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    Studie über effiziente Entscheidungen im Alltag - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 07.05.00 22:25:44 von
    neuester Beitrag 20.05.00 17:46:15 von
    Beiträge: 7
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      Avatar
      schrieb am 07.05.00 22:25:44
      Beitrag Nr. 1 ()
      Mit 29 Jahren fragte sich Charles Darwin, ob er heiraten
      solle. Darwin, bekannt für Gründlichkeit und methodisches
      Vorgehen, fertigte eine Liste mit den Vor- und Nachteilen der Ehe
      an, wägte die schönen Momente gegen den Zeitverlust durch
      Familienprobleme ab und entschloss sich, seine Kusine Emma zu
      heiraten.

      Die Liste war jedoch mehr eine Rechtfertigung, die Entscheidung
      fällte er vermutlich aus dem Bauch heraus. Denn hätte er alle
      Konsequenzen der Ehe berücksichtigen wollen, hätte er seine
      besten Jahre mit diesem aussichtslosen Unterfangen verbracht,
      anstatt sein Lebenswerk über die Entstehung der Arten zu
      verfassen.

      In der Praxis ist das klassische Modell von Rationalität als Planen
      und Rechnen nicht anwendbar, meint denn auch Professor Gerd
      Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.
      Wirkliche Entscheidungen müssen immer mit unvollständiger
      Information und meist unter Zeitdruck getroffen werden.

      Genau für solche alltäglichen und wichtigen Probleme haben
      Menschen im Lauf der Evolution geschickte Entscheidungshilfen
      herausgebildet, meinen Gigerenzer und seine Mitarbeiter von der
      ABC-Gruppe (Adaptive, Behaviour and Cognition). Diese
      Entscheidungsstrategien oder „Heuristiken“ lassen sich mit den
      Werkzeugen in einer Werkzeugkiste vergleichen. Statt die große
      Rechenmaschine einer idealisierten „Ratio“ anzuwerfen, versuchen
      wir zunächst mit einfachen Methoden zum Ziel zu kommen. Und
      das ist meist überraschend effizient und ökonomisch.

      „Haben Sie schon mal einen Fußballspieler interviewt?“, fragt
      Gigerenzer. Kein Sportler muss Details über Flugparabeln, Spin,
      Windgeschwindigkeit und Reibung wissen, im Gegenteil: Während
      Anfänger sich oft verwirrend viele Gedanken über ihr Tun machen,
      treffen geübte Spieler den Ball, ohne genau zu wissen, wie sie es
      tun. Dahinter steckt eine sehr einfache Heuristik, die den Spielern
      nicht bewusst ist, verrät Gigerenzer: Sie halten einen konstanten
      Blickwinkel zum Ball und regulieren danach ihre
      Laufgeschwindigkeit.

      Solche Erkenntnisse werden inzwischen auch in der Robotik
      genutzt, denn schon bei den einfachsten Aufgaben in einer realen
      Umwelt explodiert die Fülle der Parameter und damit die
      Rechenzeit. Die komplett analytischen Lösungen der „Good
      old-fashioned Artificial Intelligence“ sind unflexibel, langsam und
      weniger elegant als modernere Ansätze, die Eigendynamik und
      stark vereinfachte Strategien nutzen.

      „Reduktion der Variablen“ lautet das einfache Rezept. Wird ein
      Patient mit einem Herzinfarkt in die Klinik eingeliefert, so müsste
      der Notarzt etwa 20 wichtige Faktoren berücksichtigen, bevor er
      entscheidet, ob der Patient die aufwendige Maximalversorgung
      benötigt. Aber sowohl der Zeitdruck als auch die Notwendigkeit, mit
      den vorhandenen Mitteln sparsam umzugehen, machen dies
      unmöglich. Fachleute haben daher einen stark vereinfachten
      „Entscheidungsbaum“ entwickelt, in dem nur noch die drei
      wichtigsten Faktoren wie Blutdruck, Alter und ein weiterer Punkt
      abgefragt werden.

      Eine dieser Heuristiken beruht auf dem Wiedererkennen bekannter
      Namen. Gigerenzer befragte zum Beispiel deutsche Studenten,
      welche von zwei US-Städten größer seien, San Antonio oder San
      Diego. Zu ihrer Verblüffung gaben alle die richtige Antwort. Da sie
      von San Antonio bisher noch nie etwas gehört hatten, schlossen
      die Studenten richtig, dass San Diego größer sei. Die gleiche
      Frage konnten US-Studenten aus Chicago, die als besonders
      informiert gelten, nur zu 62 Prozent richtig beantworten: Sie
      kannten beide Namen und mussten auf Zusatzwissen
      zurückgreifen.

      Ähnlich gut funktioniert die Wiedererkennensregel, wenn Laien die
      Gewinnchancen von Fußballmannschaften einschätzen: Das
      bekanntere Team wird in der Regel auch besser spielen. Auf diese
      Rekognitionsheuristik haben Gigerenzer und sein Kollege Dan
      Goldstein sogar Geld gesetzt. In einem Experiment legten sie Ende
      1996 jeweils 180 Passanten aus Chicago und München
      Firmennamen vor und wählten diejenigen inländischen
      Unternehmen für ein Portfolio aus, die von mehr als 90 Prozent der
      Befragten erkannt wurden, und zehn der bekanntesten
      ausländischen Unternehmen für ein weiteres Aktienpaket.

      Parallel baten die Wissenschaftler je 60 Wirtschaftsstudenten aus
      München und Chicago ebenfalls je ein inländisches und ein
      ausländisches Aktienpaket zusammenzustellen. Die Aktien der
      Laien erzielten zwischen Dezember 1996 und Juni 1997 höhere
      Gewinne als der Dax und Dow Jones und übertrafen damit die
      meisten Investmentfonds von professionellen Managern. Die
      deutschen Passanten schnitten am besten bei der Auswahl von
      US-Firmen ab, während die amerikanischen Passanten das
      gewinnträchtigste deutsche Aktienpaket zusammenstellten.

      Diese Rekognitionsheuristik funktioniere dann besonders gut, wenn
      jemand ein bisschen wisse, aber nicht zu viel, erklärt Gigerenzer.
      Experten können diese Entscheidungshilfe nicht mehr nutzen.
      Doch die Wiedererkennungsheuristik, die Halbwissen in wichtige
      Information verwandelt, nutzt wenig bei der Partnerwahl oder beim
      Arbeitsplatzwechsel. Für solche Fälle gilt: „Nimm das beste
      Angebot.“
      Avatar
      schrieb am 07.05.00 22:39:54
      Beitrag Nr. 2 ()
      schönes Ding - gibts da noch mehr ?!
      Avatar
      schrieb am 07.05.00 22:44:21
      Beitrag Nr. 3 ()
      hervoragend - mehr solcher Aussagen !!!

      find ich sehe interessant

      mfg jur
      Avatar
      schrieb am 08.05.00 07:27:04
      Beitrag Nr. 4 ()
      Dursum -

      hochinteressant!

      Hast Du das geschrieben oder von irgendwo reinkopiert.

      Das wäre was für das wallstreet-village-Buch.

      Max
      Avatar
      schrieb am 12.05.00 22:53:18
      Beitrag Nr. 5 ()
      Hallo Dursum,

      bei Deinem Titel "effiziente Entscheidungen" mußte ich an ein Verfahren denken,
      was ich mir vor ca einem halben Leben mal zusammengebastelt habe:
      Bei besonders komplizierten Fragestellungen werfe ich zunächst einen "Vorwaschgang" an,
      indem ich zunächst zu klären versuche, ob es sich überhaupt lohnt, sich mit dem eigentlichen
      Problem zu beschäftigen. Hat sich im Bereich existentieller Grübeleien bestens bewährt ;-)

      Was den Entscheidungsbaum bei Herzinfarkten angehet, soll laut Medienberichten über die USA
      dort der dritte Abfragepunkt die Kreditkartennummer sein.

      Hallo Max,

      ich hatte angenommen, Dein Buch erscheint im Herbst !?!
      Ich will ja nicht unken, aber aufgrund Deiner Äußerung fr4age ich mich, ob Du schon weißt
      was drin stehen wird ;-)

      Gruß
      F.

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      Avatar
      schrieb am 18.05.00 23:03:42
      Beitrag Nr. 6 ()
      Hallo Forticus,

      Dein "Vorwaschgang" interessiert mich. Wie entscheidest Du Dich gegen die Beschäftigung mit einer bestimmten Frage (= lohnt sich nicht). Ist es nicht so, dass eine Frage, wenn sie sich Dir stellt (Du also darüber nachzudenken beginnst), so interessant für DICH ist, dass Du dann nicht einfach entscheiden kannst, "das lohnt sich nicht".

      Die Methode respektive Entscheidungskriterien für den "Vorwaschgang" würde ich wirklich gern wissen. Ich gehe davon aus, dass es sich um Fragen "existentieller Grübeleien" handelt und nicht um Fakten, an denen man nichts ändern kann.

      Gruß
      Motorship
      Avatar
      schrieb am 20.05.00 17:46:15
      Beitrag Nr. 7 ()
      Hallo Motorship,
      im Bereich existentielle Grübeleien diente mir der Vorwaschgang dazu, Fragen auszusortieren,
      deren Antwort effektiv keine Relevanz für mein Leben hat. Insofern ist ein mögliches
      Abfrage-Kriterium "Ist die Antwort, wie auch immer sie ausfallen wird, relevant".
      Damit fallen so Fragen wie "Wieviel Engel passen auf eine Nadelspitze?" schon mal durchs Sieb durch ;)
      Eine weitere Sieb-Frage kann z.B. sein, ob die Antwort auf eine Frage zu einer posivien Änderung
      des gegenwärtigen Zustandes führen würde. Damit beschränkt man sich auf konstruktives Grübeln
      Hier geht`s nun aber ins philosophisch -thelogische.
      Daher möchte ich an dieser Stelle des Boards auf dieses Themengebiet wegen offtopic
      nicht weiter eingehen. Gerne aber an einer anderen Stelle öffentlich oder per email.
      Im übrigen bin ich in der zweiten Hälfte meines Lebens etwas pragmatischer geworden

      Auf kaufmännische Bereiche übertragen ist der Vorwaschgang im Prinzip eine
      Kosten-Nutzen-Analyse (Vorstudie) ob sich ein Projekt, zB. ein Investment, lohnen kann.

      Hoffe das hilft

      Gruß
      F.


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