht um die Wirklichkeit. Es geht nur noch ums gekränkte intellektuelle Ich, um die allerletzte Schwundstufe der innerweltlichen Erlösungsreligion: die negative Utopie vom Furor teutonicus. Triumphal weisen die Gesellschaftskritiker von vorgestern im selbstgezimmerten Laufstall ihrer ideologischen Bornierung auf das einzige, was ihnen noch geblieben ist vom utopischen „Anspruch auf den ganzen Menschen“ (Heinrich August Winkler). Es ist der deutsche Anspruch auf das richtige, auf das einzig richtige Weltverbrechen. Das ist die ganze Moral von der Geschichte.
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      schrieb am 31.05.06 11:55:11
      Beitrag Nr. 4 ()
      Dann liefen da noch so ein paar kleinere Kriege in dem netten befreundeten Land, von denen man hier auch nicht so sehr viel gehört hat und wenn ich noch ein paar nette Sachen über die für uns TV-verwöhnte Deutsche sicherlich "viel zu farblosen kleinen Auseinandersetzungen" zwischen Armeniern und Aserbaidschanern oder Moldawiern und Gagausen oder Georgiern und deren Nachbarn finde, stelle ich sie nächste Woche hier auch noch vor.
      Zunächst mal mein "Lieblingskrieg", weil man von dem in Deutschland nun wirklich gar nichts weiß, obwohl er doch gar nicht so lange her ist:

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, Samstag, 27. Mai 2000, Nummer 123, III (Sonderbeilage: Ereignisse und Gestalten)
      Navid Kermani
      Die Herrschaft der Clans
      Der tadschikische Bürgerkrieg und der Frieden der Milizen

      Der Westen hat von diesem grauenhaften Krieg, obwohl er bis zu 100.000 (in Worten: Einhunderttausend !) Menschenleben kostete und jeden neunten der sechs Millionen Tadschiken zum Flüchtling machte, so gut wie keine Notiz genommen, weshalb er hier nun einmal kurz beschrieben werden soll.
      Die erste und auch gleich eine der widerwärtigsten Geschichten, die der Krieg schrieb, spielt in einem Bad. Es liegt an einem Feldweg am Stadtrand von Korgan-Tjube, von Bäumen umsäumt, von Ackern umgeben. Im Juni 1992 ist hier, etwa 150 Kilometer südlich der Hauptstadt Duschanbe, der tadschikische Bürgerkrieg ausgebrochen. Milizen aus der südlichen Stadt Kulab hatten ihre Gegner, die aus dem westlich gelegenen Garm stammten, größtenteils eingekesselt. Die Garmis riefen daraufhin einen Urologen ins Hammam-e-Torkmanestan (Bad von Turkmenistan) der den gefangenen Kulabis die Hoden herausschnitt. Schon weil das Bad nicht besonders groß, die Gefangenen aber zahlreich waren, durften sie anschließend zu ihrem Clan zurückkehren. Manchmal hat man auch nur ihre Hoden geschickt.
      Heute ist vom " Bad von Turkmenistan" nur mehr das von Einschusslöchern übersäte Gemäuer übrig geblieben. Kein Schild weist auf die Ereignisse des Kriegs hin, kein Wärter versperrt den Zutritt. Außer einem Gang und einer Reihe kleiner Kammern, den ehemaligen Waschräumen wahrscheinlich, die dann als Gefängniszellen gedient haben müssen, gibt es einen Saal, der mit seinen Farbschattierungen die Phantasie auf schreckliche Weise beflügelt. Man will es nicht und fragt sich doch, ob hier der Urologe oder das Erschießungskommando tätig war oder beide. Das Vogelgezwitscher, das an diesem sonnigen Frühlingstag durch die Öffnungen hereinfliegt, die früher einmal Fenster -waren, das Zirpen der Grillen und das sanfte Rauschen des Windes könnten gespenstischer nicht sein.
      Wenn es " saubere" Kriege gäbe, dann war dies jedenfalls ein Krieg von der schmutzigsten Sorte. Das ganze Arsenal jener Kriegsführung, die für die Glaubenskriege der frühen Neuzeit und die Bürgerkriege des letzten Jahrzehnts typisch war, hatte der Konflikt zu bieten.
      Wechselnde Allianzen
      Wie schon gesagt, der Westen und seine Medien haben von diesem Krieg mit seinen bis zu 100.000 Toten so gut wie keine Notiz genommen. Vielleicht lag das auch daran, dass die Frontlinien zu verworren und zu beweglich waren, um sie auf einfache Begriffe zu bringen. Die gängigste Erklärung, wonach in Tadschikistan säkulare Kräfte gegen Islamisten kämpften, trifft nur einen Ausschnitt der Realität. Ebenso wenig wie die Zivilisationen bekriegten sich in Tadschikistan die Ethnien oder Nationalitäten, von denen es vor allem infolge der sowjetischen Kolonisierung und Zwangs-Deportationen mehr als ein Dutzend gibt: neben Tadschiken, Uzbeken und Russen auch Balten, Ukrainer, Kasachen, Kirgisen, Turkmenen, Tataren, Osseten, Baschkiren, Araber, Armenier, Wolga-Deutsche, Juden und Koreaner. Zählt man noch die Wachanzen, Chugnanzen, Jasguljemen, Rochanen, Ischkaschimen, Jagnoben und andere Völker hinzu, die sich im schwer passierbaren Pamirgebirge mit ihrer je eigenen Sprache erhalten haben, so scheint der Staat, den die Sowjets geschaffen haben, um den persischsprachigen Zentralasiaten eine Heimstatt zu geben, einen idealen Nährboden für einen umfassenden ethnischen Konflikt zu bieten. Tatsächlich bekriegt haben sich in Tadschikistan jedoch nicht die Völker, sondern einzelne Clans in wechselnden Allianzen.
      Über das Muster für den tadschikischen Bürgerkrieg sind in der neueren politikwissenschaftlichen Fachliteratur, die sich mit der Zunahme ethnischer Auseinandersetzungen oder der These vom Zusammenprall der Zivilisationen beschäftigt, nur Andeutungen zu finden. Dabei zeigt schon die Entwicklung in Staaten wie Somalia oder Algerien, dass die bekannten Erklärungen nicht genügen, um solche Art von Kriegen zu begreifen. Sie entstehen, wo nach dem Zusammenbruch oder Zerfall der staatlichen Ordnung neue Kräfte darum ringen, das entstandene Vakuum zu füllen. Diese Kräfte sind warlords und Milizen eher als Politiker und Armeen. Der Typus des Bürgerkriegs, den sie repräsentieren, besteht weniger in offenen Schlachten als in einzelnen Scharmützeln. In den Städten fegen Scharfschützen die anliegenden Straßen leer, bevor strategisch wichtige Gebäude besetzt werden. Außerhalb der Städte wird selten im eigentlichen Sinne gekämpft, als vielmehr die Bevölkerung ganzer Landstriche vertrieben. Die Milizen bringen einige Bewohner um, woraufhin deren Angehörige und Nachbarn flüchten und ihre Häuser der Plünderung und Brandschatzung anheim geben.
      Die Motive eines solchen Kriegs sind, wenn überhaupt, nur am Anfang wirklich ideologisch. Je länger der Krieg andauert, desto mehr reduziert er sich auf einen Kampf um die Zinsen der Macht: um die ertragreichen Ämter, Versorgungsunternehmen, Fabriken, Bodenschätze und nicht zuletzt die Straßen und Wege, auf denen Drogen und geschmuggelte Konsumgüter transportiert oder wenigstens die Durchreisenden um Wegegeld erpresst werden können. Schon die Kontrolle über ein kleines Gebiet sichert dem Clan des warlords meist Reichtum und seinen Soldaten immerhin ein Auskommen, wo die übrige Bevölkerung ums Überleben ringt.
      Auch in Tadschikistan waren die Frontlinien nur am Anfang eindeutig: Auf der einen Seite stand die Nomenklatura aus sowjetischer Zeit, die sich gegen eine Perestroijka nach russischem Vorbild sträubte und dennoch von Moskau militärisch umfassend unterstützt wurde; auf der anderen Seite stand eine Opposition aus säkular-nationalistischen und religiös orientierten Kräften, die eine parlamentarische Demokratie und die Rückbesinnung auf die persischen - nicht unbedingt die islamischen -Wurzeln der Tadschiken anstrebte. Aber schon damals war die ideologische nur eine Seite des Konfliktes. Die andere Seite war die Rivalität der Orte und Clans, auf der schon die Sowjets ihre Macht in Tadschikistan gründeten. Siebzig Jahre lang hatten sie die Herrschaft in der neu gegründeten Hauptstadt Duschanbe an Parteimitglieder aus der nordtadschikischen Stadt Chodschand delegiert. Um das regionale Ungleichgewicht auszutarieren, beteiligten sie die Kader aus Kulab an der Verteilung der Ämter, die wie überall im sowjetischen Imperium zugleich eine Verteilung der lukrativsten Einkommensquellen war.
      Auf beiden Seiten der Front verschoben sich im Laufe des Krieges die Gewichte. Innerhalb der herrschenden Koalition kam es schon bald zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Milizen aus Chodschand und aus Kulab, die Letztere für sich entscheiden konnten. In der Opposition dagegen setzten sich immer deutlicher die religiösen Extremisten durch, die ihre Waffen und Inspirationen aus Afghanistan empfingen. Hinzu kam, dass die Kommandanten in ihrem jeweiligen Herrschaftsgebiet weitgehend autonom waren. Weisungen der Regierung in Duschanbe beziehungsweise der ohnehin zersplitterten Opposition im Exil befolgten sie nur, wenn es ihnen genehm erschien; wo sie es für opportun hielten, wechselten sie auch schon mal die Front oder bekämpften Milizen aus dem eigenen Lager.

      Nicht in eine archaische Vergangenheit, in eine entzauberte Zukunft weist der tad-schikische Krieg, eine Zukunft, in der die vertrauten politischen Bezugssysteme untergegangen sind. Damit die Gesellschaft in ihre kleinsten Einheiten, die Clans oder Stämme, zerfällt, bedarf es im Unterschied zur Science Fiction allerdings nicht des großen Knalls; die alte Ordnung kann langsam verrotten oder sich wie in Tadschikistan gleichsam über Nacht in Luft auflösen. Und im Gegensatz zu Mad Max werden die Helden nicht von Mel Gibson gespielt, sondern sind Kriminelle wie Sangak Safarov. Der ehemalige Büfettier, der in der Schule nur zwei, im Gefängnis aber 23 Jahre verbracht hatte, war vor dem Bürgerkrieg völlig unbekannt, aber schon wenige Monate nach dessen Ausbruch der wohl mächtigste Mann Tadschikistans. Er verdrängte die Clans aus Chodschand von der Führung und verschaffte den Kulabis die Vorherrschaft über das Land, die sie bis heute innehaben. " Wir werden Tadschikistan und Russland von diesem demokratischen Abschaum säubern!" , rief er seinen Männern entgegen. Als diese schließlich Korgan-Tjube eroberten, flohen die Milizen der Garmis mitsamt ihrem Urologen.
      Es blieben die Menschen in der Nachbarschaft, Kulabis ebenso wie Garmis. In den fünfziger Jahren waren sie oder ihre Eltern nach Korgan-Tjube zwangsumgesiedelt worden, um die hiesigen Felder zu beackern. Weil Kulabis und Garmis in derselben Siedlung und oft in einer Straße wohnten, weil sie die gleiche Sprache sprachen und auch äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden waren, mussten die Soldaten aus Kulab oft erst die Pässe der Bewohner kontrollieren, um zu erfahren, wer aus Garm stammte und also umgebracht oder vertrieben werden sollte.
      Ein paar hundert Meter hinter dem " Bad von Turkmenistan" trifft der Besucher eine jener Familien, die im Sommer 1992 vor den Kulabis flüchteten. Es sollte Dezember werden, bis sie am Pyandsch-Fluss ankam, der die Grenze zu Afghanistan bildet. Umringt von Nachbarn und Nachfahren erzählt der Vater, wie die Afghanen im eisigen Wasser standen, um die Kinder hinüberzutragen, wie sie die Flüchtlinge auf ihre Pferde und Esel setzten und in ihr Dorf führten, " wo es keine Soldaten mehr gab" . Alles, sogar die Kleidung, hätten sie mit ihnen geteilt. Der Vater erzählt von dem Staunen der Afghanen darüber, dass aus dem Norden Muslime zu ihnen gekommen waren und im Nachbarland also nicht nur " sowjetische Ungläubige" lebten. " Sie fragten uns, weshalb wir unsere Häuser verlassen hätten. " Was sollten wir denn machen?" , antworteten wir. " Diese Plage ist nun einmal über uns gekommen."
      Als die Familie nach dem Friedensabkommen von 1997 nach Korgan-Tjube zurückkehrte, fand sie auf ihrem Grundstück eine Ruine vor. Wie es denn sei, wieder unter Kulabis zu leben, fragt der Besucher; ob der Hass nicht das Zusammenleben vergifte. " Ach was" , sagt der Vater und weist auf eine junge Frau, die im Kreis derer steht, die das Gespräch verfolgen: " Schauen Sie, die Frau dort, unsere Nachbarin, ist eine Kulabi. Und dort, der Junge - auch ein Kulabi. Das ist doch alles Unfug, was da geredet wird." Aber sind es denn nicht Kulabis gewesen, die sie vertrieben und ihre Angehörigen ermordet haben? " Ja" , sagt der Vater zuerst und korrigiert sich im selben Atemzug: " Das heißt, nein, das waren doch Soldaten."
      Dass nicht Kulab gegen Garm, sondern einzelne Milizen aus den beiden Städten gegeneinander gekämpft haben, ist nirgends eindringlicher als in Kulab selbst zu erfahren. Man sollte meinen, dass es der Stadt nun besser ginge, da doch ihre Söhne den Krieg für sich entschieden haben und in Duschanbe die Regierung anführen. Aber schon die aufgerissene Straße am Ortseingang zeigt an, dass die Sieger sich niemandem als ihrem Clan verpflichtet fühlen und der Gemeinsinn nicht einmal zum Lokalpatriotismus reicht. In Kulab ist, wie in den meisten Städten Tadschikistans, keine einzige Fabrik in Betrieb. Die Schulen sind geschlossen oder haben nur sporadisch geöffnet, von einem öffentlichen Kulturangebot, das in sowjetischer Zeit zwar ideologisch geprägt, aber doch in erstaunlicher Breite vorhanden war, nicht zu reden. Strom gibt es nur drei Stunden am Tag, und immer wieder kommt es vor, dass Notfallpatienten im Krankenhaus sterben, weil die Lampen und Geräte im Operationssaal gerade nicht funktionieren.
      Lukrative Ämter
      Praktisch gehört die Stadt dem Kommandanten Ghorban Chafof und seinen zwei Brüdern, die sämtliche Fabriken aufgekauft haben, ohne Anstalten zu machen, sie wieder in Betrieb zu nehmen. Ein weiterer der Chafof-Brüder ist vor einiger Zeit gestorben, an einer Überdosis Drogen, wie es in der Stadt heißt. Ein Basar in Duschanbe ist heute nach ihm benannt. Ein Offizier, den der Besucher beim Mittagessen im Park kennen lernt, berichtet von einer Frau, einer Mutter von sieben Kindern. Sieben Monate lang habe sie ihre Witwenrente von umgerechnet zwei Mark monatlich nicht erhalten, dann habe sie sich aufgehängt. Vor ein paar Tagen erst sei das geschehen. Der Offizier sagt, er selbst bekomme sein Gehalt, das bei etwa zwanzig Mark liegt, nur unregelmäßig ausgezahlt und könne deshalb nicht einmal die Hochzeit seines Sohnes ausrichten.
      Dass es zu dem Friedensabkommen vor drei Jahren kam, ist vor allem mit dem Druck Rußlands und Irans auf ihre jeweilige Klientel zu erklären. Beide Staaten waren daran interessiert, Tadschikistan zu befrieden, nachdem Afghanistan durch den Siegeszug der Taliban in die amerikanische Einflusssphäre geraten war. Dass aber der Frieden bislang weitgehend Bestand gehabt hat, ist angesichts der zuvor an den Tag gelegten Brutalität denn doch erstaunlich. Parteien, die sich gegenseitig " auszurotten" versprochen hatten, konkurrieren heute um Wählerstimmen; Kommandanten, die sich bis aufs Messer bekämpft haben, sitzen als Minister an einem Kabinettstisch. So unergründlich der Krieg erschien, so unerklärlich mutet der Frieden an. Aber er ist es nicht. Die Mehrzahl der Kommandanten hat begriffen, dass der Frieden profitabler ist, und die Beute unter sich verteilt. Die Konturen einer neuen Ordnung werden erkennbar, die der alten verblüffend ähnelt und neun Jahre nach der Unabhängigkeit wieder die Bindung an Moskau zur Grundlage hat. Die regionale Balance, die in sowjetischer Zeit den Staat stabilisiert hat, ist wiederhergestellt worden, nur dass jetzt anstelle der Clans aus Chodschand die Region Kulab die Vorherrschaft übernommen hat. Die Kommandanten und Politiker der übrigen Regionen sahen sich vor die Alternative gestellt, die Ämter anzunehmen, die ihnen die Regierung anbot, oder sich auf lange Sicht in ihren Gebieten zu verschanzen. Die meisten entschieden sich für das Amt und wurden Minister, Direktor des Gaswerkes oder wenigstens Leiter eines Kaufhauses. Ihre Ansichten änderten sie dabei oft so rasch wie ihr Aussehen.
      Der berüchtigte Mullah Abdurrahman zum Beispiel, der die Garmis in Korgan-Tjube angeführt hat, durfte dank des Friedensabkommens, das der Opposition dreißig Prozent der Ämter versprach, den lukrativen Posten des nationalen Zollchefs übernehmen. Mit solchen Würden ausgestattet, konnte er es verschmerzen, dass der Präsident auf der ersten Sitzung über die brustlangen Bärte der neuen Funktionäre witzelte. Zur nächsten Sitzung erschien er mit Schnurrbart. Wie manche andere Kommandanten, die früher auf Seiten der Islamisten gekämpft haben, ist Abdurrahman inzwischen aus der " Partei der Islamischen Wiedergeburt" ausgetreten. Eben weil die Ideologie oft nur ein Mantel war, der die persönlichen und oft genug kriminellen Motive der Krieger verhüllte, konnten sie sich ihrer leicht entledigen.
      Der Kommandant, den wir ein paar Kilometer außerhalb von Garm besuchen, hat kein Amt bekommen, aber dafür seinen Bart behalten. Das unmöblierte Gebäude, in dem er seinen Teppich ausgebreitet hat und uns empfängt, ist wohl einmal eine Schule gewesen. Heute dient es ein paar jungen Männern als provisorische Kaserne, die alles riskiert und nichts gewonnen haben. Sie sind die Restposten des Krieges. Einst als Mudschahedin in die Berge gezogen, hat man ihnen nach dem Friedensabkommen dieses Altersheim für jugendliche Veteranen zugewiesen, um sie mit ein paar Rubel monatlichem Sold sich selbst zu überlassen.

      " Die Regierung hat unsere Ziele zermalmt" , sagt der Kommandant, der seinen Namen Ali Dawlatov wegen der russischen Endung eigentlich ablehnt und dennoch keinen anderen nennt. Um das Leiden der Bevölkerung zu beenden, habe die Führung seiner " Partei der Islamischen Wiedergeburt" einen ungerechten Frieden akzeptiert. " So Gott will, werden wir uns jetzt auf den Weg der Politik begeben, um unsere Vorhaben zu verwirklichen."
      Der Tod radikaler Führer
      Der Kommandant lässt an seiner Skepsis keinen Zweifel und verweist auf die Beispiele Algeriens und der Türkei, wo die islamistischen Parteien ihren Wahlsieg mit dem Verbot bezahlt hätten. Er spricht über den - auch von auswärtigen Beobachtern registrierten - Betrug bei den jüngsten Wahlen in Tadschikistan, die dem Präsidenten eine nahezu hundertprozentige Zustimmung und seiner Partei eine deutliche absolute Mehrheit beschert haben. " Die Geschichte zeigt, dass der Kampf mit politischen Mitteln nicht zu gewinnen ist, und dennoch bleibt uns nichts anderes übrig, es noch einmal zu versuchen." Und wenn es auch diesmal nicht gelingt, werden sie dann wieder zu Waffen greifen? " Nein!" , ruft der Kommandant, und beteuert, dass niemand mehr in Tadschikistan den Krieg wolle.
      Was der Kommandant damit meint, wird im Gespräch mit seinen Soldaten deutlich, die draußen auf der Wiese herumlungern. Man muss nicht mit ihnen sympathisieren, um ihre resignierte Wut zu verstehen. Es sind traurige Gesichter, in die der Besucher schaut, nicht ausgemergelt, aber doch hager und viel zu ernst für ihr Alter. " Wir wollten, dass alles in der Gesellschaft geteilt wird, dass nicht einer hundert Teile besitzt und die übrigen hundert nur einen Teil" , sagt einer, der aussieht wie ein junger Che Guevara und sogar dessen Mütze geerbt zu haben scheint. " Wir wollten Gerechtigkeit, Islam und Gottes Zufriedenheit." Keines ihrer Ziele hätten sie erreicht, und doch residierten viele ihrer ehemaligen Führer jetzt in großen Büros und Villen, erklärt er: " Uns hat man hier wie Abfall am Wegrand liegen lassen." Sie könnten mit ihrer Lage unzufriedener nicht sein, aber auf die Frage, ob der Krieg zu früh abgebrochen worden sei, winkt der Soldat ab. " War der Krieg ein Fehler?" , will der Besucher von ihm wissen. Der Soldat zögert. " Der Krieg war kein Fehler, aber er wurde zum Fehler." Am Anfang sei es um den Islam gegangen, aber dann nur noch um Ämter. Die jungen Männer sprechen es nicht aus, aber im Laufe der Unterhaltung deutet sich immer mehr an, dass sie sich nach nichts so sehr sehnen wie nach einem Leben, das sie wohl von ihrer Kindheit kennen, aber selbst nie geführt haben, nach Frau und Kindern und einem Hof, der sie ernährt.
      Den Analysen westlicher Forschungsinstitute zufolge steht der tadschikische Frieden auf tönernen Füßen. Im Land selbst ergibt sich ein anderer Eindruck. Überall sieht man die neu errichteten Häuser derer, die es im Krieg zu etwas gebracht haben und ihren Wohlstand nun genießen und vermehren wollen. Die Friedensgegner kontrollieren einzelne Gebiete im Osten wie im Westen der Hauptstadt und stammen sowohl aus den Reihen der exkommunistischen Regierung wie aus denen der islamistischen Oppositionen. Sie mögen sich noch lange in ihren Gebieten behaupten oder die Möglichkeit haben, in der Hauptstadt Anschläge zu verüben. Aber stark genug, das Land in einen neuen Bürgerkrieg zu stürzen, sind sie kaum. Der Regierung des bedächtigen Ali Rachmonov kommt es womöglich zugute, dass ihre mächtigsten und radikalsten Feldherren den Krieg nicht überlebt haben. Zumeist sind sie Intrigen aus den eigenen Reihen zum Opfer gefallen oder sind bei internen Auseinandersetzungen gestorben. Sangak Safarov etwa, dem die jetzige Führung ihre Macht verdankt, kam bereits am 30. März 1993 bei einer Schießerei ums Leben.
      Es wird erzählt, dass ihn beim Besuch eines Flüchtlingslagers an der Grenze zu Afghanistan Reue überkommen habe. Jedenfalls hielt er eine Fernsehansprache, in der er sich bei der Bevölkerung indirekt entschuldigte und die Flüchtlinge beschwor, zurückzukehren; er persönlich werde für ihre Sicherheit garantieren. Anschließend habe Safarov den zweiten mächtigen Kommandanten des Regierungslagers, Faizaleh Saidow, aufgesucht, um ihn von der Notwendigkeit des Friedens zu überzeugen. Saidows Vater war von den Garmis in Korgan-Tjube als Geisel genommen worden. Zuerst hatten die Garmis dem Sohn die Fingernägel, dann die Finger und schließlich die Leiche geschickt, ohne ihn zum Einlenken zu bewegen. Die beiden Kommandanten unterhielten sich unter vier Augen in Saidows Büro. Nach einer Weile hörten Saidows Männer Schüsse. Sie stürmten ins Büro, fanden ihren Führer tot am Boden und erschossen Sangak Safarov.
      Viele solcher Geschichten hat der Krieg geschrieben. Meist enden sie mit dem Tod. Auch der Urologe aus dem " Bad von Turkmenistan" lebt nicht mehr. Er floh nach Moskau, kehrte inkognito nach Duschanbe zurück, wurde erkannt und tot aus einem Zug geworfen. " Dies war der Krieg ohne Grund" , ruft der Vater aus Korgan-Tjube, der sein Haus wieder errichtet hat und seine Felder wieder beackert, der gegen seine Nachbarin aus Kulab keinen Hass hegt, aber die Welt nicht mehr versteht, seit das " Bad von Turkmenistan" geschlossen ist.
      Avatar
      schrieb am 31.05.06 12:07:17
      Beitrag Nr. 5 ()
      Ich glaub`, für diese Woche ist die aufmerksame "Beteiligung" mit den bisherigen Beiträgen erst mal gesichert, weshalb ich jetzt mal versuche, mich auf die kommenden Feiertage zu "befrieden", schon mal FRIEDLICHE PFINGSTEN ! wünsche und mich bis zur nächsten Woche verabschiede.

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      Avatar
      schrieb am 31.05.06 20:18:32
      Beitrag Nr. 6 ()
      Hallo Auryn!


      Der Schlüssel zum Verständnis der Problematik innerrussischer Unruhen liegt in der Akzeptanz und Toleranz des "demokratischen und liberalen" Westens von Völkermord, Klassenmord und ethnischen Säuberungen vor 1933, und Förderung von sezessionistischen und nationalistischen Tendenzen in Osteuropa, später weltweit.

      Der Auftakt zur größten Umsiedlungsaktion seit Menschengedenken war die "Vertreibung" und Auflösung der Autonomen Wolgadeutschen Republik und "Umsiedlung" fast aller in der Sowjetunion lebenden Deutschen, die nicht einmal vor politischen Emigranten halt machte.
      (Krestenzia Mühsam,Carola Neher, Umsiedlungsopfer oder Margarete Buber-Neumann, die wie viele andere 1940 sogar an Deutschland ausgeliefert worden ist).

      Der reibungslose Ablauf der Umsiedlungsaktion einer Nation in Russland war nach Meinung von Solschenizyn eine Ermutigung zu weitere Umsiedlungsaktionen (Krimtataren, Tschetschenen, Schwarzmeergriechen uva.) und zu den ethnischen Säuberungen weiter Teile Osteuropas nach 1945.

      Diese von den Westalliierten tolerierten Vertreibungen bezeichnete George Orwell bereits 1945 als Kriegsverbrechen, die vor 1939 von den Sowjets bekannten Verbrechen (siehe Schriften Goebbels, Churchill u.a.) hinderten die Westalliierten nicht, sich mit Beelzebub gegen den Teufel zu verbünden.

      Das neue Russland hat mit dem schweren Erbe der gesellschaftliche Verwerfungen und der stalinistischen Nationalitätenpolitik ein fast unlösbares Problem übernommen.

      Solange Veröffentlichungen wie das "Schwarzbuch", "Sonnenfinsternis" oder Publikationen von E. Nolte zu Tumulten und Auseinandersetzungen führen, die einfach nur auf Bildungsunwilligkeit und Wissensverweigerung zurückzuführen sind, ist in Westeuropa kein Verständnis zur innenpolitischen Lage in Russland zu erwarten.

      Eine nette Anekdote zum Unverständnis des "demokratischen Westens" der osteuropäischen Bevölkerungssituation:
      Als der 28. US Präsident, ein Befürworter der sezessionistischen Bewegungen in Ostmitteleuropa, tschechischen Lobbyisten die Unterstützung der Sezession der tschechoslowakischen Gebiete garantiert hatte, meldeten seine Berater Sezessionswünsche bzw. Separationswünsche diverser südslawischer Nationen.
      Wilson wunderte sich: " So viele Nationen gibt es in Europa?"

      Der Auflösung von "Vielvölkerstaaten" nach 1918, Osmanisches Reich, Deutsches Reich, Österreich-Ungarn und nach 1989 der SFR Jugoslawien und der Sowjetunion, die das "gut gemeinte" Sezessionsrecht, das Recht auf Selbstbestimmung fast jeder nationalen Splittergruppe zur Grundlage hatte, folgten im europäischen Kulturraum Kriege, Massaker, Terror und ethnische Säuberungen ohne Beispiel.
      Die heutigen Herolde der Separation und Sezession in Osteuropa und Mittelasien fordern in Westeuropa die totale multikulturelle Gesellschaft, in Deutschland gar einen türkischen Text zur deutschen Nationalhymne, und erzwingen die Errichtung von Moscheen in nichttatarischen Wohnbezirken der deutschen Hauptstadt.

      Dass das randeuropäische Russland mit seiner Geschichte und seinen asiatischen Schnittstellen für das westliche Europa faktisch einen „Tatarenwall“ darstellt, haben zeitig kulturpessimistisch geprägte Autoren, wie A. de Tocqueville, später O. Spengler bemerkt.

      Russland wird seine Probleme allein lösen. Ratschläge, Belehrungsversuche westeuropäischer Politiker, Publikationen Ahnungsloser in west-europäischer Massenmedien sind teilweise sehr amüsant, zeigen aber oft absolute Unkenntnis der Situation oder sind nur spätpubertärer Jux.
      Die letzte intellektuelle Einmischung, die unrussische westeuropäische Idee des Marxismus, die Krone der Aufklärung, führte Russland zur Räteherschaft, zur totalen Demokratie. Diese Belehrung hat Russland zerrüttet.

      Russland wurde nach 1917 allein gelassen, deutsche Intellektuelle, „linke“ wie B. Brecht, „rechte“ wie E. Jünger, oder „liberale“ wie E. Rowohlt, sympathisierten trotz bekannter Exzesse, verbunden mit Ausrottungstendenzen, mit dem bolschewistischen Regime. „Rechte“ des Kreises um die „Konservative Revolution“ erkannten die Bedeutung des „Tatarenwalles“, dessen Verteidigung außerordentliche Mittel rechtfertigt, während Salonbolschewisten wie Brecht, die Enteignungsexzesse in Russland lyrisch feierten, und Gefährten dem Terror auslieferten.

      Wer maßt sich heute in Deutschland, in West-Europa, an,
      zu urteilen, zu verurteilen und zu beraten?

      Da weite Teile der deutschen Hauptstadt dem von K. May beschrieben Milieu aus „Das wilde Kurdistan“, „Zobeljäger und Kosak“, „In den Schluchten des Balkans“ und „ Der Schut“ beherrscht werden, Blutrache, Geiselnahme mit Lösegeldforderungen und Ehrenmorde hauptstädtische Gerichte alltäglich beschäftigen, lässt hoffen, dass vielleicht GSG und SEK Turner eines Tages ihren Rat bei konflikterprobten OMUN Spezialisten holen. Aber bitte im Rahmen des Antidiskriminierungsgesetzes!

      Der Kaukasus lässt grüssen!


      Berlin grüsst den Kaukasus! Keine Gewalt! Für ein Ende aller kriegerischen Auseinendersetzungen im ehemaligen Sowjetimperium! Zündet Kerzen an! Auf zu Mahnwachen! Bildet Lichterketten! Wetzt keine Messer!



      lunarworld
      Avatar
      schrieb am 13.06.06 10:16:56
      Beitrag Nr. 7 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 21.895.575 von lunarworld am 31.05.06 20:18:32Das war ja eine für unsere Thread-Verhältnisse geradezu hochgradig intellektuell-kulturpessimistische Zusammenfassung Deines Standpunkts, bei dem ich allerdings doch irgendwie leicht unseren westlich-xenophilen Zeitgeist vermisse.
      P.S.: Sieht Berlin tatsächlich schon so aus?
      (Ich war witzigerweise noch nie in "unserer" Hauptstadt.)
      ;)
      Avatar
      schrieb am 13.06.06 10:33:58
      Beitrag Nr. 8 ()
      Übrigens war am vergangenen Sonntag ein hochinteressanter Bericht im ARD-Weltspiegel über Abchasien zu finden.
      Wir erinnern uns mal schnell, daß es da so einen komischen Sezessionskrieg der Abchasen gegen die Georgier gab, wobei wir Deutsche vielleicht mal von den Georgiern gehört hatten, aber noch nie von diesen absonderlichen "A-Hasen" und waren sehr überrascht, daß die einen Krieg gegen die viel mächtigeren Georgier wegen deren Unterdrückung anzetteln sollten.

      Nach dieser Reportage können wir nun annehmen, daß die Russische Armee die Waffen an die russifizierten Abchasen (der abchasische Präsident ist komischerweise ein neben gebrochenem Englisch usschließlich Russisch sprechender Russe, der in einer russischen Stadt in Rußland geboren wurde, was seine sprachliche Einseitigkeit etwas verständlicher macht!) geliefert hatte, damit das einst mondäne Meerbad Suchumi der ruhmreichen russischen Armee als Naherholungs-Sanatorium erhalten bleibt und nebenbei auch mehrere kaukasische Kleinstaaten erhalten bleiben, damit unter dem Motto "Teile und herrsche, ruhmreiches Rom - äh - Rußland!" niemand in der Region auf den Gedanken kommt, kaukasisches Öl an Rußland oder Gazprom vorbei zu fördern.
      Witzigerweise kannte sich in der UN-Versammlung zur Befriedung dieses Konflikts auch niemand in diesem Gebiet so richtig aus (oder wollte niemand Rußland verärgern?), so daß die ruhmreiche russische Armee zur geringen Begeisterung der Georgier die ruhmreiche Aufgabe von der UN erhielt, in diesem Konflikt nicht nur der Waffenlieferant an die Abchasier zu sein, sondern auch noch als UN-Schutz- und Friedenstruppe die Waffenruhe zu sichern, was komischerweise dazu führte, daß Abchasien von niemandem als dem ruhmreichen Rußland als Staat anerkannt worden ist, aber andererseits seinen russischen Offizieren ausgiebige kostenlose Sanatoriumsaufenthalte im jetzt abchasischen Suchumi sichert, nachdem man müde und abgekämpft aus dem jetzt wieder russisch "befriedeten" Protektorat Tschetschenien zurückgekehrt ist.

      Der Bericht in Kurzfassung:

      Georgien: Russen übernehmen die Schwarzmeerküste

      Suchumi, am Südzipfel des Kaukasus gelegen, das war einst die "weiße Stadt am Meer�. Eine Art sowjetisches Heiligendamm, mit exklusiven Hotels, Cafés und einer lebhaften Künstlerszene. Im Sommer 1992 begann ein grausamer Bürgerkrieg zwischen Abchasiern und Georgiern, in der Folge erklärte sich Abchasien für unabhängig. Bis heute fehlt der Republik die internationale Anerkennung. Ermutigt vom erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro, will Russland Abchasien aufwerten und schafft schon mal Fakten: Russische Investoren renovieren die vom Krieg zerstörten Hotels und wollen der ehemaligen In-Baderegion zu neuem Glanz verhelfen. Albrecht Reinhardt berichtet.



      Die Bergriesen des Kaukasus enden in Abchasien direkt an der Schwarzmeerküste. Die selbsternannte Republik Abchasien, ein Traumziel russischer Touristen. Und seine Naturattraktionen locken Jahr für Jahr immer mehr von ihnen hierher.
      Die Russen kommen wieder, die orthodoxe Kirche Russlands hatte Abchasien nie verlassen - auch nicht in den schlimmsten Zeiten des Bürgerkrieges.
      Die hässliche Seite des Landes, das sich bis heute von den äußeren und inneren Zerstörungen nicht erholt hat. Abchasien gehörte einst zu Georgien. Heute ist es international isoliert.
      Das weiße Gebäude war bis vor Kurzem eine Ruine. Im Krieg zerbombt. Artur Mikwabia erklärt, dass hier in zwei Monaten ein Geschäftszentrum eröffnet, finanziert von russischen Geldgebern.
      Glänzende Fassaden - und dahinter steckt fast immer russisches Kapital. Wirtschaftsberater Artur Mikwabija dazu: "Seit kurzem haben unsere Menschen mehr Hoffnung.� Die junge Generation verbreitet Selbstsicherheit. Das belebt die Wirtschaft.
      Das rostige Fabriktor öffnet den Weg in die Hallen eines amerikanischen Limonadenkonzerns. Doch das ist vorbei. Jetzt füllen ein paar Frauen Mineralwasser ab. Für Artur Mikwabija, der den Laden mit russischem Geld gekauft hat. Der ehemalige Besitzer gab den Betrieb hier auf. Für Pepsi Cola war der abchasische Markt zu klein.
      Artur Mikwabija hat einen wichtigen Termin. Er muss zum Präsidenten der Republik. Völkerrechtlich wird sie ebenso wenig anerkannt, wie Präsident Bagapsch. Artur ist der Wirtschaftsberater des Präsidenten mit ausgezeichneten Beziehungen zu russischen Industriellen. Lebenswichtig für Abchasien. "Unsere Bevölkerung ist prorussisch, sagt Bagapsch, der selbst einen russischen Pass besitzt�, erklärt Sergej Bagapsch, abchasischer Präsident. "An der Grenze zu Georgien schützen uns russische Truppen und die Wirtschaftsblockade haben wir nur mit Hilfe Russlands überstanden. Heute investieren russische Geschäftsleute wieder bei uns.�
      Zum Beispiel in den Weinanbau. Und in Nikolai Atschba haben russische Investoren den richtigen Partner gefunden. "Für uns ist der russische Markt wichtig. Deshalb machen wir unser Hauptgeschäft mit halbtrockenen und süßen Weinen. Die Russen lieben diese Geschmacksrichtungen�, so Kellereibesitzer Nikolai Atschba.
      Anders als Artur mit seiner Mineralwasserabfüllung, setzt Nikolai auf modernste Technik. Wer in Russland das Kapital bereitgestellt hat, verrät er nicht. Aber immerhin nennt er die Summe: "Es handelt sich um drei Millionen Dollar. Für Sie klingt das vielleicht nicht nach viel, aber für unsere Verhältnisse ist das enorm.�
      "Wir waren der größte Steuerzahler in Abchasien�, sagt er, "weil das Geschäft sehr gut lief. Doch jetzt macht der russische Zoll Ärger. Und ohne den russischen Markt können wir in zwei Monaten dicht machen.� Schwierigkeiten mit dem Zoll können nur mächtige Russen ausräumen. Für Nikolais Fall interessiert sich Luschkow, der Buergermeister von Moskau. Der hätte die Macht und vielleicht auch ein eigenes, kapitales Interesse.
      Wer leitet die russischen Gelder in das von der Außenwelt blockierte Abchasien? Natürlich die Banken. Diese hier residiert im Zentrum der Hauptstadt Suchumi und gehört - dem Präsidentenberater Artur Mikwabija: "Alle Zahlungen von und nach Abchasien laufen über unsere russischen Partnerbanken. Und in dieser Bank steckt natürlich auch Kapital unserer russischen Geschäftsfreunde.�
      Zwei Hotels der besonderen Art. Ihr Besitzer: das russische Verteidigungsministerium. Im Bürgerkrieg wurden diese, wie sie in Russland heißen, Sanatorien zerstört. Doch das russische Militär kapitulierte nicht und gab die exklusive Meereslage nicht auf. Heute erholen sich wieder pensionierte und aktive Offiziere mit ihren Familien hier. "Abchasien ist Klasse�, sagt pensionierter Offizier. "Es ist Russland� - Der Pensionär drückt nur aus, was die meisten Gäste hier denken.
      Said Lakowa, Direktor des Militärhotels - ein Abchase und russischer Oberst der Reserve - dazu: "Das abchasische Volk gehört seit zweihundert Jahren zu Russland. Ohne Russland kann es nicht existieren�.
      Doch so einfach ist es eben nicht. Zwar sind russische Truppen in Abchasien präsent. Doch die sollen im Auftrag der UNO nur den mühsamen Burgfrieden zwischen Georgien und Abchasien garantieren. Offiziell gehört das abgefallene Abchasien immer noch zu Georgien.
      Eine Grenze verläuft zwischen den verfeindeten Brüdern. Russische Blauhelme kontrollieren sie. Tatsächlich sind im Grenzgebiet bewaffnete Überfälle auf beiden Seiten seltener geworden. Doch die Georgier stört, dass die Friedenstruppe nur aus Russen besteht. Sie fordern internationales Militär, das nicht nur abchasische Interessen und vielleicht auch mehr und mehr russisches Kapital schützt.
      "Die russischen Soldaten schützen die Bevölkerung. Sie sorgen für Sicherheit. Wenn das auch dem russischen Kapital nützt, umso besser�, meint der abchasische Grenzbeauftragte Ruslan Kischmarija. Doch nur wenige russische Rubel verirren sich ins arme Grenzgebiet, diese Pufferzone im georgisch-abchasischen Konflikt, in dem Russland geschickt seine eigenen Machtinteressen durchsetzt.

      Siehe: http://www.ndrtv.de/weltspiegel/20060611/georgien.html
      Avatar
      schrieb am 13.06.06 11:26:00
      Beitrag Nr. 9 ()
      Alle sogenannten - ehemaligen und noch bestehenden - Teilrepubliken, wurden mit Gewalt dem russischen Reich einverleibt.
      Mich wundert es überhaupt nicht, dass diese Länder ihre Unabhängigkeit einfordern und auch bereit sind, dafür zu kämpfen.
      Dies als innerrussisches Problem zu deklarieren verharmlost die Sache gewaltig, denn es spricht den Völkern, die immer noch unter der russischen Herrschaft darben, ihr Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität ab.
      Avatar
      schrieb am 18.06.06 11:42:32
      Beitrag Nr. 10 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 22.091.340 von Sealion am 13.06.06 11:26:00Damit sind wir aber auch bei dem Problem, daß es manchmal mit der Bestimmung recht schwierig ist, ab wann und mit welchem Kriterium ein Volk wirklich als unabhängige Nation betrachtet werden sollte.

      Zu Beginn des Krieges in Jugoslawien wollte ja in Europa niemand außer Deutschland und Österreich diese "Mini-Länder" Slowenien, Kroatien etc. unterstützen und für einige Monate hatten wir in der EU komischerweise ja die "Feindeslinien" wie im Ersten Weltkrieg.
      Als dann aber richtig geschossen wurde und die Serben sich sehr sonderbar zu benehmen begonnen haben, kam man doch zur Ansicht, daß auch ein kleines Land besser unabhängig sein sollte, falls damit das Schießen eher aufhört.

      Besonders lustig fand ich ja zu Beginn der 90er Jahre, wie supertoll die Westeuropäer über Jugoslawien Bescheid wußten und daß die EU damals den Luxemburger (!!!) Ministerpräsidenten in seiner Eigenschaft als EU-Ratsvorsitzenden nach Kroatien und Slowenien geschickt hatte, um vor einer Sezession vom damals noch großen Jugoslawien zu warnen, weil so kleine Länder in der erweiterten Union große Überlebensprobleme haben würden. Nach einem Blick auf die Landkarte Europas und die "relative Größe Luxemburgs" fanden das natürlich auch die kroatischen und slowenischen Führungen außergewöhnlich überzeugend.
      Lustig war auch dieser Dialog zwischen dem damaligen belgischen und dem österreichischen Außenminister während einer hitzigen EU-Sitzung (wobei ich aus verständlichen Gründen ihre Namen besser verschweige! ;) ):
      Der Belgier sagte: "Es ist völlig unverständlich, daß die Kroaten und die Serben wegen einer geplanten Sezession - die wir nicht unterstützen sollten - aufeinander schießen, wo doch beide Jugoslawisch sprechen!"
      Der Österreicher erwiderte: "Ja, genau so wie Sie zu Hause ja nur Belgisch sprechen!"
      :rolleyes:

      Andererseits kann ich ja mal ein paar Details über die Bevölkerung Georgiens im nächsten Posting bringen, nur um mal zu zeigen, wieviel "wir" in unserem westeuropäischen "Wolkenkuckucksheim" über diese Region wissen.
      ;)
      Avatar
      schrieb am 18.06.06 12:25:43
      Beitrag Nr. 11 ()
      Fragen wir uns doch beispielsweise mal, welche von den folgenden Völkern unbedingt mit der freundlichen Waffenhilfe anderer Staaten von irgendeinem Nachbarn unabhängig werden sollten:

      Zitiert aus Rudolf A. Mark: Die Völker der Sowjetunion, ISBN 3-531-12075-1, Westdeutscher Verlag, Opladen 1989.

      Georgier
      Eigenbezeichnung (EB): Kartveli
      Russisch: Gruziny
      3,571 Millionen (1,36 % d. gesamten Bev. d. UdSSR)
      96,1 % der G. leben als Titularnation in der Georgischen SSR
      (69 700 qkm, Hauptstadt: Tiflis).
      Das Volk der G. ist aus der Vereinigung der autochthonen Kau¬kasischen (kartvelischen) Stämme und Gruppen der Kartlier, Kachetier, Gudamakaren, Mes'chier, Dschawachen, Ingiloi, Tuscha, Chewsuren, Pschawelier, Mochewi, Mtuilier, Imerelier, Ratschwelier, Letschchumelier, Gurier und Adscharen hervorgegangen. Aus den Überlieferungen der Antike geht hervor, daß die Vorfahren der modernen G. bereits einige Jahrhunderte v. Chr. im Kaukasus an¬sässig waren. Ihre Christianisierung erfolgte seit dem 4. Jh. von Ar¬menien aus. Bis zum Ende des 10. Jh. standen die G. weitgehend unter dem Einfluß von Byzanz und Persien, die um die Hegemonie im Transkaukasus kämpften und nach heftigen Auseinanderset¬zungen die Region in zwei Einflußsphären teilten. Die Perser mu߬ten im 8. Jh. den eindringenden Arabern weichen, die Ostgeorgien unter die Kontrolle der Kalifen brachten. Der Niedergang der Macht der Kalifen und eine Schwächeperiode des byzantinischen Reiches ermöglichten dann die Vereinigung fast ganz Georgiens unter der einheimischen Bagratiden-Dynastie. Im 12. Jh. konnte die¬se außerdem den größten Teil Armeniens unter ihre Herrschaft bringen. Dieses georgische Reich konnte sich mit wechselndem Er¬folg - und seit dem 13. Jh. den Mongolen tributpflichtig - bis ins 15. Jh. hinein behaupten. Der inzwischen hoch entwickelte Feudalis¬mus der G. führte dann zu einer Aufsplitterung des Reiches in Teil¬staaten, deren Fürsten rasch zu Vasallen der ihren Einfluß auf Transkaukasien wieder ausdehnenden Perser und des aufsteigen¬den Osmanenreiches wurden. Seit dem Ende des 16. Jh. traten auch schon die russischen Zaren als Schutzherren vor allem der König¬reiche Kachetien, Imerelien und Kartlien auf. Nach der kurzen Blü¬te eines ganz Ostgeorgien umfassenden transkaukasischen König¬reiches unter Irakli II. in der zweiten Hälfte des 18. Jh. begann seit 1801 die schrittweise Annexion der Königreiche und Fürstentümer durch Rußland, das - meist auf die Bitte einzelner Herrscher - über die einzelnen Territorien zunächst Protektorate errichtete. Nach zahlreichen Aufständen wurden diese annektiert und so bis 1878 al¬le georgischen Gebiete dem russischen Reich eingegliedert. Beein¬flußt von der kritischen russischen Intelligenz formierte sich gegen Ende des 19. Jh. eine schmale georgische Nationalbewegung, die im Widerstand gegen Russifizierungsversuch in die Rolle einer politi¬schen Opposition hineinwuchs. Aus ihren Reihen entstanden eine georgische sozialdemokratische Gruppe - zu der auch Stalin gehör¬te -, in der später die Menschewiki dominierten, die auch die Unter¬stützung von Teilen der Landbevölkerung gewinnen konnten.
      Auch nach der Oktoberrevolution blieben die Menschewiki die bestimmende politische Kraft in Georgien. Unter ihrer Führung er¬klärten die G. bereits im November 1917 ihre Unabhängigkeit von Rußland und bildeten mit Armenien und Aserbaidschan ein gegen die Türkei gerichtetes Transkaukasisches Kommissariat, das im April 1918 die Transkaukasische Demokratische Föderative Repu¬blik proklamierte. Diese zerbrach jedoch bald an internen Mei¬nungsverschiedenheiten, und am 26. Mai 1918 erklärte sich Geor¬gien zu einer unabhängigen Republik. Es folgten nun unter dem Schutz einer deutschen, später einer britischen Protektoratsmacht fast drei Jahre der Unabhängigkeit, die im Mai 1920 auch von So¬wjetrußland anerkannt wurde. Nachdem die Bolschewik! jedoch den russischen Bürgerkrieg gewonnen hatten, eroberten ihre Trup¬pen auch Georgien und proklamierten am 25. Februar 1921 die Ge¬orgische SSR. Gegen den Widerstand auch georgischer Bolschewiki wurde diese im Dezember 1922 mit Armenien und Aserbaidschan zur Transkaukasischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik zusammengeschlossen. Nach deren Auflösung erhielt Georgien im Dezember 1936 den Status einer SSR.
      Die Sowjetisierung Georgiens stieß auf erheblichen Wiederstand. Erst nachdem sie im Sommer 1924 einen mehrwöchigen Aufstand der G. niedergeschlagen hatten, waren die Bolschewik! endgültig Herr der Lage. Eine breit angelegte Bildungskampagne und eine zielstrebig vorangestriebene Industrialisierung kennzeichneten die Entwicklung bis zum Ende der 20er Jahre. Mit Erfolg wurde auch die Anbaufläche für Tee, Tabak und Zitrusfrüchte als Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Produktion erweitert. Ab 1929 wurden die überwiegend auf kleinen Höfen wirtschaftenden Privatbauem zwangskollektiviert. Damit setzte die Periode stalinistischer Zwangsmaßnahmen auch in Georgien ein, dessen Industrialisie¬rung mit den Schwerpunkten Montan- und Maschinenbauindustrie sowie Energiegewinnung seit 1932 mit Brachialgewalt forciert wur¬de. Den Höhepunkt bildeten ab 1937 Säuberungen, denen fast die gesamte georgische Intelligenz- und Führungsschicht zum Opfer fiel.
      Die Wirtschaft der modernen Georgischen SSR wird durch me¬tallurgische Betriebe und hochentwickelte Branchen des Spezialma¬schinenbaus - vor allem auch für den landwirtschaftlichen Be¬reich-bestimmt. In der Schwerindustrie dominieren der Abbau von Kupfer, Mangan und Steinkohle. Georgiens Landwirtschaft lie¬fert ca. 95 % der gesamten sowjetischen Teeproduktion. Daneben ist der Weinanbau und die Produktion von Obst, Gemüse und Zitrusfrüchten von überregionaler Bedeutung, wobei sich die Erträge der privaten Landwirtschaft auf teilweise über 50 % der gesamten Ernte belaufen.
      1987 hatte die Georgische SSR 5,3 Millionen Einwohner. Mit 69 % bilden die G. die größte Bevölkerungsgruppe vor —> Arme¬niern und Russen mit 9 % und 7 %. Ihnen folgen -> Aserbaidscha¬ner, —> Osseten und kleinere Gruppen anderer Nationalitäten.
      Das Georgische gehört zum südwestlichen Zweig der kaukasi¬schen Sprachen. Als Schrift dient das seit dem 5. Jh. gebräuchliche georgische Mchedruli - Alphabet.
      Die G. sind mehrheitlich orthodoxe Christen.
      Lit.: Sarkisyanz, E.: Geschichte der orientalischen Völker Rußlands bis 1917. Eine Ergänzung zur ostslawischen Geschichte Rußlands. München 1961; Lang, M. D.: A Modem History of Georgia. London 1962; Allen, W. E. D.: A History of the Modern Ceorgian People. From the Beginning down to the Russian Conquest in the Nineteenth Century. London21971

      Abchasier EB.: Apsua russ.: Abchazy
      91.000
      Rund 91 % der A. leben als Titularnation in der Abchasischen ASSR (=Autonome Sozialistische Sowjetrepublik) (Hauptstadt Suchumi), deren Territorium 8 600 qkm innerhalb der Georgischen SSR umfaßt.
      Die A. gehören zu den autochthonen Völkern des Nordwest-Kaukasus. Bereits im 6. Jh. wurden sie von Byzanz aus christiani¬siert. Seit Beginn des 9. Jh. besaßen sie ein unabhängiges König¬reich, das 978 mit Georgien vereint wurde, hn 15. Jh. kamen die A. unter den Einfluß der in ihr Gebiet eindringenden Osmanen und wurden zu einem großen Teil islamisiert. hn Zuge der russischen Expansion im Kaukasus wurde ihr Land 1810 russisches Protekto¬rat, 1864 wurde es dem russischen Kaiserreich eingegliedert. In der Folgezeit gab es zahlreiche antirussische Erhebungen und bis zum Ende des 19. Jh. Auswanderungswellen von A. in die Türkei. Nach der Oktoberrevolution wurde im Februar 1922 eine Abchasische SSR proklamiert, die jedoch 1930 diesen Status verlor und als ASSR der Georgischen SSR angeschlossen wurde.
      Das Abchasische gehört zur Gruppe der nordwestkaukasischen Sprachen. Als Schrift dient seit 1954 das kyrillische Alphabet.
      Die A. sind zum Teil sunnitische Muslime, zum Teil orthodoxe Christen.
      Lit.: Akiner, S.: Islamic Peoples of the Soviet Union. London/Boston/ Melboume/Henley 1983; Sarkisyanz, E.: Geschichte der orientalischen Völ¬ker Rußlands bis 1917. Eine Ergänzung zur ostslawischen Geschichte Ru߬lands. München 1961; Benet, S.: Abkhasians. The long-living People of the Caucasus. New York/Chicago/San Francisco/ Atlanta/ Dallas/ Montreal/ Toronto/London/Sydney 1974
      Adscharen EB.: Adzareli russ.: Adzarcy
      Genaue Anzahl unbekannt. Schätzung: 130-160.000.

      Die A. leben überwiegend in der Adscharischen ASSR (3 000 qkm,
      Hauptstadt: Batumi), Georgische SSR.
      Die A. sind ein georgisches Volk an der Südostküste des Schwar¬zen Meeres. Bereits im 4. Jh. christianisiert, wurden die A. im 10. Jh. dem Königreich Georgien eingegliedert. Seit der Mitte des 16. Jh. standen sie unter der Herrschaft der Türken, von denen sie islami-siert wurden. 1878 wurden die A. dem russischen Reich eingeglie¬dert.
      Nach der Oktoberrevolution wurde von den Bolschewik! gegen den Widerstand der A. im Juli 1921 die Adscharische ASSR im Rah¬men der Georgischen SSR proklamiert.
      Das Adscharische gehört zu den ostkaukasischen Sprachen. Lite¬ratursprache ist Georgisch.
      Die A. sind sunnitische Muslime.
      Lit.: Akiner, S.: Islamic Peoples of the Soviet Union. London/Boston/ Melbourne/Henley 1983

      Osseten EB.: Iren, Digoron russ.: Osetiny
      542.000
      55,2. % der 0. leben in der Nordossetischen ASSR (8 000 qkm, Hauptstadt: Ordschonikidze), RSFSR, 12 % im Südossetischen Au¬tonomen Gebiet (Hauptort: Zchinwali), Georgische SSR.
      Vorfahren der 0. waren die zu den Skythen und Sarmaten zäh¬lenden iranischsprachigen Alanen des Zentralkaukasus, die bereits im 6. Jh. von Byzanz teilweise christianisiert wurden. Gegen die sie bedrängenden Chasaren und Araber organisierten sie sich seit dem 9. Jh. in einem mächtigen staatsähnlichen Verband, der sich bis ins 12. Jh. hinein halten konnte. Nach dessen Aufsplitterung kamen die Alanen-0. zu Beginn des 13. Jh. unter die Herrschaft der Mongolen, durch deren wiederholte Einfälle sie allmählich nach Süden in die Gebirgskette des Kaukasus abgedrängt wurden. Durch die Zerstö¬rung ihres Reiches und die Vermischung mit anderen Kaukasusvölkem verloren die 0. bis zum 16. Jh. weitgehend ihre iranische Iden¬tität. Außerdem lebten sie von nun an in drei sich auseinander entwickelnden Territorialgruppen: Iron, Tualläg und Digor. Während die Iron-0. früh und am längsten russischem Einfluß unterlagen, assimilierten sich die Tualläg an die -> Georgier, die Digor vor al¬lem an die ihnen benachbarten —> Kabardiner. Unter dem Einfluß der kabardinischen Herrscher wurden letztere im 16. Jh. islamisiert. Mit denen der Kabardiner wurden auch die Gebiete der 0. schon in der zweiten Hälfte des 16. Jh. russisches Protektorat. Seit 1767 wur¬den die 0. teils auf eigenen Wunsch, teils gegen heftigen Wider¬stand bis zur Mitte des 19. Jh. dem russischen Reich eingegliedert und christianisiert. Nach der Oktoberrevolution wurden die nördli¬chen Gebiete der 0. als Ossetischer Kreis der im November 1920 proklamierten Gorskaja (Berg) ASSR eingegliedert. Nach deren Auflösung wurde der Kreis im Juli 1924 zum Nordossetischen Au¬tonomen Gebiet erklärt, das im Dezember 1936 den Status einer ASSR erhielt. Das südliche Ossetien wurde im April 1922 als Südossetisches Autonomes Gebiet der Georgischen SSR eingegliedert.
      Ein Teil der Digor-O. wurde 1943 - wegen angeblicher Kollabo¬ration mit den Deutschen - nach Zentralasien deportiert. Ihre Reha¬bilitierung und Rückkehr in die Heimatgebiete erfolgte Ende der 50er Jahre.
      Das Ossetische gehört zur nordöstlichen Gruppe der iranischen Sprachen. Es ist seit dem Ende des 18. Jh. Literatursprache. Als Schrift wird seit 1954 das kyrillische Alphabet benutzt.
      Die 0. sind orthodoxe Christen, zum Teil sunnitische Muslime.
      Lit.: Akiner, S.: Islamic Peoples of the Soviet Union. London/Boston/ Melbourne/Henley 1983; Trilati, T.: Literature on Ossetia and the Osseti-ans. In: Caucasian Review 6 (1958), S. 107-126
      Avatar
      schrieb am 18.06.06 12:30:02
      Beitrag Nr. 12 ()
      Das waren im vorangehenden Posting die bedeutendsten Völker innerhalb der international anerkannten Staatsgrenzen des heutigen Georgien und komischerweise haben davon nur die Abchasen mit Hilfe der russischen Waffenbrüder - die noch komischererweise auch die Friedenstruppe im Konfliktgebiet stellen - ihre "Unabhängigkeit" von Georgien erkämpfen können.
      Tja, und jetzt können wir uns überlegen, wen von all diesen Völkern wir im Jahre 2025 unbedingt in die EU aufnehmen sollten, denn Europa reicht ja im Prinzip geographisch bis zum Ural.
      ( ;) Wuahaha!)
      Avatar
      schrieb am 02.10.06 16:41:40
      Beitrag Nr. 13 ()
      Weil doch gestern Herr Putin im Kreml mal wieder seine KGB-Erziehung heraushängen ließ und den Georgiern fast so altväterlich wie Väterchen Stalin sagte, sie sollten sich mit ihren neuen Freunden im Westen nicht gar so sicher fühlen, möchte ich mal wieder auf ein schönes neues Buch hinweisen, das gestern auch in der ARD-Kultursendung "Titel, Thesen, Temperamente" erwähnt wurde. Leider gibt es dort noch keine nachlesbare Internetseite, weshalb ich mal diesen Link anbiete:
      http://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=13251
      Es ist schon komisch, was Journalisten in Rußland so alles zustoßen kann, wenn sie etwas gegen die Mafia vor und/oder hinter den Kreml-Mauern schreiben.
      Avatar
      schrieb am 02.10.06 17:23:06
      Beitrag Nr. 14 ()
      im septemberheft von GEO war ein artikel zu einer anderen russischen teilrepublik:

      http://www.geo.de/GEO/kultur/gesellschaft/51392.html

      ist schon manchmal recht merkwürdig, was so in unserer welt passiert, ohne dass wir es in unserer informationsgesellschaft mitbekommen :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 04.10.06 11:53:06
      Beitrag Nr. 15 ()
      Tja, genauso "isses halt", wenn da immer so wenig Journalisten frei herumlaufen dürfen.
      Manchmal sind ja auch die Gedenksteine und Mahnmale in bestimmten Regionen am interessantesten. Ich war beispielsweise 1996 sehr (unangenehm) überrascht, in Suceava (Nord-Rumänien, Süd-Bukowina) ein Mahnmal zu sehen, das an die rumänischen Opfer des gemeinsamen deutsch-rumänischen Angriffs 1941 auf die Sowjetunion erinnerte.
      Für die Rumänen in dieser Region war dieser Angriff keineswegs der "heimtückische Überfall" wie in unserer westeuropäischen Geschichtsschreibung, sondern der "gerechte militärische Versuch" Rumäniens, die von Stalin annektierten rumänischen Gebiete der Bukowina und Moldawiens wieder zurückzuerobern, wobei bei den Rumänen ein bißchen in der Geschichtsschreibung auf der Strecke geblieben ist, daß Stalin sich diese Gebiete ja durch das geheime Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts über die Aufteilung Osteuropas wieder einverleiben "durfte", während Hitler dafür Polen und Tschechien "behalten" durfte.
      Deshalb müßten ja eigentlich auch die Deutschen von den Rumänen dafür verantwortlich gemacht werden, aber nein, die Deutschen sind heute in Rumänien außergewöhnlich beliebt, weil sie nie territoriale Ansprüche gegen Rumänien erhoben hatten und die "natürlichen Verbündeten" der Rumänen im Kampf gegen den "russisch-sowjetischen Imperialismus" waren.
      Es ist schon irgendwie "sehr komisch" für mich gewesen, u.a. als Deutscher in Rumänien bei Geschichtsdiskussionen so beliebt zu sein, weil Hitler-Deutschland den Rumänen "helfen wollte", die von Stalin annektierten rumänischen Gebiete zurückzu"gewinnen".
      :(
      Avatar
      schrieb am 04.10.06 13:27:49
      Beitrag Nr. 16 ()
      soweit ich weiß hast du selbst einmal gesagt das der kampf der russen gegen die tschetschenen okay wäre weil sie damit islamische terroristen bekämpfen würden.

      sprich der terror der russen ist schlimm, aber der terror der tschetschenischen moslems ist schlimmer.

      deine krokodilstränen bezüglich der tschetschenen kann ich nicht ganz nachvollziehen - ich habe vielmehr den eindruck das gequälte tschetschenische volk wird instrumentalisiert um amerikakritische user im wo-board vorzuführen.
      Avatar
      schrieb am 09.10.06 13:42:57
      Beitrag Nr. 17 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 24.396.633 von eierdieb am 04.10.06 13:27:49Ich habe auch an anderen Stellen nie etwas anderes geschrieben als in der zweiten Hälfte von Posting # 2 in diesem Thread unter "Private Anmerkungen" steht. Dort ist recht detailliert der Fortlauf der Ereignisse zum Krieg in Tschetschenien geschildert, wobei Verbrechen beider Seiten genannt werden und wie es dazu kam.

      Es wäre schön, wenn Du diesen Text nochmal komplett lesen würdest ohne gleich irgendwelche Beschuldigungen auszusprechen und ich verstehe nicht, wieso Du anderen immer so gern Böswilligkeit wie hier mal wieder in Form von der Beschuldigung von "Krokodilstränen" unterstellen willst.
      Avatar
      schrieb am 09.10.06 13:55:21
      Beitrag Nr. 18 ()
      Im übrigen kann man schon anhand des Mordes an Anna Politkowskaja am vergangenen Samstag im Fahrstuhl ihres Wohnblocks feststellen, daß es immer noch einen kleinen Unterschied der Wertschätzung von Repräsentanten der öffentlichen Meinung gibt zwischen den USA und Rußland:
      In Rußland werden dem Kreml lästig gewordene regierungs- und kriegskritische Journalisten nach einigen Warnungen einfach vor ihrer eigenen Haustüre ermordet!
      Die Gegenbeispiele aus den USA dazu fehlen mir einfach noch.

      Und wenn jemand noch mehr zum Krieg in Tschetschenien wissen oder mich weiter kritisieren will, dann soll er doch bitte noch vorher das Buch von Anna Poltikowskaja lesen, das in diesem Link aus dem vorletzten Jahr empfohlen wurde:
      http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/25/0,1872,2019929,00.html
      Besser als in diesem Buch der vor drei Tagen ermordeten größten Tschetschenien-Kennerin könnte meine Meinung nicht wiedergegeben werden!
      Avatar
      schrieb am 09.10.06 14:07:56
      Beitrag Nr. 19 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 24.516.082 von Auryn am 09.10.06 13:55:21http://www.tagesthemen.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID358122…
      Avatar
      schrieb am 09.10.06 14:10:16
      Beitrag Nr. 20 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 24.516.082 von Auryn am 09.10.06 13:55:21http://www.perlentaucher.de/buch/13031.html
      Avatar
      schrieb am 09.10.06 14:14:40
      Beitrag Nr. 21 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 24.516.082 von Auryn am 09.10.06 13:55:21http://www.zdf.de/ZDFheute/inhalt/20/0,3672,3986004,00.html
      Avatar
      schrieb am 11.10.06 12:52:45
      Beitrag Nr. 22 ()
      Weitere interessante Links gibt's übrigens auf der 3sat-Seite für die Sendung "Kulturzeit" vom vergangenen Montag.
      (Das Verlinken ist auf dieser speziellen Seite aber gar nicht so einfach für mich.)
      Avatar
      schrieb am 17.10.06 09:15:26
      Beitrag Nr. 23 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 24.346.421 von greatmr am 02.10.06 17:23:06Kleiner Nachtrag, weil ich gerade etwas Zeit habe:
      Vielen Dank nochmal an "greatmr" für diesen sehr informativen Artikel, in dem es um die an die Bukowina und Rumänien angrenzende ehemalige Sowjetrepublik Moldawien mit rumänischer Bevölkerungsmehrheit sowie ihr abtrünniges Republikchen Transnistrien mit russischer Bevölkerungsmehrheit geht:

      http://www.geo.de/GEO/kultur/gesellschaft/51392.html

      Soweit ich mich erinnern kann, hat dieses Transnistrien witzigerweise niemals zum historischen Großrumänien plus Moldawien gehört, weshalb die kriegerischen Handlungen in diesem Konflikt zusätzlich absurd auf mich wirkten. Rumänien reichte in Friedenszeiten auch in seinen "glorreichsten Zeiten" nie über den Dnjestr hinaus. Es leben zwar auch auf dem Ostufer Rumänen, aber deswegen Transnistrien zu beanspruchen, ist für Moldawien ziemlich weit hergeholt. Transnistrien gehörte zu Sowjetzeiten vermutlich überhaupt nur zu Moldawien, weil Stalin gerne Besatzungstruppen an den Rändern der "Bruderstaaten" stationierte, die sich in diesem Fall dann darauf berufen konnten, daß sie ja "Staatsangehörige" von dem Bruderstaat waren, die zum Schutz der Brüder "Konterrevolutionen" verhindern konnten und sollten. Leider ist wahrscheinlich nur und ausschließlich der jahrzehntelang angestaute Haß auf die russischen Besatzungs- und "Russifizierungstruppen" bei den rumänischstämmigen Moldawiern der eigentliche Grund gewesen, in den 90er Jahren einen Krieg gegen das bis dahin niemals "unabhängige" Transnistrien zu beginnen. Beispielsweise war Russisch in vielen Teilen Moldawiens nach dem Zweiten Weltkrieg über 20 Jahre lang die einzige und offizielle Amtssprache. Man stelle sich bitte mal vor, in der früheren DDR hätte bis 1965 in Ämtern und Schulen nur und ausschließlich Russisch gesprochen werden können und dürfen - und die Amtsleiter und Bürgermeister wären fast alle Russen gewesen!

      Leider sind übrigens die romanischen Sonderzeichen bei dieser Internetversion des obigen Artikels verschollen, so daß die Hauptstadt von Moldawien nicht etwa wie in diesem Artikel "Chiinu" heißt, was ziemlich "chinesisch" wäre, sondern eher "Chisinau" geschrieben werden müßte, wobei das "s" ein frz. "cedille" oder ein Komma unten im Bogen hätte wie im frz. "garcon" und das "a" einen nach oben geöffneten Halbkreis, wenn ich mich nicht irre.
      Gesprochen würde die Stadt dann am ehesten "Kischi-no-u" heißen oder eben auf Deutsch "Neu-Kischin".
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 13:01:44
      Beitrag Nr. 24 ()
      Nachdem gerade in London mal wieder ein ehemaliger KGB-FSB-etc.-Mitarbeiter gestorben "worden" ist, würde mich ja eigentlich mal eine Statistik interessieren, wieviel Leute mit russischer Staatsbürgerschaft auf ehemals politisch, journalistisch oder geheimdienstlich "interessanten" Posten seit dem Amtsantritt von Herrn Präsident Putin das Zeitliche gesegnet haben - besonders, wenn sie nicht "voll auf Kreml-Linie" gelegen haben.

      Also unter den Politikern und Abgeordneten hat da seit Putins Amtsantritt geradezu ein richtiges "Massensterben" eingesetzt. Die erste Politikerin, die auch im Westen mit ihrer Ermordung Aufsehen erregen konnte, war Galina Starowoitowa, Abgeordnete von St. Petersburg, die immer wieder die Verflechtung von russischer Wirtschaftsmafia und Militärs sowie von korrupten Politikern in St. Petersburg in der Staatsduma zur Sprache brachte. Außerdem hat sie es doch tatsächlich gewagt, den Irren Schirinowski auch als solchen zu bezeichnen.
      Eines Morgens dann vor ihrer Haustür: PENG! Eine Sorge weniger für den Kreml und für die Schirinowski-Nazis.

      Dann war da ein Abgeordneter namens Gowolojow (oder so ähnlich), der u.a. für den Putin-feindlichen Milliardär Beresowski arbeitete - der selbst heute übrigens in politischem Asyl in London lebt: Peng!
      Wieder eine Sorge weniger und man hörte damals aus Kreisen Beresowskis, daß dieser Abgeordnete eigentlich schon Nr. 13 oder Nr. 14 aus der Liste der Duma-Abgeordneten wäre, der zwischen 1997 und 2002 eines ungeklärten und ziemlich unnatürlichen Todes gestorben wäre.

      Dann wäre da eigentlich auch noch die Reihe ungeklärter Todesfälle von Offizieren und mindestens einem General, die irgendwas mit Kritik am Krieg in Tschetschenien zu tun hatten. Das waren so ca. 25 tödliche Autounfälle (tjaja, der viele Wodka in Armeekreisen) und 5 Hubschrauberabstürze (tja, die schlechte Wartung, da kann man halt nichts machen), wobei auch der General und ehemalige Gegenkandidat bei der Wahl von Jelzin zum Präsidenten ums Leben kam, der dieses Mops-Gesicht hatte, aber immer sagte, daß Tschetschenien nicht das Leben von so vielen seiner jungen Soldaten Wert war. Wie hieß er doch gleich wieder?

      Dann ist da noch vor kurzem diese "bösartig schreibende und Kreml-feindliche" Journalistin Anna Politkowskaja im Fahrstuhl von ihrem Wohnblock ermordet worden.
      Naja, das werden bestimmt wieder diese "Hooligans" gewesen sein, die immer wieder nach verwestlichten Popkonzerten randalierend durch die Straßen Moskaus und Petersburgs ziehen. Da wird man wohl auch wieder keinen Täter finden können, denn schon bei der Galina Starowoitowa hat's ja auch kein Schwein im Westen interessiert, wer ihr Mörder war. Und wenn man doch mal einen finden sollte, dann war's mit Sicherheit so ein drogensüchtiger Alkoholiker, der nur die Handtasche rauben wollte, um seine typisch westlich-dekadente Drogensucht zu finanzieren. Und die Politkowskaja wollte ihm einfach nicht ihre Handtasche geben, weil da die letzten Briefe von Flüchtlingen aus Tschetschenien drin waren. Wir wissen schließlich alle, wie gierig diese Journalisten nach ihrer neuesten "Story" sind.

      Tja, so ist Rußland eben und wir im Westen müssen dafür alle bestimmt noch sehr viel Verständnis aufbringen, denn schließlich hat da jemand bei uns in einem Interview gesagt, daß der Chef von Rußland "ein lupenreiner Demokrat" ist. Und wir wissen ja jetzt auch, was russischen Abgeordneten und Journalisten passiert, die so unfreundlich sind, das nicht glauben zu wollen: Ungefähr dasselbe, das ungehorsamen Gefolgsleuten von Al Capone passiert ist ...
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 13:14:33
      Beitrag Nr. 25 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.657.690 von Auryn am 24.11.06 13:01:44ein lupenreiner Demokrat

      Putin ist eher ein lupenreiner Faschist und unser Ex-Sozi-Kanzler hat sich damit als "Kotzbrocken des Jahres" qualifiziert :mad:
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 13:23:25
      Beitrag Nr. 26 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.657.878 von Gnadenloser am 24.11.06 13:14:33Nachdem ich mal zwei oder drei Diplomaten persönlich gesprochen habe, "würde ich das so nicht ausdrücken wollen".
      In meiner Eigenschaft als "interessierter Beobachter" wollte ich nur "meiner tiefen Besorgnis" angesichts der westlichen Fehleinschätzungen bezüglich Rußlands Entwicklung auf dem Weg zur Demokratie "einen angemessenen Ausdruck verleihen".
      ;)
      Man kann es natürlich auch so wie Du ausdrücken, aber man wird dann eben bestimmt nicht mehr zum Staatsbankett in die Paläste von Peter dem Großen eingeladen ...
      :(
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 13:31:28
      Beitrag Nr. 27 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.657.690 von Auryn am 24.11.06 13:01:44Ach ja, jetzt fiel es mir gerade wieder ein: Der unkonventionelle General und Ex-Präsidentschaftskandidat mit dem Mops-Gesicht, der damals mit seinem "schlecht gewarteten" Hubschrauber vom Himmel fiel, war Alexander Lebed.

      Er war nicht unbedingt mein absoluter Favorit, weil auch er der - mittlerweile vielleicht etwas verständlicheren - Meinung war, Rußland bräuchte eine "gelenkte Demokratie", aber ich könnte meinen gesamten Besitz darauf verwetten, daß unter seiner Präsidentschaft wesentlich weniger Leute ums Leben gekommen wären als unter der von "Präsident Putin", weil Lebed als General keinen Sinn darin sah, "zehntausende junger Russen für Tschetscheniens strategische Lage zu opfern".
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 13:51:12
      Beitrag Nr. 28 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.658.013 von Auryn am 24.11.06 13:23:25Starowoitowa, Politkowskaja, Litwinenkos und viele Andere an ganz komischen Umständen gestorben, Litwinenkos Tod hätte nicht sadistischer sein können :cry:

      Alles Zufälle? :confused:

      Moskau will davon nichts wissen: Die Aufklärung des Todes des Ex-Spions sei jetzt Sache der Briten.

      Also Null Interesse an der Aufklärung eines Mordes!

      Warum?

      Außerdem beschuldigte Litwinenko FSB-Beamte, 1999 die blutigen Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Russland koordiniert zu haben.

      Diese kosteten rund 300 Menschen das Leben und waren Auslöser für den zweiten Tschetschenien-Krieg.

      Man muß nir nicht sagen: "Das ist Jauche!"

      Ich kann Sie ganz alleine riechen...
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 14:46:00
      Beitrag Nr. 29 ()
      Tja man muss sich wohl damit abfinden, dass sich der eine oder andere hier lieber über die Unbequemlichkeiten beim Einreisen in die USA empört, als über die Sauereien, die unter einem "lupenreinen Demokraten" in fast unmittelbarer Nachbarschaft so alltäglich sind.

      In dem Zusammenhang fällt mir ein, was ich heute morgen im Berliner Tagessspiegel gelesen habe. Ich geb das mal aus dem Kopf wieder:

      Lukaschenko gibt Wahlfälschung zu
      Weissrusslands Lukaschenko gab bekannt, er habe die Ergebnisse der Wahl gefälscht. Um die westliche Öffentlichkeit zu beruhigen, habe er sein Ergebnis auf 86% nach unten korrigiert. Eigentlich sei er nämlich von 93% gewählt worden. (Für mich könnte das auch ein echter Putin sein!)
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 15:06:36
      Beitrag Nr. 30 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.660.148 von Steinpilz am 24.11.06 14:46:00Versteh ich nicht, ich dachte immer bei solchen Wahlen bekommt der Kandidat 115%! :confused::laugh::laugh:
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 15:18:29
      Beitrag Nr. 31 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.660.905 von Gnadenloser am 24.11.06 15:06:36Ok, kann schon sein. Aber einer der 115% vermelden lässt, könnte selbst von Schröder nicht mehr als lupenreiner Demokrat verkauft werden. ;)
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 15:21:24
      Beitrag Nr. 32 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.661.447 von Steinpilz am 24.11.06 15:18:29Aber bis 98,3% geht das? :confused::laugh::laugh:
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 15:24:30
      Beitrag Nr. 33 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.661.612 von Gnadenloser am 24.11.06 15:21:24Das wäre ja ein echter Honecker. :laugh::D
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 15:27:58
      Beitrag Nr. 34 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.661.796 von Steinpilz am 24.11.06 15:24:30Warum klebten die Ulbricht-Briefmarken immer so schlecht?
      Die Leute spuckten alle auf die falsche Seite.

      XXXX

      Aus dem Programm des Parteitages der SED:

      1. Hereintragen des Präsidiums.
      2. Synchronisieren der Herzschrittmacher.
      3. Absingen des Liedes: "Wir sind die junge Garde des Proletariats."

      XXX

      MEIN LIEBLING:

      Jeden Morgen kauft ein Mann am Kiosk das Neue Deutschland,
      guckt auf die erste Seite und wirft die Zeitung dann in den Papierkorb.

      Eines Tages spricht die Zeitungsfrau ihn an. "Ich versteh sie nicht", sagt sie, "Sie werfen nicht mal einen Blick auf die Lokalseite oder die Sportberichte warum kaufen sie die Zeitung überhaupt?"
      "Wegen der Todesanzeigen."
      "Aber die stehen doch auf der letzten Seite."
      "Die mich interessieren, stehen auf der ersten Seite."
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 16:04:02
      Beitrag Nr. 35 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.661.948 von Gnadenloser am 24.11.06 15:27:58Langsam verfehlen wir hier das Thema. Trotzdem: Der letzte Witz ist klasse. Und er ist zeitlos. ;)
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 16:56:05
      Beitrag Nr. 36 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.663.625 von Steinpilz am 24.11.06 16:04:02O.K. zum Thema:

      Der einstige Oberst des Sowjetgeheimdienstes KGB Oleg Gordiewski sagte der britschen BBC am Freitag, der russische Geheimdienst habe „einen Mann mit einer Giftpille nach Großbritannien geschickt“.
      Das Gift sei in Litvinenkos Tee gegeben worden und habe ihn schließlich getötet.

      http://www.focus.de/politik/ausland/litvinenko_nid_39860.htm…
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 17:00:33
      Beitrag Nr. 37 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.666.262 von Gnadenloser am 24.11.06 16:56:05Mediziner haben im Körper des toten russischen Ex-Spions Alexander Litvinenko eine radioaktive Substanz gefunden.

      Im Urin des ehemaligen Agenten seien am Tag zuvor „hohe Konzentrationen“ des Elements Polonium 210 entdeckt worden, teilte die britische Behörde für Gesundheitsschutz am Freitag mit.

      http://www.focus.de/politik/ausland/ermittler_nid_39898.html

      http://de.wikipedia.org/wiki/Polonium
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 20:35:47
      Beitrag Nr. 38 ()
      Ohne Worte: Der aalglatte Putin bedauert den Tod von Litwinenko. Unglaublich dieser lupenreine Demokrat. Widerlich!
      Avatar
      schrieb am 24.11.06 20:42:21
      Beitrag Nr. 39 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.673.584 von Steinpilz am 24.11.06 20:35:47
      Avatar
      schrieb am 25.11.06 15:09:23
      Beitrag Nr. 40 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.673.849 von Gnadenloser am 24.11.06 20:42:21Die britische Polizei hat die Ermittlungen zur Aufklärung des tödlichen Giftanschlags auf den russischen Ex-Spion Alexander Litwinenko ausgeweitet. Britische Geheimdienstkreise wiesen nach Angaben der Zeitung "The Times" darauf hin, dass der Anschlag auf den Ex-Spion "deutliche Zeichen eines staatlich geförderten Attentats" aufweise. Vieles deute darauf hin, dass der Anschlag "durch ausländische Agenten ausgeführt wurde".

      Nach Ansicht deutscher Politiker ist der Fall Litwinenko nicht allein Sache der britischen Behörden. "Russland muss als Mitglied des Europarates selbst ein Interesse daran haben, dass solche Vorfälle schnell aufgeklärt werden, damit nicht falsche Spekulationen in Umlauf kommen", sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, der "Berliner Zeitung". Der Mord an der Moskauer Journalistin Anna Politkowskaja und der mysteriöse Tod Litwinenkos "werfen kein gutes Licht auf die Situation von Presse- und Meinungsfreiheit in Russland", sagte Nooke.

      http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6128334_REF…

      Eine Verschwörung gegen Russland?

      Nach dem Mord an dem russichen Ex-Spion Litwinenko ist der Kreml in Erklärungsnot. Der Verdacht richtet sich gegen die Führung des Landes. Russische Politiker und Zeitungen drehen den Spieß aber um. Sie fragen, ob der Tod Litwinenkos nicht dem Kreml schaden sollte.

      http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6129822_REF…

      Jetzt fehlt noch die Erklärung das Litwinenko Selbstmord begangen hat! :mad:
      Avatar
      schrieb am 26.11.06 13:10:27
      Beitrag Nr. 41 ()
      Auf der zugehörigen "normalen" Internetseite von 3sat gibt es auch noch interessante Links dazu:

      http://www.3sat.de/SCRIPTS/print.php?url=/kulturzeit/themen/…

      Übrigens vielen Dank für die verhältnismäßig rege Teilnahme an diesem Thread! (Die Witze haben mir übrigens auch gefallen, obwohl sie vielleicht schon ein bißchen veraltet sind.)
      ;)
      Übrigens:
      Ich möchte ja nicht wissen, was hier im Forum an neuen Diskussionen so alles gewesen los wäre, wenn beispielsweise in den USA auch nur ein Journalist - oder gar ein Parlamentarier - ermordet worden wäre, der auch nur einen Artikel gegen den Krieg im Irak geschrieben hätte.
      Da wären hier in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten wie Frankreich aber bestimmt ganz locker Hunderte von US-Flaggen verbrannt worden, "Dabbelju" und sein "Rumms-im-Feld" wären vor Dutzenden von improvisierten öffentlichen Gerichten als Kriegsverbrecher und Massenmörder angeklagt worden - möglichst noch in Sitzblockaden Tausender Freiwilliger vor den letzten "imperialistischen Besatzungs-Stützpunkten"!.

      Aber wenn in Rußland und seinem Lieblings-Satellitenstaat Weißrußland Dutzende von Parlamentariern, Staatssekretären und international bekannten Journalisten ermordet werden, dann überlegen sich hier nur ein paar ganz besonders "mutige" Politiker und Journalisten, daß man das vielleicht - nur vielleicht - mal vor dem Europarat zu Sprache bringen sollte, wo ja Rußland auch mal irgendwas über die Menschenrechte unterzeichnet hatte.
      Ist ja auch irgendwie verständlich, denn wo sollte man soviele Leute zum Demonstrieren finden, die die Namen der ermordeten Russen richtig aussprechen können, wenn man von denen ja auch so wenig hören will. Hauptsache, man macht gute Geschäfte mit überzeugten Anti-Demokraten in der russischen Regierung, mit denen man sich immer mal wieder zusammen gegen die "blutrünstigen US-Imperialisten" zur Wehr setzen kann, von denen man jahrzehntelang mit Coca Cola und Big Macs gequält worden ist.
      Und wo kriegt man als "Anti-Impi-Sponti" überhaupt auf die Schnelle eine russische Flagge zum Verbrennen her?

      Es könnte natürlich auch sein, daß der arme Herr Putin gar nicht weiß, was in seinem Land vor sich geht! (War das nicht auch mal ein typisch deutscher Satz: "Wenn das der Führer wüßte?" ?) Aber in einem Land mit Zehntausenden von KGB-FSB-Mitarbeitern und Hunderttausenden von Spitzeln in einem jahrzehntelang erprobten hierarchischen Geheimdienst-System, in dem der FSB immer noch ganze Städte als Sperrgebiete vollkommen beherrscht, soll der oberste Boss des Geheimdienstes nicht wissen, was vor sich geht?
      Dutzende von Parlamentariern, Journalisten und Wirtschaftsgrößen werden ermordet und NICHT IN EINEM EINZIGEN FALL kann man einen Täter ermitteln? In einem Land, das nach unseren Maßstäben ein FSB-Polizeistaat ist? DAS SOLLEN WIR "den schönen Augen Putins" GLAUBEN?

      Wenn "wir" Westeuropäer weiter so schön schlafen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn eines nicht mehr allzu fernen Tages "unsere" Journalisten an Polonium 210 "eingehen", zuerst bestimmt ein Journalist von der polnischen Gazeta Wyborcza, dann vielleicht mal einer vom deutschen "Spiegel" und bald danach wird es für die Freiheit in Europa vielleicht schon zu spät sein.

      Ob wir dann wohl nochmal von den "blutrünstigen US-Imperialisten" befreit werden?
      Avatar
      schrieb am 26.11.06 13:42:57
      Beitrag Nr. 42 ()
      Weil ich gerade noch das Posting # 42 für mich haben will,
      (Eingeweihte wissen schon, warum ;) )
      möchte ich noch darauf hinweisen, daß wir meiner Meinung nach einen großen Mangel an mutigen Journalisten in Deutschland haben.
      Wir haben uns in Deutschland und Westeuropa irgendwie das "Kriechen" und "Buckeln" vor potentiell großen Wirtschafts- und Handels-"Partnern" angewöhnt und wir machen mit Rußland genau denselben Fehler, den wir schon mit China gemacht haben. Und dann wundern wir uns eines Tages, wieso man als "Kriecher" dort verachtet, ohne Rücksicht kopiert und eines Tages erpreßt wird, wenn es von Nutzen ist, denn "Kriecher" kann man schließlich in einer (zurück-)kommenden Großmacht nicht ernst nehmen. "Kriecher" verhalten sich wie Lakaien und werden nach kurzer Zeit auch als solche behandelt.

      Vor fast zwei Jahren starb einer der mutigsten deutschen Journalisten mit großartigen Kommentaren zu diesem Thema und wenn wir uns an ihn erinnern, sollten wir in dem folgenden Kommentar vielleicht mal in Gedanken China durch Rußland ersetzen :

      Winfried Scharlau sprach am 29. April 1994 zum Besuch des Dalai Lama in Bonn in den " Tagesthemen" den folgenden Kommentar, der an Klarheit der in Diktion sowie Überzeugungskraft seiner Argumente und erst recht hinsichtlich der Unerschrockenheit seiner Kritik an den politischen Würdenträgern nichts zu wünschen übrig ließ.
      Zitat:
      " Der Dalai Lama, geistliches Oberhaupt der Tibeter, Verkörperung der Gewaltlosigkeit und Anwalt des Überlebensrechts der tibetischen Kultur, der Friedensnobelpreisträger von 1989, besucht Bonn, und wie bei seiner Reise zuvor haben weder der Bundeskanzler noch der Außenminister einen Gesprächstermin mit dem Gast vereinbart. Erst gestern ist der Dalai Lama in Washington von Präsident Clinton und Vizepräsident Gore empfangen worden. Die Regierung in Peking hat dies eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas genannt und protestiert. Clinton und Gore haben den Protest ignoriert und zum zweiten Mal ein Gespräch mit dem Dalai Lama geführt, das als Zeichen der Sympathie für diese bedrängte Zivilisation verstanden werden kann. Weder der Bundeskanzler noch der Außenminister haben den Gast aus Tibet je empfangen. Und nur ein Grund kann dieses offensichtliche Desinteresse erklären: die Furcht vor chinesischem Mißvergnügen, vor Protesten Pekings, also ein beschämender Mangel an Selbstbewußtsein dieser Regierung, die sich durch beflissene Rücksichtnahme geradezu anbietet, erpreßt zu werden, und dafür von den Chinesen hoffentlich verachtet wird. Der Blick auf Clinton und Gore offenbart, was unserer politischen Führung in Bonn abgeht: Würde, Selbstbewußtsein und Mut, um Prinzipien hochzuhalten und dem feigen Opportunismus, der sich als Diplomatie ausgibt, zu widerstehen. Und Schande auch über die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Scharping, die sich ebenfalls vor dem Gast aus Tibet drücken und die so verächtlich lavieren wie der Bundeskanzler und der Außenminister. Es ist an der Zeit, aus den peinlichen Fehlern der Ostpolitik zu lernen ..."

      Ich finde es wunderbar, daß es solche Kommentare einmal im deutschen Fernsehen gab und ich bedaure sehr, dass ich so etwas schon lange nicht mehr gehört habe.
      Deutschland ist im Dezember 2004 um einen fabelhaften Journalisten von großartiger Integrität ärmer geworden.
      Avatar
      schrieb am 26.11.06 14:17:03
      Beitrag Nr. 43 ()
      Und irgendwie paßt nach meiner Meinung ganz allgemein sogar dieser Link hier noch dazu:
      http://www.3sat.de/SCRIPTS/print.php?url=/kulturzeit/themen/…
      Avatar
      schrieb am 26.11.06 19:59:19
      Beitrag Nr. 44 ()
      Denn viele Verdachtsmomente deuten darauf hin, dass der wütende Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit radioaktivem Material ermordet wurde, das aus einer russischen Atomanlage stammte.

      http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,450786,00.html
      Avatar
      schrieb am 28.11.06 15:56:03
      Beitrag Nr. 45 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 25.730.432 von Gnadenloser am 26.11.06 19:59:19Die britische Polizei hat an weiteren Orten in London Spuren der hochgiftigen radioaktiven Substanz Polonium entdeckt.
      Nachgewiesen wurden sie unter anderem in einem Restaurant, einem Hotel sowie dem Büro des russischen Milliardärs Boris Beresowski.
      Beresowski gilt wie der vermutlich durch eine Polonium-Vergiftung getötete ehemalige russische Agent und Alexander Litwinenko als Kritiker der russischen Regierung.

      http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6135210_REF…
      Avatar
      schrieb am 07.12.06 17:15:13
      Beitrag Nr. 46 ()
      Noch ein paar interessante Hinweise und zusätzliche Links am Schluß dieses Texts:

      Mysteriöse Morde
      Ist der russische Staat zum Serienkiller geworden?

      Diese Druckversion ist zu finden unter http://www.3sat.de/SCRIPTS/print.php?url=/kulturzeit/themen/…

      Am Abend des 4. Dezember 2006 wurde der Generaldirektor eines Gastunternehmens in der russischen Provinzhauptstadt Samara erschossen. Es war einer der täglichen Auftragsmorde in Putins Reich. Wir registrieren nur die spektakulären Morde an Journalisten und Regimekritikern. Die zahlreichen Tötungen von weniger prominenten Geschäftsleuten, Ex-Geheimdienstlern und Bankern sind hier kaum eine Notiz wert. Viel mediale Aufmerksamkeit erregte dagegen der Mord an dem Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko. Sein Tod wirft immer mehr Fragen auf.


      Die russische Realität zeigt immer wieder, dass sie jedem Drehbuchautoren weit überlegen ist. Litwinenko wurde mit Polonium 210 vergiftet, einem teuren radioaktiven Element, das nicht in Apotheken erhältlich ist. Wer immer es zur Ermordung des ehemaligen russischen Geheimdienstagenten einsetzte, muss in irgendeiner Weise Zugang zu den Schaltstellen des russischen Sicherheitsapparates haben. Litwinenkos italienischer Kontaktmann Mario Scaramella hat für dessen Tod "Geheimorganisationen" aus Russland verantwortlich gemacht. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN sagte der angebliche Geheimdienstexperte: "Dahinter stecken Leute mit Verbindungen zu Geheimorganisationen, die nicht direkt der Kontrolle des russischen Establishments unterstehen, aber aus Russland kommen, im allgemeinen pensionierte Geheimdienstler."

      Zahlreiche Morde an Journalisten und Regimekritikern
      Für eine ganze Reihe ähnlicher Morde und Anschläge werden die Urheber in Moskau vermutet. 2003 starb zum Beispiel der Journalist und Menschenrechtler Jurij Schtschekotschichin an einer so genannten allergischen Reaktion. 2004 überlebte Wiktor Juschtschenko, der pro-westliche Kandidat für die ukrainischen Präsidentschaftswahlen, nur knapp ein Giftattentat. Und im Oktober 2006 wurde die russische Journalistin Anna Politkowskaja im Treppenhaus ihres Wohnhauses erschossen.


      Mindestens 13 russische Journalisten sind in den letzten Jahren unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Aus Kreisen des russischen Innenministeriums heißt es, dass jedes Jahr zwischen 500 und 800 Auftragsmorde im Land verübt werden. Die Dunkelziffer könnte um einiges höher liegen. Nach dem Tod von Anna Politkowskaja soll Litwinenko gesagt haben: "Es ist ganz eindeutig: Sie arbeiten eine Liste ab. Der Staat hat sich zu einem Serienkiller entwickelt."

      Heißt das Motiv Tschetschenien?
      Der ehemalige Geheimdienstmann Litwinenko wusste sicher viel, was geheim bleiben sollte, und war somit wohl einer der unangenehmsten Kreml-Kritiker. In seinem Buch "Wie der FSB Russland in die Luft jagt" stellt er zum Beispiel die These auf, dass der Innlandsgeheimdienst hinter den Sprengstoffanschlägen von 1999 auf Wohnhäuser in Moskau stünde und nicht tschetschenische Terroristen. Der Anschlag habe als Vorwand gedient, um Putins zweiten Krieg in Tschetschenien zu legitimieren, so Litwinenko.

      In seinem eigenen Fall versuchen britische Fahnder noch immer, die Hintergründe der Tat zu klären. Kommen die Täter aus dem russischen Geheimdienst? Für Litwinenko war noch auf dem Sterbetett klar, dass der russische Präsident Wladimir Putin dafür verantwortlich ist. Und sein Freund, der Filmregisseur Andrej Nekrasov, weiß auch ein Motiv: Tschetschenien.

      ________________________________________
      URL dieses Artikels:
      http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/101528/index.html

      Links in diesem Artikel:
      [1] http://www.3sat.de/kulturzeit/kuz_titel.html (Kulturzeit: montags bis freitags, um 19.20 Uhr)
      [2] http://www.3sat.de/dynamic/webtv/webtv_frame.php?url=kuz_061… (Dokumentarfilmer Andrej Nekrassow i[...]n Alexander Litwinenko (22.11.2006))
      [3] http://www.3sat.de/dynamic/webtv/webtv_frame.php?url=kuz_061… (Das Gespräch mit Andrej Nekrassow, Dokumentarfilmer (22.11.2006))
      [4] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/100758/index.html (Mordkomplott: Warum der Ex-Agent Alexander Litwinenko sterben soll)
      [5] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/98732/index.html (Eine mutige Frau: Die russische Jou[...]n Anna Politkowskaja wurde ermordet)
      [6] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/70333/index.html (Mit allen Mitteln: Wie der Kreml jo[...]che Recherchen in Beslan verhindert)

      Hinweis: 3sat.online ist für den Inhalt externer Links nicht verantwortlich.
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      [3] http://www.3sat.de/dynamic/webtv/webtv_frame.php?url=kuz_061… (Das Gespräch mit Andrej Nekrassow, Dokumentarfilmer (22.11.2006))
      [4] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/100758/index.html (Mordkomplott: Warum der Ex-Agent Alexander Litwinenko sterben soll)
      [5] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/98732/index.html (Eine mutige Frau: Die russische Jou[...]n Anna Politkowskaja wurde ermordet)
      [6] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/70333/index.html (Mit allen Mitteln: Wie der Kreml jo[...]che Recherchen in Beslan verhindert)

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      06.12.2006 / Kulturzeit / hs / 3sat
      Avatar
      schrieb am 07.12.06 22:27:25
      Beitrag Nr. 47 ()
      Putin ist ein Staatsmann(er ist nicht der NWO sondern lediglich seinem Land verpflichtet!).

      Und als KGBler ist er nicht zimperlich.

      In seinen Augen ist es logisch und notwendig kritische Journalisten mundtot zu machen, wenn sie das Ansehen des Landes beschädigen.

      Ob jedoch der Litwinenko auf sein Konto geht weiss ich nicht.

      Und so klar ist die Sache mit den Wohnblocks nicht, ob da ein alter Block entsorg werden sollte oder es wirklich de Tschetschenen waren weiss ich nicht, weiss auch keine Belege.
      Avatar
      schrieb am 08.12.06 17:27:47
      Beitrag Nr. 48 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 26.009.504 von Robert_Reichschwein am 07.12.06 22:27:25Es ist auf jeden Fall in Europa im Moment einzigartig - sofern wir Rußland und seine Verhältnisse überhaupt noch zu Europa rechnen wollen - , daß in einem Land soviele bedeutende Journalisten, Parlamentarier und Staatssekretäre ermordet werden und es dem Staat nicht gelingt, auch nur einen einzigen Fall juristisch aufzuklären.

      Zu den gesprengten Wohnblocks von 1999:
      Der russische Dokumentarfilmer Nekrassov, der in einem der Links in meinem vorherigen Posting ein Interview mit dem ermordeten Litwinenko führte, hat auch die Fälle mit den zerstörten Wohnblocks untersucht, die in der russischen Öffentlichkeit überhaupt erst zum Wahlerfolg des "starken Manns Putin" geführt haben. Die tollste Geschichte darunter war ja die mit dem Sprengstoff, der von den aufmerksamen Bewohnern oder dem Hausmeister eines Wohnblocks gefunden worden war, noch bevor es zur Sprengung kam. Man konnte die Urheber des Sprengstoffs in den Reihen eines Sicherheitsdienstes des Innenministeriums ermitteln. Danach wurde das ganze als Test der Sicherheitsbehörden dargestellt und weitere Ermittlungen wurden eingestellt. Die Juristen und Journalisten, die sich dennoch mit diesem einen Fall beschäftigen wollten, um herauszufinden, wer denn genau so einen verrückten "Test" macht, sind inzwischen auch tot, ermordet oder sitzen wie Michail Trepaschkin, der als Anwalt der Opfer dieser Bombenanschläge in den Wohnblocks auftrat, wegen Hochverrats im Gefängnis!

      Was ist das denn für ein Land, in dem jeder ermordet oder inhaftiert wird, der auch nur als Anwalt unbequeme Fragen stellt und für Opfer arbeitet, die angeblich von Terroristen ermordet wurden?

      Verglichen damit waren die Zustände vor 350 Jahren in der absolutistischen Alleinherrschaft des französischen Sonnenkönigs ja noch ein Musterbeispiel an Rechtsstaatlichkeit! Sogar da wurde nicht jeder Jurist gleich inhaftiert oder ermordet!

      Rußland erinnert immer mehr an die Zeit des Aufstiegs von Stalin zum blutrünstigen Diktator und diesen Buchtitel: "Am Anfang starb Genosse Kirow".

      Stellen wir uns doch nur mal vor, in der Türkei würden soviele Menschen ermordet, die Untersuchungen gegen die Interessen der Staatsführung wie in Rußland durchgeführt hätten. Mit den Türken würde doch kein Mensch mehr über einen EU-Beitritt verhandeln wollen!

      Aber mit der russischen Staatsführung wollen alle noch weiter verhandeln und die Morde nicht ganz so ernst nehmen, weil es da in Rußland ja noch soviel Bodenschätze und "ökonomisches Potential" gibt.
      Dabei wirkt Rußland tatsächlich immer mehr so, wie es mal Ex-Kanzler Schmidt befürchtet hatte: "Ein Burkina Faso mit Atomwaffen!"
      Avatar
      schrieb am 08.12.06 17:30:18
      Beitrag Nr. 49 ()
      Und HEUTE abend kommt vermutlich wieder eine sehenswerte Reportage auf 3sat, die neu ins Programm genommen wurde:

      Freitag, den 08.12.2006 - 22:10 Uhr (VPS 22.09)

      Sterben für die Wahrheit

      Russland nach Anna Politkowskaja
      Film von Susanne Scholl
      Erstausstrahlung

      Am 7. Oktober 2006 um fünf Uhr nachmittags wird die Journalistin Anna Politkowskaja im Aufzug ihres Wohnhauses im Zentrum von Moskau erschossen. Mit dem Mord war eine der letzten Stimmen, die laut für die Rechtlosen, Gefolterten, Verfolgten, Vergewaltigten und Ermordeten gesprochen hatte, zum Schweigen gebracht worden. Im Ausland war Anna Politkowskaja unzählige Male mit verschiedenen Preisen für ihre mutigen Reportagen und Berichte ausgezeichnet worden. Der Mord an der Journalistin, die die Mächtigen offen kritisierte - und von diesen deshalb in allen von ihnen kontrollierten Medien totgeschwiegen wurde - war für viele Menschen in Russland ein Signal. Den zaghaften Bemühungen, in Russland so etwas wie eine Zivilgesellschaft aufzubauen, ist mit dem Mord ein schwerer Schlag zugefügt worden. Wer heute in Russland laut die Wahrheit sagt, begibt sich in Lebensgefahr - und die, die den Mut aufbringen, dies zu tun, werden immer weniger.

      Susanne Scholl berichtet über die Situation in Russland nach der Ermordung von Anna Politkowskaja.
      Avatar
      schrieb am 08.12.06 17:45:45
      Beitrag Nr. 50 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 26.028.185 von Auryn am 08.12.06 17:30:18Ich hoffe das diese perfide Rechnung nicht aufgeht und sich stattdessen Hunderte finden die ihre Arbeit fortsetzen! :)
      Avatar
      schrieb am 15.12.06 18:42:22
      Beitrag Nr. 51 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 26.028.629 von Gnadenloser am 08.12.06 17:45:45Da habe ich leider inzwischen ziemliche Zweifel mit den "Hunderten", denn die müßten ja alle außergewöhnlich mutig und ziemlich lebensmüde sein.
      Wer würde denn so alles bei uns sein eigenes Leben und das seiner Familie riskieren - "nur", um die "unbekannte Wahrheit" zu schreiben, wie dies Frau Politkowskaja tat?
      Mediale "Gleichschaltung" geht fast von selbst, wenn erst mal ein Klima der Unsicherheit und Lebensgefahr entstanden ist.
      In einem 3sat-Beitrag, den ich gleich noch bringen werde, wurde beispielsweise gesagt, daß Ex-Schachweltmeister und "Anti-Putin-Querulant" Gari Kasparow sogar schon als Gast zu "Christiansen" nach Deutschland eingeladen worden war, dann aber wieder aus unbekannten Gründen ausgeladen worden ist.
      Tja, was war denn das von der zuständigen Redaktion? Vorauseilender Gehorsam gegenüber Putin oder möglichen diplomatischen Verwicklungen?
      Avatar
      schrieb am 15.12.06 18:46:00
      Beitrag Nr. 52 ()
      Es folgt hier der im vorangehenden Posting genannte 3sat-Kulturzeit-Beitrag, in dem erwähnt worden war, daß Kasparow "vorsichtshalber aus "Christiansen" wieder ausgeladen worden ist, denn man hätte ja jemanden verärgern können!:

      Was geht in Russland vor sich?
      Tom Kraushaar und Grigori Pasko im Gespräch

      Wer Putin kritisiert, lebt gefährlich. Die russische Journalistin Elena Tregubova ist untergetaucht. Sie hat die russischen Zustände angeprangert, zuletzt im September. Fünf Jahre lang war sie Kreml-Korrespondentin der liberalen Zeitung "Kommersant". Elena Tregubova ist der Macht sehr nahe gekommen, zu nahe vielleicht. Einmal, da war er noch Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, hat Putin sie zum Essen eingeladen - in eine Sushi-Bar.


      Eine Sushi-Bar war auch der Tatort bei der Ermordung des ehemaligen Geheimdienstmannes Alexander Litwinenko. Drei Wochen nach seinem Tod ist völlig unklar, welche Rolle der Geheimdienst dabei spielte. Nach einer heute veröffentlichten Studie sind 78 Prozent der Kreml-Verantwortlichen Geheimdienstmänner - Putins Hausmacht. Es stellt sich die Frage: Hat der mächtige Präsident überhaupt noch die Macht in seinem Haus?

      Opposition unter Beobachtung
      Die Opposition steht unter scharfer Beobachtung, besonders dann wenn sie Kontakt mit dem Westen sucht. Gary Kasparow, der ehemalige Schachweltmeister, ist Chef des Oppositionsbündnisses "Vereinigte Bürgerfront". Am 10. Dezember 2006 war er als Gast für eine Talkshow im deutschen Fernsehen vorgesehen, wurde dann wieder ausgeladen. Die Polizei hat am 12. Dezember die Büros seiner Organisation durchsucht und Plakate für eine Demonstration am 16. Dezember beschlagnahmt. Im russischen Fernsehen waren davon keine Bilder zu sehen.


      "Was gerade mit den Gegnern des Putin-Regimes passiert, ist ein Zeichen dafür, dass die Ordnungskräfte des Staates, die eigentlich gegen Extremismus und Terror kämpfen sollen, sich gegen alternative politische Anschauungen in Russland richten", sagt Kasparow. "Russland ist vielleicht keine komplette Diktatur, eine Demokratie ist es auch nicht mehr."

      Sind die Morde Warnungen?
      Die Gewalt des russischen Staates richtet sich nach innen, gegen die prominenten Regimegegner. Anna Politkowskaja wurde im September 2006 in ihrer Wohnung erschossen. Geht es bei den Morden um einzelne Personen, um Anna Politkowskaja, um Alexander Litwinenko? Oder sind die Morde Warnungen an andere, an Mächtigere?

      Der Journalist Grigori Pasko war befreundet mit Anna Politkowskaja. Von 1999 bis 2003 war er unter verschärfter Lagerhaft inhaftiert, schrieb darüber ein Buch. Er hatte einem japanischen Sender Aufnahmen zugespielt, in denen die russische Marine Atommüll im japanischen Meer entsorgt. Seine Geschichte zeigt, wie viel Mut nötig ist, um Missstände in Russland aufzudecken.

      Mehr zum Thema:
      ________________________________________
      URL dieses Artikels:
      http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/101932/index.html

      Links in diesem Artikel:
      [1] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/101528/index.html (Mysteriöse Morde: Ist der russische Staat zum Serienkiller geworden?)
      [2] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/98732/index.html (Eine mutige Frau: Die russische Jou[...]n Anna Politkowskaja wurde ermordet)
      [3] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/70333/index.html (Mit allen Mitteln: Wie der Kreml jo[...]che Recherchen in Beslan verhindert)
      [4] http://www.3sat.de/kulturzeit/kuz_titel.html (Kulturzeit: montags bis freitags, um 19.20 Uhr)
      [5] http://www.3sat.de/dynamic/webtv/webtv_frame.php?url=kuz_061…(Das Gespräch mit Grigori Pasko, russischer Journalist (13.12.2006))
      [6] http://www.3sat.de/dynamic/webtv/webtv_frame.php?url=kuz_061… (Das Gespräch mit Tom Kraushaar, deu[...]er von Elena Tregubova (13.12.2006))
      [7] http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/99159/index.html ("Buchvorstellung in Kürze: "Die Mutanten des Kreml")
      [8] http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/91506/index.html (Bei Kritik Knast: Der russische Journalist Grigori Pasko klagt an)
      [9] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/101660/index.html (Alles für die Wahrheit: Russland un[...]nach dem Mord an Anna Politkowskaja)

      Hinweis: 3sat.online ist für den Inhalt externer Links nicht verantwortlich.
      ________________________________________
      13.12.2006 / Ralf Rättig (Kulturzeit) / hs / 3sat
      Avatar
      schrieb am 15.12.06 19:26:11
      Beitrag Nr. 53 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 26.211.038 von Auryn am 15.12.06 18:42:22Thread: Kasparov kurzfristig von Sabine Christiansen ausgeladen ;)
      Avatar
      schrieb am 21.02.07 09:34:18
      Beitrag Nr. 54 ()
      Ich kann jetzt sogar schon wieder die "guten alten Zeiten" im Kabel-Fernsehen des Universitätsverteilers genießen und mich fröstelts und gruselts immer mehr:

      http://www.3sat.de/SCRIPTS/print.php?url=/kulturzeit/themen/…" target="_blank" rel="nofollow ugc noopener">
      http://www.3sat.de/SCRIPTS/print.php?url=/kulturzeit/themen/…
      Avatar
      schrieb am 03.03.07 12:25:19
      Beitrag Nr. 55 ()
      Da gibt es ein recht interessantes Buch über unseren guten alten Wladimir und die Lage Rußlands:
      http://www.br-online.de/kultur/literatur/lesezeichen/2004031…
      Avatar
      schrieb am 28.03.07 11:32:58
      Beitrag Nr. 56 ()
      In diesem aktuellen GEO-Heft ...
      http://www.geo.de/GEO/heftreihen/geo_magazin/52995.html
      ... gibt's eine sehr interessante Neben-Geschichte über die Art und Weise, wie die "freundlichen" Taliban mit moslemisch-ethnischen Minderheiten im "eigenen" Afghanistan umgegangen sind, beispielsweise mit den Hazara, die seit den Zeiten Dschinghis Khans die Bewohner des Tals von Bamiyan waren, in dem kurz vor dem von den Taliban geplanten und von Al-Kaida ausgeführten Mord an Achmed Schah Massoud, dem sogenannten "Löwen des Pandschir-Tals" und afghanischem National-Helden des Kampfes gegen die Sowjettruppen, die weltberühmten Buddha-Statuen im Auftrag der Taliban u.a. von saudischen Ingenieuren gesprengt wurden.
      Eine richtig schön irre Geschichte in diesem Heft, die zeigt, wohin fanatisch-religiöse Selbstgerechtigkeit führen kann!
      Avatar
      schrieb am 08.05.07 18:19:12
      Beitrag Nr. 57 ()
      Aus der vergangenen Woche mal wieder die üblichen "schönen Nachrichten" aus dem Lande des "lupenreinen Demokraten" :

      http://www.3sat.de/SCRIPTS/print.php?url=/kulturzeit/lesezei…
      Avatar
      schrieb am 30.05.07 11:42:49
      Beitrag Nr. 58 ()
      Nur so aus reiner Neugier:
      1. Hat schon jemand etwas von den angekündigten sensationellen Informationen gehört, die Herr Lugowoi (/ Lugovoj etc.) zu seiner Entlastung angekündigt hatte?
      http://www.tagesspiegel.de/politik/nachrichten/lugowoj-litwi…

      Ich vermute fast, er wird uns mitteilen, daß er wegen der böswilligen westlichen Verschwörung gegen ihn als Sündenbock und der westlich-imperialistischen Verschwörung gegen das arme Russland, dessen glühendster patriotischster Vertreter er natürlich ist, seine Unschuld von vorneherein feststeht und er deshalb nach dem Prozeß als Patriot den höchsten sowjetischen KGB-Orden - ähm, nein, natürlich den höchsten russischen FSB-Orden in Gold mit Diamantlametta von Herrn Towarischtsch Präsident Putin höchstselbst erhalten wird. das wird dann hoffentlich den blutrünstigen britischen Imperialisten eine Lehre sein!

      2. Hat schon jemand hier irgendein Untersuchungsergebnis in den läppischen 25 bis 30 Mordfällen der letzten 5 Jahre an regierungskritischen Journalisten (z.B. Anna Politkowskaja) und Abgeordneten (z.B. Galina Starowojtowa) in Russland erfahren?
      Waren ja vermutlich auch alles Morde von westlichen CIA-Agenten, um das arme, nette und weltoffene Russland des Herrn Putin in Verruf zu bringen. Das würde auch erklären, warum weder der FSB noch die russische Polizei irgendeinen Verdächtigen finden konnte, obwohl manche Täter durch Straßenüberwachungskameras der Polizei gelaufen und gefilmt worden sein müssen. Ist ja klar, daß keiner der Verdächtigen gefunden worden ist, denn die müssen gleich nach den Morden von CIA-U-Booten abgeholt worden sein und wir wissen ja spätestens seit dem Untergang des U-Bootes Kursk, wie gefährlich und allgegenwärtig diese CIA-U-Boote sind! (Nach dem fast gleichzeitigen Brand des Moskauer Fernsehturms gab es übrigens damals in Moskau das vielzitierte Gerücht, der Fernsehturm wäre auch von einem getarnten CIA-U-Boot gerammt worden, was ich wie Matthias Bröckers wohl auch für durchaus möglich und wahrscheinlich halte!)
      Avatar
      schrieb am 31.05.07 20:22:10
      Beitrag Nr. 59 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 29.537.191 von Auryn am 30.05.07 11:42:49Das ist ja so eine schöne Pressekonferenz von Herrn Lugovoi und Herrn Kowtun heute gewesen, daß man meinen könnte, ich bin in der Lage "Russisch hellzusehen".
      Fast genau, wie ich es vorhergesagt habe, nur daß man CIA durch MI 6 ersetzen sollte.
      Schuld sind natürlich die Briten und deren Geheimdienst, weil der Ermordete zuviel Geld verlangt hat. Ist aber komisch, daß der Ermordete trotz seines bevorstehenden Todes dem FSB und Herrn Putin die Schuld an seinem Tod gab und nicht etwa seiner neuen Wahlheimat.
      Tja, es ist schon erstaunlich, was die ständige Propaganda im Westen so alles aus den verführten russischen Menschen macht, nicht?
      Avatar
      schrieb am 03.06.07 12:35:26
      Beitrag Nr. 60 ()


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