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    Das Hartz-Papier - die Luftnummer schlechthin! - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 27.06.02 12:19:08 von
    neuester Beitrag 01.10.07 16:06:31 von
    Beiträge: 513
    ID: 602.193
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      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:19:08
      Beitrag Nr. 1 ()
      das hartz-papier

      13 Module


      1. Schnellere Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes.
      (wo gibt´s die??? )
      2. Verschärfte Regeln für die Zumutbarkeit eines neuen Jobs.(volkwirtschafztlicher Wahnsinn: z.B. Akademiker als Hilfsarbeiter?? DAvor awrnen sogar Arbeitgeberverbände! )
      3. Fusion von Arbeits- und Sozialämtern zu Job-Centern.(Noch unbeweglichere und sinnlose Verwaltung)
      4. Besondere Maßnahmen für jugendliche Arbeitslose.
      (Wie sollen die aussehen, wenn´s keine Ausbildungsplätze gibt???)
      5. Verleih von Arbeitslosen zur Zeitarbeit an Firmen.
      ( DAmit die garkeine Festeinstellungen mehr machen brauchen, wird in der Baubranche schnell Schule machen)
      6. Besserer Service für die "Kunden" Arbeitgeber.
      ( DAbei ist doch eigentlich der Arbeitslose Kunde?? )
      7. Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und -hilfe.
      ( Schöne Formulierung für weniger Geld)
      8. Ausbau der Landesarbeitsämter zu "Kompetenzzentren" für neue Arbeitsplätze.( Die waren noch nie kompetent)
      9. Arbeitlose können sich als "Ich-AG" selbstständig machen.( Das ist das größte... :laugh: Als Selbstständiger hat man nur noch Recht auf Sozialhilfe und nicht mehr auf Arbeitslosengeld und Fortzahlung der Sozialbeiträge und kann zu jeder Arbeit herangezogen werden - so möchte jeder Arbeitgeber künftig alle Arbeitnehmer haben)
      10. Alle Betriebe müssen Arbeitsplatzbilanzen offen legen.
      ( DAs wird eine neue Form von Bilanzfälschungen)
      11. Ältere Arbeitslose fallen aus der Statistik heraus.
      ( Damit man Pseudo-Erfolge feiern kann und man den älteren Arbeitnehmern deutlich macht, daß die 30JAhre voller Arbeit vor der Arbeitslosigkeit nichts mehr zählen)
      12. Mehr Transparenz bei den Arbeitsämtern.
      (DAs ist einer der besten Witze, die ich je gehört habe... :laugh: )
      13. Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
      ( "Arbeitslose sind selbst schuld!" )


      taz Nr. 6785 vom 27.6.2002, Seite 6, 29 Zeilen (TAZ-Bericht)


      Ich kann garnicht soviel essen, wie ich kotzen könnte....
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:26:02
      Beitrag Nr. 2 ()
      Kann dir in allen Punkten nur zustimmen
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:28:15
      Beitrag Nr. 3 ()
      Man weiß wirklich nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll.
      Liegt es nur daran, dass sich die jungen, in Arbeit befindlichen Menschen gar nicht vorstellen können, wie schnell sie sich auf der anderen, dann rechtlosen Seite befinden - oder sind sie einfach doof, dem Sozialabbau umfangreich das Wort zu reden?
      MM
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:30:49
      Beitrag Nr. 4 ()
      Was wollen denn die überhaupt vermitteln, die sollen doch erst mal zugeben das sie gar nichts haben.
      Das ganze ist doch nur ein wiederlicher versuch die Löhne zu drücken.
      Gruß!
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:38:08
      Beitrag Nr. 5 ()
      #1, Deepy,
      dein letzter Satz bereitet den Ärzten echte Sorgen!

      Du mußt viel und kräftig essen,
      sonst schaffst du in deinen Postings ..
      nur noch knapp, völlig entkräftet, die Überschrift..:D

      deine sinnigen Texte gehen sonst auf ewig verloren!!

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      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:38:49
      Beitrag Nr. 6 ()
      Hab im Spiegel gelesen , dass Arbeitslose sogar kostenlos zur Probe an Unternehmen verliehen werden sollen.
      Somit finanziert der kleine Steuerzahler dem "Unternehmer", dem es so schlecht geht, sein 2.Cabrio.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:40:06
      Beitrag Nr. 7 ()
      @ GillyBaer

      :laugh:

      werde mir Mühe geben!

      :D

      Gruß
      D.T.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:42:09
      Beitrag Nr. 8 ()
      @Deep Thought

      Die machen alles wenn nur die Statistik stimmt.

      " Sind halt eh alle nur zu faul zum arbeiten "

      MP
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:53:58
      Beitrag Nr. 9 ()
      Für das Geld was diese Umstrukturierung kostet, wäre es tausendmal sinnvoller die Lohnsteuer für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen zu senken.
      Das würde Arbeitsplätze SCHAFFEN und keinen Mangel verwalten !
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:56:23
      Beitrag Nr. 10 ()
      #1:Volle Zustimmung !
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 12:56:26
      Beitrag Nr. 11 ()
      Meine Frau arbeitet beim AA (sie hat das nun mal studiert, keine Kommentare) und es ist m. E. tatsächlich so, das Arbeitslose nur noch verwaltet werden.
      Eine Jobvermittlung findet in den seltensten Fällen statt, weil einfach keine vorhanden sind.(Ich rede hier nicht von Regionen um München, Stuttgart etc.)

      Leider sind auch viele AL sehr unflexibel, aus den verschiedensten Gründen und ein Großteil will auch wirklich nicht, versucht sich in ABM zu flüchten etc.

      Das Mainzer Modell ist IMMO der größte Quatsch.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:01:46
      Beitrag Nr. 12 ()
      die noch-arbeitnehmer bei babcok-borsig bringen ein "opfer" von 50 millionen mark, um den konzern zu retten..... sollten sie dann arbeitslos werden, fallen sie gleich unter die kategorien eines korruptions-kochs oder eines kaschmir-schröders, die von drückebergern und faulenzer reden. und sie werden weitere opfer bringen.... nämlich ein gekürztes arbeitslosengeld wegen eines vorausgegangenen freiwilligen gehaltverzichts.......... weitere opfer sind in planung....

      das unrecht, das dem einzelnen widerfährt, wenn er aus dem kollektiv der arbeitenden ausgeschlossen wird, ist ein doppeltes: zu dem unglück, das er angeblich selbst verschuldet hat, tritt die schande, die solche politiker polulistisch in kübeln über sie ergießen und die schande, die sie am geldbeutel spüren läßt, was sie noch wert sind und die sie selbst empfinden bei der frage: was machen sie denn?

      wie formulierte es thomas assauer in der zeit:
      " ... die politik des opfers ist bloss symbolische politik. ihr geht es nicht um das strukturelle dilemma des sozialstaats, der oft eine desintegration befördert, die dann mit neuen sozialleistungen integriert werden muss. in der politik des opfers geht es darum, die angst, entbehrlich zu werden, auf arbeitslose und sozialhilfeempfänger umzulenken und die gesellschaft symbolisch zu integrieren. die politik des opfers stellt sich taub für die ursachen der arbeitslosigkeit; sie vernebelt das bewußtsein für gesellschaftliche ungerechtigkeit.

      ... vielleicht spricht aus der politik des opfers auch ein unfehlbares gespür, dass es in der gesellschaft immer weniger auf arbeit ankommt und der industrielle fortschritt mehr arbeitsplätze beseitigt, als er erzeugt. zum fetisch wird die arbeit erst im augenblick ihrer krise. das ist die wahrheit, die politiker dem publikum verschweigen, weil sie ihre strategische illusion, die illusion der vollbeschäftigung, nicht opfern wollen...."
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:08:55
      Beitrag Nr. 13 ()
      Leute regt euch nicht auf, bis 2010 kommt der Pillenknick und dann sind die Arbeitslosen ruck zuck verschwunden. Dann wird im Ausland wieder massiv Ali & Co. angeworben um die deutsche Volkswirtschaft am Leben zu erhalten. Solange wird von Politiker-Seite her versucht mit Blend-und Vernebelungsaktionen die Bevölkerung einigermaßen ruhig zu halten. :D
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:14:35
      Beitrag Nr. 14 ()
      d.t. mit polemischen, überzogenen und nicht auf die sache eingehenden kommentaren bist du nicht besser als das, was du kritisieren möchtest.

      nur einige konkrete punkte:
      - es gibt z.b. mehr als genügend lehrstellen, nur nicht die, die alle wollen. zwingen kannst du niemanden, dass er über einen bedarf hinaus ausbildet, nur weil die kiddies alle genau den job wollen...
      - hier sollen auch die "besonderen massnahmen für jugendliche" ansetzen, auch der "bewusstseinswandel", dass ich nicht lieber nix mache, wenn ich meinen traumlehrjob wegen mangelnder qualifikation nicht kriege.
      - arbeits- und sozialämter zusammenzulegen ist in der sache eine gute idee, wenn dabei der verwaltungsapparat etwas verschlankt werden kann, was ich allerdings auch bezweifle...
      - der arbeitslose ist kunde? er bringt geld oder kostet er nicht doch welches?
      - hat man eigentlich ein recht auf arbeitsvermittlung und unterstützung oder ein recht, kohle zu kassieren und nix zu tun? soviel zu den "ich lehne diesen job ab".
      - schnellere vermittlung eines neuen arbeitsplatzes bedeutet, dass selbst bei 4 mio arbeitslosen noch viele freie stellen unbesetzt bleiben. lies mal die statistik der ba. und die möchte man schnell besetzen und den lahmärschen in den ämtern schnellere wege beibringen.
      - verschärfte regeln für zumutbarkeit: ja, durchaus. derzeit ist es sehr einfach sich arbeitslos zu melden und es auch möglichst lange zu bleiben, wenn man nur will. sind nur ein kleiner teil der arbeitslosen, aber die haben es damit schwerer...
      dein polemisches "akademiker als hilfsarbeiter" wäre nicht verschärfung, sondern abschaffung der zumutbarkeit.

      p.s. ich bin seit 17 jahren selbsständig, als einmannfirma und freiberufler, seit 17 jahren nicht einmal ohne arbeit/auftrag, ich kann auch ohne sicherung durch arbeitslosengeld oder pflicht-rentenversicherung klarkommen, dafür trage ich und nur ich das volle risiko. wenn ich mich immer auf die "sicherheit" verlassen hätte wollen, hätte ich beamter werden müssen...
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:25:13
      Beitrag Nr. 15 ()
      Das Hartz-Papier ist Raubkapitalismus pur ! Kriminelle und Vollidioten starten zum bisher größten Angriff auf die sozialen Errungenschaften unserer Marktwirtschaft.
      Um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ist die Arbeitszeitverkürzung der einzig sinnvolle Weg. Eine 4-Tage-Arbeitswoche löst alle Probleme !

      Euer Seuchenvogel
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:25:27
      Beitrag Nr. 16 ()
      .. der arbeitslose ist kunde? er bringt geld oder kostet er nicht doch welches?

      deine logik ist beeindruckend. ich würde dir vorschlagen, deinen arbeitsplatz wegzurationalisieren, dann verdienst du mehr :D
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:33:20
      Beitrag Nr. 17 ()
      @karl zu 1)

      das ist so nicht richtig



      Wiesbaden (dpa/gms) - Kaufmann oder -frau im Einzelhandel war 2001 in
      Deutschland der am weitesten verbreitete Ausbildungsberuf. Wie das Statistische
      Bundesamt in Wiesbaden mitteilt, befanden sich knapp 79 500 Jugendliche in
      dieser Ausbildung.

      Auf Platz zwei rangierte den Angaben zufolge der langjährige Spitzenreiter
      Kraftfahrzeugmechaniker/-in. Dahinter folgten Bürokaufmann/-frau,
      Industriekaufmann/-frau und Arzthelfer/-in. Besonders beliebt bei ausländischen
      Jugendlichen war eine Ausbildung zum Friseur oder zur Friseurin, die in dieser
      Gruppe auf Platz zwei landete.

      Besonders deutlich fiel nach Angaben der Statistiker der Ausbildungsberuf
      Maurer/-in zurück: vom siebten Platz 2000 auf Rang 22 im vergangenen Jahr.
      Insgesamt hätten sich etwa 1,68 Millionen Jungen und Mädchen in einer
      Berufsausbildung des so genannten dualen Systems befunden. Etwa ein Drittel
      davon habe sich auf die zehn beliebtesten der insgesamt 350 Lehrberufe
      konzentriert.

      Diese Jobs sind ja nun nicht gerade die, die einem zu Reichtum verhelfen.

      Dort herrscht auch kein Mangel oder sind deutsche Azubis einfach zu blöd, um IT-Kaufmann
      -techniker etc. zu werden.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:34:56
      Beitrag Nr. 18 ()
      antigone, du bist doch sonst eine gute denkerin...
      es ging um den "kunden arbeitsloser", der den staat m.e. aus dem sozialetat eine ganze menge geld kostet, solange er arbeitslos bleibt. und solange zahlt er auch effektiv nichts in den topf ein. wenn er zu einem arbeitnehmer wird, wandelt sich das bild. ;)

      aber sicher, ich habe einen logikfehler, wenn wir alle uns arbeitslos melden würden, dann wären die probleme erledigt... öööh... oder war es doch wenn wir alle arbeit hätten? jetzt hast du mich verwirrt... ;)
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:37:57
      Beitrag Nr. 19 ()
      bertthx,

      klar nicht die traumberufe, sondern die, die effektiv am meisten angeboten und somit am meisten belegt werden. die wunschliste sieht anders aus. und der typische hauptschulabsolvent ist als bankkaufmann oder it-techniker mehr als überfordert... da haperts meist mit der qualifikation. deswegen sind dort auch ganz andere kriterien in bezug auf schulabschluss relevant.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:45:00
      Beitrag Nr. 20 ()
      Drei Beispiele, die zeigen wie die Arbeitslosigkeit verringert werden kann.
      Es müssen richtige, ordentliche Arbeitsplätze angeboten werden. Dann brauchts kein Arbeitsamt und keine Vermittler und keine Bürokratie.

      ----------------------------------------------------------

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…
      Seit der Entscheidung für Leipzig sind nach eigenen Angaben rund 40 000 Bewerbungen für eine Arbeitsstelle bei BMW eingegangen. ... Im neuen Leipziger BMW-Werk sollen 5500 Arbeitsplätze entstehen.

      http://www.porsche.com/german/unternehmen/geschaeftsbericht/…
      Bei der Porsche Leipzig GmbH werden rund 300 Arbeitsplätze entstehen. Bis Ende Juli 2001 sind bereits viele tausend Bewerbungen eingegangen.

      http://www2.tagesspiegel.de/archiv/2001/08/30/ak-wi-un-44805…
      Seit dem Abschluss des Tarifmodells "5000 mal 5000" wird Volkswagen mit Bewerbungen geradezu überflutet. Die Briefe füllen Wäschekörbe, die Telefone stehen nicht still. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte VW-Sprecher Hans-Peter Blechinger am Donnerstag.

      ----------------------------------------------------------

      Gerade das letzte Beispiel sollte doch Herrn Hartz nicht unbekannt sein.
      Was er jetzt vorhat - im Auftrag Schröders - ist doch nichts anderes als Täuschen und Tarnen, Beutelschneiderei und Abzockerei bei denen, die eh schon gestraft sind.

      Damit keine Irritationen aufkommen: natürlich müssen und können die potentiellen Arbeitgeber nicht immer Weltfirmen mit wohlklingenden Namen wie die obigen sein.
      Selbstverständlich ist ein ordentlicher Arbeitsplatz bei der Otto Mayer GmbH oder einem 10 Mann Betrieb genauso wertvoll. Auch dort werden i.a. wohl sehr viel mehr Bewerbungen eingehen, als Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.
      Nur! Die Arbeitsplätze müssen halt erst mal da sein! Dann ist das Problem Arbeitlosigkeit in Nullkommanichts erledigt. Ohne Kommissionen und ohne zusätzliche Energie. Das flutscht dann ganz schnell von alleine.

      Der Hartz redet immer davon, daß es, vorausgesetzt jeder macht bei seinen Vorschlägen mit, leicht sei, die Arbeitslosigkeit mit seinen Vorschlägen zu halbieren.
      Erstens hat er sich die erste Entschuldigung schon selber eingebaut ("wenn alle mitmachen"; hinterher wird es leicht sein, schnell ein paar Sündenböcke zu finden, die sich quer gestellt haben und den Mißerfolg somit verantworten).
      Zweitens hat er noch nicht gesagt, was er als Strafe akzeptiert wenns nicht klappt, wenn die Arbeitslosenrate nicht signifikant sinkt und wir aber dafür einen sozialen Flächenbrand und eine gespaltene Gesellschaft haben. Die Verantwortung und Folgen eines negativen Ausgangs seiner Planspiele sollte er schon übernehmen (müssen). Vielleicht sollte man dann alle seine Vorschläge bis an sein Lebensende an ihm selber und seinen Kommissionsmitgliedern praktizieren. (Eigentlich wäre das für ihn sogar noch, nach eigener Einschätzung, eine Wohltat ;), wenn ich ihn richtig verstehe.)
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 13:53:35
      Beitrag Nr. 21 ()
      ach, karl, ich dachte immer, auf dem arbeitsamt wird eine öffentlich finanzierte dienstleistung für arbeit anbietende und solche erbracht, die arbeit zubieten haben. ähm, du verstehst: also eine öffentliche leistung, die dem privatwirtschaftlich organisierten wirtschaftssystem einen dienst leistet. wer kostet also wen was?

      auch habe ich gehört, dass die öffentliche hand, also der steuerzahler, der ja - wie man hört, nur noch vereinzelt und besonders umfangreich, wenn auch quantitativ eher bescheiden, wenngleich nicht im gegensatz zur deutschen bank zum beispiel - unter lohnabhängigen anzutreffen ist - dort grosszügig gelder springen läßt, wo daimler-chrysler zum beispiel sich niederlassen will und infrastruktur, billiges bauland, andere subventionen zur verfügung stellt. auch hier die frage: wer kostet also wen was?

      meine aussage bezog sich - zugegeben etwas ironisch, was wohl nicht aufgefallen ist - darauf, dass arbeitnehmer nur noch unter kostengesichtspunkten gesehen werden. insofern liegt es nahe, den gedanken und jedweden arbeitsplatz unter kostengesichtspunkten brutalst möglich zu ende zu denken, also brutalst mögliche kostensenkungen vorzunehmen, wo immer wir sie antreffen. man muss sich allerdings fragen, weshalb das so halbherzig geschieht ;)
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 14:55:05
      Beitrag Nr. 22 ()
      auf dem arbeitsamt wird eine öffentlich finanzierte dienstleistung für arbeit anbietende und solche erbracht, die arbeit zubieten haben. ähm, du verstehst: also eine öffentliche leistung, die dem privatwirtschaftlich organisierten wirtschaftssystem einen dienst leistet. wer kostet also wen was?
      wie du richtig sagtst kostet a.) die arbeitsvermittlung den steuerzahler was, weil öffentlich finanziert. weiterhin kosten b.) arbeitslosengeld/-hilfe ebenso was, und ebenso auch den steuer-/beitragszahler. dieser kostenfaktor ist höher als bei a.)
      die vermittlung eines arbeitslosen erspart also dem staat im endeffekt kosten für unterstützung und bringt noch dazu durch dessen dann eingezahlte beiträge geld rein, die das system der arbeitslosenversicherung tragen helfen.
      dazu kommt, dass das "privatwirtschaftlich organisierte wirtschaftssystem" das ist, was den mehrwert erzeugt und die steuern zahlt, der staat alleine kann sich kein steueraufkommen zahlen. und da hängt der hammer, sprich das geld, was wiederum das system der arbeitslosenversicherung erst ermöglicht.

      das hat nix mit reduzieren des menschen auf die kostenfrage zu tun, aber ein system wie das der arbeitslosenversicherung kann nur unter bestimmten bedingungen funktionieren.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 15:19:06
      Beitrag Nr. 23 ()
      @Karl,
      ich hätte da vielleicht doch eine Frage zu dem Kunden Arbeitsloser. Ich denke wir haben da eine Versicherung in die Arbeitlosenversicherungsbeiträge bezahlt werden, ergo bezahl ich doch für das Risiko Arbeitslosigkeit, ergo bin ich vielleicht doch Kunde?
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 15:25:38
      Beitrag Nr. 24 ()
      du bist streng gesehen spätestens ab deiner entlassung da sowieso kein kunde mehr, da du als arbeitsloser nix einbezahlst... ;)
      du warst auch nie kunde, sondern mitglied einer solidargemeinschaft, dafür hast du dann aber einen definierten und limitierten anspruch.

      da die alv schon seit vielen jahren nicht selbst aus den beiträgen deckend ist und hoch aus dem sozialetat bezuschusst wird ist das alles sowieso nicht so zu sehen.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 16:05:21
      Beitrag Nr. 25 ()
      Karl, das ist so nicht ganz richtig.
      In den Jahren 1998/99 wurden sogar Gelder an den Fiskus zurückgeführt,
      da die etatmäßigen Mittel nicht untergebracht wurden.

      Natürlich ist bei steigenden Arbeitslosenzahlen der Bund wieder in der Nachschußpflicht.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 16:14:27
      Beitrag Nr. 26 ()
      @ karl:

      Ich schätze deine Beiträge, aber hier liegst Du völlig daneben.

      Die Bundesanstalt für Arbeit bzw. deren Leistungen sind BEITRAGSFINANZIERT!

      Sowohl finanzielle Leistungen als auch die laufenden Kosten werden über die von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch abgeführten Zahlungen zur Arbeitslosenversicherung finanziert. Der Beitrag wiederum wird laufend so gestaltet, daß es zu einer DECKUNG der Kosten kommt.

      Nur so ist ja überhaupt die Diskussion über steigende Lohnnebenkosten zuzeiten zunehmender Arbeitslosigkeit zustande gekommen.

      Die existierenden Arbeitsplätze finanzieren also (in der Regel) nach dem Solidarprinzip kostendeckend die Ausgaben und daher ist Deine Aussage völlig falsch.

      Die durch falsche Weichenstellung in der Politik (z.B. Milliarden an STEUERGELDERN in unsinnige Subventionen der Steinkohle, Atomenergie und Steuerfreiheit für Konzerngewinne bei Verkäufen anstatt massive Förderung der Forschung und Entwicklung bei Zukunftstechnologien wie Nanotechnik und Soalrtechnologie) zunehmende Arbeitslosigkeit belastet also die Arbeitnehmer (und auch Arbeitgeber) und nicht die Arbeitnehmer den Staat!

      zu diesem Thema ein interessanter Link:

      Thread: Milliarden werden vom Staat verpulvert: Fakten vom Bund der Steuerzahler

      Diese, Deine Behauptung ist ein Mythos und sachlich falsch.
      Sie führt zu einer auf den Kopf gestellten Weltsicht, die dringend Korrigiert werden muss.

      Allerdings laufen von Seiten der Politik natürlich Schuldzuweisungen in Richtung der Opfer ihrer jahrzehntelangen, katastrophalen Politik.

      Die unglaubliche Frechheit der führenden Politiker, v.a. Schröders, der unverfroren davon sprach, es gäbe "kein recht auf Faulheit" soll von den Tätern (dümmste Spitzenpolitiker die jahrzehntelang nur untätig und selbstzufrieden aussaßen) ist Gift für den sozialen Frieden und genauso unethisch, wie einem Vergewaltigungsopfer vorzuwerfen, es hätte selbst schuld.

      Im übrigen - dasselbe gilt für den von Politikern erdachten Mythos der angeblichen "Kostenexplosion" im Gesundheitswesen.

      Die Kosten im Gesundheitswesen steigen bei explodierenden LEISTUNGEN nur minimal.
      Durch die ebenfalls nach dem Solidarprinzip umlagenfinanzierten Krankenkassenbeiträge steigen bei immer mehr Arbeitslosen der abzuführende Anteil zur gesetzlichen Krankenversicherung, jedoch haben sich z.B. in den letzten 10 JAhren die Leistungen der Krankenkassen PRO erbrachte Leistung im ambulanten Bereich praktisch halbiert!!!

      Gleichzeitig haben sich die tatsächlich erbrachten Leistungen jedoch extrem ausgeweitet - demographisch bedingt.

      Im Übrigen ist der Gesundheitmarkt der größte Arbeitgeber Deutschlands:

      Es haben dadurch sage und schreibe 4 Mio. Menschen Arbeit!!!
      Das Gesundheitswesen hat mit ca. 70% eine der höchsten Lohnquoten der Wirtschaft und bietet auch unglaublich vielen mäßig/gering qualifizierten Lohn, Selbstvertrauen und Brot ( Sprechstundenhilfen, Pförtner, Hilfskräfte, etc.) Wer also hier unkritisch kürzt, vernichtet viele Arbeitsplätze von Menschen, die so scnell keine Arbeit mehr bekommen.

      Allen diesbezüglich interessierten kann ich nur den hervorragenden Thread von Aktienkrieger "Rot-Grün hat versagt... " für weitere Infos empfehlen. Hier der Link:

      Thread: Rot-Grün hat versagt: Die gesetzliche Krankenversicherung kollabiert


      Im übrigen ist die Bismarck´sche Innovation der solidarisch finanzierten Sozialabsicherung zu einer Errungenschaft, um die uns die Welt 100 Jahre lang beneidet und bewundert hat.

      Heutzutage ist allerdings die Finanzierung der Sozialabgaben nach dem Sozialgesetzbuch ( ein gesetz, das weltweit als vorbildlich gesehen wird und um das uns viele ebenso beneiden wie um das BGB) NICHT MEHR optimal, da im gegensatz zu Bismarck´s zeiten immer mehr Menschen in NICHT angestelltem Arbeitsverhältnis stehen.

      In der Tat wird daher von Experten, die klaren Verstand und Mut haben, ein rein Steuerfinanziertes Sozialsystem als einziger Ausweg aus dem Dilemma gesehen - im Gegensatz zu der im letzten JAhrhundert richtigen Finanzierung im Umlageverfahren.

      Wenn man die Mehrwertsteuer dafür erhöhen würde, wäre die notwendige breite Basis wieder vorhanden und es würden auch diejenigen, die z.B. nur durch Kapitalerträge gewinne erwirtschaften, endlich auch etwas für die Deutsche Infrastruktur leisten, anstatt nur schmarotzerhaft von der Inrastruktur zu saugen. Die haben nämlich erst recht "Kein recht auf FAulheit" , was die Finanzierung unseres Staates anbelangt.

      Desweiteren ist es hochgradig spannend, zu beobachten, wie z.B. die gesetzlichen Krnaknekassen sich Milliardenhohe Zinserträge aus der Pflegeversicherung selber genehmigen anstatt nicht ausgegebenes Geld sachgerecht anzulegen und der Pflegeversicherung zuzuordnen(als Verwalter der PFlegeversicherung und gleichzeitig Kreditnehmer - ein Skandal ersten Ranges auf kosten der Alten und Schwachen und Hilfsbedürftigen).

      Der Staat hat jahrzehntelang Rentenbeiträge sinnwidrig für Staatsausgaben benutzt.

      Ich habe jetzt keine große Zeit mehr, um weiterzuschreiben, aber eins möchte ich noch loswerden:

      Dieses, unseres in typisch deutscher Manier schlecht gemachte, prinzipiell brillantes Sozialsystem hat unendlich viel an sozialem Frieden und Sicherheit für alle Bürger (in Form der Sozialhilfe übrigens auch für immer mehr gescheiterte Unternehmer !!! ) gebracht und u.a.die Kriminalität niedrig gehalten.

      Derzeit bekommt ein Arbeitsloser nur 60% des letzten Nettogehaltes - da kann sich jeder vorstellen, daß schon dieser Einkommensverlust enorm ist und nur schlecht qualifizierte einen "Vorteil" haben. desweiteren gilt dieser Betrag ja auch nur bis zum Erreichen der Brutto-Bemessungsgrenze! Wer alsogut verdiente, für den bricht alles sofort weg.

      Überdies - das muss hier endlich einmal gesagt werden, weil auch das die Politiker verschweigen - wird Arbeitslosengeld nur max. 18 Monate gezahlt, dann nur noch Arbeitlosenhilfe - die liegt schon ganz nahe bei der Sozialhilfe.

      Gerade die LAngzeitarbeitslosen bekommen auch bereits jetzt nur noch Sozialhilfe !!!

      Alle reden von der (winzig großen) Untergruppe der Arbeitsscheuen (die jedoch schon immer und unter JEDEM Sstem so sind- daran wird keine Neuordnung etwas ändern) und läßt dabei BEWUSST die MEHRHEIT der verzweifelt suchenden ausser Acht bzw. verunglimpft sie als Drückeberger - auch, wenn sie jahrzehntelang nur eingezahlt haben.


      Wenn die Arbeitslosen nur noch Sozialhilfe bekommen sollten, wird unser System kollabieren.

      der Wohnungsmarkt wird implodieren, soziale Not wird entstehen und die gemeinden werden endgültig Pleite gehen.
      Die Arbeitnehmer werden zu Millionen in Insolvenz gehen.

      soziale Verwahrlosung und Hoffnungslosigkeit werden die gewöhnliche Kriminalität derart hochschnellen lassen, daß ein vielfaches der vermeintlich "gesparten" gelder für Sicherungssysteme, Wachdienste und Polizei, Vollzugsanstalten und Gerichte ausgegeben werden muss.

      Wenn die Politik die Verantwortung und Schuldzuweisung auf die Menschen umlädt, wie es jetzt droht - dann wird ein völliges Chaos enstehen.

      Die sollen weitsichtig endlich handeln, anstatt sich in der von uns fürstlich bezahlten Arbeitszeit nur noch Gedanken um politische Intrigen und persönlichen Machterhalt zu machen.
      Wenn ich mir eines wünsche, dann endlich wieder real existierenden Bodenkontakt der Politik.

      So, jetzt schließe ich für´s erste.

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 16:17:20
      Beitrag Nr. 27 ()
      du bist streng gesehen spätestens ab deiner entlassung da sowieso kein kunde mehr, da du als arbeitsloser nix einbezahlst...

      Karl, dafür müstest Du eigentlich ein paar hinter die Löffel bekommen.... :mad: :mad:

      Dieser SPruch hat derart viel soziale Kälte und Zynismus, daß es mich schüttelt.

      Das hätte ich Dir nie zugetraut, aber man lernt leider immer wieder dazu.... :mad:
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 16:19:11
      Beitrag Nr. 28 ()
      @ Karl

      Du bist ein Sozialdarwinist erster Güte. :mad:

      Solchen Menschen wie Dir wünsche ich, daß sie einmal die Tiefen unseres Sozialsstems persönlich in aller Konsequenz ausloten können.
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 18:10:03
      Beitrag Nr. 29 ()
      @d.t.
      #26 sehr guter beitrag, da muss ich zugeben dass ich dir weitestgehend zustimme.
      #27 war mit absicht mit smilie, weil ich die frage bei einer solidargemeinschaft nach dem kundenverhältnis als so widersinnig betrachte, dass ich da nur eine adäquate antwort wählen konnte. also lass mal stecken, künftig schreibe ich dirzuliebe "satire" dran... ;):D:D:D
      #28 ich böser sozialdarwinist, ich... :laugh:
      mach dir keine gadanken, mich erwischts gerade, mein auftraggeber versucht zwei tage vor vertragsende die folgeverträge im stundensatz um 30% zu drücken und für die letzten jahre rückzahlungen zu kriegen... was hab ich gelacht...
      nun hab ich ab 1.7. erstmal keinen vertrag, allerdings heisst das nicht dass ich keine arbeit habe....
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 22:46:33
      Beitrag Nr. 30 ()
      @ karl

      Naja, dann kann ich mich wohl wieder ein Stück abregen? ;)

      Gut so. :)
      Avatar
      schrieb am 27.06.02 22:59:15
      Beitrag Nr. 31 ()
      Ach, übrigens, nur zur Vervollständigung von # 26:

      Es handelt sich bei dem Problem unseres Gesundheitssystems NICHT um eine KOSTEN-EXPLOSION, sondern um eine (durch Arbeitslosigkeit und demographische Entwicklung bedingte) EINNAHME-IMPLOSION !!!

      Leider hatte ich keine Zeit mehr, die Tippfehler und unrunden Sätze zu korrigieren - man möge mir verzeihen.. ;)

      Ein SAtz ist jedoch missverständlich:

      Ich schrieb:

      Durch die ebenfalls nach dem Solidarprinzip umlagenfinanzierten Krankenkassenbeiträge steigen bei immer mehr Arbeitslosen der abzuführende Anteil zur gesetzlichen Krankenversicherung, jedoch haben sich z.B. in den letzten 10 JAhren die Leistungen der Krankenkassen PRO erbrachte Leistung im ambulanten Bereich praktisch halbiert!!!



      Anstatt dessen muss es heißen:

      "Durch die ebenfalls nach dem Solidarprinzip umlagenfinanzierten Krankenkassenbeiträge steigen bei immer höheren Arbeitslosenzahlen der pro ZAhler abzuführende Anteil zur gesetzlichen Krankenversicherung, jedoch haben sich z.B. in den letzten 10 JAhren die Bezahlung pro Leistungsbewertungspunkt an Ärzte der Krankenkassen PRO erbrachte Leistung im ambulanten Bereich praktisch halbiert!!! Bekam ein Arzt vor 10 jahren noch pro Leistungspunkt 10 Pfennige, so sind es heute nur noch wenig mehr als 5 Punkte - für die gleiche Leistung, wobei sich die fixen Betriebskosten einer Praxis natürlich in dem zeitraum kräftig erhöht haben."

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 02:20:07
      Beitrag Nr. 32 ()
      Hallo D.T., hin und wieder eine Vitamintablette nicht vergessen, und vorher die Tastatur wegstellen.


      Tja, wenn man die Lesezahlen dieses gestern eröffneten Threads sieht, muß man/frau doch denken, daß endweder an dem Thema tatsächlich viele interessiert sind, weil sie aufrichtig wollen und hoffen, daß es den Menschen in D bald besser geht oder weil sie selbst arbeitslos sind.
      Ich gehöre ab Montag "betriebsbedingt" leider zur zweiten Gruppe und ich bin mir auf jeden Fall sicher, keine Lust mehr zu haben, momentan auch nur ein paar Euro Steuern zu bezahlen.

      Daß Unternehmen mit anteiligen Gehaltsbezahlungen (bezugnehmend auf ein früheres Posting), der Arbeitslosen regelrecht "gelockt" werden, ebendiese einzustellen, ist nicht neu, das gibt es schon immer; und zwar bei Langzeitarbeitslosen bis zu 80 % des Gehaltes. Das gab es bis zu 6 Monate lang. Unerhört !!

      Ich trat mal vor so ca. 7 J. eine zuerst interessant klingende Büro-Arbeit an, ... bis die angeheiratete Firmeninhaberin mir einen Antragsbogen vorlegte, den ich unterschreiben sollte. Da habe ich mich natürlich geweigert. Dann kürzten die mein Gehalt und kurze Zeit darauf bekam ich die Kündigung.

      Ich lasse mich jetzt überraschen, was da aktuell auf mich zukommen wird.
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 08:41:18
      Beitrag Nr. 33 ()
      @ principessa

      Das tut mir leid.
      Ich drücke Dir die Daumen, daß Du bald wieder einen Job hast.

      Das zeigt aber auch, wie schnell es fast JEDEN erwischen kann. In derart unsicheren Zeiten wie den jetzigen und erst recht den zukünftigen wird bei Verwirklichung des HArtz-PApieres zwar immer noch nicht auch nur ein Jota mehr von der Politik geleistet, um die MAssenarbeitslosigkeit zu bekämpfen - aber dafür wird man in Zukunft steil fallen und rascher zum Sozialhilfeempfänger.

      Bisher hat noch niemand ein vernünftiges zukunftssicheres Rezept präsentiert.

      DAs einzige, was passsiert, wird noch mehr unsinniger Druck auf den Arbeitslosen sein. Diejenigen, die noch in Lohn und Arbeit sind, werden (sich in fälschlicher Sicherheit wiegend) sich durch diese Politik immer unsolidarischer gegenüber denjenigen benehmen, die keinen Job haben.

      Schröder hat sich medienmäßig als einer präsentiert, der sich für die Arbeitslosen engagiert.

      Die damalige Entgleisung ("Kein recht auf FAulheit" ) sowie sein törichtes Larvieren zeigen, daß er nicht der "Kanzler der sozialen gerechtigkeit und der Solidarität" ist, sondern der Kanzler, der sich (aufgrund seiner Herkunft) stets bemüht, an der Seite der Mächtigen zu sein.
      In Wirklichkeit ist er der "KAnzler derjenigen, die etwas besitzen: Kapital oder Arbeit" . Um den Rest schert er sich einen Dreck. Eine Art Aussitz-Kohl light.

      Er schützt nicht die laut statistik über 4 Mio Arbeitslose ( wenn man dieMAnipulationen berücksichtigt, wohl eher 6 Mio) vor den Folgen der Politik, er meint, den Staat vor diesen 4-6 Mio Bürgern schützen zu müssen.

      Wenn ich da eine Metapher heranziehen soll, so fallen mir gleich 2 passende ein:

      Das ist so, als wenn in einem leckgeschlagenen Schiff ein erheblicher teil der MAnnschaft vom Kapitän in einen Bereich des Schiffes geschickt wird, der dann durch Schließen der Schotts zum sicheren Grab wird.

      Und es ist so, als wenn ein Notarzt einem Schwerverletzten nicht mehr beisteht, bis er wieder kreislaufstabil ist, sondern nur noch 3 Minuten am Unfallort ist und dann wieder wegfährt...

      Gruß

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 08:44:27
      Beitrag Nr. 34 ()
      selbst die WELT stellt fest: (/b]

      Kein einziger neuer Job
      Noch sind am Arbeitsmarkt keine Reformen erkennbar. Ob Gerster- oder Hartz-Kommission: Den 4,3 Millionen Arbeitslosen bringt das wenig

      Foto: ddp/Montage: WamS
      Von Sonja Banze
      Berlin - Die Zeit zwischen Frühlingsanfang und Beginn der Sommerferien ist genau die Zeit, die Bauarbeiter gern nutzen, um noch mal schnell die Straßen aufzureißen und "in Stand zu setzen". Lieber jetzt Stau als mitten im Reiseverkehr. Rot-weiße Bänder. Das ist jedes Jahr so.

      In diesem Jahr sind die Monate zwischen Frühlingsanfang und Sommer aber auch die zwölf Wochen, die dem vom Bundeskanzler herbeigerufenen Peter Hartz, sonst Personalvorstand bei VW, bleiben, um das größte Schlagloch des Landes zu sanieren: die Bundesanstalt für Arbeit, kurz BA. Die mit dem rot-weißen Logo.

      Freitag traf sich die Hartz-Kommission im zweiten Stock des Bundesarbeitsministeriums (BMA) in Berlin zu ihrer ersten Arbeitssitzung nach der Konstituierung Anfang des Monats. Freitag sagte der Bundesrat Ja zu den ersten Änderungen in der Nürnberger Behörde. Und schon am Montag hatte Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) vorgeschlagen, doch mal die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu überprüfen, vor allem die im Osten. Seit dem Skandal um die geschönten Vermittlungsstatistiken der BA vergeht keine Woche mehr ohne Vorschläge, was man denn nicht alles besser machen könnte. Und dank der Hartz-Kommission darf jeder ein bisschen mitbauen, nicht nur Politiker, sondern auch Gewerkschafter, Wissenschaftler, Unternehmer und Unternehmensberater.

      Doch selbst wenn dieser Aktionismus nicht nur ein rhetorischer bleiben sollte - helfen wird er kaum: "Wenn man die Bundesanstalt ummodelt, ist damit noch kein einziger neuer Job geschaffen", sagt Klaus Zimmermann, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Instituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Die "Masse des Problems", so Zimmermann, bleibe, und die Diskussion um die BA dürfe "nicht von der eigentlichen Misere ablenken". Ohnehin seien die Arbeitsämter nie so bedeutsam gewesen: Ihr Beitrag zur Vermittlung liege bei gerade mal 25 Prozent.

      Dem Arbeitsmarkt, über die Leiden seiner Bundesanstalt fast schon in Vergessenheit geraten, geht es unverändert schlecht. Nach ersten Schätzungen von Arbeitsmarktexperten dürfte die Arbeitslosigkeit im März nur um wenig mehr als 100.000 sinken - das wäre die schwächste Frühjahrsbelebung seit neun Jahren.

      Demnach wären derzeit immer noch knapp 4,2 Millionen Menschen ohne Arbeit. Die endgültigen Zahlen wird die Bundesanstalt für Arbeit am 9. April vorlegen. Besonders bedenklich: Noch immer gibt es kein Zeichen dafür, dass das seit Januar geltende Job-Aktiv-Gesetz Wirkung zeige, ebenso wenig wie die gleichzeitig gestartete Vemittlungsoffensive, für die extra 2000 neue Vermittler eingestellt wurden.

      Die Konjunktur ist schwach, aber das ist nicht alles. Ein Großteil der Arbeitslosigkeit ist hausgemacht: "Allein mit einer durchgreifenden Reform des Arbeitsmarktes könnte die Arbeitslosigkeit um ein Drittel gesenkt werden", schätzt DIW-Chef Zimmermann. Ein Drittel - das wären rund 1,4 Millionen Arbeitslose weniger. Der Ökonom fordert die Lockerung des Kündigungsschutzes, niedrigere Einstiegslöhne, eine stufenweise Absenkung des Arbeitslosengeldes, um den Anreiz zu erhöhen Arbeit anzunehmen, und vor allem niedrigere Tariflöhne für ältere Arbeitslose; nur so ließen sich deren Chancen am Arbeitsmarkt verbessern.

      Bei der Hartz-Kommission, derzeit das Herzstück in Sachen Arbeitsmarktreform, gibt man sich verschwiegen. Der Kommissionsherr selbst hält sich bedeckt, wohl in Sorge, dass jedes neue Wort in so heikler Sache sofort wieder für Aufregung sorgen und der inhaltlichen Arbeit hinderlich sein könnte. Dafür hat er keine Zeit, denn ihm bleiben nur 145 Tage, um eine über 50 Jahre alte Behörde mit mehr als 90.000 Mitarbeitern an Haupt und Gliedern umzukrempeln. Am 16. August will der Kanzler wissen, was er mit der Bundesanstalt machen soll.

      Und Aufregung dürfte Peter Hartz bis dahin innerhalb seiner eigenen Kommission noch genug haben. Schon jetzt murrt mancher Entsandte aus Wirtschaft und Unternehmensberatung, dass er gern den Arbeitsmarkt gleich mit sanieren und über Tarifsystem, Niedriglohnsektor und Deregulierung reden würde und sich nicht auf die Reform der Behörde beschränken mag. Schon jetzt hört man aus der Ecke der Kommunen weit reichende Vorstellungen, die Vermittlung und Qualifikation zu koppeln und ganz aus der Bundesanstalt ins Private auszugliedern; die BA solle als reine Sozialversicherungsanstalt stehen bleiben. Und schließlich ist zumindest ein Kommissionsmitglied schon auf die Idee gekommen, Schluss mit der Selbstverwaltung zu machen, die "Verbandsmeier" rauszusetzen und stattdessen Unternehmern die Aufsicht über die Bundesanstalt zu geben.

      Die Gewerkschaften dürften da manches anders sehen und blockieren, wo es geht.

      In der vierstündigen Sitzung am Freitag zumindest sei noch jeder "auf Konsens und Fortschritt ausgerichtet" gewesen, heißt es in Kommissionskreisen, von "straff" und "effizient" ist die Rede, und schließlich sei Hartz ein "Kommunikator", der Gegensätze schon miteinander versöhnen werde.

      Während das Hartz-Papier im Sommer nach seiner feierlichen Übergabe vermutlich in die Schublade mit allen bisherigen Reformkonzepten gestopft wird, ist Freitag im Bundesrat immerhin die Reform des Hauptes der Bundesanstalt bestens gelungen: Die BA hat ab 1. April statt Präsident und Vizepräsident einen dreiköpfigen Vorstand über sich, dessen Vorsitzender Florian Gerster 250.000 Euro im Jahr verdienen soll. Was wirklich neu ist. Jagoda wurde brav nach Besoldungsstufe B10 bezahlt und verdiente die Hälfte.

      So hat die Reformiererei schon mal zumindest einen Gewinner
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 08:47:11
      Beitrag Nr. 35 ()
      Leider etwas lang aber: lest selbst:
      Dummkopf

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      Freitag, der 28.06.2002; 08:45:34

      In Deutschland sind Regeln wichtiger als die Vernunft.
      Man ist zu alt, zu dies, zu das: "... ich kann leider wenig für Sie tun, Sie sind zu alt", hatte der Vermittler vom Arbeitsamt gesagt. "... Soll ich mich etwa umbringen?" hatte der Arbeitslose gefragt. Sein Gegenüber war gelassen geblieben: "Es gab schon einige solcher Fälle im vergangenen Jahr."

      Deutschland im Rausch des VerbotenenSpesenabrechnungen werden fingiert, Steuererklärungen gefingert. Amtsrichter wollen gerne den lukrativen Posten eines Konkursverwalters. Seinen Audi A4 hat der Arbeitsvermittler beim Arbeitsamt vom Bildungswerk "XY" für besondere Verdienste. Legal, illegal - scheißegal. Ein ganzes Volk betrügt nach Kräften. Fast jeder sechste deutsche Euro wird schon an Fiskus und Sozialkassen vorbei verdient. Wogegen ein legal verdienter Euro zur Hälfte (Staatsquote: 50%) durch die Finger des Staates muß, um in zweifelhaften Kanälen zu versickern. Die Auswirkungen gleichen einem Raubüberfall. Politiker betrachten das Geld der Bürger als ihr Eigentum.

      Ein Handwerker, der 40 Stunden die Woche arbeitet, hat grob gerechnet 800 Euro netto. Wer Arbeitslosengeld bezieht und 20 Stunden schwarz arbeitet, kommt auf 1800 Euro netto.

      10.02.02 Behäbig, teuer, korrupt und erfolglos: Die Bundesanstalt für Arbeit macht sich selbst überflüssig. Binnen weniger Tage erlebte die 50-Milliarden-Euro-Behörde den Abstieg zur Schande der Nation, die Behörde ist als Saftladen enttarnt. Seit langem rechnen Experten unermüdlich vor, die wahre Jobmisere werde durch die offizielle Statistik geschönt. Die Arbeitslosigkeit liege derzeit nicht bei 4,3, sondern in Wahrheit bei 6 Millionen. Auf 1,7 Millionen schätzt der Sachverständigenrat die stille Reserve. Den 6 Millionen Arbeitslosen stehen geschätzte 1,5 Millionen offene Stellen gegenüber.
      Rund 256 Milliarden €, gehen der Volkswirtschaft jährlich durch die Arbeitslosigkeit verloren, wie Wirtschaftsexperten schätzen. Der Buchhalter des Staates in Sachen Arbeitsmarkt, das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), hat errechnet, was quantifizierbar ist: Den Staat kostete die Arbeitslosigkeit im Jahr 2001 rund 70 Milliarden €. Fiskalische Kosten nennen Ökonomen das und meinen damit zum einen die Ausgaben des Staates für Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Wohngeld, zum anderen seine Einnahmelöcher bei Steuern und Sozialbeiträgen. 70 Milliarden Euro; wenn die nicht wären, müßte der Staat in diesem Jahr überhaupt keine neuen Schulden machen und hätte immer noch Geld über. Er könnte das Lohnsteueraufkommen halbieren, oder jedem Bürger 850 Euro auszahlen. In bar, versteht sich. An anderer Stelle schreibe ich, daß der Staat jährlich 500 Milliarden € durch den Schornstein jagt, wovon niemand etwas hat. Das ist eine gigantische Geldvernichtung, für die Millionen von Menschen in Deutschland hart arbeiten.
      Nun wurde die Politik durch die Arbeitsamtaffäre zwar aufgeschreckt, doch ändern wird sie nichts.

      Deutsche Politiker sind schwach und ihre Schwächen lassen keine Entscheidungen zu!
      Deutschland ist nicht Portugal, Irland oder die Niederlande, sagt der Kanzler. Da hat er recht! Der Unterschied besteht darin, daß diese Länder Wachstum, Wohlstand und Jobs schaffen, seit Jahren schon. Wachstum ist in der Bundesrepublik bei Null angekommen, Wohlstand ist Armut gewichen und Jobs entstehen auch keine mehr.
      Nicht Angst legt die Konjunktur lahm, sondern der Bundesfinanzminister Eichel. Seine Lehrbuchtheorien (rechnen kann er auch nicht) sind dumm und falsch. Die Entlassungen und Gewinneinbrüche des vergangenen Sommers waren erst der Anfang einer falschen Politik unserer Regierung. Zwei ¢ Tabaksteuer mehr vernichten 1000 Arbeitsplätze. Das mußte ihm erst gesagt werden. Die Konjunkturschwäche dauert länger und länger. Siemens, SAP, IBM, Philips, Schwab, Reuters, Intel - man liest nur noch von Entlassungen und Gewinneinbrüchen. Hinzu kommt die Bankenkrise. Krise auch bei High-Tech, weil kaum noch einer ein Handy oder Computer kauft - es sei denn bei Aldi.
      Schröderisten lassen Probleme, wie Millionen von Arbeitslosen und Probleme des Mittelstandes einfach links liegen. Reformen werden allenfalls halbherzig und gegen den Mittelstand umgesetzt. Schröder, Eichel und Riester versuchen sich damit herauszureden, die schlechte Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und bei der Konjunktur habe ihre Ursachen in der weltpolitischen Lage. Nein, das ist ganz allein ihr Werk.

      Arbeitsmarkt onlineSeit dem Skandal um die geschönten Vermittlungsstatistiken der BA vergeht keine Woche ohne Vorschläge, was man nicht alles besser machen könnte. Dank der Hartz-Kommission darf jeder ein wenig mitbauen, nicht nur Politiker, sondern auch Gewerkschafter, Wissenschaftler, Unternehmer und Unternehmensberater. Doch dieser Aktionismus schafft nicht einen einzigen neuen Job, sondern soll von der eigentlichen Misere ablenken. Die Gruppe der Unternehmer und Unternehmensberater in der Hartz-Kommission haben ganz anderes im Sinn: Sie würden gern den Arbeitsmarkt gleich mit sanieren und über Tarifsystem, Niedriglohnsektor und Deregulierung reden. Sie wollen sich nicht auf die Reform der Behörde beschränken. Gewerkschaften werden da manches anders sehen und blockieren, wo es geht. Im Sommer wird das Hartz-Papier nach seiner feierlichen Übergabe vermutlich wie alle bisherigen Reformkonzepte beerdigt werden. Beamte und beamtenähnliche Wesen haben die Macht im Amt und formten ihn systematisch zu einem trägen und behäbigen Verwaltungsapparat. Niemand kann diesen fetten Riesen bändigen - denn da, wo er abgespeckt werden könnte, haben die Verursacher auch schon die Mehrheit und damit die Macht: in den Parlamenten nämlich.

      13.03.02 Gerhard Schröder holte den Reformer Florian Gerster, um die Bundesanstalt für Arbeit umzukrempeln. Nur eines soll bleiben wie bisher: der Einfluß von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden auf den riesigen Haushalt der Bundesanstalt, obwohl diese von den Haushaltsmitteln selbst profitieren. Die Deutsche Angestellten Akademie mit Sitz in Hamburg ist einer der ganz großen Bildungsträger. Für ihre Arbeit holt sie sich jährlich rund 250 Millionen € bei den Arbeitsämtern ab. Auch die Arbeitgeber sitzen im Verwaltungsrat, auch sie besitzen eigene Bildungsinstitute, etwa das bbw oder das bnw. Gemeinsam mit den Gewerkschaften kassieren sie mehrstellige Millionenbeträge von den Arbeitsämtern für ihre Institute mit der Konsequenz, daß im Grunde ein Aufsichtsgremium nicht mehr seine Aufsichtsfunktion wahrnimmt sondern eher Strategien ersinnt, wie der vorhandene Etat möglichst für die eigenen Interessen eingesetzt werden kann. Ein weiteres Beispiel für teure Interessensverquickung ist die Altersteilzeit. Immer mehr Unternehmen schicken immer mehr Mitarbeiter frühzeitig in den Ruhestand. Insgesamt haben die Arbeitsämter 500 Millionen € für die Ausgliederung älterer Mitarbeiter in deutschen Unternehmen ausgegeben. In diesem Umfang entsteht auch gesamtwirtschaftlicher Schaden, denn die Produktivkraft dieser Arbeitnehmer kann nicht mehr genutzt werden. Und das Ganze geschieht mit Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit. Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern kontrollieren die Vergabe des Geldes auch noch. Arbeitsmarktpolitik zum eigenen Vorteil, denn die Arbeitgeber bestimmen bei den Arbeitsämtern mit, wo`s lang geht. Arbeitgeber kontrollieren die Vergabe des Geldes vor allem für eigene Zwecke. Insgesamt 22 Milliarden €. Doch die teure Interessensverquickung in seinem Verwaltungsrat stört Gerster nicht. Und so bleibt wohl alles, wie es ist: Behäbig, teuer , korrupt und erfolglos.

      16.01.02 Die Bundesanstalt für Arbeit gibt jährlich Millionen für Trainingsmaßnahmen aus. Arbeitslose müssen daran teilnehmen, auch dann, wenn das Training ganz offensichtlich sinnlos ist. Prof. Erich Staudt, Arbeitsökonom der Ruhr-Uni Bochum sagte dem ZDF-Magazin Frontal 21 : "Die Leute vom Arbeitsmarkt zu entfernen, ist ein Lieblingskind aller politischen Parteien. Die Maßnahmen dienen vorwiegend dazu, die Statistiken zu schönen und ein paar Arbeitslose weniger zu haben. Trainingsmaßnahmen, sobald sie sich auf Wissensaufnahme reduzieren, sind überwiegend wertlos." Jedes Jahr geben die Arbeitsämter 22 Milliarden € für Training, Fortbildung oder Arbeitsbeschaffung aus. Doch neue Stellen bringt das kaum, wie Gutachten für das Bundesfinanzministerium belegen.

      Arbeitslos per Gesetz?
      4,3 Millionen Arbeitlose in Deutschland - ein trauriger Rekord und täglich kommen neue Hiobsbotschaften aus den Arbeitsämtern. Kein Wunder, denn selbst erfolgversprechende Beschäftigungsprojekte werden sang- und klanglos eingestellt. Beispiel: das so genannte "Niedersachsen Modell". 1998 zahlten Metallarbeitnehmer und Arbeitgeber 5 Millionen Euro in einen Topf. Von diesem Geld wurden Prämien an Arbeitnehmer bezahlt, die bereit waren, weniger zu arbeiten und somit auf einen Teil ihres Lohnes zu verzichteten. Auf diese Weise konnten 270 Arbeitlose eingestellt werden. Doch nun stehen sie wieder auf der Straße, weil die Finanzbehörden darauf bestehen, den Prämientopf zu versteuern. Dabei hatte noch 1998 Bundeskanzler Gerhard Schröder signalisiert, daß die Befreiung von der Steuer in Berlin abgesegnet werden würde. Das ist natürlich nicht geschehen, obwohl so bundesweit etwa 40.000 neue Arbeitsplätze hätten entstehen können - für den Staat zum Nulltarif. MONITOR

      Auf 1 Milliarde € Umsatzsteuer von der Post kann die Finanzbehörde dagegen leicht verzichten.

      Chemnitz: Dort hatten der Chef der örtlichen IG Metall, ein Wirtschaftsprüfer von PriceWaterhouse Coopers (PWC) und der stellvertretende Leiter des Arbeitsamts Ungewöhnliches gewagt: Anstatt zuzusehen, wie Firmen bankrott und Arbeitsplätze verloren gehen, wollten sie was tun. PWC analysiert Bilanzen, die Mitarbeiter akzeptieren Lohnverzicht, erhalten dafür Firmenanteile, das Arbeitsamt gibt Geld - das es übrig hat, weil die Leute ihren Job nicht verlieren. Nach diesem Prinzip konnten die Chemnitzer seit 1996 weit über 1.000 Arbeitsplätze retten. Bis das Verbot eintraf: unerlaubte Wirtschaftsfhilfe, Verstoß gegen EU-Recht. Der Kanzler kam - und eine neue Idee: Ein verfeinertes Konzept, das in die Paragrafen paßt. Schröder sagte seine Unterstützung zu. Neue Zuversicht keimte in der alten Industriestadt. Bis vor ein paar Wochen das Arbeitsministerium einen Brief schickte: Auch das neue Modell wird nicht genehmigt. Und vom Kanzler kein Wort. DIE ZEIT

      Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Arbeitslos per Gesetz? Ja, auch das gibt es in Deutschland: Wer zwölf Jahre in wissenschaftlichen Institutionen gearbeitet hat, der muß festangestellt werden oder gehen. So will es das neue Hochschulrahmengesetz. Irrsinn zwar, doch für das Bundesministerium geht die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Arbeitsgerichte völlig in Ordnung. Die Universitäten fürchten, bei einer Beschäftigung der Dozenten über die zwölf Jahre hinaus, Klagen auf eine feste lebenslange Anstellung. Das neue Hochschulrahmengesetz wurde so gestrickt, daß es die motivierten jungen deutschen Wissenschaftler ins Ausland treiben wird. Das neue Gesetz sollte den Wissenschaftsstandort stärken. Das tut es auch, nur nicht in Deutschland. Forschungsgelder und Drittmittel werden verbrannt, teure Projekte müssen gestoppt werden, einige tausend Forscher sind von Dauerarbeitslosigkeit bedroht, na und?

      29.10.01 Weil die Arbeitslosigkeit nicht wie versprochen fällt, sucht die SPD nach Auswegen. Aus der Bundestagsfraktion kommt der Vorschlag, die Berechnungsmethoden für die Erwerbslosenstatistik zu ändern. Schon gäbe es 500.000 Jobsuchende weniger.

      "Es ist der Arbeitsmarkt, Dummkopf"

      Arbeitsmarkt ui, Steuern pfui, Rente uiuiui ... Nach versauter Steuer- und Rentenreform fehlt Gerhard Schröder die Lust zur Führung. Er überläßt die Arbeit seinen Ministern. Wie Kanalratten schaffen Eichel und Riester Kapital in gewünschte Kanäle, nur nicht in sozial wünschenswerte.

      Nach Weltwährungsfonds und OECD hat nun die Investmentbank Goldman Sachs Rot-Grün gerüffelt. "Es ist der Arbeitsmarkt, Dummkopf", lautet sein Fazit. Deutschland sei das Schlußlicht in Europa, und zwar wegen lauter Fehlentwicklungen seit 1998. Die Stichworte: Verschärfung des Kündigungsschutzes in kleineren Betrieben, Abgabenbelastung für 320-€-Jobs, Jagd auf Pauschalarbeiter, Lohnfortzahlung, Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung. Was Arbeitskraft verteuert und Anpassung lähmt, vernichtet Jobs ebenso wie ein immer dichteres Regelwerk, das Entlassungen erschwert. Schröderisten lernen`s nie; sie schützen jene, die Jobs haben, nicht aber jene, die sie brauchen. Das sind nur Faulenzer! Wie denn einen Job finden, wenn der Kanzler sie mit seiner Politik verhindert.
      Die Wachstumsaussichten der Wirtschaft werden immer trüber, der Arbeitsmarkt hinkt, Kanzler Schröder, Meister im Freistilschlingern stellt sich taub und blind. Diese Regierung bleibt uns als Nachbesserungsanstalt noch ein Weilchen erhalten. Dann kommt hoffentlich eine anderere und der Kanzler wird mit seinen "Cousinen aus Dingsda" in die Wüste geschickt. Schröder hätte sich um die Volkswirtschaft kümmern sollen, das aber hat er zu keiner Zeit getan. Ihm fehlt der Wille und die Fähigkeit dazu. Die Herausforderungen der Gegenwart werden von ihm und seiner unfähigen Regierungsmannschaft schlicht ignoriert. "Schröder hat die Politik seines Vorgängers Helmut Kohl übernommen", schreibt der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine. "Wie nach dem Lehrbuch würgt der Kanzler mit Duisenburg und Eichel die Konjunktur ab. Die Zinsen wurden wieder angehoben, soziale Leistungen und Renten gekürzt und die Löhne gedrückt. Die Unternehmenssteuersenkung ist wie all die Jahre vorher verpufft. Jetzt ernten Schröder und Eichel die Früchte ihrer Arbeit: Die Konjunktur sackt ab."
      Ein deutlicher Rückgang bei den Exportaufträgen macht sich bemerkbar, sagen Experten. Bloßgelegt wird in diesem Jahr eine Kapitalverteilung, die die Rocktaschen der Vorstände stimuliert, nur keine arbeitsplatzschaffenden Investitionen. Bloßgelegt wird eine Häufung von Steuervorteilen für die größten und finanzstärksten Unternehmen, die jeder wirtschaftlichen und sozialen Vernunft spottet. Und immer noch jammern sie, kaum noch wissend, wo sie ihre Gewinne verstecken und wie sie ihre Aktionäre bescheißen können.
      Bilanzkosmetik und Folklore sind strafbar. Kleine Tricks nur und alles ist legal. Mittels einer kreativen Buchhaltung lassen Global Player Gewinne dort anfallen, wo die Steuerbelastung gering ist. Verluste lassen sie im Heimatland entstehen, die dann dort von der Steuer abzugsfähig sind. Wie Deutschlands Konzern-Elite sich arm rechnet und Millarden an Steuergeschenken einheimst, warum der größte Teil vom Exportüberschuß wieder ins Ausland -in karibische Steueroasen fließt, über das "wer hat, dem wird gegeben" und warum Lohnbescheidenheit nichts bringt, kann man in einem Dutzend Bücher nachlesen. In den Medien findet man darüber kaum etwas. [rt]
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 10:38:53
      Beitrag Nr. 36 ()
      @ Bilanzfriseur


      Danke, Interessante Beiträge!

      Kann dem nur vollstens zustimmen.
      Die SPD braucht anscheinend noch eine weitere Legislaturperiode in Opposition, um endlich zu begreifen, daß keine ausschließlich selbstdarstellende Schauspieler, sondern Staatsmänner dringend erforderlich sind.

      Lieber einstweilen ein Stoiber unter Merkel als eine unkontrollierte LAchnummer a la Schröder.

      Erstaunlicherweise hat Stoiber ja den Hartz-ENTWURF ALS IN WESENTLICHEN Teilen unzumutbar bezeichnet.

      WAhrscheinlich hat er sich im Gegensatz zu Schröder das PApier durchgelesen, während sich Schröder lediglich über die Umfrageergebnisse zum HArtz-PApier, nicht jedoch dessen Inhalt informierte, geschweige denn sich mit den Erfolgschancen und den Folgen auseinanderzusetzen.... :mad:

      Nach 20 JAhren Rot-Grüner WAhl werde ich diese Pfeifen sicher nicht mehr wählen.
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 10:53:19
      Beitrag Nr. 37 ()
      @Deep Thought

      "Nach 20 JAhren Rot-Grüner WAhl werde ich diese Pfeifen sicher nicht mehr wählen"


      Eine späte, aber sicherlich richtige Erkenntnis.
      4 Jahre Schnittlauchpolitik (außen grün, innen hohl)
      sind genug.
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 12:48:59
      Beitrag Nr. 38 ()
      Hi d.t.,109:

      Geht mir genauso, habe damals mit Schröder Kohl abgewählt.... Der Armani-Genosse wird eine Fussnote der Deutschen Geschichte bleiben...

      Stoiber wird wohl auch nicht viel mehr ausrichten können gegen den etablierten Lobbyismus - umso wichtiger, dass auch künftig über´s web korrekter Informationsaustausch läuft!
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 19:37:52
      Beitrag Nr. 39 ()
      @D.T., ma seh`n, wann ich wieder motiviert bin ;) aber NIEMALS werde ich einen subvensionierten Arbeitsplatz annehmen !
      + ej, Deiner Meinung nach bleibt Frau Merkel die tonangebene Kraft für Herrn Stoiber ?! ...:)

      @Bilanzfriseur, oh oh und Danke für die Beiträge.

      DIE ZEIT

      Politik 25/2002

      Die schamlosen Chefs
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      Gier, Korruption, Betrug: Warum es gut ist, wenn die Aktien fallen
      von Marc Brost

      Manchmal will einer nur provozieren - und trifft doch die Wahrheit. "Korruption und Gier an der Wall Street haben das Klima vergiftet", warnt Barton Biggs, Chefstratege der amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley. Er entwirft ein Schreckensbild: In den kommenden drei Jahren falle der Dow Jones auf ein Fünftel des heutigen Werts, aufgebrachte Aktionäre verklagten Vorstände, Fondsmanager oder Wertpapieranalysten, und sollte es überhaupt gelingen, das Vertrauen der Anleger wiederzugewinnen, dann dauere das länger als eine Generation.

      Die Börsen in Europa und Amerika taumeln von einem Tiefstand zum nächsten. Der Deutsche Aktienindex hat seit Jahresbeginn mehr als elf Prozent verloren. An der New Yorker Technologiebörse Nasdaq sanken die Kurse in sechs Monaten um dramatische 25 Prozent. Allein in Deutschland vernichtete der Aktiensturz in diesem Jahr fast 100 Milliarden Euro. Inzwischen ist der Kauf amerikanischer Blue Chips riskanter als der Erwerb einer nordsibirischen Unternehmensanleihe. Die Börsianer erleben keinen schwarzen Freitag, sie durchleiden schwarze Wochen. Denn selbst bei guten Wirtschaftsdaten kennen die Kurse nur eine Richtung: nach unten. Die amerikanische Arbeitslosenquote ist besser als erwartet? Der Dow Jones fällt. Das US-Wirtschaftswachstum ist erstaunlich stark? Die deutschen Aktien folgen den amerikanischen in die Trostlosigkeit.

      Jahresgehalt: 40 Millionen

      Schon ist vom Kasino der Kurse die Rede, von Spekulanten, die Aktien erst steil nach oben jagten, um sie jetzt nach unten zu prügeln - ohne Rücksicht auf ahnungslose Kleinanleger, die dabei den letzten Pensionsgroschen verlieren. Doch die Wahrheit ist grausamer: Am Finanzmarkt geht es so vernünftig zu wie schon lange nicht mehr. Und die Kurse sind noch gar nicht tief genug gesunken.

      Mit einem Mal wird klar, dass die Börse nicht unter den geplatzten Träumen der New Economy leidet. Es sind vielmehr die alten Probleme des Kapitalismus in seiner Rohform: Gier, Maßlosigkeit und Vertrauensbruch.

      Da kassiert Dennis Kozlowski, der umjubelte Chef des amerikanischen Mischkonzerns Tyco International, ein Gehalt von mehr als 40 Millionen Dollar - und weil das nicht reicht, hinterzieht er angeblich noch Steuern. Der Staatsanwalt ermittelt, die Tyco-Aktien stürzen ab. Da führt Bernie Ebbers, der Exchef des US-Telefonriesen Worldcom, sein Unternehmen an den Abgrund - und genehmigt sich einen 400-Millionen-Dollar-Kredit aus der Firmenkasse.

      Da verschleiern die Manager des texanischen Energieriesen Enron über Jahre die wahre Finanzlage ihres Konzerns und kassieren - kurz bevor sie die größte Pleite der Wirtschaftsgeschichte eingestehen - mal eben noch 1,1 Milliarden Dollar. Da schreiben Wirtschaftsprüfer lieber Gefälligkeitsgutachten, als einen Kunden zu verlieren. Da bejubeln Analysten der Investmentbank Merrill Lynch in offiziellen Studien eine Aktie als "klaren Kauf", weil das dem Arbeitgeber wertvolle Aufträge sichert, und verraten nur intern, was sie wirklich davon halten - "a piece of shit". Bis Ende März mussten sich in den Vereinigten Staaten schon mehr als 60 börsennotierte Unternehmen wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung verantworten.

      Binnen sechs Monaten hat sich das Bild des Kapitalmarktes radikal gewandelt. Was rechtfertigt die Machtfülle in der Hand eines Chief Executive Officers, wenn er sie dazu einsetzt, sich schamlos zu bereichern? Wem hilft der Glaube an die langfristige Überlegenheit der Aktie, wenn Analysten, Wirtschaftsprüfer und Investmentbanker die Zahlen so lange schönreden, bis der Börsenkurs erst explodiert und dann zusammenfällt?

      Dabei geht es in erster Linie nicht darum, wie viele Manager sich zu viel Geld in die Tasche steckten. Und es ist im Grunde auch unerheblich, ob nun zwei Analysten ihre Studien manipulierten oder 22. Vielmehr konnten sich Gier, Korruption und Betrug nur ausbreiten, weil alle Beteiligten vorgaben, genauestens kontrolliert zu werden. Kaum ein Unternehmen, dass sich nicht selbst Regeln zur Unternehmensführung und -kontrolle, der corporate governance, gegeben hat. Aber sie waren ihre eigenen Kontrolleure. Kaum ein Wertpapierhaus, das nicht auf einen freiwilligen Verhaltenskodex seiner Investmentbanker verweisen kann. Alles Fassade. Die Scharaden blieben unentdeckt, solange die Kurse stiegen und jeder kräftig Geld verdiente.

      "Gier ist gut", dröhnte der Spekulant Gordon Gekko alias Michael Douglas schon 1988 im Kinohit Wall Street. Seine Rolle wurde stilbildend für eine ganze Generation junger Börsianer. Für die geprellten Privatanleger des Jahres 2002 klingt das wie Hohn. Was ist von Politikern zu halten, die ihre Wähler auffordern, mehr Geld in Aktien und Fonds zu stecken, weil die staatliche Rente allein nicht ausreiche? Kein Wunder, dass selbst bei positiven Meldungen jetzt die Kurse krachen. Die guten Nachrichten könnten ja gefälscht sein. Das Vertrauen in den Anstand der Unternehmensvorstände ist gebrochen, auch in Deutschland. Die "ehrbaren Kaufleute" des Mittelstands - es gibt sie ja - werden in Mitschuld genommen; dabei sind sie die Leidtragenden.

      Falsches Vorbild Amerika

      Doch aus der Glaubwürdigkeitskrise wächst die Vernunft. ( ? ) Enttäuschte und betrogene Anleger wollen zu Recht wieder Fakten sehen - also tatsächliche Gewinne, keine Prognosen. Und gemessen daran, sind zahlreiche Aktienkurse immer noch zu hoch. Ganz gleich, wie tief die Börse bereits gestürzt ist.

      Als der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan im Dezember 1996 das erste Mal vom "irrationalen Überschwang" der Börsen sprach, stand der Dow Jones bei 6500 Punkten - gut ein Drittel niedriger als heute. Warum sollte er nicht wieder dort landen? Falls in den globalisierten großen Aktiengesellschaften nicht der Weg zurück zur Bilanzwahrheit und -klarheit gefunden wird, geht es weiter bergab.

      Ein modernes Wirtschafts- und Finanzsystem basiert auf der größtmöglichen Freiheit des Einzelnen, und es braucht gleichzeitig ein verlässliches Regelwerk, das für alle gilt. Die Gier Einzelner hat diesen Rahmen gesprengt. Das ist nicht neu. Spekulationswellen und Vertrauenskrisen hat es immer gegeben, 1929 mündete der Börsenkrach gar in die Große Depression. Doch danach wurde in Amerika die Bilanzprüfung eingeführt und wenig später auch die Börsenaufsicht gegründet.

      Heute werden Reformen zwar diskutiert, doch in den Vereinigten Staaten sperren sich die Unternehmen gegen jede Verschärfung der Aufsicht. Nahezu alle Gesetzesvorhaben, die nach der Enron-Pleite auf den Weg gebracht wurden, sind versandet. Die Europäer starren gebannt darauf, was die Amerikaner jetzt tun, um dann dem Vorbild zu folgen. So hat es der Alte Kontinent zuletzt immer gehalten: """Bei der Frage, nach welchen Prinzipien man ein Unternehmen führt""", und bei den Managergehältern. Das Vorbild war falsch.

      Kein deutscher Aktionär wird künftig klaglos ein zweistelliges Millionengehalt des Vorstandschefs akzeptieren, wenn der Börsenwert des Unternehmens schwächelt. Kein Politiker kann die Augen schließen, wenn die Börse als wichtigste Finanzierungsquelle der Unternehmen ausfällt. Das sind die Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft. Es gibt sie, aber es dauert eine Weile, bis sie greifen. Es dauerte fast 30 Jahre, bis der amerikanische Aktienmarkt den Stand von 1929 wieder erreichte.
      Avatar
      schrieb am 28.06.02 20:03:00
      Beitrag Nr. 40 ()
      Halbfinal-Foto aus der SZ-Bildergalerie, gefunden heute beim -leider erfolglosen- Suchen des Titelbildes der heutigen Freitags-SZ-Ausgabe.

      http://www.sueddeutsche.de/sz/newsml/newsimage.php?newsid=20…

      Avatar
      schrieb am 28.06.02 20:06:02
      Beitrag Nr. 41 ()
      Schade, klappte nicht - falls Interesse besteht siehe www.sueddeutsche.de; Bilder des Tages.
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 12:21:21
      Beitrag Nr. 42 ()
      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,203201,00.h…

      Einer der Punkte, mit dem die Kommission den Arbeitsmarktpolitik erneuern will, ist die Einführung einer Chipkarte für Erwerbslose. Mittels ihrer soll die Stellenvermittlung beschleunigt werden. Hartz sagte gegenüber der "Bild"-Zeitung, auf der Chipkarte sollen die persönlichen Versicherungsansprüche, die Qualifikationen und die Beschäftigungszeiten eines Erwerbslosen gespeichert werden.
      ...
      Arbeitsminister Walter Riester (SPD) begrüßte am Freitag diesen Vorschlag. Er nannte die Chip-Idee einen "wichtigen und vernünftigen Vorschlag". Eine Chipkarte könne helfen, Zeit und Arbeitskraft in der Arbeitsverwaltung einzusparen, um sie nutzbringender bei der Vermittlung einzusetzen.



      Chipkarte für Erwerbslose
      Irgendwie kapiere ich das nicht ganz.
      Wenn jemand arbeitslos gemeldet ist, sind doch alle Daten im Computer gespeichert - auch ohne Chipkarte. Dann braucht der Arbeitsamt-Mensch doch nur noch die Stamm-Nummer (oder so ähnlich) und weiß was er wissen muß. Wozu braucht man dann die Chip-Karte?
      Apropos Chip-Karte: Wie kommen die (Hartz und Riester) dazu, so einen 08/15-Einfall als genialen Gedanken darzustellen? Wenn diese Karte bis heute jemand gewollt hätte, hätte er bestimmt nicht gewartet, bis Hartz so eine Karte als 8. Weltwunder entdeckt.


      Ich habe auch noch einen genialen Vorschlag (Herr Hartz bitte mitlesen und sofort umsetzen!):
      In jedem Arbeitsamt gibt es in Zukunft 3 getrennte Eingänge: einen für das Personal, einen für die Kurzzeitarbeitslosen und einen für die Langzeitarbeitslosen. So weiß man immer sofort schon im ersten Augenblick, wenn jemand einen Fuß über die Schwelle gesetzt hat, mit wem man es zu tun hat. Es ist billig, idiotensicher und funktioniert garantiert - ganz ohne Elektronik und die Tücken der Technik.

      Zusätzlich kann man direkt hinter dem Eingang für Langzeitarbeitslose eine Falltür installieren, die Problemfälle sammeln - ihre Chipkarte dürfen sie behalten - und geräuschlos entsorgen. Das hilft, "Zeit und Arbeitskraft in der Arbeitsverwaltung einzusparen" und die Arbeitslosenzahl schnell und sicher klein zu kriegen.
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 12:43:33
      Beitrag Nr. 43 ()
      Die Regierung scheint sich immer mehr Gedanken zu machen wie man die Arbeitslosigkeit am besten verwaltet, aber nicht wie man sie abschafft!! .... ob mit Chipkarte oder ohne, arbeitslos bleibt arbeitslos!!

      .... und die näxte Steuererhöhung steht schon auf dem Plan!! Nach einer eventuell gewonnenen Bundestagswahl gibt´s ´ne Mehrwertsteuererhöhung!! .... Andeutungen dazu kamen in der Donnerstags-Sendung "Berlin Mitte" ! .... im Zuge der €uroumstellung is doch eh schon alles teurer geworden!! .... da werden die Leute auch zukünftig Ihren Konsum einschränken! Man beachte die künftigen Einzelhandelsumsätze!!

      hell :D
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 13:25:32
      Beitrag Nr. 44 ()
      SPD erwägt Umsetzung der Hartz-Vorschläge noch vor der Wahl


      Berlin - Teile der Vorschläge der Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes sollen möglicherweise noch vor der Bundestagswahl am 22. September in Kraft treten. Eine solch schnelle Umsetzung sei nicht auszuschließen, sagte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering in Berlin. Unklar blieb, welche Punkte das sein könnten. Generell kommen dafür nur Regelungen in Frage, die ohne Gesetzgebungsverfahren, also auf dem Verordnungswege zu ändern sind.
      Nach den Worten Münterferings wird die SPD-Führung ihre endgültige Haltung zu dem Plan des VW-Managers Peter Hartz spätestens am 16. August festlegen. An diesem Tag will die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegen.

      Nach wie vor ist unklar, ob die Gewerkschaften das radikale Reform-Konzept unterstützen. Zu einem für Freitag kommender Woche geplanten klärenden Gespräch zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und den Gewerkschaftsvorsitzenden sagte die stellvertretende DGB- Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer, man werde dem Kanzler «sagen, was die gewerkschaftlichen Vorstellungen sind» und was sie von den Hartz-Überlegungen «mittragen können.» Leistungseinschnitte beim Arbeitslosengeld gehörten nicht dazu.

      Laut Müntefering müssen dagegen sämtliche Vorschläge der Kommission geprüft werden, auch mögliche Veränderungen beim Arbeitslosengeld. Müntefering geht davon aus, dass es in der Bevölkerung dafür eine große Zustimmung gibt. Die SPD werde dieses Thema in den Mittelpunkt des Wahlkampfs rücken. «Wir sind da in der Offensive und werden dies uns nicht nehmen lassen», zeigte er sich überzeugt.

      Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber kündigte im dpa-Gespräch an, auch er werde die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt stellen. «Wir packen die Modernisierung an. Wir haben kein Defizit an Vorschlägen für den Arbeitsmarkt, sondern an politischer Umsetzung». In Mainz nannte er die Pläne verzichtbar: «Wenn jemand behauptet, er würde die Arbeitslosigkeit nicht nur auf 3,5 Millionen, sondern auf unter 2 Millionen senken, nachdem wir in den letzten vier Jahren keine signifikante Senkung hatten, dann ist das ein Bluff.» «Wenige Wochen vor dem Wahltermin braucht Schröder irgendein Instrument, um wieder ein Modernisierer-Image zu bekommen», sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz im ZDF-Morgenmagazin.

      Müntefering geht davon aus, dass Stoiber die Ablehnung der Hartz- Vorschläge nicht durchhalten kann. Angesichts von rund 3,8 Millionen Arbeitslosen und 1,4 Millionen offenen Stellen in Deutschland müsse endlich etwas passieren. Zurückhaltend äußerte sich Müntefering lediglich zu der Kommissionsempfehlung, Stellenlose ab einem Alter von 55 Jahren vom Arbeitsmarkt zu nehmen. Ansonsten zeigte er sich offen für die neuen Vorschläge.

      Engelen-Kefer machte deutlich, dass die Gewerkschaften zu Einschnitten beim Arbeitslosengeld nicht die Hand reichen. «Das darf jetzt nicht genutzt werden, um Leistungen zu beschneiden.» Mit einer Pauschalierung des Arbeitslosengeldes für die ersten sechs Monate, «bei der die Spitzabrechnung später erfolgt», könne sie sich aber anfreunden. Einwände erhob sie gegen schärfere Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose: Man solle doch erst einmal die Vorschriften aus dem Job-Aktiv-Gesetz anwenden, bevor man neue Sanktionen erfinde.

      In den Überlegungen der Hartz-Kommission sieht sie gleichwohl «eine Menge an konstruktiven Ansatzpunkten», um mehr Dynamik in die Arbeitsvermittlung zu bringen. Hauptproblem sei aber der Mangel an Arbeitsplätzen. Deshalb gehe die Kritik von Unionsfraktionsvize Horst Seehofer ins Leere, trotz Job-Aktiv-Gesetz seien bis Mai 600 000 Menschen weniger in Stellen vermittelt worden als vor einem Jahr. Die Produktivität wachse derzeit mehr als doppelt so schnell wie die Wirtschaft und immer mehr Leute würden entlassen. Da könne auch bessere Vermittlung nicht helfen.

      Die Vorschläge der Hartz-Kommission gehen dem Wirtschaftsweisen Horst Siebert nicht weit genug. «Die Hartz-Kommission macht um die Lohnfindung einen weiten Bogen», sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft dem in Düsseldorf erscheinenden «Handelsblatt». Zudem plädierte er dafür, die Zahlung von Arbeitslosengeld wie Mitte der 80er Jahre wieder auf ein Jahr zu begrenzen.

      Grundsätzlich seien gravierende Änderungen am Regelwerk für Arbeit notwendig. «Den beiden großen Parteien, SPD und CDU/CSU, scheint dazu aber der Mut zu fehlen», kritisierte der Volkswirtschaftsprofessor. Kritik von Teilen der Union an einer Pauschalierung des Arbeitslosengeldes wies er zurück. Um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu stärken, müsse auch über unkonventionelle Maßnahmen nachgedacht werden: «So könnte in der ersten Woche der Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld gezahlt werden; jeder würde das Risiko, kein Einkommen zu haben, selbst durch Ersparnisse abdecken», sagte Siebert dem Blatt. (dpa)

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      Avatar
      schrieb am 29.06.02 13:28:44
      Beitrag Nr. 45 ()
      Horst Seehofer spricht von Wilderei

      VON STEFAN SAUER, KStA

      Um das Konzept zur Reform des Arbeitsmarkts ist ein heftiger Streit entbrannt.
      Berlin - Die Vorschläge der Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes verstoßen nach Auffassung des Kölner Arbeitsrechtlers Wolfdieter Küttner nicht gegen geltendes Recht. Die pauschalierte Auszahlung eines dreistufig gestaffelten Arbeitslosengeldes in den ersten sechs Monaten, wie sie die Kommission befürwortet, sei „verfassungsrechtlich unproblematisch“, sagte Küttner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

      Zuvor hatte der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Helmut Simon, die Kappung und pauschale Auszahlung des Arbeitslosengeldes als „verfassungsrechtlich fragwürdig“ bezeichnet. Aus Kommissionskreisen erfuhr diese Zeitung, die Vorschläge würden rechtlich sorgfältig geprüft und so ausgestaltet, dass möglichst geringe gesetzliche Änderungen für ihre Umsetzung nötig würden.

      Arbeitsrechtler Küttner begründete seine Auffassung damit, dass bereits in der Vergangenheit die Auszahlungen von 80 Prozent auf jetzt 67 Prozent des letzten Gehaltes gekürzt worden seien, was einer „pauschalen Kappung“ entspreche. Küttner widersprach dem CSU-Gesundheitsexperten Horst Seehofer, der Verfassungsbedenken gelten gemacht hatte, sollte die Anzahl der Kinder bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht mehr berücksichtigt werden. „Selbstverständlich sollte die Kinderzahl in Betracht gezogen werden, aber dies muss nicht über die Arbeitslosenversicherung erfolgen“, sagte Küttner. Eine Vermengung von versicherungsrechtlichen mit sozialen Aspekten spiele „für den Versicherungsgedanken keine Rolle“.

      Unterdessen verschärfte sich der Streit zwischen Regierung und Opposition um das Reformkonzept. Während CSU-Sozialexperte Seehofer weite Teile der Hartz-Vorschläge als „sozialpolitische Wilderei“ ablehnte, bezeichnete der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Schmidt, die Anregungen als „Markstein auf dem Weg zu einem guten Bundestagswahlergebnis“. Die Vorstöße der Kommission unter dem VW-Vorstand Peter Hartz sorgten „für einen neuen Drive auf dem Arbeitsmarkt“ :laugh: :laugh: . Seehofer kritisierte neben der pauschalierten Arbeitslosengeldzahlung auch die Streichung der über 55-jährigen aus der Arbeitslosenstatistik. Nach Plänen der Hartz-Kommission sollen über 55-jährige Arbeitslose die Möglichkeit erhalten, sich bei gekürztem Arbeitslosengeld nebenbei mehr als heute dazu zu verdienen. Seehofer sagte, dies bekämpfe nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosenstatistik. „Ich bin stolz darauf, dass wir immer auch eine Sozialstaatspartei waren“, sagte der ehemalige Gesundheitsminister unter Helmut Kohl.

      Das dem linken Flügel zugerechnete SPD-Vorstandsmitglied Andrea Nahles sagte, die von der Hartz-Kommission geplanten Kürzungen in der Arbeitslosenhilfe seien „so nicht akzeptabel“, die Regelung für ältere Arbeitslose enthalte „Ungereimtheiten“ bezüglich der Rentenanwartschaften.
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 13:33:07
      Beitrag Nr. 46 ()
      Merz spricht von großem Bluff


      Arbeitsminister Riester unterstützt die Vorschläge der Hartz-Kommission vorbehaltlos. In Einzelfragen könne es noch Differenzen geben.
      Berlin- Die radikalen Vorschläge der Hartz-Kommission sind nach Ansicht von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) ein „riesengroßer Bluff“. „Wenige Wochen vor dem Wahltermin braucht Bundeskanzler Schröder irgendein Instrument, um wieder ein Modernisierer-Image zu bekommen“, sagte Merz. Dies sei mindestens die dritte „Shownummer“, die der Kanzler abziehe.

      „Das eine war das Bündnis für Arbeit, da ist nie etwas von Substanz rauskommen ... Dann hat es den neuen Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit gegeben, der erzählt heute das Gegenteil von dem, was er bei seinem Antritt gesagt hat - alles nur Show und nicht Substanz.“

      Nach Darstellung von Arbeitsminister Riester werden die teilweise umstrittenen Reformüberlegungen in der SPD „sehr gut“ aufgenommen. Auf der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion sei Tenor aller Redebeiträge gewesen: „Die Grundrichtung stimmt.“ Riester plädierte dafür, die anstehende Arbeitsmarktreform im parteiübergreifenden Konsens anzupacken.

      Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wandte sich gegen die von Hartz geplante Pauschalierung des Arbeitslosengelds. Diese Zuwendungen seien „Besitzstände“, sagte Merkel. Dagegen begrüßte die CDU-Vorsitzende den Vorschlag, Sozialhilfeempfängern, die eine angebotene Arbeit ablehnen, die Unterstützung zu kürzen.

      Nach wie vor ist unklar, ob die Gewerkschaften das Reform-Konzept unterstützen. Zu einem für Freitag kommender Woche geplanten klärenden Gespräch zwischen Bundeskanzler Schröder und den Gewerkschaftsvorsitzenden sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer, man werde dem Kanzler „sagen, was die gewerkschaftlichen Vorstellungen sind“ und was sie von den Hartz- Überlegungen „mittragen können.“ Leistungseinschnitte beim Arbeitslosengeld gehörten nicht dazu.

      Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber kündigte an, auch er werde die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt stellen. „Wir packen die Modernisierung an. Wir haben kein Defizit an Vorschlägen für den Arbeitsmarkt, sondern an politischer Umsetzung“.

      Er nannte die Hartz-Pläne verzichtbar: „Wenn jemand behauptet, er würde die Arbeitslosigkeit nicht nur auf 3,5 Millionen, sondern auf unter zwei Millionen senken, nachdem wir in den letzten vier Jahren keine signifikante Senkung hatten, dann ist das ein Bluff.“ (dpa, afp, rtr)
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 13:55:23
      Beitrag Nr. 47 ()
      >satire on>

      Schröder spricht von "Großem Wurf bei der konsequenten Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Rot-Grün"

      Zunächst kann man es kaum glauben, aber Schröder zieht Konsequenzen:

      Ein in aller Eile gefertigter Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht ein Verbot von Arbeitslosigkeit vor.

      Das veranschlagte Strafmaß wird noch diskutiert - in der Diskussion sind noch HAftstrafen zwischen 1 Jahr und lebenslänglich.

      "Wer unsere Volkswirtschaft durch Arbeitslosigkeit schädigt, muss für die Folgen aufkommen. DAbei wird auch überlegt, ob das Vermögen der Arbeitslosen zur Kompensation der angerichteten Schäden herangezogen werden kann."
      Der Vorstand der BA, Florian Gerster, hat volle Unterstützung angekündigt.

      Die Datensätze der Arbeitslosen sollen direkt im Amtshilfeverfahren an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergereicht werden.

      Anlass für diese Überlegungen waren neueste wissenschaftliche Erkenntnisse einer PArteinahen Stiftung ;) , welche herausfand, daß keineswegs die Wirtschaftliche Lage und verfehlte Politik zu hoher Arbeitslosigkeit führt, sondern die Arbeitslosigkeit als solche die Wirtschaft schädigt und die Politik behindert.

      Eine " Null-Toleranz-Politik" soll dabei helfen.
      Flächendeckende Razzien in karitativen Suppenküchen, Sozialwohnungen und Obdachlosenunterkünften sollen Wiederholungstäter zur Festnahme bringen.

      Bereits der Versuch soll strafbar sein:

      Wer mit einem Antrag auf Arbeitslosengeld erwischt wird, oder versucht, einen solchen in Verkehr zu bringen, bekommt ein Bußgeld nicht unter 6 Monatsgehältern.

      Wer länger als 6 Monate arbeitslos ist, der gilt als unverbesserlicher Serientäter und muss im Anschluss an die Haft mit lebenslanger Sicherheitsverwahrung rechnen.

      <Satire off>
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 13:58:36
      Beitrag Nr. 48 ()
      und noch etwas:

      Die durchschnitliche Auszahlung der Bundesanstalt für Arbeit beträgt ca. 1.000 Euro.

      Wahrlich keine Riesensume.
      Wer also behauptet, daß man damit auskommt, der ist zynisch.
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 14:27:30
      Beitrag Nr. 49 ()
      Brandenburgs neuer Ministerpräsident Platzek zum HArtz-Papier:

      SPIEGEL: Dann müssten Ihnen ja die Vorschläge der Hartz-Kommission zur Flexibilität des Arbeitsmarktes gefallen.

      Platzeck: In diesem Fall bin ich skeptisch. Die Tonlage passt mir nicht. Die Tendenz ist immer dieselbe: Schuld an der Arbeitslosigkeit sind die Arbeitslosen. Die sollen sich mal richtig strecken. Dann finden sie einen Job. }

      SPIEGEL: Das geht vor allem gegen die Drückeberger.

      Platzeck: Wir wissen alle, dass soziale Netze ausgenutzt werden. Aber bei fast 20 Prozent Arbeitslosigkeit wie im Osten kann man nicht so tun, als fehlte es nur an Antreibern, die den Arbeitslosen richtig Beine machen. Ich kenne gut ausgebildete Leute, die würden mehrere hundert Kilometer fahren, um zur Arbeit zu kommen. Aber sie finden halt partout keinen Job.


      -----------------------------------------------------


      Da scheint "versehentlich" ein vernünftiger MAnn in ein Ministerpräsidentenamt gelangt zu sein.... :)
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 14:31:02
      Beitrag Nr. 50 ()
      SPIEGEL ONLINE - 29. Juni 2002, 11:37
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,203241,00.h…


      Merkel bei CSU-Parteitag

      "Hartz-Pläne sind Armutszeugnis für Schröder"

      Nach der CDU hat auch die Partei von Unionskanzlerkandidat Stoiber das gemeinsame Wahlprogramm verabschiedet. In einer engagierten Rede stellte CDU-Chefin Merkel dem Bundeskanzler ein vernichtendes Zeugnis aus. Die Vorschläge der Hartz-Kommission zeigten das Versagen der Regierung.



      Fürth - Die Hartz-Pläne bezeichnete Merkel als "schweres Armutszeugnis" für die rot-grüne Bundesregierung. Kanzler Gerhard Schröder müsse sich nach vier Jahren Regierungszeit hinter das Papier eines einzigen Mannes stellen, "weil er selbst keine Taten vollbracht" habe, sagte Merkel. Einige Vorschläge in dem Hartz-Papier seien positiv, andere jedoch nicht. Der VW-Personalvorstand Peter Hartz hatte Anfang der Woche umfangreiche Vorschläge vorgelegt, mit denen Arbeitslose wieder in Arbeit gebracht werden sollen.

      Die CSU verabschiedete das gemeinsame Regierungsprogramm der Union ohne Diskussion der Delegierten einstimmig. Zuvor hatte Merkel in ihrer Rede das Programm unter dem Motto "Leistung und Sicherheit" vorgestellt. Sie betonte, die Union werde im Falle eine Wahlsiegs eine Reihe rot-grüner Gesetze in der Beschäftigungspolitik wieder rückgängig machen.

      Dies betreffe das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit und den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. Das bestehende 360-Euro-Gesetz solle in ein "für alle anständiges 400-Euro-Gesetz" umgewandelt werden. Die von Rot-Grün beschlossene Stärkung des Kündigungsschutzes würde in so weit wieder zurückgenommen, dass auch arbeitslose Menschen im Alter über 50 Jahren eine bessere Chance auf einen neuen Arbeitsplatz erhielten.

      Auch einige Vorschläge der Arbeitsmarkt-Reformkommission des früheren VW-Managers Peter Hartz sollen laut Merkel von einer von CDU und CSU geführten Regierung umgesetzt werden, soweit sie sich ohnehin mit dem Wahlprogramm der Union deckten. Die aber zur Debatte gestellte Kürzung des Arbeitslosengelds lehnte sie als unsozial ab: "Hier sagen wir Nein." Jedoch dürften Sozialhilfeempfänger nicht mehr Geld erhalten als Arbeitnehmer. "Wer arbeitet muss mehr haben, als wer nicht arbeitet", betonte Merkel.

      Rückkehr zum demographischen Faktor

      Bei der Rentenreform werde die Union zum demographischen Faktor der alten Bundesregierung unter Helmut Kohl zurückkehren und die private Vorsorge stärken. "Wir werden vor allem das bürokratische Monster der Riester-Rente entschlacken", kündigte Merkel an.

      Die Pisa-Studie habe belegt, dass unionsregierte Regierungen wie in Bayern und Baden-Württemberg zu besseren Ergebnissen kämen, erklärte die CDU-Chefin. "Die Kinder können froh sein, dass sie hier lernen." Die Jugendlichen der anderen Bundesländer, könnten dagegen sehen, was ihre Regierungen ihnen angetan hätten. Schröder, der Lehrer als "faule Säcke" beschimpft habe und die sozialdemokratische Bildungspolitik mitverantworten müsse, wolle nun "als Dank für diese miese Leistung die Kompetenz für Bildungspolitik auf die Bundesebene verlagern", kritisierte Merkel, "das heißt nun wirklich, den Bock zum Gärtner zu machen".

      Mit Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft rief Merkel am Ende den rund 300 Delegierten zu, es sei wichtig, dass "Deutschland in allen Bereichen gewinnt, nicht nur im Fußball". Dafür sei ein Wahlsieg der Union am 22. September notwendig.

      "Es sind noch 86 Tage bis zum Ende von Rot-Grün", sagte die CDU-Chefin. Die Union sei geschlossen wie noch nie und müsse jetzt zusammenhalten, damit Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) am 22. September Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ablöse. Die Menschen dürften nicht glauben, dass es CDU und CSU nur um Posten gehe.

      Stoiber: Kein Spalt zwischen mir und Späth

      CSU-Chef und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) wies Berichte über einen Streit in seinem Wahlkampfteam um die Reformpläne der Hartz-Kommission zurück. "Es wird niemandem gelingen, Zwiespalt in die Führungsmannschaft von CDU und CSU zu säen", sagte Stoiber am Samstag bei einem Kleinen Parteitag der CSU in Fürth bei Nürnberg. "Wer versuchen sollte, zwischen mir und Lothar Späth einen Spalt zu entdecken, der wird auf die Nase fallen."

      Einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge hatte Stoiber in einer Sitzung des Wahlkampfteams "40 plus" positive Äußerungen seines Wirtschaftsfachmanns Späth (CDU) über die Pläne der Kommission zur Reform des Arbeitsmarkts lautstark kritisiert.
      Avatar
      schrieb am 29.06.02 20:51:55
      Beitrag Nr. 51 ()
      Leute, was wollt ihr denn !!!! Damit kann man doch die Arbeitslosenzahlen unwahrscheinlich beschönigen, da die Arbeitslose zukünftig zum Gorßteil als Zeitarbeitnehmer geführt werden !!! Das ist der Trick 17 !!! Darauf muß
      man erst mal kommen !!!
      Avatar
      schrieb am 30.06.02 19:03:06
      Beitrag Nr. 52 ()
      Arbeitsmarktreform
      Die Vorschläge der Hartz-Kommission



      26. Juni 2002 Mit weit reichenden Vorschlägen zur Reform des Arbeitsmarkts peilt die von der Bundesregierung eingesetzte Experten-Kommission durch eine „Partei übergreifende Projektkoalition“ bis Ende 2005 eine Halbierung der Arbeitslosigkeit auf etwa zwei Millionen an.

      Der Vorsitzende der Kommission, Volkswagen-Personalvorstand Peter Hartz, hat den übrigen 14 Mitgliedern des Gremiums auf 30 Seiten „13 Module zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit“ vorgelegt. Die Kommission will ihre Pläne spätestens am 16. August präsentieren. Ecksteine des Hartz-Konzeptes.

      ZEITARBEIT wird ausgeweitet: „Personal-Service-Agenturen“ werden im Hartz-Konzept als „Herzstück des Abbaus der Arbeitslosigkeit“ bezeichnet. Sie werden an die 181 Arbeitsämter
      angegliedert und verleihen Arbeitslose an Unternehmen - gegen Entgelt oder kostenlos auf Probe. Auch Trainingsmaßnahmen sind möglich. Arbeitslose müssen sich der Leiharbeitsagentur binnen drei bis sechs Monaten zur Verfügung stellen. Sonst wird ihr
      Arbeitslosengeld gekürzt. Für die Agenturen werden Tarifverträge abgeschlossen. Wenn Firmen Personal ausleihen, müssen sie sich verpflichten, offene Stellen beim Arbeitsamt zu melden. Vorgesehen ist eine Aufhebung des Verbots der Leiharbeit am Bau.

      Arbeitslose können sich als neue „Ich-AG“ oder „Familien-AG“ SELBSTSTÄNDIG machen und bis zu 20.000 Euro im Jahr zusätzlich zur Arbeitslosenunterstützung hinzuverdienen. Sie müssen dafür eine Pauschalsteuer von zehn Prozent abführen. Nur ein Teil der Einnahmen wird auf das Arbeitslosengeld angerechet. Schwarzarbeit soll sich dadurch nicht mehr lohnen.

      Alle Betriebe müssen ARBEITSPLATZBILANZEN offen legen und erhalten bei positiver oder neutraler Bilanz Nachlässe bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung.

      Die Zeit bis zur VERMITTLUNG eines neuen Arbeitsplatzes soll sich von 33 auf 22 Wochen verringern. Der Vermittlungs-Berater soll höchstens 200 Arbeitslose betreuen statt bisher bis
      zu 800. Wer arbeitslos wird, muss sich bereits bei der Kündigung beim Arbeitsamt melden. Arbeitgeber müssen diese Beschäftigten für Vorstellungsgespräche in anderen Firmen freistellen.

      Die ZUMUTBARKEITSREGELN für Arbeitssuchende werden verschärft. Bei Ablehnung einer vermittelten Stelle muss der Arbeitslose beweisen, dass die Stelle unzumutbar war. Junge
      allein Stehende müssen bereit sein, für einen neuen Arbeitsplatz im ganzen Bundesgebiet umzuziehen.

      Die LOHNERSATZLEISTUNGEN werden neu geregelt. Das aus Versichertenbeiträgen finanzierte Arbeitslosengeld wird in den ersten sechs Monaten in drei vom Einkommen abhängigen Pauschalen ausgezahlt. Niemand soll schlechter gestellt werden. Weitere sechs Monate wird das Arbeitslosengeld regulär berechnet; dann wird es für zwölf Monate auf die Höhe der heutigen, aus Steuern finanzierten Arbeitslosenhilfe reduziert. Nach 24 Monaten wird ein neues Sozialgeld gezahlt, das die Sozialhilfe ersetzt. Die Ausgaben für Lohnersatzleistungen sollen von rund 40 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf rund 13 Milliarden Euro 2005 sinken. Derzeit reicht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von zwölf (bei unter 45-Jährigen) bis zu 32 Monaten (Arbeitslose ab 57 Jahren). Die Arbeitslosenhilfe wird unbefristet bezahlt.

      ÄLTERE ARBEITSLOSE ab 55 Jahren sollen sich auf Wunsch den Barwert ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld und -hilfe bis zum Beginn einer Frührente mit 60 auszahlen lassen können. Sie fielen damit aus der Arbeitslosenstatistik heraus und müssten sich den Arbeitsvermittlern nicht mehr zur Verfügung stellen.

      Arbeits- und Sozialämter werden organisatorisch zusammengelegt zu Job-Centern als Anlaufstelle für alle Erwerbsfähigen. Damit erhalten auch Empfänger der bisherigen Sozialhilfe Zugang zu Vermittlungsleistungen.

      Text: Reuters
      Avatar
      schrieb am 01.07.02 11:42:08
      Beitrag Nr. 53 ()
      Arbeitsmarkt-Reform
      Fischer will Hartz-Vorschläge durchsetzen

      Die rot-grüne Koalition wird die Hartz-Vorschläge zur Reform des Arbeitsmarkts auch gegen den Widerstand der eigenen Klientel durchsetzen. Außenminister Joschka Fischer sagte der "Frankfurter Rundschau", sobald das Konzept der Regierungskommission von VW-Manager Peter Hartz endgültig vorliege und im einzelnen bewertet sei, werde die Regierung es "zügig umsetzen". Die Vorschläge seien "Rückenwind für die von Rot-Grün begonnenen Reformen".

      Hartz-Vorschläge - Arbeitsämter als Arbeitgeber

      Gewerkschaften kämpfen für Sozialleistungen

      Unterdessen haben die Gewerkschaften in der zuständigen Arbeitsgruppe der Hartz-Kommission Kürzungen bei Leistungen für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger verhindert. In einer Sitzung hätten sie vereinbart, dass diese weder in der Höhe noch der Bezugsdauer geändert werden, sagte Isolde Kunkel-Weber, Mitglied der Kommission und des Verdi-Vorstands, der "Financial Times Deutschland". Es soll zu keiner Pauschalierung der Leistungen im ersten halben Jahr kommen, auch die Befristung des Arbeitslosengeldes auf maximal ein Jahr und der jetzigen Arbeitslosenhilfe auf maximal zwei Jahre wollen die Gewerkschaften verhindern.

      Reform drängt Langzeitsarbeitslose in die Sozialhilfe

      Die im Zwischenbericht der Kommission vorgesehene Befristung der Arbeitslosengeld auf ein Jahr würde nach Angaben des Deutschen Städtetags sechs von zehn Empfängern der Sozialhilfe überantworten. "Mehr als eine Million Langzeitarbeitslose würden systematisch aus dem Arbeitsmarkt gedrängt", warnte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Außerdem sei zu befürchten, dass die traditionellen Beschäftigungsmaßnahmen der Arbeitsämter zu Gunsten der neuen Personal-Service-Agenturen (PSA) zurückgeführt würden. Wo aber - wie in Ostdeutschland - Jobs fehlten, sei eine auf Vermittlung ausgerichtete Strategie falsch.


      Müller hofft auf Vollbeschäftigung bis 2010
      Derweil prophezeite Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 3,0 Prozent und in der Folge einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosenzahl. "Ich rechne im Sommer 2003 mit 3,5 Millionen Arbeitslosen, eher weniger. Was die Bundesregierung eigentlich schon in diesem Herbst erreichen wollte, wird im kommenden Jahr passieren", sagte Müller der Zeitung "Die Welt". Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, dass bis Ende des Jahrzehnts nahezu Vollbeschäftigung zu erreichen sei - schon wegen der sinkenden Zahl der Arbeitskräfte.
      Avatar
      schrieb am 02.07.02 09:27:31
      Beitrag Nr. 54 ()
      Mehrheiten gegen Leistungskürzung

      Klientelpolitik - bisher schien klar, was das heißen soll. Klientelpolitik ist, wenn der Gewerkschaftsboss an seine Arbeiter denkt, und Klientelpolitik ist auch, wenn der Spitzenkandidat der Union ein etwas größeres Herz für Unternehmer hat. So schlicht war es natürlich noch nie. Aber nun ist die Welt der Klientelpolitik ein wenig unordentlicher geworden.

      Kommentar
      von ULRIKE HERRMANN

      Denn wenn es stimmt, was Mitglieder der Hartz-Kommission berichten, dann hat sich Isolde Kunkel-Weber, die Vertreterin der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, durchgesetzt: Das Arbeitslosengeld für Ältere wird nicht gekürzt, die Arbeitslosenhilfe nicht auf das Niveau der Sozialhilfe reduziert. Inzwischen bekannten sich alle großen Gewerkschaften zu dieser Linie.

      Nur Klientelpolitik? Wäre es reiner Lobbyismus gewesen, dann wäre wieder mal zu besichtigen gewesen, wie schwach die einst starken Arme der Gewerkschaften sind. Dann wäre es nie zu diesem Verhandlungserfolg gekommen. Denn wen vertreten die Bosse der Genossen noch? Viele Gewerkschaften zählen fast mehr Rentner als aktive Mitglieder. Aber das ist egal, wenn die Gewerkschaften den mächtigsten Bündnispartner haben, den es gibt: die Mehrheitsmeinung. Und die Mehrheit der deutschen Wähler will nicht, dass die Arbeitslosen für ihre Arbeitslosigkeit mit Leistungskürzungen bestraft werden.

      So jedenfalls scheinen es die Wahlkampfstrategen in der Union inzwischen einzuschätzen. Auch wenn CDU-Chefin Angela Merkel sich nicht zu eindeutigen Botschaften entschließen kann; auch wenn Kompetenz-Superminister Lothar Späth die Hartz-Vorschläge zunächst als "Revolution" feierte - die Signale von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber sind überraschend: Er prangert die "soziale Ungerechtigkeit" des Papiers an.

      Die Gewerkschaften und Stoiber auf der einen, Späth und der Kanzler auf der anderen Seite - mit den klassischen Mustern von Klientelpolitik hat das nichts zu tun. So etwas passiert nur, wenn die Akteure noch nicht die Positionen in ihrem jeweiligen politischen Lager vereinheitlicht haben. Wir haben Wahlkampf - wessen Glaubwürdigkeit nützt das nun am meisten? Auch hier ein Verstoß gegen die bekannten Regeln. Kandidat Stoiber mag man Freundlichkeiten gegen Arbeitslose nicht wirklich glauben - Kanzler Schröder mögliche Unfreundlichkeiten aber sehr wohl. Über einen Positionswechsel Schröders würde sich die Klientel freuen. Stoiber aber ist dieser Weg verschlossen.

      taz Nr. 6789 vom 2.7.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 02.07.02 09:46:23
      Beitrag Nr. 55 ()
      Die Richtung stimmt

      Die Hartz-Kommission setzt zu Recht auf finanzielle Anreize für Arbeitsuchende und eine bessere Arbeitsvermittlung. Nur: Erst muss man die Bundesanstalt für Arbeit reformieren
      VW-Manager Peter Hartz hat es versprochen: die Zahl der Arbeitslosen ist in Deutschland in den nächsten zwei Jahren zu halbieren. Das kann sicherlich nur gelingen, wenn ein kräftiges Wirtschaftswachstum einsetzt. Die Vorschläge seiner Kommission tragen dazu bei, aber sie reichen nicht aus. Das war auch gar nicht zu erwarten gewesen, denn die "Hartz-Kommission" soll ja keine neue Wirtschaftspolitik entwerfen. Ihre Aufgabe ist noch nicht mal so weit gefasst wie die des "Bündnisses für Arbeit", sondern sie ist lediglich eine Kommission für "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (so der offizielle Name).

      Dabei geht es also weder um den Kündigungsschutz noch um eine Reform des Flächentarifvertrags - um nur zwei viel diskutierte Reformthemen zu nennen. Ostdeutsche Sonderprobleme werden genauso wenig angesprochen wie eine bessere Koordination der Fiskal- und Lohnpolitik, die eine zentrale Voraussetzung für einen nachhaltigen Aufschwung ist. Klar ist: "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" werden das Problem der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland nicht lösen - sie sind aber trotzdem überfällig.

      Da das Thema so wichtig ist, sollte man sich auch nicht lange damit aufhalten, dass die wissenschaftlichen Grundlagen der Hartz-Vorschläge dünn sind. Bislang liegen 20 Seiten mit einer Vielzahl von Stichworten in Personalberaterdeutsch und 10 Grafiken vor. Es ist zu erwarten, dass auch das endgültige Gutachten nur simple Beispielrechnungen enthalten wird, nicht jedoch fundierte Modellrechnungen, die etwa Ausweichreaktionen und gesamtwirtschaftliche Kreislaufwirkungen berücksichtigen.

      Die Kommission setzt auf zwei Basiskonzepte: stärkere finanzielle Anreize für Arbeitsuchende, sich einen neuen Job zu suchen und Angebote zu akzeptieren sowie eine bessere Arbeitsvermittlung. Beides ist im Grundsatz richtig, und deswegen sollten die Detailvorschläge intensiv diskutiert werden.

      In den ersten drei Monaten soll, so schlägt Hartz vor, Arbeitslosengeld nur noch pauschal ausgezahlt werden. Einerseits würde dadurch das Geld schneller auf dem Konto eines Arbeitslosen landen als gegenwärtig, da zeitaufwändige Berechnungen vermieden würden. Andererseits würden sich viele jedoch schlechter stellen als jetzt. Einige müssten aufgrund einer zu niedrigen Pauschale sogar Sozialhilfe beantragen.

      Befürworter werden argumentieren, dass dadurch der Anreiz gestärkt wird, das Arbeitslose sich rasch einen neuen Job suchen. In den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit ist aber ein größerer Anreiz gar nicht nötig. Empirische Untersuchungen zeigen klar, dass der Schock der Arbeitslosigkeit so groß ist, dass Arbeitslose diesem Zustand rasch entkommen wollen. Erst nach einigen Monaten setzen Anreizprobleme ein. Dass der Anteil von Langzeitarbeitslosen in Deutschland so ungewöhnlich hoch ist, hat mit den langen Bezugszeiten des Arbeitslosengeldes zu tun. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, nach drei oder sechs Monaten das Arbeitslosengeld zu senken. Im Gegenzug könnte die soziale Sicherungsfunktion des Arbeitslosengeldes sogar deutlich verbessert werden, indem es in den ersten Wochen erhöht wird. Eine pauschale Abschlagszahlung wäre dann sogar angebracht - weil nämlich die Bundesanstalt für Arbeit derzeit noch nicht in der Lage ist, das auszuzahlende Geld rasch zu berechnen: Das ist aber etwas anderes, als lediglich eine Pauschalsumme auszuzahlen, wie es Hartz vorschlägt.

      Dänemark könnte ein Vorbild sein: Dort werden etwa 90 Prozent des letzten Nettolohns gezahlt, aber die Bezugsdauer ist viel kürzer und der Druck, einen Job zu akzeptieren, stärker als in Deutschland. Um das auch bei uns zu erreichen, sollte im Regelfall nach einem Jahr nur noch Arbeitslosenhilfe gezahlt werden.

      Es sind aber beileibe nicht nur finanzielle Anreize, die Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückbringen. Dazu gehört auch eine frühzeitige und gezielte Vermittlung von potenziellen Problemfällen. Mit dem JobAqtiv-Gesetz sind die Instrumente dafür bereits geschaffen worden. Die Hartz-Kommission will sie erweitern, insbesondere durch die Schaffung von Personal-Service-Agenturen (PSA). Die PSA sollen als "Zeitarbeitsunternehmen" Arbeitslose einstellen und an "richtige" Arbeitgeber ausleihen. Auf diese Weise tragen nicht mehr die Unternehmer das Risiko, einen ungeeigneten Arbeitslosen einzustellen, den sie aufgrund des Kündigungsschutzes nicht rasch wieder entlassen könnten.

      Die Richtung der Kommission stimmt. Ihr größtes Manko ist jedoch: Sie schlägt nicht vor, wie die Bundesanstalt für Arbeit (BA) umzuorganisieren ist, damit Reformen wirklich umgesetzt werden können. Angesichts der Tatsache, dass Personal- und Unternehmensberater in der Kommission sitzen, ist dies ein schwerer Mangel.

      Beispiele für Organisationsprobleme in der Bundesanstalt gibt es zuhauf. So müssen die Arbeitslosen seit langem Jobangebote akzeptieren, die früher als unzumutbar galten. Diese harten Regelungen werden jedoch von den einzelnen Arbeitsvermittlern kaum umgesetzt, da dies eine äußerst unangenehme Aufgabe ist. Wichtiger als eine gesetzliche Neuformulierung der "Zumutbarkeit", wie dies die Hartz-Kommission vorschlägt, wären also praktische Vorschläge für Verwaltungsvorschriften, damit die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten effektiv genutzt werden.

      Die Idee einer Chipkarte, auf der alle wesentlichen Informationen von Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden gespeichert sind, ist völlig richtig (und datenschutzrechtlich zuverlässig zu regeln). Aber: Wie soll dieses Konzept zügig umgesetzt werden, angesichts der Probleme, die die BA mit ihrer Datenverarbeitung hat? Besonders in diesem Bereich hat sie sich schließlich seit Jahren als "reformunfähig" erwiesen. Ein Chipkartensystem kann es erst dann geben, wenn eine Lösung für das Hard- und Softwareproblem gefunden worden ist.

      Eine andere organisatorische Frage ist noch wichtiger (wenn auch von der Hartz-Kommision kaum beeinflussbar): Wie soll die Diskussion um die Vorschläge der Kommission so organisiert werden, dass sie - während des Wahlkampfs und danach - zu einem konstruktiven Ende findet? Die bisherige PR-Strategie von Peter Hartz und dem Bundeskanzleramt war offenkundig erfolgreich: Die Vorabveröffentlichung neuer Ideen hat die Kommission bekannt gemacht. Aber die jetzt laufende Bekanntmachung von ständig neuen Details birgt auch die Gefahr, dass aufgrund der vielen kritikwürdigen Einzelpunkte das ganze Vorhaben nicht zielgerichtet zu Ende geführt wird. Dann kann es passieren, dass nur einige populistische Vorschläge wie die Kürzung des Arbeitslosengeldes umgesetzt werden. Dadurch würde es nicht nur zu Sozialabbau kommen, sondern am Ende würde auch den 4 Millionen Arbeitslosen nicht zu Jobs verholfen. Um diese Fehlentwicklung zu verhindern, ist kluge Politik und Organisation gefragt.

      GERT G. WAGNER

      taz Nr. 6789 vom 2.7.2002, Seite 10, 241 Zeilen (Kommentar), GERT G. WAGNER, taz-Debatte
      Avatar
      schrieb am 02.07.02 09:49:28
      Beitrag Nr. 56 ()
      Wenn ein kräftiges Wirtschaftswachstum einsetzt?

      Wieder so ein Satz von Herr Hartz der mit vielen Unbekannten gesetzt wurde!:laugh:
      Avatar
      schrieb am 03.07.02 10:55:18
      Beitrag Nr. 57 ()
      ..., und anstatt sich ein, mal endlich mit dem Schaffen von Arbeitsplätzen für (in Wahrheit) ca. 8 - 9 Mio Arbeitslose zu beschäftigen, fliegt der Medienkanzler lieber auf Staatskosten zum Endspiel.

      DA heißt es für die Arbeitslosen:

      Den Gürtel enger schnallen für das hemmungslose Vergnügen des Kanzlers

      Ein weiteres, zynisches und fatales Signal des unfähigen Schröders an die Millionen arbeitsloser Menschen, die nicht wissen, wie sie mit 60% ihres letztes Nettogehaltes (und bald faktisch nur noch Sozialhilfe) leben sollen.

      Die Politik tanzt nicht nur auf dem Vulkan Tango - sie ist auch noch stolz darauf.
      Schröder muss endlich weg.
      Avatar
      schrieb am 03.07.02 14:14:55
      Beitrag Nr. 58 ()
      SPIEGEL ONLINE - 03. Juli 2002, 10:58
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,203582,00.html


      Existenzgründung

      Der Ich AG geht die Luft aus

      Von Matthias Streitz

      Die Reformer um Peter Hartz wollen Schwarzarbeiter aus der Grauzone holen und in Ich AGs zum eigenen Boss machen. Eine Idee, die in der Gründerwerkstatt .garage seit Jahren vorgelebt wird. Doch dem Projekt droht gerade jetzt die Pleite, wo es am nötigsten ist.



      Hamburg - "Ich war immer ein Lebenskünstler", sagt Carsten (*), doch zehn Jahre lang war seine Kunst brotlos und strafbar. Er hat ein Handwerk gelernt, das Abi nachgeholt, aber einen Arbeitsvertrag besaß er seitdem nie. Er jobbte als Fahrer, renovierte Wohnungen, kellnerte. "Man reist rum, rackert sich so durch", erzählt der 28-Jährige.

      Carsten sitzt im Synergieraum, einem 400-Quadratmeter-Büro im Hamburger Gründerzentrum .garage. Hier hat er den "Sprung aus der Schattenwelt" gewagt. Er will einen Handwerksbetrieb aufmachen, hat sich einen Bus gekauft, druckt Visitenkarten. Kunden, die er schon schwarz bedient hat, sagt er: "Ich koste keine zehn Euro pro Stunde mehr, ich koste 30." Ob er so eine Existenz aufbaut, ist unklar. Aber während er experimentiert, bekommt er vom Arbeitsamt für sieben Monate Lebensunterhalt, Sozialbeiträge und Beistand - so wie 37 andere hier, alle unter 30.

      Die Zukunft vor Jahren geschaffen

      Das rote A des Arbeitsamtes ist nirgends in der Start-up-Schmiede zu sehen, dafür Poster und Graffiti. Schwer zu glauben, dass dieses bunte Kind auch vom Bürokratiemonster Bundesanstalt für Arbeit (BA) geboren wurde. Seit zwei Wochen finden die Initiatoren ihr Projekt zeitgemäßer denn je: Im Ideenkatalog, mit dem VW-Personalchef Peter Hartz die Arbeitslosenrate halbieren will, finden sie einen ihrer zentralen Gedanken wieder.

      Die Firmenfabrik .garage, in der Hamburger City Nord beheimatet, startete Anfang 2000. Sie wurde von der Herrhausen-Stiftung der Deutschen Bank initiiert, die Teilnehmern bei Bedarf mit Mikrokrediten aushilft. Sieben Monate haben die bei einem Asessesment Center ausgesuchten Teilnehmer Zeit, ihre Unternehmensidee zu realisieren. Finanziert wird die .garage noch bis Oktober von der Bundesanstalt für Arbeit (BA), die Firmengründer beziehen Geld vom Arbeitsamt. Die .garage ist eine Tochter des Projektes Enigma ("Eine neue Idee gibt Menschen Arbeit"), das 1998 entstand. Nimmt die .garage Arbeitslose oder von Erwerbslosigkeit Bedrohte unter 30 auf, richtet sich Enigma an Ältere. Anfangs ebenfalls direkt von der BA finanziert, wird Enigma heute mit EU-Mitteln gefördert.


      "So sieht die Zukunft aus?", fragt .garage-Mitinitiator Bernd Rucktäschel. "Wir machen das seit Jahren." Er meint den Hartz-Begriff "Ich AG". Mit diesem Schlagwort wollen die Reformer arbeitslose Fensterputzer, Gärtner oder Haushaltshilfen anspornen, sich als Kleinstunternehmer zu versuchen. 15.000 bis 20.000 Euro pro Jahr sollen sie legal umsetzen dürfen, zusätzlich zum Arbeitslosengeld und pauschal versteuert mit zehn Prozent. Klappt der Plan, wandern Jobs aus der Schatten- in die legale Ökonomie, die erfolgreichsten Ich AGs bestehen und schaffen Stellen.

      Visionen in der Not

      Schon seit Anfang 2000 sind in der .garage rund 150 solcher Kleinstunternehmen geplant worden, 104 davon wurden realisiert und überleben bis heute. Jüngstes Kind ist eine Agentur für Event-Marketing. Zu den Neugründungen zählen aber auch Firmen von Gärtnern, Friseurinnen, Hausmeistern - jener Klientel, die Hartz am Herzen liegt. Die gelernte Friseurin Silvia (*), die sich ihr halbes Leben mit "Jobs unter Freunden" finanzierte, denkt schon in neuen Dimensionen: an eine Maskenbildner-Agentur mit Angestellten.


      DPA

      VW-Personalchef und Arbeitsmarktreformer Hartz: Löst die teilweise Legalsierung von Schwarzarbeit das Problem?


      So löblich die .garage-Gründer die Hartz-Idee finden, sie hegen auch Zweifel. Schon der Marketing-Begriff "Ich AG" missfällt. .garage-Geschäftsführer Hajo Streitberger fühlt sich zu sehr an "Unternehmer, die von langer Hand planen", erinnert. Und an Kapitalgesellschaften, die investierte Gelder systematisch mehren.

      "So viel haben die noch nie verdient"

      Die Wahrheit sei weitaus banaler: "Diese Leute gründen Firmen, weil sie Jobs haben wollen." Vor allem in der Dienstleistungsbranche, die Streitberger hier zu Lande weiter für unreif hält. Während es in den USA und England eine Tradition des "self-employment" gebe, hätten die Deutschen die "kleine Selbständigkeit" verlernt. Viele kämen daher mit hochfliegenden Ideen in die .garage, wollten aufgeblähte Konzepte verfassen. Streitberger fragt dann: "Bist du auf Wahrheitsvermeidungstour?" Das irrige Selbstverständnis korrigieren er und Kollegen mit Slogans wie "Verdient wird im Quartier" oder "Ran an den Kunden".

      Streitbergers zweiter Einwand gegen Hartz: "Zur Legalisierung gehört auch die Professionalisierung." Nur weil er legal dazuverdienen darf, reife ein arbeitslos gemeldeter Schwarzarbeiter noch nicht zum Unternehmer. So würden viele Neuankömmlinge in der .garage "kaufmännischen Unsinn" berechnen, wenn sie ihren Geschäftsplan aufstellen, andere "werden blass, wenn sie an 25.000 Euro Umsatz im Jahr denken. So viel haben die noch nie verdient". Die Gründerwerkstatt hilft mit Seminaren und der "Montagsrunde", bei der alle Gründer Probleme diskutieren.

      Ein Virus namens Motivation

      Ohne Steuerreform werden viele Ich AGs ohnehin nicht Tritt fassen, fürchtet Streitberger. Zur Schwarzarbeit gehören zwei - und vielen Abnehmern sind legale Putzhilfen oder Gärtner zu teuer, solange sie Sozialabgaben nicht absetzen können. Auch die .garage-Absolventen seien "fast nie in der Lage, ihre Altkundschaft zu halten". Also müssen sie ihre Produkte verbessern, am Marketing feilen, höhere Preise rechtfertigen und neue Abnehmer gewinnen. Bisher, bestätigt Friseurin Silvia, habe sie Kunden immer gesagt: "Zahl, was du denkst." Für die neue Preise habe sie mehr Selbstvertrauen entwickeln müssen.


      DER SPIEGEL

      Die Vorschläge der Hartz-Kommission und wie sie wirken sollen


      Dabei helfen der sanfte Druck der Projektleiter und die Gruppendynamik. Ganz bewusst werden die Jungunternehmer ins Großraumbüro ohne Trennwände gesetzt. Nur, wer ein Kundengespräch führen will, kann sich in einen Konferenzraum zurückziehen. Bonnich Bonnichsen, seit Februar in der .garage, ist infiziert von der Aufbruchstimmung. Er arbeite 16 Stunden am Tag, auch beim Einschlafen und Aufwachen denke er an seine Firma: einen Gärtnerservice für Betuchte mit großen Grundstücken. Trotzdem fühle er sich "jeden Tag wie im Urlaub".

      Sponsorenmangel, Besuchersturm

      Dem bundesweit kopierten Motivationszentrum .garage könnte aber bald der Strom abgeschaltet werden. Ende Oktober läuft die Finanzierung durch die BA aus, da sie Pilotprojekte längstens drei Jahre fördern darf. So klingen die Projektleiter oft bitter, wenn sie über die Hartz-Debatte sprechen: Sie fühlen sich erkannt und doch verkannt. Der neue CDU-Schill-Senat wolle das Projekt zwar unbedingt erhalten und bezuschussen, sagt Streitberger, stellt aber - wohl auch aus Geldmangel - Bedingungen. Ein Drittel der Finanzen müsse künftig in einer "public-private partnership" von Sponsoren erbracht werden.

      Der Geschäftsführer, der sonst viel gestikuliert, im Gespräch aufspringt, Ideen mit Skizzen illustriert, wirkt bei diesem Thema schnell resigniert. Er müsse künftig 620.000 Euro pro Jahr von Privaten einsammeln, brauche rasch vier bis sechs Geldgeber - mitten in der Konjunkturkrise. Schon heute gilt in der .garage Aufnahmestopp - und der Synergieraum wird Monat für Monat leerer.

      * Die Namen wurden geändert




      © SPIEGEL ONLINE 2002

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      SPIEGEL ONLINE - 21. Juni 2002, 13:44
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,201865,00.html
      Der Markt-Forscher

      Wie Gerster die Arbeitslosen-Flatrate noch platter machte

      Von Michael Kröger

      Mit seinen öffentlichen Anmerkungen zu der Idee, Arbeitslose in den ersten Wochen mit einer Pauschale zu entlohnen, hat Arbeitsamts-Chef Florian Gerster einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Vermutlich war genau das seine Absicht.


      Die Arbeit in einem Expertengremium hat Peter Hartz sich bestimmt anders vorgestellt. Ständig sickern neue Details aus internen Diskussionsbeiträgen der nach ihm benannten Kommission zur Reformierung der Bundesanstalt für Arbeit an die Öffentlichkeit, vornehmlich wenn es um Einschnitte beim Arbeitslosengeld geht. In der freien Wirtschaft hätte der VW-Personalvorstand die Verräter derartiger Interna sicher kurzerhand entfernt - oder sie wegen Industriespionage einkerkern lassen. Aber in der Politik gelten andere Regeln, hier geht es darum, gesellschaftlichen Konsens herzustellen.

      Vielleicht mag auch das ein Motiv von Arbeitsamts-Chef Florian Gerster gewesen sein, als er in dieser Woche eine Idee dem Härtetest der öffentlichen Auseinandersetzung auslieferte, die als Arbeitspapier in der so genannten Hartz-Kommission kursiert und zuvor schon durch eine Indiskretion nach außen gelangt war.

      In ihren Überlegungen zur Reformierung der Bundesanstalt für Arbeit hatten die Experten unter anderem über neue Anreize zur Arbeitssuche und Entschlackung der Bürokratie der Arbeitsämter nachgedacht. Man könne doch, so ihr Ansatz, sich den bürokratischen Aufwand für diejenigen sparen, die innerhalb kurzer Zeit einen neuen Job finden oder schon bei der Kündigung einen neuen in Aussicht haben. Immerhin finden rund 15 Prozent innerhalb der ersten vier Wochen eine neue Stelle, ein Drittel binnen drei Monaten.


      Was also, so fragte Gerster, wenn man diesen Jobwechslern einfach eine Pauschalsumme für bis zu drei Monate auszahlen würde. Nicht einmal der individuelle Leistungsanspruch solle geprüft werden. Auf die Frage, wie hoch eine solche Pauschale ausfallen könnte, legte sich Gerster auf rund 750 Euro fest - etwas mehr als der Durchschnitt eines monatlichen Arbeitslosenentgelts (744 Euro).

      Zusätzlich haben die Autoren in den Entwurf auch noch einen kräftigen Anreiz zur Eigeninitiative bei der Arbeitssuche eingewebt: Die Arbeitslosen dürfen das Geld behalten, auch wenn sie vor Ablauf des festgelegten Zeitraums eine neue Stelle finden. Ökonomen bezeichnen das Modell als so genannten "lump sum effect": Die Betroffenen können umso mehr gewinnen, je früher sie einen neuen Job finden. Jedenfalls in einigen Staaten der USA und in Japan, heißt es in verschiedenen Studien, soll das Rezept eine signifikante Senkung der längerfristigen Arbeitslosenzahl herbeigeführt haben.

      Auf den ersten Blick scheint die Entlastung durch den geringeren Verwaltungsaufwand für die Ämter bestechend, das verdeutlicht ein simples Rechenexempel. Legt man die Zahlen für Mai zu Grunde, als sich knapp 520.000 Menschen arbeitslos gemeldet haben, könnten die Vermittler sich die Beratung von fast 250.000 Antragstellern sparen. Die Vermittler hätten wieder Zeit für die wirklichen Problemfälle.

      Doch schon auf den zweiten Blick erscheint die Idee zu einfach gedacht. Denn die Freisetzung der Kapazitäten könnte für die Bundesanstalt zum teuren Vergnügen werden. So kämen zum Beispiel all diejenigen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung besser weg, die weniger als 1008 Euro im Monat verdienen. Bei diesem Betrag nämlich hat man zurzeit einen Anspruch auf rund 750 Euro Arbeitslosengeld pro Monat. Die Mehrbelastung, die dadurch auf die Bundesanstalt für Arbeit zukommen würde, wagen auch Fachleute nicht einmal zu schätzen.

      Auch die Jobwechsler, die bislang wegen der hohen bürokratischen Hürden auf ihnen zustehende Leistungen verzichtet haben, würde animiert, mal kurz ein kleines Handgeld vom Staat abzugreifen. Dem Gedanken der Abfederung von Härtefällen würde dies zuwiderlaufen. Alles in allem also könnten die Einsparungen schnell wieder aufgebraucht sein.

      Wichtiger noch ist, und das dürfte der Grund sein, warum der Vorschlag dem öffentlichen Sturm nicht standhalten wird, dass sich die große Zahl der betroffenen Besserverdiener regelrecht betrogen fühlen würden. Was am grünen Tisch als zusätzlicher Anreiz gedacht war, empfinden sie als Reduzierung einer Leistung, auf die sie einen Rechtsanspruch haben. Anders als in anderen Ländern, die die Arbeitslosen aus dem Steuertopf finanzieren, ist das deutsche System schließlich nach dem Versicherungsprinzip gestaltet. Und hier tragen die Besserverdiener mit ihren hohen Pflichtbeiträgen bereits überproportional zur Erhaltung des Systems bei. Indirekt fände mit der Pauschalregelung also eine Umverteilung von oben nach unten statt. Mit Zustimmung der Leistungsträger kann eine Regierung, die einen solchen Vorschlag in Gesetzesform umsetzen will, nicht rechnen.

      Möglich, dass Gerster dies alles weiß und seine Anmerkung in der Öffentlichkeit kühl kalkuliert hat. In der Politik hat sich solches Vorgehen bisher ja schon häufiger als gangbarer Weg erwiesen, einen Entwurf im Keim zu ersticken.




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      © SPIEGEL ONLINE 2002
      Avatar
      schrieb am 03.07.02 14:38:49
      Beitrag Nr. 59 ()
      Klasse Kontrastprogramm:

      Die Politik sieht die wirklich wichtigen Dinge ganz klar vor Augen - da verzichten die Arbeitslosen doch gerne auf weitere Leistungen... und zahlen Studenten doch gerne Studiengebühren..... das erinnert an die volksferne Entrücktheit der ehemaligen SED-Bonzen.... :mad:

      "Das Schloss? Weil es schön ist"
      Nach zwölf Jahren öffentlicher Debatte entscheidet der Bundestag am morgigen Donnerstag über den Wiederaufbau der barocken Schlossfassade

      aus Berlin UWE RADA

      Wo die Mitte Berlins ist, darüber hat am vergangenen Wochenende das Volk abgestimmt. Nach dem Gewinn der Vizeweltmeisterschaft und des dritten WM-Platzes feierten deutsche wie türkische Berliner ihre Kickeridole am Kurfürstendamm. Vor der Kulisse der zerstörten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und ihres modernen Anbaus von Egon Eiermann demonstrierten die türkischen und deutschen Fußballfans auch ein neues Selbstbewusstsein Berlins auf dem Weg zur multikulturellen Metropole.

      Eine Selbstverständigung über das künftige Berlin steht auch auf der Tagesordnung, wenn am Donnerstag der Bundestag zusammenkommt, um Jahre nach der Entscheidung über die Reichstagskuppel einmal mehr über Architektur zu befinden. Zur Abstimmung steht der Bericht der Internationalen Expertenkommission "Historische Mitte Berlin" und damit die Frage, ob Berlin wieder eine historische Schlossfassade bekommt oder ob moderne Architekten dem Gelände des 1950 gesprengten Preußenschlosses ihren Stempel aufdrücken.

      Eine über Monate hinweg errichtete Schlossattrappe, hitzige Dauerdebatten in den Feuilletons, ein mehr oder minder sachverständiges Kanzlerwort ("Ich will das Schloss, weil es schön ist"), die Bemühungen um den Erhalt des Palastes der Republik und das kompromisslose Eintreten der Architektenschaft gegen Schlüter und für die Moderne haben in den vergangenen zwölf Jahren ordentlich Holz aufs Feuer gelegt. Kaum eine städtebauliche Debatte wurde hierzulande hitziger geführt als die um die Zukunft des Schlossplatzes, von der Diskussion um das Holocaust-Mahnmal vielleicht einmal abgesehen. Vor diesem Hintergrund mag vielleicht überraschen, dass am Donnerstag weder die Abgeordneten durch ein Spalier der Demonstranten laufen müssen, noch am Schlossplatz eine Kundgebung gegen eine nostalgische Geschichtspolitik der schwarz-rot-grünen Schlossbefürworter stattfindet.

      Dass die Diskussion nun, da sie vor ihrer endgültigen Entscheidung steht, derart an Symbolik verloren hat, liegt nicht nur am immer undurchsichtiger werdenden Dschungel von Akteuren und Zuständigkeiten. Mit dem inzwischen besiegelten Ende des Palastes der Republik ist der Debatte auch ihr ideologischer Kristallationspunkt abhanden gekommen. Es lässt sich eben nicht mit großer Geste für eine moderne Architektur an Stelle von Schloss und Palast streiten, die man noch gar nicht kennt.

      Seit der 1994 von Berlins selbst ernanntem Schlossherrn Wilhelm von Boddien errichteten Attrappe, die den Schlossbefürwortern das Bild für ihre Sehnsüchte lieferte, sind inzwischen viele Jahre und viele andere Diskussionen ins Land gegangen, die im Rückblick zumindest ebenso wichtige Selbstgespräche der Berliner über den Charakter ihrer Stadt waren. Wie sich die Stadt nach innen und außen präsentiert, wurde in den Kontroversen über den Regierungsumzug vom Rhein an die Spree ebenso verhandelt wie in der Diskussion um das Holocaust-Mahnmal und damit der Erinnerungspolitik der Berliner Republik.

      Auch die großen städtebaulichen Kontroversen waren zugleich Standortbestimmungen Berliner und deutscher Befindlichkeiten. So ging es im "Berliner Architekturstreit" nicht nur um die Frage, ob sich das "neue Berlin" mit Wolkenkratzern oder mit der "kritischen" Rekonstruktion der alten Blockbebauung ins urbane Gefüge der internationalen Metropolen einreiht - sondern auch darum, ob Berlin sein Heil in einer widersprüchlichen Vergangenheit oder in einer nicht minder widersprüchlichen Zukunft sucht.

      In der Debatte um die DDR-Nachkriegsmoderne schließlich, eher um den Alexanderplatz geführt als um den Palast der Republik, ging es nicht zuletzt um die Teilhabe der Ostberliner an der Gestaltung der wiedervereinigten Stadt.

      All diesen Debatten gemeinsam ist, dass an ihrem Ende nichts Hegemoniales steht, sondern die Fortschreibung der Berliner Geschichte als "viele Städte". Der Alexanderplatz ist noch immer der moderne "Peoples Place", der er zu DDR-Zeiten, mehr noch zu Wendezeiten war. Der Pariser Platz wurde zur exklusiven "guten Stube" der Stadt, der Potsdamer Platz mit seiner architektonischen High-Tech-Performance zur neuen Touristenattraktion. Wenn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages über die Gestaltung des Schlossplatzes abstimmen, werden sie eines damit nicht mehr tun: eine Entscheidung über einen symbolischen Ort in der Mitte Berlins, ja der gesamten Bundesrepublik treffen.

      Vielmehr geht es nur noch um die architektonische Zukunft eines regionalen Ortes, irgendwo zwischen Alexanderplatz und ehemaligen Außenministerium der DDR. Dort hat selbst die Grundsteinlegung der Bertelsmann-Gruppe für eine neue Konzernrepräsentanz hat in der Hauptstadt in der vergangenen Woche keine Aufregung mehr verursacht. Dabei könnten sowohl Architektur (die Wiedererrichtung des Kommandantenhauses aus dem 18. Jahrhundert) wie auch Adresse (Unter den Linden 1) symbolischer nicht sein.

      Die abhanden gekommene Symbolik wiedererbauter Schlösser macht inzwischen übrigens nicht einmal mehr vor Warschau Halt. Das dort Anfang der Siebzigerjahre wieder aufgebaute Königsschloss wird hierzulande immer wieder auch als Argument für den Wiederaufbau des Berliner Preußenschlosses ins Feld geführt. Dabei wird gleich zweierlei außer Acht gelassne. Zum einen markiert der Warschauer Schlossbau die endgültige Abkehr von der Wiederaufbauphase der polnischen Nachkriegszeit. Zum andern ist gerade dieser Tage zu sehen, wie man ein solches Schloss auch nutzen kann. Als Gegenleistung für die Beteiligung an der Renovierung der Innenräume ist über die gesamte Außenfront des Schlosses ein riesiges grünes Werbeplakat der Firma Jacobs gespannt.

      Aber vielleicht ist das ja tatsächlich ein Vorbild für Berlin. Wenn es um die Weltmeisterschaftsfeiern 2006 geht, könnte die Bitburger Brauerei mit einem schlossübergreifenden Transparent versuchen, die Berliner Fußballfans statt auf den Kurfürstendamm an den Schlossplatz zu locken.

      taz Nr. 6790 vom 3.7.2002, Seite 6, 205 Zeilen (TAZ-Bericht), UWE RADA
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      schrieb am 03.07.02 14:41:35
      Beitrag Nr. 60 ()
      Die Schlossbefürworter gehen mit Zuversicht in die Debatte

      Allianz und Deutsche Bank wollen sich finanziell beteiligen, wenn die barocke Fassade wieder entsteht. Das wird voraussichtlich eine Mehrheit der Abgeordneten überzeugen
      Die Entscheidung war denkbar knapp. Mit nur einer Stimme Mehrheit beschloss die Kommission "Historische Mitte Berlin" im Dezember vergangenen Jahres, den Deutschen und den Berlinern wieder ein Stadtschloss zu schenken. Dabei soll an drei Seiten die barocke Fassade des 1950 gesprengten Preußenschlosses wieder aufgebaut werden. Nur nach Osten hin, dort also, wo noch die Reste der Palastes der Republik stehen, wird eine moderne Lösung angestrebt.

      Morgen entscheidet nun der Bundestag, ob die Empfehlung der international besetzten Kommission unter Leitung des Österreichers Hannes Swoboda tatsächlich in die Realität umgesetzt wird. Unstrittig ist nur das vorgeschlagene Nutzungskonzept, eine Kombination aus den außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, einer neuen Zentral- und Landesbibliothek sowie einem Ausstellungsbereich. Eine Mehrheit für dieses "Humboldt-Forum" gilt bei der Abstimmung als sicher.

      In der zentralen Frage stehen die Bundestagsabgeordneten jedoch vor zwei Alternativen: Ohne Fraktionszwang können sie entweder für das Votum der Kommission und damit für die barocke Fassade stimmen - oder aber für einen zusätzlichen Architektenwettbewerb, in dem dann die künftigen Nutzer über die Gestaltung befinden. So sieht es jedenfalls ein von SPD, Grünen und FDP im Kulturausschuss des Bundestages beschlossener Antrag vor.

      Die Schlossbefürworter gehen inzwischen voller Zuversicht in die Plenardebatte. Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin etwa sieht bereits "eine relative, aber stabile Mehrheit" für den Wiederaufbau des Schlosses. Es dürfe aber keine Illusionen bei der Finanzierung geben.

      Bislang galt es als Trumpf der Schlossgegner, dass die Frage der Finanzierung völlig ungeklärt war. Noch am Tag der Entscheidung der Expertenkommission sprach der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, nicht nur von einer "mutlosen und rückwärts gewandten Entscheidung", er gab auch zu bedenken: "Die Steuerzahler im Rheinland und in Hessen, in Bayern und Thüringen, in Baden-Württemberg und Sachsen würden es nicht verstehen, wenn Berlin sein Schloss aus Steuermitteln des Bundes bezahlen ließe."

      Auf diese Steuerzahler kommt es jetzt offenbar weniger an als bislang gedacht. Dem Vernehmen nach haben die Allianz-Stiftung und die Deutsche Bank signalisiert, sich an der Finanzierung eines Neubaus zu beteiligen - allerdings nur, wenn auch die barocke Fassade entsteht. Damit gilt vor allem bei CDU und FDP ein mehrheitliches Votum für das Schloss als sicher.

      Weitaus weniger einig sind sich die anderen Fraktionen. Innerhalb der SPD werden viele dem Votum des Kulturstaatsministers und auch des erklärten Schlossfans Gerhard Schröder folgen. Bei den Grünen wiederum, so glaubt die Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig, werden die meisten Abgeordneten für einen Architekturwettbewerb stimmen - trotz des Schlossengagements der grünen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Nur die PDS steht noch immer nahezu geschlossen gegen einen Wiederaufbau.

      Öffentlicher Widerstand indes regt sich vor der entscheidenden Abstimmung am morgigen Donnerstag kaum. Einzig die Bundesarchitektenkammer hat sich erneut gegen eine Schlosskopie gewandt. "Ein Verfahren, bei dem das Ergebnis vorprogrammiert wäre", heißt es in einer Resolution, der sich auch alle Länderarchitektenkammern angeschlossen haben, "entspräche nicht den Prinzipien des offenen geistigen Leistungswettbewerbs und den Grundlagen unserer demokratisch verfassten Gesellschaft." UWE RADA

      taz Nr. 6790 vom 3.7.2002, Seite 6, 102 Zeilen (TAZ-Bericht), UWE RADA
      Avatar
      schrieb am 04.07.02 13:10:23
      Beitrag Nr. 61 ()
      der zwingend im Hartz-PAier als Voraussetzung vorhandene wirtschaftliche Aufschwung (woher sollen denn die Arbeitsplätze sonst kommen ?? ! ? ) rückt aufgrund der schlechten Entwicklung in weite Ferne.

      Schröder wollte sich gewissermaßen am eigenen Schopf aus der Misere politischen Versagens befreien, indem er (wie bei der Börsen-Hausse) Fremdentwicklungen als eigene Leistung medienwirksam verbucht; das wird nicht klappen.
      Damit wird es nicht mehr Arbeitsplätze geben und damit ist das HArtz-Papier MAkulatur.

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      Job-Misere sorgt für Streit

      Die traurige Lage am Arbeitsmarkt dominiert die Debatte zur Wirtschaftspolitik im Bundestag. Die "eindeutigen Aufschwungtendenzen" in der Wirtschaft hätten "bedauerlicherweise noch nicht am Arbeitsmarkt Platz gegriffen", räumte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Morgen in seiner Regierungserklärung zur Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes ein. Er fürchte, dass auch die Arbeitslosenzahlen im Juni "weniger optimistisch stimmen werden". Die Zahl der Arbeitslosen liege allerdings deutlich unter dem Stand von 1998.
      "Wettbewerbsfähig wie nie zuvor"
      Zum Ende der Wahlperiode zog der Kanzler eine positive Bilanz zur Wirtschaftspolitik seiner Regierung. Die deutsche Wirtschaft sei wettbewerbsfähig wie nie zuvor. Die Exporterfolge seien Spitze. Seit 1998 - dem Jahr seines Amtsantritts - hätten die deutschen Unternehmen trotz harter Konkurrenz immer neue Marktanteile erobert.

      Lob für die Hartz-Vorschläge
      Schröder lobte erneut die Vorschläge der Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes. Sie seien visionär, Erfolg versprechend und gewährleisteten eine Balance zwischen sozialer Gerechtigkeit und Flexibilität am Arbeitsmarkt. Der Kanzler warnte davor, Details des Konzepts zu zerreden. Es müsse in seiner Gesamtheit beurteilt werden.

      Merz: Arbeitsplätze statt Kommissionen
      Deutschland sei das Land "mit dem niedrigsten Wachstum" und der höchsten Neuverschuldung in Europa, konterte hingegen Unions-Fraktionschef Friedrich Merz. Es sei "ein unglaublicher Vorgang", dass Schröder in seiner Rede nicht auf die besonderen Probleme in Ostdeutschland eingegangen sei. Mit Blick auf die Hartz-Kommission sagte Merz: "Wir brauchen nicht neue Kommissionen, wir brauchen neue Arbeitsplätze" FDP-Chef Guido Westerwelle forderte die rot-grüne Koalition auf, noch im August eine Sondersitzung zu den Hartz-Vorschlägen einzuberufen. Die Empfehlungen der Kommission seien weder neu noch revolutionär, sagte Westerwelle. Sie entsprächen den Vorschlägen der Opposition.

      Fischer: Unseriöse Wahlversprechen
      Außenminister Joschka Fischer warf der Union vor, ihre Wahlversprechen seien unseriös und nicht finanzierbar. Wenn die Hartz-Vorschläge auf dem Tisch lägen, "müssen wir sie bewerten und dann unverzüglich handeln", sagte Fischer. Gesetze seien vor der Wahl aber nicht mehr möglich. Struck sagte, was ohne Gesetz sofort umgesetzt werden könne, werde noch vor der Wahl gemacht.

      Kaum weniger Arbeitslose
      Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, dass die Zahl der Arbeitslosen im Juni nur leicht auf knapp 3,93 Millionen gesunken sei. Im Vergleich zum Vormonat seien im Juni rund 20.000 Menschen weniger arbeitslos gemeldet gewesen. Damit liege die unbereinigte Arbeitslosenzahl um rund 230.000 höher als im Vorjahresmonat. Das sei der höchsten Juni-Wert seit drei Jahren. Dem Zeitungsbericht zufolge verzeichneten erstmals in diesem Jahr auch die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg wieder einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Bundesanstalt für Arbeit legt die offiziellen Zahlen erst am kommenden Dienstag
      (spiegel.de)
      Avatar
      schrieb am 05.07.02 09:20:22
      Beitrag Nr. 62 ()
      Die Blamage von Schröder und Stoiber

      Von Markus Deggerich

      Der Kandidat kniff und der Kanzler überzog. In der letzten Regierungserklärung vor der Wahl warf Schröder seinen Vorgängern "Bilanzfälschung" vor, verlief sich aber selbst im Zahlendschungel.

      "Rechenkünstler" Gerhard Schröder


      Berlin - Am Ende sind es oft die Details und kleinen Fehler, die entscheiden. Es gab mal einen SPD-Kanzlerkandidaten, der in einer Bundestagsrede netto und brutto nicht auseinander halten konnte. Das allein brachte ihm nicht die Niederlage, aber das Image des tapsigen Politikers ohne Wirtschaftskompetenz haftet Rudolf Scharping bis heute an und passte ins Klischee: Sozen können nicht mit Geld umgehen.
      Das wollte Gerhard Schröder unbedingt widerlegen. Er konzentrierte sich in seiner letzten Regierungserklärung vor der Bundestagswahl auf die wahlentscheidenden Themen Wirtschaft und Arbeit und auf die in seiner Wahrnehmung positive Bilanz von Rot-Grün: Die deutschen Unternehmen seien international wettbewerbsfähig wie nie zuvor. Die Bundesrepublik habe die jüngste Weltwirtschaftskrise "mit am besten überwunden". Seit 1998 - dem Jahr seines Amtsantritts - hätten deutsche Firmen trotz harter Konkurrenz immer neue Marktanteile erobert. Die Exporterfolge seien Spitze. "Deutschland ist als Investitionsstandort wieder sehr, sehr attraktiv geworden." Die Direktinvestitionen seien seit 1998 um das Zehnfache gestiegen. Deutschland stehe kurz vor einem Wirtschaftsaufschwung, sagte der Kanzler. Er sehe eindeutige Aufwärtstendenzen.

      Allerdings befürchte er, dass die Arbeitslosenzahlen im Juni "weniger optimistisch stimmen werden". Insgesamt aber habe sich die Situation am Arbeitsmarkt gebessert, nachdem die Union in ihrer Zeit mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen "Bilanzfälschung" betrieben habe. Seit 1998 seien 1,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs neu entstanden. Dies gehe auf die rot-grüne Politik zurück, listete Schröder weiter atemlos auf und verkündete schließlich stolz: Die Nettoeinkommen der Arbeiter und Angestellten seien um sieben Prozent gestiegen.


      Sieben Prozent? Das war die Steilvorlage für den Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Neben der üblichen Rhetorik über "vier verlorene Jahre für Deutschland" verbiss sich der Steuerexperte in diese Behauptung Schröders: Der Genosse der Bosse kann nicht richtig rechnen?

      Schröder hatte strahlen wollen und stützte sich auf Zahlen aus seinem Finanzministerium. Das hatte tatsächlich für den Zeitraum 1998 bis 2001 einen Anstieg der Nettoreallöhne um 7,1 Prozent errechnet. Unter Berücksichtigung der neu geschaffenen Arbeitsplätze kommt man aber auf 3,5 Prozent Wachstum beim Nettoeinkommen pro Arbeitnehmer, also rund 1,2 Prozent pro Jahr. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert das jährliche Einkommenswachstum seit 1998 mit 0,3 bis 0,9 Prozent.

      Geschönte Zahlenspiele

      Schröder machte es daher der Opposition leicht, weil er sich die schönste Zahl aussuchte, ohne sie richtig einzuordnen. Dabei hätte er auch schon mit den 3,5 Prozent glänzen können, wenn er die Zahl mit dem Ergebnis seines Vorgängers Helmut Kohl verglichen hätte. Denn sowohl sein Finanzministerium als auch das IW stellten der Opposition für ihre Regierungszeit bis 1998 ein sehr viel schlechteres Zeugnis aus: Beide errechneten ein deutliches Minus für die Geldbörse der Arbeitnehmer unter der letzten Regierung Kohl.

      Aber so konnte Merz munter auf die Regierung einprügeln. Nannte die Vorschläge der Hartz-Kommission in einem etwas schiefen Bild ein "Kaninchen aus dem Ärmel" und die Regierungserklärung eine Verhöhnung der Arbeitslosen. Schröders Erklärung, er wolle seinen Weg die kommenden vier Jahre "unbeirrt weitergehen", müssten Wirtschaft und Bevölkerung als "blanke Drohung" empfinden.

      Diener seines Herrn: Merz sprach statt Stoiber

      Und noch einen taktischen Fehler nutzte Merz gnadenlos aus: Dass Schröder kein Wort über den Aufbau Ost sagte, der selbst erklärten "Chefsache". "In einer Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik kommen die neuen Länder mit keinem einzigen Wort vor. Das ist doch ein unglaublicher Vorgang", triumphierte Merz.

      Aber auch die Union gab sich in der Debatte Blößen. SPD und Grüne kritisierten, dass Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber nicht auf Schröder erwiderte, sondern Merz. Stoiber sprach zur gleichen Stunde in Berlin auf dem Kongress "Soziale Marktwirtschaft". "Stoiber kneift", sagte Außenminister Joschka Fischer, "weil er kein Finanzierungskonzept für seine illusorischen Wahlversprechen hat."

      Der K-Kandidat selbst wehrte sich gegen den Vorwurf, das sei Feigheit vor dem Feind. Doch seine Erklärung, warum er sich in der Debatte Schröder nicht gestellt habe, geben eine Ahnung von Stoibers Demokratieverständnis und Regierungsstil, die auch Unions-Abgeordnete aufhorchen lässt: "Die Leute überbewerten den Bundestag."
      Avatar
      schrieb am 05.07.02 10:40:42
      Beitrag Nr. 63 ()
      arbeitslos mit stoiber
      Garantiert sozial ungerecht

      Der Satz ging fast unter, doch er erwähnte es: Kanzlerkandidat Edmund Stoiber kann sich sehr wohl vorstellen, die Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe abzusenken. Aber das sagte er gestern nur am Rande, viel lieber verweilte er beim Arbeitslosengeld. Da stilisierte sich der Kanzlerkandidat zum Rächer der Erwerbslosen. Pauschalisierung des Arbeitslosengeldes in den ersten sechs Monaten? Abschaffung des verlängerten Arbeitslosengeldes für Ältere? Das Verdikt war eindeutig: "Sozial ungerecht."

      Kommentar
      von ULRIKE HERRMANN

      Stoiber hat Recht: Es wäre ungerecht, am Arbeitslosengeld herumzuschnippeln. Aber wieso gilt dies nicht für die Arbeitslosenhilfe? Hinter den anonymen Begriffen "Arbeitslosengeld" und "Arbeitslosenhilfe" verbergen sich sehr konkrete Menschen. Und sie sind es, die mit der scheinbar so abstrakten Debatte um Finanzierungsmodelle tatsächlich gemeint sind.

      Wer wie Stoiber das Arbeitslosengeld verteidigt, die Arbeitslosenhilfe aber kürzen will - der teilt die Arbeitslosen in zwei Klassen. Es gibt die "guten" Arbeitslosen, die ihren Job erst kürzlich verloren haben und noch leicht zu vermitteln sind. Und dann sind da leider, leider die "schlechten" Langzeitarbeitslosen. Sie ruhen sich angeblich auf ihrer Arbeitslosenhilfe aus und machen es sich in der sozialen Sofalandschaft bequem.

      In der Arbeitsmarktdiskussion wiederholt sich, was aus dem Streit um die Zuwanderung bekannt ist. Auch dort teilten viele die Ausländer schnell in "gute" und "schlechte" Exemplare, als man anfing, verstärkt über die Green Card nachzudenken. Erwünscht war, wer sich hier sofort nützlich machen kann - den Rest, die Flüchtlinge, wollte man gern abschrecken.

      Die Diskussion um die Arbeitslosen gleicht der Zuwanderungsdebatte auch darin, dass die Betroffenen kaum je als Subjekte wahrgenommen werden, sondern nur als Objekte. Sie werden verwaltet, nicht gefragt. Wer keinen Job hat, hat keine Meinung zu haben. Ähnlich erging es den Migranten. Man spricht nicht mit ihnen, sondern über sie.

      Die Einteilung der Ausländer in "gute" und "schlechte" nahm ein übles Ende: Momentan gibt es nur noch unerwünschte Ausländer, viele Wähler halten die Green Card für überflüssig. Auch bei den Arbeitslosen kann die Zweiklassengesellschaft übel enden: Was mit der Kürzung der Arbeitslosenhilfe beginnt, kann bald drastische Einschnitte für alle Erwerbslosen bedeuten.

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      taz Nr. 6792 vom 5.7.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 05.07.02 11:06:17
      Beitrag Nr. 64 ()
      Unglück ist ja so sinnlos

      Wer ist ein Versager? Einer, der es nicht schafft - oder reicht es, sich wie einer zu fühlen? Eine kleine Mutprobe


      Sie sieht interessant aus. Ihr Haar ist dicht gelockt, ein Kastanienbraun, das rötlich schimmert. Bestimmt nicht gefärbt, denke ich, obwohl es so aussieht. Und ihr Mund erklärt mir, was der Ausdruck Schmollmund meint. Das darf ich nicht denken, denke ich, Schmollmund, das ist ja frauenfeindlich.

      Und wahrscheinlich hätte mein Denken meinem Denken gehorcht, wäre ein Tisch frei gewesen. Aber die Kneipe ist überfüllt mit Menschen, die alle so stimmig aussehen wie sie. Soll ich gehen? Aber das wäre ja feige. Also setze ich mich zu ihr. Lächele so herausfordernd freundlich, dass ich mir dämlich vorkomme.

      Sie sieht es und wendet sich ab, sieht dem Obdachlosen zu, der doch eigentlich wissen muss, dass er und seine Obdachlosenzeitung hier keine Chance haben. Und da ist auch schon der energische Kellner, der ihn wieder hinter die schwarzen Vorhänge drängt. Dieser geteilte Filz, kunstvoll gefaltet, macht die Eingangstür zur Bühne. Wer hier hereinkommt, muss sich bewegen wie ein Star.

      "Wie viele Versager kennen Sie?"

      Hat sie etwa mit mir gesprochen? Irgendwie scheint es so, denn sie blickt nicht mehr auf den Bühneneingang, sondern auf die Kerze zwischen uns.

      Versager? Gibt es überhaupt Versager? Versagt nicht die Gesellschaft? Offenbar sehe ich so aus wie meine Gedanken, denn sie redet einfach weiter.

      "Nicht normale Versager wie der Obdachlose. Sondern Versager mit Abitur. Versager, die überall sind und die trotzdem niemand sieht."

      Klingt wie das Synonym von Nieten in Nadelstreifen. Aber sie scheint es ernst zu meinen, schlägt ein Spiel vor.

      "Ich frage, Sie antworten."

      O.k. Kann ja nicht schaden.

      "Es zählen aber nur Leute, die zwischen 30 und 45 Jahre alt sind."

      O.k.

      "Wie viele von Ihren Bekannten haben Selbstmord begangen?"

      Ich habe mir diese Frage nie gestellt, nie summiert, aber ich weiß es sofort.

      "Drei."

      Ich bin überrascht, dass ich antworte. Es muss an ihr liegen, an ihrer distanzierten Sachlichkeit, die diese Frage so stellt, als sei sie nur Statistik. Aber ich werde nicht noch mehr sagen! Ich werde nicht erzählen, wie die Freundschaften schon Monate, ja Jahre vor dem Freitod stockten, wie wir uns nicht mehr verstanden, nicht mehr miteinander sprechen konnten. Ich kannte nicht alle drei gleich gut, aber gut genug, dass ich ihr Ende hätte ahnen können. Wie auch viele andere es hätten vorher sehen müssen.

      Aber das will sie gar nicht wissen.

      "Und wie viele kennen Sie, die im Beruf versagt haben?"

      Immer dieses Versagen. Wer ist ein Versager? Nur die offiziell anerkannten? Die sich nicht in ihren Wunschberuf getraut haben, die arbeitslos sind oder denen gekündigt wurde? Die sich gar nicht erst bei den Abiturjubiläen melden? Oder sind es auch jene, die sich wie Versager fühlen? Oder die - noch abstrakter - sich vor dem Versagen fürchten? Dann sind es wahrscheinlich sehr viele.

      "Sie antworten nicht. Das ist in Ordnung."

      Ja.

      "Eine letzte Frage: Wie viele sind geschieden oder getrennt?"

      Keine Ahnung, könnte ich zwar zählen, will ich aber gar nicht. Wir sehen beide in die Kerze zwischen uns. Da ändert sie das Spiel.

      "Ich habe das Gefühl, dass ich dran bin." Dieses Gefühl habe ich auch.

      "Unglück ist so sinnlos, aber man kommt nicht dagegen an."

      Eine Binse hat den Vorteil, stets wahr zu sein. Sinnloses Unglück, wer kann da nicht erzählen. Doch muss ich gar nichts sagen, gar nichts gestehen, sie redet schon weiter.

      "Zum Beispiel kenne ich jemanden, der Karriere macht. Ganz erstaunlich. Aber trotzdem hat er immer Angst, krank zu sein. Das hängt wahrscheinlich zusammen."

      Ich nicke, was soll ich sonst tun, und wir blicken in die Kerze.

      "Zum Beispiel", das wirkt wie abgerungen, "fürchtet er, dass sein Körper versagen könnte, dass er einen Herzinfarkt bekommt."

      Warum geht er dann nicht zum Arzt, will ich fragen.

      "Aber er weiß, dass es eingebildet ist."

      Ist doch schon viel, dass er darüber redet, will ich trösten.

      Da steht sie auf und geht.

      "Ich habe von mir gesprochen."

      Es klingt triumphierend. Als hätte sie eine Mutprobe bestanden.

      Ich hätte sie gern zurückgehalten. Aber da schließt sich schon der schwarze Filz hinter ihren braunen Locken, die rot schimmern.



      taz Nr. 6792 vom 5.7.2002, Seite 13, 187 Zeilen (Kommentar), Ulrike Herrmann,
      Avatar
      schrieb am 06.07.02 15:59:20
      Beitrag Nr. 65 ()
      Mal was positives, hat aber selbstverständlich nix mit Wirtschaftspolitik zutun, sondern mit vernünftigen Verhandlungspartnern, denen es um die SAche und nicht um Show geht. (Das schließt Politiker ja per definitionem aus)


      Opel-Sparprogramm vermeidet Spaltpilz

      kön. Opel spart das Werksorchester ein. Der Autohersteller verzichtet auf die weihnachtlichen Grußpakete an die 35 000 Rentner. Doch das sind Randnotizen im neuen Sparprogramm. Vom Volumen her mag die Einigung über den Gehaltsverzicht nicht die erwünschte Dimension haben. Sie könnte aber zunächst ausreichen, um das Unternehmen vom Schlingerkurs abzubringen. Wichtig ist die neue Gemeinsamkeit von Vorstand und Belegschaft, gepaart mit Optimismus. Die Zuversicht über den langfristigen Erfolg, die bislang allein vom Management propagiert wurde und sich am Erfolg des neuen Volumenmodells Vectra festklammert, hat nun auch die Belegschaft erfaßt. Der Vorstand hat gezeigt, daß er beim Stellenabbau auf die Kündigungskeule verzichten kann. Die Konzessionsbereitschaft der Beschäftigten, die ihre Position angesichts der prekären Lage bestens verkauft haben, wird dadurch gefördert. Dies hat Mustercharakter für andere Unternehmen in der Bredouille. Die Beschäftigten sind bereit, Opfer zu bringen, wenn ihnen Arbeitsplatz-Sicherheit und die Beteiligung am späteren Erfolg zugesichert werden. Zunächst bleibt es bei der alten und neuen Hoffnung, daß Opel im schwierigen Umfeld der Autoindustrie tatsächlich die Wende schafft. Sollte aber die Branche insgesamt und damit auch Opel abstürzen, käme die Katastrophenklausel zum Tragen. Das Sparen begänne von neuem und würde den Mitarbeitern weiteres Solidarverhalten abverlangen.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.2002, Nr. 154 / Seite 20
      Avatar
      schrieb am 06.07.02 16:01:12
      Beitrag Nr. 66 ()
      ....und ein Gegenbeispiel (hat natürlich mit Interessenkollisionen in der Politik zu tun)

      Das Zauberwort

      wmu. Einen Vorteil hat das Institut der Ministererlaubnis: Es macht transparent, mit welch fadenscheinigen Begründungen die Regierung, allen voran des Kanzlers Hausmeier Alfred Tacke, den Wettbewerb auszuhebeln und die Verbraucher zu schädigen vermag. Das Zauberwort der Ministererlaubnis lautet "Gemeinwohl". Wenn eine Fusion diesem dient, dann darf der Minister sie laut Gesetz genehmigen - auch wenn sie nach dem Urteil aller zuständigen Instanzen den Wettbewerb behindert.

      Tacke, der Stellvertreter des Ministers, hat nun tatsächlich herausgefunden, inwiefern die Eon-Ruhrgas-Fusion dem Gemeinwohl förderlich ist: Sie sichere den Deutschen die Versorgung mit Energie. Dieses Argument, aufgebracht von Eon, ist, mit Verlaub, lächerlich. Die Monopolkommission hat das überzeugend dargelegt - übrigens mit Verweis auf einen Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Ministerialen schreiben, daß allein die Integration der nationalen Energiemärkte in der EU dieses vorgebliche Problem gegenstandslos macht. Nein, es geht bei dieser Entscheidung nicht um einen Konflikt zwischen Wettbewerb und Gemeinwohl. Dieser Konflikt existiert nicht.

      Es geht darum, daß die Politik "Gemeinwohl" in völliger Willkür umdeuten kann. Es ist dann gleichbedeutend mit dem Wohl jener Konzerne, denen unsere industriepolitischen Steuermänner "strategische" Bedeutung beimessen - oder denen sie schlicht aus dem einen oder anderen Grund gewogen sind.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.2002, Nr. 154 / Seite 11
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 01:23:19
      Beitrag Nr. 67 ()
      Angeblich ist es laut HArtz-Gutachten ein Problem, daß die Vermittlung (falscher Begriff: Suche eines AL nach einer neuen Stelle) 33 Wochen dauert und man will diesen Durchschnittswert auf 22Wochen senken.

      Angeblich senkt man nur dadurch die Zahl der Arbeitslosen um eine halbe Million.

      Meines Erachtens ein Denkfehler:

      Denn das würde voraussetzen, daß die neubesetzten Stellen allesamt im Schnitt zuvor mindestens 11 Wochen, also 3 Monate UNBESETZT sind.

      Das ist völlig falsch.

      Auf qualifizierte Stellen kommen viele Bewerbungen bereits bei Ausschreibung oder Bekanntgabe der Vakanz. Oftmals reichen bereits Vorankündigungen (wie aktuelle in Leipzig bei den ca. 1.000 BMW- und 300 Porsche- Arbeitsplätzen) , um sofort ein Vielfaches an Bewerbungen zu bewirken.

      Auch diese Vermutung der HArtz-Kommission ist m.E. eine Milchmädchenrechnung.

      Zu Recht haben heute im ARD-Presseclub bis auf eine Journalistin der FTD alle die Hartz-Vorschläge für WAhlkampf-Schaumschlägerei und nur der besseren Verwaltung der Arbeitslosigkeit dienend definiert.
      Von 6 Journalisten sagten vier, Schröder werde mit dieser Nummer nicht durchkommen.

      Die junge Journalistin konnte nicht einmal
      die Anzahl von Bewerbungen pro angebotene Stelle vom Verhältnis der Arbeitslosen zu den offenen Stellen unterscheiden, beides setzte sie gleich.

      PISA läßt grüßen.
      Und sowas schreibt in der FTD...

      Gute Nacht....


      :mad:

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 08.07.02 02:49:26
      Beitrag Nr. 68 ()
      Die Deister- und Weserzeitung aus Hameln schreibt zur Haltung der Gewerkschaften zur Hartz-Kommission:


      "Der Wert des pompös präsentierten Hartz-Opus liegt nicht in originellen allgemeinen Zielvorstellungen, sondern gerade in jenen konkreten Vorschlägen, die in dem Gespräch zwischen dem Kanzler und den Gewerkschaften ausgespart wurden. Schröder lobt, dass man sich "nicht in Details verbissen" habe. Aber der DGB-Chef lässt bereits Warnungen durchklingen: Der Kanzler wisse ja, wo die "Schmerzgrenze" der Gewerkschaften liege. Und: "Sozialabbau" komme nicht in Frage. Ein Ja zu Hartz ist das nicht. Es ist nur schöner Schein, der bis zum Wahltag anhalten soll. Die Wähler sollen glauben, Schröder verfolge ein kraftvolles, zugleich mit alten Sozialvorstellungen verträgliches Konzept zur massiven Verringerung der Arbeitslosigkeit. Das besonders Schlimme daran ist jedoch die Tatsache, dass dies alles die wirklichen Notwendigkeiten verdeckt: Stärkung des Mittelstandes, kräftigere Steuersenkungen, weniger Bürokratie."
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      schrieb am 08.07.02 10:45:44
      Beitrag Nr. 69 ()
      Von wegen des KAnzlergeschwätzes, es sei der Aufschwung unmittelbar bevorstehend:

      Immer weniger Stellen für immer mehr Arbeitslose!

      Handwerk baut Stellen ab -
      4,8 Prozent weniger Mitarbeiter


      Wiesbaden (dpa) - Die Handwerksbetriebe in Deutschland haben innerhalb eines Jahres 4,8 Prozent ihrer Stellen abgebaut.
      Bau- und Ausbaugewerbe am stärksten betroffen
      Am stärksten von dem Rückgang betroffen war nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Montag in Wiesbaden das Bau- und Ausbaugewerbe (Straußenbauer, Maler und Lackierer, Fließenleger u.a.). Hier sank die Beschäftigung zwischen März 2001 und März 2002 um 8,8 Prozent. An zweiter Stelle lag das Holzgewerbe (Schreiner) mit 6,6 Prozent Rückgang. Am geringsten fiel der Beschäftigungsrückgang mit 2,6 Prozent im Gewerbe für Gesundheits- und Körperpflege (Frisöre, Kosmetik) sowie Reinigung aus.

      Umsätze gesunken
      Parallel zum Stellenabbau sanken auch die Umsätze. Insgesamt betrug der Umsatzrückgang im ersten Quartal im Jahresvergleich 4,9 Prozent. Auch hier lag das Bau- und Ausbaugewerbe an erster Stelle mit 8,6 Prozent, gefolgt vom holzverarbeitenden Gewerbe mit 8,1 Prozent. Beim Nahrunsmittelgewerbe, etwa bei Bäckern und Metzgern, betrug der Umsatzrückgang 2,6 Prozent und war damit am wenigsten betroffen. Absolute Zahlen über die Umsätze und die Beschäftigung konnten die Statistiker nicht nennen, da die Veränderungen nur auf Grund von Stichproben errechnet wurden.
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      schrieb am 09.07.02 10:45:34
      Beitrag Nr. 70 ()
      gestern gab es auf Bayern3 eine Fernsehsendung zum Thema:

      Ein Wirtschaftsprofessor sagte wörtlich, dem Hartz-Papier fehle "jegliche Substanz!"

      Auch der neue Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt sagt, was Sache ist:

      "Dadurch wird keine einzige Stelle egschaffen. Und vor allem darum sollte es gehen."

      Das HArtz-Papier entpuppt sich als das, was es ist:
      Ein Non-Event, der von einem in Bedrängnis geratenen Show-KAnzler zu parteipolitischen Zwecken mißbraucht wird.
      Avatar
      schrieb am 09.07.02 11:00:53
      Beitrag Nr. 71 ()
      SPD nutzt Hartz-Papier noch vor Wahl

      [Anmerkung D.T: aber wohl nur zum Wahlkampf]

      SPD will Vorschläge auf Parteitag im August diskutieren. PDS: Fragliches Konzept

      BERLIN taz Die SPD will noch vor der Bundestagswahl auf einem kleinen Parteitag im August die Vorschläge der Hartz-Kommission diskutieren und ihre Position dazu festlegen. Am 16. August werde der Bericht erstmals komplett vorliegen, und man wolle ihn noch im September im Bundestag debattieren, sagte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gestern in Berlin.

      Müntefering betonte dabei, dass im September zwar keine Gesetze mehr auf den Weg gebracht werden könnten, man aber "als Partei durch Gesetzesvorhaben deutlich machen kann: Was wollen wir machen."

      [Anmerkung D.T.: Aha, wieder einmal große Symbolik a la "Chefsache" :laugh: welche wie immer nur aus heißer luft besteht]

      Kritik an den Vorschlägen der Hartz-Kommission kam unter anderem von Brandenburgs neuem Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Er bemängelte, dem Konzept fehle eine "spezifisch ostdeutsche Sicht". Dazu sagte Müntefering, die Hartz-Kommission arbeite schon an speziellen Maßnahmen für strukturschwache Regionen. Dazu gehörten aber nicht nur Gebiete in Ostdeutschland, sondern beispielsweise auch Städte im Ruhrgebiet.

      Die PDS kritisierte die Hartz-Vorschläge als ein Programm, das "Arbeitslose, aber nicht Arbeitslosigkeit bekämpft". Sie gäben keine Antwort, wie neue Jobs geschaffen werden könnten, sagte Vizeparteichefin Pau gestern. In Osten seien die Vorschläge zudem nicht praktikabel, nach denen Arbeitsämter zusammen mit Personalagenturen schneller vermitteln sollen. "Dort fehlen einfach freie Stellen." Würden noch mehr Menschen in den Westen vermittelt, sei das "Gift für den Osten". SUSANNE AMANN

      debatte SEITE 10
      taz Nr. 6795 vom 9.7.2002, Seite 2, 53 Zeilen (TAZ-Bericht), SUSANNE AMANN
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 10:53:27
      Beitrag Nr. 72 ()
      Die FAZ bestätigt heute den Titel dieses Threads und meine postings der vergangenen tage:



      Deutsche Fragen - deutsche Antworten

      Enttäuschend für die SPD


      G.H. Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl steht Bundeskanzler Schröder gescheitert da. Er hatte sich am Rückgang der Arbeitslosenzahl messen lassen wollen - und nun hat er zum Sommeranfang im Vergleich zum Vormonat sogar noch einen Anstieg hinzunehmen. Was sich der Sozialdemokrat Schröder vorgenommen hatte, ist Makulatur geblieben; "Erfolge" hat die rot-grüne Koalition vor allem bei den Projekten zu verzeichnen, die den Grünen wichtig waren: bei der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, in der Einwanderungspolitik, bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Daß diese Projekte großteils weder zum sozialdemokratischen Herz passen noch langfristig die Probleme des Landes lösen helfen, hat die Grünen nie gekümmert. Deutlicher hat noch in keiner Koalition der Schwanz mit dem Hund gewedelt.

      In Schlußpanik schiebt Schröder die Hartz-Kommission vor, um nach vier verlorenen Jahren den Weg ins gelobte Land zu weisen. Wie unsicher der SPD-Chef dabei ist, zeigt die Strenge, mit der er jegliche Diskussion über die Hartz-Vorschläge in seiner Partei unterdrückt. Denn mit jeder Einzelheit käme die Wahrheit schneller ans Licht: Das ganze Streben ist auf die Schönung der Arbeitslosenstatistik gerichtet, kein einziger Vorschlag aber veranlaßt die Wirtschaft, echte, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen.
      Die Debatte über die Lohnnebenkosten beweist, daß die Unternehmen scharf rechnen - so scharf, daß sie Arbeitskräfte sofort einstellen, sobald das Produktionsmittel "Zusatzkraft" mehr Gewinn als Last verspricht. Den Ausschlag gibt, ob der Absatz von Waren und Dienstleistungen kalkulierbar und gesichert ist. Hartz kann allenfalls Leute vermitteln und über Leiharbeitsagenturen - subventioniert - zur Verfügung stellen, den Aufschwung herbeizaubern kann er jedoch nicht.

      Es war der Sozialdemokrat in Schröder, der den Osten zur Chefsache machte (die Grünen kümmert die Gegend wenig). Doch selbst die SPD-Wähler werden es ihm nicht nachsehen, daß ihm dazu nichts anderes eingefallen ist, als die Abwanderung der jungen Leute von dort zu beschleunigen. Schon sagt Stolpe, Schröder habe die Probleme unterschätzt. Kommt noch ein Fehlgriff hinzu, etwa daß Schröder den Telekom-Chef zur Disposition stellt, aber keinen überzeugenden Nachfolger findet, dann hat er zwar den Unmut der Aktionäre bedient, aber sich vollends um den Ruf des Machers gebracht.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.2002, Nr. 157 / Seite 1
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 11:00:15
      Beitrag Nr. 73 ()
      DIW erwartet nur ein "Wachstumsstrohfeuer"

      ZEW-Konjunkturerwartungen stabil / Produktion sinkt wegen Streiks / EU-Kommission zuversichtlich


      ami./dfb./Ho. BERLIN/FRANKFURT/BRÜSSEL, 9. Juli. Deutschland steht am Beginn eines kräftigen Konjunkturaufschwungs, doch wird der schon Ende kommenden Jahres wieder weitgehend in sich zusammenbrechen. Davon geht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seiner neuesten Konjunkturprognose aus, nach der das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,6 und im kommenden Jahr um 2 Prozent wachsen wird. Der Grund für das "Strohfeuer" liegt nach Ansicht von DIW-Präsident Klaus Zimmermann einerseits im stärker werdenden Euro. Der verhindere einen Exportboom für deutsche Waren und Dienstleistungen, was schon im Jahresverlauf 2003 die Wachstumskräfte schwächen werde. Zudem werde die vermutlich weiterhin restriktive Haushaltspolitik mit dem Ziel, 2004 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, einen halben Prozentpunkt Wachstum kosten, kritisierte Zimmermann. Die Politik führe nicht nur zu niedrigerem Wachstum und sinkenden Steuereinnahmen, auch erschwere sie damit die Lösung der Arbeitsmarktprobleme. Der Europäischen Zentralbank empfiehlt das DIW, die Zinsen stabil zu halten und ihren Expansionskurs beizubehalten. Das DIW wies auf die herausragende Rolle der Vereinigten Staaten mit Wachstumsraten von 2,8 und 3,3 Prozent für die Weltwirtschaft hin. Doch nehme die amerikanische Auslandsverschuldung weiter zu. Das berge das Risiko von Dollar-Abwertungen, die sehr kurzfristig einsetzen und 20 bis 30 Prozent ausmachen könnten.<BR/><BR/>Der vom DIW erwartete kräftige Konjunkturaufschwung läßt auf sich warten. Bisher hat sich der vermehrte Auftragseingang nicht auf die Produktion durchgeschlagen. Vielmehr haben die Streiks in der Metall- und Elektroindustrie und überdurchschnittlich viele Brückentage im Mai dazu geführt, daß die Produktionstätigkeit zurückgegangen ist. Im Mai sank die Erzeugung des Produzierenden Gewerbes (Industrie und Baugewerbe) gegenüber April um 1,3 Prozent, teilte das Bundesfinanzministerium am Dienstag in Berlin mit. Das Vorjahresniveau wurde um 9,2 Prozent unterschritten. Die Zahlen beurteilen Bankvolkswirte unterschiedlich. Die Fachleute von HSBC Trinkhaus & Burkhardt stellen fest, daß die Erholung im Verarbeitenden Gewerbe mehr Zeit in Anspruch zu nehmen scheine als bisher angenommen. Nur bei einem deutlichen Plus im Juni sei im gesamten zweiten Quartal noch ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Nach Einschätzung der Commerzbank-Volkswirte hingegen führen beide Sonderfaktoren im Juni zu einer entsprechenden Gegenbewegung, so daß dann mit einem kräftigen Produktionsanstieg zu rechnen sei. Auch der Auftragseingang in der Industrie spreche für eine spürbare Produktionsausweitung in den kommenden Monaten.<BR/><BR/>Auch die hohen Niveaus der Stimmungsindikatoren wie des Ifo-Geschäftsklimaindex und der ZEW-Konjunkturerwartungen deuten weiter auf eine Belebung der Industrieproduktion. Den am Dienstag veröffentlichten Daten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge sind die Konjunkturerwartungen der befragten Finanzmarktanalysten nur leicht gesunken. Die ZEW-Konjunkturerwartungen gingen im Juni gegenüber Mai um 0,5 Punkte auf 69,1 Punkte zurück. Damit liegen sie weiterhin oberhalb des langjährigen Mittelwerts von 34 Punkten.<BR/><BR/>Für den Euro-Raum sieht die Europäische Kommission deutliche Anzeichen für ein allmählich stärker werdendes Wirtschaftswachstum. Nach einem Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Leistung um 0,3 Prozent in den ersten drei Monaten habe der Euro-Raum im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal ein reales Wachstum von 0,3 bis 0,6 Prozent erzielt. Für das dritte Quartal prognostiziert die EU-Behörde einen Zuwachs zwischen 0,7 und 1 Prozent. Die Nachfrage im Einzelhandel bleibe vorerst zwar schwach, dafür hätten sich das internationale Umfeld sowie die geldpolitischen Bedingungen spürbar verbessert. Der gestiegene Euro-Kurs gegenüber dem Dollar bremse zudem die Geldentwertung. Dies lasse im weiteren Verlauf des Jahres auf einen Zuwachs des privaten Verbrauchs hoffen, was entscheidend sei für ein ausgewogenes Wachstum. Für das gesamte Jahr rechnet die Kommission unverändert mit einem Wachstum von durchschnittlich 1,4 Prozent.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.2002, Nr. 157 / Seite 11
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 11:04:04
      Beitrag Nr. 74 ()
      Arbeitslos im ostdeutschen Labor der Moderne

      Jeder Wahlkampf ist eigentlich so wie der letzte Wahlkampf, nur besser. Was vor vier Jahren falsch gelaufen ist, das wollen die Parteien jetzt richtig machen.

      Die Erkenntnisse von 1998 ließen sich in eine Formel pressen: "Im Osten werden Wahlen nicht gewonnen, aber verloren." Seit gestern ist sie wieder aktuell, als die Arbeitsmarktdaten für Juni bekannt gegeben wurden: Im Osten sind doppelt so viele Menschen erwerbslos wie im Westen. Da stellen sich in Wahlkampfzeiten gleich zwei Fragen: Was kann man tun? Und, noch wichtiger: Wer ist schuld?

      Genaues Hinsehen bringt da eine überraschende Antwort: Tun kann man eigentlich nichts. Und "schuld", ein völlig unpassender Begriff, "schuld" sind unter anderem die Frauen und die vielen Babys, die vor etwa zwanzig Jahren geboren worden sind. Die Arbeitslosigkeit im Osten ist nicht nur, aber auch ein demografisches und ein soziokulturelles Phänomen. Denn die geburtenstarken Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre in der DDR haben selbst wiederum früher Kinder bekommen. So lebt ein Drittel aller deutschen 16- bis 24-Jährigen in Ostdeutschland - obwohl die Ostler nur ein Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachen.

      Können diese Kinder ein Problem sein? Nein, sie sind "ein Geschenk", wie es der Brandenburger Exministerpräsident Stolpe gestern ausgedrückt hat. "Schuld" an der Arbeitslosigkeit im Osten sind auch die vielen Frauen auf Jobsuche; es sind 15 Prozent mehr als im Westen. Können sie ein Problem sein? Nein, auch sie machen der Gemeinschaft ein Geschenk, indem sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen.

      Wir haben uns angewöhnt, den Osten als rückständig zu definieren. Aber er ist auch ein Labor der Moderne. Dort haben wir die Gesellschaft, die uns sonst als fortschrittlich angepriesen wird: viele Jugendliche (allerdings wenig Kinder) und viele Frauen mit Erwerbswunsch. Wir haben auch eine zunehmend produktive Wirtschaft, die über eine immer bessere Infrastruktur verfügt.

      Es gibt Nachholbedarf, zugegeben, aber niemand wird ernsthaft glauben, dass die Arbeitslosigkeit verschwunden ist, wenn der Osten über ebenso viele Autobahnen verfügt wie der Westen. Nein, wir müssen uns daran gewöhnen, der Osten führt es vor: Eine moderne Gesellschaft, wie wir sie wollen, wird immer wieder hohe Arbeitslosigkeit kennen. Aber das ist kein Grund zur Panik: In erster Linie müssen Arbeit und Reichtum gerecht verteilt werden.
      ULRIKE HERRMANN

      taz Nr. 6796 vom 10.7.2002, Seite 1, 56 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 10.07.02 11:14:06
      Beitrag Nr. 75 ()
      Zum Kombilohn als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit:


      Ein halbes Jahr nach Einführung des "Kombilohnes", der bei Einstellung eines Sozialhilfeempfängers dem Arbeitgeber das Gehalt in Höhe der Sozialhilfe subventioniert, ist in Hessen 6 Monate nach Einführung gescheitert.

      Ganze 64 Menschen haben in Hessen überhaupt so Arbeit gefunden.

      (Quelle: Bericht des Hess. Rundfunks)

      ----------------------------------

      Und nun zum nächsten Versager-Konzept, das angesichts kaum existierender Stellenangebote logischerweise ebenfalls höchstwahrscheinlich scheitert, obwohl das Konzept im Prinzip überzeugt:

      Der "Vermittlungsgutschein"



      Mäßige Zwischenbilanz

      Seit drei Monaten gibt es Vermittlungsgutscheine. Private Jobvermittler sollen damit den trägen Arbeitsämtern beistehen. Keine Wunderwaffe gegen Arbeitslosigkeit



      BERLIN taz Michael K. war ein Vorzeige-Arbeitsloser. Der Angestellte einer kriselnden Filmfirma hat seine Arbeitslosenzeit genau so organisiert, wie sich das jetzt alle wünschen: Schon vor der Kündigung hatte er sich bei einem Vermittlungsbüro gemeldet, dort einen neuen Lebenslauf verfasst und Bewerbungen geschrieben. Zum Zeitpunkt der Kündigung hat er sich arbeitslos gemeldet, nach drei Monaten einen der neuen Arbeitsvermittlungsgutscheine bekommen und vier Monate später einen neuen Arbeitsplatz. Einziges Problem der Erfolgsgeschichte: Das Arbeitsamt will den von ihm selbst ausgestellten Vermittlungsgutschein nicht einlösen. Denn dafür ist der direkte Kontakt zwischen Arbeitgeber und Vermittler notwendig - Michael K. aber ist auf Anraten des Vermittlers alleine mit seinen zukünftigen Arbeitgebern in Kontakt getreten.

      Dass er die Vermittlungsgebühr jetzt wahrscheinlich selbst zahlen muss, das regelt ein Gesetz, das am 27. März in Kraft getreten ist, um die Arbeit der Bundesanstalt für Arbeit nicht nur schneller, sondern nach dem Skandal um gefälschte Statistiken vor allem effizienter zu machen. Mit den so genannten Vermittlungsgutscheinen kann sich nach drei Monaten vergeblicher Jobsuch jeder Arbeitslose von privaten Vermittlern bei der Jobsuche helfen lassen. Je nach Dauer der Arbeitslosigkeit haben die Gutscheine einen Wert von 1.500, 2.000 oder 2.500 Euro.

      Bisher sind zwar rund 66.400 Gutscheine ausgegeben worden - eingelöst wurden davon aber nur 1.234 Stück. "Das Gesetz ist sehr schnell zustande gekommen, deshalb müssen nicht nur die Arbeitslosen darüber informiert werden, sondern sich die neuen Arbeitsvermittler am Markt auch erst einmal finden", erklärt Bernhard Weber, zuständiger Referatsleiter bei der Bundesanstalt für Arbeit. Man gehe aber von einer deutlichen Steigerung aus, habe man im April doch gerade mal sechs, im Mai über 200 und im Juni schon mehr als 900 Gutscheine eingelöst.

      Vom Bundesverband für Personalvermittlung (BPV) sind die neuen Regelungen im Vorfeld scharf kritisiert worden. Auf Ablehnung stieß nicht nur die mangelnde Ausbildung der künftigen Vermittler, sondern auch deren Gehalt. "Dass sich bisher sehr wenig tut, hängt mit dem zu niedrigen Honorarsatz zusammen", so Sieglinde Schneider, Sprecherin des BPV. Es lohne sich bisher einfach nicht, sich um die - zumeist schwieriger zu vermittelnden - Arbeitslosen zu kümmern. "Marktüblich sind zwei bis zweieinhalb Monatsgehälter", so Schneider, "was jetzt aber nach einem relativ bürokratischen Prozess des Einreichens am Ende für die Vermittler bleibt, sind maximal 2.155 Euro." Zusammen mit dem Bundesarbeitsministerium hat man sich jetzt immerhin darauf verständigt, eine Zertifizierung zu schaffen, damit der Beruf qualitative Standards erhält.

      Für den Personal-Coach Thomas Heinle liegt das Problem der Vermittlungsgutscheine aber ganz woanders: "Beim jetzigen Gesetz läuft die Vermittlung auf freiwilliger Basis. Was wir aber brauchen, ist eine verpflichtende Form". Heinle arbeitet mit der Stadt München zusammen in einem Projekt, bei dem Sozialhilfeempfänger Arbeitsplätze vermittelt werden sollen. "Wie bei einem normalen Job werden sie 38,5 Stunden die Woche bei mir weitergebildet, nach ihren Wünschen befragt und auf Vorstellungsgespräche vorbereitet", ist Heinle von seinem Konzept überzeugt. Auch davon, dass denen, die trotz Aufforderung nicht kommen, die Sozialhilfe gestrichen wird. Was aber, so Luise Pechmann vom Sozialamt München, dank deutlicher Ansprachen nur etwa bei einem Prozent aller Fälle vorkommt.

      SUSANNE AMANN

      taz Nr. 6796 vom 10.7.2002, Seite 7, 123 Zeilen (TAZ-Bericht), SUSANNE AMANN
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 05:14:27
      Beitrag Nr. 76 ()
      11.07.2002

      Titel
      Rainer Balcerowiak

      Hartz und die Folgen

      Kommunalverband will Arbeitslosenhilfe abschaffen und Sozialhilfe senken

      Im Sog der Diskussionen um die Vorschläge der Hartz-Kommission zur »Reform« der Arbeitsvermittlung hat sich am Mittwoch auch der Deutsche Landkreistag (DLT) als kommunaler Spitzenverband der 323 deutschen Landkreise vehement für die drastische Beschränkung von Lohnersatzleistungen und die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe ausgesprochen. Die hohe Zahl der arbeitsfähigen Sozialhilfebezieher, deren Zahl der DLT bundesweit auf eine Million Menschen schätzt, und der drohende Kollaps der kommunalen Finanzen mache eine »durchgreifende Reform« unumgänglich, so DLT-Präsident Axel Endlein.

      »Weder die Arbeitslosenhilfe, die an der Situation früherer Erwerbsarbeit anknüpft, noch die am individuellen Bedarf orientierte Sozialhilfe« hätten »die richtigen Anreize« für die Überwindung der eigenen Arbeitslosigkeit geboten. Eine streng an die Bedürftigkeit gebundene Grundpauschale solle das Notwendigste des Lebensunterhaltes abdecken, dazu kämen »gestaffelte Zuschläge als Anreizfunktion zur Aufnahme einer Arbeit«. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sollten dabei abgedeckt werden, für die Rentenversicherung müsse man aber nach »differenzierten Lösungen« suchen, so Endlein.

      Der DLT läßt keinen Zweifel daran, daß man für »Arbeitsunwillige«, die entsprechende »Zielvereinbarungen« nicht einhielten, die Direktzahlungen bis »auf Null« zurückfahren wolle. Dieses neue System »aktiver und passiver Leistungen« solle von einem neu zu schaffenden »ganzheitlichen Träger« umgesetzt werden, wobei die »aktivierenden« Bestandteile in den Mittelpunkt gestellt werden sollten. Als Träger für diese neue Struktur bot sich der DLT gleich selbst an. Die Landtage verfügten »über soziale Kompetenz und Möglichkeiten, verschiedene Politikfelder zu bündeln«, so Endlein. Grundvoraussetzung wäre allerdings ein »Systemwechsel« bei der Finanzierung der Kommunen, die in Zukunft garantierte Direktzuwendungen des Bundes erhalten müßten und somit nicht mehr vom Goodwill der Landesregierungen abhängig wären. Dafür müßte allerdings das Grundgesetz geändert werden.

      Der bei der Präsentation anwesende Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster (»heute nicht in offizieller Funktion, sondern als Politikberater«), bescheinigte dem DLT-Konzept einen gewissen »Charme«, da es »Systemgrenzen sprengen« wolle. Er bat zu bedenken, daß die totale Verweigerung von Direktzahlungen an bedürftige Arbeitslose verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen könnte. Generell sei es jedoch unumgänglich, den »soziokulturellen Begriff des Existenzminimums« zu diskutieren.

      Gerster nutzte die Gelegenheit, um erneut die aus seiner Sicht unumgänglichen Kernpunkte einer Reform zu benennen: die Begrenzung der Zahlung von Lohnersatzleistungen und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Er zeigte sich zuversichtlich, daß sich diese beiden Positionen auch in der Endfassung der Vorschläge der Hartz-Kommission, die am 16. August vorgelegt werden soll, wiederfinden.

      Sowohl Endlein wie auch Gerster räumten freimütig ein, daß die Umsetzung der DLT-Vorschläge keine Einsparungen bringen würden. Das erscheint aufgrund der gebetsmühlenartigen Betonung des Sparprimats auf allen Ebenen auf den ersten Blick verwunderlich. Jedoch scheint die gesellschaftspolitische Vision der schleichenden Einführung eines Arbeitsdienstes auf der Prioritätenliste der herrschenden Politiker noch wesentlich höher angesiedelt zu sein.

      jungewelt.de
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 11:18:05
      Beitrag Nr. 77 ()
      Florian Gerster, der arrogante Großkotz, ist mittlerweile vor den TV-Kameras auf Echtgröße geschrumpft.

      Nach den überheblichen und unrealistischen Sensationslüsternen statements der ersten Tage ist er nun kleinlaut geworden, die Stimme leise, die Mimik resigniert.

      Tja, so sehen Politiker aus, die nicht im Bundestag herumschwadronieren können, sondern KONKRET ENDLICH EINMAL IN MANAGEMENTPOSITION ETWAS BEWEGEN SOLLEN... :D

      DEr kann unter dem Teppich FAllschirm springen.

      Jetzt hat er vielleicht einen Hauch einer Ahnung, was der Unterschied zwischen Realismus und Großkotzigkeit ist.... :D
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 12:34:40
      Beitrag Nr. 78 ()
      Fördern und Fordern ist der Schlager

      Deutscher Landkreistag will zusammengelegte Arbeitslosen- und Sozialhilfe vergeben - und damit geizen


      BERLIN taz Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden zusammengelegt. Dies steht in fast allen Wahlprogrammen - und diverse Regierungskommissionen arbeiten daran. Wichtigste Frage war bisher: Wird die Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe abgesenkt?

      Gestern nun tauchte eine zweite Frage auf, gestellt von einem weiteren Akteur, dem deutschen Landkreistag: Wer wird zuständig für das neue Mischprodukt? Die Kommunen, die bisher die Sozialhilfe gezahlt haben? Oder der Bund und die Arbeitsämter, die für Arbeitslosenhilfe und -geld zuständig sind? Das klingt nach grauer Bürokratie. Doch der Deutsche Landkreistag vertritt 323 Landkreise, in dem zwei Drittel der Bevölkerung leben. Jenseits des Wahlkampfgetümmels wird so deutlich, was zumindest abseits der großen Städte Konsens ist.

      Und Konsens ist dort "Fordern und Fördern" für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger und Langzeitarbeitslose. Für sie möchten die Landkreise künftig zuständig sein, ihnen Angebote unterbreiten - ihnen aber auch die Leistungen kürzen, falls sie "zumutbare" Jobs nicht annehmen.

      Der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, zeigte sich gestern skeptisch: Er will daran festhalten, dass auch Arbeitsunwillige Sozialhilfe erhalten. Vor allem aber ist Gerster kein Fan von neuen Zumutbarkeitskriterien. Aus Erfahrung: Schon jetzt würde von Arbeitslosen verlangt, dass sie 2,5 Stunden täglich zum Arbeitsplatz zu fahren. Theoretisch. Faktisch machten "interne Statistiken" deutlich, dass diese Bestimmung nur "verschwindend selten" gilt. Denn die Klagen dagegen seien "zu 90 Prozent" erfolgreich. Die Richter würden sich "immer auf die Seite des Betroffenen" schlagen.

      Daher favorisiert Gerster "schematische Lösungen", die "bestimmte Leistungsniveaus befristen". Erneut warb er dafür, das Arbeitslosengeld nur für zwölf Monate zu zahlen. Danach soll es die Arbeitslosenhilfe, jetzt unbegrenzt, für höchstens zwei Jahre geben. Aber wahrscheinlich wird es sogar nur ein Jahr werden. Gerster erwartet, dass die Hartz-Kommission das Modell "zwei Mal zwölf Monate" empfiehlt - "notfalls durch Mehrheitsentscheid".

      Arbeitsamtschef Florian Gerster war gestern "nicht in offizieller Mission" :laugh: unterwegs, wie er betonte, denn der Deutsche Landkreistag hatte ihn eingeladen, als er noch Arbeits- und Sozialminister in Rheinland-Pfalz war. Und so nutzte er seine "Freiheit der Politikberatung", um die "interessanten Vorschläge" zu würdigen. Sie hätten immerhin den "Charme, dass sie nicht finanzpolitisch motiviert sind".

      Das sehen die großen Städte ganz anders, wo die Mehrheit der Langzeitarbeitslosen wohnt. Dort befürchten die Bürgermeister, dass die Landkreise die Langzeitarbeitslosen nur betreuen wollen, weil sie vergleichsweise wenig davon haben - um so bei geringem Vermittlungsaufwand relativ üppige Verwaltungseinnahmen einzufahren. Der Deutsche Städtetag ist jedenfalls strikt dagegen und nannte die Vorschläge "wenig hilfreich".

      ULRIKE HERRMANN

      taz Nr. 6797 vom 11.7.2002, Seite 6, 103 Zeilen (TAZ-Bericht), ULRIKE HERRMANN
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 16:15:50
      Beitrag Nr. 79 ()
      Frankreichs Rezept gegen die Jugendarbeitslosigkeit:
      Reduktion der Sozialabgaben


      cei. Paris, 10. Juli

      Der französische Arbeits- und Sozialminister, François Fillon, hat gestern vor den übrigen Ministern der Regierung Raffarin sein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit skizziert. Dieses soll die Beschäftigung junger Personen ohne Qualifikationen ankurbeln. Die Arbeitslosenquote dieser Gruppe liegt bei 30%. Während der ersten beiden Jahre wird das Unternehmen bei der Anstellung eines Jugendlichen gänzlich von den Sozialabgaben befreit. Im dritten Jahr beläuft sich die Reduktion noch auf 50%. Anschliessend fällt die staatliche Unterstützung weg. Da das Programm auf Jugendliche im Alter von 16 bis 22 Jahren beschränkt ist, die den Mindestlohn (Smic) oder das 1,3-Fache davon beziehen, halten sich die geschätzten Gesamtkosten von jährlich 500 Mio. Euro im Rahmen - besonders wenn man diese in Beziehung setzt zu den 4 Mrd. Euro (0,4% des französischen Bruttoinlandproduktes), welche die Vorgängerregierung Jospin im vergangenen Jahr für ihr Programm «Emplois jeunes» ausgegeben hat (vgl. NZZ vom 10. 7. 02). Neben dem engeren Fokus von Fillons Vorschlag unterscheidet sich sein Programm «Jeunes en entreprise» von demjenigen der Vorgängerregierung auch darin, dass es das Augenmerk auf die Förderung der Beschäftigung im Privatsektor richtet. Das Programm der Regierung Jospin hatte dagegen 350 000 Jugendliche mit einem fünfjährigen Arbeitsvertrag im öffentlichen Sektor ausgestattet. Trotz den hohen Kosten vermochte es den jungen Arbeitskräften aber nicht die notwendigen Qualifikationen zu vermitteln, damit diese eine Stelle im Privatsektor hätten finden können. Fillon will das Programm «Emplois jeunes» zwar nicht abschaffen, aber in seinem Umfang reduzieren. Der Arbeitsminister schätzt, dass mit dem neuen Programm jährlich 60 000 bis 100 000 Stellen für schlecht qualifizierte Jugendliche geschaffen werden können.


      NZZ
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 16:24:42
      Beitrag Nr. 80 ()
      So sieht ma Deutschland im Ausland:

      Sozialismus.de

      Deutsche Subventionsmentalität und Bequemlichkeit
      Die Bundesrepublik hat im letzten Jahrzehnt finanziell über ihre Verhältnisse gelebt. Die Ursache hierfür ist die Wiedervereinigung, aber auch eine sich ausbreitende Subventionsmentalität. Kaum ein anderes Land gibt so viel für soziale Transferleistungen aus. Viele Deutsche erwarten vom Staat eine Rundum-Betreuung.


      eg. Berlin, im Mai

      Deutschland eine Bananenrepublik, korrupt und wirtschaftlich angeschlagen, im europäischen Vergleich nur noch ein «kranker Mann» auf einem hinteren Platz der Rangfolge - die negativen Urteile über das eigene Staatswesen häufen sich in den deutschen Medien. Manches Verdikt ist überzogen, von einer generellen Krankheit der Gesellschaft lässt sich nicht ernsthaft reden. Die demokratischen Institutionen sind stabiler denn je. Regierung und Parteien unterliegen einer schärferen öffentlichen Kontrolle als in der Vergangenheit, der Schmiergeldsumpf scheint nicht tiefer als in den Zeiten, in denen man die Augen vor solchen Erscheinungen noch bereitwillig schloss. Auch die gesellschaftlichen Fieberzustände, die namentlich ausländische Beobachter inden siebziger und frühen achtziger Jahren im Gefolge von Linksterrorismus, Antiatombewegung und pazifistischem Protest diagnostizierten, sind gelassenem Selbstbewusstsein gewichen. Doch das Unbehagen hat reale Ursachen.

      Über die Verhältnisse gelebt
      Wirtschaftliche Fakten sprechen eine klare Sprache: Die Staatsquote beträgt fast 50 Prozent. Der Anteil der Sozialleistungen am Bruttoinlandprodukt ist stetig gewachsen. Kaum ein anderesEU-Land gibt so viel Geld für soziale Transferleistungen aus; entsprechend hoch ist die Steuer- und Abgabenlast. Zugleich lebte Deutschland im letzten Jahrzehnt über seine Verhältnisse. Die Staatsverschuldung hat eine Höhe erreicht, die Berlin eine Rüge der EU-Kommission eintrug. Die Hauptursache der Ausgabenexplosion ist die Sanierung der DDR. Diese Herkulesaufgabe war unvermeidlich, dennoch ist die Frage berechtigt, ob nicht zu viel Geld in falsche Kanäle floss.

      Nach Schätzung von Experten wie dem früheren Hamburger Bürgermeister von Dohnanyi, der nach der Wende als Aufsichtsratsvorsitzender eines Leipziger Unternehmens amtierte, belaufen sich die Transferleistungen auf 1,3 Billionen Mark seit der Wiedervereinigung. Dohnanyi beklagt, davon seien zwei Drittel für konsumtive Zwecke und nicht für Investitionen verwandt worden. Mit Geld wurde oft die Tatsache kompensiert, dass man nicht willens war, statt der teuren westlichen Vorbilder massgeschneiderte Lösungen zu suchen. Im Osten bestand man auf einer umfassenden Angleichung an den Westen; dieser wiederum wollte vertraute Strukturen nicht preisgeben.

      Schleichendes Gift
      Die Wiedervereinigung bescherte der Bundesrepublik einen Rückfall in Zeiten extremer staatlicher Ausgabenfreude in den sechziger und siebziger Jahren, als Schuldenstand und Staatsquote nach oben schnellten. Inzwischen unterscheiden sich die Parteien wirtschaftspolitisch kaum noch, da die CDU ihr in den achtziger Jahren erfolgreich praktiziertes marktwirtschaftliches Reformprogramm aufgab und die Ruhigstellung des Ostens mittels hoher Summen zur Priorität erhob.

      Das System der Transferleistungen und Subventionen war schon in der alten Bundesrepublikvorhanden, seit 1990 sind jedoch Auswüchse unübersehbar. Die gesamte Gesellschaft hat sich ineinem zuvor unbekannten Mass an das schleichende Gift der staatlichen Alimentierung gewöhnt. Jedermann, und zwar auch in leistungsfähigeren Schichten, erwartet finanzielle Unterstützung vom Staat. Derzeit übertrumpfen sichdie Parteien mit teuren Vorschlägen zur Aufstockung der Familienförderung. Die Subventionsmentalität der DDR mischt sich mit westlichem Anspruchsdenken gegenüber dem Sozialstaat. Wer Sozialabbau und soziale Kälte beklagt, kann sich des Applauses gewiss sein. Dennoch produziert die Umverteilungsmaschinerie Frustrationen. Die frühere Gesundheitsministerin Fischer stellte lapidar fest, noch nie sei so viel Geld in die soziale Sicherung geflossen und noch nie sei das Volk so unzufrieden gewesen.

      Seltsame Karrieren
      Das Kernproblem der Sozialsysteme - immense Kosten bei mangelnder Effizienz - wird besonders am Arbeitsmarkt deutlich. Trotz Ausgaben von 170 Milliarden Mark im letzten Jahr liegt die Arbeitslosigkeit auf konstant hohem Niveau. Der Anreiz zur Annahme einer Beschäftigung ist gering. Ein Beispiel hierfür ist Herr B., ein Dauerarbeitsloser aus Berlin-Wedding, der mit staatlichen Leistungen und Gelegenheitsjobs ein bescheidenes, gleichwohl ausgedehnte Ferienreisenermöglichendes Auskommen hat. Vor einer regulären Tätigkeit schreckt er wegen der Arbeitslastzurück, aber auch weil ihm wegen der hohen Abzüge nicht viel mehr Geld bliebe. Ein schlechtes Gewissen, der Allgemeinheit auf der Tasche zu liegen, hat er nicht; eher plagt ihn die Sorge, dass die Zuwendungen gekürzt werden könnten.

      Wie sehr eine an sich schon zweifelhafte Politik durch die Wiedervereinigung jede Proportion verlor, zeigen die Arbeitsbeschaffungsmassnahmen. Sie entwickelten sich von einem bescheidenen Instrument in Westdeutschland zu einem mit 40 Milliarden Mark dotierten Programm hauptsächlich in den neuen Ländern. Doch ob «Arbeitsbeschaffungsmassnahme» oder «Strukturanpassungsmassnahme» - die Programme erweisensich nur zu oft als eine Sackgasse, die den Teilnehmern keine Reintegration ins Erwerbslebenermöglicht. Für diesen Zustand staatlich alimentierter Dauerabhängigkeit wurde bereits ein Wortungetüm kreiert: die Massnahmenkarriere.

      Das Land der Förderprogramme
      Die Annahme, ein Individuum sei selbst am besten in der Lage, sein Leben einzurichten, ist nicht sehr verbreitet. Ob beim Verzicht auf Studiengebühren und den relativ grosszügigen Leistungen für Arbeitslose - meist misstraut man derLeistungskraft des Einzelnen und bevorzugt staatliche Transfers. Doch die Bevölkerung erwartet umfassende Fürsorge von «Vater Staat», ist aber auch bereit, sehr hohe Steuer- und Abgabenlasten zu tragen. So ergab eine Internet-Umfrage, dass zwei Drittel der 170 000 Teilnehmer der Auffassung sind, die Altersversorgung sei allein Aufgabedes Staates. Eigeninitiative ist vor allem dann gelitten, wenn sie staatlich angeleitet wird. Die Bundesrepublik ist das Land der Förderprogrammeund Modellversuche. Rund 1000 öffentliche Programme, so rechnete kürzlich ein Berliner Unternehmensberater aus, existieren im Bereich Existenzgründung und Technologieförderung.

      Durchaus typisch ist der Fall einer Familie, die nach mehrjährigem Aufenthalt in Grossbritannien in ihre Münchner Heimat zurückkehrte. Der Mann nahm seinen alten Arbeitsplatz wieder ein, die Frau ging zum Arbeitsamt. Dort erfuhr sie, dass sie wegen ihrer langen Abwesenheit nur beschränkt mit Unterstützung rechnen konnte. Erst diese Zwangslage, so rekapituliert der Mann die zurückliegenden Monate, habe das Ehepaar veranlasst, Eigeninitiative zu entwickeln. Die Frau, eine Juristin, machte sich selbständig und ist nun in der Personalschulung für Unternehmen tätig.

      Ist Staatsgläubigkeit eben doch ein besonderes deutsches Erbteil? Gewiss, der Staat ist hierzulande immer noch ein Joch, unter dem alle gleichermassen ächzen sollen. So stösst man schnell auf Skepsis, wenn man schildert, wie Schweizer durch die Wahl des Wohnorts ihre Steuerlast mindern können. Anderseits ist Deutschland kein Obrigkeitsstaat mehr, entsprechende historische Prägungen haben sich weitgehend abgeschliffen.

      Mindestens ebenso zählt, dass der staatliche Paternalismus für die gesellschaftlichen Gruppen der angenehmste Zustand ist. Er sichert allen ihren Anteil an Einfluss und Ressourcen. Und es scheint, als nütze das System nicht den Schwächsten am meisten, sondern den Cleversten, die über die besten Kontakte zu Politik und Verwaltung verfügen. Die Arbeitgeber profitieren ebenso wie die Gewerkschaften, die Wohlfahrtsverbände oder die Beamten. Die gleichmässige Fürsorge gab der geschundenen, zur Integration des Millionenheers von Flüchtlingen gezwungenen Nachkriegsgesellschaft Stabilität. Solange die Bundesrepublik nur aus Westdeutschland bestand, funktionierte der korporatistisch organisierte Selbstbedienungsladen leidlich. Durch die gewaltigen Leistungen für Ostdeutschland stösst dieser Kreislauf aber an seine finanziellen Grenzen.

      Unfruchtbare Schuldzuweisungen
      Zu Kurskorrekturen sind allerdings nur wenige bereit. Regelmässig ertönt der Ruf, ein Ruck müsse durchs Land gehen, doch dann lässt man es dabei bewenden, den Parteien Reformunfähigkeit vorzuhalten. Das Schwarzpeterspiel trägt absurde Züge, weil es keine Alleinschuldigen gibt.Die Gesellschaft insgesamt hat an Dynamik verloren. Deutschland gleicht einem Gulliver, der nicht von den Stricken der Liliputaner, sondern von seiner eigenen Bequemlichkeit gefesselt wird.

      Eine viel beklagte Ursache des sogenannten Reformstaus ist auch die deutsche Spielart des Föderalismus und dessen Mangel an klaren Zuständigkeiten. Der Bund zog in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Länderkompetenzen an sich und räumte umgekehrt den Ländern zusätzliche Mitsprachemöglichkeiten auf Bundesebene ein. Die Zahl der Bundesgesetze, bei denen die Landesregierungen zustimmen müssen, stieg vonrund 10 Prozent in der Nachkriegszeit auf 60 Prozent. Da die Ländervertreter im Bundesrat oft dieInteressen einer Partei über die des Landes stellen, blockieren sich die Regierungsseite und die Opposition nicht selten.

      Seit 1990 hat sich die Aushöhlung des Föderalismus beschleunigt, da der Bund die Hauptlastbeim Aufbau Ostdeutschlands übernahm. Generell hat die Wiedervereinigung Folgen für dasinnere Gefüge der Bundesrepublik, die erst allmählich sichtbar werden. Die Unterschiede zwischen dem reichen Westen und dem armen Ostenbegünstigten in den neuen Ländern eine übersteigerte Erwartungshaltung und eine wenigstenspartiell selbstverschuldete Unmündigkeit. Grosszügig gewährte Subventionen zur Erhaltungmaroder Industriebetriebe förderten den Glauben, der Kapitalismus sei die Fortsetzung des Sozialismus mit anderen Mitteln. Der Westen wird es schon richten, lautete die Devise; und dort, wo dem nicht so war, schürten Politiker wie der inzwischen abgewählte Ministerpräsident Höppner eine Stimmung trotziger Larmoyanz.

      Überbordender Kollektivismus
      Der Anschluss der DDR brachte unvermeidlicherweise gewaltige Probleme. Der überfälligenDiskussion, inwieweit Fehlentwicklungen korrigiert werden können, stehen aber auch zwölf Jahre danach Ost-West-Rivalitäten entgegen. Im Osten kommt nur sehr langsam der Diskurs in Gang, ob eine postkommunistische Identität das richtige geistige Rüstzeug für die Zukunft ist. Und im Westen ist die Frage noch ein Tabu, in welchem Umfang man von den neuen LändernSelbstverantwortung verlangen kann. Hier verschränkt sich die Diskussion über das Sozialhilfeempfängern zumutbare Mass an Eigeninitiativemit dem Ost-West-Dialog und dem Kompetenzwirrwarr im Föderalismus. In allen Fällen herrscht die Neigung, Verantwortung an andere Instanzen abzuschieben oder auf so viele Schultern zu verteilen, bis sie nicht mehr erkennbar ist. Notwendig erscheint daher eine Debatte, ob man sich in Deutschland in der letzten Dekade nicht zu sehr auf das Kollektiv verlassen hat und zu wenig darauf vertraute, dass sich das Individuum, eine Gemeinde oder ein Bundesland im Wettbewerb mit seinesgleichen zu behaupten vermag.


      Neue Zürcher Zeitung, 1. Juni 2002
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 17:31:55
      Beitrag Nr. 81 ()
      @D.T.:


      Deine Meinung zu #80?

      Ich könnte das sofort unterschreiben. Aber nenn mich jetzt deswegen bitte nicht schon wieder einen "Sozialdarwinisten", okay? :D
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 18:12:50
      Beitrag Nr. 82 ()
      Ich habe den Artikel gepostet, um auch einmal eine Ausländische, nicht mit meiner meinung übereinstimmende Perspektive einzubringen und zur Diskussion zu stellen.

      Die Schweizer haben ja nur in sehr geringem Umfang die deutschen Probleme:

      Keine überhastete Wiedervereinigung mit teilweise naiven Mitteln,

      keine langjährige, dramatische Massenarbeitslosigkeit,

      einen wesentlich schlankeren Staat

      usw.

      daher läßt es sich leicht kritisieren.

      Obwohl der Artikel interessant ist, läßt er ausser Acht, daß es einfach nicht genügend Arbeitsplätze in D gibt.

      Und das wird aufgrund der extremen Produktivitätszuwächse wohl auch so bleiben, nur geringfügig besser.

      Ich persönlich finde den taz-Artikel in `74 , der das anführt bedenkenswert - so deutlich habe ich das nicht empfunden; ich denke, die Autorin hat den Mut, Wahrheiten auszusprechen.

      Eine "faire" verteilung der (noch) vorhandenen Arbeit, das wird wohl das Thema der nächsten JAhrzehnte werden.
      Wir stehen wohl an einem neuen Punkt ähnlich der indutriellen Revolution.

      Und das hat nx mit platten Sozialismus zu tun, sondern mit einer extrem verantwortungsvollen Aufgabe für die Politik der Zukunft.

      der Spagat zwischen Arbeit-besitzenden und Arbeitslosen, zwischen Extrem reichen und extrem armen.

      diese Konflikte werden die Deckungsprobleme bei den Soziallleistungen rückblickend als Peanuts erscheinen lassen.

      Bisher hat die Menschheit keine absolut überzeugende Antwort auf die Frage der fairen verteilung der verschiedensten ressourcen dieser Erde gefunden - weder aus innerstaatlicher noch auf überstaatlicher Ebene.

      Und noch vor der Lösung für dieses Problem wird das nächste Problem um eine Dimension erweitert: Die Frage des "Nord-Süd-gefälles" bzw. zwischen erster und "Dritter" Welt.

      Das ist so, als wenn man beim Schach noch die Dritte Dimension einführen würde...... :(
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 18:31:07
      Beitrag Nr. 83 ()
      @D.T.:

      Das klingt so, als ob die schweizer Verhältnisse gottgegeben wären. Daran müssen wir eben arbeiten, an der Massenarbeitslosigkeit und an einem schlankeren Staat.

      Du begehst m.E. den Denkfehler, die Menge an vorhandener Arbeit in Deutschland konstant zu sehen und machst Dir daher nur noch Gedanken darüber, wie man diesen Kuchen möglichst gerecht aufteilen könnte.

      Tatsächlich bleiben in Deutschland so viele Dinge unerledigt. Arbeit ist doch wirklich genug vorhanden. Dein Tätigkeitsfeld dürfte dafür doch ein hervorragendes Beispiel sein. Haben wir etwa keinen Bedarf an Pflegekräften etc.? Und ob! Es ist nur nicht bezahlbar.
      Arbeit in Deutschland ist einfach viel zu teuer. Und durch Arbeitszeitvekürzung etc. erhöht man diese Kosten noch. Der Kuchen wird nicht nur anders verteilt, er wird insgesamt auch kleiner.

      Wer will schon einen schlechtbezahlten Job annehmen, wenn seine Sozialleistungen nur unwesentlich niedriger sind?
      Avatar
      schrieb am 11.07.02 19:33:35
      Beitrag Nr. 84 ()
      #80
      Der Artikel spricht mir aus der Seele.
      Wir können in D erst wieder voran kommen,wenn wir lernen wieder mehr Verantwortung bei uns selbst zu suchen und auch zu übernehmen.
      In der Verkehrspolitik sind riesige Summen Steuergelder in computergesteuerte Ampelanlagen(incl.Antistauprogramm etc.)gesteckt worden.Trotz riesigem Aufwand,teuerster und kompliziertester Technik kommt man nach vielen Jahren zu dem Ergebnis,dass der einfachste Kreisverkehr jeder noch so modernen computergesteuerten Ampelanlage weit überlegen ist.

      Jetzt müssen wir nur dieses Beispiel auf unsere aktuellen Probleme in D übertragen.Ich denke da insbesondere an überflüssige Gesetze und Regularien,Staatsquote,Steuergesetzgebung,Gesundheitswesen,
      Rentenpolitik,Arbeitsmarktpolitik usw.

      In diesem Sinne:"Keep it simple and it will work!"

      Gruss
      REALBERTL
      Avatar
      schrieb am 12.07.02 04:22:27
      Beitrag Nr. 85 ()
      Erg. ab #80:

      In der Schweiz beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 42 Stunden, bei einem jährlichen Urlaubsanspruch von 20 Tagen.

      Eine Volksabstimmung vor wenigen Jahren, die Arbeitszeit zu vermindern, scheiterte an der knappen Mehrheit der Stimmberechtigten, die für die Beibehaltung der alten Regelung stimmten.
      Avatar
      schrieb am 12.07.02 12:52:36
      !
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      Avatar
      schrieb am 12.07.02 14:32:23
      Beitrag Nr. 87 ()
      @ Rainer: Die Menge an zu verteilender Arbeit ist wirklich nicht konstant. Sie sinkt aufgrund von Produktivitätssteigerungen und Massenentlassungen seit Jahren.Billigjobs von denen niemend leben kann sind da keine Lösung, sondern eine neue Form der Sklaverei. Warum sind die USA nicht das Paradies auf Erden??? Es sollte doch wohl so sein, wenn die neoliberale Lehre stimmt...;)
      Avatar
      schrieb am 13.07.02 20:57:24
      Beitrag Nr. 88 ()
      In den USA tickt jetzt ebenfalls eine Rentenbombe:

      Die Eigenversorgung durch Aktienpakete / Fonds sind ja bei vielen eliminiert. Schönes Beispiel für FDP-Neoliberalismus a la "schlanker Staat" und "Eigenverantwortung" ... viele werden im Elend, in dem sie jetzt zeitgleich mit den MAssenentlassungen befindlich sind, auch mit Erreichen des Rentenalters später, in 10, 20 Jahren nicht mehr rauskommen: Kein Wert im Aktiendepot= keine Rente.


      @ rainer6767

      Wer will schon einen schlechtbezahlten Job annehmen, wenn seine Sozialleistungen nur unwesentlich niedriger sind?

      Du vergißt - wie viele in der "Arbeitslose sind selber schuld"- debatte, daß Du noch vor 20 Jahren trotz niedrigerer AL-Versicherungsbeiträge 80 % des nettogehaltes (allerdings maximal bezogen auf die Bemessungsgrenze) als AL-Geld bekamst, jetzt nur noch 60% und bereits klar ist, daß dieser Betrag weiter gesenkt wird- da braucht man über das Absenken der AL-HILFE nicht mehr diskutieren - das ist dann bereits faktisch gleich Sozialhilfeniveau.

      Alle reden vom tollen dänischen AL-Programm "Fördern und fordern"... aber die bekommen 90% ( !!! ) ihres letzten Nettogehaltes, die sind WIRKLICH abgesichert.

      DAss die Differenz zwischen AL-Geld und Sozialhilfe so gering ist, liegt nur an derüber Jahre immer weiter reduzierten AL-Gelder, immer weiter erhöhten Steuern (Progressionsfalle= Sinken des Nettogehaltes als Berchnungsgrundlage) die sich unheilvoll multiplizieren, NICHT an angeblich hohen AL-Geldern.

      Das durchschnittliche AL-Geld (wohlgemerkt, zumeist nicht für 1 Person, sondern für 1 FAmilie) beträgt derzeit ganz knapp über 1.000 € ... wie weit man damit kommt, kann sich bei den Mieten heute jeder selbst ausrechnen....


      DAs ist schon jetzt nicht mehr weit von SH-Niveau.
      Avatar
      schrieb am 14.07.02 15:07:24
      Beitrag Nr. 89 ()
      STEUERREFORM

      Wieder Milliardenrückzahlung für die Konzerne

      Die rot-grüne Unternehmensteuerreform entwickelt sich immer mehr zu einem Desaster für den Fiskus. So müssen die Finanzämter auch in diesem Jahr Milliardenbeträge an die großen Konzerne auszahlen.


      Frankfurter Bankenviertel: Zwei Milliarden Miese für den Fiskus


      Viele Bundesländer verbuchen deswegen bei der Körperschaftsteuer unterm Strich ein kräftiges Minus. Allein Hessen mit seinen zahlreichen Konzernzentralen im Frankfurter Bankenviertel hat in der ersten Jahreshälfte rund zwei Milliarden Euro mehr an Unternehmen ausgezahlt, als es eingenommen hat. Baden-Württemberg vermeldet einen Fehlbetrag bei der Körperschaftsteuer von 570 Millionen Euro, Bayern immerhin 440 Millionen. "Unsere Finanzämter werden immer mehr zu Auszahlungsstellen für die Großkonzerne", klagt Bayerns Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber :eek: , "diese Entwicklung ist verheerend."
      Offenbar nutzen die großen Firmen auch in diesem Jahr massiv die Möglichkeit, Gewinnrücklagen aufzulösen und sich dafür im Gegenzug Steuern vom Fiskus zurückzuholen, die sie für diese Rücklagen vor Jahren gezahlt haben.
      Verschärft wird dieser Effekt noch durch den Konjunktureinbruch, der bei vielen Unternehmen die Gewinne drückt - und damit auch deren Steuerzahlungen an den Staat. Bereits im Vorjahr war die Körperschaftsteuer drastisch eingebrochen: Während die Finanzämter im Jahr 2000 über 23 Milliarden Euro einnahmen, mussten sie 2001 rund 430 Millionen Euro auszahlen. Das Bundesfinanzministerium unter Hans Eichel (SPD) hatte dies im Frühjahr noch als "Einmal-Effekt" abgetan (SPIEGEL 5/2002). Eichels Mannschaft streute damals Zuversicht, die Einnahmen würden in diesem Jahr wieder kräftig steigen. "Diese Hoffnung", kritisiert Stoiber, "erweist sich als falsch. Wir müssen die Fehler, die Rot-Grün bei der Körperschaftsteuer gemacht hat, nach der Wahl korrigieren."


      spiegel.de
      Avatar
      schrieb am 14.07.02 20:15:29
      Beitrag Nr. 90 ()
      Dauernd lese ich in der Überschrift
      Thema: das Hatz-Papier - die Luftnummer schlechthin!


      ...und überlege, wer denn jetzt hier wieder gejagt wird.
      Tja, was drin ist, ist drin.
      Avatar
      schrieb am 14.07.02 23:46:29
      Beitrag Nr. 91 ()
      Überschriften lesen reicht vielleicht nicht immer im Leben.... :D
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 21:22:17
      Beitrag Nr. 92 ()
      von: Deep Thought
      Betreff: ich wurde gesperrt

      HAllo,

      ich kann nicht mehr bei W : O posten!

      Ich hatte einen Thread über Özdemir gestartet (haste vermutlich gesehen) und der ist seit heute morgen ca. 11:00 Uhr gesperrt.

      Es waren keinerlei Beschimpfungen oder unwahre Behauptungen enthalten.

      Nicht ein einziger User ist aus der Rolle gefallen.

      Ich habe daraufhin einen neuen Thread aufgemacht, danach wurde ich gesperrt.

      Mehrfache Anfragen an W wurden bisher nicht beantwortet.

      Allmählich reicht es mir....

      Ich wäre Dir dankbar, wenn Du diese NAchricht an Freunde bei W : O weitersenden würdest und evtl. in einem Thraed von mir posten würdest, damit das bekannt ist.

      Danke.

      Gruß

      D.T.

      --------------------
      @all

      Leider wurde, wie ich über Bordmail vom Threaderöffner selbst erfahren habe, D.T. mittlerweile gesperrt. Dies offensichtlich für seinen Thread zu Özdemir, in dem angeblich das Urheberrecht zur Person des Grünenpolitikers verletzt wurde. Selbst kenne ich diesen Thread zwar nicht, aber vielleicht hätte es auch ausgereicht, die entsprechenden Beiträge, sofern tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, zu löschen. Stattdessen zog man aber wohl eine Komplettsperrung D.T.s vor. Dies halte ich allerdings für völlig überzogen, in Anbetracht der vielen sonstigen und überaus sachlichen Beiträgen, die D.T. zur Forenkultur beigetragen hat. Damit war er, zumindest in meinen Augen, stets eine große Bereicherung für das Board. Naja, vielleicht gelingt hier Wallstreet-Online noch einmal eine innere Einkehr, denn störrisches, uneinsichtiges Verhalten kann ich bei D.T. fast nicht vermuten.

      Dafür waren seine bisherigen Beiträge aber immer sehr lesenswert und es wäre schade, wenn man darauf künftig verzichten müßte. Naja, man wird sehen.

      TT
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 21:54:00
      Beitrag Nr. 93 ()
      :)

      Bin soeben wieder entsperrt worden.

      DANKE an alle, die mir heute zeigten,daß sie meine postings hier bei W : O schätzten.

      Ich habe lange mit dem netten Sven Boschert bei W : O telefoniert und die Sache ist - was W : = Betrifft - erst einmal gütlich erledigt.

      Wir haben ein sehr offenes und konstruktives Gespräch gehabt.


      ich denke, es ist bei W : O heute nicht alles so glücklich gelaufen - aber es hat sich gezeigt, daß W : O an konstruktiver Kritik interessiert ist und ich bin mir sicher, daß es bei ähnlicher Situation etwas anders läuft.

      Also:

      Bitte nicht mehr nachkarten, die Sperrungs-Sache hat sich erledigt.

      Im Übrigen bin ich jetzt sogar fett gedruckt.... wie konnte W : O denn bloss feststellen, daß ich seit meiner Anmeldung 1999 erheblich zugenommen habe und einfach die Buchstabenstärke meinem Gewicht anpassen????? :confused:


      NICHT ERLEDIGT ist natürlich die Sache Özdemir!

      Hier ist es wohl so, daß das "TEAM ÖZDEMIR" bei W : O angerufen hat und behauptete, ich hätte

      1) gegen Urheberrecht verstoßen ( ??? )

      und

      2) haben sie wohl sinngemäß behauptet, ich hätte "Zitate verfälscht".


      DAs letztere ist eine Unverschämtheit und W : O ich fordere das "TEAM ÖZDEMIR" auf, diese ungeheuerliche und nachweislich falsche Tatsachenbehauptung zu belegen.

      Wer den Thread gelesen hat, der weiß, daß ich stets mit sauberer Quellenangabe gearbeitet habe und ich weiß, daß ich bei meiner umfangreichen Recherche im Netz absolut sauber zitiert habe.

      Wer im Bundestag sitzt, der sollte wissen, daß der Vorwurf, der politische Gegner habe "sinnentstellend" zitiert (obwohl einem nur die eigenen früheren Worte peinlicherweise vorgehalten werden) eine der ältesten und vor allem LANGWEILIGSTEN UND ABGEGRIFFENEN UNTERSTELLUNGEN der Politik ist.

      Aber ich kann natürlich verstehen, daß Herrn Özdemir einige seiner eigenen früheren Worte echt weh getan haben.... :laugh:

      Nunja.... wenn die vom TEAM Özdemir behaupteten "Zitatfälschungen" nicht bis morgen belegt werden können, dann bin ich wohl am Zuge.... :D

      Ist schon recht interessant, wie dünnhäutig zumeist gerade diejenigen werden, die immer kräftig auf andere einschlagen.

      "Politische Streitbarkeit" oder gar "POLITISCHE STREITKULTUR" beweist das peinliche, intrigante und kleinbürgerliche Vorgehen des "TEAM ÖZDEMIR" sicherlich nicht.

      Wer im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, der muss eben auch Kritik einstecken können.

      So - nochmals VIELEN DANK AN ALLE :kiss:

      Ich werde das noch einmal mit der liebsten antigone zusammen in einem Thread posten, damit alle wissen, daß wir wieder aktiv im Board sind.... ;)

      :kiss:

      D.T.
      Avatar
      schrieb am 25.07.02 22:23:07
      Beitrag Nr. 94 ()
      Das geilste an der Sache ist ja, daß der von Schröder berufene Hartz Dinge vorschlägt, die Schröder abgeschafft hat. Etwa die 630-Mark-Jobs. Hartz fordert sogar 500-Euro-Jobs!


      Totale Luftnummer

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 27.07.02 15:54:31
      Beitrag Nr. 95 ()
      Hans-Böckler-Stiftung


      Schattenseiten des niederländischen Beschäftigungswunders


      2002-7-17
      Düsseldorf - Seit dem Sozialpakt über Lohnzurückhaltung in 1982 sind die niederländischen
      Tarifabschlüsse sehr mäßig. Außerdem hat die Flexibilisierung von
      Arbeitsverhältnissen zu erheblichen Lohnkostenersparnissen geführt. Der
      verminderte Lohnkostendruck führte zu einem wahren Jobwunder: Bei jedem
      Prozent Wirtschaftswachstum wächst die Anzahl der Stellen in den
      Niederlanden beinahe doppelt so schnell wie im europäischen Durchschnitt.
      Inzwischen ist Vollbeschäftigung erreicht. Der Austausch von "Lohnerhöhungen
      gegen Beschäftigung" hat jedoch zu Innovationsdefiziten geführt. So wächst
      seit Mitte der achtziger Jahre die Arbeitsproduktivität nur noch gut halb so
      schnell wie zuvor (die Wachstumsraten liegen etwas über der Hälfte des
      europäischen Durchschnitts). Wachstum findet vor allem statt indem man mehr
      Menschen einsetzt und nicht so sehr indem man die Menschen produktiver
      arbeiten lässt mit neuer Technologie. Interessant ist, dass in der Periode
      der Lohnzurückhaltung der niederländische Exportmarktanteil gegenüber
      wichtigen Konkurrenten in der OECD nicht gestiegen, sondern sogar leicht
      gesunken ist. In der Periode der Lohnzurückhaltung ist allerdings das
      Importwachstum vermindert, womit ein Exportüberschuss entstand.

      Die Autoren eines Artikels in den aktuellen WSI-Mitteilungen sehen in der
      Lohnzurückhaltung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes eine Ursache für
      die niedrige Innovationsdynamik in den Niederlanden. Der relativ niedrige
      Lohnkostendruck macht die Einführung arbeitssparender Prozesstechnologie
      weniger attraktiv. Durch die oft flexiblen und kurzfristigen
      Arbeitsverhältnisse wächst auch weniger Vertrauen und Loyalität wodurch z.
      B. technologische Kenntnisse und Geschäftsgeheimnisse leichter zu
      Konkurrenten durchsickern. Die größeren externen Effekte verstärken das
      Marktversagen wodurch Betriebe weniger in menschliches Kapital und FuE
      investieren als gesellschaftlich optimal ist. Ökonomen, die das europäische
      Arbeitslosenproblem mit Lohnzurückhaltung und Flexibilisierung der
      Arbeitsmärkte lösen wollen, sollten realisieren, dass es auch hier keinen
      `free lunch` gibt.

      Gegenwärtig zeichnet sich eine drastische Verschlechterung der
      niederländischen Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt ab. Diese hängt
      zusammen mit relativ hoher Inflation, Arbeitskräftemangel und geringer
      Innovationsdynamik. Die Autoren antworten auf die Frage, was andere vom
      niederländischen Modell lernen können: Den deutschen Gewerkschaften
      empfehlen wir, ihre Tarifpolitik zu ändern. Die relativ hohen
      Produktivitätsgewinne der deutschen Wirtschaft sollten nicht nur für
      Lohnerhöhungen, sondern auch für kollektive Arbeitszeitverkürzung genutzt
      werden.



      Die Autoren:
      Dr. Alfred Kleinknecht ist ordentlicher Professor für Wirtschafts- und
      Innovationstheorie an der TU Delft. Er arbeitete früher beim
      Wissenschaftszentrum Berlin, an den beiden Amsterdamer Universitäten und an
      der Universität Maastricht.
      Dr. C.W.M. Naastepad ist Dozentin für Makroökonomie. Sie arbeitete früher an
      der Erasmus Universität Rotterdam und an der Universität Utrecht.
      Kontakt:
      Internet: www.eci.tbm.tudelft.nl ; email:
      a.kleinknecht@tbm.tudelft.nl ;
      Tel. 00-31-15-278 34 69 oder 00-31-6-104 32 235
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 08:39:37
      Beitrag Nr. 96 ()
      Überraschungscoup
      Schröder will Hartz als Superminister


      Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) plant nach Informationen der "Bild"-Zeitung einen Überraschungscoup für die Schlussphase des Bundestagswahlkampfes. Das Blatt will aus der SPD-Spitze erfahren haben, dass der VW-Personalvorstand Peter Hartz Mitte August zum künftigen Superminister für Wirtschaft und Arbeit im Falle eines SPD-Wahlsieges nominiert werden soll.


      Hartz gegen Späth
      Die Personalie, von der sich Schröder eine Verbesserung der schlechten SPD-Umfragewerte erhoffe, solle unmittelbar nach der offiziellen Präsentation der Reformvorschläge der Hartz-Kommission zum Arbeitsmarkt am 16. August verkündet werden. Der VW-Manager, der bisher jedes Interesse an einem politischen Amt bestritten hat, solle dann als Gegenspieler von Unions-Schattenwirtschaftsminister Lothar Späth (CDU) positioniert werden, schreibt "Bild" weiter.

      t-online.de

      -----------------------------------------------------

      DAs einzige, was ich als Wähler daraus ersehe:

      Schröder dokumentiert damit, daß die derzeitige Besetzung des Wirtschafts- und Arbeits-Ressorts nicht gut war.

      Denn nur dringend Verbesserungswürdiges ändert man personell.

      Wenn man die Schmierenkomödie um den e-mail-Wirtschaftsminister im 1998er Schattenkabinett und jetzt diese "indirekte Kompetenz-Bewertung" von Riester und Müller
      dazuzählt, ist das deFacto Ministerwechsel Nummer zehn und elf!!!!!


      Damit ist Schroeder wenigstens in dieser traurigen Bilanz "führend" in der Geschichte der Bundesrepublik.

      Wie kann man nur so viel Führungsinkompetenz zeigen und Ministerbesetzungen nach Öffentlichkeitswirkungen betreiben!
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 08:44:16
      Beitrag Nr. 97 ()
      Was Peter Hartz vorschlägt
      13 Bausteine zum Abbau der Arbeitslosigkeit


      Die Halbierung der Arbeitslosenzahl auf knapp zwei Millionen bis Ende 2005: Das ist das ehrgeizige Ziel von Peter Hartz, dem Leiter der von der Regierung berufenen Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes. Er hat dazu mehrere Bausteine (Module) "zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit" erarbeitet. Ob die zum Teil umstrittenen Vorschläge in ein mit den 14 Kommissions-Mitgliedern abgestimmtes Gesamtkonzept münden, ist noch unklar. Hartz will dieses am 16. August vorlegen.
      Jobcenter: Arbeitsämter und Sozialämter sollen organisatorisch zusammen gelegt und mit Personal-Service-Agenturen verknüpft werden, die den Charakter von Leiharbeitsfirmen haben sollen. Die Job-Center sind als Anlaufstelle für alle gedacht, die erwerbsfähig sind und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

      Quickvermittlung: Beschäftigte, denen der Verlust des Arbeitsplatzes droht, müssen dem Jobcenter die Kündigung sofort mitteilen, damit bereits die Kündigungsfrist für Vermittlung genutzt werden kann. Dies soll vor allem Familienvätern und allein Erziehenden nutzen. Verstöße gegen die Meldepflicht haben Abzüge beim Arbeitslosengeld zur Folge.

      Zumutbarkeit: Wer arbeitslos ist, für den gibt es neu definierte Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer neuen Stelle. Dabei wird auf die familiäre Situation Rücksicht genommen: Ledigen und Verheirateten ohne Kinder ist schneller als bisher ein neuer - auch geringer bezahlter - Job fernab des bisherigen Wohnsitzes zumutbar.

      Jugendliche: Jugendliche sollen gezielt gefördert und "und mit hoher Priorität in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden". Dabei soll auch Zeitarbeit verstärkt zum Einsatz kommen.

      Ältere: Arbeitslose, die älter als 55 Jahre sind, sollen auf eigenen Wunsch aus der Betreuung durch die Job-Center herausgenommen werden. Sie erhalten dann statt des Arbeitslosengeldes auf der Basis bisheriger Versicherungsbeiträge eine monatliche Zahlung, die auch die Sozialbeiträge berücksichtigt. Diese Variante soll den Trend zur Frühverrentung verhindern.

      Personal-Service-Agenturen: Hartz betrachtet die bei den Arbeitsämtern angesiedelten Personal-Service-Agenturen (PSA) als "Herzstück" seiner Vorschläge. Sie sollen über Zeitarbeit jedem Arbeitslosen eine Beschäftigung anbieten. Die PSA-Beschäftigten erhalten während der maximal halbjährigen Probezeit einen Nettolohn in Höhe des Arbeitslosengeldes, bei anschließender Übernahme soll nach PSA-Tarif bezahlt werden.

      Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe: Unbefristete Arbeitslosenhilfe soll es nach den Vorstellungen von Hartz nicht mehr geben, ebenso wie die erwogene Pauschalierung des Arbeitslosengeldes zu Beginn der Erwerbslosigkeit. Folgende Lösung ist im Gespräch: Künftig gibt es das "Arbeitslosengeld I" wie bisher für maximal 32 Monate. Es schließt sich das "Arbeitslosengeld II" an, das der heutigen Arbeitslosenhilfe entspricht, aber nur für zwölf Monate bezahlt wird. Für strukturschwache Regionen ist eine Sonderregelung vorgesehen. Im Regelfall gibt es für Arbeitslose spätestens nach 44 Monaten das unbefristete "Sozialgeld".

      Landesarbeitsämter: Sie sollen zu Kompetenzzentren für neue Arbeitsplätze und Beschäftigungsentwicklung ausgebaut werden und damit vor allem den Problemregionen auf die Beine helfen.

      Ich-AG: Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit setzt Hartz auf mehr Selbstständigkeit: Mit staatlich geförderten "Ich-AGs" oder "Wir-AGs" sollen Arbeitslose und ihre Familienangehörigen zur Gründung eines Dienstleistungsbetriebs ermuntert werden. Die Einnahmen unterliegen bis zu 25.000 Euro im Jahr lediglich einer Pauschalsteuer von zehn Prozent. Die Grenze für steuer- und sozialabgabenbegünstigte Mini-Jobs soll von 325 auf 500 Euro monatlich steigen.

      Arbeitgeber: Um Arbeitgebern einen Anreiz zur Schaffung neuer Stellen zu geben, sehen die Hartz-Vorschläge ein Bonussystem vor: Wer Leute einstellt, soll dafür mit Abschlägen bei den Sozialversicherungsbeiträgen belohnt werden.
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 10:00:29
      Beitrag Nr. 98 ()
      Wirtschaft lehnt Hartz ab

      BERLIN taz Die Wirtschaft lehnt die meisten der bisher geplanten Arbeitsmarktreformen der Hartz-Kommission ab. So kritisierte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gestern in Berlin, dass man das Arbeitslosengeld für Ältere nun doch nicht auf 12 Monate begrenzen will. Genauso wenig erfreut sind die Unternehmer, dass die Arbeitslosenhilfe unbefristet bleiben soll. Ursprünglich war geplant, sie nach 12 Monaten auslaufen zu lassen. Stattdessen schlug Hundt vor, die Sozialhilfe für Erwerbsfähige neu zu gestalten. Wer arbeiten kann, aber keinen Job annimmt, erhält weniger Leistungen als bisher. Wer jedoch eine niedrig entlohnte Arbeit akzeptiert, soll künftig mehr ergänzende Sozialhilfe bekommen. Den gleichen Vorschlag hatte der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums vergangene Woche unterbreitet. Etwas vage blieb Hundt, wo die arbeitswilligen Sozialhilfeempfänger jobben könnten. Einerseits hoffte er auf "haushaltsnahe Dienstleistungen", andererseits warnte er selbst vor Euphorie: Auch eine gelungene Reform der Arbeitslosenversicherung würde kaum neue Jobs schaffen. U. H.

      taz Nr. 6813 vom 30.7.2002, Seite 6, 38 Zeilen (TAZ-Bericht), U. H.
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 14:23:10
      Beitrag Nr. 99 ()
      "hauhaltsnahe Dienstleistungen" Die Herrenmenschen suchen also billige Leibeigene. :mad:

      Ich würde eher Gangster oder Terrorist werden, bevor ich Hundt und Konsorten die Schuhe putze.....und das ist gut so ;)
      Avatar
      schrieb am 30.07.02 16:10:15
      Beitrag Nr. 100 ()
      @ punk24

      Ich glaube, Du bist auf dem Holzweg..... :laugh:

      Mit "HAushalt" ist nach meinem Verständnis ganz klar
      der "HAushalt" der öffentlichen Hand gemeint. :)

      Was jedoch viele,die das als neue, geniale Lösung sehen, vergessen zu haben scheinen:

      Bereits jetzt (und seit vielen,vielen Jahren) sind weit über 100.000 (ich meine sogar, mehrere Hunderttausend) Sozialhilfeempfänger täglich damit beschäftigt, für die empfangene Sozialhilfe-Leistung eine Gegenleistung zu erbringen.

      DAgegen spricht im Prinzip ja auch nichts,solange die AL nicht an Weiterqualifikationen oder Bewerbungen gehindert werden.

      Aber es kann natürlich NICHT Ziel einer ARBEITSMARKTPOLITIK sein, daß 4 Mio Leute z.B. Friedhofwege kehren und keine Arbeit finden, die bei den weit Überwiegenden arbeitslosen Menschen von Herzen gewünscht wird.

      Hier wird erneut Propagandamäßig alter Wein in neue Schläuche gefüllt.

      Aber das gibt Hundt ja auch zu:
      Im Grunde relativiert er fairerweise das zuvor Gesagte völlig, wie das fettgedruckte am Ende des Artikels zeigt.

      Vor den wahlen reden halt alle Politiker, die gewählt werden wollen, von "blühenden Arbeitsplatz-LAndschaften"

      Und was nach den WAhlen von den blühenden LAndschaften übrig bleibt, wissen wir ja .

      DAs HArtz-PApier führt nie und nimmer zu mehr Arbeisplätzen, es wird m.E. lediglich die Fluktuation am Arbeitsplatz beschleunigen, zu ausgeprägteren saisonalen Schwankungen der AL-Zahlen führen (erleichterte "Freisetzung" kurzfristig nicht mehr benötigter Arbeitsplätze) und dadurch auch zu mehr Mitnahme-Effekten seitens der Arbeitgeber bei der Förderung von Arbeitsplätzen.

      Im Übrigen deutet ja auch Hundt indirekt an, daß die Beschäftigung von Leistungsempfängern in "haushaltsnahen" Leistungsverhältnissen möglicherweise auch die Schaffung von echten Arbeitsplätzen zur Verrichtung ebendieser Arbeiten VERHINDERT.

      Es ist also ein sehr zweischneidiges Schwert.

      Allerdings sehe ich es kommen, daß "findige" - oder vielleicht auch nur skrupellose - Kommunalpolitiker massenweise NACH DEM FALL DER FLÄCHENTARIFE in der Wirtschaft lieber nur noch (billigere) Leistungsempfänger anstatt regulärer Arbeitskräfte beschäftigen wird.

      Vordergründig scheint das den Kommunen Entlastung zu bringen.
      defacto dürfte sich jedoch dadurch die Zahl er AL ehöhen und die Steuereinnahmen der Kommunen ( die leben im Moment ja fast nur noch von Bußgeldbescheiden und Lohnsteuer/ Mehrwertsteuer) weiter reduzieren.

      Zudem wird das eine Art Anti-Konjunkturprogramm sein; wer nur noch Sozialhilfe braucht, der kurbelt nix mehr in der Wirtschaft an.

      Zudem werden wohl viele, viele Menschen nur noch in ärmesten Verhältnissen leben.

      Die Folgen für die Kriminalitäts-Statistiken möchte ich hier lieber nicht ausmalen.

      Es wäre allerdings nicht fair, dies einzig Schröder anzulasten: Kohl hat eben 16 JAhre den Hintern in dieser SAche nicht bewegt.

      Arbeitsmarktprobleme kann man zwar in 16, nicht jedoch in nur vier JAhren Regierung lösen.
      Immerhin stagnieren die AL-ZAhlen nur. Unter kohl sind sie nur gestiegen.
      Ich kann mich gut erinnern, wie Kohl Helmut Schmidt angegiftet hat, als man auf die 2 Mio AL zusteuerte....

      Wenn es doch noch einmal so etwas als Diskussionsgrund gäbe!!!!! 2 Mio AL... *seufz*
      Avatar
      schrieb am 05.08.02 11:00:33
      Beitrag Nr. 101 ()
      HARTZ-VORSCHLÄGE BELEGEN: DIE REGIERUNG IST HANDLUNGSUNFÄHIG
      Wer bietet mehr?


      Es herrscht Inflation. Nicht beim Geld, sondern beim Wert der politischen Konzepte. Sieben Wochen vor der Bundestagswahl meint Kanzlerberater Peter Hartz offensichtlich, nur noch mit gigantischen Zahlen Gehör finden zu können. 150 Milliarden Euro glaubt der von Gerhard Schröder als Retter in der Not angeheuerte VW-Manager für Investitionen zugunsten der ostdeutschen Bundesländer mobilisieren zu können.

      Nicht weniger als eine Million Arbeitslose sollen neue Jobs finden. Wow! Die Union müsste 200 Milliarden Euro bieten und zwei Millionen Jobs, um das zu übertrumpfen. Die Entwertung derartiger Pläne spiegelt die Aldi-mäßige Sprache der Hartzschen Verkündigung: Einen "neuen Riesenhammer" - quasi das Wirtschaftswunder im Osten - verspricht uns des Kanzlers Arbeitsmarktprophet.

      Ginge es nicht etwas bescheidener?
      Die Idee an sich macht ja einen pfiffigen Eindruck. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau soll sich größere Summen bei der Bevölkerung leihen, indem sie ein Wertpapier herausgibt. Sie selbst zahlt dafür Zinsen, der Bund lockt zusätzlich mit Steuervorteilen. Das Geld wird in Kredite und Startkapital für die Wirtschaft investiert - allerdings nur, wenn sich die Betriebe im Gegenzug verpflichten, Erwerbslose einzustellen. Nicht erläutert hat Hartz freilich bislang, aus welchen Mitteln die Anleihe dereinst zurückgezahlt wird - und das ist kein ganz unwichtiger Punkt.

      Merkwürdig mutet es außerdem an, dass sich die Bundesregierung ihre Wirtschaftspolitik künftig über den Finanzmarkt finanzieren soll. Hat sie selbst nicht genug Geld, um ihre dringendsten Aufgaben zu erledigen? Nein, denn Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel stecken in der Klemme zwischen ihrer Politik der Steuersenkung und dem selbst auferlegten Sparzwang, den sie mit dem Europa-Vertrag von Maastricht rechtfertigen. Beides zusammen geht nicht, wenn die eine Rezession gerade überwunden ist und die nächste schon vor der Tür steht. Das Konzept der Hartzschen Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes zeitigt deshalb zunächst vor allem eine Wirkung: Es verdeutlicht, dass die Bundesregierung sich selbst fast handlungsunfähig gemacht hat. HANNES KOCH

      taz Nr. 6818 vom 5.8.2002, Seite 13, 48 Zeilen (Kommentar), HANNES KOCH

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 06.08.02 13:32:16
      Beitrag Nr. 102 ()
      Hartz-Kommission mit Wahlkampf-Kokolores

      ami. Die Hartz-Kommission hat sich mit neuen, teils auch nur neu zusammengestellten Ideen zur Reform des Arbeitsmarktes hervorgetan und durchaus einen guten Ruf erworben. Jetzt schüttet sie ihr programmatisches Füllhorn über dem deutschen Osten aus, und Peter Hartz ist prompt dabei, seinen guten Namen zu verspielen. Unausgegoren sind die Vorschläge, mit denen er binnen drei Jahren Investitionen bis 150 Milliarden Euro anschieben will und der Kanzler im Wahlkampf punkten soll.

      Private Geldgeber will Hartz für die von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu begebenden "Job-Floater" auftreiben. Der Finanzminister soll für die Investoren Steuervergünstigungen lockermachen, im Ausland geparktes Schwarzgeld könnte hier wieder weißgewaschen werden, und ostdeutsche Firmen bekämen endlich das Eigenkapital, das Banken ihnen nicht geben. Auch könnten die eine Million neuer Mitarbeiter von ihrem Lohn die KfW-Darlehen tilgen helfen und Mitbesitzer der Betriebe werden. Solch ein Programm, das dem Osten Schwung und Arbeitsplätze verschafft, nebenher Fluchtgelder zurückholt und der Mitarbeiterbeteiligung den Weg ebnet, erinnert eher an Versprechungen obskurer Wunderheiler denn an seriöse Politikberatung. 150 Milliarden Euro entsprechen dem Dreifachen dessen, was Staat und Wirtschaft heute jährlich in den neuen Ländern investieren. Die Förderung kurzfristig so stark zu erhöhen zöge unweigerlich massive Fehlallokationen nach sich.

      Die Auswirkungen staatlich verursachter Fehlanreize sind in Ostdeutschland an vielen prächtigen, aber leerstehenden Wohn- und Industrieparks zu besichtigen und in der Wirtschaftsstatistik der schrumpfenden Baubranche und in Bankbilanzen abzulesen. Wer deckt die Ausfallrisiken bei der KfW? Wer sichert Rückzahlung und Rendite? Und was wollen eigentlich die Unternehmen? Eine Umfrage der Industrie- und Handelskammern ergibt folgendes Bild: Steuersenkungen und Reformen des Arbeits- und Tarifrechts sowie Bildung stehen weit vorne auf der Prioritätenliste. Der Wunsch nach Finanzhilfe kommt erst an sechster Stelle. Das zeigt: Die Vorschläge von Hartz sind nicht nur ordnungspolitisch verwegen, sondern auch an den Bedürfnissen des Marktes vorbei geplant. Was bleibt, ist Wahlkampf-Kokolores.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.08.2002, Nr. 180 / Seite 11
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 11:22:55
      Beitrag Nr. 103 ()
      Kasten: Rückläufige Industrieproduktion


      Deutscher Arbeitsmarkt ohne Lichtblicke
      Stetiger Anstieg der Arbeitslosigkeit
      In Deutschland hat die Arbeitslosigkeit wieder den hohen Stand von September 1999 erreicht, in den neuen Bundesländern sogar den höchsten seit der Wiedervereinigung. Eine gewisse Verbesserung zeichnet sich zumindest vorübergehend für das Winterhalbjahr ab, doch sind die Erwartungen nicht allzu hoch zu schrauben.

      Ww. Berlin, 9. Juli

      Die politischen und professionellen Konjunkturauguren Deutschlands sind sich zurzeit einig wie selten: Der Wirtschaftsaufschwung kommt bestimmt, doch beginnt er vielleicht (noch) später und vielleicht nicht ganz so dynamisch wie ursprünglich erwartet. Für das laufende Jahr schwanken die Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandprodukt (BIP) wegen der wenig vorteilhaften Entwicklung im ersten Semester zwischen 0,5% und 1% und für 2003 zwischen 2%und 2,5%, nach einer vorübergehenden Beschleunigung im Winterhalbjahr 2002/03 auf bis zu 3%. Diese Prognose, die von einigen renommierten deutschen Wirtschaftsinstituten (Ifo München, HWWA Hamburg oder auch DIB Berlin) geteilt wird, impliziert aber eine erneute Verlangsamung des Expansionstempos bereits im Lauf der ersten Jahreshälfte 2002. Als Konsequenz sind auch kaum Lichtblicke für den deutschen Arbeitsmarkt erkennbar. Die Arbeitslosenzahl dürfte im laufenden Jahr bei durchschnittlich gut 4 Mio. Personen und 2003 bestenfalls leicht darunter liegen.

      Blockierter Aufschwung
      Die neusten verfügbaren Konjunkturindikatoren deuten denn auch an, dass es mit der Lancierung des Aufschwungs in Deutschland ziemlichharzt. Viele Faktoren mögen zu dieser Verhaltenheit beitragen, das binnenwirtschaftliche Stimmungsbild haben aber im Wesentlichen zwei Elemente geprägt. Erstens handelt es sich um den nur teilweise subjektiven Eindruck, dass mit der Einführung des Euro vieles teurer geworden ist. Daraus ergab sich eine Konsumeinschränkung, die etwa die Umsätze des Einzelhandels in unerwartete Tiefen drückte. Zweitens haben Warnstreiks und befristete Arbeitsniederlegungen in verschiedenen Branchen in den letzten Monaten nicht zur Produktionssteigerung und zu überschwänglicher Euphorie bei der Personalbeschaffung geführt. So verwundert es nicht, dass die Industrieproduktion in den Monaten April/Mai gegenüber dem Vorjahr um nicht weniger als 3,2% zurückging. Grund war vor allem die Krise in der Bauindustrie, doch wies auch die Autoproduktion nach unten.

      Mit Blick auf den politischen Kampf um die Bundestagswahlen vom 22. September besonders sensitiv ist freilich die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Auch hier ist nur wenig Erfreuliches zu melden. Auf saisonbereinigter Basis sank die Zahl der Erwerbstätigen im April auf 38,64 (i. V. 38,78) Mio. Personen, während sich diejenige der Arbeitslosen im Juni entgegen dem üblichen Jahrestrend auf 4,09 (3,84) Mio. erhöhte. Bei der Erwerbstätigkeit wurde - mit einer kurzen Unterbrechung - der tiefste Stand seit Februar 2001 verzeichnet, bei der Arbeitslosigkeit der höchste seit September 1999. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 9,8 (9,3)%. Westdeutschland verzeichnete im Juni 2,65 (2,47) Mio. Arbeitslose oder eine Quote von 7,8 (7,4)%. In den neuen Bundesländern erreichte die Zahl der Arbeitslosen mit 1,44 (1,37) Mio. Personen, entsprechend einer Quote von 18,4 (17,5)%, den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung.

      Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, deren Basiswerte von der Deutschen Bundesbank jeweils saisonbereinigt werden, führt die unerfreuliche Entwicklung neben dem Hinweis auf diekonjunkturellen Probleme vor allem auf den ungewöhnlich frühen Ferienbeginn in Sachsen,Sachsen-Anhalt und Thüringen zurück (die normale Saisonbereinigung berücksichtigt solcheEffekte nicht). Der Einfluss des zeitigen Ferienanfangs machte sich durch besonders zahlreicheAnmeldungen in die Arbeitslosigkeit nach schulischer und betrieblicher Ausbildung bemerkbar, und zwar allein in den neuen Bundesländern. Ausserdem kam es zu mehr Zugängen in die Arbeitslosigkeit, als dass Personen neu vermittelt werden konnten. Schliesslich wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Arbeitslosigkeit nochhöher ausgefallen wäre, wenn nicht die Abmeldungen in die Nichterwerbstätigkeit (Ruhe- und Vorruhestand, Aus- und Weiterbildung usw.) enorm zugenommen hätten.

      Doch ein Euro-induzierter Preiseffekt
      Zu der in hiesigen Landen emotional geführten Diskussion um Euro-induzierte Preiseffekte hat sich mit der neusten Zwischenbilanz, die gemeinsam vom Statistischen Bundesamt und von derDeutschen Bundesbank auf der Beobachtungsbasis von 18 000 ausgewählten Gütern des täglichen Bedarfs erstellt worden ist, nun doch eingewisser Teuerungseffekt bestätigt. Der jetzt geschätzte Einfluss aller von Mai 2001 bis Mai 2002 festgestellten Euro-induzierten Preisänderungen auf die Jahresinflationsrate liegt zwischen 0,9 und 2,2 Prozentpunkten. Bei den Dienstleistungen ging die Umstellung von der D-Mark zum Euro gemäss dieser Untersuchung mit deutlichen Preiserhöhungen einher. Diese Anpassungen nachoben sind bis heute nicht zurückgenommen worden, sondern die Preisentwicklung setzt sich hier mit langfristig steigendem Trend einfach auf höherem Niveau fort. Bei Nahrungsmitteln kam es bei einzelnen Produkten gezielt zu Preissteigerungen.



      Rückläufige Industrieproduktion
      Berlin, 9. Juli. (Reuters) Die deutsche Industrie hat im Mai vor allem wegen Streiks und einer Häufung sogenannter Brückentage unerwartet deutlich weniger produziert als im Vormonat. Saisonbereinigt wurde im Mai 1,3% weniger hergestellt als im April, als die Produktion revidiert um 0,2% abgenommen hatte, wie das Bundesfinanzministerium (BMF) am Dienstag mitteilte. Brückentage sind Tage zwischen Feiertagen und einem Wochenende, solche Ereignisse werden laut BMF vom Saisonbereinigungsverfahren nicht berücksichtigt. Die Erzeugung der westdeutschen Industrie sank im Mai um 1,4%, jene in Ostdeutschland stieg dagegen leicht um 0,2%.







      10. Juli 2002 NZZ
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 21:30:37
      Beitrag Nr. 104 ()
      Selbst eingebrockt, Herr Schröder

      Sechs Wochen vor der Wahl steigt die Zahl der Arbeitslosen auf 4,047 Millionen. Das sind zwar 90.000 weniger als in Helmut Kohls letztem Regierungsjahr. Doch der Kanzler hatte Besseres versprochen: nur noch 3,5 Millionen Erwerbslose



      BERLIN dpa/taz Bundeskanzler Gerhard Schröder gab sich gestern kleinlaut: "Die Zahlen sind nicht gut. Das kann man gar nicht bestreiten." Und selbst dieses Eingeständnis war noch euphemistisch. Denn die Arbeitsmarktzahlen könnten kaum schlechter sein für die Bundesregierung. Knapp 4,047 Millionen Menschen waren im Juli erwerbslos, wie die Bundesanstalt für Arbeit gestern bekannt gab.

      Diese Zahl ist weit weg von jenem legendären Versprechen, das Schröder am Wahlabend 1998 gab: Er werde die Arbeitslosenzahl in Deutschland halbieren. :laugh: Später korrigierte er sich und peilte 3,5 Millionen Erwerbslose an. Und nun dieses Desaster: Im Juli trennten die Regierung Schröder nur noch 90.000 Arbeitslose von den Statistiken der Ära Kohl. Da hilft es kaum noch, dass die SPD an ihre eigene Ehrlichkeit erinnert. "Wir machen keinen ABM-Wahlkampf wie Kohl", trumpfte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gestern auf. "Wir manipulieren keine Statistik." Und akribisch rechnete er vor, dass die Kohl-Regierung 1998 kurz vor der Wahl 250.000 Arbeitslose mit einem ABM-Job versorgte, um die Statistik zu schönen.

      Aber auch die CDU hat einen Generalsekretär, der gerne rechnet. Also erinnerte Laurenz Meyer gestern daran, dass jedes Jahr etwa 200.000 ältere Menschen den Arbeitsmarkt verlassen, für die keine Jugendlichen mehr nachwachsen. Das Ergebnis seiner Kalkulation: Schon allein aus demografischen Gründen hätte die Zahl der Arbeitslosen in den letzten vier Jahren eigentlich um mindestens 800.000 Personen sinken müssen.

      [Anmerkung: Ach, und der Demographische Faktor hat erst schlagartig mit der Abwahl Kohls begonnen, ja??? :D ]

      War diese Schlacht der Zahlen erwartbar, so überraschte eine andere Auseinandersetzung. Sie fand im Regierungslager statt. Die Bundesanstalt für Arbeit ging gestern davon aus, dass sie mehr Geld vom Bund benötigt als bisher eingeplant. Chef Florian Gerster prognostizierte einen Bedarf von 3,5 Milliarden Euro; bisher hat Finanzminister Hans Eichel nur zwei Milliarden Euro vorgesehen.

      Prompt dementierten Finanz- und Arbeitsministerium. Es bleibe bei zwei Milliarden Euro. "Abgerechnet wird erst am Ende des Jahres", sagte eine Sprecherin. Und die Regierung erwarte, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr anspringt. Zudem hofft man, dass die jüngsten Tarifabschlüsse mehr Sozialbeiträge in die Kassen spülen.

      Diesen Konjunkturoptimismus kann man sich bei der Bundesanstalt für Arbeit nicht erklären, kam doch der eigene Verwaltungsrat zu wenig erfreulichen Prognosen. Aber man will die Differenzen nicht weiter verschärfen und beschränkt sich auf die Anmerkung: "Das können wir nicht kommentieren."

      Ob dieses Gefeilsche um 1,5 Milliarden Euro vielleicht etwas mit den EU-Stabilitätskriterien zu tun haben könnte? Aber überhaupt nicht! Das sagte jedenfalls gestern ein Sprecher des Finanzministers: "Wir kalkulieren mit entsprechenden Schwankungen im Haushalt."

      Florian Gerster macht gestern auch deutlich, dass ein scheinbar innovatives Arbeitsmarktinstrument bereits weitgehend gescheitert ist: die Vermittlungsgutscheine. Sie waren nach dem Skandal um die Statistiken der Arbeitsämter eingeführt worden - und sehen vor, dass sich Erwerbslose nach drei Monaten auch an Privatvermittler wenden können. Zwar seien inzwischen 88.000 Vermittlungsgutscheine ausgegeben worden, so Gerster. Aber nur 3.046 wurden davon bisher eingelöst. Das bedeutet: Nur in diesen seltenen Fällen wurde eine Beschäftigung gefunden. "Das ist natürlich nicht berauschend", meinte Gerster. Dennoch wollte er nicht auf die Vermittlungsgutscheine verzichten: "Bis zum Jahresende muss man schauen, ob man vielleicht noch nachsteuern muss."

      Kanzlerkandidat Edmund Stoiber hat offensichtlich aus dem Debakel der Schröder-Regierung gelernt. Er war gestern vorsichtig genug, nichts Konkretes zu versprechen. Für den Fall eines Wahlsieges der Union kündigte er nur eine "Stimmungswende" an. ULRIKE HERRMANN

      inland SEITE 6
      taz Nr. 6821 vom 8.8.2002, Seite 1, 133 Zeilen (TAZ-Bericht), ULRIKE HERRMANN

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 21:33:34
      Beitrag Nr. 105 ()
      kommentar
      Politik für die Arbeitslosen, nicht für die Statistik


      Es ist tatsächlich wahr: Es gibt ein "Recht auf Arbeit", festgeschrieben in Artikel 23 der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" und in verschiedenen Verfassungen der Bundesländer (Bremen, Brandenburg!). Was hat das bisher genutzt? Nichts. Denn seit Jahrzehnten geht unserer "Arbeitsgesellschaft" die Arbeit aus: Die Arbeiter und Angestellten arbeiten dank moderner Technik immer effizienter, und in den Fabriken erledigen Maschinen die monotone Drecksarbeit. Früher einmal, in Zeiten der Vollbeschäftigung, haben wir das sogar für einen Fortschritt gehalten.

      Dieser "Fortschritt" ist unumkehrbar, in Zukunft werden immer weniger Menschen immer mehr Wohlstand produzieren. Das weiß im Grunde jeder, der sich mit Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik befasst: Kanzler Schröder und Kandidat Stoiber, Arbeitsminister Walter Riester und Kompenzteamler Lothar Späth. Trotzdem reden sie davon, wie sie die Arbeitslosigkeit flott abbauen wollen. Daran hindert sie offenbar nicht, dass so ziemlich alles Neue, was sie vorschlagen, längst ausprobiert worden ist: ABM-Stellen erst im Westen, dann im Osten; Lohnkostenzuschüsse in diversen Varianten (Kombilohn); Subventionen von Regionen und Existenzgründern; Qualifizierung von Jungen und Ausländern; bessere Arbeitsvermittlung (Jobaqtiv).

      Was hat es genutzt? Nichts für die Statistik - aber eine ganze Menge für die, die davon profitiert haben. Denn ohne diese Maßnahmen wären noch viel mehr Menschen schlecht ausgebildet oder lange Zeit arbeitslos und manche Regionen in Agonie versunken. Diese Politik ist also keineswegs erfolglos, nur dass sie eben nie zur Vollbeschäftigung führen wird.

      Immerhin das hat gestern auch der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, erstmals öffentlich eingestanden, als er sagte, vier Millionen Arbeitslose seien eine "soziale Wirklichkeit", die wir akzeptieren müssten. Damit ist er derzeit der einzige Politiker, der diese bittere Wahrheit ausspricht. Das darf allerdings nicht heißen, man könne nichts tun. Gerade weil Arbeit ein knappes Gut ist und deswegen keiner mehr ein "Recht auf Arbeit" beanspruchen kann, sind die Politiker in der Pflicht: Kürzungen von Sozialleistungen und mehr Druck auf Arbeitslose bringen wenig, Investitionen in deren Ausbildung, Integration und Förderung einiges, nicht nur ökonomisch, auch sozial. Das Geld dafür kann bequem aus dem vorhandenen und ständig zunehmenden Reichtum der Gesellschaft geschöpft werden. In sozialdemokratisch hieß das mal: Umverteilung. Die mache sexy, schrieb kürzlich die DGB-Jugend. Das müsste dem Kanzler doch gefallen. DANIEL HAUFLER

      taz Nr. 6821 vom 8.8.2002, Seite 1, 70 Zeilen (Kommentar), DANIEL HAUFLER, Leitartikel

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 07.08.02 21:41:18
      Beitrag Nr. 106 ()
      Übrigens hat man in einem Modellversuch in schweden die Arbeitslosigkeit halbiert:

      In diesem Modell können BESCHÄFTIGTE AN für ein JAhr unter Bezug von Arbeitslosengeld pausieren (z.B. für Weiterqualifikationen) und werden durch Arbeitslose ersetzt, die so ein Jahr lang bei vollen Bezügen (der freigewordenen Stelle) wieder einen Job haben.

      Im Prinzip wie ein kärglich bezahltes "Sabbatical year"

      DAs Modell hat eingeschlagen wie eine Bombe - wer will nicht irgenwann in seinem Leben für 1-2 Jahre kürzer Treten, ohne seinen Arbeitsplatz zu verlieren?

      Wenn man das hochrechnet:

      Sagen wir einmal, jeder macht ein JAhr Pause:

      Bei 40 Berufsjahren bewirkt das ein Absinken der Arbeitslosenqote z.B. von 10 auf 8% !!

      Die Kosten werden nicht weniger, aber die AL haben wieder einen Job - wenn auch zunächst nur für ein Jahr.
      In diesem Jahr können sie sich unter realen Bedingungen bewähren. Das ist für viele AL sehr wichtig.
      Auch für die selbstachtung.
      Avatar
      schrieb am 08.08.02 09:47:06
      Beitrag Nr. 107 ()
      07.08.2002 (Reuters)



      Kanzler sieht erst nach Wahl Belebung am Arbeitsmarkt

      [Anm: Aber er hat ja nicht gesagt, in WELCHER Legislaturperiode... :D ]





      Nürnberg/Berlin (Reuters) - Nach dem neuerlichen Anstieg der Arbeitslosenzahl in Deutschland erwartet Kanzler Gerhard Schröder (SPD) erst nach der Bundestagswahl im September eine Entspannung der Lage.

      "Wir werden eine Belebung am Arbeitsmarkt im letzten Quartal haben. Das ist ein Hoffnungsschimmer, aber nicht mehr", sagte Schröder am Mittwoch in Berlin. Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hatte zuvor in Nürnberg mitgeteilt, saisonbereinigt habe die Zahl der Erwerbslosen im Vergleich zum Vormonat um 8000 zugenommen. Der Anstieg fiel damit zwar moderater aus als der von Volkswirten erwartete Zuwachs von 30.000 Erwerbslosen. Dennoch sehen die Analysten weiterhin keine Trendwende. Auch sechs Wochen vor der Bundestagswahl bleibt damit das von der rot-grünen Koalition erhoffte Signal für eine Entspannung am Arbeitsmarkt aus. Die Union sprach von einem "Sommerdesaster", die FDP von einem "Abgesang" für Rot-Grün. Die Märkte zeigten sich von den Daten unbeeindruckt.

      SCHRÖDER MACHT WELTWEITE KONJUNKTURSCHWÄCHE VERANTWORTLICH

      Die schwachen Juli-Zahlen begründete Schröder mit der schwachen Weltwirtschaft: "Die Zahlen sind nicht gut, das muss man nicht bestreiten. Sie haben zu tun mit der Eintrübung der Konjunktur weltweit." Auch BA-Chef Florian Gerster sagte, die Konjunktur sei noch zu schwach, um den Arbeitsmarkt zu beleben. Gerster geht ebenfalls erst im vierten Quartal von verbesserten saisonbereinigten Zahlen aus. Arbeitsminister Walter Riester (SPD) sagte, der Anstieg im Juli sei alljährlich durch Schulabgänger, Betriebsferien und geringere Aufträgseingänge bedingt und komme daher nicht überraschend. Die rot-grüne Koalition hatte ursprünglich darauf gehofft, dass sich der Arbeitsmarkt noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl wieder beleben werde. :D

      Nach Angaben der BA kletterte die Zahl der Arbeitslosen in Westdeutschland im Juli saisonbereinigt um 18.000 zum Vormonat. In den ostdeutschen Ländern sank sie dagegen um 10.000 nach einem Anstieg von 26.000 im Juni. Bereinigt kletterte die Zahl auf 4,105 (Juni rev. 4,097) Millionen. Die von saisonalen Einflüssen unbereinigte Zahl zog um 92.000 auf 4,047 Millionen Erwerbslose an. Das waren knapp 249.000 mehr als im Juli 2001. Die Arbeitslosenquote stieg auf 9,7 von 9,5 Prozent im Vormonat.

      VOLKSWIRTE: NOCH KEINE TRENDWENDE IN SICHT

      Nach Einschätzung von Volkswirten signalisiert der unerwartet moderate Anstieg der bereinigten Zahlen keinen Umschwung. "Man sollte die Daten nicht als Beginn einer Trendwende betrachten, weil die Arbeitslosigkeit wahrscheinlich für den Rest des Jahres weiter steigen wird", sagte Christoph Hausen von der Commerzbank. "Wenn man sich die unbereinigten Daten ansieht, die in der politischen Diskussion eine große Rolle spielen, sind wir wieder über vier Millionen, und das erwarten wir auch für August." Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank bezeichnete den Ausblick für das gesamte Jahr als düster. "Wegen der schwachen Konjunktur wird die Gesamtzahl weiter über vier Millionen bleiben, erst im Frühjahr ist mit Besserung zu rechnen."

      Nach einer vom "stern" veröffentlichten Umfrage des Forsa-Instituts fürchten sieben Prozent der erwerbstätigen Bundesbürger, in den nächsten Monaten arbeitslos zu werden. Die Angst vor einem Stellenverlust sei dabei in Ostdeutschland mit 14 Prozent fast dreimal so hoch wie in den alten Bundesländern.

      STOIBER: "VERHEERENDE SCHLUSSBILANZ VON ROT-GRÜN"

      Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) sprach von einer "verheerenden Schlussbilanz" von Rot-Grün. Die Union wolle die Arbeitslosigkeit mit Deregulierung und steuerlichen Entlastungen des Mittelstand bekämpfen. "Beides werden wir sofort nach der Wahl anpacken." FDP-Arbeitsexperte Dirk Niebel kritisierte, Rot-Grün habe in der Arbeitsmarktpolitik vier Jahre verschenkt: "Mit mehr als vier Millionen Arbeitslosen ist fast der Stand vor der Bundestagswahl 1998 erreicht."

      Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt erklärte, die Regierung habe die Rahmenbedingung kontinuierlich verschlechtert: "Der deutsche Arbeitsmarkt leidet massiv unter der Überregulierung des Arbeitsrechtes, den hohen hohen sozialstaatlichen Zwangsabgaben und versorgungsstaatlichen Fehlanreizen." Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) machte dagegen vor allem die weltweite Konjunkturschwäche :laugh: und den europäische Konsolidierungszwang für den Anstieg verantwortlich.

      CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erneuerte die Kritik der Union an dem Vorschlag der von Schröder eingesetzten Hartz-Kommission, die Arbeitslosigkeit mit einem Milliarden-Förderprogramm für die ostdeutsche Wirtschaft zu senken. Die angedachte Fördersumme von 150 Milliarden Euro sei mit Blick auf die Defizitkriterien des EU-Stabilitätspaktes nicht neutral und unfinanzierbar. Schröder sagte dagegen: "Hartz kann sich darauf verlassen, dass ich hinter seinen Vorschlägen stehe." :laugh:
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 15:27:48
      Beitrag Nr. 108 ()
      "Endlich Erwerbslose fragen"

      Gewerkschafter Hans-Dieter Hey kritisiert das Verhalten der Gewerkschaftsfunktionäre


      taz: Herr Hey, die Hartz-Kommission will mehr Erwerbslose in Arbeit bringen. Stimmt Sie das optimistisch?

      Hans-Dieter Hey: Die Erwerbslosen können weder von Schröder noch von Stoiber etwas erwarten. Seit einer Generation wird viel versprochen und nichts gehalten.

      Wieso gelingt es 4 Millionen Arbeitslosen nicht, den Druck auf die Politik zu erhöhen?

      Die Erwerbslosen haben keine Lobby. In der Hartz-Kommission sitzt kein einziger Sozialverband. Bei Ver.di wurden auf allen unteren Ebenen Beschlüsse gefasst, zum Ausstieg aus dem Bündnis für Arbeit, zur Ablehnung des Hartz-Modells und so weiter. Keiner dieser Beschlüsse ist zu den Gewerkschaftsfunktionären durchgedrungen. Das wird alles vorher politisch platt gemacht.

      Laufen die Gewerkschaften nur der SPD hinterher?

      Ich sehe eine verhängnisvolle Allianz zwischen Gewerkschaften und SPD. Und ich sehe sehr deutlich, dass viele Mitglieder den Gewerkschaften weglaufen, weil sie sich nicht mehr vertreten fühlen. Insbesondere wenn man sieht, wie sich die Gewerkschaften in der Hartz-Kommission zu dem Thema Erwerbslosigkeit verhalten.

      Immerhin haben es die Gewerkschaften geschafft, die Kürzung der Arbeitslosenhilfe vom Tisch zu bringen. Ist das kein Erfolg?

      Das mag oberflächlich betrachtet so sein. Aber es werden Sanktionsmechanismen in Gang gesetzt, die aus dem Mittelalter stammen könnten. Die Erwerbslosen werden in Hungerlöhne zu 2,50 Euro gezwungen, wenn sie Arbeit bekommen. Sie werden in Jobs gezwungen, für die sie keine Qualifikation haben. Und wenn sie diese Zwangsjobs bei einer Kürzung der Bezüge um 30 bis 50 Prozent nicht annehmen, werden sie aus der Sicherung geworfen.

      Wäre es nicht immer noch besser, gering beschäftigt zu sein als arbeitslos, wenn ein gewisser Lebensstandard garantiert bliebe?

      Die Billigjobs der Hartz-Kommission sehen 500 Euro vor. Damit kommt selbst ohne Familie kein Mensch über die Runden. Es kann nicht sein, dass Druck auf die ausgeübt wird, die am wenigsten dafür können.

      Welche Kursänderung würden Sie den Gewerkschaften empfehlen?

      Sie sollen sich endlich mit den Erwerbslosen an einen Tisch setzen! Die werden völlig ignoriert. Es wird langsam Zeit, dass die Gewerkschaften die Erwerbslosen wahrnehmen, die ja schließlich immer mehr werden.


      INTERVIEW: S. SEDLMAYR

      taz Nr. 6825 vom 13.8.2002, Seite 6, 83 Zeilen (Interview), S. SEDLMAYR

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 15:31:34
      Beitrag Nr. 109 ()
      Alle wollen, was keiner richtig kennt

      Kanzler, SPD und Grüne loben das Hartz-Papier, obwohl das Gesamtkonzept noch gar nicht vorliegt und erst am Freitag offiziell übergeben wird. Opposition und 58 Prozent der Wähler halten die Diskussion um die Arbeitsamtsreform für Wahlkampf

      von ULRIKE HERRMANN

      Wie kann man "einstimmig" unterstützen, was man gar nicht kennt? Jedenfalls nicht so richtig? Der grüne Bundesvorstand und das SPD-Präsidium ließen sich gestern nicht beirren. Sie begrüßten uneingeschränkt das "Gesamtkonzept" der Hartz-Kommission, obwohl deren endgültige Reformvorschläge für den Arbeitsmarkt noch nicht vorliegen und erst am Freitag übergeben werden.

      Doch den Regierungsparteien reichte, was sie in Gesprächen mit Kommissionsmitgliedern gehört und in den Medien gelesen hatten. Und so konnte der Kanzler gestern von "Chancen", einem "großen Wurf","innovativen Ideen" reden. Viel konkreter wollte er nicht werden, denn noch ist ja alles "vorläufig". Das nennt man auch Agenda-Setting. Eigentlich gibt es weder etwas zu beschließen noch zu berichten, aber man verbreitet sich trotzdem öffentlich. Tut so, als ob man tut, und wirkt aktiv.

      Etwas deutlicher wurde Schröder nur beim Thema Steueramnestie. Dieser "unorthodoxe Vorschlag" sieht vor, dass Steuerflüchtlinge dann straffrei ausgehen, wenn sie ihr illegal im Ausland angelegtes Geld in Ostdeutschland investieren. Nach dem Motto: "Besser Arbeit in Leipzig als Geld in Liechtenstein". Allerdings müssten "die Bedingungen stimmen", so der Kanzler. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Ungesetzliches honoriert werde. Auch dies fasste Schröder in ein Motto: "Verzicht auf Strafe, aber keineswegs Verzicht auf Gegenleistung." Ähnlich äußerte sich der grüne Parteivorsitzende Fritz Kuhn. Selbst CDU-Superkompetenzkandidat Lothar Späth gab bei der Steueramnestie gestern zu: "Da bin ich mit dem Bundeskanzler ausnahmsweise einig."

      Ansonsten allerdings wiederholte Späth seinen Vorwurf, die Hartz-Kommission sei "Wahlkampf pur". Das glauben laut dimap-Umfrage auch 58 Prozent der Wähler. In Ostdeutschland sind es sogar 69 Prozent, und die Einschätzung der Arbeitslosen ist noch drastischer: Von ihnen glauben 86 Prozent, die Kommission betreibe nur Wahlkampf (siehe auch Interview).

      Der Hartz-Terminplan bis zur Wahl sieht jedenfalls so aus: Am Mittwoch wird das Kabinett beraten - und auch schon "Arbeitsaufträge" verteilen, obwohl sich Schröder gleichzeitig beeilte zu versichern, dies sei nur "vorläufig". Am Freitagmorgen wird die Endfassung des Berichts dem Kanzler übergeben, um nachmittags im Französischen Dom in Berlin mit allen gesellschaftlichen Gruppen diskutiert zu werden. Allerdings ist bisher unklar, ob auch die Oppositionsparteien und die Arbeitgeber erscheinen.


      Am Sonntag folgt eine Parteikonferenz der SPD, doch weiß Kanzler Schröder schon jetzt, dass seine Genossen zustimmen werden. Da sei er "sehr zuversichtlich". Mittwoch nächster Woche kann sich das Kabinett dann erneut mit dem Hartz-Bericht befassen, diesmal "endgültig". So wären etwa Entscheidungen über eine Neuorganisation der Bundesanstalt für Arbeit denkbar. Mit Gesetzesänderungen ist jedoch erst nach den Wahlen zu rechnen, zumal die meisten im Bundesrat zustimmungspflichtig wären.

      taz Nr. 6825 vom 13.8.2002, Seite 6, 103 TAZ-Bericht ULRIKE HERRMANN

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 13.08.02 17:22:53
      Beitrag Nr. 110 ()
      Mr. Wash

      Allerorten wird ums Wahlvolk gekämpft. Und nun hartzt es auch noch auf allen Kanälen. Nehmen wir, gegen unsere sonstige Gewohnheit, den lautmalerischen Namen "Hartz" als Programm, so materialisiert sich darin eine zähe, klebrige Masse als Folge einer Verwundung. Wir sagen nur: Mehr als vier Millionen! Die Sprache, sagt Kafka, registriere vor allem Eigentumsverhältnisse. Verräterisch, wie sie ist, kann sie freilich nichts für sich behalten. Beispiele gefällig? Kein Problem. Nehmen wird die - wieder gestiegenen - Arbeitslosenzahlen. Ja, Zahlen. Denn um die scheint es zu gehen. Arbeitslos sind aber nicht die Zahlen, sondern die Menschen. Wer in diesen Tagen die - zu unser aller Leidwesen - geschrumpften Stellenmärkte durchsieht, der findet allerhöchstens Anzeigen, in denen "ehemalige Bankdirektoren" mit "Repräsentantenstatus für die Vermittlung von Kontakten zu vermögenden Privatkunden", "strategische Einkäufer" oder ein "Human Resources Director" gesucht werden. Sonst herrscht Flaute, wie einst vor Madagaskar. Dabei galt es noch vor kurzem, Aufgaben ganz anderen Kalibers zu ergattern. Nach dem Motto: "Wenn Sie jünger sind als 35 Jahre und im Mittelpunkt stehen wollen, kommen Sie zu uns. Wir suchen einen netten Menschen, der gerade in den Spiegel schaut und sagen kann: ,I am what I am.` Ohne zu zweifeln." Auch wenn es dabei nur um einen Vertreterjob ging und wir heute noch grübeln, wie man schief in den Spiegel schauen und sich trotzdem sehen kann. "Sind Sie ein Nilpferd?" konnten wir dereinst lesen; das war wenigstens noch Poesie. Gesucht wurde auch damals, es muß im Wahljahr 1998 gewesen sein, lediglich eine "tierisch starke" Führungspersönlichkeit "mit Charisma". Da steht uns die "Aushilfs-Studentin" schon näher, auch wenn es verwirrend erscheint, daß diese nicht etwa anderen Studentinnen aushelfen soll, wenn diese gerade nicht studieren können, weil sie arbeiten müssen, um endlich wieder studieren zu können. Nicht einmal mehr "Mr. Wash" sucht "Waschstraßenhelfer". Ach so, Statistiker werden gebraucht? Immerhin, der Bedarf an "Greenkeepers", ja selbst an "Greenkeeper-Anwärtern", die auch noch Landschaftsarchitekten - womöglich ökologische - sein sollen, scheint mittlerweile gedeckt. "Green & more" wäre immerhin ein schöner Slogan. Indes heutzutage sogar die "Powerseller" mutlos werden, was weniger verwundert, wenn man an die "Ganztagsverkäuferin" denkt, die auch nicht mehr weiß, wie sie den Tag als Ganzes losschlagen soll. Darf`s etwas mehr sein? "Ich-AG" geht doch nur ganztags - oder? U
      Und schon hartzt es weiter. Nur die Sache mit dem "Job-Floater", die bleibt rätselhaft. Was heißt eigentlich "floater"? Selbst das Wörterbuch stiftet nur Verwirrung. Denn dort müssen wir lesen, daß ein "floater" 1. jemand oder etwas ist, "was auf dem Wasser schwimmt od. treibt", 2. eine "Wasserleiche", 3. jemand, "der oft seinen Wohnsitz oder seine Arbeitsstelle wechselt", aber auch ein "Gelegenheitsarbeiter", ein "Herumtreiber" und "Vagabund". 4. handelt es sich um einen "parteilosen (bes. käuflichen) Wähler", 5. um einen "Wahlschwindler", 6. um den "Gründer" einer Gesellschaft, 7. um ein "erstklassiges Papier", 8. um einen "Schwimmer" und 9. schließlich um einen "Schnitzer", also einen Fehler. Kein Wunder, wenn das nur Experten verstehen. Fassen wir zusammen: Vagabunden und Karteileichen sollen um eines parteilosen Wählers willen umherziehen. Oder: Alle sollen floaten, nur einer möchte lieber nicht. Dabei sind längst alle am Schwimmen.tw

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2002, Nr. 186 / Seite 33
      Avatar
      schrieb am 15.08.02 20:54:12
      Beitrag Nr. 111 ()
      Dieser Artikel passt perfekt in diesen Thread....



      Die Hartz-Reise

      Unter den zahllosen Vorschlägen der Hartz-Kommission findet sich in dem umfangreichen Bericht eine versteckte Empfehlung, die bisher gar keiner Beachtung für wert befunden wurde. Dabei eignet sich diese Maßnahme, die von den Fachleuten erwogen wird, besonders gut für eine öffentliche Debatte, denn sie betrifft in ihren Auswirkungen die gesamte Bevölkerung. Vielleicht hat die staatsmännische Gravität, mit der dieser Vorschlag - wie gesagt, an einer Stelle, wo man ihn nicht erwarten würde - dargelegt wird, die Berichterstatter bisher abgehalten, sich seiner anzunehmen. Diskussionswürdig ist die Maßnahme allerdings, so altfränkisch sie zunächst wirken mag.


      Jeden älteren Bürger wird sie an jene legendären vier autofreien Sonntage am Jahresende 1973 erinnern, als Willy Brandt Bundeskanzler war. Was vielen Bürgern zunächst als ein unzulässiger Übergriff des Staates in die Privatsphäre erschien, wurde schließlich als eine Art Fest erlebt, ähnlich wie später die Verhüllung des Reichstags. Die fernsehfreien Sonntage, die später nach diesem Muster ins Auge gefaßt wurden, ließen sich allerdings nicht verwirklichen, die Fernsehanstalten waren schon zu mächtig geworden. Offenbar hat sich die Hartz-Kommission an diesen Beispielen orientiert. Der wirtschaftlich bedenkliche Sachverhalt, von dem sie ausgeht, ist bekannt und unstrittig: Die Deutschen tragen Jahr für Jahr Milliarden ihres ersparten Geldes in nahe und ferne Länder. Die Hartz-Kommission hat es aber, anders als bei den steuerpflichtigen Auslandsvermögen, nicht auf dieses Geld abgesehen.
      Die Hartz-Kommission lenkt ihre Gedanken in ganz andere Höhen. Es bedarf nur kurzen Nachdenkens, um ihr zu folgen: Die Mentalität der Bevölkerung - und dazu haben die Neubürger der ehemaligen DDR erheblich beigetragen - wird seit vielen Jahren viel stärker von den Eindrücken in fernen Ländern geprägt als von denen in der Heimat. Sozialforscher haben beobachtet, daß die Menschen sich es vielfach egal sein lassen, wie die Lage in ihrer Heimat ist, weil sie ohnehin bald wieder in ihre Ferien verschwinden - und dies zu jeder Zeit des Jahres, wann immer es sich einrichten läßt. Die merkwürdige Lethargie, die sich überall gegenüber den drängenden Problemen unseres Landes eingeschlichen hat, ist nur aus diesem zur Gewohnheit gewordenen Doppelleben zu erklären. Hier setzt die Hartz-Kommission an: Die Menschen sollen sich mit den Problemen konfrontieren, nicht vor ihnen flüchten. Und das einfachste Mittel dazu ist in der Tat die von der Kommission vorgesehene Einschränkung des privaten Reisens. Der Nutzen dieses Vorschlags liegt auf der Hand. Endlich werden die Menschen die drängendsten Probleme anpacken, denen sie sich bisher entzogen haben, indem sie nach Mallorca und in andere Paradiese entflohen. Für den ersten reisefreien Sommer empfiehlt sich die genaue Lektüre des Berichts der Hartz-Kommission. Vielleicht verbergen sich darin noch andere fruchtbare Anregungen.

      Ri.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2002, Nr. 188 / Seite 31





      Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, die Gedanken- aber auch physische (Steuerzahlergestützte) Flucht der Politiker zu begrenzen....

      Ich denke da an das moderne MAnagement-Instrument der Zielvereinbarung... :D

      Wenn es den deutschen Bürgern nicht am Zieltermin besser geht, die Neuverschuldung gesunken ist und mindestens 5=% der Wahlversprechen eingelöst wurden, dann gibt´s Diätenrückzahlung und Flugverbot.... :D

      :laugh:

      Jetzt dreht Hartz ja wohl völlig durch, was????

      Der soll nur noch in einem Arbeitsamt in MeckPomm Urlaub machen dürfen, wenn er nicht wie versprochen 2 Mio Arbeitslose innerhalb von 2 Jahren weniger schafft.

      Und Schröder dürfte dann nach dem 22.9. 2002 nur noch unter Bewachung auf´s Klo. DAs wäre die weiteste Strecke, die man ihm und Doris gestatten würde.... :D :laugh:

      Und Rezzo Schlauch dürfte so oft er will, nein: MUSS mindestens 2 mal Pro Jahr nach BanCock - aussen am Flugzeug angeschnallt.... da hat er auch viel Platz für die langen Beine.....


      .
      Avatar
      schrieb am 16.08.02 15:38:11
      Beitrag Nr. 112 ()
      Schöner Artikel, der zeigt, wie man mit Vorruhestandsregelungen und Umsiedlung von anderswo vernichteten Arbeitsplätzen in die eigene Region Scheinerfolge erzielt.

      Man hat eine Rekord-Arbeitslosigkeit von 17,2 auf 8,5% , also nur scheinbar auf das Normalniveau reduziert.

      Man hat Gigantische Kosten durch Abdrängen von Tausenden Arbeitslosen in die Rentenversicherungen PRODUZIERT.

      Und wer bezahlt das? Die Arbeitnehmer mit ihren Rentenbeiträgen!

      Ganze 840 Arbeitsplätze in fünf Jahren sind geschaffen worden; es darf sicherlich gefragt werden, wieviele davon woanders verloren gingen. Da diese Arbeiten ja nicht erstmalig anfallen, muss von einer schlichten Umschichtung der Arbeitslosigkeit in konkurrierende Regionen ausgegangen werden, die halt nicht das Glück haben, VW vor der Nase zu haben. Von einem Nenneswerten positiven Effekt kann man m.E. nicht reden.

      Zudem fällt auf, daß keine echten Arbeitsplatzbilanzen (Gegenüberstellung von vernichteten zu geschaffenen ) präsentiert werden, sondern nur neu geschaffene erwähnt werden.

      Hartz ist ein Blender. Er steht in seiner Selbstverliebtheit und seinen blenderischen Zahlenwerken den Politikern in keinster Weise nach.

      Man muss nur zwischen den Zeilen lesen:

      Bei ursprünglich 11.000 Al entspr. 17,2 %
      sind die jetzigen fiktiven (= Ruhestandsbereinigten) 7.700 AL nur 30% weniger! DAs entspricht einer bereinigten AL-Quote von immer noch 12,7% !!!

      Das heißt konkret: Die Hartzsche Wunderleistung bestand darin, die AL-Quote weiterhin ÜBER DEM BUNDESDURCHSCHNITT ZU HALTEN !!!
      :laugh: :mad:

      -----------------------------------------------------------
      Hartz Jobwunder gibt es schon :laugh:

      Im Kleinen versucht die Stadt Wolfsburg vorzumachen, was Peter Hartz heute dem Land empfehlen wird: Die Joblosigkeit zu halbieren. Die "Wolfsburg AG" reduzierte die Zahl der Arbeitslosen in vier Jahren drastisch - mit dem VW-Konzern als Paten

      aus Wolfsburg JÜRGEN VOGES

      VW-Manager Peter Hartz wird heute im Französischen Dom in Berlin sein seit Wochen diskutiertes Arbeitsmarktpapier als Ganzes vorstellen. Ziel ist, was seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik misslingt - die Senkung der Arbeitslosigkeit.

      Wenn der Regierungsberater verspricht, die Arbeitslosigkeit zu halbieren, dann tut er das nicht zum ersten Mal. Das Hartz-Modell fürs ganze Land hat einen Vorläufer mit dem gleichen Ziel: Die Stadt Wolfsburg.

      Zum 60-jährigen Jubiläum im Jahr 1998 schenkte Hartz der Heimatstadt des Volkswagens die "Wolfsburg AG" - sie sollte helfen, die erschreckend hohe Arbeitslosenrate von 17,2 Prozent zu halbieren. Was Hartz der Deutschland AG verheißt, gelang in der VW-Stadt. Im Sommer 2002 betrug die Joblosigkeit im Schnitt 8,5 Prozent - exakt die versprochene Hälfte von 1997.

      [Anm.: man hat sie lediglich auf Bundesdurchschnitt reduziert - überwiegend durch Wegfall der AL aus der Statistik]

      Die Wolfsburg AG, bei ihrer Gründung von VW und Stadt mit einem Stammkapital von 10 Millionen Euro ausgestattet, hat ihren Sitz im "Forum AutoVision" im Nordwesten der Stadt. In sechs quaderförmigen dreistöckigen Gebäuden sind dort die AG selbst und jene Personalserviceagentur untergebracht, die Vorbild für den Umbau der deutschen Arbeitsämter werden soll. Sind Wolfsburgs Methoden auf die Bundesrepublik anwendbar?

      Grundidee der Wolfsburg AG war, so schnell neue Arbeitsplätze entstehen zu lassen, wie alte Jobs verschwanden. "Grabt die Welt um, sucht nach neuen Ideen" - so feuerte der VW-Personalchef Hartz seine Mitarbeiter in Wolfsburg an. Zu den neuen Ansätzen gehört, dass im Gebäude der AG auch gleich die von ihr initiierten Gründerfirmen eine Heimat fanden. 140 kleinere Unternehmen mit 840 Arbeitsplätzen sind dort entstanden - vor allem für Informationstechnologen, Planer, Consultants.

      Klaus Dierkes ist stolz auf das Erreichte. Aber der Vorstandssprecher der Wolfsburg AG ist auch streng - er findet, dass seine Firma ihr Ziel noch nicht erreicht hat. Beim Schrumpfen der Wolfsburger Arbeitslosigkeit hat der mächtige VW-Konzern mitgeholfen. Zu den 11.000 Arbeitslosen Wolfsburgs im Jahre 1997 gehörten zum Beispiel 3.000 VW-Vorruheständler - Menschen, die nach einiger Zeit von selbst aus der Statistik verschwanden.

      Der Chef der Wolfsburg AG Dierkes nimmt es mit der Halbierung der Arbeitslosigkeit sehr genau. Dierkes geht wegen des Ruheständler-Bonus von VW von real 7.700 Arbeitslosen in Wolfsburg im Jahr 1997 aus. Also will er bis Ende 2003 mit seiner Firma 3.800 neue Arbeitsplätze schaffen - um die Arbeitslosigkeit tatsächlich zu halbieren.

      Der Volkswagenkonzern hilft, wo er kann

      Für den größten Zuwachs an Jobs haben wiederum nicht die 140 Gründerunternehmen gesorgt, sondern der Pate VW. 80 Zulieferbetriebe von Volkswagen mit insgesamt neuen 1.950 Arbeitsplätzen wurden angesiedelt. Auch die Wolfsburg AG selbst ist Arbeitgeber. 140 Jobs bietet die AG selbst an, 70 bis 80 die Personalserviceagentur.

      Die Agentur arbeitet mit Gewinn. Sie ist Herzstück der Wolfsburger Mischung von Qualifizierung, Vermittlung von Arbeitskräften sowie Wirtschaftsförderung, mit der Hartz auch in den Problemregionen Deutschlands Erfolg haben will. Im vergangenen Jahr hat die Personalserviceagentur gut 3.000 Zeitarbeitskräfte vermittelt - nicht nur in Wolfsburg, sondern auch an anderen VW-Standorten.

      Allein in Wolfsburg wurden 2001 von insgesamt 500 Zeitarbeitern rund 250 in unbefristete Arbeitsverhältnisse bei den Firmen übernommen. Anders als normale Zeitarbeitsfirmen hat die Wolfsburg AG kein Interesse daran, ihre guten Mitarbeiter zu halten. Die Agentur qualifiziere ihre Mitarbeiter rechtzeitig für neu entstehende Dauerarbeitsplätze, sagt Klaus Dierkes.

      Für die Arbeit:
      Skifahren in Wolfsburg

      Wie Hartz und seine Regierungskommission im Großen setzt man auch in Wolfsburg "auf den Klebeeffekt" - darauf also, dass möglichst viele bei den Firmen hängen bleiben, an die sie zunächst auf Zeit vermittelt sind.

      In Wolfsburg schwört man auf den Spiritus Rector der Wolfsburg AG, den Sozialdemokraten Peter Hartz. Dennoch gibt es gesunde Zweifel, ob Wolfsburg auf die Republik übertragbar ist. Die von der Hartz-Kommission geplante Umwandlung der Landesarbeitsämter in Kompetenzzentren etwa stoße an Grenzen, so Dierkes. Denn Wirtschaftsförderung sei Sache der Länder - und nicht die des Bundes oder der Bundesanstalt für Arbeit.

      Dennoch, in Wolfsburg scheinen auch verrückteste Hartz-Ideen wahr zu werden. Die Autostadt von VW in Wolfsburg ist mittlerweile das beliebteste Ziel für Tagesausflügler in Niedersachsen. Unweit der Autostadt ist eine Erlebniswelt für Touristen geplant, samt der Möglichkeit zu Ski-Abfahrten in der Halle - und mit Arbeitsplätzen.

      taz Nr. 6828 vom 16.8.2002, Seite 6, 158 Zeilen (TAZ-Bericht), JÜRGEN VOGES

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 16.08.02 16:50:30
      Beitrag Nr. 113 ()
      aus dem Hartz-Bericht:

      Die neue Leitidee lautet: „Eigenaktivitäten auslösen - Sicherheit
      einlösen“. Die Arbeitsförderungspolitik wird im Sinne einer aktivierenden
      Arbeitsmarktpolitik umgebaut. Im Zentrum steht die eigene
      Integrationsleistung der Arbeitslosen, die durch das
      Dienstleistungs- und Förderangebot gestützt und abgesichert
      wird. Die angebotenen Dienstleistungen - von der Übernahme
      einer Zeitarbeit und der Teilnahme an einer Weiterqualifizierung
      bis hin zur Annahme einer Beschäftigung - setzen Arbeitslose in
      die Lage, selbst im Sinne des Integrationszieles tätig zu werden.
      Im Gegenzug hilft das integrierte System der Beratung, Betreuung
      und materiellen Absicherung, diese Handlungsoptionen zielgerichtet
      zu nutzen.

      -------------------------------------------------------------------

      Da wird`s einem ja schlecht, wenn man so eine Schmiere lesen muß.
      Gegen dieses Blabla klingt ja die Werbung von "Lotto-Faber" geradezu seriös.





      Im ganzen Hartz-Bericht finde ich das Wort "Überstunden" genau ein einziges Mal.
      Auszug:
      "Die PSA und die JobCenter können aber auch darauf einwirken, den Zugang
      in Arbeitslosigkeit zu reduzieren, indem sie beispielsweise durch Arbeitszeitberatung
      und Arbeitnehmerverleih die Unternehmen befähigen,
      Überstunden zu vermeiden und durch flexible Arbeitskräfte zu ersetzen."


      Ist das nicht ein bißchen beschämend für die Urheber dieser revolutionären Reformen, daß sie sich um die Vielzahl der geleisteten Überstunden und ihren Abbau, bzw. Umwandlung in Arbeitsplätze, so gut wie gar keine Gedanken gemacht haben?

      Diese Wunder-Reformer scheinen so manisch auf ihre PersonalService-Agenturen (PSA) und JobCenter fixiert zu sein, daß ihnen der Blick auf das Wesentliche völlig abhanden gekommen ist.
      Wo kommen neue Arbeitsplätze her?".
      Daß die schneller Vermittlung in nicht vorhanden Arbeitsplätze eine Lösung der Probleme wäre, bilden sich wohl nur einfach gestrickte Gemüter, wie die der Hartz-Kommission, ein.

      Hat denn diesen Ignoranten niemand gesagt, daß die hohe Arbeitslosigkeit vielleicht auch mit nicht genügend vorhanden Arbeitsstellen zu tun hat? :confused: :mad:
      Avatar
      schrieb am 18.08.02 14:06:37
      Beitrag Nr. 114 ()
      Eine weitere Bestätigung meiner "Hartz ist Luftnummer" -These"




      ---------------------------------------------------------

      SPIEGEL ONLINE - 17. August 2002, 16:17
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,209951,00.h…


      Hartz-Vorschläge

      Ökonomen prophezeien maximal 200.000 neue Jobs

      Halbieren wollte die Hartz-Kommission mit ihrem Vorschlag die Arbeitslosigkeit in Deutschland. Unsinn, sagen jetzt Schweizer Experten, maximal 200.000 Arbeitsplätze könne man schaffen, wenn man die Pläne umsetze.


      Völlig unrealistisch ist den Wirtschaftsexperten zufolge das Ziel der Regierungskommission unter der Leitung des VW-Vorstandes Peter Hartz, die Arbeitslosigkeit bis Ende 2005 von derzeit vier auf zwei Millionen abzusenken. Auch bei einer vollständigen Umsetzung der Hartz-Pläne in den kommenden drei Jahren werde die Zahl der Erwerbslosen "maximal" um 200.000 zurückgehen, haben Ökonomen der Schweizer Prognos AG in einer Modellrechnung ermittelt.


      Die Maßnahmen der Hartz-Kommission, die am vergangenen Freitag offiziell vorgestellt wurden, seien nicht geeignet, "den für den Abbau der Arbeitslosigkeit erforderlichen Wachstumsschub zu generieren", schreiben die Forscher in ihrer Studie. Erschwert werde der Abbau der Arbeitslosigkeit nach Ansicht der Prognos-Experten zugleich durch das weiter wachsende Angebot an Arbeitskräften. So würden in den kommenden Jahren immer mehr Frauen in den Arbeitsmarkt drängen. Auch sei mit einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu rechnen. Das pessimistische Fazit der Schweizer: Zwei Millionen Arbeitslose könnten bis 2005 nur bei einem starken Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent pro Jahr abgebaut werden. In Deutschland sei aber allenfalls ein Wachstum von durchschnittlich 2,4 Prozent zu erwarten.
      Avatar
      schrieb am 18.08.02 14:13:10
      Beitrag Nr. 115 ()
      Ich habe ja nie verstanden, wieso eine schlichte Erpresung der Arbeitnehmer und der gewerkschaften wie das 5000 mal 5000- "konzept" so hochgelobt werden konnte.

      Es ist einfach nur eine einstellung von Arbeitnehmern unter TAriflohn - mehr nicht.

      Wo soll da etwas innovatives vorliegen??? :confused: :laugh:


      ------------------------------------------------------------
      SPIEGEL ONLINE - 12. August 2002, 18:42
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,209215,00.html


      Hartz` Idee

      "5000 mal 5000" verzögert offenbar Baubeginn für VW-Minivan

      Seinen Ruf als Reformer verdankt Peter Hartz vor allem den Ideen, mit denen er bei Volkswagen Arbeitsplätze gesichert und geschaffen hat. Aber zumindest eines dieser Konzepte scheint sich in der Praxis nicht zu bewähren. :laugh:



      Reformer Hartz: Schwierigkeiten bei einem seiner bekanntesten Reformprojekte


      Wolfsburg - Mit dem neuen Minivan verbinden sich bei VW in Wolfsburg viele Hoffnungen. Mit dem Modell, intern immer noch als A-MPV bezeichnet, will Volkswagen eine Lücke in der Produktpalette schließen und den Konkurrenzmodellen Opel Zafira und Renault Scenic Marktanteile abjagen.

      Zugleich gilt die Fertigung als Bewährungsprobe für ein innovatives Beschäftigungsmodell. Denn der Minivan wird von der Tochtergesellschaft Auto5000 GmbH produziert. Sie wurde gegründet, nachdem Vorstand Peter Hartz das gleichermaßen umstrittene wie gelobte Konzept "5000 mal 5000" in einer revidierten Form durchgesetzt hatte. 5000 Mitarbeiter sollen hier für einen fixen Lohn in höhe von 5000 Mark monatlich (unter Haustarifvertrag) Autos montieren. Bislang stellte VW rund 3500 Mitarbeiter ein, die zuvor größtenteils arbeitslos waren.


      Und hier liegt offenbar just das Problem. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters sind die Mitarbeiter nicht hinreichend qualifiziert, um ihre Aufgaben schon jetzt befriedigend zu meistern. Die Schulung der neuen Angestellten gestalte sich aufwendiger als geplant. Für VW sei aber wichtig, von vornherein eine hohe Qualität bei dem Modell sicherzustellen. So werde der für Anfang Oktober geplante Produktionsstart entweder verschoben oder nur mit reduzierter Stückzahl erfolgen, zitiert Reuters einen mit der Vorbereitung befassten, namentlich nicht genannten Mitarbeiter.

      Ein VW-Sprecher bestritt am Montag, dass Probleme aufgetreten seinen. "Für die Markteinführung wird es keine Verzögerungen geben". Dazu, ob der Produktionsstart plangemäß erfolgen könne, wollte er sich jedoch nicht äußern. Händler und Branchenexperten waren davon ausgegangen, dass bei planmäßigem Serienanlauf schon im Oktober erste Modelle in die Verkaufsräume kommen würden.

      Bei VW-Händlern hieß es, man habe in den vergangenen Monaten darauf gedrängt, noch in diesem Jahr das Auto zu bekommen, um den Vorverkauf anzukurbeln. Branchenanalysten hatten ebenfalls eine frühere Markteinführung als 2003 erwartet. "Wir sind nach den bisherigen Aussagen des VW-Managements fest davon ausgegangen, dass dieses wichtige Modell noch in diesem Jahr auf den Markt kommt", sagte Arndt Ellinghorst, Autoexperte der WestLB Panmure. Für 2003 habe er bisher eine Jahresproduktion von 240.000 Stück veranschlagt.

      Sebastian Stein von der Bankgesellschaft Berlin sagte, er habe damit gerechnet, dass das Multifunktionsfahrzeug auf dem Pariser Autosalon Ende September öffentlich präsentiert werde. Bei VW hieß es am Montag dazu, vermutlich werde das Auto erst auf dem Automobilsalon in Genf im März 2003 gezeigt. Der Verkauf könne im Februar anlaufen.
      Avatar
      schrieb am 19.08.02 05:11:16
      Beitrag Nr. 116 ()
      Avatar
      schrieb am 19.08.02 11:55:18
      Beitrag Nr. 117 ()
      mal ne blöde Frage:

      Hat der Hartz nix zu tun bei VW als Personalvorstand oder warum macht der solche Berichte ???

      Onkel Pischitzrieder (oder so ähnlich) sollte mal anfragen, ob er das in seiner Freizeit oder Arbeitszeit gemacht hat.....
      Avatar
      schrieb am 19.08.02 12:07:17
      Beitrag Nr. 118 ()
      wenn ich diesen selbstverliebten Gockel anschaue, so bin ich mir fast sicher, daß Pischetsrieder nicht sehnlicher wünscht, als daß er sich NUR NOCH mit seinen unrealistischen Träumen beschäftigt und VW verschont... :D

      (Siehe auch den bereits geposteten Spiegel-artikel)
      Avatar
      schrieb am 19.08.02 13:22:09
      Beitrag Nr. 119 ()
      Kündigen schützt vor Krise nicht


      Personalabbau ist ein probates Mittel zur Kostenredzierung. Oft ist der Effekt der Maßnahme jedoch kontraproduktiv. "Viele Insolvenzen und Firmenkrisen entstehen erst durch Mitarbeiterabbau", meint Gemini-Geschäftsführer Klaus Goworr.


      München - Viele Unternehmen betreiben nach Einschätzung von Experten in der Wirtschaftskrise eine kopflose Personalpolitik. "Zur kurzfristigen Kostenreduzierung werden häufig auch Mitarbeiter entlassen, deren Hilfe das Unternehmen braucht", sagte der Geschäftsführer des Personalberatungsunternehmens Gemini Executive Search, Claus Goworr.

      Personalabbau: Nicht immer tritt der gewünscht Effekt ein


      Für etwa 35 Prozent der Entlassenen müssten laut einer Studie innerhalb von 18 Monaten wieder neue Mitarbeiter eingearbeitet werden. "Viele Insolvenzen und Firmenkrisen entstehen erst durch Mitarbeiterabbau." Seiner Einschätzung nach könnte die Arbeitslosenzahl bei einer vorausschauenden Personalpolitik rund eine Million niedriger sein.

      Der Begriff "Shareholder value" werde derzeit von vielen Managern auf Kostenreduzierung und damit Personalabbau reduziert, sagte Goworr. Die Mitarbeiter stellten aber einen enormen Wert für ein Unternehmen dar. "Sie können ein wunderbares Produkt haben. Wenn Sie keine guten Mitarbeiter haben, dann wird es keiner kaufen", erklärte er. Das Know-how und das Engagement der Mitarbeiter sei deshalb sehr wichtig für die Substanz eines Unternehmens.

      Kurzfristige Gewinnorientierung zerstört Chancen

      Die kurzfristige Gewinnorientierung der Manager auf Quartalsbasis verhindert nach Ansicht Goworrs auch, dass die Unternehmen rechtzeitig in neue Produkte und Marktchancen investieren. "Alte Fehler werden erneut begangen", sagte der Personalberater. Der Abbau von defizitären Bereichen und eine Neuausrichtung der Geschäfte würden in Boomphasen verzögert.


      Mit Augenmaß durch die Krise
      Entlassungen sind nicht das einzige Mittel zur Senkung der Personalkosten. Ein befristeter Gehaltsverzicht oder eine Änderungskündigung reichen oft schon aus.
      In Krisenzeiten, wenn Zeit, Geld und Managementkapazitäten für die Entwicklung neuer Produkte fehlten, müsse dann Personal abgebaut werden. "Die Zunahme der Insolvenzen von 40 Prozent ist zu 30 Prozent auf eine zu kurzfristige Planung zurückzuführen", sagte er. Gerade der Mittelstand untersuche den Markt nicht ausreichend auf neue Marktlücken.

      Auch die unternehmensinterne Kommunikation in Krisenzeiten sei in vielen Unternehmen katastrophal. "Meiner Einschätzung nach könnten 50 Prozent der Insolvenzen durch rechtzeitige Einbeziehung der Mitarbeiter verhindert werden", sagte Goworr. Viele Menschen seien durchaus zu Gehaltseinbußen bereit, wenn die Unternehmensführung ihnen die Ernsthaftigkeit der Lage klarmachen könne. "Man muss nur mit den Menschen reden." Allerdings hätten Manager oft ein Problem damit, ihren Beschäftigten schlechte Nachrichten zu verkünden. Die Mitarbeiter erführen nicht selten erst aus der Zeitung von bevorstehenden Entlassungen.

      Nach Ansicht des Personal-Experten müssen die Parameter für die Bewertung von Managern geändert werden. Langfristige Unternehmensstrategien und eine vorausschauenden Krisenvorsorge müssten eine größere Rolle spielen. "Es kann doch nicht sein, dass die Gewinn-Prognosen der Analysten für das nächste Quartal die Unternehmenspolitik bestimmen", sagte Goworr.


      © manager-magazin.de 2002
      Avatar
      schrieb am 19.08.02 14:20:52
      Beitrag Nr. 120 ()
      Neue Zumutbarkeit
      Besonders jungen Singles soll nach einem komplexen Kriterienkatalog mehr zugemutet werden. Wenn sie arbeitslos werden, müssen sie auch Stellen annehmen, die weit entfernt, schlechter bezahlt oder unter ihrem Ausbildungsniveau sind – eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Handhabung.

      Was genau sind denn junge Singles? Habe im Netz nichts gefunden. - 25J. oder 35J. oder 45 J.??
      Oder legt dies jedes Arbeitsamt selbst fest?


      Personal-Service-Agenturen
      Diese PSA sind Agenturen, die die Arbeitsämter selbst oder in Kooperation mit Zeitarbeitsfirmen betreiben. Sie stellen Arbeitslose an und verleihen sie an Firmen. Dadurch werden die Entleiher vom Kündigungsschutz entlastet. Die PSA hofft auf den „Klebeeffekt“, nämlich dass manche Arbeitslose von den Entleihern letztlich fest übernommen werden. Während der Probezeit erhalten die Arbeitslosen einen Nettolohn in Höhe ihres bisherigen Arbeitslosengeldes, danach einen tariflich vereinbarten PSA-Tariflohn. Die Leiharbeit soll dereguliert werden – unter dem Vorbehalt, dass Tarifverträge abgeschlossen werden.

      Bedeutet dies, daß Firmen wie Manpower, Randstad etc. in zukunft aus dem Rennen sind, da die PSA ja wesentlich günstiger anbieten kann?
      Aus Unternehmenssicht; wieso sollte dann überhaupt noch ein fester Arbeitsvertrag geschlossen werden?
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:14:10
      Beitrag Nr. 121 ()
      ""Vor allem eine 150-Milliarden-Euro-Anleihe, mit der in den Neuen Bundesländern eine Million neuer Stellen geschaffen werden soll, wird kontrovers diskutiert."" (www.n-tv.de)

      Ich glaub mein Schwein pfeifft. Ist ja ein richtiges Schnäppchen. Der Herr Hartz ist schon ein richtiger Fuchs. Sowas innovatives hab ich ja noch nie gesehenen. EEEEEHHHHH wollte nicht Schröder die Staatsquote senken. HHHHmmmm kannn des sein das der Job floater nicht wirklich dazu beiträgt. Aaahhhhhh Politik nach DDR-Vorbild. Der Papa Staat zahlt jedem einen Arbeitsplatz.

      Der Vorschlag könnte ja fast von KPD sein.

      Bin ja nur froh dass der Herr Hartz keine Vorschläge über die strukturellen Probleme (die die Deutschland ganz hinten in der Tabelle stehen lassen) macht. Wenn der da die selbe Scheiße rausgeblasen hätte würde mir glaub ich der Kopf platzen.

      Gruß

      Der Pate
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:20:51
      Beitrag Nr. 122 ()
      als krönung des ganzen fehlt nur noch die auflage von notopfer-briefmarken zur "schaffung von arbeitsplätzen"

      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:32:27
      Beitrag Nr. 123 ()
      ad opower

      Wart mal ab. Ich wette die werden schon gedruckt. ;)

      Ist schon traurig, aber wenigsten kann man noch drüber lache, wobei einem eigendlich nur zum heulen zu mute sein sollte.

      Lieber Gott schmeiß Heu vom Himmel. Die Rindviecher vermehren sich.

      Gibts eigendlich irgendwo im Netz nen Lebenslauf von Herrn Hartz mich würde mal interessieren was der sonst so macht wenn er nicht den heroischen " Staatenretter " spielt bzw. es versucht und scheitert.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:48:45
      Beitrag Nr. 124 ()
      aus gut unterrichteten kreisen verlautete, dass in der nächsten legislaturperiode ein verkehrskommission unter leitung von herrn schrempp und herrn mehdorn gebildet werden und die zukunft der finanzpolitik in der breuer-kommission geregelt wird.

      die feierliche übergabe der papiere findet dann am 3. oktober, in anwesenheit des papstes, im dom zu speyer statt.
      eine spendenkontonummer wird während der live-übertragung peranent eingeblendet!

      Avatar
      schrieb am 21.08.02 14:14:07
      Beitrag Nr. 125 ()
      Aktuelles zum Hochwasser:

      Schröder will einen Solidarfonds auflegen.

      Anlageziele:

      Der Fonds hat das Ziel den Benchmark (Pegelstand der Elbe) mittel- bis langfristig outzuperfomen. Hierzu wird vor allem in die von der Hartz-Kommision aufgelegten Papiere namens " Job-Floater" (Floater wie Fluten) investiert.

      " Darf man sowas überhaupt schreiben "
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 14:19:50
      Beitrag Nr. 126 ()
      # 125 :laugh:

      # 124

      :laugh: Und im Aufsichtsrat die Haffa-Brüder, Kim Schmitz und die bewährten MAnager von Infomatec und Metabox.... damit alles mit rechten Dingen zugeht..... :D
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 16:24:04
      Beitrag Nr. 127 ()
      @ TeddyOnLine

      Muss mich schon ein bisschen über deine drei Beispiele wundern. Ist dir nicht klar was da für Vergünstigungen und Subventionen geflossen sind, das sich die Großen auf in den Osten machen. Also wenn dass für dich das Musterbeispiel für die Entstehung von Arbeitsplätzen ist, dann seh ich schwarz.

      Die Beispiele sprechen eigendlich nur dafür dass die Arbeitsbereitschaft da ist, aber sie sind doch kein Paradebeispiel.

      Ich glaube nach wie vor nicht dass Deutschland mit dieser Art und Weise der Politik, die ja auch durch den Jobfloater gestützt werden soll uns weiter bringt.

      Es geht darum die strukturelle Arbeitslosigkeit abzubauen sprich endlich mal den Arbeitsmarkt zu lockern. Kann ja wohl nicht wahr sein dass wir hier 2-3 % Wirtschaftswachstum brauchen bis die ersten Jobeffekte eintretten. Da muss mal beim Kündigungsschutz und den Lohnnebenkoste gedreht werden.
      Sonst ist es doch klar dass ein unternehmerisch denkender Mensch zuerst versucht einen sich verbessernde Auftragslage über Überstunden zu bewältigen und nicht über neue Mitarbeiter.

      Subventionen helfen uns nur kurzfristig weite. Strukturelle Verbesserungen helfen langfristig sind aber politisch Unangenehmer durchzusetzten
      Avatar
      schrieb am 23.08.02 11:15:54
      Beitrag Nr. 128 ()
      den "Luftnummern" widme ich meine heutige Beschwerde an die SZ:

      als Wochenend-Abonentin freue ich mich eigentlich immer auf meine SZ, besonders auch auf das Freitags-SZ-Magazin.
      Sie sollten bitte unbedingt auf Ihre sprachliche Gestaltung achten ... hier z.B. S. 18: oder anderen "Scheiß" in Pappbechern.
      Ich werde oft erstaunt beim Bestellen eines einfachen Bohnenkaffees betrachtet, daher freute ich mich auf den Artikel ... Schade, man hätte mehr daraus machen können.
      . ... für die "Erniedrigung" des rhethorischen Anspruchsdenkens. Meine Enttäuschung möchte ich Ihnen auf diesem Weg mitteilen.

      to whom it may concern ;)
      Avatar
      schrieb am 23.08.02 11:37:58
      Beitrag Nr. 129 ()
      n
      Avatar
      schrieb am 23.08.02 12:52:31
      Beitrag Nr. 130 ()
      @DerPate2 #127

      Muss mich schon ein bisschen über deine drei Beispiele wundern.


      Ich nehme an, du meinst #20.


      Ist dir nicht klar was da für Vergünstigungen und Subventionen geflossen sind, das sich die Großen auf in den Osten machen. Also wenn dass für dich das Musterbeispiel für die Entstehung von Arbeitsplätzen ist, dann seh ich schwarz.


      Zum Glück stehen die Sätze in Frageform da. Habe ich nämlich tasächlich nicht so wie hier angedeutet gemeint. Natürlich bin ich nicht dafür, daß Firmen, denen das Geld schon aus allen Taschen quillt oder auch anderen, noch mehrstellige Millionensummen hinterher geworfen bekommen, wenn sie im Osten oder Westen ein Werk aufmachen.
      Ich habe extra geschrieben, daß es ausschließlich auf ordentliche Arbeitsplätze ankommt. Ob von einer Weltfirma mit 100000 Beschäftigten oder einer kleinen lokalen Firma mit 15 Beschäftigten. Egal.
      Daß es so promintente Beispiele sind, ergibt sich allein daraus, daß über kleine Firmen nicht berichtet wird.



      Die Beispiele sprechen eigendlich nur dafür dass die Arbeitsbereitschaft da ist, aber sie sind doch kein Paradebeispiel.


      Eben! Was du im ersten Halbsatz schreibst, wollte ich zum Ausdruck bringen. Sonst gar nichts.
      Wenn die Arbeitsplätze da sind, brauchts keinen Hartz, keine Job-Center, keine schnellere Vermittlung, keine Drohungen an die Arbeitslosen oder was auch immer.
      Wenn nicht genügend Arbeitsplätze da sind, kann sich der Hartz zusammenspinnen was er will.

      Da hilft dann auch die vorhergehende Wunderwaffe, Job-Aqtiv, nichts. Von dem Gesetz spricht der Riester schon gar nicht mehr. Vor einigen Monaten noch hat er großspurig verkündet, mit Job-Aqtiv wird eine neues Zeitalter eingeläutet. Daran sieht man schon wie kopf- und hirnlos da vor sich hingewerkelt wird.
      Avatar
      schrieb am 25.08.02 11:19:36
      Beitrag Nr. 131 ()
      @DerPate2 #123

      Gibts eigendlich irgendwo im Netz nen Lebenslauf von Herrn Hartz


      Naja, Lebenslauf ist das keiner:
      http://www.volkswagen-ag.de/german/docs/2a-harz.html

      Auszug:
      seit 1998 verantwortlich für den Bereich Regierungsbeziehungen



      Aha!
      Ist der Hartz also sowas wie der Hunzinger von VW?
      Avatar
      schrieb am 26.08.02 22:32:22
      Beitrag Nr. 132 ()
      @ Teddy

      Dann sind wir uns ja im wesentlichen einig das Hartz ein Schuß in den offen sind.
      Obwohl deine drei Beispiele bei mir ja nach wie vor den bitteren Beigeschmack des Job-Floaters beinhalten. Von wegen subventionierte Arbeitsplätze.
      Zumindest sehe ich es so wie du dass Hartz nur eine "Verbesserung" bzw. "Verschärfung" der Vermittlung bringt.
      Neue Arbeitsplätze werden durch diese Vorschläge doch nie und nimmer entstehen, zumindest nich selbsttragende.

      Aber in Deutschland hat meiner Meinung nach, und dass muss man einfach so überspitzt sagen, kein Politiker bzw. Partei, die Eier auch nur einmal über Kündigungsschutz, Landwirtschaftssubventionen, Kohlesubventionen etc. anzusprechen bzw. etwas zu ändern.

      Wenn ich heute in der Zeitung lese dass nur 15 Mio das Kanzlerduell angesehen haben, dann frag ich mich aber allmählich ob diese Nation etwas besseres verdient hat, als unteres Mittelmaas.
      Oder was glaubst du wie hoch der Prozentsatz an Menschen in Deutschland ist, die auch nur in Ansätzen erklären können wieso sie Partei XY wählen.

      Da braucht sich doch dann auch keiner mehr beschweren.

      ALLE MACHT DEM VOLKE

      Na dann prost Mahlzeit, bei soviel Politverdrossenheit
      Avatar
      schrieb am 27.08.02 12:52:29
      Beitrag Nr. 133 ()
      Hartz-Programm verschlingt Milliarden


      Die Vorschläge der Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes drohen zum Sprengsatz für die öffentlichen Kassen zu werden.
      Wie FOCUS meldet, will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die geplante Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe nur mittragen, wenn rund eine Million erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger künftig auch in der Rentenversicherung abgesichert sind.

      „Für uns ist es unerlässlich, dass für alle arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger auch Rentenbeiträge gezahlt werden“, sagte DGB-Vize-Chefin Ursula Engelen-Kefer. Zudem sollen die Leistungen für diese Gruppe laut DGB angehoben werden. „Klar ist, der Satz muss über der Sozialhilfe liegen – sonst macht es keinen Sinn“, warnte der Leiter der Grundsatzabteilung, Hans-Joachim Schabedoth. Die Mehrkosten schätzen Experten auf rund zwei Milliarden Euro.

      Höhere Ausgaben, kaum Einsparungen drohen auch in der Verwaltung der Bundesanstalt für Arbeit (BA), die 90 000 Mitarbeiter hat. Es ist sogar eine Aufstockung des Personals im Gespräch. Engelen-Kefer sagte: „Wenn die BA künftig eine Reihe neuer Aufgaben übernehmen soll, geht das in der Anfangsphase nicht ohne zusätzliche Mitarbeiter und Finanzmittel.“ :eek:

      Die Bundesregierung will nach den Vorlagen der Hartz-Kommission unter anderem die Sozial- und Arbeitslosenhilfe zu einem neuen „Arbeitslosengeld II“ zusammenfassen und die BA umfassend modernisieren.

      25.08.02, 13:55 Uhr
      Avatar
      schrieb am 27.08.02 14:01:41
      Beitrag Nr. 134 ()
      Engelen-Kefer ist ja auch die kompetenteste in dem ganzen Gemuschelsladen, wirklich!

      Überhaupt haben die Gewerkschaften die meisten Arbeitsplätze in der deutschen Nachkriegsgeschichte geschaffen, wirklich!:O

      Weiter so:cry:
      Avatar
      schrieb am 29.08.02 13:17:51
      Beitrag Nr. 135 ()
      Ungleiche Welt

      OECD-Studie: In Deutschland sind die Wohlhabenden noch reicher geworden. Sozialleistungen nehmen ab


      BERLIN taz Die Kluft zwischen den Niedrigverdienern und den Wohlhabenden ist in den vergangenen Dekaden innerhalb der Industrieländer breiter geworden. In Deutschland hat dabei die ausgleichende Wirkung von Sozialleistungen und Steuern nachgelassen. Zu diesem Schluss kommt eine jetzt veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

      Die Autoren haben Daten aus zwanzig OECD-Staaten über einen längeren Zeitraum hinweg miteinander verglichen. Danach haben zwischen Mitte der Achtziger- und Mitte der Neunzigerjahre (neuere Daten liegen leider noch nicht vor) die Einkommensungleichheiten vor allem in Italien und der Türkei zugenommen. Die nächstgrößeren "Ungleichheitssprünge" machten unter anderem Großbritannien und die Niederlande. In Deutschland ging die Einkommensschere nur ein bisschen weiter auf.

      Dabei ist die Armutsquote hierzulande bislang noch relativ niedrig. Sie bezeichnet den Anteil der Bevölkerung, dessen Einkommen um die Hälfte niedriger liegt als das Durchschnittseinkommen.

      In Deutschland ist diese Quote im Untersuchungszeitraum von rund 10 auf etwas über 15 Prozent gestiegen. Sehr viel niedrigere Armutsquoten gibt es in den skandinavischen Ländern, höhere hingegen in Großbritannien, der Türkei und den USA. In Deutschland erlebten die zwei unteren Fünftel der Bevölkerung leichte Einkommensverluste. Das reichste Fünftel konnte hingegen Zuwächse verbuchen.

      Dabei gab es eine interessante Entwicklung: Die Einkommensunterschiede wurden Mitte der 90er-Jahre durch steuerliche Maßnahmen und Sozialleistungen nicht mehr in dem gleichen Maße abgemildert wie noch zehn Jahre früher, bestätigte Michael Förster, einer der Autoren der Studie, der taz.

      In Deutschland ist der Anteil an den gesamten Sozialleistungen, darunter Arbeitslosenunterstützung und Kindergeld, für das untere Einkommensdrittel sogar leicht zurückgegangen. Das bestverdienende Drittel hingegen konnte im Untersuchungszeitraum ein leichtes Plus an Sozialleistungen für sich verbuchen.

      In Deutschland bekommt das oberste Einkommensdrittel dabei einen proportional höheren Anteil an Sozialleistungen als das oberste Einkommensdrittel beispielsweise in Frankreich, Dänemark oder Großbritannien.

      Alleinerziehende stehen in fast allen Ländern, darunter auch in Deutschland, am Ende der Einkommensskala. Und die Altersgruppe der 41- bis 50-jährigen kann die höchsten Haushaltseinkommen für sich verbuchen.
      BARBARA DRIBBUSCH

      taz Nr. 6839 vom 29.8.2002, Seite 9, 89 Zeilen (TAZ-Bericht), BARBARA DRIBBUSCH
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 02:56:38
      Beitrag Nr. 136 ()
      Der Heilsbringer Gerster schrumpft auf Echtgröße... dabei ist er doch schon so klein... :D :
      Wenigstens ist das Gehalt des großkotzigen Sprücheklopfers vor Amtsantritt auf sein verlangen auf 250.000 Euro verdopppelt worden..... vermutlich das richtige Signal an die Arbeitslosen.... von wegen Fordern und fördern... :D


      SPIEGEL ONLINE - 01. September 2002, 15:07
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,212055,00.html
      Bundesanstalt für Arbeit

      Milliardenloch im Etat

      Der Bundeshaushalt wird in diesem Jahr durch die Bundesanstalt für Arbeit voraussichtlich höher belastet als 2001. Bis Ende Juli ist in Nürnberg ein Defizit von rund 3,5 Milliarden Euro aufgelaufen.


      BA-Chef Gerster: Kein Geld, keine Arbeitsplätze


      Berlin/Nürnberg - Dies geht aus einer am Sonntag veröffentlichten Statistik der Bundesanstalt für Arbeit (BA) hervor. Im Vorjahr hatte das Defizit zu diesem Zeitpunkt 1,571 Milliarden Euro betragen. Unterdessen ging die Auseinandersetzung um die Finanzierung von Arbeitsmarktmaßnahmen zwischen Koalition und Opposition weiter. Führende deutsche Wirtschaftsverbände und Aktiengesellschaften rechnen für die kommenden Monate mit einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen.

      Weder Bundesanstalt noch Bundesregierung gehen davon aus, dass das Defizit in diesem Umfang auf das ganze Haushaltsjahr hochgerechnet werden muss. Im Bundeshaushalt ist bislang ein Zuschuss von zwei Milliarden Euro eingeplant. Als Ursache für das derzeitig hohe Defizit sehen Arbeitsmarktexperten unter anderem die schwierige Konjunkturlage, die die Ausgaben der Arbeitsämter für Arbeitslosengeld und Umschulungen in die Höhe treibe.


      Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel bekräftigte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ihre Forderung nach "betrieblichen Bündnissen für Arbeit". Künftig sollten auch zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung Abreden über Löhne und Arbeitszeiten möglich werden, wenn dadurch Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden. "Wir wollen die regionalen Strukturen stärken, bei den Arbeitgebern und bei den Gewerkschaften", sagte Merkel und räumte ein, mit entsprechenden Gesetzesänderungen die Gewerkschaften gegen sich aufzubringen.

      Union will BA-Mittel drastisch kürzen

      Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) sieht in solchen betrieblichen Bündnissen "die Absicht der CDU/CSU, die Tarifautonomie in Frage zu stellen". Riester warf der Union am Sonntag vor, für ihre im Sofortprogramm angekündigten Arbeitsmarktmaßnahmen kein Finanzierungskonzept zu haben. CDU und CSU setzten bei einer Regierungsübernahme lediglich auf einen konjunkturellen Aufschwung. Allein durch die Aussetzung der letzten Stufe der Ökosteuer hätte der Staat drei Milliarden Euro Ausfälle bei der Rentenversicherung zu schultern.

      Nach den Worten von Unions-Fraktionschef Friedrich Merz will die CDU/CSU die Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit drastisch kürzen, um auf eine weitere Erhöhung der Ökosteuer im Januar verzichten zu können. Die Union wolle für die aktive Arbeitsmarktpolitik weniger ausgeben, sagte Merz der "Märkischen Allgemeinen". So könne der Zuschuss für die Rentenkasse erhöht werden. Merz kritisierte, in weiten Teilen der Umschulung und Fortbildung werde "in zum Teil atemberaubendem Umfang Geld zum Fenster hinaus geworfen". Ähnlich argumentierte Merkel im Deutschlandfunk.

      Verbände rechnen mit weiterem Arbeitsplatzabbau

      Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie rechnet laut "Bild am Sonntag" damit, dass in diesem Jahr mehr als 60.000 Arbeitsplätze am Bau verloren gehen. Die Gesamtzahl der Beschäftigten werde deutlich unter 900.000 fallen. Eine wesentliche Verbesserung der Lage durch die Beseitigung der Hochwasserschäden erwartet der Verband nicht. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks geht von einem Abbau der Arbeitsplätze von 100.000 in der zweiten Jahreshälfte 2002 aus. Im gesamten Jahr werden es rund 200.000 Stellen sein, die trotz Sonderkonjunktur in den Hochwassergebieten verloren gehen werden. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels rechnet mit einem Verlust von 20.000 Arbeitsplätzen.

      Im Gegensatz zur Union hält die Bundesregierung am Bündnis für Arbeit zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Politik fest. "Wir brauchen das Bündnis dringend zur weiteren Finanzierung der Beschäftigungspolitik und unseres Landes insgesamt", sagte Riester der dpa. Der CDU-Wirtschaftsexperte Lothar Späth will das Bündnis auflösen, falls er in einer unionsgeführten Regierung nach der Bundestagswahl am 22. September für die Bereiche Wirtschafts- und Arbeitsmarkt zuständig sein sollte.

      ---------------------------------------------------------
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 08:46:12
      Beitrag Nr. 137 ()
      @Deep Thought

      Im Grunde genommen sieht man nun schon die Differenzen zwischen dem Sozialromantiker Riester und der Union.
      ich glaub zwar auch nicht, dass die Union das Allheilmittel ist, aber der Arbeitspakt ist von Träumern!
      Er kann nicht funktionieren, je düsterer die Wirtschaftslage, desto weniger wird er Realität. So einfach ist das und logisch zu gleich.
      Was interessiert es den einzelnen Gewerbetreibenden(Arbeitgeber), was mit Arbeitslosen ab geht? Es interessiert ihn nur das Überleben und der Gewinn des eigenen Betriebes.
      Das Träumer, wie Riester, immer wieder davon anfangen, zeigt die Ahnungslosigkeit und Hilflosigkeit dieser Regierung.
      Dann lieber von der Realität sprechen, auch wenn es weh tut, und den unausweichlich bevorstehenden Kürzungsschritt in der Vergütung ankündigen.
      Ist von Merz schon mutig, vor der Wahl das anzukündigen, was nachher geschehen wird, was aber im Grunde jeder schon ahnt.

      so long
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 09:09:47
      Beitrag Nr. 138 ()
      Das Hartz-Papier basiert ja auf der Annahme, dass es die von der wirtschaft propagierten 1,5 Mill. offenen Stellen gibt. Jetzt glaubt man denen mal was und schon ist es verkehrt :D.

      Meine persönliche Erfahrung sieht so aus: Die Stellenanzeigen in den Zeitungen haben sich in den letzten zwei Jahren halbiert. Noch schlimmer sieht es bei den Online-Stellenmärkten aus. Ich selbst suche im Moment, obwohl nicht arbeitslos, eine Stelle, weil ich mich beruflich verändern möchte. Das ist trotz guter Qualifikation und guter bis sehr guter Arbeitszeugnisse praktisch aussichtslos :(. So schlimm wie heute war es das letzte mal 96/97. Ich rechne auch nicht mit einer Besserung in den nächsten Jahren. Egal wer an der Macht ist....
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 11:40:00
      Beitrag Nr. 139 ()
      Ich denke, daß es in der Tat naiv war, von Förderungsmaßnahmen für die Wirtschaft auf automatisch mehr Arbeitsplätze zu schließen.

      Die Großunternehmen haben die vielen Mrd. Euro in den letzten 2 JAhren gerne steuerfrei genommen, um damit....


      .. weiter fleißig Arbeitsplätze abzubauen.

      Nebenbemerkung: Einzig Stoiber scheint das übrigens kapiert zu haben: Er redete bei der Vorstellung des 100-TAge-Programms davon, daß einzig der Mittelstand Arbeitsplätze schafft.

      Im Prinzip ist gegen eine Produktivitätssteigerung als höchstes Ziel ja nix zu sagen, denn es ist das EINZIGE langfristige Ziel, welches dauerhafte Konkurrenzfähigkeit und damit Überleben garantiert.
      Daszeigte ja das niederländische, ehemals vielgepriesene Arbeitsmarktmodell, wo der "Rohstoff" Arbeitskraft durch jahrelange Subventionen im Preis künstlich niedrig gehalten wurde. Zunächst war das sehr erfolgreich, weil die Arbeitslosigkeit extrem niedrig war.
      Aber die Industrie mit ihren Wirtscahftsführern nahm diese Vergünstigungen zum Anlaß, sich auf diesem weichen Bett auszuruhen.
      Während sich die Konkurrenz (wie z.B. in deutschland) durch den Kostendruck ständig fit halten musste, geriet die niederländische wirtschaft in einen Produktivitätsrückstand.

      Der wurde zunächst durch die Subventionen kompensiert - doch als der Subventionsvorsprung aufgebraucht war, und sich die Subventionen allmählich nicht mehr bezahlen ließen, brachen die Dämme.

      FAzit: Nicht der Arbeitnehmer, sondern die MENSCHEN werden bequem, wenn sie auch ohne Leistung ihrer Vorteile erzielen können. Daher ist es grundlegend falsch, auf lenkende langfristige "Zwangs" - Maßnahmen (Ökosteuer etc.) zu verzichten, die die Wirtschaft allmählich fit für zukünftige Anforderungen macht.
      Und es ist falsch, Fehlentwicklungen zu kaschieren, indem man in die Subeventionsspirale einsteigt, aus der jeder kurzfristig heraus will, aber niemals mehr herauskommt.
      Bestes Beispiel sind die 28 Mrd. Kohlesubventionen/Jahr.

      Aber sowohl die naiven Politiker als auch die Propagandisten der Wirtschaftsverbände suggerierten den Bürgern ( = Arbeitnehmern) , daß die Wirtschaft sich als eine verantwortungsvolle Vereinigung mit dem hehren Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen versteht - das ist natürlich Quatsch.
      dementsprechend sollten VOR den Kürzungen der Sozialsystemleistungen erst einmal die unsinnige Subventionspolitik von "Arbeitsplätzen" Stehen.
      DAs wäre wirklich einmal mutig.

      Wiedeking von Porsche macht´s vor: Keine Subventionen!

      Die Wirtschafts"führer" haben sich nämlich genauso präsentiert wie die von ihnen gecshmähten Arbeitslosen durch ihre Propaganda immer geschildert wurden: Sich auf den weichen Kissen der Subventionen ausgeruht.

      Die angeblich so "radikal durchgreifende" FDP ist nach wie vor nur eine PArtei zur Umverteilung on unten nach oben.
      Sonst stünden die abenteuerlichen Subventionskürzungen für die Wirtschaft (ich meine NICHT für Forschung und Entwicklung, sondern für "Arbeitsplätze" ) und die immer unverfrorenere Erpressung der Kommunen und Länder durch Unternehmen auf einem der ersten Plätze hrer Agenda.

      Gerade bei Unternehmen sollte die Floskel "Fördern und FORDERN" an erster Stelle stehen.

      Nicht nur die Bürger, auch Unternehmen sollten sich wieder des Leistungsprinzips erinnern:
      Gewinne sollten durch Leistung anstatt von Subventionen erwirtschaftet werden....

      Der 11.9. hat die Logistik der Weltwirtschaft ins WAnken gebracht: Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Heimatland bzw. erinnern sich der heimischen Hersteller und Zulieferer.

      DAs ist ein klarer Standortvorteil.

      Den sollte die Politik nutzen.
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 13:14:52
      Beitrag Nr. 140 ()
      @Deep Thought

      Jetzt hast Du aber ein paar Dinge durcheinander geworfen")

      Westerwelle redet am lautesten davon, das der Mittelstand die Arbeitsplätze schafft. (Stoiber auch)

      Und die Ökosteuer verhindert eben dieses in einem Maß, dass verschiedene Berufe bereits am aussterben sind. Muß man nur mal ehrlich rechnen, wie das ins Kostengefüge rein haut.

      Warum haben wir denn aktuell ein Handwerkersterben nie gekannten Ausmaßes? Na, zum einen können sich immer weniger Bürger die exorbitanten Stundensätze leisten, die Schattenwirtschaft läßt schön grüßen.Zum anderen ist natürlich ein gewisser Sättigungseffekt erkennbar. Aber beides wirkt.
      Es ist eben absolut nicht in Ordnung, wenn der Bürger 7-10 Stunden arbeiten muß, damit er sich eine Handwerkerstunde erlauben kann. Die Folgen sind bereits da!

      Kosten bestimmen eben jegliches unternehmerisches handeln.
      Daran wird alles, aber auch alles gemessen.Nichts läuft, wenn es sich nicht rechnet, ganz logisch.

      so, jetzt wieder an die Arbeit
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 16:48:57
      Beitrag Nr. 141 ()
      Rhum56

      nee, habe ich m.E. nicht.

      Die Ökosteuer ist wichtig. Möglicherweise jedoch ist sie ungleich verteilt, das kann ich nicht genau beurteilen.

      Freiwillige Maßnahmen zur Senkung von Umweltschäden gab´s fast nie.

      Beispiele: Der US-Kat (Die Autoindustrie damals: geht nicht bei schnellen autos, macht unsere Industrie kaputt)

      Bleifreies Benzin: dito

      Senkung von durchschnittsverbräuchen: dito.

      Kläranlagen für Industrieanlagen in den 60er und 70er Jahren: dito

      Ausstieg aus der Atomindustrie: dito.

      FLaschenpfand: dito

      Dosenpfand: dito.

      usw., usw, ...

      Daß Schwesterwelle viel redet, ist allgemein bekannt.... ich meinte jedoch KONKRETE Maßnahmen und KLARE AUSSAGEN... da gibt´s bei Guido dieselben nebelschwaden wie bei den anderen.... :D

      Kosten bestimmen eben jegliches unternehmerisches handeln.
      Daran wird alles, aber auch alles gemessen.Nichts läuft, wenn es sich nicht rechnet, ganz logisch.


      genau, und langfristige gesellschaftliche GESAMTkosten sollten politisches HAndeln bestimmen..... da gibt´s bei allen PArteien nur warme Luft des POpulismus.... :D
      Avatar
      schrieb am 02.09.02 20:07:28
      Beitrag Nr. 142 ()
      @Deep Through

      Nicht Äpfel mit Birnen verwechseln. Was Du da auflistest, wurde nur mit Steuerbefreiung und Auflagen erreicht, also umgekehrt zu einer Ökosteuer, die die minderbemittelten in unserer Gesellschaft ausschließlich trifft:O
      Und gerade diese Deine Beispiele zeigen auf, wie man den Umweltschutz erfolgreich meistert.

      "Freiwillig nie" ,geb ich Dir recht.

      was verstehst Du unter "langfristen Gesellschaftskosten"???


      Also ich sehe zwei Aufgaben:
      1.Beseitigung der Arbeitslosigkeit
      2. Pflege unserer Umwelt langfristig

      Diese beiden Aufgaben kreuzen sich, sie werden getrennt diskutiert, was nicht sein kann, wenn sie sich kreuzen.
      Den Arbeitslosen und arbeitswilligen interessiert erst an zweiter Stelle der Umweltschutz, denn er braucht morgen was zu fressen.Und wir dürfen uns nicht abgehoben und arrogant über die Interessen der arbeitswilligen hinweg setzen, indem wir so tun, als gäbe es da keine Zusammenhänge, es halt negieren:O
      Glaub mir, ich weiss, wovon ich spreche, bin selber Mittelständler, habe mehrere Handwerker u.a. angestellt.
      Das hiesige System vernichtet Arbeitsplätze, es geht unmöglich so weiter.
      Die Hartzkommission hat leider auf halber Strecke aufgehört, oder wurde vorher nur für das nun vorliegende Papier beauftragt. In vielen Punkten ist das Papier nicht schlecht. Schade, dass man nicht "bag to the Roots" fand, echt schade:O:O:O:O:O

      Grünes Gras schmeckt halt den Menschen nicht.
      Avatar
      schrieb am 03.09.02 02:01:11
      Beitrag Nr. 143 ()
      @ Rhum 56

      ich denke, ich habe da nichts verwechselt.

      Aber der Mythos, Umweltschutz und Arbeitsplätze würden sich ausschließen, ist doch widerlegt.

      Allein durch die Förderung der erneuerbaren Energien wurden weit über 100.000 Arbeitsplätze geschaffen.

      Und die sind im Gegensatz zum Bergbau absolut Zukunftssicher.
      Man sieht das Glas immer nur halbleer, wenn man anstatt möglicherweise weggefallener Arbeitsplätze in überholten Branchen NICHT die neu euntstandenen in Zukunftsbranchen, also das halbvolle Glas, sieht.

      Ich widerspreche Dir keineswegs, wenn Du in vielen Bereichen drastische Änderungen verlangst. DAs ist überall möglich.

      Allerdings hat bereits Töpfer richtigerweise in den Achtziger JAhren als Umweltminister gesagt, daß die Deutschen gewässer am meisten profitieren würden, wenn man die dafür vorgesehenen Gelder in Plen in Form von Kläranlagen anlegt. Ein Kluger Mann, daß er uns so die Vernetzung der Umweltproblematik auf intrenationaler Ebene sehr plakativ deutlich machte....
      Avatar
      schrieb am 07.09.02 13:55:26
      Beitrag Nr. 144 ()
      Arbeitslosenhilfe muss steigen

      BERLIN afp Nach Ansicht des Sozialgerichts Berlin müssten tausende Empfänger von Arbeitslosenhilfe mehr Geld bekommen. In einem Urteil verlangte das Gericht eine höhere Berücksichtigung privater Versicherungsbeiträge. Sozialrechtler empfehlen nun Betroffenen, Widerspruch gegen ihren laufenden Arbeitslosenhilfe-Bescheid einzulegen, um gegebenenfalls später eine Nachzahlung verlangen zu können. Das Sozialgericht entschied, dass die 3-Prozent-Pauschale, die derzeit für Versicherungen berechnet wird, viel zu niedrig sei. Tatsächlich habe eine durchschnittliche Familie Ende der 90er-Jahre 6,5 Prozent ihres Einkommens für private Versicherungen ausgegeben.

      taz Nr. 6847 vom 7.9.2002, Seite 7, 24 Zeilen (Agentur)
      Avatar
      schrieb am 12.09.02 13:09:20
      Beitrag Nr. 145 ()
      Patient Deutschland

      Fünf Wochen vor der Wahl haben renommierte Autoren "Patient D" unter die Lupe genommen. Die WELT druckt vorab Auszüge eines Beitrags des Wirtschaftsweisen Horst Siebert


      Von Horst Siebert (Die Welt)
      Bei zwei zentralen wirtschaftspolitischen Zielen ist in Deutschland eine signifikante Verfehlung festzustellen. Das Wachstum ist ausgesprochen schwach, und die Arbeitslosigkeit ist unbefriedigend hoch. Beide Zielverfehlungen kann man nicht auf die Konjunktur schieben, sie sind seit längerem zu beobachten. Offenbar gelingt es uns nicht, eine kräftige wirtschaftliche Dynamik zu entfalten. Das Regelsystem, das wir für den Bereich der Arbeit entwickelt haben, steuert erkennbar falsch. Die letzte Testfrage der Wettbewerbsfähigkeit im wirtschaftpolitischen Sinn lautet deshalb, ob die Arbeitsplätze in Deutschland wettbewerbsfähig sind. In der deutschen Bevölkerung scheint eine "Du-brauchst-Dich-nicht-zu-verändern"-Stimmung zu herrschen. Dies steht in merklichem Kontrast zu dem, was andere Volkswirtschaften der Welt an institutioneller Modernisierung ihres Rahmenwerks zu Wege bringen. Die wirtschaftspolitische Frage lautet deshalb: Was ist zu tun, um in der mittleren und längeren Frist auf einen höheren Wachstumspfad mit mehr wirtschaftlicher Dynamik und geringerer Arbeitslosigkeit zu gelangen? Sie wird im Folgenden in zwanzig Punkten beantwortet:

      1. Die Weichen für mehr wirtschaftliche Dynamik zu stellen heißt, die volkswirtschaftlichen Wachstumskräfte frei zu setzen, und zwar bei der Bildung von Sachkapital, bei der Akkumulation von Humankapital und bei der Innovation in Form der Produkt- und Prozessinnovationen. Im Mittelpunkt muss stehen, die Zuwachsrate der Produktivität dauerhaft zu erhöhen.

      2. Eine zentrale Frage ist, wie wir in den Unternehmen zu mehr Innovationen kommen. Dafür ist die Höhe der Besteuerung ein wesentlicher Aspekt. Die Reform der Unternehmenssteuern ist deshalb weiterhin eine wichtige Aufgabe in nächsten Legislaturperiode.

      3. Gerade in Bezug auf die Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaft stehen bei der Regulierung der Gütermärkte wichtige Fragen auf der politischen Agenda. Die Genehmigungsverfahren für neue Anlagen sind zu langwierig. Die Zulassungsverfahren für neue Produkte und neue Produktionsverfahren in der Biotechnologie sind derart komplex, dass Zulassungen und Patente anderswo gesucht werden. Da Dynamik auch in den neuen Unternehmen zustande kommen muss, sollte das Steuersystem die Alt-Unternehmen, etwa bei der Thesaurierung der Gewinne, nicht bevorzugen.

      4. Zu warnen ist jedoch vor der Vorstellung, der Staat könne selbst die Innovationen "machen" und eine selektive Industriepolitik betreiben. Weder in den Amtsstuben noch in den Parlamenten kann man wissen, welche Produkte in der Zukunft am Markt florieren werden. Dies einzuschätzen ist Aufgabe der einzelnen Unternehmen. Der Staat hat die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

      5. In der Informations- und Wissensgesellschaft kommt der Bildung von Humankapital für die Innovation und als Quelle des Wachstums eine entscheidende Rolle zu. Humankapital ist der Nährboden für neue intelligente Produkte, neue Produktionsverfahren und neue organisatorische Lösungen. Die Qualifizierung der Menschen ist ein entscheidender Hebel für eine höhere Arbeitsproduktivität und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Im dualen System kommt es darauf an, die Berufsfelder zügiger an die neuen Technologien anzupassen.

      6. Die entscheidende Schwäche bei der Bildung von Humankapital liegt im Universitätssystem. Das zentrale Problem besteht darin, dass unser Hochschulsystem von der Politik administrativ-planwirtschaftlich organisiert wird. Hier lautet die Aufgabe, diesen Bereich wettbewerbsmäßig zu organisieren.

      7. Das System der sozialen Sicherung ist umzugestalten, und zwar nicht nur, weil es nicht mehr finanzierbar ist, sondern auch weil es sich negativ auf die wirtschaftliche Dynamik und die Beschäftigung auswirkt. Die marginale Steuer- und Abgabenquote auf Einkommen aus Arbeit ist extrem hoch. Dies setzt die falschen Anreize für den Arbeitseinsatz und die Anstrengungen, Humankapital zu bilden. Dies wiederum ist kontraproduktiv für eine Zunahme der Arbeitsproduktivität. Für die Unternehmen stellen die Beiträge Arbeitskosten dar. Die Beiträge zur Sozialversicherung wirken wie eine Steuer auf den Faktor Arbeit. Dies schwächt die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften. Sie bauen Arbeitsplätze ab.

      8. Die Lösung kann darin liegen, bei der sozialen Sicherung zwischen großen und kleinen Risken zu unterscheiden: Große Risiken, die der Einzelne aus eigener Kraft nicht tragen kann wie etwa die wirtschaftlichen Folgen einer lang andauernden Krankheit, nehmen wir den Menschen durch die soziale Sicherung ab. Kleinere Risiken tragen sie selbst, etwa den Ausfall des Einkommens am ersten, zweiten und dritten Tag der Krankheit oder der Arbeitslosigkeit. Dafür kann man durch eigene Ersparnisse vorsorgen.

      9. Die Aufgaben des Staates müssen grundsätzlich überdacht werden: Wo kann er sich zurücknehmen und Raum für die Privaten schaffen?

      10. Subventionen machen 156 Mrd. Euro pro Jahr aus, das sind etwa 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 35 Prozent des Steueraufkommens. Oft werden Altsektoren künstlich am Leben gehalten. Subventionen sollten mit einem vorgegebenem Prozentsatz pro Jahr auslaufen.

      11. Die offensichtliche Fehlsteuerung des Regelwerks für Arbeit ist mit drei Aspekten ursächlich eng verbunden: die Schwächung der Nachfrage nach Arbeitskräften durch die Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherung, dem Lohnfindungssystem und der Höhe des Alternativlohns durch staatliche Leistungen. Es wäre verfehlt zu meinen, die hohe Arbeitslosigkeit sei lediglich ein Vermittlungsproblem, das durch eine bessere Organisation der Bundesanstalt für Arbeit gelöst werden könne.

      12. Den Tarifparteien ist das Recht zugesprochen worden, die Löhne zu setzen. Eine eindeutige Verantwortlichkeit für die Mengen, die sich am Arbeitsmarkt in Form von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit einstellen, ist jedoch nicht definiert worden. Regelungen wirken sich als Schutz für die Arbeitsplatzbesitzer aus, die Arbeitslosen werden im Ergebnis diskriminiert. Einige dieser gesetzlichen Regelungen sind anders zu gestalten.

      13. So ist das Günstigkeitsprinzip neu zu regeln. Der Gesetzgeber sollte das Günstigkeitsprinzip dahingehend konkretisieren, dass die Arbeitsplatzsicherheit explizit bei der Günstigkeitsabwägung zu berücksichtigen ist.

      14. Die rechtliche Unzulässigkeit betrieblicher Bündnisse für Arbeit ist zu beseitigen.

      15. Der Tarifvertrag sollte nicht durch weitere rechtliche Regelungen wie das Vergabegesetz zementiert werden, das den kollektiven Arbeitsvertrag zusätzlich durch Regulierung des Gütermarktes verteidigt. Vielmehr kommt es darauf an, den Tarifvertrag weiter zu flexibilisieren und die Lohnfindung näher an die Marktprozesse heranzuführen.

      16. Mehr Flexibilität bedeutet auch mehr Beschäftigung; sie ist deshalb auch im Interesse der Arbeitnehmer.

      17. Der durch die soziale Absicherung definierte Anspruchslohn ist neu zu bestimmen.

      18. Die aus Lohnsubventionen resultierenden Beschäftigungseffekte erwiesen sich bislang - so beim Mainzer Modell - als gering. Je nach Ausgestaltung sind beträchtliche Folgekosten zu erwarten.

      19. Unsere alternde Gesellschaft erfordert einen Umbau der Systeme der sozialen Sicherung. Sie macht darüber hinaus eine explizite Einwanderungspolitik erforderlich, wenn auch dadurch das demographische Problem nicht zu lösen sein wird.

      20. Betrachtet man die letzten zwölf Jahre, so treibt einen die Sorge um, ob wir in Deutschland in Sachen institutionelle Modernisierung nicht etwa bewegungsunfähig sind. Problematisch an der korporatistischen Entscheidungsform etwa des Bündnisses für Arbeit ist, dass bei dem Versuch der Herbeiführung eines gesellschaftlichen Konsenses das Verbandsinteresse ein übergroßes Gewicht bekommt. Es gilt deshalb, die Prozesse in der Volkswirtschaft so zu organisieren, dass sich das Neue dezentral und selbsttätig durchsetzen kann, ohne auf die Entscheidungen der Verbände angewiesen zu sein.

      Prof. Dr. Horst Siebert ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

      Horst Siebert, Thomas Straubhaar, Axel Börsch-Supan u.a.: Patient Deutschland. Eine Therapie. DVA 2002, München, 19,90 Euro

      (ab 24. August im Buchhandel)
      Avatar
      schrieb am 17.09.02 18:52:48
      Beitrag Nr. 146 ()
      Ich möchte jetzt kurz etwas "in eigener Sache"
      mitteilen.

      Einigen habe ich das Folgende bereits per Board-Mail zukommen lassen, aber den unbekannten passiven Usern, die meine Threads mitlasen, möchte ich das auch mitteilen:


      Bitte nicht wundern.....

      .....wenn ich demnächst relativ wenig - vielleicht auch immer weniger, möglicherweise auch garnicht mehr hier im Board poste.

      Ich habe hier eine Reihe netter und intelligenter Leute kennengelernt, das habe ich sehr genossen, aber es passierte auch genau das Gegenteil.

      Ich werde nicht eine totale Auszeit, aber zumindest eine sehr deutliche Reduktion der Boardaktivitäten vornehmen.

      Anlaß waren einige heftige persönliche Beleidigungen meiner Person und eine schwachsinnige Sperrung, Ärger über einige MODs - Ursache ist aber eher die Tatsache, daß ich der Meinung bin, zuviel Zeit hier zu verschwenden.

      Ich bin - wie immer mehr User - zunehmend vom Board enttäuscht.

      Da ich keine Inszenierung möchte, habe ich nicht wie andere einen "Abschieds-Thread" aufgemacht, sondern möchte mich einfach nur bei einigen netten Usern, die meine Threads anklicken, verabschieden.

      es kann ja sein, daß ich wieder Lust am posten bekomme, aber im Moment ist mir nicht mehr danach.

      Gruß

      D.T.


      P.S.: Es wäre ein gewisser minimaler Anstand, wenn der eine User jetzt KEINEN Kommentar abgibt, da ich ihn auch nicht erwähnt habe.

      ich bitte sogar sehr darum.
      Avatar
      schrieb am 17.09.02 21:56:35
      Beitrag Nr. 147 ()
      schade

      mein persönlicher Lieblingsuser a.head
      wurde leider auch zensiert


      die Sozi-Diktatur
      nimmt ihren Lauf
      bishin zur Boardgestapo/stasi
      Avatar
      schrieb am 30.09.02 10:43:04
      Beitrag Nr. 148 ()
      Mit Hartz in die Altersarmut

      Frauen gegen rot-grüne Arbeitsmarktpolitik: Mehr Minijobs werden vor allem dafür sorgen, dass Armut weiblich bleibt. Gender Mainstreaming sieht anders aus

      BERLIN taz Wie versprochen, so gebrochen - nicht nur die Union höhnt über rot-grüne Ankündigungen, die bereits eine Woche nach der Wahl wieder vergessen sind. Auch der Deutsche Frauenrat, der Dachverband von 52 Frauenorganisationen, hat schon jetzt Grund zu klagen. In ihren Wahlprogrammen hatten die Regierungsparteien getönt, dass die Gleichstellung der Geschlechter "bei allen politischen Entscheidungsprozessen im Sinne des Gender Mainstreaming mitbedacht werden muss", so etwa die SPD. Am Wochenende nun kündigten die roten wie die grünen GleichstellerInnen unisono an, die Hartz-Vorschläge schon im Oktober in Gesetzesform gießen zu wollen.

      Das Hartz-Konzept aber sieht unter anderem eine massive Ausweitung des Niedriglohnsektors vor: Die Minijobs in Privathaushalten (Preisfrage: Wer erbringt die wohl? Männer oder Frauen?) werden steuerlich absetzbar, also gefördert. Nicht mehr 325 Euro, sondern bis zu 500 Euro sollen die Putzfrauen laut Hartz-Papier so verdienen können, mit einem winzigen Sozialversicherungsbeitrag, von dem sie im Alter nicht leben können. Damit garantiert man, dass Altersarmut weiterhin weiblich bleibt, moniert der Frauenrat.

      Mit Gender Mainstreaming, das solche Auswirkungen sichtbar machen und bekämpfen soll, hat das Hartz-Papier tatsächlich nichts am Hut. Wenn die Regierung nicht mal beim Umsetzen nachbessert, handelt sie geschlechterblind wie eh und je. Ganz richtig weist der Frauenrat darauf hin, dass mit einem solchen Konzept sowohl die EU-Richtlinie zur Gleichstellung als auch beschäftigungspolitische Leitlinien der EU unterlaufen werden.

      Seit Jahren wird versucht, die schwarz putzende Frau in das normale Sozialversicherungssystem einzugliedern. Am günstigsten sind so genannte Dienstleistungspools. Agenturen beschäftigen die Frauen fest und mit voller Sozialversicherung und senden sie in Haushalte. Diese Agenturen müssten gefördert werden, fordert auch das Wirtschaftsforschungsinstitut "Arbeit und Technik". Die durch einen Minijob "zuverdienende" Ehefrau sei ein Auslaufmodell, so das Institut: Befragungen zeigten, dass Frauen zunehmend "Wert auf eine eigenständige Erwerbstätigkeit legen". Leider hindert Rot-Grün sie daran.

      HEIDE OESTREICH

      taz Nr. 6866 vom 30.9.2002, Seite 8, 78 Zeilen (TAZ-Bericht), HEIDE OESTREICH
      Avatar
      schrieb am 30.09.02 10:44:59
      Beitrag Nr. 149 ()
      Hartz-Papier wird rasch zum Gesetz

      BERLIN ap Die Bundesregierung treibt die Verwirklichung der Hartz-Vorschläge für den Arbeitsmarkt voran: Unmittelbar nach der Konstituierung des Bundestags im Oktober soll Presseberichten zufolge ein erstes Gesetzespaket auf den Weg gebracht werden und zum Jahreswechsel in Kraft treten. Laut Spiegel enthält es diejenigen Pläne, denen der unionsdominierte Bundesrat nicht zustimmen muss. Dazu zählten die Vorschriften für die neuen Personal-Service-Agenturen, die Reform der Zeitarbeit und die Vorschläge zur Beschäftigungsförderung für ältere Arbeitnehmer. Der Großteil der erforderlichen Änderungen solle bereits zum 1. Januar 2003 in Kraft treten, schrieb der Tagesspiegel gestern. Der nordrhein-westfälische SPD-Chef Harald Schartau rief Bundestag und Bundesrat auf, die Vorschläge bis zum Jahresende komplett zu verabschieden.

      taz Nr. 6866 vom 30.9.2002, Seite 7, 30 Zeilen (Agentur)
      Avatar
      schrieb am 30.09.02 10:48:24
      Beitrag Nr. 150 ()
      Die Autorin hat vergessen, zu erläuten, wieso ein erhöhtes Angebot an geringfügiger Beschäftigung Frauen daran hindert, sich vollwertige Arbeitsplätze zu suchen.

      Die Journalistin leidet unter erheblichen Schwächen des logischen Denkens. Auf dem Niveau könnte sie auch für die Bild-Zeitung schreiben.
      Avatar
      schrieb am 07.10.02 08:41:25
      Beitrag Nr. 151 ()
      06.10.2002 16:54

      Kommentar


      Supermann aus dem Westen

      Spekulationen um Wolfgang Clement: Der Regierung droht beim Thema Arbeit ein Fehlstart
      Von Robert Jacobi



      (SZ vom 7.Oktober 2002) - Anfangs geht es in den Koalitionsrunden um Sachfragen, dann erst darum, wie die Posten verteilt werden: Diesen Slogan wiederholen der Kanzler und die Wortführer der Koalition fast täglich. Richtig ist er trotzdem nicht. Schon am Abend der Bundestagswahl ging logischerweise das Geschacher darum los, wer die Reformpläne der Regierung umsetzen soll.

      Als unsichere Kandidaten gelten seither Arbeitsminister Walter Riester und Wirtschaftsminister Werner Müller. Der eine, weil das Image des langweiligen Verwalters an ihm klebt, der andere, weil er sich bei aller Fachkompetenz im Kabinett zu selten durchgesetzt hat.

      Der ständige Verweis auf Sachfragen ist strategischer Natur. Während die Experten der Fraktionen über Steuern, Bildung und Familienpolitik streiten, klären die Akteure im Kanzleramt, wer welchen Job übernehmen könnte. In aller Diskretion natürlich. Dann aber hat sich Wolfgang Clement, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, verplappert.

      Ob das absichtlich war oder nicht: Die Koalition ist beschädigt, die Minister Müller und Riester, so sie denn weitermachen, erst recht. Ein zweiter Fehlstart droht – und das auf dem wichtigsten Schauplatz, der Reform des Sozialsystems, dessen marodester Teil der Arbeitsmarkt ist.

      Wenn der Bundeskanzler die Personaldebatte nicht schnell beendet, wird Chaos ausbrechen. Da hilft dann auch kein Superminister. Schröder hat den Arbeitsmarkt zur Chefsache erklärt, und an dem Erfolg dieser Sache werden er und seine zweite Regierung zurecht gemessen. Die Reform kann aber nicht funktionieren, wenn die zuständigen Minister dastehen, als seien sie nur mangels einer echten Alternative im Amt.

      Dazu kommt der Ärger um den Arbeitsstil von Florian Gerster, einst Hoffnungsträger :laugh: bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Im Frühjahr noch wollte der Kanzler nicht aufhören, ihn zu loben. :D Gerster überschätzte daraufhin sich :D und seine Rolle :D . Nur schwer scheint er es jetzt zu verkraften, dass VW-Personalchef Peter Hartz seine Traumrolle als Vordenker der Arbeitsmarktreform usurpiert hat. Dabei hat Gerster genug damit zu tun, in seiner Megabehörde aufzuräumen.

      Ärger droht noch von anderen Seiten: Die Gewerkschaften, obwohl in der Hartz-Kommission vertreten, wollen das Konzept doch nicht eins zu eins umsetzen – angeblich, um existierende Arbeitsverhältnisse zu schützen. Die Grünen mischen sich mit detaillierten Nachforderungen ein. Die Union droht damit, Teile der Reform im Bundesrat zu blockieren.

      Während Hartz sich in Wolfsburg als Messias feiert :laugh: :D , droht sein Papier im politischen Gezerre beschädigt zu werden. Verhindern kann das der Kanzler nur, indem er die Aufgaben klar verteilt und auf schnelles Handeln drängt. Clement wäre der richtige Mann, doch er hat es daheim bequemer und wird dort gebraucht.

      Klar, die Herren Riester und Müller haben in den letzten vier Jahren manche Chance vertan. Dass aber die Regierung den Arbeitsmarkt erst zu reformieren begann, als die Wahlniederlage drohte, ist nicht ihre Schuld. Dieses Versäumnis geht auf das Konto des Kanzlers.
      Avatar
      schrieb am 07.10.02 10:58:59
      Beitrag Nr. 152 ()
      Aber das völlige Versagen von Florian Gerster wurde zumindest fürstlich belohnt:

      Extra für ihn hat man das eh´schon üppige Direktoren-Gehalt nun als "Vorstandsgehalt" umgetauft und mehr als verdoppelt: auf sensationelle 250.000€ zzgl.Spesen... im öffentlichen Dienst wohl einmalig.

      Aber bei einem ist es geblieben beim angeblich so reformerischen Florian Gerster:

      Er wird - wie im öffentlichen Dienst üblich - NICHT NACH LEISTUNG, sondern nur nach großer Schnauze und dem absondern kesser, dümmlicher Sprüche bezahlt... :mad:
      Avatar
      schrieb am 13.10.02 13:03:39
      Beitrag Nr. 153 ()
      SPIEGEL ONLINE - 11. Oktober 2002, 15:31
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,217731,00.html



      Zahlenkosmetik:
      Wie sich Rot-Grün den Arbeitsmarkt schön rechnet


      Von Michael Kröger

      Die Bundesregierung will die Höhe der Arbeitslosigkeit neu berechnen. Experten vermuten dahinter nichts anderes als eine gewaltige kosmetische Operation.

      Berlin - In den Pressekonferenzen streiften die Unterhändler von SPD und Grünen den Punkt nur am Rande. Fast schien es, als wollten die Beteiligten ihn im allgemeinen Grundrauschen der Koalitionsverhandlungen untergehen lassen. Es geht um die Neufassung der Erwerbslosenstatistik, die VW-Vorstand Peter Hartz in seinen Empfehlungen zur Ankurbelung des Arbeitsmarktes vorgeschlagen hatte.

      Die Fußnote birgt allerdings einige Brisanz: Denn nach der neuen Rechnung wären statt wie zuletzt im September rund 3,945 Millionen nur noch 2,745 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Die Arbeitslosenquote betrüge statt 9,5 Prozent nur noch 8,3 Prozent. Ein toller Erfolg für die Regierung Schröder.


      Im Entwurf der Koalitionsvereinbarung ist die vollständige Umsetzung des Hartz-Papiers festgeschrieben, wie Elisabeth van der Linde, Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit, gegenüber SPIEGEL ONLINE bestätigte. Ehrgeiziges Ziel der Hartz-Kommission ist es, die registrierte Arbeitslosigkeit von derzeit vier Millionen in den nächsten drei Jahren auf fast zwei Millionen zu reduzieren - vornehmlich mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.

      Vermutlich wird aber die Angleichung der Arbeitslosenstatistik an die allgemein gängige Praxis in der EU den größten Anteil an der Senkung der Arbeitslosenquote haben - jedenfalls kurzfristig. Hintergrund der Neufassung ist, dass von den offiziell erfassten Arbeitslosen rund 1,2 Millionen Menschen nicht für die Job-Vermittlung zur Verfügung stehen, darunter zum Beispiel Hausfrauen, die sich um ihre Kinder kümmern. Sie haben sich aber arbeitslos gemeldet, um ihre Ansprüche auf Unterstützungsleistungen zu wahren. In der neuen Version werden nur noch jene Menschen als arbeitslos erfasst, die auch Arbeit suchen.

      Die Statistik-Bereinigung berge die Chance, mehr Transparenz und damit im internationalen Vergleich mehr Aussagekraft in das Zahlenwerk zu bekommen, sagte von der Linde: "Nur so können wir unsere Instrumente in der Arbeitsmarktpolitik zielgerichtet und effektiv einsetzen". Wichtigstes Ziel sei es, die Arbeitsvermittlung zu stärken.

      Diese Argumente überzeugen allerdings nicht alle Experten. Martin Werding, Leiter des Fachbereichs Sozialpolitik und Arbeitsmärkte beim Münchner ifo-Institut, bezweifelt, dass sich durch die neuen Rechenmodelle für die Statistik ein wirksamer Effekt zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit ergibt. In der Tendenz sei die Wirkung sogar negativ: "Der Druck auf die Regierung zur Vornahme schmerzhafter Einschnitte wird spürbar nachlassen. Reformen werden so eher schwieriger."

      Im Übrigen müsste im Falle einer Neuberechnung der Statistik konsequenterweise auch die große Zahl derjenigen wieder miteinbezogen werden, die in Arbeitsbeschaffungs- oder so genannten Strukturanpassungsmaßnahmen steckten. In den anderen EU-Ländern seien ABMler auch von der Statistik erfasst.

      Viel mehr könne die Regierung erreichen, wenn sie sich um die Veränderungen der Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt kümmern würde, sagte Werding. "Dazu zählt die Reduzierung der Lohnnebenkosten ebenso wie die Lockerung der starren Kündigungsregeln." Der Arbeitsmarktexperte vermutet, dass die neuen Zahlen eher der Kosmetik dienen sollen.
      Avatar
      schrieb am 03.11.02 21:39:45
      Beitrag Nr. 154 ()
      http://www.sueddeutsche-zeitung.de/index.php?url=deutschland…
      03.11.2002 16:48

      Regierung weicht zentrales Element der Hartz-Pläne auf


      Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat bei der Umsetzung der Hartz-Pläne zur Reform des Arbeitsmarktes deutliche Zugeständnisse an die Gewerkschaften gemacht und damit ein zentrales Element des Konzepts eingeschränkt.

      Von den neuen Personal Service Agenturen (PSA) entliehene Arbeitskräfte sollen entgegen den ursprünglichen Plänen genauso bezahlt werden wie Beschäftigte des entleihenden Unternehmens, sagte DGB-Chef Michael Sommer. Darauf hätten sich die Gewerkschaften und die Bundesregierung verständigt. Leiharbeiter der PSA würden den Beschäftigten des entleihenden Betriebes "nach Lohn und Arbeitszeit" gleichgestellt. Nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" soll die Regelung nicht nur für PSAs, sondern für alle Leiharbeit-Firmen gelten. Ein Sprecher von Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) wollte sich nicht dazu äußern. Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, übte heftige Kritik an der Aufweichung des Hartz-Konzepts. Der Wirtschaftsforscher Klaus Zimmermann warnte, das Hartz-Konzept drohe durch die Veränderungen zu scheitern.
      ...
      ...
      _____________________________________________________________________
      Eine andere Meldung hierzu:
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      http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=2&item=213788

      Gerster: Hartz-Pläne sind unrealistisch

      03. Nov 15:32


      BA-Chef Florian Gerster kritisiert die Regierung. Die Pläne zur Leiharbeit seien völlig unrealistisch und würden Arbeitslosen nicht helfen.

      Der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, hat die Regierungspläne zur Leiharbeit kritisiert. Wenn für arbeitslose Leiharbeiter künftig Tariflöhne gezahlt werden müssten, «muss man viele andere Anreize bieten, damit überhaupt ein Arbeitsloser übernommen wird», sagte Gerster dem «Tagesspiegel». So könne das Ziel der geplanten Personal-Service-Agenturen kaum erreicht werden.
      Gerster will zudem keine Zeitarbeitsfirma unter dem Dach der BA. Seine Behörde könnte dagegen Aufträge für an Dritte vergeben. «Die Leiharbeitnehmer wären von vornherein stigmatisiert», sagte er. Kommerzielle Firmen könnten sie besser mit ihrer normalen Klientel mischen. (nz)

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      Anschließend noch eine ca. ein Monat alte Meldung.
      Mal sehen, wie lange die Bestand hat.
      _____________________________________________________________________


      http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=2&item=209818

      Regierung dementiert Entlassungspläne für Gerster

      05. Okt 2002 10:53, ergänzt 12:04


      Nach Medienberichten ist der Kanzler von Florian Gerster als Chef der Bundesanstalt für Arbeit nicht mehr überzeugt. Die Regierung dementiert.

      Die Bundesregierung hat einen Bericht des «Spiegel» dementiert, nach dem Bundeskanzler Gerhard Schröder den Leiter der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, entlassen will. «Das sind wilde Spekulationen, an denen nichts dran ist», sagte ein Regierungssprecher am Samstag in Berlin.
      Der «Spiegel» hatte sich auf einen engen Vertrauten des Kanzlers berufen. Schröder sei zunehmend verärgert darüber, dass Gerster das Hartz-Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes immer wieder als «nicht ausreichend» kritisiere. Damit werde es schwerer, die Pläne auch umzusetzen. Schröder wolle aber sein Wahlversprechen einhalten, die Kommissionspläne «eins zu eins umzusetzen».

      Sollte sich Gerster «nicht auf die Vorschläge der Kommission einschwören lassen, ist sein Posten in Gefahr», zitierte der «Spiegel» den Vertrauen des Kanzlers.

      Schröder werfe Gerster vor, dass er die Gewerkschaften gegen sich aufbringe - mit den von ihm geforderten Kürzungen bei den Sozialleistungen. DGB-Chef Michael Sommer soll sich darüber beim Kanzler beschwert haben.

      Gerster ist seit Frühjahr Chef der Bundesanstalt für Arbeit. Vorher war er Arbeitsminister in Rheinland-Pfalz. (nz)
      Avatar
      schrieb am 08.11.02 01:20:34
      Beitrag Nr. 155 ()
      Schmidt macht wieder einmal eine Milchmädchenrechnung auf.

      Nullrunde heißt ja nicht nur die angeblichen 158 € weniger Einkommen, sondern gleichzeitig ein vielfaches an MehrAUSGABEN.
      Oder gibt es einen generellen staatlichen Preisstopp?

      Einen Lohnstopp bei Arzthelfer/innen, Mieten, Heizungskosten,.... ??? Wohl kaum. Und die Steigerung der Lohnnebenkosten der Angestellten wird ja auch stattfinden.

      Wer so die Menschen verarschen will wie Schmidt, der gehört nicht auf diesen Posten.


      Ein Arbeitsmarkt für 4,2 Millionen Menschen wird gegen die WAnd gefahren.

      Es hat bereits einmal (1997) einen zwangsweisen Entlassungschub bei den Praxen gegeben.
      DAmals erklärte JAgoda den staunenden Journalisten auf der Pressekonferenz erläutert, weshalb im Frühjahr die Arbeitslosenzahlen nicht gesunken waren:

      "Die niedergelassenen Ärzte sparen durch ihre wirtschaftliche Lage bedingt massiv Personal ein."

      Dies wird in den nächsten Monaten erneut geschehen.

      Nur dieses Mal werden auch die Krankenhäuser entlassen müssen.

      Absurd: Durch die Verweigerung des Inflationsausgleiches werden zehntausende Menschen zusätzlich arbeitslos werden.

      Und allein dadurch werden NOCH weniger die GKV_Beiträge zahlen können und die Bundesanstalt für Arbeit wird ein mehrfaches der Einsparungen an Arbeitslosengeld und Sozialen Ersatzleistungen zahlen müssen.

      NAchdem man auf diese Art zehntausende Arbeitslos machte,die eigentlich einen notwendigen Job machen, werden diese oder andere Menschen über zweifelhafte, teure Lohnsubventionierungen in unsichere zeit-Arbeitsplätze einer anderen Branche gedrückt, in einen anderen Beruf, wo sie mit anderen um die wenigen Jobs konkurrieren.

      Wegen knapp 1-2% an Inflationsausgleich.....


      Echt klasse, das RotGrüne Konzept.... brilliant.

      Dafür zahlen wir den 44.000 verbleibenden Steinkohle-Kumpels 3,6 Mrd. Euro an Subventionen (für jeden das VIERFACHE des Lohnes! ) , damit diese gerade einmal 1,8% des Energiebedarfes der Bundesrepublik rezeugen können.

      Echt klasse, Hut ab, Herr Clemens! :D

      Vielleicht können ja einige Sprechstundenhilfen jetzt auf Bergarbeiter Umschulen?





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      Proteste gegen Sparvorhaben von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) angekündigt. Kassen stützen Pläne

      BERLIN dpa Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker proben den Aufstand gegen das Sparpaket von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Parallel zur ersten Lesung des Notprogramms im Bundestag kündigten die im "Bündnis für Gesundheit" vereinten Verbände eine Protestwelle an. Zum Auftakt würden am Dienstag Beschäftigte vor das Brandenburger Tor ziehen.

      Als Folge der Sparpläne drohten Engpässe bei der Versorgung, Wartelisten bei Operationen und der Abbau von mehr als 60.000 Stellen, erklärten die Verbandsvertreter. Ärztepräsident Jörg Dietrich Hoppe forderte, lieber kurzfristig die Beiträge steigen zu lassen, als bei Ärzten und Kliniken zu sparen. Der Kostenstopp werde "unweigerlich auch ein Leistungsstopp".

      Schmidt warf den Verbänden dagegen Realitätsverlust vor. Ein Kassenarzt verliere durch die Sparpläne gerade 158 Euro monatlich an Honorarzuwachs. Auch Verbraucherverbände und Kassen stellten sich hinter Schmidts Sparpaket. Dieses sei sozial ausgewogen.

      Als Folge der Sparpläne müssen die Kassenärzte laut Ministerium 2003 auf 220 Millionen Euro an Honorarzuwachs verzichten, Zahnärzte auf 100 Millionen. Den Krankenhäusern gehe 340 Millionen an Zuwachs verloren. Zum Vergleich: Die Versicherten tragen durch die Halbierung des Sterbegelds rund 380 Millionen Euro zur Entlastung bei. Auch die gesetzlichen Kassen erwarten bis zu 300 Millionen Euro Mehreinnahmen, weil durch die höhere Versicherungspflichtgrenze mehr Gutverdiener bei ihnen bleiben müssen.

      taz Nr. 6899 vom 8.11.2002, Seite 2, 53 Zeilen (Agentur)
      Avatar
      schrieb am 11.11.02 16:37:48
      Beitrag Nr. 156 ()
      DER SPIEGEL 46/2002 - 11. November 2002
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,222363,00.html
      Arbeitsmarkt

      "Hartz ist Geschichte"

      Regierung und Gewerkschaften haben die geplante Radikalkur gegen Arbeitslosigkeit bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen. Experten rechnen kaum noch mit Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Selbst VW-Vorstand Peter Hartz geht auf Distanz.


      Superminister Clement: Wenn das Projekt floppt, wird die Krise noch schlimmer


      Der Mann sollte eine Festrede halten: für den Vorstand der IG Metall und deren neuestes Prunkstück - einen 80 Meter hohen Büropalast aus Naturstein und Glas, am Rande des Frankfurter Bankenviertels, fast 125 Millionen Euro teuer. Und so sagte VW-Vorstand Peter Hartz am vergangenen Montag, was man so sagt, wenn man Klaus Zwickel und Co. zum Richtfest ihrer neuen Großimmobilie beglückwünschen soll: Als "neue Art von Stadttor" lobte Hartz den Gewerkschaftsbau, als "Zukunftslabor" und als "Möglichkeit, neue Konzepte beispielhaft umzusetzen".

      Ein artiger Routineauftritt eben - bis der wichtigste Wahlhelfer des Kanzlers auf ein anderes Thema zu sprechen kam: die nach ihm benannte Arbeitsmarktreform. Er erwarte, dass die Bundesregierung seine Pläne wie vorgesehen umsetzen werde, rief der Manager der Festgesellschaft zu. Und zwar, wie er anfügte, "eins zu eins". Entsprechende Zusagen hätten ihm schließlich Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement gegeben.

      Was hinter der eindeutigen Mahnung des Managers steckte, brauchte der betreten schweigenden Funktionärsschar um IG-Metall-Boss Klaus Zwickel niemand zu erläutern. Der VW-Mann ist tief besorgt, dass sein Reformkonzept im laufenden Berliner Gesetzgebungsverfahren weitgehend umgebogen wird.


      Vor allem die jüngsten Ideen zur geplanten Leiharbeitsreform hätten Hartz "hochgradig alarmiert", berichten Kommissionsmitglieder. "Das ist nicht mehr sein Konzept." Derzeit überlege der Manager nur noch, wie er seine Kritik am besten deutlich mache: öffentlich oder besser intern bei einem Treffen mit Schröder und Clement nächsten Mittwoch in Wolfsburg. Hartz weiß, heißt es in seinem Expertengremium, "er hat nur einen Schuss frei".

      Für einen Eingriff des Reform-Erfinders wird es höchste Zeit. Fünf Monate nachdem der SPIEGEL erstmals über die Pläne des VW-Managers berichtet hatte, sind von der angekündigten "Radikal-Kur gegen Arbeitslosigkeit" (SPIEGEL 26/2002) vielfach nur noch die PR-Formeln übrig geblieben. Von der "Ich-AG", über die "Personal-Service-Agenturen" bis zur "Quick-Vermittlung": Was Superminister Clement vergangene Woche als "größte Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Republik" ins Parlament einbrachte, hat mit dem ursprünglichen Hartz-Plan nicht mehr viel gemein.

      Und das Weichspülverfahren geht weiter. Eine Allianz aus Gewerkschaftern, um DGB-Boss Michael Sommer und Ver.di-Chef Frank Bsirske, SPD-Sozialpolitikern sowie Bedenkenträgern aus den Ministerien will dem Konzept in den nächsten Wochen endgültig die Wirkung nehmen. Niedriglöhne, Haushaltsjobs, Kündigungsschutz - überall haben die Kritiker Korrekturbedarf angemeldet. "Wenn sich diese Linie durchsetzt", sagt ein SPD-Wirtschaftsexperte, "können wir die Akte Hartz auch gleich schließen."

      Die üblichen Bedenkenträger hobelten das Konzept im eigenen Interesse glatt

      Dass die Reform für rasche Bewegung auf dem Arbeitsmarkt sorgt, glaubt ohnehin niemand mehr. Die Regierung selbst hat ihre Erfolgsprognosen deutlich zurückgenommen. Die Urteile der Ökonomen reichen von "unfinanzierbar" bis "nahezu wirkungslos".

      Für die Problemgruppen des Arbeitsmarkts - Dauerarbeitslose, Ungelernte, Ältere - wird das Konzept die Lage sogar verschlechtern. Schon heute ist klar: Trotz Hartz wird die Joblosenzahl auch im nächsten Jahr bei über vier Millionen liegen.

      Behalten die Skeptiker Recht, bekommt der Kanzler ein zusätzliches Problem. Bislang galt die Hartz-Reform als Schlüsselprojekt der gesamten Legislaturperiode: Erst einmal müssen die Arbeitslosenzahlen sinken, so lautet das aktuelle Regierungs-Mantra, dann lassen sich auch die Probleme mit Konjunktur und Sozialkassen lösen. Jetzt macht in der Koalitionsspitze das gegenteilige Szenario die Runde: Wenn das Projekt floppt, so die Befürchtung, wird die aktuelle Krise noch schlimmer.

      Es wäre eine Riesenenttäuschung, schließlich war das Projekt so verheißungsvoll gestartet. Nach mehrmonatigen Beratungen hatte Hartz im Sommer einen Plan präsentiert, der parteiübergreifend ein positives Echo fand. Mit Einschnitten beim Arbeitslosengeld, schnellerer Vermittlung und dem gezielten Fördern von Leiharbeit, Selbständigkeit und Minijobs hatte er die Ideenskizze für einen gleichermaßen tief greifenden wie konsensfähigen Umbau des blockierten Arbeitsmarkts gewiesen.

      Doch nachdem der erste Jubel abgeklungen war, beugten sich die üblichen Bedenkenträger aus Gewerkschaften, Interessenverbänden und Behörden über die Pläne - und hobelten das Konzept im eigenen Interesse glatt. Die geplanten Leistungskürzungen für Arbeitslose wurden frühzeitig fallen gelassen, die staatliche Förderung von Niedriglohnjobs auf ein Minimum gestutzt und die Reform der Arbeitsverwaltung im Beamteninteresse abgeschliffen.

      Noch während sich Bundestag und Bundesrat mit dem Gesetz befassen, steht die nächste Nachbesserungsrunde ins Haus: Finanzminister Hans Eichel will die geplante Steuerförderung von Haushaltsjobs so gering wie möglich halten. Seine Kollegin Ulla Schmidt aus dem Gesundheitsressort dringt auf möglichst hohe Krankenkassenbeiträge für die neuen Selbständigen aus den so genannten Ich-AGs. Die SPD-Linke will den vorgesehenen Abbau beim Kündigungsschutz für Ältere stoppen.

      Die Wirkung der gewünschten Korrekturen wäre stets dieselbe: Der Abbau der Arbeitslosigkeit wird verlangsamt, zusätzliche Jobs können so kaum entstehen.

      Das gilt auch für die bislang radikalste Abkehr vom ursprünglichen Reformplan, die in der vergangenen Woche die Gewerkschaften durchsetzten. Die Funktionäre von DGB und Co. nutzen die starke Stellung nach ihrer massiven Wahlhilfe für Rot-Grün, um das Hartz-Konzept zur Leiharbeit völlig umzukrempeln.

      Was die Kommission als "Herzstück" (Hartz) geplant hatte, um Langzeitarbeitslose und Minderqualifizierte wieder in Beschäftigung zu bringen, wandelten die Funktionäre in wochenlangen Verhandlungen mit der Regierung kurzerhand in ein Konzept zur Stärkung des eigenen Einflusses um. Mit durchschlagendem Erfolg: Auf dem Leiharbeitsmarkt, wo die Funktionäre bislang so gut wie nichts zu sagen hatten, läuft künftig nichts mehr ohne sie.

      Die Branche steht vor einem gigantischen Umbruch. Bislang galten auf dem Leiharbeitsmarkt komplizierte und bürokratische Sonderregeln, zugleich blieb die Branche eine nahezu gewerkschaftsfreie Zone. Betriebsräte, Mitbestimmung, Tarifverträge - alles weitgehend unbekannt. Kein Wunder, dass die Leiharbeiterlöhne bis heute oft um mehr als ein Drittel unter dem Niveau ihrer fest angestellten Kollegen liegen. Ein Ärgernis für jeden Betriebsrat, aber zugleich die einzige Chance für viele Ungelernte und Langzeitarbeitslose, überhaupt wieder einen Einstieg ins Berufsleben zu finden.

      Gerade deshalb nahmen Hartz und seine Experten das Zeitarbeitsmodell zum Vorbild ihrer Reform. Künftig sollte jedem Arbeitsamt eine Leiharbeitsagentur angegliedert werden, die Arbeitslose zu niedrigeren Verdiensten an reguläre Firmen vermietet. Anfangs nur zum Arbeitslosengeld, später zu einem Lohn in Höhe heutiger Leiharbeitsverdienste - immerhin, so das Konzept, "eingebunden in tarifliche Strukturen".

      Doch die Gewerkschaften witterten eine gefährliche Billigkonkurrenz - und setzten bei Wirtschaftsminister Clement schließlich ein völlig anderes Entlohnungsmodell durch. Künftig müssen sich alle Verleihfirmen, egal ob privat oder vom Arbeitsamt beauftragt, im Prinzip an die regulären und deutlich höheren Branchentarife halten. Das bedeutet: Eine Sekretärin von Manpower oder Adecco verdient künftig dasselbe wie ihre fest angestellte Kollegin, nur was der Betrieb obendrauf legt, bliebe ihr verwehrt. Die Konsequenzen sind absehbar: Während sich viele Fachkräfte in der Zeitarbeitsbranche schon auf höhere Löhne freuen, wird die Reform viele Geringqualifizierte und ihre mittelständischen Arbeitgeber zu Verlierern stempeln.

      Zum Beispiel Dirk Schmitt, Chef des Frankfurter Zeitarbeitsunternehmens Team BS. Der Unternehmer beschäftigt rund 1500 Arbeitnehmer, von denen er viele als Hilfskräfte an Automobilzulieferer oder Chemielabors vermietet. Wenn die Clement-Re-form in Kraft tritt, werden seine Leute um rund 30 Prozent teurer. "Das machen meine Kunden nicht mit. Die ordnen lieber zusätzliche Überstunden an oder verlagern weitere Fabriken ins Ausland." Schmitt prophezeit: Wird die Reform umgesetzt, muss er bis zu einem Drittel seiner Angestellten entlassen.

      Ganz ähnlich sieht das Rainer Hennig, Geschäftsführer der Berliner Filiale des Zeitarbeitsriesen Adecco. Auch er rechnet damit, dass er schon bald für bis zu 20 Prozent seiner Leute keine Aufträge mehr hat. Trotzdem malt sich Hennig eine rosige Zukunft im Geschäft mit qualifizierteren Kräften aus: Ingenieure statt Lagerarbeiter, Buchhalter statt Bürohelfer. "Die Branche kommt aus dem Schmuddel-Image raus", freut sich der Manager.

      Ob das für den Arbeitsmarkt das richtige Konzept ist, halten Experten allerdings für fraglich. In Deutschland fehlen schließlich vor allem Stellen für Niedrigqualifizierte und Problemfälle.

      Auch die Regel, wonach in den ersten sechs Wochen nur das Arbeitslosengeld gezahlt wird, hilft da nicht weiter. Der Bundeskanzler setzt zwar darauf, dass die meisten Leiheinsätze kürzer als sechs Wochen dauern. Aber er vergisst: Die Probezeit kann nur einmal genommen werden, danach muss für jeden neuen Arbeitseinsatz nach Tarif bezahlt werden.

      Das weiß auch Clement. Er setzt deshalb darauf, dass die Gewerkschaften für niedrig qualifizierte Arbeitslose Ausnahmen von seiner strengen Tarifregel zulassen. Ob die Rechnung aufgeht?

      Derzeit jedenfalls mühen sich die Funktionäre nach Kräften, Clements Zeitarbeitsreform weiter zu verwässern. In der vergangenen Woche legten sie der SPD-Fraktion einen neuen Katalog von Nachbesserungswünschen vor:

      Die geplante sechswöchige Probezeit, in der Verleihkräfte unter Tarif bezahlt werden dürfen, soll entfallen.

      Über Ausnahmen vom Tarif wollen die Gewerkschaften nicht mit den Zeitarbeitsfirmen verhandeln, sondern mit den Arbeitgeberverbänden der großen Branchen. Dort rechnen sie sich eine bessere Verhandlungsposition aus.

      Die wenigen Zeitarbeitstarife, die bereits heute ein niedrigeres Lohnniveau festschreiben, sollen langfristig auslaufen.
      Die Funktionäre wollen erreichen, dass sie weitgehend allein darüber bestimmen, wie die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Verleihbranche künftig aussehen. Ihre Chancen, damit durchzukommen, stehen nicht schlecht. In der SPD-Fraktion tragen viele die Funktionärsvorschläge mit.
      Schon treibt der Konflikt um die Leiharbeit auch die Mitglieder der Hartz-Kommission auseinander. Jobst Fiedler etwa, der für die Unternehmensberatung Roland Berger in dem Gremium saß, sieht das Konzept grundsätzlich in Gefahr. "Wenn die Leiharbeitstarife nicht genügend Spielraum nach unten lassen, wird die Reform kaum für Entlastung auf dem Arbeitsmarkt sorgen", sagt Fiedler. Handwerks-Geschäftsführer Hanns-Eberhard Schleyer, als Arbeitgebervertreter in die Kommission beordert, fühlt sich sogar "persönlich getäuscht".

      Manche Gewerkschaftsvertreter dagegen haben mit den Abweichungen weniger Probleme. Die "politische Realität" sei nun mal "eine andere", meint die Hartz-Delegierte der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Isolde Kunkel-Weber. Da wäre es doch "falsch, sich sklavisch an den Wortlaut der Kommissionsempfehlungen zu klammern". Der Hartz-Bericht, meint die Funktionärin, "ist eben Geschichte".

      MICHAEL SAUGA
      Avatar
      schrieb am 11.11.02 18:11:39
      !
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      Avatar
      schrieb am 11.11.02 18:56:23
      Beitrag Nr. 158 ()
      Wenn es aber doch einer EU-Richtlinie entspricht, die in den nächsten Jahren eh umgesetzt hätte werden müssen. Außerdem muß man sagen, daß im Gegenzug viele Restriktionen wegfallen.
      Die Zeitarbeitsfirmen Adecco und Randstadt scheinen über die neue Regelung nicht unglücklich zu sein.
      So ein paar Aussagen aus einem Radiobericht vom Samstag.

      Anzuhören hier (leider so ein .rm-Real-Audio-Streaming-File für diesen voll besch... RealPlayer).
      Seite: http://www.swr.de/swr1bw/programm/archiv/2002/11/09/arbeitsp…
      direkter Link: http://www.swr.de/meta/swr1/mantel/arbeitsplatz/2002/11/09/6…
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 02:50:51
      Beitrag Nr. 159 ()
      Das Prinzip gleiches geld für gleiche Arbeit ist richtig.

      Ansonsten sind die zeitarbeiter vogelfrei und dem Lohndumping wird Tür und Tor geöffnet.

      Es geht bei Zeitarbeit (angeblich :D ) ja nicht um die billigere Arbeitskraft, sondern die zeitliche Begrenzung - wie der NAme zeitarbeit ja wohl sagt... ;)
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 11:28:45
      Beitrag Nr. 160 ()
      ... sonst würde es ja nicht "Zeitarbeit" , sondern "Lohndumping-Arbeit" oder "Niedriglöhner" heißen... ;) :D
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 12:00:53
      Beitrag Nr. 161 ()
      D.T. ein wesentlicher Punkt der Hartz- Vorschläge, war es aber nun einmal speziell im Niedriglohnbereich neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wir haben ca. 2Mio. Langzeitarbeitslose, von denen die meisten keine oder eine unzureichende Schul- oder Berufsausbildung haben, es ist doch illusorisch zu glauben, dass diese Leute ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis zu einem relativ hohen Tariflohn bekommen. Entweder wird man solchen Leuten in Zukunft zumuten auch zu einem relativ geringen Lohn zu arbeiten ( evtl. kann der Staat hier ja Zuschüsse gewähren ) oder die Leute liegen dem Staat ein Leben lang auf der Tasche, dann kann man sich von dem Ziel die Arbeitslosigkeit zu verringern jedoch verabschieden und den Menschen sagen, dass wir mir ( offiziellen ) 4- 5 Mio. leben müssen.
      Was für mich jedoch noch schlimmer ist, ist diese bereits obligatorische Verlogenheit der derzeitigen Regierung. Vor der Wahl hat man die Hartz- Vorschläge als den großen Wurf angekündigt mit dem man die Arbeitslosigkeit massiv verringern kann. Und selbst nach der Wahl, hat Schröder die Umsetzung ( 1 zu 1 ) zur Chefsache erklärt ( damit ist er vermutlich genauso erfolgreich wie beim Aufbau Ost :laugh::laugh: ) und schon Wochen später ist dieses Projekt zu " Einem Gesetzesvorhaben zur weiteren Regulierung des Arbeitsmarktes " verkommen. Hier überhaupt noch den Begriff " Hartz " zu verwenden ist für den VW- Personalvorstand wohl eine Zumutung, da er selbst weiß, dass mit dem derzeitigen Vorhaben keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden.

      Der Schröder ist vielleicht als Vorstandsvorsitzender von Metabox oder Comroad geeignet, als Kanzler ist er die größte Niete, die D jemals regiert hat.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 12:14:37
      Beitrag Nr. 162 ()
      @ hasenbrot

      korrekt, vor allem der letzte absatz.
      Typisch übrigens, daß er mit großem TamTAm solche Firmen wie Plasmaselect (" Ein Leuchtturm im Osten" :laugh: )oder SER ( "Auf dem Weg zum Global Player" ) besuchte, die von der gleichen Qualität waren wie er als Bundesdummschwätzkanzler...

      Aber die Gefahr des Lohndumpings ist doch real, das weißt Du genauso wie jeder andere vernünftige Mensch.

      Klar, besser ein Niedriglohnjob als eine lebenslange Existenz auf dem Existenzminimum. Aber daß die mittlereile über 6 Mio REAL-Arbeitslosen nur unqualifiziert sind, das ist doch ein Mythos...
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 12:15:22
      Beitrag Nr. 163 ()
      Und im Übrigen IST HArtz eine Luftnummer.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 14:44:30
      Beitrag Nr. 164 ()
      Kritik bei Hartz-Machern an Umsetzung der Vorschläge durch Rot-Grün

      Dresden (dpa) - Bei den Machern des Hartz-Konzeptes zur Reform des Arbeitsmarktes mehrt sich die Kritik an der Umsetzung der Pläne durch die rot-grüne Bundesregierung. Der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, sagte in Dresden, er rechne mit einem gemeinsamen Protest aus den Reihen der 15-köpfigen Kommission, deren Mitglied er war. Kritik kommt laut Schleyer auch vom Vorsitzenden der Regierungskommission, dem VW-Manager Peter Hartz.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 16:19:07
      Beitrag Nr. 165 ()
      Aber daß die mittlereile über 6 Mio REAL-Arbeitslosen nur unqualifiziert sind, das ist doch ein Mythos...

      das habe ich ja auch nicht behauptet, das von den ca. 2 Mio. Langzeitarbeitslosen jedoch viele unqualifiziert sind,
      kannst Du aber vermutlich auch nicht leugnen, wenn man hier einige hunderttausend wieder in den Arbeitsmarkt integrieren könnte, wäre dies doch schon ein Erfolg und würde den Staat um Mrd. entlasten. Und mit denjenigen, die eine ausreichende Qualifikation haben, hat man ja nicht diese Probleme bei der Vermittlung, Rot- Grün unternimmt zwar alles mögliche um einen wirt. Aufschwung zu verhindern, falls er aber doch irgendwann einmal kommen sollte, wird man für diese Leute auch eine Beschäftigung finden.
      Das Problem in D besteht doch nicht darin, dass wir nicht ausreichend Arbeit haben, sondern darin, dass wir zu wenig bezahlbare Arbeit haben. Und speziell im " Personennahen " Dienstleistungsbereich hätte man bei geringeren Lohnkosten bestimmt ein hohes Potential an neuen Arbeitsplätzen.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 17:09:10
      Beitrag Nr. 166 ()
      Das Problem in D besteht doch nicht darin, dass wir nicht ausreichend Arbeit haben, sondern darin, dass wir zu wenig bezahlbare Arbeit haben

      das stimmt doch nicht, das weißt Du auch.

      Daß wir einige 100.000 schlecht ausgebildete AL haben, das war schon immer so.

      Nur sind jetzt noch ein paar Mio gut qualifizierter dazugekommen.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 18:05:17
      Beitrag Nr. 167 ()
      D.T. hier sind wir halt unterschiedlicher Meinung. Es geistern doch tagtäglich Berichte durch die Presse, in denen Unternehmen ankündigen, dass sie ihre Produktion ins Ausland verlagern. Dies hat sicherlich verschiedene Gründe, u.a. aber auch die hohen Lohn- ( neben ) kosten.
      Ich komme z.B. aus Südniedersachsen, dort gibt es unter anderem eine Produktionsstätte von
      MAN in Salzgitter, mit ehemals ca. 2000 Mitarbeitern. Vor 1-2 Jahren, hat man damit begonnen ein grossteil der Produktion aus Kostengründen nach Polen zu verlagern. Der gesamte Rohbau der Omnibusse erfolgt in Polen, anschließend erfolgt in Salzgitter der
      " Feinschliff " nur durch massiven Protest von Gewerkschaften und Kommunalpolitikern war es möglich, dass man die Produktion anderer Bauteile in Salzgitter ausweitete und damit noch etwa die Hälfte des Personals erhalten konnte. Sonst war es geplant dort nur noch Forschung und Entwicklung zu betreiben.
      Ein anderes Beispiel, mein Nachbar ist Fahrer auf einer großen Betonpumpe, mit der i.d.R. Großbaustellen angefahren werden. Vor einigen Tagen sagte er mir, dass er mehrere Tage beim Bau eines Klinikums beschäftigt war, von den 30- 40 Bauarbeitern, die dort arbeiteten sei außer ihm noch ein anderer deutscher beschäftigt gewesen, die meisten anderen kamen aus Osteuropa.
      Was glaubst Du denn, warum einige hunderttausend Bauarbeiter arbeitslos sind und gleichzeitig werden massenhaft Ausländer ( illegal ) bei uns beschäftigt. Ich vermute mal,
      dass dies nicht an der mangelnden Qualifikation der dt. Bauarbeiter liegt.
      Eine ähnliche Situation haben wir doch im gesamten Handwerk, wer ist denn als Normalverdiener noch dazu in der Lage Stundenlöhne die jenseits von 50€ liegen zu bezahlen, die Schwarzarbeit bei uns hat doch Wachstumsraten, wie in keinem anderen europäischen Land.
      Zusätzlich sind doch ganze Industriezweige wie z.B. die Textilindustrie, in denen auch Leute mit geringerer Qualifikation beschäftigt waren abgewandert.
      Ich vermute mal, dass sich dieser Prozess in Zukunft noch weiter verschärfen wird, wenn die EU erweitert wird. Die Leute dort sind auch nicht blöd, sind aber dazu bereit für ein deutlich geringeres Einkommen zu arbeiten.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 18:17:03
      Beitrag Nr. 168 ()
      Anmerkung: Es ist sicherlich nicht sinnvoll auf breiter Front die Löhne zu senken, da die Leute dann auch weniger konsumieren können.
      Wenn aber solche Dinge passieren, wie in diesem Frühjahr, wo es durch massive Streiks zu vollkommen überzogenen Lohnsteigerungen gekommen ist,
      dann braucht man sich wohl nicht zu wundern, wenn es in der derzeitigen wirt. Lage in der viele Unternehmen keine Gewinne mehr erzielen und das Eigenkapital gegen
      Null tendiert, massiv Personal abgebaut wird.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 18:34:44
      Beitrag Nr. 169 ()
      hasenbrot,

      wenn auf der Baustelle ausländische Arbeiter beschäftigt sind und der NAchbar den Verdacht der Illegalen Arbeit hat, so sollte er seine dt. Kollegen schützen und das Arbeitsamt einschalten per anoymer Anzeige.

      Dann stehen morgen früh um 7:00 dort 50 Beamte und machen eine RAzzia. Auch ausländische Arbeiter müssen den dt.Lohn bekommen. Und wenn das der Fall ist, dann lohnt sich ein Import von Arbeitern kaum noch.
      Die dt. Behörden greifen da hart durch,wenn man den Berichten glauben schenken darf.

      Aber zurück zum Gesamtzusammenhang:

      Wir sind ein Exportland und daher liegt unser "Wohl und Wehe" in der High-tech-Produktion.

      Die einfachen Jobs können natürlich auch von schlechter qualifizierten Menschen aus anderen Ländern gemacht werden.

      Unsere Zukunft kann nur in innovativen und komplexen Prokten liegen. Aber das Gefälle zwischen den östlichen NAchbarn wird immer geringer. Abschotten hilft da nicht. Wir Deutschen sind teilweise zu bequem geworden.

      Wieso z.B. ist mittlerweile die eher als Mittelpreisig konzipierte Marke Skoda derjenige Teil des VW-Konzerns, der die bste Qualität abliefert und die Passat-Produktion in deutschland wegen ihrer Qualitätsmängel bereits Legende?

      Wieso können die Motorenwerke in Ungarn nicht nur billiger produzieren (so ist das nun einmal, da können wir das Rad der Lebensstandards nicht zurückdrehen) , sondern sind auch noch wesentlich PRODUKTIVER UND HABEN FAST EINE NULL-FEHLER-Qualität?

      Die sind hungrig und bereit, für ihre Geld etwas zu leisten.

      Diejenigen Branchen, in denen wird durch High-Tech keinen Produktivitätsvorsprung erreichen, der den Lohnkostenanteil wettmacht, werden wir eben verlieren.
      DAs hängt nicht an den Löhnen, sondern an der Branche.

      Daher sollten wir z.B. die 6,8 Mrd. € Steinkohlesubventionen für weiterqualifikationen und staatliche Förderung in Zukunftstechnologien investieren.

      Der bergbau in Deutschland (ausgeenommen der proitable, weil hochtechnisierte Braunkohletagebau z.B. bei Rheinbraun) hat nur noch historische Bedeutung - da muss man Realist bleiben. Kein Blick zurück: es gibt so viele Zukunftstechnologien, in denen wir Deutsche oftmals führend sind. Unser Problem iszt jedoch, daß in unsinnige Projekte (Transrapid) mrd verpulvert werden, anstatt - wie in den USA - bei OFFENSICHTLICHER MARKTREIFE der neuen technologien diese ganz massiv EU-weit zu fördern.

      Mit diesem Trick (nämlich als Verfolgerfeld in der Forschung z.B. bei Solartechnologie oder nanotechnologie) hinterder Bundesrepublik bei der Grundlagenforschung zu beliebn, aber beim Markteintritt gigantische Summen zur Anschubfinanzierung bereitzustellen haben uns die USA bereits öftres auf der zielgeraden überholt.

      DORT muss sich etwas ändern. Nicht in der bauwirtschaft oder im Bergbau.

      denk an die Webstühle.

      Industrielle revolutionen kann man nicht aufhalten, das ist wie der versuch, schnell flussauf zu schwimmen. Es geht nicht. ;)
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 18:41:58
      Beitrag Nr. 170 ()
      a hasenbrot

      was der BDA und der BDI gerne verschweigt bei den Jammerorgien, ist die Tatsache, daß in Deutschland durch die hohen Löhne eine hohe Automatisierung erreicht werden MUSS, um konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt zu bleiben.

      Und eine relativ gut durchgehaltener Arbeitsfriede und hohe Qualifikationen habven das in der Vergangeheit auch ermöglicht.

      In Holland war das anders - dort sind die Unternehmen bequem geworden und haben 10 Jahre geschlafen.
      Jetzt sind die TROTZ niedriger Löhne nicht mehr international konkurrenzfähig.

      Verstehst DU? Lohndruck hat auch viele positive Effekte!

      Binnennachfrage und ständige innovation z.B. sowie die Möglichkeit, die bei uns produzierten besten Maschinen deswegen in alle Welt exportieren zu können.
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 20:26:39
      Beitrag Nr. 171 ()
      D.T. den Hinweis auf die Niederlande hättest Du mir besser nicht geben sollen.






      Das Wirtschaftswachstum 2001 lag mit 1,5 % deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone.
      Im Gegenzug hat sich die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren immer weiter
      verringert und lag im Jahr 2001 bei 2,3 %, weit unter dem Durchschnitt der Eurozone von 8,5
      %. Eine geringe Staatsverschuldung rundet das positive wirtschaftliche Umfeld ab.


      Quelle:http://www.hci.de/immo/con_musterland.html


      Einen anderen interessanten Beitrag findest Du unter:http://www.geographie.uni-osnabrueck.de/mitarbeiter/wolterin…


      Dort wird u.a. darüber berichtet, dass man durch einen jahrelangen Verzicht auf Lohnsteigerungen die Arbeitslosenquote massiv senken konnte.




      Dein Posting 169 bestätigt doch meine Einschätzung, dass andere auch nicht ganz dumm sind und die PISA- Studie hat ja gezeigt, dass andere auch noch wesentlich pfiffiger sind als wir. Daher werden die Lohnkosten eine immer größere Rolle bei der Investitionsstrategie von Global Playern spielen.
      Abgesehen davon weiß ich nicht, ob man ca. 40 Mio. AN nur im High Tech- Bereich beschäftigen kann. Vor 2 Jahren war man ja noch der Meinung, dass man tausende von Informatikern nach D holen müsste um dort die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen. Was daraus geworden ist,ist ja bekannt, dort wurde in den letzten Jahren vermutlich noch mehr Personal abgebaut als in der Baubranche.
      Übrigens fanden auf der von mir erwähnten Baustelle laut Aussage meines Nachbarn fast täglich Razzien statt, das Dumme war nur , dass die Leute scheinbar alle legal gearbeitet haben, ob sie aber für einen bestimmten Lohn 40 oder 60h die Woche gearbeitet haben, kann aber vermutlich keiner nachvollziehen. Man kann nicht neben jeden Arbeiter einen Beamten stellen!
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 20:41:12
      Beitrag Nr. 172 ()
      Avatar
      schrieb am 12.11.02 21:15:14
      Beitrag Nr. 173 ()
      sorry, aber mir 246 Postings durchzulesen, um einen Hinweis auf die Niederlande zu finden
      ist mir doch ein bisschen zu mühselig. Ich denke mal, die Statistik in 171 zeigt, das die Situation
      dort wohl nicht so schlecht ist.

      Und ob es sinnvoll ist, die Unternehmen durch immer höhere Löhne, immer weiterem Rationalisierungsdruck auszusetzen,
      möchte ich bezweifeln. Wenn dies der Fall sein sollte, müßten wir ja Vollbeschäftigung haben. Es ist einiges faul an unserem Systhem
      u.a. auch eine vollkommen verkehrte Tarifpolitik.
      Avatar
      schrieb am 13.11.02 01:12:50
      Beitrag Nr. 174 ()
      Die letzten 25 postings des zitierten Threads hätten gereicht.
      Avatar
      schrieb am 13.11.02 07:52:21
      Beitrag Nr. 175 ()
      Naja D.T. ich weiß nicht, welchen Hinweis ich dort finden soll, der besagt, dass dies holländische Modell gescheitert ist. Statistiker zu fälschen, wirft man vermutlich jedem Land vor, dies wird man in den Niederlanden genauso handhaben wie bei uns. Wenn man in jedem Land die tatsächliche Arbeitslosigkeit 50% höher ansetzt, dann liegen wir halt in Holland bei 3,5% und in D bei knapp 15%. Hinzu kommt wohl, das es hier in D viele aufgegeben haben, sich überhaupt um einen Job zu bemühen, da keinerlei Aussicht auf Erfolg besteht, diese Leute erschienen gar nicht in der Statistik. In Holland dagegen hat man Vollbeschäftigung, jeder der dort arbeiten möchte, wird auch Arbeit finden.
      Ob man dass dortige System zu 100% auf D übertragen kann, weiß ich nicht, da wir als große Exportnation nicht nur den eigenen Binnenmarkt bedienen. Auf der anderen Seite muss man dort den eigenen Markt auch zu konkurrenzfähigen Preisen bedienen, da dies sonst andere Nationen übernehmen.
      Deine Aussage, dass Lohndruck viele positive Effekte hat scheint mir jedoch " Blödsinn ;)" zu sein, hier zeigt Holland genau das Gegenteil, es entsteht nur weiterer Rationalisierungsdruck, der zu weiteren Entlassungen führt. Außerdem kann man einem nackten Mann ( einem Unternehmen welches keine Gewinne erzielt und davon gibt es derzeit jede Menge ) nicht in die Tasche greifen.
      Avatar
      schrieb am 13.11.02 18:23:26
      Beitrag Nr. 176 ()
      weil es sich so "bedrückend" liest:


      Berlin/Brüssel -
      Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) braucht gute Nerven: Gleich drei schlechte Nachrichten muss er verdauen.
      Den öffentlichen Haushalten fehlen für die Jahre 2002 und 2003 rund 31 Milliarden Euro.
      Außerdem sagt die EU-Kommission für Deutschland auch im kommenden Jahr ein überhöhtes Defizit voraus.
      Schließlich schätzt der Sachverständigenrat der "Fünf Weisen" das deutsche Wirtschaftswachstum für dieses Jahr auf nur noch 0,2 Prozent.

      Enorme Steuerausfälle

      Die schlappe Konjunktur führt nach den Ergebnissen der Steuerschätzung 2002 und 2003 zu enormen Steuerausfällen. In diesem Jahr sind es für Bund, Länder und Gemeinden zusammen 15,1 Milliarden Euro und im nächsten 22,0 Milliarden. Das stellte der Arbeitskreis "Steuerschätzungen" am Mittwoch nach zweitägigen Beratungen in Dessau fest. An den konjunkturbedingten Steuerausfällen gegenüber der Schätzung vom vergangenen Mai ist der Bund mit 6,2 Milliarden Euro in diesem Jahr und 8,9 Milliarden im nächsten beteiligt.

      Berlin droht Strafe von zehn Milliarden Euro

      Die EU-Kommission erwartet, dass Deutschland im Jahr 2003 ein Defizit von 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausweisen wird - nach 3,8 Prozent im laufenden Jahr. Mit dieser Vorhersage ist ein EU-Defizitverfahren für Deutschland sicher. Es drohen in letzter Konsequenz hohe Geldbußen von bis zu 0,5 Prozent des BIP - im Falle Deutschlands wären dies bis zu zehn Milliarden Euro.

      Massive Kritik der Sachverständigen

      Unterdessen lehnt der Sachverständigenrat der "Fünf Weisen" die Reformansätze der rot-grünen Koalition fast durchweg ab. "Das in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung ... sowie in den Ad-hoc-Maßnahmen und den Vorschaltgesetzen angelegte Kurieren von Symptomen ist der falsche Weg", heißt es in dem Jahresgutachten des Rates. Nur durch "grundlegende Strukturreformen" könne Deutschland für den internationalen Wettbewerb fit gemacht werden.

      Regierung hält an eigener Prognose fest

      Für 2003 gehen die "Weisen" nur noch von einem Wachstum von 1,0 Prozent aus. Allerdings dürfe bei dieser Annahme kein Krieg im Nahen Osten die Rohölpreise instabil machen. Die Bundesregierung hält an ihrer Prognose von 1,5 Prozent fest. Für das zu Ende gehende Jahr 2002 geht das Gremium von 0,2 Prozent aus, die Bundesregierung von etwa 0,5 Prozent.

      "Hartz-Vorschläge reichen nicht aus"

      Um die nach wie vor "bedrückend" hohe Arbeitslosigkeit entscheidend zu senken, reichten auch die Hartz-Vorschläge zur besseren Vermittlung von Arbeitslosen nicht aus. Viel mehr bedürfe es einer umfassenden Reform der Lohnergänzungs- und Lohnersatzleistungen sowie einer höheren Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt.
      (häg/dpa, 14.11.02)
      Avatar
      schrieb am 16.11.02 13:35:23
      Beitrag Nr. 177 ()
      Maximale Verwirrung
      Wie schlimm muss man finden, was die Regierung gestern im Bundestag abgeliefert hat? Die Regelungen zu Rente und Gesundheit wurden nicht umsonst "Notgesetze" getauft. Es handelt sich um Notfälle und um Notdürftigkeit. Na gut. Aber gestern passierte auch das Gesetzespaket zum Thema Hartz in absoluter Rekordgeschwindigkeit den Bundestag. Warum um Himmels Willen dieses Tempo?


      Kommentar
      von HEIDE OESTREICH

      Dass es viel zu schnell ging, zeigte nicht nur die Leidensmiene des SPD-Gewerkschafters Ottmar Schreiner, der nicht fassen konnte, dass die Koalitionsfraktionen diskussionslos die Absenkung der Arbeitslosenhilfe beschlossen haben. Das belegt auch ein Entschließungsantrag zum Gesetz. Danach sollen die Gesetze in Zukunft da, wo sie leider noch völlig unausgegoren sind, durch weitere Gesetze präzisiert werden. Das tut weh.

      Was Arbeitsminister Clement und Kanzler Schröder mit diesem Hartz-Schnellschuss erreicht haben, ist maximale Verwirrung:
      Die Leiharbeitsbranche jammert nicht nur, sie hat tatsächlich keine Ahnung, ob die Gewerkschaften so freundliche Tarifverträge abschließen werden, wie Onkel Clement anmahnt. Solche Verunsicherungen wären vermeidbar gewesen. Mit etwas mehr Vorlauf hätte man klären können, welche Form von Leiharbeit man will. Ja, man hätte sich auf ohnehin vorhandene Grundlagen beziehen können: etwa die neue EU-Richtlinie zur Leiharbeit, die eine Diskriminierung von Leiharbeitern, also ihre Schlechterstellung gegenüber der Stammbelegschaft, verbietet.

      Stattdessen log Clement zur Beruhigung der Branche, es gebe nur Basislöhne für Leiharbeiter. Im Gesetzentwurf dagegen steht, dass viele Zulagen in die Entlohnung eingeschlossen sind. Was sinnvoll ist, denn es ist EU-konform. Hat Clement sich nicht mehr getraut, das zu sagen?

      Genauso wie bei Leiharbeit hätte man in Ruhe überlegen müssen, was haushaltsnahe Dienstleistungen eigentlich sind oder was eine Ich-AG tun darf. Doch: Handlungsfähigkeit sollte demonstriert werden, Dilettantismus ist herausgekommen. Diese Regierung liefert der Opposition eine Steilvorlage nach der anderen. Die Steilvorlage Notgesetze hätte sie sich mit mehr Ehrlichkeit vor der Wahl ersparen können. Dass ihr nicht danach war, ist nachvollziehbar, wenn auch nicht entschuldbar. Die Steilvorlage Hartz-Gesetze jedoch kickt Clement der Union völlig unnötig vor die Füße: Jetzt muss er sich nicht wundern, wenn die auch schießt.

      taz Nr. 6906 vom 16.11.2002, Seite 1, 85 Zeilen (Kommentar), HEIDE OESTREICH, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 16.11.02 13:38:40
      Beitrag Nr. 178 ()
      Tief Gerhard über Deutschland
      Dramatisch schlechte Umfragen für Kanzler und SPD. Bundestag verabschiedet Sparpaket zu Rente und Gesundheit sowie Hartz-Konzept. Fischer warnt in Grünenfraktion vor großer Koalition

      BERLIN taz Drei Wochen regiert die neue rot-grüne Koalition, gestern verabschiedete der Bundestag die ersten Not- und Sparprogramme der Regierung, und schon verlieren die SPD und Bundeskanzler Gerhard Schröder dramatisch an Ansehen in der Bevölkerung. Die Sozialdemokraten büßten in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zur politischen Stimmungslage zehn Punkte ein und kamen nur noch auf 26 Prozent. Die Union hingegen legte zehn Punkte zu und kam auf 55 Prozent. Die Grünen konnten sich bei 9 Prozent behaupten.

      Auch bei der so genannten Sonntagsfrage, bei der längerfristige Überzeugungen der Wähler berücksichtigt werden, brach die SPD ein. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD nur noch auf 34 Prozent (Oktober: 38 Prozent). Die CDU/CSU würde sich um vier Prozentpunkte auf 44 Prozent verbessern. Die Grünen kämen auf 9 Prozent (plus 1), die FDP auf 5 Prozent (minus 1). Für den Fehlstart der Regierung wird Schröder auch persönlich verantwortlich gemacht. Auf der Skala der beliebtesten Politiker rutschte er auf Platz sieben ab.

      Überhaupt scheint sich der Kanzler als politischer Akteur aus der Öffentlichkeit verabschiedet zu haben. Auch gestern im Bundestag sagte er kein Wort. Dort verabschiedete eine rot-grüne Mehrheit das Harzt-Konzept zur Reform des Arbeitsmarkts. Der Bundestag beschloss mit den Stimmen der Koalition auch die Sparmaßnahmen für das Renten- und Gesundheitssystem. 18 grüne Abgeordnete kritisierten in einer Erklärung den Anstieg des Rentenbeitrags auf 19,5 Prozent als ein "falsches Signal". Anfang der Woche hatte Joschka Fischer die Kritiker in der Fraktion noch scharf angegriffen. Die Grünen könnten nicht bei jeder schwierigen Entscheidung die Regierungsmehrheit in Frage stellen, sonst drohe eine große Koalition. In der SPD, so Fischer, würden die Nerven blank liegen.

      Auch 40 meist jüngere SPD-Abgeordnete stimmten der Rentenerhöhung nur mit dem Hinweis zu, dass die sozialen Sicherungssysteme weiter reformiert werden müssten. Eine entsprechende Erklärung gaben sie zu Protokoll. Der Bundestag verlängerte mit einer eigenen rot-grünen Mehrheit auch das Bundeswehrmandat für den internationalen Antiterrorkampf. Bei den Grünen gab es zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung.

      Bereits in der nächsten Woche droht der Regierung neuer Ärger. Die Koalitionsspitzen treffen sich am Sonntagabend, um über die Einzelheiten für den Nachtragshaushalt 2002 und den Etat 2003 zu beraten. Dabei werden voraussichtlich Vorentscheidungen über weitere Einsparungen fallen. Die Gesetze will das Kabinett am Mittwoch beschließen. Berichte über Milliardenfehlbeträge im Etat wies das Finanzministerium gestern als "Unsinn" zurück. JENS KÖNIG

      inland SEITE 6, meinung SEITE 11
      taz Nr. 6906 vom 16.11.2002, Seite 1, 95 Zeilen (TAZ-Bericht), JENS KÖNIG
      Avatar
      schrieb am 18.11.02 01:55:38
      Beitrag Nr. 179 ()
      "Völlig antiquiertes Politikverständnis"

      Der Münchener Soziologieprofessor Ulrich Beck kritisiert die rot-grüne Reformpolitik als ideenlos und veraltet

      BERLIN taz Die rot-grüne Regierung zeichnet sich durch einen eklatanten Mangel an "großen Ideen" aus, die gerade eine wirkliche "Reformpolitik in Zeiten der Krise" ausmachen. Diesen Vorwurf erhebt der Münchener Soziologe Ulrich Beck im taz-Interview. Die Regierung verfange "sich immer wieder in einem Pragmatismus des Kleinredens von Ideen", sagt Beck. Bundeskanzler Gerhard Schröder verfahre nach dem Motto: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen."

      Beck, der den Begriff der "Risikogesellschaft" prägte und als einer der meistdiskutierten deutschen Sozialwissenschaftler gilt, wirft Rot-Grün ein "völlig antiquiertes Politikverständnis" vor: "Die denken doch tatsächlich, sie sitzen an den Hebeln der Macht und müssen von paritätisch besetzten Kommissionen ergrübelte, konsensgestählte Konzepte ,nur eins zu eins` umsetzen." Ausgerechnet Rot-Grün verpasse damit aber die Chancen einer "sich verflüssigenden Welt".

      Das Versagen der etablierten Parteien begünstige den Rechtspopulismus. Denn trotz der politischen Entzauberung dieser Parteien in Österreich, Deutschland und den Niederlanden sieht Beck die Gefahr nicht gebannt. Zwar sei der Rechtspopulismus kein stabiler Bündnispartner für konservative Parteien, doch bestünden die Gründe fort, die dem Rechtspopulismus zum Aufstieg verhalfen. GB

      interview SEITE 3
      taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 1, 46 Zeilen (TAZ-Bericht), GB

      taz muss sein: Was
      Avatar
      schrieb am 18.11.02 01:58:26
      Beitrag Nr. 180 ()
      "Rot-Grün verpatzt die Chancen"
      Interview ROBERT MISIK

      taz: Herr Beck, Sie haben Ihrem neuen Buch eine Einleitung über das Aufkommen des Rechtspopulismus in Europa vorangestellt. Nun ist die Liste Pim Fortuyn in Holland kollabiert, Schill ist entzaubert, Möllemann ist krank, und in Österreich droht der FPÖ eine vernichtende Niederlage. Ist der Spuk schon wieder vorbei?

      Ulrich Beck: Ich fürchte, diese Deutung ist zu einfach. Die Gründe, die dem rechten Populismus zum Aufstieg verholfen haben, bestehen fort. Dazu gehört vor allem, dass sich die etablierten Parteien nicht die Mühe machen, die großen Fragen anzugehen, die weltweit auf der Tagesordnung stehen. Die Schwäche der traditionellen Kräfte ist die Stärke der populistischen Kräfte. Aber in den Ereignissen, die Sie erwähnen, liegt dennoch eine Lehre, nämlich die: Der Rechtspopulismus ist kein stabiler Bündnispartner für konservative Parteien. Die rechte Mitte hat darum zwei sehr unangenehme Alternativen, die beide für sie schwer zu akzeptieren sind: Entweder muss sie sich für sozialdemokratische und grüne Themen öffnen, oder sie geht ein Bündnis mit dem Chaos ein.

      Man könnte aber doch auch sagen: Nehmt die Populisten so schnell wie möglich in die Regierung, dann sind sie nämlich hin.

      Schauen wir doch kurz über Europa hinaus. Im Grunde haben wir doch auch eine rechtspopulistische Regierung in den USA, die es sehr geschickt versteht, durch eine große Mission - Krieg gegen den Terror - andere Fragen zu absorbieren und große Mehrheiten zu erzielen. Freiheitsrechte werden abgebaut und militärische Optionen aufgebaut. Das strahlt auf Europa aus. Die Gefahr des Rechtspopulismus ist keineswegs gebrochen.

      Einzelne Debakel sind also einzelne Debakel - nicht mehr?

      Fragen wir umgekehrt: Wo liegt der Sieg der Rechtspopulisten? Vordergründige Antwort: in dem Einzug in die Regierung. Aber das ist nicht alles. Er liegt ja wesentlich darin, dass ihre Ziele und Werte in die etablierten Parteien hineingetragen werden. Der rechte Populismus infiziert das politische Milieu. Das sieht man in Frankreich, in Österreich und in Italien sowieso, auch in Großbritannien.

      Sie haben vom Dilemma der traditionellen Politik gesprochen. Dafür, so die Schlüsselthese Ihres neuen Buchs, ist deren fortbestehende Nationalstaatszentriertheit verantwortlich. Demgegenüber plädieren Sie für einen "selbstkritischen Kosmopolitismus" als die nächste "große Idee". Ist das nicht Wunschdenken?

      Das ganze Buch ist ein Versuch, zu zeigen, dass es kosmopolitische Realpolitik gibt. Früher hieß es, es gibt nationale Realpolitik auf der einen, den humanitären, kosmopolitischen Idealismus auf der anderen Seite. Ich drehe das um. Im Grunde sind wir in einer Situation, in der nationalstaatliche Lösungen fiktiv und illusionär geworden sind. Politischer Realismus heißt daher, zu sehen, dass wir unsere drängendsten, auch nationalen Probleme eben nicht mehr im Alleingang lösen können.

      Politik hat daraus bisweilen ihre Schlüsse gezogen, nehmen wir nur die Schaffung der Europäischen Gemeinschaft. Zuerst stand ein eher katholisch-konservativer Kosmopolitismus Pate. Die Integration vertiefte sich durch die Schaffung wechselseitiger Wirtschaftsinteressen und durch zunehmende Verrechtlichung bis hin zur Europäischen Union. Was Europa bestimmt, ist heute ein kosmopolitisches Modell, keineswegs ein nationalstaatliches, wenngleich das noch immer in den Köpfen herumspukt.

      Andererseits krankt es genug in diesem seltsamen europäischen Superstaat. Bis die Bürger die EU als ihr Staatswesen begreifen, ist es noch ein weiter Weg …

      Das liegt aber daran, dass dieser Kosmopolitismus noch nicht richtig verstanden wird. Wir glauben, am Ende der europäischen Staatsbildung müsse entweder ein Europa der Vaterländer stehen oder aber ein europäisches Volk, eine Homogenität, wie wir sie aus dem Nationalstaat kennen. Beide Vorstellungen leiten in die Irre.

      Der Verfassungsentwurf, der nun dem EU-Konvent vorgelegt wurde, ist der ein großer Sprung vorwärts?

      Für die Vielfalt der politischen Verfassungskulturen braucht es jetzt einen Verfassungsrahmen und den - sehr wichtigen - symbolischen Überbau. Denn wie man die Bürgerrechte im europäischen Rahmen definiert, entscheidet darüber, wie sich die Bürger mit Europa identifizieren, über Grenzen hinweg engagieren.

      Sie nennen noch weitere Beispiele für Ihre These vom kosmopolitischen Realismus: den Fall Pinochet, den Internationalen Strafgerichtshof. Aber gibt es nicht auch genügend Gegenbeispiele?

      Ja, und es gibt auch verwirrende Mischformen. So kann der Kosmopolitismus für nationalstaatliche Hegemonieinteressen instrumentalisiert werden. Oder die Kooperation zwischen Staaten kann im Dienste einer Zitadellenvision stehen; das sieht man deutlich an der gegenwärtigen Irak-Debatte und auch insgesamt am Krieg gegen den Terror.

      "Realitätsveränderung setzt Blickveränderung voraus", schreiben Sie. Dass die Welt sich ändert, wenn wir nur unsere Perspektive auf sie ändern, ist ja eine gewagte These.

      Das ist mein zentraler Punkt. Die Vorstellung, dass die Politik am Ende ist und sich in ihrem Detailgestrüpp verfängt - wie das jetzt wieder in Deutschland hochkommt -, die stimmt nur, wenn man Politik mit nationalstaatlicher Politik gleichsetzt.

      Was müsste ein Politiker, der auf der Höhe unserer Zeit ist, Ihrer Meinung nach tun?

      Die Vorstellung etwa, dass man mit der Konzentration auf einzelne Detailfragen der Arbeitsmarktregulierung - wie sie in Deutschland der Hartz-Plan vorsieht - die Gesellschaft reformieren kann, ist jedenfalls eine Fehlvorstellung. Gerade eine Reformpolitik in Zeiten der Krise bedarf großer Ideen, um große Mehrheiten zu erlangen. Nur so kann man Menschen aktivieren oder dazu bewegen, Einschnitte hinzunehmen.

      Aber Leute wie Schröder oder Fischer sind ja nicht dumm. Und doch bleiben sie meist weitgehend reaktiv, weil sie einfach mit einer Fülle immer neuer Probleme konfrontiert sind, auf die sie meist auch schnell reagieren müssen.

      Und sie verfangen sich immer wieder in einem Pragmatismus des Kleinredens von Ideen. Dann dürfen sie sich aber nicht wundern, wenn sie in diesem Mechanismus zerrieben werden. Der Verzicht auf Ideen ist ein Verzicht auf Macht.

      Das Publikum wäre bereit für eine ambitionierte Reformpolitik?

      Ich denke schon. Im Grunde sind doch alle unsere Gesellschaften gespalten: in eine experimentierfreudigere Hälfte und in jene, die sich stärker abkapseln, traditionalistisch, protektionistisch reagieren. Diese Polarisierung ist stark zu spüren, ob in den USA, in Deutschland oder anderswo. In Deutschland hat sich gezeigt, dass sich die eher weltoffene Strömung durchsetzen konnte, auch bei Wahlen.

      Allerdings nicht auf der Basis eines besonders elaborierten Reformprogramms.

      Ich sage: Obwohl sie ein charismatisches Reformprogramm nun wirklich nicht hatte, hat sie sich dennoch durchgesetzt!

      Nur zwei Monate nach der Wahl ist Rot-Grün einem Kreuzfeuer der Kritik ausgesetzt. Schon wieder ein Fehlstart?

      Schröder verfährt nach dem Motto: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Rot-Grün hat ein völlig antiquiertes Politikverständnis. Die denken doch tatsächlich, sie sitzen an den Hebeln der Macht und müssen von paritätisch besetzten Kommissionen ergrübelte, konsensgestählte Konzepte nur "eins zu eins" umsetzen. Ausgerechnet Rot-Grün verpatzt die Chancen einer sich verflüssigenden Welt, hat die Macht bildende Kraft der Ideen verloren und droht darum zu scheitern.

      Ist es nicht so, dass ambitioniertere Ideen meist untergehen, weil die Politik nach allen Seiten hin Kompromisse schließen muss - innerhalb der nationalen Gesellschaften, im Kontext der EU, gar nicht zu reden vom globalen Kontext. Wie soll da große Politik wieder entstehen?

      Nehmen wir den 11. September 2001. Damals wurde schlagartig ein Konsens geschaffen. Die Gefahr für alle ließ alte Gräben, zumindest für eine historische Weltsekunde lang, zusammenbrechen. Das eröffnete Handlungsräume. Ein anderes Beispiel: Die größte Revolution, die Schröder in seiner Regierungszeit vollbrachte, vollzog sich im Wirbelsturm der BSE-Krise. Da wurde möglich, was vorher undenkbar war: Die Agrarlobby, die das Landwirtschaftsministerium seit Jahrzehnten geradezu besitzt, wurde mit einem Federstrich entmachtet.

      Politiker sollten Gewehr bei Fuß stehen, um bei der nächsten Katastrophe die Gelegenheit zu nutzen?

      In solchen Momenten gerät das, was völlig sicher schien, ins Wanken. Das zu nutzen ist eine der handwerklichen Fähigkeiten, die man von einem Politiker verlangen kann. Natürlich gibt es auch positivere Beispiele …

      … der Herbst 1989, der Fall der Mauer, wäre ein solches …

      … ja, nur kann die Politik solche windows of opportunities nur nutzen, wenn sie gewillt ist, sich Mehrheiten für große Ideen zu erkämpfen.

      taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 3, 253 Interview ROBERT MISIK

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 13:50:10
      Beitrag Nr. 181 ()
      Was kostet uns eigentlich Rot-Grün?
      Mit der Flut kam die Wende in der Finanzpolitik der Regierung: Statt Steuererleichterungen kamen rasch die Belastungen


      BERLIN taz Wenn an Harald Schmidt Kritik geübt wird, muss etwas Schwerwiegendes im Lande vorgehen. "Es nervt", erregte sich dieser Tage das FAZ-Feuilleton. Denn Schmidt spotte, so die überraschend ironiefreie Anklage, über "Scharen von in ihren Existenzen getroffenen oder bedrohten Zuschauer, für die und deren Kinder ,Politik` ein urpersönliches Schicksal wird".

      Lästermaul Schmidt hat den Niedergang der drittgrößten Industrienation der Erde in seiner Show zu einem running gag verarbeitet. Er spielt zum Beispiel Lotto, um Eichels Haushaltslöcher zu stopfen. Oder er sagt Sätze wie diesen: "Deutschland ist viel entspannter, seit wir so pleite sind."

      Schmidt persifliert so den Ausbruch des nationalen Notstands. Rot-Grün entdeckte seine Finanzloch am Morgen nach der Bundestagswahl - seitdem langen Hans Eichel und seine Kumpane überall hin, wo sie nur Geld finden. Dabei sind die von der Koalition beschlossenen Maßnahmen wie die Kürzung der Eigenheimzulage oder die erhöhte Besteuerung von Dienstwagen noch die kleineren Probleme. Die kurze Abfolge immer neuer Sparbeschlüsse versetzt das Land in Unruhe. So hat die rot-grüne Bundesregierung, obwohl sie explizit das Gegenteil will, die Rentenbeiträge auf 19,5 Prozent erhöht. Die Beiträge für die Krankenversicherung wachsen von 14 auf 14,2 Prozent - Ausgaben, die jeder sofort im Geldbeutel spüren wird.



      Bitter wird es, das hat das Propagandafeuerwerk um die Hartz-Kommission bislang verdeckt, im kommenden Jahr für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe. Sie müssen mit den drastischsten Kürzungen rechnen - zwischen 150 und über 200 Euro weniger im Monat; Einschnitte, die bisher noch kaum öffentlich diskutiert worden sind.



      Rein fiskalisch betrachtet hat Rot-Grün gar keine Grausamkeiten begangen. Denn weder für den Nachtragshaushalt 2002 noch für den Etat des Jahres 2003 wurden in Einzeletats eingespart. Bekannt ist bislang nur, dass für das kommende Jahr Minderausgaben von rund 1,3 Milliarden Euro realisiert werden müssen - wie, ist noch offen.

      Die Finanzkrise von Rot-Grün begann, streng genommen, bereits im Sommer mit der Flut. Mit dem steigenden Wasser erhöhte sich auch die Bereitschaft Gerhard Schröders, eine nationale Kraftanstrengung von den Bürgern zu verlangen - er meinte damit offenbar nicht allein eine hochwasserbedingte. Erst sagte er die für Anfang 2003 versprochene Steuerentlastung ab. Das heißt, erst 2004 sinkt der Eingangssteuersatz von 19 auf 17 Prozent und der Spitzensteuersatz von 48,5 auf 47 Prozent. Als vergangene Woche klar wurde, wie stark die Steuereinnahmen des Staates insgesamt sinken, gab es kein Halten mehr. Rot-Grün nimmt allein dieses Jahr 13,5 Milliarden Euro zusätzlich (zu geliehenen 21,1 Milliarden Euro) auf. Das heißt: Rot-Grün hat seinen Konsolidierungskurs aufgegeben.

      In der Bewertung sind sich die Forscher weitgehend einig. "Was wir jetzt sehen, sind kurzfristige Geldbeschaffungsaktionen. Sie sind vollkommen unsystematisch", sagt Viktor Steiner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die verschobene Steuerreform war noch durchdacht. Seitdem aber seien viele Probleme aufgetreten: der nicht erwartbare Einbruch der Körperschaftssteuer (minus 40 Milliarden Euro), die Flut und die Konjunktur.
      "Die Regierung hat das nicht voraussehen können", sagt Steiner dazu, "weil sich alle Institute in den Prognosen irrten."

      Dennoch spricht keiner der Forscher die Regierung frei. Steiners Kollege Achim Truger vom Forschungsinstitut des DGB macht das gleichzeitige Steuersenken und Schuldenabbauen von Rot-Grün für den jetzigen Crash verantwortlich. "Wenn dann etwas Unvorhergesehens passiert, fährt man den Karren eben an die Wand." Und dann beginnen selbst wohlgesinnte Feuilletons zu lästern - wie das der FAZ. Dort hat gerade eine kleine Reihe über "die Räuber" begonnen. "Haltet den Dieb!", rufen die Autoren - gemeint ist die Bundesregierung. CHRISTIAN FÜLLER

      taz Nr. 6908 vom 19.11.2002, Seite 3, 108 TAZ-Bericht CHRISTIAN FÜLLER

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 19.11.02 17:22:58
      Beitrag Nr. 182 ()
      --------------------------------------------------------------------------------

      P O L I T I K
      Reformkommission: Rürup für radikale Änderungen im Gesundheitssystem

      BERLIN. Schon vor der offiziellen Berufung der neuen Sozialreformkommission der Bundesregierung sorgt ihr designierter Vorsitzender Bert Rürup mit detaillierten Vorschlägen für Aufsehen. Der Darmstädter Wissenschaftler sprach sich für eine radikale Gesundheitsreform aus. So plädierte er am 16./17. November dafür, den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung auf das medizinisch Notwendige zu beschränken.

      Leistungen wie Zahnersatz könnten „aus dem Grundleistungskatalog herausgenommen und gegebenenfalls einer privaten Versicherung anheim gestellt werden“.
      Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) kündigte derweil an, die Mitglieder der Kommission in den nächsten Tagen vorzustellen. Nach Ansicht Rürups könnten die Bürger künftig auch dazu verpflichtet werden, eine „obligatorische private Unfallversicherung“ abzuschließen.

      Ferner könne der Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung in Form eines „Barlohns“ ausgezahlt werden. Dadurch ließen sich die „Gesundheitskosten von den Arbeitskosten entkoppeln“ und die Sozialabgaben senken. Der Experte sagte weiter: „Warum in Deutschland der Internet-Handel mit Medikamenten und der Besitz mehrerer Apotheken verboten ist, warum es eine Preisbindung für Medikamente gibt – das können Sie einem Ökonomen nicht erklären.“

      Der Wirtschaftsweise hält es zudem für sinnvoll, über einkommensunabhängige Beiträge zur Krankenversicherung nachzudenken. Nach gegenwärtigem Stand müsste jeder Erwachsene unabhängig von seinem Lohn eine Prämie von 200 Euro zahlen. Schmidt kündigte im Zug weiterer Reformen die flächendeckende Einführung der Patientenquittung für 2004 an.

      Allerdings würden die Patienten „dann zunächst nur sehen können, was der Arzt unternommen hat“. Die Preisauskunft werde noch etwas auf sich warten lassen. Schmidt will außerdem das Honorarsystem der Ärzte verändern. Ein Arzt, der mehr leiste und bessere Qualität anbiete, müsse auch mehr Geld verdienen.
      Zugleich stellte die Ministerin klar, dass sie sich Rürup als Kommissionspräsidenten gewünscht habe. /ddp
      Avatar
      schrieb am 20.11.02 15:36:46
      Beitrag Nr. 183 ()
      Kurze Überschlagsrechnung, wieviele Arbeitsplätze die "Nullrunde" von Frau Schmidt voraussichtlich vernichten wird:


      Also, bei einem MArkt von sagen wir einmal 220 Mrd. für stationäre und ambulante Medizin und einer Lohnquote von über 70% geht es im gesundheitssystem also um insgesamt

      4,2 Millionen Arbeitsplätze

      und

      154 Mrd. an gehältern.

      Mal sehen, wieviele Hunderttausend Arbeitsplätze Frau "Superschlau" BMG Schmidt im Verlauf der nächsten 12 Monate vernichtet hat.

      Durchschnittlich entspricht das - sehr grob "über-alles" gerechnet - einem mittleren gehalt von 36.600 € pro Arbeitsplatz.

      Bei einem Gesamt-Lohneffekt für Lohnabschluss im öffentlichen Dienst plus bezahlung von bisher unbezahlten Überstunden zzgl. zusätzlicher Arztstellen für die umsetzung des EUGH-Urteils und der Abschafung der Verstöße gegen das Arbeitszeitschutzggesetz von INSGESAMT nur 2%

      wären das bereits 84.000 Arbeitsplätze bei "Nullrunde" .

      DA die nicht lohnabhängigen Kosten jedoch immerhin ca. 30% der 220 Mrd betragen, würde eine moderate Kostensteigerung der Sach- und Betriebskosten von nur 3% weitere 126 mio € ausmachen, so daß noch einmal ca. 5.000 Arbeitsplätze bei Kostenneutralität freigesetzt würden.

      diese äusserst grobe rechnung ist natürlich sehr optimistisch, denn erfahrungsgemäß werden ja die Schwächsten im Arbeitsmarkt freigesetzt.

      deren Jahreslohn liegt niedriger -und sie sind schwer vermittelbar.

      Also dürfen wir Frau Schmidt gratulieren, daß ihre Initiative vorraussichtlich über 100.000 Arbeitsplätze vernichten wird und ein gehöriger Anteil dieser menschen fortan Langzeitarbeitslos sein wird... Einige derer werden dann 2004 die Errungenschaften der der Sozialhilfe noch weiter angenäherten Arbeitslosenhilfe = "Arbeitslosengeld II" kennenlernen. Die Insolvenzverwalter und Gerichtsvollzieher haben dann halt mehr Arbeit.

      Diese 100.000 Menschen haben dann natürlich keine Gelegenheit mehr, Sozialabgaben in der früheren Höhe zu zahlen.

      Also wird es eine noch stärkere Schieflage der Sozialen Sicherungsysteme geben. Dies wird natürlich einschneidende Reaktionen erfordern: Neue Nullrunde, die in wirklichkeit ja eine Minusrunde ist.

      Die Sprechstundenhilfen haben übrigens einen Flächentarifvertrag. Da sind Mauscheleien beim Gehalt nicht drin bzw. untertarifliche Bezahlung einklagbar.

      Also keine Chance für freiwilligen Lohnverzicht.

      ich kenne einige NIedergelassene, die bereits, um nicht selber die BAnkkredite wegen unwirtschaftlichkeit zu gefährden, Überlegungen anstellen MÜSSEN, welche(n) Angestellten sie ein übles Weihnachtsfest und ein Böses neues Jahr bereiten werden.

      Wer meint, dies sei Schwarzmalerei:

      Alles bereits dagewesen - 1997 wurden bereits viele zehntausend Arbeitsplätze auf diese Art endgültig entsorgt.

      DAs ist Amtlich - hat JAgoda damals in der Frühjahrs-Pressekonferenz zugegeben.


      Aber dafür bezahlen wir halt ein vielfaches an Subventionen für 300 % überteuerte Steinkohle und die Ruhrkohle AG schafft damit defacto in den USA Arbeitsplätze.

      Ein wirklich überzeugendes Konzept.

      DAfür läßt sich Schröder halt feiern, wenn irgendwo ein Bruchteil der Menge an Arbeitsplätzen mit Subventionen erhalten werden.

      Motto: Lieber medienwirksam vor 1.000 mit Steuergeldern für nur 12 Monate subventionierten Arbeitnehmern feiern lassen, die dann trotzdem ihren Arbeitsplatz verlieren, als unspektakulär 100.000 Arbeitsplätze erhalten, die sonst unwiderruflich verloren sind.

      Alles eine Frage der Show.

      Und das ist ja das einzige, wovon Schröder bis vor der WAhl etwas verstanden hat.

      Aber selbst das ist vorbei.



      Übrigens.... mit "Nullrunde" ist nicht, wie man verständlicherweise meinen könnte, die KABINETT-RUNDE, sondern die faktische MINUS-RUNDE bei den Arbeitsplätzen im Gesundheitssystem gemeint..... :D
      Avatar
      schrieb am 04.12.02 16:00:17
      Beitrag Nr. 184 ()
      Großmaul gerster ist kleoinlaut, aber weiterhin fürstlich bezahlt.

      Schröder grinst nicht mehr so viel und wird nicht mehr mit Cohiba und gutem Rotwein gesehen.

      Ansonsten hat sich nichts geändert.

      Wie sagte merz gestern so zutreffen dim Bundestag?

      "Wer in guten zeiten bei Gottschalk ist, der landet im schlechten zeiten bei harald Schmidt"

      Erbärmlicher als Schröder kann nicht mehr das nichterfolgen, was man früher einmal unter "Regieren" verstand.... Schröder hat das zu einem "nicht einmal mehr reagieren" gemacht.



      SPIEGEL ONLINE - 04. Dezember 2002, 9:53
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,225504,00.html


      Arbeitslosigkeit

      Stärkster Anstieg seit der Wiedervereinigung

      Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland hat wieder die Vier-Millionen-Marke überschritten. Im November stieg die Zahl der Erwerbslosen so schnell wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr.

      Arbeitsamt: Offenbarungseid für die Regierung



      Nürnberg - Im November registrierte die Bundesanstalt für Arbeit (BA) 4.025.800 Menschen ohne Beschäftigung. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen um 236.900. Die Konjunktur sei nach wie vor zu schwach, um den Arbeitsmarkt zu beleben, sagte Florian Gerster, der Vorstandsvorsitzende der BA, am Mittwoch. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt habe sich weiter verschlechtert. Die Wirtschaft komme mit immer weniger Personal aus.

      Die Arbeitslosenquote erhöhte sich binnen Monatsfrist um 0,3 Prozentpunkte auf 9,7 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 9,2 gelegen. In den alten Bundesländern waren im November 2.650.000 Menschen ohne Beschäftigung. Das waren 44.800 mehr als im Oktober und 182.300 mehr als vor einem Jahr.

      4,5 Millionen bereits im Februar?

      Auf Grund des starken Anstiegs der Arbeitslosigkeit sei nicht mehr auszuschließen, dass im Februar 2003 ein neuer Höchstand erreicht werde, so Manuela Preuschl, Volkswirtin der Deutschen Bank: "Im Januar, wenn die Kündigungen dieses Quartals wirksam werden, erwarte ich .. einen kräftigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen auf unbereinigt bis zu 4,5 Millionen."

      Auch aus Kreisen der Bundesregierung verlautete, angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung sei seien 4,5 Millionen im nächsten Jahr wahrscheinlich.
      Hauptproblem ist nach Ansicht Preuschls, dass es bei den Unternehmen an Vertrauen in eine Besserung der wirtschaftlichen Lage fehlt. Die Regierung zeige keinen klaren Reformwillen. "Die Politik ist derzeit zu kurzfristig auf das Stopfen von Haushaltslöchern ausgerichtet", so die Volkswirtin.
      Avatar
      schrieb am 22.01.03 09:51:46
      Beitrag Nr. 185 ()
      .

      :D :D "Ich-AG" ist Unwort 2002 :D :D

      BERLIN taz Die "Ich-AG" ist das Unwort des Jahres 2002. Die Jury "Sprachkritische Aktion ,Unwort des Jahres`" verurteilte die Wortbildung, die im "Hartz-Konzept" verwendet wurde, um von Arbeitslosen gegründete Kleinstunternehmen zu bezeichnen. Das Wort leide bereits sachlich unter lächerlicher Unlogik, da ein Individuum keine Aktiengesellschaft sein könne, erklärte Horst Dieter Schlosser, Sprecher der Jury. Ausschlaggebend für die Wahl zum Unwort sei "die Herabstufung von menschlichen Schicksalen auf ein sprachliches Börsenniveau" gewesen, so die Jury. Der Begriff wurde aus 800 eingesandten Vorschlägen gewählt. Das Unwort des Jahres wird seit 1991 gekürt.

      kommentar SEITE 12
      taz Nr. 6960 vom 22.1.2003, Seite 8, 25 Zeilen (TAZ-Bericht)
      Avatar
      schrieb am 06.02.03 10:20:04
      Beitrag Nr. 186 ()
      die Rotgrünen Maulhelden wie Gerd "3,5 Mio" Schröder und der dumm-traumtänzerische Florian "HierkommeIch" Gerster leisten einen weiteren offenbarungseid.

      leider wird gerster nicht nach Leistung bezahlt - und Küpndigungsschutz bis zum sanktnimmerleinstag hat er auch.




      5. Februar 2003, 11:22, NZZ Online


      Über 4,6 Millionen sind in Deutschland arbeitslos
      Höchster Stand seit fünf Jahren
      Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Januar auf 4,623 Millionen gestiegen. Die drastische Zunahme um rund 398`000 im ersten Monat des neuen Jahres wird von Ökonomen als erschütternd bezeichnet. Die Zahlen sind ein Spiegelbild der schwachen Konjunktur.


      uhg. Auf die Regierung Schröder kommt neues Ungemach zu. Hatte die Bundesregierung noch mit durchschnittlich 4,2 Mio. Arbeitslosen im Jahr 2003 gerechnet, sind es Ende Januar bereits 4,623 Mio. Somit ist die Arbeitslosenquote seit Dezember von 10,1% auf 11,1% gestiegen. Dies ist der höchste Januar-Wert seit fünf Jahren.

      Auch saisonbereinigt schlechte Zahlen
      Bei den am Mittwoch vom Bundesamt für Arbeit (BA) veröffentlichten Zahlen handelt es sich um saisonunbereinigte Werte. Im Januar schnellt die Zahl der Arbeitslosen wegen der Witterung und des Quartals-Kündigungstermins im Dezember regelmässig in die Höhe. Für die Beobachter alarmierend ist deshalb die bereinigte Zunahme der Arbeitslosigkeit. Diese stieg um 62`000 auf 4,274 Mio. Analytiker hatten aber lediglich mit einer Zunahme um rund 29`000 gerechnet.

      «Erschütternd und katastrophal»
      Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen bezeichneten die Zahlen als erschütternd und katastrophal. Auf der anderen Seite äusserten sie sich zuversichtlich, dass die Zahlen den Reformdruck auf die Politik erhöhen würden. Negativ auswirken wird sich die hohe Arbeitslosenzahl zweifellos auf den bereits jetzt schwachen Konsum und die Binnennachfrage.

      Am stärksten angestiegen ist die Zahl der Arbeitslosen im Osten Deutschlands. Dort kletterte sie nach vorläufigen Angaben um 280`000 auf 1,725 Mio., was einer Arbeitslosenquote von 19,5% entspricht. Im Westen nahm die Zahl um 118`000 auf 2,898 Mio. zu. Dies entspricht einer Quote von 8,8%. Die hohe Zunahme im Osten erklärt sich zum Teil damit, dass Berlin erstmals vollständig zu den neuen Ländern gezählt wird.

      Kaum Anstieg auf fünf Millionen
      Nach Einschätzung von BA-Chef Florian Gerster ist im Februar nicht mehr mit einer ähnlich starken Zunahme der Arbeitslosenzahlen zu rechnen. Mit «höchster Wahrscheinlichkeit» werde die Marke von 5 Millionen im Februar nicht erreicht. Von einer wirtschaftlichen Stabilisierung sei am Arbeitsmarkt noch nichts zu spüren, sagte Gerster weiter.
      Avatar
      schrieb am 09.02.03 23:12:23
      Beitrag Nr. 187 ()
      Hartz führt zu Stellenabbau
      Bildungsträger fürchten um ihre Existenz

      Von Reimar Paul, Göttingen

      Die Hartz-Reform schafft weit mehr Probleme, als sie löst. So lautet das Fazit einer Tagung in Göttingen.
      Viele reden übers Hartz-Konzept. Konkrete Informationen sind aber Mangelware, zumal die meisten der geplanten Regelungen noch gar nicht in Kraft getreten sind. So viel kann Maria Lemmermöhle vom Netzwerk Lernende Regionen allerdings jetzt schon sagen: »Das Konzept wurde offenbar nicht erdacht, um die Arbeitslosigkeit strukturell zu bekämpfen. Es soll vielmehr die Arbeitslosenzahlen nach unten drücken.«
      Das Netzwerk Lernende Regionen hatte gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund Ende letzter Woche in Göttingen eine Fachtagung über die Umsetzung des Hartz-Konzeptes veranstaltet. Rund 250 Interessierte aus dem gesamten Bundesgebiet folgten der Einladung: Mitarbeiter aus Bildungseinrichtungen und Verwaltungsleute, Gewerkschafter und Kommunalpolitiker. Dass es bei »Hartz« nicht um mehr Arbeitsplätze, sondern um weniger Arbeitslose in den Statistiken geht, glaubt auch Sebastian Wertmüller, Vorsitzender der DGB-Region Südniedersachsen-Harz. »Über Verleihfirmen und Jobcenter sollen mehrere hunderttausend Menschen in Beschäftigung kommen, das Volumen der zu vergebenden Arbeit bleibt aber gleich«, kritisierte der Gewerkschafter. Ein Großteil der Arbeit werde künftig wohl von Beschäftigten in unsicheren Leih- und Zeitarbeitsverhältnissen gemacht und nicht von Menschen mit regulärer Beschäftigung, so Wertmüller.
      Das Hartzsche Zauberwort bei der Vermittlung von Arbeitslosen heißt PSA – PersonalServiceAgenturen. Sie sollen, organisiert vermutlich als eingetragene Vereine, ab Mai Arbeitslose einstellen und dann anderen Firmen als Leiharbeiter überlassen. Die ausleihenden Unternehmen, so das Kalkül, könnten die Mitarbeiter später ganz übernehmen. »Um neue Beschäftigungsfelder zu erschließen, reicht es aber nicht aus, einfach nur neue Instrumente zu schaffen«, meint Karin Oesten vom Netzwerk Lernende Regionen.
      Mit gemischten Gefühlen sehen Weiterbildungseinrichtungen eine weitere Neuerung. So sollen Arbeitslose vom Arbeitsamt einen Gutschein erhalten, den sie dann selbst bei einem Träger ihrer Wahl für Fortbildungen einlösen können. Voraussetzung für einen solchen Bildungsgutschein ist allerdings, dass der jeweilige Berater – oder Profiler, wie es im Hartz-Deutsch heißt – davon ausgeht, dass die Maßnahme bei dem Arbeitssuchenden mit einer mindestens 70-prozentigen Wahrscheinlichkeit zu einem Beschäftigungsverhältnis führt. Den Nachweis für das Erreichen der Quote müssen die Bildungsträger erbringen. Einen möglichen Vorteil dieser Regelung nannte Ina Langanke, Leiterin der Koordinationsstelle Frauenförderung in Göttingen: Anders als bei der bisherigen Praxis, die Betroffenen notfalls auch gegen ihren Willen in Fortbildungsmaßnahmen zu drücken, werde mit den Gutscheinen ein selbstständiges Engagement der Erwerbslosen gefördert und belohnt. Der Nachteil: Berufliche Weiterbildungen und Qualifizierungen werde es künftig nur noch für Zielgruppen geben, bei denen aufgrund von Alter oder Vorbildung relativ große Vermittlungschancen bestehen. »Leute, die zu alt sind oder denen das so genannte Bildungsbewusstsein fehlt, gehen dann den Bach runter«, fürchtet Maria Lemmermöhle vom Netzwerk Lernende Regionen. Dasselbe gelte für Frauen, die nach Schwangerschaft und dem Aufziehen von Kleinkindern in den Beruf zurückkehren möchten.
      Auch in eigener Sache haben die Bildungsträger eine Menge Fragen und Sorgen, so Lemmermöhle. Die Einrichtungen könnten künftig wesentlich schlechter kalkulieren und müssten ihrerseits Mitarbeiter entlassen: »Die Weiterbildungseinrichtungen sind als ganze Branche bedroht.« So rechnet Peter Schliebeck von der Deutschen Angestellten-Akademie damit, dass jeder dritte Mitarbeiter bei der Umsetzung des Hartz-Konzeptes seinen Job verliert.
      Eine weitere »Baustelle« beim Hartz-Konzept hat Gewerkschafter Wertmüller bei der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe entdeckt. Zwar seien auch hier die Details noch nicht bekannt. Man wisse aber, dass seit Anfang des Jahres schon vielen Beziehern von Arbeitslosenhilfe die Leistungen empfindlich gekürzt worden seien. Neue Arbeitsplätze, hält Wertmüller fest, »sind deswegen aber keine entstanden«.
      Avatar
      schrieb am 12.02.03 11:41:39
      Beitrag Nr. 188 ()
      Beeindruckende "Erfolge" .... :mad:

      Ausbildungsplätze werden knapp

      Die Zahl der Ausbildungsplätze in Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe ist nach einem Zeitungsbericht zum ersten Mal seit fünf Jahren zurückgegangen.
      Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 311.308 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 7,4 Prozent weniger als 2001, berichtete die Tageszeitung "Die Welt" (Mittwoch) unter Berufung auf die ihr vorliegende Ausbildungsstatistik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
      20.000 gingen bei Lehrstellensuche leer aus
      Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind 20.000 Jugendliche demnach im Jahr 2002 leer ausgegangen. DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun befürchtet für das laufende Jahr "einen ähnlichen Rückgang wie in 2002".

      Im Baugewerbe wird dramatisch weniger ausgebildet
      Am deutlichsten war der Rückgang der Ausbildungsplätze laut DIHK-Statistik im Baugewerbe mit minus 17,8 Prozent und im Handel mit minus 10,4 Prozent. Dagegen ging die Zahl der Lehrstellen im Industriebereich nur um 5,7 Prozent und im Dienstleistungsgewerbe ohne Handel um 5,4 Prozent zurück, wie die Zeitung berichtete.
      Avatar
      schrieb am 12.02.03 11:57:35
      Beitrag Nr. 189 ()
      Auch dieses Resultat ist das logische Ergebnis der Politik.

      Entwicklungen sind durch die Vorgaben vorhersehbar.

      Umgekehrt gibt richtige Politik einen positiven Rahmen vor.

      Eine Begrenzung auf Arbeit wäre dabei sinnlos, da auch diese Rahmenbedingungen nur im Gesamten betrachtet werden können.
      Avatar
      schrieb am 04.06.03 09:40:53
      Beitrag Nr. 190 ()
      SPIEGEL ONLINE - 26. Mai 2003, 11:13
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,250284,00.html



      entlarvender Artikel ueber die hochbezahlte, ineffiziente Witzfigur namens Florian Gerster:



      Behördenchef auf Reisen

      Wie Florian Gerster den Planeten wechselte

      Von Matthias Streitz

      Es kommt nicht alle Tage vor, dass der Chef der Bundesanstalt für Arbeit eine Existenzgründer-Werkstatt besucht. Vielleicht haben sich der Behördenboss und junge Ich-AGler auch deshalb so wenig zu sagen.


      DDP

      Florian Gerster: Kampf gegen die strukturelle Lücke


      Hamburg - Schon an der zweiten Station seiner Tour wird es einen Moment lang unbehaglich für Florian Gerster. Eigentlich sollen ihm drei erbauliche Biographie-Beispiele vorgeführt werden - ein Mann und zwei Frauen, die den Job verloren und sich tapfer in die Selbständigkeit stürzten. Doch die zweite davon, seit kurzem Self-Made-Chefin einer Firma namens EcoQuest, kippt erst einmal Frust ab. Frust über das Arbeitsamt und wie es sie ins Leere rennen ließ.

      Florian Gerster steht gerade wie beim Kommiss, der Anzug grau, die Krawatte gestreift, unter dem Arm trägt er eine Klarsichthülle. Seine Augen sehen ein wenig zugekniffen aus, die Gesichtsmuskeln regen sich nicht.

      "Hallo, ich will Arbeitsplätze schaffen!"

      Gabriele Albers, Gründerin knapp über 30, ist in Bewegung. Zwei, drei Monate habe sie beim Arbeitsamt angerufen, klagt sie, und ihre Arme paddeln. Zwei, drei Monate habe nie irgendjemand abgenommen, obwohl sie es bei drei verschiedenen Nummern versuchte. Dabei wollte Albers bloß eines: Eine offizielle, siebenstellige Betriebsnummer zugeteilt bekommen. "Hallo, ich will Arbeitsplätze schaffen", ruft sie. Als sie es schließlich unter einer zufällig erfahrenen "Geheimnummer" versuchte, war der Vorgang minutenschnell erledigt.

      Florian Gerster lacht, aber komisch findet er das Fallbeispiel nicht. "Das ist jetzt aber nicht inszeniert!?", ruft er. Hamburgs Arbeitsamtschef Rolf Steil müht sich, etwas Versöhnliches zu sagen. Eine Minute später schüttelt Florian Gerster neue Hände in einem anderen Raum.

      Dreieinhalb Stunden lang tourte der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) durch das Hamburger Gründerzentrum Enigma, das meist junge Arbeitslose in die Selbständigkeit begleitet. Ungewöhnlich viel Zeit, findet Engima-Leiter Hajo Streitberger, der vom Gerster-Vorgänger Bernhard Jagoda wohl anderes gewöhnt ist. Dass Gerster überhaupt gekommen ist, soll ein Signal senden: Hier ist ein BA-Chef, der sich für neue Konzepte begeistert im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit.

      "Soll das eine Webe-Agentur sein?"

      Doch der Chef der Nürnberger Riesenbehörde hat über ein Jahr im Amt verbracht, bevor er den Weg in die Hamburger City Nord fand - in einer Zeit, als die Ich-AG Debatten prägte und Streitberger als Experte für Existenzgründung in Medien präsent war.

      Das Enigma Gründerzentrum, 1998 als Pilotprojekt der Bundesanstalt für Arbeit gestartet, ist in der Hamburger City Nord auf mehreren Etagen eines Bürohauses beheimatet. Hier arbeiten über 100 Existenzgründerinnen und -gründer in Vierer- und Großraumbüros Geschäftsideen aus, testen ihre Marktchancen und suchen nach Kunden. Enigma steht für "Eine neue Idee gibt Menschen Arbeit".

      WEITER

      Gersters Besuch gleicht oft einem Stolpergang der Missverständnisse. Da steht der BA-Chef und weiß nicht, was ein Flummi ist. Keine gute Basis für ein Gespräch mit einem preisgekrönten Gründer, der Flummiautomaten in Geschäften und Bahnhöfen aufstellt. Da rätselt Florian Gerster, als er den Begriff "Webagentur" auf einer PowerPoint-Folie sieht. "Soll das eine Webe-Agentur oder eine Werbe-Agentur sein?" Dann lacht er wieder: "Sie sehen, ich gehöre zu einer anderen Generation". Einen Internetunternehmer fragt er, ob er automatisch Geld bekommt, wenn jemand seine Seite aufruft.

      Gerster spürt wohl, dass die Gründung von Mini-Firmen ohne Angestellte Bedeutung gewinnt - für viele Arbeitslose ist sie die einzige Chance. Als "modernes arbeitsmarktpolitisches Instrument" lobt er sie denn auch. Nie wurde bei der BA so viel Überbrückungsgeld für neue Selbständige abgerufen wie im Jahr 2002, von fast 125.000 Menschen. Doch die bereitgestellten Mittel werden nicht aufgestockt.

      "Nur? Ist das wenig?"

      Auch die Wirkung der Ich AG, zweiter Förderkanal für kleine Selbständige, verpufft angesichts von 4,5 Millionen Arbeitslosen. Bundesweit seien bisher nur 16.000 Ich AGs gegründet worden, kritisiert ein Gast der Enigma-Visite. "Nur? Seit Jahresanfang! Ist das wenig?", schießt Gerster zurück.

      Wenn der Mann, der gerne von Reformdynamik spricht, sich an einen Tisch setzt, legt er seine Klarsichthülle nach rechts, seine Info-Broschüre nach links, und seinen Terminplaner mittig davor. Alle Kanten liegen parallel zueinander. Ein leidenschaftlicher Verfechter des "self-employment" anglo-amerikanischer Art ist dieser Mann nicht.

      Ausgerechnet inmitten der Junggründer zweifelt Gerster, ob Selbständigkeit immer der ideale Weg aus der Arbeitslosigkeit sei. Warum nicht versuchen, frei für einen größeren Konzern zu arbeiten, sich anzulehnen, fragt er. So habe er es gemacht, als er noch als Personalberater arbeitete. Vielleicht ergebe sich ein fester Job, das Risiko sei geringer. Gerster klinge vorwurfsvoll, findet eine Fotografin da, als traue er diesem "Haufen junger Leute, die kreativen Ideen nachjagen", keinen Erfolg zu.

      "Also was Handfestes!"

      Um Gerster herum sitzen jetzt gut 30 Gründer unter 35, im Stuhlkreis in einem Großraumbüro: Turnschuh-Träger, Künstlertypen, Therapeuten. Für ein paar Monate bietet der Enigma-Ableger .garage ihnen Computer, Telefone - und eine Atmosphäre, die Mut macht. Die Finanzen bekommen sie aus Gersters Töpfen, als Überbrückungsgeld. Einer von ihnen will Trickfilme drehen, ein anderer Second-Hand-Möbel "maritim umarbeiten". Ein dritter möchte sich als Tischler versuchen. "Also was Handfestes", kommentiert Gerster da, und einige lachen, wie er versteckt die Vorredner abkanzelt.

      Arbeitslosengeld zahlen, Stellen für Angestellte und Arbeiter vermitteln, das bleibt für Gerster das Kerngeschäft der BA. Beratung für Existenzgründer sollten am besten Dritte bieten wie Enigma, sagt er - sie hätten das Know-how. Dafür fehlt den Start-up-Schmieden jedoch das Geld. Weil die BA Pilotprojekte wie Enigma nur befristet finanziert, musste Streitberger mehrfach neue Fördertöpfe aufspüren. Enigma ist eines der größten Projekte seiner Art: Platz auf Zeit für jeweils gut hundert Gründer in einer Millionenstadt.

      "Strukturelle Lücken"

      Ein paar Mal wird Gersters Stimme lauter, er klingt dann wie ein Politiker, der im Landtag Programmatisches entwirft. Er wolle den jungen Gründern eine Frage stellen, beginnt er, und monologisiert noch zwei Minuten. Ob es für Selbständige nicht besser sei, die "strukturellen Lücken" auf dem Arbeitsmarkt zu füllen, statt private Leidenschaften zum Beruf zu erklären?

      Er könne sich Agenturen für Haushaltsbeschäftigte vorstellen, die Köche oder Reinigungskräfte Berufstätige vermitteln, an Wohlhabende. Es ist eine Idee, die Gerster seit langem behagt, die er schon als Minister in Rheinland-Pfalz in die Diskussion schleuste. Vielleicht, weil es so radikal klingt, "strukturelle Lücken" zu beklagen. Gleich zwei Mal sagt Gerster die Formel "Agentur für Haushaltsbeschäftigte", in zwei verschiedenen Räumen.

      In diesen Momenten der Erregung sitzt selbst Florian Gerster nicht mehr gerade auf seinem Stuhl.
      Avatar
      schrieb am 12.06.03 17:47:50
      Beitrag Nr. 191 ()
      Irgendwie sollte das doch anders laufen, wurde immer vor der Wahl gesagt?


      Die Übermacht des Gegners

      Die Wirtschaftsflaute macht die bescheidenen Erfolge der Hartz-Reformen zunichte.

      von Jonas Viering



      (SZ vom 11.6.2003) Jetzt müssen die Profis ran. Schließlich geht es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Und da ist die Verzweiflung so groß, dass die Bundesregierung jetzt ausgerechnet das am meisten belächelte 13. Modul des Hartz-Konzepts entstaubt: Das der „Profis der Nation“, die alle irgendwie Arbeit schaffen helfen sollen.

      Die neuen Arbeitslosenzahlen, in der vergangenen Woche verkündet, markierten mal wieder einen traurigen Rekord. Die Reformen der Regierungskommission unter Leitung des VW-Managers Peter Hartz, so die Wahrnehmung, sind ein Flop. Zu wenig, zu langsam – das stimmt zum Teil. Und zum Teil stimmt es nicht.

      Mehr Druck

      Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat tatsächlich ihre Vermittlungsbemühungen verstärkt. So brachte sie in den ersten fünf Monaten dieses Jahres mehr Menschen wieder ins Erwerbsleben als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Ein kümmerlicher Zuwachs zwar: drei Prozent. Doch angesichts der schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist es ein kleiner Erfolg. Auch wenn die Zugänge in die Arbeitslosigkeit den Erfolg sofort zunichte machen.

      Eine andere Zahl zeigt, dass die BA streng nach Hartz neben dem Fördern langsam Ernst macht mit dem Fordern. Die Zahl der Sperrzeiten für unkooperative Arbeitslose stieg um 40 Prozent.

      Und mehr Menschen als bisher meldeten sich aus dem Status der Arbeitslosigkeit in die Nichtbeschäftigung ab, in der sie kein Geld mehr vom Staat bekommen. Ihnen wurde wohl der Druck zu viel, erklärt Heinrich Alt vom Vorstand der BA.

      Erwartungen zurückgeschraubt

      Die von Hartz stets als „Herzstück“ der Reform bezeichneten Personal- Service-Agenturen (PSA), die Arbeitslose als Zeitarbeiter mit Zuschüssen verleihen sollen, werden die ursprünglich geweckten Erwartungen nicht erfüllen.

      Hunderttausende, hieß es einst, sollten per PSA in Arbeit kommen. Nun hofft die BA für 2003 auf 50.000. Seit dem Start im Januar hat sie für 20.000 PSA-Plätze Verträge mit Zeitarbeitsfirmen abgeschlossen. Tatsächlich an die PSA verwiesen wurden die ersten Jobsuchenden aber erst im April.

      Es ist zu früh für eine Bilanz – klar ist aber, dass der Zeitarbeitssektor in der Konjunkturkrise eingebrochen ist. Vor wenigen Tagen haben die wichtigsten Zeitarbeits-Verbände mit der Gewerkschaft zumindest die vom Gesetz geforderten Tarifverträge abgeschlossen.

      Rechnen mit Mini-Jobs

      Bei den Mini-Jobs bis 400 Euro kursierten kürzlich Zahlen, innerhalb von sechs Wochen seit Start Anfang April seien 600.000 neue Jobs entstanden. „Diese Größenordnung ist es nicht“, widerspricht der Leiter der Mini-Job- Zentrale bei der Bundesknappschaft, Frank Karnitzki. Er ist noch am Rechnen – denn viele der neuen Mini-Jobs seien in Wahrheit umgewandelte alte 325-Euro-Jobs, andere bloß Nebenerwerbs-Jobs oder aufgesplittete Vollzeit-Stellen. Außerdem sind manche davon befristet: Erntehelfer, Biergartenkellner. Zweifellos entsteht hier Beschäftigung, werden auch Schwarzarbeiter in die Legalität gelockt. Die Arbeitslosigkeit drastisch verringern wird das nicht.

      Auf eines aber ist BA-Vorstand Alt stolz: „Die Ich-AG ist ein Renner“, sagt er. Tatsächlich ist sie ein Erfolg – wenn auch wieder kein sehr großer. An die 25.000 dieser neuen kleinen Existenz-gründungen, unbürokratisch und öffentlich gefördert, hat es seit Start im Ja-nuar gegeben. Insgesamt wird es nach Rechnung der BA 2003 gut 200.000 neue Selbstständige geben, 2002 waren es nur 125.000.

      Kapital für Arbeit, das von der Kreditanstalt für Wiederaufbau verwaltete Programm mit Förderkrediten, hat seit Januar gerade einmal 4804 Arbeitsplätze gebracht. Und dabei sind noch Mitnahme-Effekte zu berücksichtigen: Denn die Kredite für die Einstellung von Arbeitslosen gibt es als Bonbon auch dann, wenn ein Unternehmen das ohnehin vorhatte. Versprochen hatte man sich das Zehnfache.

      Warten auf den Aufschwung

      Job-Center, die gemeinsamen Anlaufstellen von Arbeitsämtern und Sozialämtern für Arbeitssuchende, werden nach und nach eröffnet. Offiziell gibt es sie noch nicht, die rechtliche Grundlage fehlt. „Wir sind in der Gesetzgebung erst bei der Hälfte angelangt“, merkt Alt an. „Die drastischen Vereinfachungen des Leistungrechts stehen noch aus, auch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe.“

      Nürnberg wartet: auf Berlin. Und auf den Aufschwung. Die Hartz-Reformen, so sieht das auch die BA heute, sollen die Voraussetzung schaffen, dass bei anspringender Konjunktur tatsächlich eingestellt wird. Nicht mehr. Nicht weniger.
      Avatar
      schrieb am 17.06.03 15:06:19
      Beitrag Nr. 192 ()
      Wieviele Arbeitsplätze hat das Papier vom Hartz bis jetzt geschaffen ?

      :mad:
      Avatar
      schrieb am 17.06.03 15:10:16
      Beitrag Nr. 193 ()
      #192,

      du meinst sicher, wieviele es geschafft hat.

      :D
      Avatar
      schrieb am 18.06.03 08:54:08
      Beitrag Nr. 194 ()
      Wie schwachsinnig und erbaermlich unsere politische "Elite" :laugh: denkt, zeigt die Diskussion ueber die Abschaffung der Feiertage....

      Ablenkungsmaneuver, Taeuschungen, Luegen, Freche politische Ausfallschritte wo man nur hinsieht.

      Clement, der in NRW nichts zustande gebracht hat, tapfer Steuergelder in Milliardenhoehe zum Verbrennen als Kohlesubventionen nutzte und den "Hochgeschwindigkeitszug" Transrapid ( ein Projekt, toter als tot seit 10 Jahren) , als High_Tech- Bummelzug von Stadt zu Stadt im Ruhrgebiet zuckeln lassen wollte, kompensiert mit maechtiger Arroganz seine Einfallslosigkeit und Unbeholfenheit.

      Jetzt wird er wenigstens einmal von Wirtschaftsexperten abgewatscht... :laugh:



      EXPERTE ZU FEIERTAGSDISKUSSION

      Clements Milchmädchenrechnung

      Wirtschaftsminister Wolfgang Clement bekommt Nachhilfe in Sachen Volkswirtschaft. Weniger Feiertage, so die Belehrung des Wirtschaftsexperten Gustav Horn, hätten in flauen Konjunkturperioden kaum Auswirkungen auf das Wachstum in Deutschland.


      DPA

      Geringer Effekt: Wegfall eines Feiertags


      Berlin - "Wenn überhaupt, hätte das nur einen sehr geringen Effekt", sagte der Leiter der Konjunkturabteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Dienstag in Berlin.

      Clements Ansicht, das Wachstum könne dadurch höher ausfallen, beruhe auf einer "Milchmädchenrechnung".
      Zu Boomzeiten würden zusätzliche Arbeitstage Sinn machen, sagte Horn. Schwache Nachfrage aber lasse sich nicht durch mehr Arbeitszeit wettmachen. "Wenn Sie eine totale Flaute haben, nützt auch ein zusätzliches Segel nichts."


      Bei den von Clement angegebenen Werten handele es sich um eine rechnerische Konvention, die vom Statistischen Bundesamt unabhängig von der wirtschaftlichen Situation pro zusätzlichem Arbeitstag zu Grunde gelegt werde. Horn: "Das pauschal als starre Regel anzuwenden, halte ich für falsch. Man kann es schon gar nicht benutzen, um sich aus der Krise zu rechnen."



      Clement hatte in einen Interview mit dem "Stern" angeregt, die Deutschen sollten auf einige freie Tage verzichten, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Er verwies darauf, dass im nächsten Jahr das Wirtschaftswachstum bis zu 0,5 Prozent höher ausfallen werde, weil eine Reihe von Feiertagen auf Wochenenden falle. :laugh:


      _______________________________________________________


      P.S. Der konventionelle franzoesische TGV ist mit erreichten ueber 500 Stundenkilometern bereits seit 10 Jahren schneller als der Transrapid je sein wird.


      Als Ministerpraesident in NRW hat Clement Gefaelligkeitsgutachten erstellen lassen, die ebenfalls auf Milchmaedchenrechnungen beruhen.

      Experten haben bereits vor 2 Jahren vorgerechnet, dass der Transrapid zu den unwirtschaftlichsten verkehrsprojekten aller Zeiten gehoeren wird.
      Avatar
      schrieb am 13.07.03 14:26:49
      Beitrag Nr. 195 ()
      Unsere Politiker kapieren einfach nicht, dass

      die Produktivitaet der Industrie viele Jahre lang schneller gestiegen ist als der Konsum und die Verteilung der "uebriggebliebenen" Arbeit unter den arbeitsfaehigen Buergern organisiert werden muss.

      Gleichzeitig muss die Politik kapieren, dass eine Verbilligung der Arbeitskraefte in unserem Land NICHT mehr arbeit, sondern nur billigere Produkte zur Folge haben wird.

      Zugleich muss Sie kapieren, dass gnadenlose Subventionspolitik und Pseudo-Konjunkturprogramme heutzutage nicht mehr grosse Wirksamkeit zeigen.

      UND:

      Jeder, der die Infrastruktur unseres landes benutzt, muss auch gemaess dem Verursacher-/Nutzerprinzip daran beteiligt werden.

      Dass heisst: Wer unsere Infrastruktur benutzt, der muss zahlen. Und nicht noch Abermilliarden an Steuerrueckzahlungen kassieren, um dann die spaeteren Gewinne in Steueroasen zu versteuern.

      Oder, wie viele hierzulande, Gewinne aus Vermoegen steuerfrei geniessen, und die Infrastruktur gratis nutzen, vielleicht sogar die Ehefrau kostenlos ueber die Allgemeinheit kranken- und rentenversichern.

      Mehrarbeit wird keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen.
      Ausser im Arbeitsamt bzw. im Sozialamt.

      Die einzigen Subventionen, die fliessen sollten, sollten Foerderung zukunftstraechtiger technologien und verfahren misamt Grundlagenforschung sein.

      Wir in deutschland und in Europa sind technologisch weiterhin auf fast allen Gebieten der Zukunft fuehrend. DAS sind unsere kuenftigen Arbeistplaetze - und nicht die in der Steinkohle oder im traditionellen Hausbau.

      Aber da foerdert man lieber eine Magnetschwebebahn, die berits JETZT vom franzoesischen TGV in puncto geschwindigkeit weit abgeschlagen ist. Typisches Eitelkeitsprojekt von dummen Politikern wie Clement, die sich innovativ geben und in Wirklichkeit nur traditionelle politische reflexe neu verpacken...

      Ich kann garnicht soviel essen, wie ich kotzen koennte... :(
      Avatar
      schrieb am 14.07.03 09:43:20
      Beitrag Nr. 196 ()
      klassisches Beispiel:

      Die deutsches Politiker traeumen Unfug, die Chinesen sind realistischer...


      DER SPIEGEL 29/2003 - 14. Juli 2003
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,256938,00.html
      China

      Transrapid auf Pannenkurs

      Wegen technischer Probleme mit dem Shanghaier Transrapid drohen dem deutschen Unternehmen ThyssenKrupp Konventionalstrafen in Millionenhöhe





      Die 30-Kilometer-Magnetschwebebahn (Gesamtkosten 1,2 Milliarden Euro), bei der Eröffnung Ende Dezember von Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem damaligen Amtskollegen Zhu Rongji als Wunderwerk deutscher Innovation gefeiert, könnte in Verzug geraten. Ursprünglich sollte der kommerzielle Probebetrieb zwischen dem Flughafen Pudong und der U-Bahn-Station Longyang im Oktober dieses Jahres auf zwei Fahrspuren beginnen.

      Nachdem Teile der Verkabelung verschmorten, bestehen die chinesischen Partner jetzt darauf, sämtliche Leitungen auszuwechseln. Dies könnte zusätzlich rund 30 Millionen Euro kosten - allein für den Eiltransport der Spezialkabel, die vom Herstellungsort Hannover per Frachtflugzeug nach Shanghai gebracht werden, muss ThyssenKrupp rund fünf Millionen Euro einplanen. Die Deutschen haben für die Reparaturen nur einen Monat veranschlagt und versichern, den Zeitplan einzuhalten. Experten vor Ort sprechen jedoch von einer "Katastrophe" - zumal weitere Probleme zu lösen sind: Die Magnetschwebebahn ist noch um fünf Dezibel zu laut, außerdem sind am Zug bereits Schrauben korrodiert.

      Verärgert über die Pannen, verzichtete das chinesische Partnerunternehmen bislang auf den Kauf von drei zusätzlichen Waggons. Ohnehin scheinen die deutschen Magnetbahn-Produzenten derzeit schlechte Karten zu haben. Der Traum, Shanghai und Peking mit dem Transrapid zu verbinden, ist offenbar gefährdet, da sich führende Funktionäre des Eisenbahnministeriums wegen der Kosten für einen traditionellen Hochgeschwindigkeitszug ausgesprochen haben.












      Zum Thema:

      Im Internet: · Transrapid: Der lange Marsch - eine Chronik (manager-magazin.de)
      http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,179…
      Avatar
      schrieb am 22.07.03 19:43:20
      Beitrag Nr. 197 ()
      Dienstag 22. Juli 2003, 13:45 Uhr
      Fünf-Milliarden-Defizit bei der Bundesanstalt für Arbeit

      Berlin (AP) Die Bundesanstalt für Arbeit hat im ersten Halbjahr 2003 ein Defizit von 5,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Wie die Nürnberger Anstalt in ihrem ersten Rechenschaftsbericht nach Einleitung der Reformen am Dienstag bekannt gab, lagen die Einnahmen 3,5 Prozent unter den Planungen, die Ausgaben jedoch 9,9 Prozent darüber.

      ...

      Die Bundesanstalt für Arbeit hatte ursprünglich ihren Haushalt unter der Annahme von 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum für dieses Jahr aufgestellt. Falls die nunmehr von der Bundesregierung geschätzte Wachstumsrate von 0,7 Prozent nicht zutreffe, gebe es zusätzliche Risiken für das Haushaltsergebnis, hieß es im Bericht. «Wird die Entwicklung schlechter, müssen wir neu rechnen», sagte Weise.
      ...

      Die Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen bleibt laut Alt hinter den Erwartungen zurück. Von 200.000 ausgestellten Vermittlungsgutscheinen seien sieben Prozent eingelöst worden. Besser eingeschlagen seien die Fördermaßnahmen für Existenzgründungen. So hätten 33.000 Menschen den Mut gehabt, eine Ich-AG zu gründen. Die Bundesanstalt rechne mit 200.000 Existenzgründungen bis zum Jahresende, auch mit Hilfe des Überbrückungsgeldes. Auch die 930.000 angemeldeten Minijobs bewertete er positiv.

      Die Personalservice-Agenturen entwickeln sich laut Alt nicht so gut wie erwartet. Er führte das darauf zurück, dass Zeitarbeit für Konjunkturabschwünge besonders anfällig seien. Nur 2.300 von 50.000 geplanten Zeitarbeitsstellen seien besetzt.

      http://de.news.yahoo.com/030722/12/3ju6p.html
      Avatar
      schrieb am 07.08.03 14:49:51
      Beitrag Nr. 198 ()
      arbeitslosigkeit
      70 Prozent sagen alles

      Zunächst sehen die Zahlen gar nicht so schlecht aus: Die Arbeitslosigkeit hat im Juli saisonbereinigt nur um 7.000 Menschen zugenommen. Fast könnte man meinen, dass die Jobkrise abflaut - bis man weiterliest im Text der Bundesanstalt für Arbeit. Dann stellt sich heraus, dass seit Jahresbeginn zwar viele Arbeitslose die Statistik verlassen haben, aber leider nicht in Richtung Job.

      Kommentar
      von ULRIKE HERRMANN
      Die meisten Arbeitslosen verschwanden in einem Nichts mit dem Titel "Abgänge in Nichterwerbstätigkeit". Das sind Ältere über 58 Jahre, die ihre Unterstützungsleistungen weiter beziehen dürfen, obwohl sie keinen Job anstreben. Das sind aber auch alle jene, die durch das neue Konzept "Fordern und Fördern" so genervt sind, dass sie sich nicht mehr beim Arbeitsamt zurückmelden. Dazu neigen vor allem Erwerbslose, die sowieso keine Leistungen beziehen. Nun verzichten sie eben auch noch auf die "Beratungstätigkeit" des Arbeitsamtes.


      "Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast" - dieser Spruch, angeblich von Winston Churchill, scheint sich zu bewahrheiten. Der Satz ist hübsch, aber übertrieben. Statistiken können sehr erhellen. Manchmal gelingt es ihnen sogar, Modetheorien in der Politik mit einer einzigen Zahl ad absurdum zu führen.

      Eine solche Zahl hat das Bundesamt für Statistik in dieser Woche veröffentlicht. Sie lautet schlicht: 70 Prozent. 70 Prozent der deutschen Erwerbstätigen arbeiten im Dienstleistungssektor. Diese Quote liegt über dem europäischen Durchschnitt.

      Was daran bedeutsam ist? Bisher ging die deutsche Politik davon aus, dass die Bundesrepublik eine einmalige "Dienstleistungswüste" sei. Man wusste auch, warum: Service sei in Deutschland zu teuer. Also, so die Idee, müsste man doch nur den Niedriglohnsektor verstärken und zum Beispiel Zwei-Euro-Jobs anpeilen. Schon wäre die Arbeitslosigkeit wegorganisiert. Nun aber stellt sich heraus, dass sich die Deutschen durchaus gern bedienen lassen. So schlicht lässt sich die Arbeitslosigkeit nicht erklären. Wieder muss ein Patentrezept in die dicke Akte der "hilflosen Versuche" geheftet werden.

      Das könnte man ja lustig finden, wenn die Folgen nicht so bitter wären: Denn der Niedriglohnsektor, auf bloßen Verdacht geplant, er wird kommen. Von Erwerbslosen wird bestimmt weiter strikt "gefordert", auch wenn dies nirgendwohin "befördert" - außer in eine Zone jenseits der Arbeitslosenstatistik.


      taz Nr. 7124 vom 7.8.2003, Seite 1, 85 Kommentar ULRIKE HERRMANN, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 08.08.03 10:25:46
      Beitrag Nr. 199 ()
      Hier die offizielle Bestaetigung, dass dem Titel meines Threads eine weise Vorraussicht zugrundeliegt:


      SPIEGEL ONLINE - 08. August 2003, 9:23
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,260451,00.html




      Ein Jahr Hartz-Konzept

      "Das Ziel ist nicht mehr zu erreichen"

      Vor einem Jahr präsentierte die Bundesregierung das Programm der Hartz-Kommission als Patentrezept, um die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken. Ein Jahr danach befürchten viele Experten, dass das Konzept die vollmundigen Versprechen nicht erfüllen kann.



      Hamburg - Der Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA), Prof. Thomas Straubhaar, sagte der "Bild"-Zeitung, die angekündigte Halbierung der Arbeitslosigkeit bis August 2005 sei nicht mehr zu schaffen. Straubhaar: "Das von Hartz vorgegebene Ziel, die Zahl der Arbeitslosen in drei Jahren um zwei Millionen zu senken, wird auf jeden Fall verfehlt."

      Auch der Ausbildungsexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, erwartet von dem Konzept zumindest kurzfristig keine positiven Beschäftigungseffekte.
      Es gebe zwar einige viel versprechende Ansätze, doch in weiten Teilen sieht die Kammerorganisation noch großen Nachbesserungsbedarf.

      Vernichtend fällt die Kritik des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle aus. "Vieles ist nur Flickschusterei", sagt sein Arbeitsmarktexperte Herbert Buscher, gegenüber der "Stuttgarter Zeitung".

      Im August 2002 hatte VW-Manager Hartz seinen ehrgeizigen Plan vorgelegt. Seitdem hat sich die Lage noch verschlimmert. Nach rund vier Millionen im vergangenen Jahr meldeten sich im Juli 2003 rund 4,35 Millionen bei den Arbeitsvermittlern. Bis in den Winter hinein, so die übereinstimmenden Prognosen, wird die Zahl weiter steigen.


      Die Regierung hat unter der Rubrik Hartz I und Hartz II bereits mehrere Regelungen in Kraft gesetzt: Dazu gehören die Minijobs oder das Programm "Kapital für Arbeit". Doch während durch die Neuregelung der Minijobs rund 960.000 neue Stellen geschaffen wurden, führt das Programm "Kapital für Arbeit" ein Schattendasein. Es wurden lediglich Kredite in Höhe von insgesamt 460 Millionen Euro abgerufen und 6400 Arbeitsstellen wurden geschaffen. Die SPD-Arbeitsmarktpolitiker waren zum Start noch von 50.000 neuen Arbeitsplätzen pro Jahr und einem Kreditvolumen von fünf Milliarden Euro ausgegangen.

      Über Hartz III und IV entscheidet das Kabinett in der nächsten Woche - dahinter verbirgt sich beispielsweise die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe, von der sich Regierung und Opposition mehr Effizienz versprechen.
      Avatar
      schrieb am 08.08.03 10:27:32
      Beitrag Nr. 200 ()
      SPIEGEL ONLINE - 07. August 2003, 8:40
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,260263,00.html



      Arbeitsmarkt

      Privatvermittler erweisen sich als Flop

      Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte sie erst vor wenigen Monaten als Joker zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit aus dem Ärmel gezogen. Doch bisher haben die umstrittenenen Personal Service Agenturen kaum Vermittlungserfolge vorzuweisen.





      Lächerliche Vermittlungsquote: Schwarzes Brett im Arbeitsamt


      Berlin - Von den bislang 6500 bei Personal Service Agenturen (PSA) untergekommenen Arbeitslosen wurden erst 117 in Arbeit vermittelt, wie der zuständige Referatsleiter der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Ulrich Gawellek, gegenüber dem "Tagesspiegel" einräumte. Er wies zudem den Vorwurf der Arbeitgeber und Zeitarbeitsfirmen zurück, Preisdumping zu betreiben. "Die PSA bieten nicht flächendeckend unter dem Marktpreis an." Bislang gebe es nur wenige Einzelfälle.

      Der Geschäftsführer von Manpower Deutschland, Thomas Reitz, sagte dem Blatt: "Ich bin dafür, dass die PSA in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden." Problematisch sei, dass die erfahrenen Zeitarbeitsunternehmen nur für einen Teil der PSA den Zuschlag von der Bundesanstalt bekommen hätten. Die meisten Unternehmen, die auf Grund ihres günstigen Angebots jetzt die PSA betrieben, seien unerfahren und nutzten die staatlichen Subventionen, um den Preis zu drücken.



      Zum Thema:

      Im Internet: · PSA-Kritik: "Das schadet der Zeitarbeit" (manager-magazin.de)
      http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,257…
      Avatar
      schrieb am 12.08.03 09:37:17
      Beitrag Nr. 201 ()
      SPIEGEL ONLINE - 12. August 2003, 7:47
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,260924,00.html



      Vernichtendes Urteil

      Arbeitsmarktforscher nennt Hartz-Reform Scharlatanerie

      Nach Einschätzung des Nürnberger Arbeitsmarktforschers Hermann Scherl ist die Hartz-Reform nichts als Augenwischerei. Seinen Berechnungen zufolge kann es sein, dass die hohe Arbeitslosigkeit damit überhaupt nicht reduziert wird.



      Abwarten im Arbeitsamt: Hartz-Reformen bringen bisher kaum Entlastung


      Nürnberg - Die Arbeitslosigkeit werde sich keinesfalls wie angekündigt um zwei Millionen verringern, bestenfalls sei noch ein Entlastungseffekt von 400.000 Arbeitslosen möglich, schreibt Scherl in seiner Zwischenbilanz. "Im ungünstigsten Fall geht die Rechnung nahezu auf null aus", so der Arbeitsmarktforscher, der an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrt. Das gesamte Reformwerk erweise sich zunehmend als "Scharlatanerie".

      Völlig überbewertet habe die Hartz-Kommission vor allem die so genannten Personal-Service-Agenturen (PSA), die Arbeitslose als Zeitarbeiter an Firmen vermitteln sollen. Die Erwartung, damit die Zahl der Arbeitslosen um bis zu einer Million zu verringern, sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, schreibt Scherl. In den nun geplanten Personal-Service-Agenturen seien die Beschäftigungs- und Entlastungseffekte gleich null. "Bestenfalls kann über die PSAs die berufliche Wiedereingliederung von sonst schwer vermittelbaren Arbeitslosen gefördert werden", urteilt Scherl.

      Auch bei den so genannten Ich-AGs zeichnet sich nach Einschätzung des Arbeitsmarktforschers ein Misserfolg ab. Ursache dafür sei unter anderem, dass bei der Gewährung von Existenzgründer-Zuschüssen auf die Vorlage eines Geschäftsplans mit positiver fachkundiger Begutachtung verzichtet wird. Dadurch seien schlecht geplante Existenzgründungen mit einem hohen Risiko des Scheiterns zu befürchten. Zudem sei davon auszugehen, dass manche Arbeitslose die Existenzgründungszuschüsse nur mitnähmen, um weitere Zahlungen vom Arbeitsamt zu erhalten.

      Die Neuregelungen bei den "Mini"- und "Midi-Jobs" bei einem monatlichen Lohn von 400 bis 800 Euro seien zwar für Arbeitgeber und Arbeitnehmer attraktiv, zur Beendigung der Arbeitslosigkeit böten sie jedoch keinen Anreiz. Eher sei zu befürchten, dass sie die Zahl normaler Vollzeit-Jobs verringerten, weil sie Arbeitgeber zunehmend dazu veranlassten, normale Stellen in mehrere "Mini-" oder "Midi- Jobs" aufzuteilen. Ferner hält Scherl die geplante Ausdehnung der Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf arbeitslose Sozialhilfeempfänger für fragwürdig. Die BA werde dadurch zu einem "Mega-Sozialamt" aufgebläht.

      Ähnlich kritisch bewerteten mehrere ostdeutsche Politiker die Hartz-Reformen. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) sagte der "Berliner Zeitung", die Erfolge der bisher umgesetzten Hartz-Reformen seien ernüchternd. "Besonders die Personal Service Agenturen haben sich in der Praxis als unsinnig herausgestellt." Mehr als zusätzliche Kosten hätten diese bisher nicht gebracht - im Gegenteil: Es seien reguläre Zeitarbeitsverhältnisse vernichtet worden, weil mit den Subventionen der Bundesanstalt für Arbeit Stellen billiger angeboten werden konnten.


      Martin Gillo (CDU), sächsischer Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, warf der Bundesregierung vor, von den ursprünglichen Hartz- Ideen nicht allzu viel umgesetzt zu haben. "Ungelöst bleibt unser größtes Problem, die hohe Arbeitslosigkeit", erklärte er. "Mehr Arbeitsplätze haben die Hartz-Gesetze hier im Osten nicht gebracht."


      Der brandenburgische Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) verwies hingegen auf erste Erfolge bei der so genannten Ich-AG: "Diese Entwicklung macht mir insgesamt Hoffnung, weil eine breite Diskussion offensichtlich auch die Einstellungen und Handlungen der Menschen beeinflussen kann."





      In SPIEGEL ONLINE: · DGB-Kritik: Rürup-Reform gefährdet Rentensystem (12.08.2003)
      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,260925,00.h…

      · Zu optimistische Prognose: BfA-Renteninfo millionenfach falsch berechnet (11.08.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,260915,00.html

      · Altersvorsorge: Die Regierung plant tiefe Einschnitte (11.08.2003)
      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,260698,00.html





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      Avatar
      schrieb am 12.08.03 10:19:55
      Beitrag Nr. 202 ()
      Und so fing dieser Thread an:


      ______________________________________________________

      #1 von Deep Thought 27.06.02 12:19:08 Beitrag Nr.: 6.741.209 6741209




      das hartz-papier

      13 Module

      1. Schnellere Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes.
      (wo gibt´s die??? )
      2. Verschärfte Regeln für die Zumutbarkeit eines neuen Jobs.(volkwirtschafztlicher Wahnsinn: z.B. Akademiker als Hilfsarbeiter?? DAvor awrnen sogar Arbeitgeberverbände! )
      3. Fusion von Arbeits- und Sozialämtern zu Job-Centern.(Noch unbeweglichere und sinnlose Verwaltung)
      4. Besondere Maßnahmen für jugendliche Arbeitslose.
      (Wie sollen die aussehen, wenn´s keine Ausbildungsplätze gibt???)
      5. Verleih von Arbeitslosen zur Zeitarbeit an Firmen.
      ( DAmit die garkeine Festeinstellungen mehr machen brauchen, wird in der Baubranche schnell Schule machen)
      6. Besserer Service für die "Kunden" Arbeitgeber.
      ( Dabei ist doch eigentlich der Arbeitslose Kunde?? )
      7. Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und -hilfe.
      ( Schöne Formulierung für weniger Geld)
      8. Ausbau der Landesarbeitsämter zu "Kompetenzzentren" für neue Arbeitsplätze.( Die waren noch nie kompetent)
      9. Arbeitlose können sich als "Ich-AG" selbstständig machen.( Das ist das größte... Als Selbstständiger hat man nur noch Recht auf Sozialhilfe und nicht mehr auf Arbeitslosengeld und Fortzahlung der Sozialbeiträge und kann zu jeder Arbeit herangezogen werden - so möchte jeder Arbeitgeber künftig alle Arbeitnehmer haben)
      10. Alle Betriebe müssen Arbeitsplatzbilanzen offen legen.
      ( Das wird eine neue Form von Bilanzfälschungen)
      11. Ältere Arbeitslose fallen aus der Statistik heraus.
      ( Damit man Pseudo-Erfolge feiern kann und man den älteren Arbeitnehmern deutlich macht, daß die 30JAhre voller Arbeit vor der Arbeitslosigkeit nichts mehr zählen)
      12. Mehr Transparenz bei den Arbeitsämtern.
      (Das ist einer der besten Witze, die ich je gehört habe... )
      13. Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
      ( "Arbeitslose sind selbst schuld!" )


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      Avatar
      schrieb am 21.08.03 10:04:43
      Beitrag Nr. 203 ()
      SPIEGEL ONLINE - 12. August 2003, 15:55
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,261010,00.html
      Hartz-Reform in der Kritik

      "Ein wenig durchdachtes Machwerk"

      Arbeitsmarktforscher Hermann Scherl hat das Hartz-Konzept und seine bisherigen Folgen genau unter die Lupe genommen. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE kritisiert er dilettantische Fehler, dubiose Förderungen und sinnlose Geldverschwendung.



      Hermann Scherl, Jahrgang 1945, ist seit 1989 Professor für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg


      SPIEGEL ONLINE: Peter Hartz hat sich beklagt, sein Konzept sei verwässert worden. Sehen Sie das ähnlich?

      Hermann Scherl: Wenn das Konzept windig ist, kann die Umsetzung nicht besser sein. Da ist ein wenig durchdachtes Machwerk mit viel Wortgeklingel hochgejubelt worden. Das war Scharlatanerie. Und das ist Schröder im Wahlkampf zu Pass gekommen, wurde versprochen und jetzt wird`s gemacht.

      SPIEGEL ONLINE: Sie kritisieren in Ihrer Studie vor allem die Personal-Service-Agenturen (PSA). Bei der Lektüre hat man den Eindruck, dass die PSA nur 50.000 Arbeitslose betreuen sollen und nicht 500.000 wie ursprünglich geplant.

      Scherl: Das wären 500.000 Leute gewesen, deren Beschäftigung und Verleih von der Bundesanstalt für Arbeit subventioniert worden wäre mit dem Ziel, den Leiheinsatz zu verbilligen. Die gewerblichen Leiharbeitsfirmen wären dadurch verdrängt worden. Das bewirkt dann aber nicht mehr Beschäftigung. Es wird nur nicht subventionierte Arbeit durch subventionierte verdrängt. Vor allem hätte die Gefahr bestanden, dass Unternehmen in Leiharbeitnehmern einen subventionierten, billigen und dennoch gleichwertigen Ersatz zur Stammbelegschaft sehen.

      SPIEGEL ONLINE: Hartz wollte ein Lohnniveau von 30 Prozent unter dem Normallohn in Unternehmen.

      Scherl: Das hätte die Sache in der Tat noch etwas schlimmer gemacht.

      SPIEGEL ONLINE: Was halten Sie von der Ankündigung, die Arbeitslosenzahlen durch PSA um eine Million zu verringern?

      Scherl: Da hat die Hartz-Kommssion schlicht einen dilettantischen Fehler gemacht. Die Kommission ging davon aus, dass von PSA entliehene Leute danach von den Entleihbetrieben fest übernommen würden. Aber damit ist ja noch nicht ein Job mehr geschaffen. Zusätzliche Jobs kommen nur dadurch, dass Betriebe mehr Aufträge haben.

      SPIEGEL ONLINE: Das heißt, wir haben zu wenig Beschäftigung?

      Scherl: So simpel kann man das sagen. Die ganze Hartz-Geschichte krankte daran, dass man sagte, man könne die ganze Arbeitslosigkeit um zwei Millionen reduzieren, ohne dass man sagte, woher eigentlich mehr Beschäftigung kommen soll.


      SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel durch Ich-AG`s? Aber die sind ihrer Studie zu Folge ja Rohrkrepierer.

      Scherl: Die sind recht dubios. Es gab und gibt weiterhin eine bewährte Existenzgründerförderung der Bundesanstalt für Arbeit, das Überbrückungsgeld. Der wesentliche Unterschied zur Ich-AG-Förderung ist der, dass man für das Überbrückungsgeld einen Geschäftsplan vorlegen muss, der von Banken oder Sachverständigen begutachtet werden muss. Für die neuen Ich-AG`s genügt eine Absichtserklärung: Ich will mich selbständig machen.

      SPIEGEL ONLINE: Eine Absichtserklärung, was heißt das?

      Scherl: Wenn ich angebe: Ich will mich selbstständig machen als freiberuflicher Philosoph, dann muss das Arbeitsamt das akzeptieren. Wenn das genügt, dann ist einerseits anzunehmen, dass etliche, bei denen Leistungen demnächst auslaufen, die Chance wahrnehmen, noch ein bis drei Jahre länger Geld vom Arbeitsamt zu bekommen. Die Leistungen kann man ja sogar weiter beziehen, wenn man anschließend eine normale Arbeit aufnimmt. Im Grunde muss man sich wundern, dass noch nicht jeder Arbeitslose, der einen neuen Job annimmt, nicht zwei Wochen vorher erklärt: "Ich will mich selbstständig machen, gebt mir mal den Existenzgründungszuschuss."

      SPIEGEL ONLINE: Kennen Sie Fälle?

      Scherl: Das ist das nächste Problem: Wenn es sie gibt, kann man das nicht beobachten, weil es keinen Datenabgleich gibt. Es gibt im Augenblick nicht einmal einen Datenabgleich darüber, ob geförderte Existenzgründer einen Job angenommen haben.

      SPIEGEL ONLINE: Sie schreiben auch, dass ein Existenzgründer nebenbei einen Midi-Job annehmen kann, und bei 401 Euro Monatslohn für einen Arbeitnehmerbeitrag von 17 Euro sozialversichert ist.

      Scherl: Das wäre die Superkombination! Zuschüsse und die Sozialversicherung zum Schnäppchenpreis von 17 Euro. Das ist auch für etablierte Selbstständige ganz interessant. Nicht nur für Gründer. Wenn Sie in die gesetzliche Krankenversicherung wollen, was ja bei manchen Älteren nahe liegend ist, weil die private zu teuer wird, dann nehmen Sie halt einen Midi-Job.

      SPIEGEL ONLINE: Das heißt: Jemand setzt Hunderttausende Euro als Selbständiger um und geht für 17 Euro zum Arzt?

      Scherl: Das habe ich mich auch schon gefragt. Das kann ich aber vorläufig nicht beantworten, weil ich nicht den ganzen Sozialgesetzdschungel durchforstet habe. Möglicherweise kann da die Beitragseinzugstelle etwas einwenden, wenn andere Haupttätigkeiten ein beachtliches Maß erreichen. Das auszuleuchten wäre aber sehr mühsam. Der deutsche Paragraphendschungel ist nun einmal sehr undurchsichtig.

      SPIEGEL ONLINE: Werden Mini- und Midi-Jobs das reguläre Beschäftigungsangebot sogar reduzieren?

      Scherl: Das erwarte ich. Das wird sich aber erst in einiger Zeit nachweisen lassen. Wir hatten das ja schon einmal: 1999 sind die 630-Mark-Jobs geändert worden, weil man vermeiden wollte, dass herkömmliche Jobs zunehmend aufgespalten werden. Und jetzt sagt man: Kommando zurück! Und attraktiver gemacht hat man das auch noch. Nur eben für Arbeitslose nicht.


      SPIEGEL ONLINE: Nun soll die BA ja auch arbeitslose Sozialhilfeempfänger übernehmen. Was bringt das?

      Scherl: Es gibt auf kommunaler Ebene etliche erfolgreichere Programme. Die werden dann eingestellt, weil die Kommunen daran dann kein Interesse mehr haben.

      SPIEGEL ONLINE: Das ursprüngliche Ziel der Hartz-Reform waren 2 Millionen weniger Arbeitslose. Was sagen Sie dazu?

      Scherl: Im besten Fall gibt es 400.000 weniger Arbeitslose. Im schlechtesten wird der Erfolg gegen Null tendieren.

      SPIEGEL ONLINE: Wenn mit Hartz nur Zeit und Geld verschwendet wird, was soll man tun? Das ganze Reformprojekt stoppen?

      Scherl: Versprochen ist versprochen. Und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist wirklich überfällig. Nur man hätte das anders machen müssen. Auch der Umbau der Bundesanstalt scheint ja in Teilen sinnvoll. Aber auch hier werden Millionen verschwendet, nur um die Anstalt Agentur zu nennen. Man kann nun aber Zweifel haben, ob das das breite Publikum überhaupt bemerkt. Die Vermittlung wird nicht höher werden, egal wie man das nennt.

      SPIEGEL ONLINE: Wie wird es Ihrer Meinung nach weiter gehen?

      Scherl: Das alles wird nun Politik und Verwaltung zwei Jahre beschäftigen. Dann ist bald wieder Wahlkampf und es wird nichts Neues mehr passieren. Die Regierung ist ja jetzt schon ziemlich erschöpft. Dabei müsste man endlich tun, was der Sachverständigenrat und die meisten Ökonomen sagen: Wir haben zu wenig Beschäftigung und die kann nur durch mehr Wirtschaftsdynamik angekurbelt werden. Alles andere ist nur die Frage, wie man Beschäftigung umverteilt.

      Das Interview führte Roman Pletter





      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Arbeitsmarktreformen: "Der Sozialstaat verstößt seine Kinder" (12.08.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,261024,00.html

      · Radikaler Vorstoß: Merz will die Gewerbesteuer abschaffen (12.08.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,261017,00.html

      · Haushaltskrise: Länder empört über Eichel-Raubzug (12.08.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,260960,00.html

      · Zu optimistische Prognose: BfA-Renteninfo millionenfach falsch berechnet (11.08.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,260915,00.html





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      Avatar
      schrieb am 27.08.03 18:13:01
      Beitrag Nr. 204 ()
      Ganz schlimm, daß man die Bürger dreist belügt mit Hartz, Rürup und anderen eitlen Gangstern. Alles Betrüger! Weg mit dem roten Pack! :mad:
      Avatar
      schrieb am 28.08.03 15:31:26
      Beitrag Nr. 205 ()
      Ist kein Problem der politischen Richtung, sondern allgemeinen politischen Versagebns, seit ueber 20 ahren, am laengsten mit dem Dicken Aussitzer an der Spitze - 16 JAHRE LANG !!!
      Avatar
      schrieb am 07.09.03 14:31:33
      Beitrag Nr. 206 ()
      Experten fürchten weiteren Anstieg


      In Deutschland verharrt die Arbeitslosigkeit offenbar weiterhin auf hohem Niveau. Nach Berechnungen von Arbeitsmarkt-Fachleuten waren im August zwischen 4,36 bis 4,37 Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Dies wären 10 000 bis 20 000 mehr als im Juli, berichteten Vertreter von Wirtschaftsforschungsinstituten am Mittwoch. Der Vorjahresabstand habe sich damit auf 340 000 bis 350 000 erhöht. Die offiziellen Zahlen will die Bundesanstalt für Arbeit (BA) am Donnerstag in Nürnberg bekannt geben.

      Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hätte sich damit im August deutlich schlechter entwickelt als in den Vorjahren. In den zurückliegenden sechs Jahren war die Zahl der Erwerbslosen im August im Schnitt um 15 000 gesunken.
      Allerdings werde die Lage wegen der späten Sommerferien in den drei bevölkerungsreichsten Bundesländern Bayern, Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr etwas verzerrt, gaben die Fachleute zu bedenken.

      Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung geht für August von 4,36 Millionen Erwerbslosen im Vormonat aus, das Kieler Weltwirtschaftsinstitut hat für den August eine Arbeitslosenzahl von etwa 4,37 Millionen errechnet. Die Prognosen seien derzeit aber wegen der kaum abschätzbaren Wirkungen des Job-Aktiv-Gesetzes und der Hartz-Reform schwierig, betonten die Fachleute.

      Droht Fünf-Millionen-Rekord?

      Die Auswirkungen der jüngsten Arbeitsmarkt-Reformen machten derzeit auch Voraussagen darüber schwer, ob die Erwerbslosigkeit im kommenden Winter die Fünf-Millionen-Grenze überschreiten wird. „Bei der jetzigen Konjunkturlage muss man eigentlich davon ausgehen. Sollten die Aktivierungsbemühungen der Arbeitsämter aber greifen, werden die fünf Millionen wohl nicht erreicht“, meinte ein Sprecher vom Kieler Weltwirtschaftsinstitut. „Wir werden aber auf jeden Fall in die Nähe dieser Grenze kommen“, schätzt der Experte.

      Im Juli waren in Deutschland 4,352 Millionen Menschen arbeitslos. Dies waren 94 500 mehr als im Juni und 305 000 mehr als im Jahr davor. Die Arbeitslosenquote kletterte von 10,2 auf 10,4 Prozent. In Westdeutschland waren 2 734 500 Menschen arbeitslos (plus 71 400), im Osten 1 617 500 (plus 23 100). Erstmals seit zwei Monaten war auch die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen wieder leicht gestiegen. Dies weist nach Experten-Einschätzung auf die unvermindert schwierige Lage am Arbeitsmarkt hin.

      03.09.03, 20:42 Uhr
      (Quelle: dpa)
      Avatar
      schrieb am 07.09.03 14:35:46
      Beitrag Nr. 207 ()
      Den Anstieg der wirklichen Arbeitslosenzahl, wer weis da bescheid?
      Avatar
      schrieb am 10.09.03 10:30:14
      Beitrag Nr. 208 ()
      Jetzt wird langsam klar, was Clement mit dem Satz meint, Arbeitslose müssten jede legale Arbeit annehmen:

      Unmoralisches Angebot
      Arbeitsamt will brave Bäckersfrau
      zum Nacktmodell umschulen

      Von M. MECKELEIN

      Gotha – Ist es schon so weit, dass Arbeitslose wirklich j e d e n Job annehmen müssen?
      Eine brave Bäckereifachverkäuferin bekam ein unmoralisches Angebot des Arbeitsamtes Gotha (Thüringen).

      Birgit W. (23) arbeitete zuletzt in einer Bäckerei in Frankfurt/Main. „Das Heimweh nach Thüringen war groß. Ich zog zurück zu meinen Eltern und meldete mich arbeitslos. Ich sagte denen, dass ich wieder als Verkäuferin oder Telefonistin arbeiten wollte“, erzählt sie.



      Die Vermittlung war schwierig. Erst jetzt, nach fast einem halben Jahr, kam Post vom Arbeitsamt. Eine Mitarbeiterin schrieb: „Ich freue mich, Ihnen folgende Beschäftigungsmöglichkeit vorschlagen zu können. Tätigkeit: Fotomodell, Anforderungen: Modell für Aktfotos, Lohn/Gehalt: 20 Euro.“ Dazu die Bitte, sich bei dem Nacktfotografen vorzustellen.


      Verkäuferin Birgit ist geschockt: „Von Ausziehen war nie die Rede. Von Modeln auch nicht. Ich will das nicht. Was soll ich bloß machen?“


      Im Schreiben wird sie aufgefordert, „das Ergebnis Ihrer Verhandlungen“ dem Arbeitsamt mitzuteilen. Die Verkäuferin: „Ich habe Angst, dass ich keine Unterstützung vom Arbeitsamt mehr bekomme, wenn ich die Stelle einfach so ablehne.“


      Ein Sprecher des Amtes gestern: „Das war doch nur ein unverbindliches Angebot.“

      Aus Bild-online
      Avatar
      schrieb am 10.09.03 10:37:21
      Beitrag Nr. 209 ()
      Für alle die nicht wissen, welche Ziele die SPD wirklich verfolgt.

      Unter dem Link

      www.spd.de/servlet/PB/show/1010243/programmdebatte_grundsatzprogramm.pdf

      findet man das Grundsatzprogramm der SPD.

      Wer lange genug liest kommt an diese Stelle:

      „Die Sozialdemokratie führt die Tradition
      der demokratischen Volksbewegungen des
      neunzehnten Jahrhunderts fort und will
      daher beides: Demokratie und Sozialismus,
      Selbstbestimmung der Menschen in Politik
      und Arbeitswelt.“

      Wenn man das ganze Bla. Bla. dieses Grundsatzprogrammes weg lässt so bleibt der Sozialismus als letztendliches Ziel der SPD übrig.

      Darum hier eine Definition von Sozialismus.

      Sozialismus (lat.-fr.) der; -:1. (ohne Plural) (nach Karl Marx dem Kommunismus vorausgehende) Entwicklungsstufe, die auf gesellschaftlichen oder staatlichen Besitz der Produktionsmittel u. eine gerechte Verteilung der Güter an alle Mitglieder der Gemeinschaft hinzielt. 2. (Plural selten) politische Richtung, Bewegung, die den gesellschaftlichen Besitz der Produktionsmittel u. die Kontrolle der Warenproduktion u. -verteilung verficht.

      Duden - Das Fremdwörterbuch, Dudenverlag Mannheim Wien Zürich 1990

      Wohin der Sozialismus führt, konnte man in der ehemaligen DDR sehen. Enteignung der Menschen durch Sozialisierung, sozialistische Bevormundung, staatliche Behördenwirtschaft, Leben nach autoritären Vorschriften, Karriere durch Parteibuch usw. usw.

      Wer in Freiheit und Wohlstand leben möchte, kann gar nichts anderes tun, als die SPD abzulehnen.

      Hier noch ein paar Auszüge aus dem Parteiprogramm.

      "Wachsende und neue Staatsaufgaben
      im Interesse aller erlauben auch künftig
      kaum geringere Gesamtbelastung durch
      Steuern, selbst bei strengster Wirtschaftlichkeit
      und Sparsamkeit."

      Sie SPD hat also überhaupt nicht vor die Belastung der Bürger zu senken.

      "Wir wollen ein Bodenrecht, mit dem in der
      kommunalen und regionalen Raumplanung
      ökologische und soziale Ziele durchgesetzt
      werden können. Das gilt vor allem für den
      Wohnungsbau und Gestaltung des Wohnumfeldes.
      Dazu brauchen wir

      - ein einfacheres Enteignungs- und
      Entschädigungsrecht,"

      Enteignen das Ziel der SPD.

      usw. usw.
      Avatar
      schrieb am 13.10.03 17:45:48
      Beitrag Nr. 210 ()
      was ist eigentlich überhaupt noch von dem ursprünglichen Hartz Konzept, welches vor den Wahlen als der Heisbringer dargestellt wurde, übrig?
      Im Prinzip braucht es wirklich keine Kommissionen mehr, wenn dann sowieso alles dem Proporz und dem Frieden in den Fraktionen und Parteien zum Opfer fällt. Dann sollten doch die Politiker diese Shows lassen und einfach bekannt geben, dass Deutschland von einer Parteiendiktatur bestimmt wird, die alles so organisiert hat, dass Newcomer keine Chance haben werden.
      Avatar
      schrieb am 23.11.03 11:59:15
      Beitrag Nr. 211 ()
      SPIEGEL ONLINE - 23. November 2003, 11:17
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275254,00.html


      Bundesanstalt für Arbeit

      Gerster leistet sich Medienberater für 820.000 Euro

      Riesenwirbel um Florian Gerster: Weil seine Bundesanstalt für Arbeit unter schlechtem Image leidet, will der Behördenchef die Öffentlichkeitsarbeit mit einem Luxus-Vertrag verbessern. Einem Zeitungsbericht zufolge hat Gerster einen Medienberater für ein Salär von 820.000 Euro beauftragt.




      In der Kritik: Florian Gerster


      Hamburg - Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, beschäftigt Gerster den Berliner Berater und früheren Bertelsmann-Manager Bernd Schiphorst. Zugleich habe sich der Etat der Bundesanstalt für Öffentlichkeitsarbeit unter der Führung Gersters von 135 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 251 Millionen Euro im kommenden Jahr nahezu verdoppelt.

      Das Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt, Jürgen Heike, sagte der "BamS": "In der Bundesanstalt für Arbeit schüttelt man nur noch den Kopf. Die Beträge sind abenteuerlich." Der CSU-Politiker verlangte von Gerster die umgehende Offenlegung der Verträge. "Wir lassen uns nicht länger veräppeln", sagte der Staatssekretär im bayerischen Arbeitsministerium.

      Auch im Bundeswirtschaftsministerium wird die Verpflichtung des Medienberaters laut "BamS" mit Skepsis gesehen. Offiziell hieß es aber nur: "Das ist eine Angelegenheit des Vorstands der Bundesanstalt für Arbeit."

      Gersters Behörde verteidigte den Vertrag mit der Beraterfirma. "Wir brauchen externe Berater, um den Kommunikationsbereich neu zu ordnen", :laugh:sagte eine Sprecherin. Der Vertrag erstrecke sich von April 2003 bis Ende 2004, die Konditionen seien marktgerecht.
      Avatar
      schrieb am 23.11.03 14:27:04
      Beitrag Nr. 212 ()
      :laugh::laugh::laugh:

      "Externe Schützenhilfe"....wie schaffe ich endlich Volksgeschmack herbei, damit der Wust meines Zahlensalates die Mülltonnenreife verläßt ?? :D:D

      Keiner glaubt mir, aber "Alles wird Gut"...die kriegen das hin für 820.000 € ! :D
      Avatar
      schrieb am 23.11.03 14:50:11
      Beitrag Nr. 213 ()
      #211

      die Bundesanstalt für Arbeit ist doch ein Fass ohne Boden!
      :cry:
      Avatar
      schrieb am 24.11.03 10:19:38
      Beitrag Nr. 214 ()
      Florian Gerster, der gluecklose Provinzpolitiker mit dem grossen Maul, der in ueblicher Weise aus dem Rheinland-Pfaelzischen Landeskabinett weggelobt wurde, hat vor allem sich selber gut versorgt:

      Als erstes wurde der Job des Direktors der BA als "Vorstandsvorsitz" deklariert, das Gehalt mehr als verdoppelt.
      Dann kamen die grossen Sprueche ( alle hier im Thraed nachzulesen) und die Arbeitslosenzahlen sanken nicht, sie stiegen immer schneller.

      Kerin Problem fuer Florian gerster:

      Fuer sein voelliges Versagen auf dem Posten, bedingt durch das Erreichen der letzten Stufe im Sinne des Peter-Prinzips, sind natuerlich wie immer andere Schuld, frei nach dem Motto: "wenn der Bauer nicht schwimmen kann, ist die Badehose schuld";

      Und um sein Versagen schoenzureden, muss man einen Medienberater engagieren, nachdem man sich auf voller Linie blamiert hat.

      gelder der beitragszahler zur OPtimiereung der nicht mehr zu rettenden persoenlichen Politiker"karriere".

      Die versager an der Spitze des Staates greifen immer ungenierter in die Taschen der Buerger.

      Wie sagte Bundespraesident von Weizaecker damals so treffend:

      "Die Parteien haben sich den Staat zur beute gemacht"

      Dem ist nicht mehr viel hinzuzufuegen.... :mad:




      __________________________________________________________
      SPIEGEL ONLINE - 24. November 2003, 7:44
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275325,00.html



      Gersters Berater-Affäre

      "Das ist nicht der erste Fehltritt, das Fass ist voll"

      Erst wetterte nur die CSU, inzwischen kommt auch von der Vizechefin des DGB massive Kritik: Nachdem Florian Gerster 820.000 Euro für Medienberatung ausgegeben hat, verliert der Chef der Bundesanstalt für Arbeit bei früheren Unterstützern Rückhalt.


      Berlin/Nürnberg - Ursula Engelen-Kefer zeigte sich verärgert, als sie am Abend in der ARD auftrat. Die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die zugleich Vorsitzendes des Verwaltungsrates der Bundesanstalt ist, distanzierte sich von Gerster. "Herr Gerster hat diese Entscheidung getroffen. Da können wir auch keinerlei Verantwortung übernehmen, und Herr Gerster muss das verantworten."

      BA-Chef in der Kritik: Florian Gerster hat sich bisher nicht persönlich zu den Vorwürfen geäußert



      Engelen-Kefer sagte, sie kenne den mit 820.000 Euro dotierten Vertrag nicht, den die Anstalt mit der Firma WMP EuroCom abgeschlossen hat - und über sie mit dem Medienberater Bernd Schiphorst. "Da haben wir auch überhaupt keinen Einblick", sagte Engelen-Kefer.

      Eine Sprecherin der Nürnberger Anstalt hatte die Honorarsumme am Wochenende bestätigt. Zugleich sprach sie von einer "marktgerechten Summe", die für umfassende Leistungen des Unternehmens vorgesehen sei.


      CDA-Chef: "Klarer Fall von Veruntreuung"

      Zugleich hat Gerster laut "Bild am Sonntag" auch den Kommunikationsetat der Behörde, die unter Sparzwang steht, von 135 Millionen Euro 2002 auf 251 Millionen Euro gesteigert. Die Sprecherin sagte aber: "Ich kann nicht nachvollziehen, wo dieser Betrag herkommt, es ist nirgendwo etwas versteckt.":laugh: Für 2004 seien lediglich 42 Millionen Euro für Marketing- Maßnahmen, Informationskampagnen, Publikationen und Online-Dienste budgetiert.


      Inhalt des Vertrages mit WMP sei eine umfassende Bestandsaufnahme des gesamten Kommunikationsbereiches der BA, die Empfehlung einer Neuordnung sowie die Entwicklung eines integrierten Kommunikationskonzeptes. Die Summe fließe nicht an den Medienberater Bernd Schiphorst als Einzelperson, sondern an das Unternehmen. "Inwieweit WMP Bernd Schiphorst vergütet, ist der BA nicht bekannt."

      Schiphorst, früherer Bertelsmann-Manager und jetziger Präsident des Fußballclubs Hertha BSC Berlin, dementierte gegenüber der Berliner Zeitung "B.Z.", dass er von Gerster mit 820.000 Euro entlohnt werde. Er werde einzig und allein von der Agentur WMP bezahlt - wo er im Vorstand sitzt. "Fakt ist auch, das die WMP einen Beratervertrag mit der Bundesanstalt für Arbeit besitzt", wird Schiphorst zitiert. Er leite eine Arbeitsgruppe, die die BA unterstützt.

      Das Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt, Jürgen Heike, sagte der "BamS": "In der Bundesanstalt für Arbeit schüttelt man nur noch den Kopf. Die Beträge sind abenteuerlich." Der CSU-Politiker verlangte von Gerster die umgehende Offenlegung der Verträge. "Wir lassen uns nicht länger veräppeln", sagte der Staatssekretär im bayerischen Arbeitsministerium.

      Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Hermann-Josef Arentz, forderte die Bundesregierung auf, über eine Ablösung Gersters nachzudenken. "Sollten die bekannt gewordenen Zahlen und die Absichten des Vorstandsvorsitzenden zutreffen, dann ist das ein klarer Fall von Veruntreuung von Beitragsgeldern", sagte Arentz der "Rheinischen Post". Der zuständige Bundestagsausschuss müsse sich umgehend mit Gersters Ausgaben befassen und ihn dazu vorladen. "Das ist nicht sein erster Fehltritt, das Fass ist voll", sagte Arentz. Ähnlich hatte sich zuvor bereits der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer geäußert.


      Das zuständige Bundeswirtschafts- und Arbeitsministerium aber gab sich bedeckt. Es erklärte lediglich: "Das ist eine Angelegenheit des Vorstands der Bundesanstalt für Arbeit."
      Avatar
      schrieb am 24.11.03 10:38:31
      Beitrag Nr. 215 ()


      "Zeit, die Kohle zu überweisen !" :laugh:
      Avatar
      schrieb am 25.11.03 08:28:15
      Beitrag Nr. 216 ()
      SPIEGEL ONLINE - 24. November 2003, 12:36
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275374,00.html


      PR-Berateraffäre

      Gerster vergab Millionenauftrag ohne Ausschreibung


      Von Thomas Hillenbrand

      Wegen eines millionenschweren Beratervertrags der Bundesanstalt für Arbeit mit der politiknahen Kommunikationsfirma WMP gerät Behördenchef Florian Gerster immer stärker unter Druck. Möglicherweise hat er gegen europäisches Vergaberecht verstoßen.

      In Erklärungsnot: Florian Gerster


      Hamburg - Ursula Engelen-Kefer, die Vorsitzende des Verwaltungsrates der BA, bemühte sich, möglichst viel Distanz zwischen sich und den BA-Chef zu bringen. "Herr Gerster hat diese Entscheidung getroffen. Da können wir auch keinerlei Verantwortung übernehmen, und Herr Gerster muss das verantworten."

      Engelen-Kefer weiß wohl, warum sie von dem Genossen abrückt. Denn der Beratervertrag über 1.320.000 Euro für die Jahre 2003 und 2004, den Gerster (SPD) mit dem in Berlin ansässigen Unternehmen WMP Eurocom geschlossen hat, wirft zahlreiche unangenehme Fragen auf. Inhalt des Vertrages mit WMP ist laut BA-Angaben die Entwicklung eines Konzeptes unter anderem zur Neuordnung der internen Kommunikationsabteilung der Behörde bis Ende 2004.

      Vorwurf der Vetternwirtschaft und des Rechtsbruchs

      Gerster werden gute persönliche Kontakte zu WMP-Manager Bernd Schiphorst nachgesagt. Schwerer wiegen dürfte jedoch der Vorwurf, dass der PR-Deal nicht öffentlich ausgeschrieben wurde, wie es nach EU-Vergaberecht Vorschrift gewesen wäre. Da der Dienstleistungsvertrag der BA mit WMP die gesetzliche Grenze von 200.000 Euro überschreitet, hätte eine Ausschreibung erfolgen müssen.

      Die BA versucht sich mit der Behauptung zu retten, dass die Vergabe des Auftrags an WMP aus zeitlichen und sachlichen Gründen von vornherein alternativlos war. "Es war eine Eilvergabe", so eine Behördensprecherin gegenüber der SPIEGEL ONLINE. "Unsere Recherchen :eek: hatten ergeben, dass die betreffende Firma die Leistungen auf Grund ihrer Reputation im vollen Umfang erbringen konnte." :laugh:




      Tatsächlich macht das EU-Kartellvergaberecht Ausnahmen, wenn ein erheblicher Zeitdruck besteht oder fachlich nur ein bestimmtes Unternehmen für einen Auftrag in Frage kommt. Martin Schellenberg, Partner und Experte für öffentliche Aufträge bei der Rechtsanwaltskanzlei Luther Menold, bezweifelt allerdings, dass in diesem Fall eine der Ausnahmen vorliegt: "Grundsätzlich sind diese Ausnahmen juristisch sehr eng auszulegen."

      Keine Markenprofis

      Wacklig ist vor allem das BA-Argument, WMP sei fachlich die erste Wahl gewesen. Volker Liedtke, Chef der Internet-Werbeagentur Webmills weist darauf hin, dass WMP "keine Hausnummer im Bereich der Unternehmenskommunikation" sei.

      Tatsächlich ist WMP Eurocom in Sachen Markenberatung ein ziemlich unbeschriebenes Blatt: Referenzkunden führt das Unternehmen auf seiner Internetseite nicht an - obwohl es in der Branche eigentlich üblich ist, mit erfolgreich abgeschlossenen Projekten zu werben. Auffällig ist vielmehr die große Nähe des Unternehmens zur Politik.


      Im Vorstand sitzt neben dem für den BA-Deal verantwortlich zeichnenden Ex-Bertelsmann-Manager Schiphorst auch der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP). Aufsichtsratschef ist der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP). Auch Rainer Wend (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit des Deutschen Bundestages sowie Peter Heesen, der Chef des Deutschen Beamtenbundes, sitzen in dem Kontrollgremium. WMP wollte auf Anfrage keinen Kommentar abgeben und verwies auf laufende Besprechungen der Geschäftführung.



      Medienberater und Hertha-BSC-Präsident Bernd Schiphorst: "Nicht überzeugend"


      Auch das Argument der gebotenen Eile erscheint wenig stichhaltig. Vor gut 18 Monaten wurde die BA-Führung ausgetauscht und eine grundlegende Neuorganisation der Arbeitsverwaltung beschlossen - die Erkenntnis, dass dazu auch ein neues Kommunikationskonzept gehört, wird sich den Beteiligten nicht erst vor wenigen Tagen aufgedrängt haben. Bei anderen, wesentlich dringenderen BA-Reformvorhaben, wie etwa der Reorganisation der Jobvermittlung über das Internet, nahm sich die Behörde hingegen Zeit für ein ordnungsgemäßes Ausschreibungsverfahren.

      Nach Darstellung einer BA-Sprecherin sei "Anfang des Jahres" klar geworden :laugh: , dass eine Reorganisation der Unternehmenskommunikation ohne professionelle Hilfe nicht realisierbar sei. Zu der Frage, warum sich binnen eines Dreivierteljahres keine ordnungsgemäße Ausschreibung mehr organisieren ließ, wollte die BA keine Stellung nehmen.

      DBG-Vize Engelen-Kefer, die als Gegnerin Gersters gilt, sagte dem NDR, sie habe sich vor der umstrittenen Vergabe "darum bemüht, gerade den Kommunikationsetat etwas näher kennen zu lernen und auch ein Konzept vorgestellt zu bekommen von Herrn Schiphorst". Es sei nicht nur Gewerkschaftsmeinung gewesen, "dass das, was dort vorgetragen wurde, nicht überzeugend war". Um ihren Protest gegen Gersters Pläne deutlich zu machen, habe der Aufsichtsrat in das Sitzungsprotokoll einen Sperrvermerk einfügen lassen, so Engelen-Kefer.









      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Video News: Behördenchef Gerster in der Kritik (24.11.2003)
      http://www.spiegel.de/sptv/extra/0,1518,275433,00.html

      · Arbeitsamtreform: Wie die Bundesanstalt einen innovativen Amtsleiter drangsalierte (24.11.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275352,00.html

      · Gersters Berater-Affäre: "Das ist nicht der erste Fehltritt, das Fass ist voll" (24.11.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275325,00.html




      Im Internet: · BA-Affäre: "In diesem Spiel bin ich nicht die Hauptfigur" (manager-magazin.de)
      http://www.manager-magazin.de/koepfe/artikel/0,2828,275417,0…





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      Avatar
      schrieb am 25.11.03 11:39:00
      Beitrag Nr. 217 ()
      SPIEGEL ONLINE - 25. November 2003, 10:28
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275494,00.html
      PR-Affäre

      Gersters befangener Kontrolleur

      Von Thomas Hillenbrand

      Wegen eines umstrittenen Deals mit der PR-Firma WMP Eurocom soll sich der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, am kommenden Freitag vor dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit rechtfertigen. Praktisch für Gerster: Der Ausschussvorsitzende Rainer Wend ist Aufsichtsrat bei WMP.




      Ausschussvorsitzender Rainer Wend: Schwer durchschaubarer Filz



      Hamburg - CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer war auf Krawall gebürstet: "Es reicht jetzt langsam mit den Eskapaden von Herrn Gerster", sagte er dem Bonner "Generalanzeiger". "Er soll vor dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft für sein Verhalten rechtfertigen". Eine Sprecherin des Ausschusses bestätigte gegenüber SPIEGEL ONLINE, dass Gerster am Freitag um acht Uhr vor dem Gremium erscheinen solle.

      Dem Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) wird vorgeworfen, einen recht üppigen Beratungsvertrag an die Berliner Lobbyfirma WMP Eurocom vergeben zu haben. Für 1,32 Millionen Euro soll WMP das schlechte Image der BA aufbessern und eine neue Kommunikationsstrategie für die Mega-Behörde erarbeiten.

      Für den größeren Skandal halten es Gersters Kritiker jedoch, dass der BA-Chef bei dem WMP-Deal das EU-Kartellvergaberecht ignoriert hat. Dienstleistungsverträge mit einem Volumen von mehr als 200.000 Euro müssen öffentlich ausgeschrieben werden. Nach Darstellung der BA konnte wegen gebotener Eile und einer besonderen Eignung WMPs auf das normale Verfahren verzichtet werden. Juristen bezweifeln, dass dies rechtmäßig war.

      Kontrolleure außer Kontrolle




      Allzu sehr fürchten muss sich Gerster vor der Ausschusssitzung wohl nicht. Denn sein Parteifreund, der Ausschussvorsitzende Rainer Wend (SPD), kann kein großes Interesse daran haben, Gersters PR-Agentur WMP in ein schlechtes Licht zu rücken oder den mit der BA geschlossenen Vertrag zu torpedieren. Schließlich sitzt er im Aufsichtsrat der WMP AG.

      Wend, stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung. Seine Sprecherin verwies auf eine laufende Ausschusssitzung. Wend ist nicht der einzige Abgeordnete, der sich von WMP bezahlen lässt. Der Abgeordnete Günter Rexrodt (FDP) ist Geschäftsführer. Im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft sitzen weitere bekannte Politiker. Der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) führt den Vorsitz.

      Neben Wend gehört auch der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert (SPD), dem Gremium an. Den Genossen scheint ihr Nebenjob nicht ganz geheuer zu sein: Auf der WMP-Webseite geben sie ihre Haupttätigkeit als Abgeordnete nicht an, sondern firmieren beide als "Rechtsanwalt".









      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Video News: Behördenchef Gerster in der Kritik (24.11.2003)
      http://www.spiegel.de/sptv/extra/0,1518,275433,00.html

      · Gerster verteidigt sich: "Ein bescheidener Betrag" (25.11.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275480,00.html

      · PR-Berateraffäre: Gerster vergab Millionenauftrag ohne Ausschreibung (24.11.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275374,00.html




      Im Internet: · Aufsichtsrat von WMP Eurocom
      http://www.wmp-eurocom-ag.de/aufsichtsrat.html

      · Vorstand von WMP Eurocom
      http://www.wmp-eurocom-ag.de/vorstand.html





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      Avatar
      schrieb am 25.11.03 11:40:28
      Beitrag Nr. 218 ()
      LOL - endlich mal ein funktionierendes Perpetuum Mobile
      Avatar
      schrieb am 25.11.03 15:58:22
      Beitrag Nr. 219 ()
      @ konns
      # 218 :laugh:


      Sehr zutreffender Kommentar in der taz:




      arbeitsämter werben
      Schlechter Gag für Arbeitslose

      Ein Vorschlag zur Bewältigung des Arbeitslosenproblems: Die Bundesanstalt für Arbeit schreibt millionenschwere Aufträge aus für erwerbslose Grafiker, Texter, Schnelldenker und andere Quereinsteiger. Die Aufgabenstellung: ein Werbekonzept für die neue Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Etwa so: "Entwickeln Sie eine Kampagne für die Arbeitsämter, einen Auftritt auf Plakaten, Anzeigen und im Fernsehen, der Millionen Joblosen die Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe nahe bringt und das Arbeitsamt als Dienstleistungsagentur erscheinen lässt. Sie als Betroffener wissen am besten um die Sensibilität des Themas."

      Kommentar
      von BARBARA DRIBBUSCH
      Eine solche Ausschreibung wäre mehr als ein Gag, denn schlagartig enthüllte sich damit das Verrückte an der PR-Politik des Chefs der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster. Es gibt nichts Zynischeres, als mit viel Tamtam für etwas zu werben, das den Betroffenen nur Nachteile bringt. Gerster hat mit der geplanten Ausweitung der Werbekampagnen deshalb ein falsches Signal gesetzt.

      25 Millionen Euro stehen im kommenden Jahr für Marketingmaßnahmen der Arbeitsämter zur Verfügung. Der gesamte Etat für Öffentlichkeitsarbeit wird verdoppelt. Das sei nötig, um die Neuerungen durch die Hartz-Gesetze zu vermitteln, heißt es bei der Bundesanstalt.

      Die Hartz-Gesetze bedeuten allerdings für die Joblosen vor allem Kürzungen, etwa der Arbeitslosenhilfe. Die ABM-Stellen und Weiterbildungskurse wurden ohnehin schon rigoros gekappt, um bis zu 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und es kommt noch schlimmer: Im kommenden Jahr gibt es nur noch 20 Milliarden Euro im Jahr für Jobmaßnahmen, ABM und Weiterbildung. Das sind 1,4 Milliarden Euro weniger als dieses Jahr. Und das war schon zu knapp.

      Die tatsächliche Erfahrung, die Joblose mit ihrem Arbeitsamt machen, ist also diametral entgegengesetzt dem, was da vermutlich bald in "witzigen" Fernsehspots über die "Dienstleister" beim Arbeitsamt zu sehen sein wird. Denn Arbeitslose sind nun mal keine "Kunden". "Kunden" haben immer eine Alternative, Erwerbslose nicht. Und das Arbeitsamt ist keine "Dienstleistungsagentur", weil es vielerorts kaum etwas zu vermitteln gibt, inzwischen nicht mal eine ABM. Das Problem sind weniger die Werbespots, das Problem ist die Wirklichkeit.


      inland SEITE 7
      taz Nr. 7217 vom 25.11.2003, Seite 1, 84 Kommentar BARBARA DRIBBUSCH, Leitartikel

      taz muss sein
      Avatar
      schrieb am 27.11.03 08:15:26
      Beitrag Nr. 220 ()
      SPIEGEL ONLINE - 26. November 2003, 16:47
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275686,00.html
      Bundesanstalt für Arbeit

      Umstrittener Beratervertrag wird aufgelöst

      Im Streit über ihren millionenschweren Beratungsauftrag haben sich die Bundesanstalt für Arbeit und die PR-Agentur WMP dem öffentlichen Druck. Sie beenden ihre Zusammenarbeit.



      BA-Chef Gerster: Kritik von allen Seiten


      Berlin - "Damit der Bundesanstalt in dieser schwierigen Situation ihre volle Handlungsfähigkeit erhalten bleibt, ist der Vorstand der WMP EuroCom AG bereit, den Beratungsvertrag mit der BA zu beenden", hieß es in einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Mitteilung des Unternehmens.

      [anm.: Die Aufloesung des Arbeitsvertarges von Gerster waere wohl nochmals eine deutliche Steigerung... :D



      Der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit (BA) begrüßte am Mittwoch das Angebot des Unternehmens, vorzeitig aus dem bis Ende 2004 laufenden 1,3-Millionen-Euro-Vertrag auszusteigen. Ein erfolgreich Zusammenarbeit mit der WMP sei vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Mediendebatte nicht gewährleistet, hieß es in einer schriftliche Erklärung.

      Nach Angaben der BA soll jedoch ein Übergang der von Schiphorst geleiteten Aktivitäten in die Hände einer neuen interene Kommunikationseinheit gesichert werden. Für das neue Referat für Marketing und Strategische Public Relations werde in Kürze ein Leiter berufen.

      Mitarbeiter des Rechnungshofs baten am Mittwoch in der Zentrale der Bundeanstalt für Arbeit (BA) um Akteneinsicht. Rechnungshofpräsident Dieter Engels hatte am Dienstag angekündigt, dass seine Behörde die Ausgaben der BA für Öffentlichkeitsarbeit überprüfen werde. Darunter fällt auch der Beratervertrag der BA mit WMP. Der Auftrag war im Frühjahr ohne Ausschreibung vergeben worden. Am Freitag soll sich Gerster deswegen vor dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit rechtfertigen.

      Nach Ansicht von Hans-Peter Schwintowski, Jura-Professor an der Berliner Humboldt-Universität, wird Gerster dabei Probleme bekommen. Er bezeichnete die ausschreibungslose Vergabe eines Millionen-Auftrags als ungewöhnlich und rechtlich fragwürdig. "So etwas kommt sehr, sehr selten vor", sagte der Vergaberechts-Experte. Seiner Ansicht nach gibt es nur zwei Gründe, warum ein Auftrag in dieser Größenordnung ohne Ausschreibung vergeben werden darf: Entweder gebe es auf dem Markt keinen weiteren Anbieter - was auszuschließen sei - oder es bestehe eine Eilbedürftigkeit. "Ich sehe nicht ganz, was da so eilig gewesen sein soll", sagte Schwintowski.






      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Arbeitsverwaltung: Hartz will nicht nach Nürnberg (26.11.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275622,00.html

      · PR-Affäre: Gersters verständnisvolles Umfeld (25.11.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275532,00.html





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      Avatar
      schrieb am 27.11.03 12:20:43
      Beitrag Nr. 221 ()
      Meine sogleich geaeusserte Vermutung, dass wieder einmal ein unfaehiger Politiker Gelder der versicherten fuer ganz persoenliche Ziele veruntreut hat, scheint zuzutreffen: :mad:
      _____________________________________________

      „Der steht an der Kante“


      Auch durch die vorzeitige Kündigung des umstrittenen Beratervertrags kann der Chef der Bundesanstalt für Arbeit seinen Kopf möglicherweise nicht mehr retten.
      Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist über Florian Gerster ernsthaft verstimmt, wie die „Berliner Zeitung“ am Donnerstag berichtete. „Schröder ist sauer“, zitierte das Blatt aus Regierungskreisen.

      Der Regierungschef sei verärgert über den Wirbel um den umstrittenen Beratervertrag der Bundesanstalt mit der Berliner Firma WMP EuroCom. Mit Blick auf Gerster und seinen Posten werden die Kreise mit der Aussage zitiert: „Der steht an der Kante.“

      Es wird bereits spekuliert, dass Gerster am Freitag zurücktreten werde. Die CSU hatte am Mittwoch den sofortigen Rücktritt des Chefs der Bundesanstalt für Arbeit (BA) gefordert.

      ( ... )

      Ganz persönliche Imageberatung?

      Der umstrittene Vertrag mit WMP wurde angeblich auf Gerster ganz persönlich zugeschnitten. Die „Leipziger Volkszeitung“ berichtete unter Berufung auf zuständige Kontrollmitglieder bei der Bundesanstalt, Gerster habe sich für 60 000 Euro monatliches Honorar „in erster Linie eine ganz persönliche Imageberatung“ durch Schiphorst aus Mitteln der Bundesanstalt sichern lassen.

      In dem ursprünglichen achtseitigen Vertrag stünden „ganze sieben Zeilen zur Leistungsbeschreibung“, berichtete die Zeitung. Schiphorst sei lediglich zu zwei Tagen „persönlicher Anwesenheit“ verpflichtet gewesen. Die Kreise aus den Aufsichtsgremien der Bundesanstalt äußerten der Zeitung zufolge die Vermutung, „dass zur Absicherung angesichts der bevorstehenden Kontrolluntersuchungen durch den Rechnungshof und das Parlament nachträglich weitere Leistungsanforderungen zum Vertrag ergänzt werden“ könnten.

      Es sei jedenfalls „völlig schleierhaft, wie man angesichts einer solchen persönlichen Imageberatung offiziell mit der Eilbedürftigkeit bei der Vertragsabschließung argumentieren und damit auf das eigentlich vorgeschriebene Ausschreibungsverfahren verzichten“ könne. Der eigentliche Schiphorst/WMP-Vertrag liege lediglich drei Mitgliedern des Kontrollorgans der Bundesanstalt im Wortlaut vor, schrieb die Zeitung.

      Spesen angeblich kräftig erhöht

      Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit soll laut „Handelsblatt“ die Mittel für Bewirtungskosten massiv angehoben haben. Gerster habe seine Ausgaben für Repräsentationszwecke gegenüber seinem Vorgänger Bernhard Jagoda um 76 Prozent erhöht. Während Jagoda zuletzt 37 500 Euro für die Bewirtung von Gästen zur Verfügung gestanden hätten, habe sich Gerster für das kommende Jahr 66 000 Euro genehmigen lassen.


      27.11.03, 10:50 Uhr
      (Quelle: dpa/ap)
      Avatar
      schrieb am 27.11.03 12:58:37
      Beitrag Nr. 222 ()
      ....hab schon mit dem Begriff eines "Vorstansvorsitzenden" der BA meine herben Schwierigkeiten....handelt es sich hier um ein florierendes Unternehmen oder um eine öffentliche Anstalt für´s Wohl der Allgemeinheit...die Gelder als Beitragzzahlungen für diesen Laden kommen zumindest aus der Allgemeinheit eines Bevölkerungsquerschnittes. Und Image poliert man am besten mit richtigen in die Wege geleiteten Taten auf und nicht mit Medienpolitur zum Bügeln von Lügen !!

      TT
      Avatar
      schrieb am 27.11.03 22:26:25
      Beitrag Nr. 223 ()
      Avatar
      schrieb am 30.11.03 14:11:45
      Beitrag Nr. 224 ()
      DER SPIEGEL 49/2003 - 01. Dezember 2003
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,276084,00.html


      Übergroßes Ego

      Seit seinem Amtsantritt lässt der Chef der Bundesanstalt für Arbeit kaum ein politisches Fettnäpfchen aus - sehr zur Freude seiner zahllosen Gegner. Selbst politische Freunde vermissen bei Florian Gerster die nötige Sensibilität im Umgang mit öffentlichen Geldern.


      Behördenchef Gerster: "In Stil und Inhalt nicht immer hilfreich"


      Wenn Florian Gerster über Florian Gerster redet, klingt es immer ein wenig distanziert. Denn häufig spricht sich der Vorstandsvorsitzende der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit mit dem eigenen Nachnamen an. :laugh:

      So wie am vergangenen Freitag, als Gerster in Berlin den Parlamentariern des Wirtschaftsausschusses den umstrittenen Vertrag mit der PR-Firma WMP EuroCom (siehe Seite 120) erläutern sollte. Drei Stunden lang hatte er sich den mehr oder weniger bohrenden Fragen der Abgeordneten stellen müssen. Dann trat er vor die Mikrofone und gab sonderbare Sätze zu Protokoll: "Natürlich war der Wechsel von Präsident Bernhard Jagoda zu dem Vorstandsvorsitzenden Florian Gerster, der aus der Politik kommt und sich als Reformer einen Namen gemacht hat, nicht einfach." Und wenig später: "Ich will einräumen, dass in Stil und Inhalt der Florian Gerster nicht immer hilfreich ist, aber für eine Sanierungsaufgabe ist er der richtige Mann."

      Der seltsame Auftritt des Anstaltsleiters war der vorläufige Höhepunkt einer Affäre, die Berlin eine ganze Woche lang in Erregung versetzte. Nachdem "Bild am Sonntag" das "Luxus-Honorar" des Gerster-Beraters Bernd Schiphorst enthüllt hatte, drehte sich das Berliner Affärenkarussell aus Rücktrittsforderungen und Krisensitzungen so schnell wie selten.

      Keine "Verfehlung" Gersters, die unerwähnt blieb: vom Spesenetat über den Repräsentationsfonds bis hin zur Zahl seiner Dienstwagen wurden nahezu sämtliche Ausgabeposten von "Skandal-Gerster" ("Bild") lanciert.

      Allen Vorwürfen ist gemein, dass sie um das Finanzgebaren Gersters kreisen. Der Vorstandschef hat offenbar kein Gespür im Umgang mit öffentlichen Geldern. Beraterverträge? Gleich fünf. Kostenüberschreitungen? Oft mehrere Millionen. Das Geflecht diverser Berater ist selbst für die Aufsichtsgremien kaum mehr durchschaubar.

      Auch in der kommenden Wochen dürfte es keine Ruhe geben. Immer neue Details aus dem Innenleben der Behörde dringen nach außen:


      Das neue Internet-Angebot der Behörde, der virtuelle Arbeitsmarkt, der am 1. Dezember startet, wird weit teurer als bislang bekannt. Die virtuelle Jobbörse war mit 63 Millionen Euro veranschlagt. Jetzt kalkuliert die Behörde laut Etatplan 2004 Zahlungen von 77 Millionen - eine Steigerung von fast 20 Prozent.

      Die Ausgaben für Unternehmensberatungen, die in Gersters Auftrag den Umbau der Nürnberger Behörde steuern, fallen deutlich höher aus als kalkuliert. Die Kosten für McKinsey, Roland Berger und Co. steigen allein in den beiden Jahren 2003 und 2004 von geplanten 55 Millionen Euro auf 62,5 Millionen Euro - ein Plus gegenüber der Ursprungsplanung von 12 Prozent.

      Die Kosten für die Informationstechnik der Behörde insgesamt kennen ebenfalls nur eine Richtung: steil steigend. Sie klettern von rund 235 Millionen Euro in diesem auf 435 Millionen Euro im nächsten Jahr. Der Grund: Gerster will die Datenverarbeitung mit Volldampf modernisieren.
      Vorerst darf der Vorstandschef, der wieder einmal in der ihm eigenen Mischung aus Großmannssucht und Selbstüberschätzung in ein politisches Fettnäpfchen getappt ist, im Amt bleiben. Die Beratungsfirma WMP darf gut 500.000 Euro ihres bisher verdienten Honorars behalten und scheidet aus dem Vertrag vorzeitig aus. Und die Spitze der Nürnberger Riesenbehörde schart sich in ungewöhnlicher Geschlossenheit um ihren unbeliebten Chef.
      Dass sich Gerster externer Berater bediene, sei "grundsätzlich nicht zu beanstanden", erklärte das Präsidium seines Aufsichtsgremiums am vergangenen Freitag. Gersters Position sei nicht gefährdet, selbst wenn der Rechnungshof bei seiner laufenden Überprüfung Verstöße gegen das Vergaberecht feststellen sollte.

      Müsste Gerster wegen dieses Falles zurücktreten, wäre das "absolut lächerlich", meint Arbeitgeber-Vertreter Peter Clever. Und DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer, die sich noch am Sonntagabend in der "Tagesschau" empört über den Beratervertrag zeigte, gibt sich plötzlich milde: "Der Vorgang steht in keinem Verhältnis zu den schwierigen Reformen, die im Hause anstehen", sagt sie.


      Der Kanzler hat die Reihen fürs Erste geschlossen. Allzu deutlich war in den vergangenen Tagen geworden, dass hinter der Gerster-Hatz auch politisches Kalkül steckte.

      Die Reformverweigerer in der Nürnberger Mammutbehörde und ihre Verbündeten in der Berliner SPD-Fraktion wie in den Gewerkschaften wollten den ungeliebten Behördenchef am liebsten politisch ruinieren - um beim umstrittenen Umbau der Anstalt den eigenen Einfluss auf keinen Fall zu verlieren.

      Aber auch die Union schoss gegen Gerster, obwohl der vieles umsetzen soll, was auch sie befürwortet. Ihr Kalkül war ein anderes: Stürzt Gerster, wäre auch der Kanzler beschädigt, die rot-grüne Position im anstehenden Vermittlungsverfahren geschwächt und die Aussicht für die Arbeitsmarktreformen der Regierung deutlich trüber.

      Ein leichteres Opfer als Gerster hätten sich die Kritiker kaum aussuchen können. Denn der hat sich mit seinem Auftreten systematisch in die Schusslinie manövriert: Selbstgerecht, profilierungssüchtig und bar jeden politischen Fingerspitzengefühls machte er sich in nahezu allen Parteien und Lagern konsequent unbeliebt.

      Dem Kanzler und der Fraktion geht der frühere Mainzer Sozialminister schon seit Jahren mit ungebetenen Ratschlägen zur Wirtschaftspolitik auf den Geist. Die fast 90.000 Angestellten seiner Behörde verschreckte er schon bei Amtsantritt mit Radikalansichten ("die Hälfte reicht aus"). Gewerkschafter stöhnen über seine ständigen Plädoyers für härtere Sozialeinschnitte. Und Parteifreunde sind genervt von Gersters übergroßem Ego. Eigentlich, so lässt er gern in Interviews durchblicken, sei die Kanzler-Agenda 2010 seine Idee gewesen.:eek:
      So ist es kein Wunder, dass ihn ein simpler Beratervertrag fast aus der Kurve getragen hätte.

      Die Affäre begann am späten Vormittag des 1. Februar. Zu diesem Zeitpunkt trifft sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in der Nähe des Frankfurter Flughafens zu einem der unregelmäßigen "Leitungsgespräche" mit dem Chef der Anstalt. Unter den leeren Augen allerlei ausgestopften Getiers lässt sich Clement im rustikalen Waldrestaurant "Unterschweinstiege" den Stand der Nürnberger Umbaumaßnahmen berichten.

      Die Außendarstellung der Mammutbehörde sei mehr als mangelhaft, kritisiert der Minister. Gerster müsse sich dringend um eine "professionelle Kommunikationsarbeit" bemühen, wie es bei Großunternehmen, "die sich neu am Markt aufstellen", üblich sei. Der Anstaltsleiter, berichten Teilnehmer der Sitzung später, zeigt sich "aufgeschlossen" - und wird aktiv.

      Als SPD-Politiker war Gerster wiederholt bei Seminaren der Bertelsmann-Stiftung aufgetreten und hatte dort den Chef des Gütersloher Medienkonzerns, Gunter Thielen, kennen gelernt. Um Rat gefragt, empfiehlt der Manager seinem Kollegen Vorstandsvorsitzenden einen Mann, der ihm womöglich helfen könne: Bernd Schiphorst, 60, bis Juni 2000 Topmanager bei Bertelsmann, dann ehrenamtlicher Medienbeauftragter für Berlin und Brandenburg und zudem Präsident von Hertha BSC. Der ist sofort zu einem Treffen mit Gerster bereit. Zweimal, am 13. und am 18. Februar, speisen die beiden Herren im Restaurant "Aigner" am Berliner Gendarmenmarkt. Dann sind sie sich einig.

      Bereits einen Tag später, am 19. Februar, beschließen Gerster und seine beiden Vorstandskollegen, eine externe Beratungsfirma mit der "Neuaufstellung des Images der BA in der Öffentlichkeit, bei den Partnern und bei den Beschäftigten der BA" zu beauftragen. Gersters Co-Vorstand Heinrich Alt erinnert sich, dass die Frage, ob der Auftrag ausgeschrieben werden müsse, in dem Leitungsgremium "nicht sehr intensiv diskutiert" worden sei. Doch alle wussten, dass die Entscheidung heikel ist.

      Gerster ist ungeduldig. Für ein kompliziertes öffentliches Vergabeverfahren, das sich drei Monate lang hinziehen kann, hat er keine Zeit. Er fühlt sich von den Medien verfolgt, sieht sich unter dauerhaftem öffentlichem Beschuss. Seit Anfang des Jahres, so rechtfertigt er sich später, beherrschen "ausschließlich Negativschlagzeilen die öffentliche Meinung".

      Er beauftragt die "Zentrale Vergabestelle" seiner Behörde, nach einer gleichermaßen schnellen wie rechtlich einwandfreien Lösung zu suchen. Die bescheinigt ihm wunschgemäß, der Vorstand könne Aufträge "oberhalb eines Auftragswertes von 200 000 Euro" ohne öffentliche Ausschreibung vergeben, "wenn aus zwingenden Gründen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte und nicht zu vertreten hat", die entsprechenden Fristen nicht eingehalten werden könnten.

      Und so beauftragt Gerster seine Beamten, mit Schiphorsts Agentur in den kommenden Wochen einen Vertrag auszuhandeln, dessen sieben Seiten schließlich am 31. März unterzeichnet werden.

      Die Aufgabe ist in Paragraf eins ("Vertragsgegenstand") in wenigen Zeilen umrissen: Schiphorst und seine Leute sollen in Nürnberg eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit aufbauen, den Reformprozess behördenintern und nach außen verkaufen und schließlich in Berlin politisches Lobbying betreiben. Der Vertrag hat eine Laufzeit bis Ende 2004 und sieht ein Honorar von 1,3 Millionen Euro vor: 500.000 im ersten und 800.000 im zweiten Jahr. Unterm Strich blieben etwa 40.000 Euro netto im Monat - nach Abzug von Mehrwertsteuer, Reisekosten und Honoraren für weitere Mitarbeiter.

      Gerster berichtet kurz darauf in Berlin eher beiläufig Clement über das Schiphorst-Engagement und informiert am 10. April in Nürnberg auch das dreiköpfige Präsidium des Verwaltungsrates über den Vorgang. Details nennt er dem Aufsichtsgremium der Anstalt nicht. Schließlich handle es sich um eine "vertrauliche Angelegenheit im Entscheidungsbereich des Vorstandes", wie er sich ausdrückt.

      Freimütig schwärmt Schiphorst einen Monat später, am 9. Mai, im Fachdienst "Politikszene" von seiner neuen Aufgabe: "Mein größter und wichtigster Kunde ist die Bundesanstalt für Arbeit, sie steht im Brennpunkt der politischen Debatte - eine große Herausforderung." Auch "Manager-Magazin" und "Berliner Zeitung" berichten über den neuen Gerster-Berater. Ein öffentlicher Aufschrei bleibt aus.

      Am 29. Oktober soll Schiphorst dem Finanzausschuss des Verwaltungsrates über seine Tätigkeit berichten. Zehn Minuten lang wirft der Berater Schaubilder und Grafiken an die Wand, doch die Kontrolleure finden den Vortrag "eher dürftig" - und sperren am folgenden Tag den kompletten Kampagnen-Etat in Höhe von 25 Millionen Euro. Gerster wird aufgefordert, den WMP-Vertrag offen zu legen.

      Doch der will die Angelegenheit zunächst aussitzen und rückt den Kontrakt erst heraus, als alles öffentlich wird. Der Aufschrei ist gewaltig. Gerster reagiert nervös und verheddert sich in Widersprüche. Zwar liefert er nun endlich seinem Aufsichtsgremium den angeforderten Vertrag, doch den dazu gehörenden Vorstandsbeschluss vom Februar reicht er erst am nächsten Tag nach. Ein bedauerliches Versehen, entschuldigt er sich am vergangenen Dienstag bei einer Krisensitzung des Gremiums in Berlin.

      Eilig und in aller Diskretion setzen sich die Juristen des Berliner Wirtschaftsministeriums nun mit dem zentralen Argument von Gersters Rechtfertigungsstrategie auseinander: Er habe den WMP-Auftrag nicht ausschreiben müssen, weil er eben eilbedürftig gewesen sei. Clements Fachleute kommen zu einem anderen Ergebnis: Der entsprechende Passus in der Vergabeordnung sei nicht für laufende Geschäfte, sondern ausschließlich für außergewöhnliche Umstände wie Naturkatastrophen gedacht.

      Und so baute der Minister am vergangenen Donnerstag im Parlament schon einmal vor, dass der Bundesrechnungshof den Vorgang ähnlich bewertet. Selbst wenn bei dem Verfahren "ein Fehler begangen worden sein sollte", sagte er, habe Gerster sein "Vertrauen" und seine "Unterstützung". :eek:


      "Wenn jetzt nichts Neues kommt, dann hat er es überstanden", heißt es im Kanzleramt. Doch auch dort weiß man, dass Gerster und seine Riesenbehörde immer für unangenehme Überraschungen gut sind. Die nächste naht bereits. Diese Woche nämlich wird der "virtuelle Arbeitsmarkt" (VAM) der Bundesanstalt eröffnet.

      Das neue Online-Angebot der Behörde ist ein schönes Projekt. Und nicht ganz billig. Ordnungsgemäß ausgeschrieben, hatte die US-amerikanische Firma Accenture für 63 Millionen Euro den Zuschlag erhalten. "Es war ein Teilnahmewettbewerb mit Verhandlungsverfahren", sagt Jürgen Koch, der bei der BA für das Projekt zuständig ist.

      Alles also im grünen Bereich. Doch am Ende könnte wieder einmal ein neues Millionenloch stehen.

      KONSTANTIN VON HAMMERSTEIN, MICHAEL SAUGA
      Avatar
      schrieb am 30.11.03 14:16:35
      Beitrag Nr. 225 ()
      Der einzige Grund, weshalb Florian "Gernegross" Gerster noch im Amt bleibt, ist dem Artijkel zufolge also die Tatsache, das Wolfgang "Arrogantisssmus" Clement, in seinem Ministerium aehnlich "eerfolgreich" wie der Gerster, diesem den Beratervertarg naghegelegt hat und damit ebenfalls ueber die politische Klinge springen wuerde.

      Das waere in Bezug auf die Chance, endlich einen FAEHIGEN Wirtschaftsminister ( der z.B. die irrsinige Kohlesubvention beendet und die 12 Mrd € in Forschung und Entwicklung in Deutschland stecken lassen wuerde)und einen FAEHIGEN Vorstand der BA zu bekommen, einfach traumhaft.


      zu schoen, um wahr zu sein.....
      Avatar
      schrieb am 03.12.03 08:40:06
      Beitrag Nr. 226 ()
      SPIEGEL ONLINE - 03. Dezember 2003, 7:53
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,276634,00.html
      Geplante Imagestudie

      Arbeitsamt-Fans, verzweifelt gesucht

      Nachdem der Beratervertrag mit einer PR-Firma die Bundesanstalt für Arbeit weiter in Verruf gebracht hat, will das Bundeswirtschaftsministerium nun eine groß angelegte Imagestudie in Auftrag geben. Für elf Millionen Euro soll erforscht werden, was das Volk von der Megabehörde hält.


      Hamburg - Das Bundeswirtschaftsministerium plant nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung eine Studie, mit der die "Akzeptanz der Bundesanstalt für Arbeit" bei den Kunden bewertet werden soll. Laut dem Blatt will das Ministerium von Wolfgang Clement (SPD) für Forschungsvorhaben innerhalb der nächsten zwei Jahre rund elf Millionen Euro ausgeben.

      Das Ministerium habe die Notwendigkeit der Studie so begründet: Je anerkannter die Bundesanstalt, "umso größer wird ihr Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit und damit zur Vermeidung eines Defizits". Der CDU-Wirtschaftsexperte Karl-Josef Laumann kritisierte den Plan. Der Zeitung sagte er, die Bundesanstalt solle einfach gute Arbeit leisten, "statt Geld zum Fenster rauszuschmeißen, dann kommt das gute Image von alleine".


      Erst in den vergangenen Wochen war Anstaltsleiter Florian Gerster (SPD) unter Druck geraten, weil er ohne Vergabeverfahren einen millionenschweren Beratervertrag mit der Berliner Lobbyagentur WMP Eurocom geschlossen hatte. Diese sollte das Image der Behörde in der Öffentlichkeit verbessern.









      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Arbeitsagentur.de: Schlangestehen mit Bea (01.12.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,276314,00.html




      Im Internet: · www.arbeitsagentur.de: Stotternder Start (manager-magazin.de)
      http://www.manager-magazin.de/ebusiness/artikel/0,2828,27633…





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      Avatar
      schrieb am 04.12.03 16:23:49
      Beitrag Nr. 227 ()
      jetzt wird erneut klar, weshalb Image-Berater so "ringend noetig" sind:

      Grossmaul Gerster hat einen neuen Rekord aufgestellt - und das, obwohl Gerster und Konsorten nach Kraeften Arbeitslosenstatistiken nach unten bewegen - nicht durch neue Jobs, sondern durch Elimination aus der Statistik - so hat das auch unter Kohl bereits vor langer Zeit angefangen. Inzwischen koennen wir die zahl der wirklichen Arbeitslosen vermutlich als doppelt so hoch wie die langjaehrige amtliche Faelschung ansehen:

      SPIEGEL ONLINE - 04. Dezember 2003, 10:05
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,276787,00.html


      Arbeitsmarktmisere

      Zahl der Arbeitslosen auf Sechs-Jahres-Hoch

      Die Bundesanstalt für Arbeit kann kaum Gutes melden. Die Arbeitslosenzahl stieg im November auf den höchsten Stand seit 1997. Saisonbereinigt ist diese Zahl zwar leicht gesunken, die Erwerbstätigkeit geht jedoch ebenfalls weiter zurück.


      Abwarten im Arbeitsamt: Lage hat sich kaum gebessert


      Nürnberg - Der offiziellen Statistik der Bundesanstalt (BA) zufolge ist die Zahl der Erwerbslosen im November im Vergleich zum Oktober um 33.000 gestiegen. Insgesamt waren damit bundesweit 4,185 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet - soviel wie seit November 1997 nicht mehr.

      Ein Anstieg der unbereinigten Arbeitslosenzahl ist im November üblich, weil mit Beginn der kalten Jahreszeit die Beschäftigung in den Außenberufen in der Regel sinkt. Rechnet man jedoch die ungünstigen jahreszeitlichen Einflüsse heraus, dann setzte sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit fort. Saisonbereinigt fiel das einem Minus mit 18.000 stärker aus als von Experten erwartet. Diese hatten im Schnitt nur einen Rückgang um 6000 Arbeitslose erwartet.


      "Abbau" erfolglos: Die Zahl der Arbeitslosen bewegt sich dauerhaft über vier Millionen


      Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) wertet diesen Rückgang als Erfolg der ersten Arbeitsmarktreformen. :laugh: BA-Chef Florian Gerster, sagte am Donnerstag, die Arbeitslosigkeit habe sich seit dem Frühjahr verhältnismäßig günstig entwickelt. :laugh: Seit Ende April habe sie saisonbereinigt um 75.000 abgenommen. Dies sei vor allem ein Ergebnis der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik.An die Verfügbarkeit von Arbeitslosen für den Arbeitsmarkt werden höhere Anforderungen gestellt, so dass sich eine größere Zahl als bisher üblich aus der Statistik abmeldet haben. Zudem machen sich laut Gerster die intensiveren Vermittlungsbemühungen der Arbeitsämter bemerkbar.

      Von einer Trendwende kann man angesichts dieser Zahlen allerdings nicht sprechen. Dies wäre erst dann der Fall, wenn neben dem Rückgang der saisonbereinigten Arbeitslosenzahl mit auch ein Zuwachs der Beschäftigung zu sehen wäre. Eine solche Tendenz wurde allerdings bisher nicht gemessen. Nach jüngsten vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Erwerbstätigen im September im Vergleich zum August saisonbereinigt um 29.000 gesunken.





      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Geplante Imagestudie: Arbeitsamt-Fans, verzweifelt gesucht (03.12.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,276634,00.html

      · Bundesanstalt für Arbeit: 1,3 Millionen Arbeitslose spurlos verschwunden (02.12.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,276616,00.html





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      Avatar
      schrieb am 04.12.03 16:55:21
      Beitrag Nr. 228 ()
      wenn schon die begruendungen fuer den Krieg gegen den Irak nicht echt waren, warum sollte denn dann ausgerechnet der Truthahn echt sein????!!??? :laugh:



      SPIEGEL ONLINE - 04. Dezember 2003, 15:24
      http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,276886,00.html" target="_blank" rel="nofollow ugc noopener"> http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,276886,00.html


      Thanksgiving in Bagdad

      Bushs Truthahn war nur Deko

      Wir wissen schon länger, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Jetzt wissen wir auch, dass nicht alles essbar ist, was knusprig aussieht: Der von Präsident Bush bei seinem Bagdad-Besuch in alle anwesenden Kameras gehaltene Truthahn war bloß Dekoration.


      Sieht lediglich knusprig aus: Der Truthahn auf Bushs Tablett war "nur für dekorative Zwecke gedacht"


      Washington - Das Bild, das um die Welt ging, zeigte George W. Bush in einem Armee-Parka, breit lachend, umgeben von US-Soldaten und mit einem riesigen Tablett in der Hand. Darauf lag der Truthahn, reich garniert mit Obst und Gemüse - das Festessen, das an diesem Abend, dem in den USA groß gefeierten Erntedankfest, traditionell serviert wird. Tatsächlich habe es sich nur um eine Dekoration gehandelt, verriet Mike Allen, der einzige Zeitungsreporter, der auf dem geheim gehaltenen Trip in der vergangenen Woche dabei war, am Donnerstag in der "Washington Post". Die Soldaten wurden wie üblich aus der Kantinenküche bedient. :laugh:

      Das Weiße Haus verteidigte sich gegen Vorwürfe, es habe die Szene absichtlich arrangiert. Man habe von dem dekorativen Teller zuvor nichts gewusst, versicherten Beamte dem Reporter. :laugh: Es sei üblich, die Kantine an Festtagen derart zu dekorieren.

      Die Imageberater von George Bush achten wie kaum ein anderes Präsidententeam zuvor darauf, dass der Präsident stets ins rechte Licht gerückt wird. Presse und Opposition haben die oft für starke Fernsehbilder gestellten Szenen scharf kritisiert.

      So landete Bush am 1. Mai in voller Kampfmontur mit einem Kampfjet auf den Flugzeugträger "Abraham Lincoln", um vor der Kulisse der heimkehrenden Soldaten das Ende der größeren Kampfhandlungen zu verkünden. Wie sich später herausstellte, war der Flugzeugträger längst in Küstennähe und musste eigens gedreht werden, damit das Land auf den Bildern nicht zu sehen war.
      :laugh: Das Weiße Haus hatte nämlich den Einsatz des Kampfjets damit begründet, dass das Schiff für einen Helikopterflug noch zu weit entfernt gewesen sei. :laugh:

      Vor einem Jahr mietete das Weiße Haus in Hollywood teure schwimmende Scheinwerfer, damit die Freiheitsstatue in New York bei einer abendlichen Rede des Präsidenten deutlich hinter seiner Schulter zu sehen war. :laugh:



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      ALSO, Liebe imageberater von gerster und Co.:

      rasch einige ausgestopfte Arbeitslose besorgen, die man als "nicht mehr Arbeitslos" vorfuehren kann... von Bushs Berater lernen heisst siegen lernen... :laugh:
      Avatar
      schrieb am 06.12.03 21:23:07
      Beitrag Nr. 229 ()
      SPIEGEL ONLINE - 06. Dezember 2003, 15:28
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,277249,00.h…
      Bundesanstalt für Arbeit

      Gersters teure BMW-Flotte

      Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, gerät erneut in die Schusslinie. Der Bundesrechnungshof beurteilt die Vergabe des Beratervertrags an die Agentur WMP Eurocom als rechtswidrig. Zudem wird Gerster die Verschwendung von Geld vorgeworfen: Für 22 Millionen Euro bestellte er 900 Dienstwagen der Marke BMW.

      Berlin - Für Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), ist dies sicherlich kein ruhiges Wochenende. Nach den Vorwürfen der vergangenen Wochen, wurde am Samstag bekannt, dass die freihändige Vergabe des Beratervertrages an die Agentur WMP Eurocom rechtswidrig ist. Zu dieser Einschätzung kommt jedenfalls der Bundesrechnungshof, der mit der Prüfung des Vergabeverfahrens beauftragt worden war.

      Nun gerät Gerster in einer anderen Sache erneut unter Erklärungszwang. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" hat Gerster einen millionenschweren Auftrag an BMW vergeben. 900 Dienstwagen hat er demzufolge für seine Behörde bestellt. Die Kosten beliefen sich auf rund 22 Millionen Euro.
      Der BA-Verwaltungsrat war auch in diesem Fall offenbar nicht informiert. Das Gremium wird sich am Dienstag zu einer Sondersitzung treffen.

      Der SPIEGEL und übereinstimmend die "Ruhr Nachrichten" berichten unter Berufung auf den Prüfbericht übereinstimmend von der Kritik des Bundesrechnungshofes am WMP-Vertrag. Die Prüfer zweifeln demnach die Eilbedürftigkeit des Vertrags an und kritisieren das Fehlen einer Ausschreibung. Die WMP sollte für 1,3 Millionen Euro ein neues Kommunikationskonzept für die Bundesanstalt für Arbeit entwerfen.

      Läuft Gersters Uhr ab?


      Neben der hohen Vertragssumme war auch die Vertragsvergabe selbst in die Kritik geraten. Die fehlende Ausschreibung hatte Gerster mit der Eilbedürftigkeit begründet. Bundesrechnungshof-Präsident Dieter Engels will am Donnerstag dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit seinen Bericht vorlegen.

      Es wurde ferner bekannt, dass die Kooperation Gersters mit WMP offenbar weiter als bisher bekannt zurückreicht. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" erklärte sich Gerster in mindestens einem Fall bereit, angeblich kostenlos als prominenter Gastredner für eine Image-Veranstaltung eines anderen WMP-Kunden aufzutreten.

      Der Dienstwagen-Deal

      Der Großauftrag für die Dienstwagenflotte war nach Angaben der "Welt am Sonntag" am 19. Mai europaweit ausgeschrieben worden. Dann habe Gerster 900 BMW zum Preis von insgesamt rund 22 Millionen Euro als Dienstwagen für die Nürnberger Behörde und ihre 180 Arbeitsämter bestellt. Dies habe BMW bestätigt. Bisher habe der Fuhrpark nur rund 200 zumeist erheblich billigere Autos der Marken VW, Opel und Ford umfasst.

      Im BA-Verwaltungsrat zuckt man den Angaben zufolge angesichts des Autokaufs unwissend mit den Schultern. Das Kontrollgremium sei offenbar auch in diesem Fall nicht informiert worden, schlussfolgerte die Zeitung.

      Die Schultern zuckt man auch in der Automobilbranche. Gerster schaltete nämlich eine Agentur für den Großauftrag zwischen. Bei den Autoherstellern heiße es, "das sei schon komisch gewesen". Es sei erstaunlich, dass eine Agentur beauftragt werde, denn Hersteller würden im hart umkämpften Flottengeschäft zuweilen kaum kostendeckende Leasingverträge oder Finanzierungsmodelle anbieten, die daher kaum zu unterbieten seien. Zum Zuge kam die in Berlin ansässige RocVin Fuhrparkmanagement Gesellschaft, die bis dato in der Automobilbranche auch noch völlig unbekannt gewesen sei. :eek:


      Finanzielle Absicherung bei Ausscheiden

      Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer ging erneut auf Distanz zu Gerster. In Bezug auf die WMP-Vergabe sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel": "Wir haben Herrn Gerster keinen Persilschein ausgestellt." Vor der Präsentation des Rechnungshofs-Berichts im Verwaltungsrat der Bundesanstalt, der sie auch angehört, erwarte sie Klarheit: "Wir wollen und müssen das Vergabeverfahren vollständig aufklären. Denn aus Sicht des Präsidiums bestehen bislang Zweifel an der Rechtsauffassung des Vorstandes."

      Laut "Bild am Sonntag" hat sich Gerster ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Amt finanziell gut absichern lassen. Gerster, der ein Jahresgehalt von 250.000 Euro beziehen soll und einen Vertrag bis 2007 hat, stehe bei einer Entlassung für die restliche Amtszeit Übergangsgeld zu. Dieses erhalte er auch für den Fall des freiwilligen Ausscheidens.







      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Korruptionsexperte: "Wir brauchen ein gläsernes Parlament" (06.12.2003)
      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,277221,00.h…





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      Avatar
      schrieb am 06.12.03 21:49:33
      Beitrag Nr. 230 ()
      SPIEGEL ONLINE - 05. Dezember 2003, 13:10
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,276997,00.html
      Nach Berater-Affäre

      Gerster deutet Verzicht auf neue Amtszeit an

      Der umstrittene BA-Chef Florian Gerster hat erstmals signalisiert, dass er auf eine zweite Amtszeit verzichten könnte. Die Arbeit in Deutschlands größter Behörde "koste Nerven", ließ er wissen.




      Nürnberg - Gerster hat einen Fünfjahresvertrag, der 2007 ausläuft. Ob er dann noch eine zweite Amtszeit als Vorstandschef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) anstreben werde, wolle er noch nicht entscheiden.

      "Auf jeden Fall würde ich mich nicht für fahnenflüchtig halten, wenn ich dann sagen würde, fünf Lebensjahre an dieser Stelle kosten Nerven", sagte Gerster der "Financial Times Deutschland". Als Ruheständler sehe er sich auch danach nicht, so Gerster. "Aber ich könnte mir vorstellen, was anderes zu machen."

      "Additive und kreative Dienstleistungen"

      Gerster verteidigte erneut den ohne Ausschreibung vergebenen Vertrag der Bundesanstalt für Arbeit mit der Medienberatung WMP in Höhe von 1,3 Millionen Euro. Die Eilbedürftigkeit sei im Frühling wegen der sehr schlechten öffentlichen Meinung gegeben gewesen. "Es gab auch ein Drängen aus der Bundesregierung, dass die Kommunikation verbessert werden müsse", sagte er. Er halte die Entscheidung weiter für subjektiv richtig.

      Dieser umstrittene Vertrag ist am Freitag veröffentlicht worden. Die "Bild"-Zeitung druckte Auszüge aus dem siebenseitigen Abschluss, das in 14 Paragraphen unterteilt sei. BA-Vorstandschef Florian Gerster war zuletzt wegen der Vertragsinhalte stark unter Druck geraten.

      Als Vertragsgegenstand werde die "Durchführung eines Projektes zur Beratung der BA durch die WMP und zur Unterstützung der BA im Bereich der Kommunikation und bei der politischen Lobbyarbeit" angegeben, zitiert das Blatt aus dem Papier. Nur zwei Zeilen beschäftigten sich mit der Aufgabenstellung der PR-Firma: "WMP wird dazu in enger Abstimmung mit der BA positionierende, additive und kreative Kommunikations-Dienstleistungen durchführen."

      Der WMP-Vorstand Bernd Schiphorst müsse dem Vertrag zufolge "regelmäßig zwei Beratertage je Kalenderwoche" persönlich in der Nürnberger Bundesanstalt präsent sein. Als Honorar für WMP seien inklusive Spesen "60.000 Euro/Monat plus Mehrwertsteuer" vereinbart worden.
      Avatar
      schrieb am 10.12.03 10:10:08
      Beitrag Nr. 231 ()
      SPIEGEL ONLINE - 09. Dezember 2003, 21:41
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,277624,00.html


      Berater-Affäre

      Verwaltungsrat nimmt Gerster an die Kandarre

      Florian Gerster soll dem Verwaltungsrat seiner Bundesanstalt für Arbeit am Abend seinen Rücktritt angeboten haben. Doch der will den Chef der Behörde künftig nur stärker kontrollieren - und Gerster dementierte sein Rücktrittsangebot nach der Krisensitzung.

      Gerster: "Nicht immer auf dem richtigen Weg"


      Nürnberg - Teilnehmer an der Sitzung des Verwaltungsrats hatten zuvor berichtet, Gerster habe vor dem Gremium gesagt: "Dann höre ich halt auf." Der Behördenchef sei nach den Vorwürfen um die Vergabe eines PR-Auftrages an die Berliner Firma WMP in einer "Phase der Resignation" gewesen.

      Bayerns Arbeitsstaatssekretär Jürgen Heike (CSU) bestätigte allerdings lediglich, Gerster habe eingeräumt, dass er "nicht immer auf dem richtigen Weg" war. Er habe sich mit den Worten verteidigt: "Wer viel arbeitet, macht auch mal Fehler." :laugh: Der Vorstand sei über den Prüfbericht des Bundesrechnungshofes zu der Vergabe-Affäre sehr betroffen gewesen.

      Der Verwaltungsrat will den Vorstand der Behörde deshalb künftig schärfer kontrollieren. Rückwirkend sollen alle Verträge des BA-Vorstands in Höhe von mehr als 200.000 Euro von der Innenrevision überprüft werden, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Ursula Engelen-Kefer. Ein Rücktritt von BA-Vorstandschef Florian Gerster war nach ihren Worten bei der Sitzung kein Thema.

      Der Verwaltungsrat rügte die Vergabe des PR-Vertrags über 1,3 Millionen Euro an WMP als "rechtlich unzulässig". Zu dieser Einschätzung sei auch der Bundesrechnungshof in seinem Gutachten gekommen, dessen Entwurf dem Verwaltungsrat vorliege, sagte Engelen-Kefer. Vor allem die von WMP verlangte Beratungsleistung hätte in dem Vertrag eindeutiger definiert werden müssen. "Solche Probleme müssen wir in Zukunft verhindern."

      Vom PR-Vertrag noch immer überzeugt

      Engelen-Kefer verlangte vom BA-Vorstand zudem, den Verwaltungsrat in zentralen Fragen der Geschäftspolitik künftig präziser zu informieren.

      Gerster dementierte Gerüchte, er habe im Vorfeld der Sitzung an Rücktritt gedacht. "Ich habe nie über einen Rücktritt nachgedacht. Ich habe einen Fünf-Jahres-Vertrag und werde ihn auch erfüllen. Ich bin noch nie in meinem Leben vor Verantwortung davon gelaufen", :laugh: sagte er nach der Sitzung. Er gestand zugleich Fehler ein: "Mit meinem heutigen Wissen habe ich einen Fehler gemacht", sagte er. Von der Dringlichkeit eines solchen PR-Vertrags sei er aber noch immer überzeugt.






      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Bundesanstalt für Arbeit: Gerster vermutet Sabotage seiner Reformarbeit (09.12.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,277588,00.html

      · PR-Skandal: Gerster wähnt Verschwörer am Werk (09.12.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,277490,00.html





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      Avatar
      schrieb am 10.12.03 10:46:52
      Beitrag Nr. 232 ()
      SPIEGEL ONLINE - 09. Dezember 2003, 8:36
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,277490,00.html


      PR-Skandal

      Gerster wähnt Verschwörer am Werk :laugh:

      [Anm.: "WAHN ist wohl in der Tat das richtige Wort]

      Der angeschlagene Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, hat die Vorwürfe wegen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe eines Beratervertrags erneut als inszenierte Medienkampagne bezeichnet. Die Gegner der von ihm geplanten Reformen wollten den Umbau der Mega-Behörde verhindern.


      AP

      Versucht sich als verhinderten Reformer zu stilisieren: Florian Gerster


      Mannheim/Nürnberg - Gerster hat vor einer Beschädigung seiner Behörde gewarnt. "Es wäre tragisch, wenn es den Reform-Gegnern gelänge, den Umbau der BA zu verhindern», sagte er dem "Mannheimer Morgen". Er reagierte damit auf die Kritik an ihm wegen der Vergabe eines Berater-Vertrags an das Berliner Unternehmen WMP.

      Die Affäre um den auch vom Bundesrechnungshof monierten Beratervertrag bezeichnete er als eine "Kampagne mit einer inszenierten öffentlichen Erregung, in der sich verschiedene Interessen bündeln". Die Prüfer hatten festgestellt, dass Gerster den mit 1,32 Millionen Euro dotierten Vertrag mit WMP nicht ohne eine Ausschreibung hätte vergeben dürfen. Zudem moniert der Rechnungshof, dass die Aufgaben der Berliner Lobbyagentur in dem Vertragswerk äußerst vage gehalten sind.

      Die Bundesanstalt hatte zunächst erklärt, dass der Auftrag nur an WMP habe vergeben können, weil es sich um eine kreative Leistung handele, die nur die politiknahe Berliner Lobbyagentur erfüllen könne. Zudem habe eine besondere Eilbedürftigkeit bestanden. Das erste Argument führt die Behörde inzwischen nicht mehr an. Die Behauptung, man habe unter besonderem Zeitdruck gestanden, wird vom Rechnungshof und Juristen als schwer nachvollziehbar verworfen.

      Gerster will am Dienstagnachmittag auf einer Pressekonferenz in Nürnberg erneut zu den Vorwürfen Stellung nehmen.








      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Gastkommentar: Es geht auch ohne Bundesanstalt (08.12.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,277331,00.html

      · Gerster unter Druck: Bundesanstalt dementiert Kauf von 900 BMW-Dienstwagen (07.12.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,277305,00.html

      · Affären: Arbeitsamtschef Florian Gerster vor dem Karriereknick? (01.12.2003)
      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,276084,00.html

      · Arbeitsamt-Fanartikel: Florian Gersters Autogramm-Express (28.11.2003)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,275958,00.html





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      Avatar
      schrieb am 11.12.03 12:13:43
      Beitrag Nr. 233 ()
      SPIEGEL ONLINE - 11. Dezember 2003, 9:07
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,277826,00.html
      Berater-Affäre

      Gerster fängt offizielle Rüge vom Rechnungshof

      Bislang hatte Arbeitsamts-Chef Florian Gerster die öffentliche Kritik an dem umstrittenen Vertrag mit der Berliner Kommunikationsagentur immer mit dem Hinweis auf die besondere Eilbedürftigkeit zurückgewiesen. Jetzt ist der Rüffel amtlich. Auch der Bundesrechnungshof hält sein Argument für fadenscheinig.



      Beratervertrag nicht eilbedürftig und zu wolkig formuliert


      Passau/Hamburg - Der 1,3-Millionen-Vertrag sei unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten unzulässig, zitiert die "Passauer Neue Presse" aus dem 24-seitigen Prüfbericht des Rechnungshofs. Die Finanzaufseher äußerten "Bedenken, ob es zu den aus Beitragsmitteln und Mitteln des Bundes finanzierten Aufgaben der Bundesanstalt gehört, politische Lobbyarbeit zu betreiben und sich dabei von einem Medienberater unterstützen zu lassen".

      Bei Einhaltung der vorgesehenen Fristen hätte sich die erwartete Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation in der Bundesanstalt für wenige Wochen verzögert, heiße es weiter in dem Bericht. Dies hätte die Bundesanstalt wegen der Pflicht der öffentlichen Hand zu Transparenz und Wettbewerb bei der Vergabe ihrer Leistungen hinnehmen müssen. Gerster hatte die Vertragsvergabe ohne Ausschreibung mit Eilbedürftigkeit begründet.

      Aber nicht allein die Ausschreibung stieß den Rechnungsprüfern auf. Auch die Vertragsbestimmungen über die zu erbringenden Leistungen seien unzulässig wolkig formuliert. In dem Dokument sei lediglich die "persönliche Anwesenheit" von WMP-Chef Bernd Schiphorst an zwei Tagen in Nürnberg oder Berlin festgehalten, nicht jedoch die Aufgaben, die ihm zukommen. Dennoch habe der Berater ein voll ausgestattetes Büro in Nürnberg erhalten. "Wegen der fehlenden Bestimmbarkeit der Leistungen bestehen Zweifel an der Wirksamkeit des Vertrages", laute das Urteil des Bundesrechnungshofes. Eine Kontrolle, "ob das vorgesehene Projekt vertragsgemäß durchgeführt wurde und erfolgreich war", sei ebenfalls nicht möglich gewesen.

      Unterdessen hält BA-Chef Gerster unbeirrt an der Anschaffung der Luxus-Dienstwagen fest. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, sollen alle drei Vorstandsmitglieder der BA im kommenden Jahr neue Dienstwagen erhalten. Die Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeit, Bettina Schmidt, bestätigte dem Blatt die Anschaffung von zwei BMW 735 i sowie eines Audi A 8. Es sei aber noch offen, ob die Fahrzeuge gekauft oder geleast würden.

      Im BA-Haushalt sind der Zeitung zufolge für die Luxuswagen 120.000 Euro eingeplant. Die Sprecherin der BA betonte, dass die Vorstände jährlich neue Fahrzeuge erhielten. Sie fügte hinzu: "Der Austausch erfolgt aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel nach Ablauf von einem Jahr."
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 18:52:54
      Beitrag Nr. 234 ()
      Gerster soll Ausschuss belogen haben

      Laut "Spiegel" und "Focus" hat der Chef der Bundesanstalt für Arbeit im Bundestag das Zustandekommen des PR-Vertrags mit Beraterfirma WMP falsch dargestellt

      NÜRNBERG/BERLIN dpa Der Vorstandschef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, bleibt in der Affäre um den PR-Vertrag mit der Beratungsfirma WMP unter Druck. Er soll den Wirtschaftsausschuss des Bundestags falsch über den Vertrag informiert haben, so Spiegel und Focus. Entgegen Gersters Aussage vor den Abgeordneten wurde die Beschaffungsstelle der BA erst nach der Vergabe an das Medienberatungsunternehmen WMP eingeschaltet. Die zuständigen BA-Beamten hätten daraufhin den Verzicht auf eine europaweite Ausschreibung als verbindlich angesehen und die Rechtmäßigkeit der Vergabe "nicht überprüft, sondern übernommen", schreibt der Spiegel.

      Die Bundesanstalt wies diese Darstellung zurück. Gerster habe bei der Auftragsvergabe mit allen zuständigen Stellen aufs engste zusammengearbeitet. Die BA-interne zentrale Beschaffungsstelle habe die Entscheidung unter Berücksichtigung der vom Vorstand begründeten Eilbedürftigkeit bestätigt, hieß es in einer BA-Erklärung vom Samstag. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Wirtschaft, Rainer Wend (SPD), sagte gestern dem Berliner Tagesspiegel: "Wenn sich herausstellt, dass Gerster den Ausschuss falsch informiert hat, werden wir uns das nicht gefallen lassen."

      Überrascht zeigte sich die Bundesanstalt über Zweifel des Bundesrechnungshofs an der Dringlichkeit einer PR-Beratung im Frühjahr. In einer Stellungnahme der BA heißt es: Unter anderem wegen der wachsenden Medienkritik an der Bundesanstalt habe damals eine "Ausnahmesituation" bestanden. Diese habe im Fall des PR-Vertrags den Verzicht auf eine europaweite Ausschreibung legitimiert, die mit mehrmonatigen Fristen verbunden gewesen wäre.
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 09:45:18
      Beitrag Nr. 235 ()
      Vorwürfe gegen Gerster noch massiver


      Die Kritik des Bundesrechnungshofes an Florian Gersters Geschäftsgebaren ist umfassender als bisher bekannt. In einem Prüfbericht des Rechnungshofs, der FOCUS vollständig vorliegt, heißt es: „Die Bundesanstalt verkennt grundlegend, dass das Gebot wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Beitragsmitteln und mit Haushaltsmitteln des Bundes auch für sie gilt.“


      focus.de
      Avatar
      schrieb am 28.12.03 12:12:50
      Beitrag Nr. 236 ()
      Derjenige, der Gerster beauftragte, die beraterverträge abzuschliessen ( BM Clement) , ist wohl der denkbar ungeeignetste "Sanktionierer" von Gerster...

      ein fatales Signal an die Mitbürger: Die Politiker können Steuer/Versicherungsgelder mit beiden Händen zum Fenster rauswerfen, den normalen Bürgern wird kompensatorisch alles, was geht, weggekürzt.
      ___________________________________________________________________________________________

      Gerster kommt wohl ungeschoren davon


      Das Bundeswirtschaftsministerium sieht keine Handhabe gegen die umstrittene Vertragsschließung des Chefs der Bundesanstalt für Arbeit mit WMP. Die Affäre um den ohne Ausschreibung geschlossenen Vertrag mit der Medienberatungsfirma soll nach dem Willen des Ministeriums keine weiteren Konsequenzen für BA-Chef Florian Gerster haben. :eek:
      Das geht aus einer Stellungnahme des zuständigen Staatssekretärs Rudolf Anzinger für den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit des Bundestags hervor, die FOCUS vorliegt. Darin heißt es: „Als geeignetes Aufsichtsmittel kommt allein die Beratung in Betracht.“ Es gehöre nicht zu den Aufgaben der vom Ministerium wahrgenommenen Rechtsaufsicht, „die persönliche Verantwortung für den Rechtsverstoß festzustellen und das Fehlverhalten der für den Rechtsverstoß verantwortlichen Personen zu sanktionieren“. :eek:

      Eine Nichtigkeit des Vertrages und damit die Möglichkeit der Rückforderung von Honorarzahlungen sieht das Ministerium danach ebenfalls nicht. Dazu heißt es: „Die allgemeine Rechtswidrigkeit einer Vergabe führt nicht automatisch zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages.“ Sie trete laut Vergabeordnung nur ein, wenn andere Anbieter benachteiligt würden. Vor der Vergabe seien aber „mit anderen Anbietern am Markt lediglich „Sondierungsgespräche geführt worden, die nicht zur Folge hatten, dass die Unternehmen förmliche Angebote abgegeben haben“.
      Für den zum Jahresende vorzeitig aufgelösten Vertrag, den der BA-Verwaltungsrat und der Bundesrechnungshof beanstandet haben, flossen WMP für 2003 Zahlungen von mehr als 600 000 Euro zu.

      27.12.03, 17:25 Uhr
      (Quelle: dpa/ap)
      Avatar
      schrieb am 02.01.04 18:06:27
      Beitrag Nr. 237 ()
      Bundesagentur für Arbeit sieht Hartz-Reformen wirken

      Die beiden ersten Pakete der Hartz- Reformen haben nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) durchaus für Impulse auf dem Arbeitsmarkt gesorgt. Etliche zehntausend Erwerbslose hätten damit eine Stelle erhalten oder ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert, betonte eine BA-Sprecherin in Nürnberg. Auch das Bundesarbeitsministerium wies die Darstellung zurück, neue Instrumente wie etwa das Programm «Kapital für Arbeit» hätten sich als Flop erwiesen.

      Die Reformen hätten bereits eine deutliche Dynamik entwickelt, und dies werde sich künftig noch verstärken. Manche Reformen entfalteten aber erst nach längerer Zeit ihre volle Wirkung, hieß es bei der BA. Bundesregierung und Arbeitsvermittler widersprachen damit der Kritik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), wonach die beiden ersten Pakete der Hartz-Reform (Hartz I und II vom 1. Januar 2003) «keinen großen Wurf» darstellen.

      Die BA-Sprecherin räumte ein, dass 2003 die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Hartz-Reformen nicht unbedingt günstig waren. «Bei einer Stagnation der Wirtschaft haben Arbeitsmarktreformen naturgemäß nicht die Wirkung, die sie in einer Wachstumsphase haben.» Trotzdem könnten sich die Erfolge der Hartz- Pakete I und II sehen lassen. So habe die Zahl der Arbeitslosen, die eine feste Stelle gefunden haben, in den ersten elf Monaten 2003 um zehn Prozent höher gelegen als 2002.

      Zur Kritik an den Personal-Service-Agenturen (PSA), die laut DIHK-Umfrage nur von 9 Prozent der Betriebe genutzt werden, verwies die BA-Sprecherin darauf, dass sich die Erfolge vermittlungsorientierter Zeitarbeit erst langfristig messen ließen. «Schließlich werden Zeitarbeitnehmer nicht gleich am ersten oder zweiten Tag ihres Einsatzes bei einem Unternehmen übernommen.» Seit Mitte 2003 seien 4100 der 37 400 PSA-Beschäftigten vom Leihunternehmen übernommen worden.

      Besonders erfolgreich seien Maßnahmen zur Förderung der Selbstständigkeit wie etwa die «Ich-AGs» und Überbrückungsgeld gelaufen, sagte die Ministeriumssprecherin. Bis November hätten sich insgesamt 230 000 Arbeitslose selbstständig gemacht. Und auch im Programm «Kapital für Arbeit» seien die Zahlen beachtlich: 2400 Anträge mit einem Volumen von über 750 Millionen Euro seien bewilligt und fast 11 000 Beschäftigte eingestellt worden. Das im November 2002 gestartete Förderprogramm sollte ursprünglich 50 000 Arbeitsplätze schaffen. Dafür waren 5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt worden.

      Als «erfolgreich» wertete die BA-Sprecherin auch die Minijob- Regelung, die Arbeitnehmer bei Jobs bis zu 400 Euro im Monat von Steuern und Abgaben befreit. Arbeitslose hätten von dieser Niedriglohn-Regelung aber vergleichsweise wenig profitiert.

      Die Wirtschaft hatte zum Jahreswechsel eine ernüchternde Zwischenbilanz der Arbeitsmarktreformen gezogen. Nach einer Umfrage bei mehr als 20 000 Unternehmen haben die seit einem Jahr gültigen Gesetze (Hartz I und II) dem Arbeitsmarkt keine positiven Impulse gebracht, berichtete der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Neujahrstag in Berlin. Die bisher verwirklichten Reformen der Beschäftigungspolitik seien «kein großer Wurf».

      Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, dass sie auch im neuen Jahr 2004 kein einziges von den neu eingeführten, zentralen Hartz-Instrumenten zur Einstellung von Personal nutzen wollen. Viele Ansätze des Hartz-Konzepts spielten damit im betrieblichen Alltag überhaupt keine Rolle und gingen deshalb ins Leere, kritisierte der DIHK.

      Lediglich neun Prozent der Betriebe wollen der Umfrage zufolge 2004 die Dienste von Personal-Service-Agenturen in Anspruch nehmen. Zwar sei es richtig, Arbeitnehmerüberlassung als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu nutzen, doch sollte man nach Auffassung des DIHK statt auf subventionierte Personal-Service-Agenturen lieber auf gewerbliche Zeitarbeitsfirmen und den unbürokratischen Verleih zwischen Unternehmen setzen.

      Das Programm «Kapital für Arbeit» erweise sich als Flop: Nur sechs Prozent der Unternehmen wären bereit, diese Förderleistung der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu nutzen. Das Programm sei falsch, weil Personal- und Finanzierungsentscheidungen nicht miteinander zu verknüpfen seien. Außerdem biete es Fehlanreize und enthalte Mitnahmeeffekte.

      Die Reformpakete Hartz I und II traten am 1. Januar 2003 in Kraft. Außer der Einführung von Personal-Service-Agenturen und dem Programm «Kapital für Arbeit» enthalten sie neue Regeln für Minijobs und für die Förderung von Existenzgründungen («Ich AG»).
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      schrieb am 03.01.04 16:04:49
      Beitrag Nr. 238 ()
      SPIEGEL ONLINE - 03. Januar 2004, 12:26
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,280468,00.html

      Dezember-Zahlen

      Höchste Jahresarbeitslosigkeit seit sechs Jahren

      Trotz vieler Signale für einen sich ankündigenden Aufschwung lähmt die Konjunkturkrise weiterhin den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit im Dezember ist so hoch wie seit 1997 nicht mehr.




      Frankfurt am Main/Berlin - Bundesweit waren 4,31 Millionen Menschen ohne Arbeit, wie "Die Welt" unter Berufung auf erste Berechnungen der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) berichtete. Höhere Arbeitslosenzahlen gab es zuletzt 1997, als 4,52 Millionen Menschen ohne Job waren. Auch aufs Jahr gerechnet sahen die Zahlen seit 1997 nicht mehr so trist aus. Insgesamt waren den Angaben zufolge im Jahresdurchschnitt 2003 4,36 Millionen Menschen arbeitslos.
      Im Vergleich zum November 2003 stieg die Arbeitslosigkeit dem Bericht zufolge im Dezember um rund 125.000. Arbeitsmarktexperten machten dafür saisonale Gründe verantwortlich, hieß es. Gegenüber Dezember 2002 ist die Arbeitslosigkeit im vergangenen Dezember um 85.000 gestiegen. Grund für diesen Anstieg ist die anhaltende Konjunkturkrise.

      Nach Informationen der "Welt" hält es die BA mittlerweile für möglich, dass die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2004 geringer sein wird als im Jahr 2003. Bisher hatten BA und Bundesregierung für dieses Jahr einen erneuten Anstieg der Arbeitslosenzahlen prognostiziert.
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      schrieb am 21.01.04 08:09:10
      Beitrag Nr. 239 ()
      Büroräume veredelt, teure Dienstwagen


      Das Vertrauen der Bundesregierung in Florian Gerster ist seit seinem Amtsantritt im April 2002 arg strapaziert worden.

      Im April 2003 gab es heftige Vorwürfe, als sich der Vorstand für 2,6 Millionen Euro neue Büros und Sitzungssäle gestalten ließ. Im Herbst wurde bekannt, dass die BA einen mit 1,3 Millionen Euro dotierten Berater-Vertrag mit der PR-Firma WMP vereinbart hatte – ohne vorherige Ausschreibung. Der Vertrag wurde inzwischen aufgelöst. Dann geriet Gerster in die Schlagzeilen, weil er angeblich zu teure Dienstwagen bestellt habe. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erklärte dazu, es handele sich nicht um einen Auftrag für 900 BMW-Limousinen mit Kosten von rund 22 Millionen Euro, sondern um einen Leasingvertrag für zunächst je 300 Modelle der 3er Reihe für 2004 und 2005 und einer Option für 2006.

      Kurz nach Weihnachten wurde über weitere Beraterverträge berichtet. Außerdem hieß es, Gerster habe nachträglich entlastende Akten anfertigen lassen. Der BA-Chef wies bislang alle Vorwürfe zurück und sprach von einer „beispiellosen Kampagne“. Auf diese Weise solle der Reformprozess der BA verhindert werden – von „politischen Kräften, denen die Reformvorschläge zu weit gehen“, die zeigen wollten: „Seht, die können es nicht“.

      Schon vor seinem ersten Arbeitstag bei der Nürnberger Behörde eckte der ehemalige rheinland-pfälzische Sozialminister an, als er forderte, den Bezug von Arbeitslosengeld für Ältere stufenweise zu verkürzen. Viele seiner Ankündigungen wirkten der Zeit weit voraus.
      Sein Versprechen, 2003 den Etat seiner Behörde ohne Bundeszuschuss einhalten zu wollen, konnte er angesichts steigender Arbeitslosigkeit nicht realisieren. Der Bund schoss gut sechs Milliarden Euro zu – in diesem Jahr will Gerster nun mit nur noch fünf Milliarden Zuschuss auskommen.

      Eine Dauerfehde mit den Gewerkschaften brachte dem SPD-Politiker sein Kurs ein, Weiterbildungsmaßnahmen nur noch am Erfolg auszurichten und drastisch einzuschränken. Die ostdeutschen Regierungschefs gingen auf die Barrikaden als Gerster Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als „Auslaufmodell“ bezeichnete. Ärger mit der Bundesregierung gab es, als Gerster eine Mehrwertsteuererhöhung ins Spiel brachte oder statt mancher Hartz-Pläne lieber eigene Vorstellungen durchsetzen wollte. Auch die Erfolge von Vermittlungsgutscheinen und Personal-Service-Agenturen blieben weit hinter den Ankündigungen zurück.

      20.01.04, 15:27 Uhr focus.de
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      schrieb am 21.01.04 12:05:54
      Beitrag Nr. 240 ()
      wir müssen alle bis 67 arbeiten.

      außer bei Takko :eek::mad:

      Mittwoch 21. Januar 2004, 08:24 Uhr

      stern: Mode-Discounter Takko will über 50-Jährigen kündigen

      Hamburg (ots) - Der Mode-Discounter Takko, der in Deutschland 9300
      Mitarbeiter in 670 Filialen beschäftigt, will sich nach Informationen
      des Hamburger Magazins stern von über 50 Jahre alten Mitarbeitern
      trennen. Der stern zitiert in seiner neuen Ausgabe das Protokoll
      einer Takko-Regionalleiter-Sitzung, in dem es unter dem Punkt
      Personal heißt: "Mitarbeiter über 50 Jahre sind im Laufe der nächsten
      drei Monate auf Entwicklung und Optik zu überprüfen. Nicht passende
      sind nach Abwägung zu kündigen." Die Kündigungen sollen "ab sofort
      aus betrieblichen Gründen" erfolgen.

      Eine Anfrage des stern, wie viele Mitarbeiter bereits auf Optik
      überprüft und gekündigt wurden, ließ Takko-Geschäftsführer Gerwin
      Eck, 43, unbeantwortet. Günter Isemeyer, 50, Sprecher der
      Gewerkschaft Verdi in Nordrhein-Westfalen, sagte dem stern, dass ihm
      "so eine Unverschämtheit wie bei Takko noch nicht untergekommen ist".
      Im zurückliegenden Geschäftsjahr machte die Modefirma mit Sitz in
      Telgte 673 Millionen Euro Gesamtumsatz.

      Diese Vorabmeldung ist mit Quellenangabe zur Veröffentlichung
      frei.

      Quelle:http://de.news.yahoo.com/040121/27/3ujtc.html



      Ich weiß, wo ich nicht mehr einkaufen werde :mad:
      Avatar
      schrieb am 24.01.04 21:12:17
      Beitrag Nr. 241 ()
      DER SPIEGEL 5/2004 - 26. Januar 2004
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,283404,00.html
      Arbeitsmarkt

      Der Fall Gerster

      Gelebte Sozialpartnerschaft: Mit gezielten Intrigen drängten Gewerkschaften und Arbeitgeber den eitlen Behördenchef Florian Gerster ins Abseits.
      Wird ein Telekom-Manager sein Nachfolger?



      Reformer Gerster: Großes Portfolio an Feinden

      Die "Tagesschau" war schon vorüber, als am vergangenen Dienstagabend drei schwere Dienstlimousinen vor dem noblen Berliner Hotel Esplanade vorfuhren. Drinnen wartete Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, draußen kletterten die drei Chefaufseher der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit aus den Fonds: DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer, Arbeitgeber-Vertreter Peter Clever sowie Clements arbeitsmarktpolitischer Abteilungsleiter Bernd Buchheit.
      Das Trio hatte dem Ressortchef Wichtiges mitzuteilen: Unter Arbeitsämterchef Florian Gerster seien mehr Beraterverträge rechtswidrig vergeben worden als bislang bekannt. Das habe ihnen gerade der Chefrevisor der Behörde erläutert. Der Behördenleiter, so teilten Engelen-Kefer und Clever dem Minister mit, genieße nun nicht mehr ihr Vertrauen. Schon in wenigen Tagen werde der 21-köpfige Verwaltungsrat deshalb beschließen: Gerster muss gehen.

      Damit war auch dem Ressortchef klar, dass der Skandal-Vorstand nicht länger im Amt zu halten sein werde. Doch verantworten mochte Clement den Abgang des "hervorragenden Fachmanns" keinesfalls. Und so flüchtete sich der Minister in jene seltsame Dementipolitik, die in den vergangenen Tagen Freund und Feind gleichermaßen verwirrte. Während die Regierung schon nach möglichen Nachfolgern fahndete, wies der Minister vor laufenden Kameras aufkeimende Rücktrittsgerüchte zurück: alles "Spekulationen" oder schlicht "Quatsch".

      Verständlich: Der Sturz des umstrittenen Agenturleiters kommt der Regierung ungelegen. Die Union kann sich zum Auftakt des Superwahljahres 2004 rühmen, den wichtigsten Behördenchef der rot-grünen Regierung abgeschossen zu haben. Und die SPD, die seit Wochen im Umfragetief steckt, hat ein Problem mehr: Mitten im heiklen Reformprozess von Arbeitsmarkt und Arbeitsverwaltung muss sie den Vormann auf ihrer "größten Baustelle" (Schröder) ersetzen.

      Was die Sozialdemokraten als weitere politische Niederlage werten, bedeutet für Gerster das wohl endgültige Karriere-Aus. Der frühere Mainzer Sozialminister, der sich bei seinem Amtsantritt nicht weniger vorgenommen hatte als den "Totalumbau" der deutschen Arbeitsmarktpolitik, ist nach nicht einmal zwei Amtsjahren kläglich gescheitert: an den Widerständen in Partei, Fraktion und Regierung, einem miserablen Krisenmanagement, der eigenen Arroganz und - nicht zuletzt - dem Intrigenspiel von Arbeitgebern und Gewerkschaften, bei dem Gerster am Schluss zwischen allen Stühlen saß.

      Auslöser war Gersters Entscheidung, die Nürnberger Behörde in einem politisch höchst gefährlichen Drahtseilakt zu führen. Obwohl altgedienter Genosse, lenkte er die Arbeitsämter nicht etwa im Sinne der SPD-nahen Gewerkschaften, sondern überwiegend nach Arbeitgeber-Rezepten: Die Ausgaben für Arbeitsbeschaffung und Fortbildung wurden drastisch zusammengestrichen, der Druck auf die Jobsuchenden wurde rigoros erhöht.

      Die DGB-Vertreter, die in den Kontrollgremien der Behörde ein Drittel der Stimmen haben, sannen auf Rache. Und so zögerten sie nicht lange, als sie Ende vergangenen Jahres Wind von Gersters fragwürdigem Vertrag mit der PR-Firma WMP EuroCom bekamen. Die Geschichte wurde umgehend an "Bild am Sonntag" durchgestochen, wie ein DGB-Vorstandsmitglied bereitwillig zugibt.

      Gersters Rücktritt zu erzwingen gelang jedoch nicht. Schließlich konnte der Behördenchef auf die Rückendeckung von Wirtschaftsminister Clement wie auch der Arbeitgeber rechnen. Der Agenturchef habe doch "Einsicht gezeigt", lobte etwa Verwaltungsrats-Präside Clever noch kürzlich und befand: "Die Basis für vertrauensvolle Zusammenarbeit besteht weiter."

      Doch inzwischen hatte die Union entdeckt, welches politische Potenzial in der Gerster-Affäre schlummerte. Stürzt der Behördenchef über das Enthüllungsmarathon aus Beraterkontrakten und Vergabeverstößen, so das Kalkül, trifft das den Kanzler selbst. Schließlich hatte er den eitlen Sozialpolitiker vor zwei Jahren höchstselbst auf den heiklen Posten berufen.

      Und so begannen Unionspolitiker, im Arbeitgeberlager gezielt Stimmung gegen Gerster zu machen. Im Visier vor allem: CDU-Mitglied Clever, der es unter Ex-Sozialminister Norbert Blüm bis zum arbeitsmarktpolitischen Abteilungsleiter brachte und nun als Verwaltungsrats-Präside an einer strategischen Schaltstelle der Behörde saß.

      Clever sträubte sich, doch am vergangenen Montag wechselte er spektakulär die Seiten. Überraschend stattete er der Nürnberger Behörde einen angeblich geheimen Kontrollbesuch ab - und telefonierte die Ergebnisse anschließend umgehend an Journalisten und CDU-Politiker durch. Bei den Beraterverträgen der Behörde seien neue "Unregelmäßigkeiten" aufgetaucht, berichtete tags darauf die "Bild"-Zeitung. Und fragte: "Fliegt Skandal-Gerster?"

      Hatte Clever den Behördenleiter zuvor wochenlang in Schutz genommen, konnte es ihm nun gar nicht schnell genug gehen. Am Telefon bekniete er zunächst Kontrollkollegin Engelen-Kefer, Gerster so schnell wie möglich zum Abdanken zu zwingen. Anschließend machte er Druck bei Clement. Gerster müsse schleunigst weg, forderte er, oder die Union werde umgehend einen Untersuchungsausschuss zu der Affäre einsetzen.

      Damit war klar: Arbeitgeber wie Gewerkschaften hatten den Daumen gesenkt. Clement allein konnte Gerster nicht im Amt halten.

      Dass sein Sturz am Ende unvermeidlich war, hatte sich Gerster nicht zuletzt selbst zuzuschreiben. In seiner Zeit als Agenturchef war es ihm nicht nur gelungen, sich ein "großes Portfolio an Feinden" zu schaffen, wie ein Clement-Vertrauter spottet. In der Affäre um den WMP-Vertrag beging er auch so gut wie jeden Fehler, "den man nur machen kann".

      Immer wieder hatte er beispielsweise Behördenaufsehern und Parlamentariern versichert, dass mit Ausnahme des WMP-Kontrakts alle übrigen Beraterverträge korrekt ausgeschrieben gewesen seien. Nun bescheinigte ihm die eigene Behördenkontrolle in ihrem 42-seitigen Prüfbericht, dass seine Behauptung zumindest voreilig war:

      Von den 49 Beraterverträgen, die das Revisionsamt bis zum Wochenende untersuchte, enthielten zwei gravierende Verstöße gegen das Vergaberecht, darunter ein Kontrakt mit dem Beratungsunternehmen Roland Berger sowie einer mit der Computerfirma IBM. Weitere zwei Vergaben waren derart mangelhaft, dass andere Firmen möglicherweise juristisch gegen die Auftragserteilung vorgehen könnten. Und weitere zehn Verträge enthielten kleinere Fehler. Die übrigen Vergabeverfahren, so ermittelten die Prüfer, waren ordnungsgemäß abgewickelt.

      Nun ist die juristische Aufarbeitung der Affäre in vollem Gange. So prüft das Wirtschaftsministerium, ob die beanstandeten Verträge gekündigt oder sogar Teile des Beraterhonorars zurückgefordert werden müssen. Und auch die Strafverfolgungsbehörden schalten sich schon ein. So leitete die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im Dezember unter dem Aktenzeichen Az. 507JS2287/03 ein Ermittlungsverfahren gegen den Behördenchef ein, nachdem bundesweit zahlreiche Strafanzeigen gegen Gerster wegen der "Veruntreuung von Geldern" eingegangen waren, die sich bis zum vergangenen Freitag auf 25 summierten. "Es liegen klare Verdachtsmomente vor, ohne die wir das Ermittlungsverfahren nicht eröffnet hätten", sagt Bernhard Wankel, Sprecher der Nürnberger Justizbehörden.

      Was Behördenkontrolleure und Politiker gegen Gerster aufbrachte, waren jedoch nicht nur die neuen Erkenntnisse über weitere Vergabefehler. Gegner wie Verbündete beklagen vor allem das Krisenmanagement des Ämterchefs.

      Schon vor Wochen hatten ihm seine wenigen Vertrauten zu einer klaren Aufklärungsstrategie geraten: Gerster müsse die Fehler beim WMP-Vertrag eingestehen und zugleich alle Fakten über die übrigen Beraterkontrakte schnellstmöglich auf den Tisch legen.

      Doch der studierte Psychologe manövrierte sich unbelehrbar nur immer tiefer in den Affärensumpf. Anstatt selbst für Aufklärung zu sorgen, musste er sich in der Frage der Beraterverträge erneut von der eigenen Revisionsabteilung belehren lassen. Schlimmer noch: Während seiner Auftritte vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags verwickelte sich der "Autist" (ein Clement-Ministerialer) in derart viele Ungereimtheiten und Widersprüche, dass er in den Verdacht geriet, Akten manipuliert oder gar das Parlament belogen zu haben.

      Mal musste er einräumen, dass die umstrittenen WMP-Honorare in den einschlägigen Vorstandsbeschlüssen um mehrere hunderttausend Euro niedriger beziffert waren als in den abgeschlossenen Verträgen. Dann wieder berief er sich auf Voten seiner Vergabeabteilung, die es gar nicht gab. Gerster habe die Gründe, warum er den fragwürdigen PR-Kontrakt ohne Ausschreibung vergeben habe, mehr oder weniger "herbeigezaubert", befand Rechnungshof-Präsident Dieter Engels vor dem Wirtschaftsausschuss.

      Unter dem Druck ständiger Vorwürfe und Enthüllungen hatte der Agenturleiter den Kontakt zur Realität weitgehend verloren. Noch vergangene Woche suchte Gerster Clement am Telefon davon zu überzeugen, dass er weiter im Amt bleiben könne. "Ich werde kämpfen", kündigte er an.

      Doch selbst in der Regierung wurden solche Ankündigungen inzwischen eher als Drohung empfunden. Überall dachten Arbeitsmarktexperten und Wirtschaftspolitiker bereits über geeignete Nachfolger nach. Doch wann immer ein Kandidat ins Spiel kam, wurden fast gleichzeitig die Bedenken bekannt. Arbeits-Staatssekretär Gerd Andres? Zu viel sozialpolitischer Stallgeruch. Gerster-Vize Frank-Jürgen Weise? Zu sehr mit dem Vorgänger verbunden.

      Als geeignet gelten derzeit im engeren Regierungszirkel vor allem Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke, der sich als effizienter Politikmanager ausgewiesen hat, sowie der SPD-nahe Telekom-Personalvorstand Heinz Klinkhammer, dem exzellente Drähte zu den Gewerkschaften nachgesagt werden. Der Kandidat selbst dementiert noch: "Ich fühle mich bei der Telekom wohl."

      Minister Clement selbst mochte sich Ende vergangener Woche noch nicht an der Nachfolger-Suche beteiligen. Nur eins war klar: Die Personalie, so ein Vertrauter, werde "eine ganz schwierige Kiste".

      KONTANTIN VON HAMMERSTEIN, WOLFGANG REUTER, MICHAEL SAUGA, JANKO TIETZ
      Avatar
      schrieb am 26.01.04 11:19:22
      Beitrag Nr. 242 ()
      SPIEGEL ONLINE - 25. Januar 2004, 23:25
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,283521,00.html
      Auftritt bei "Christiansen"

      Gerster zelebriert öffentlich seinen Rauswurf

      Kaum entlassen, präsentiert sich der Ex-Arbeitsagenturchef Florian Gerster in der TV-Talkshow "Christiansen" als Opfer einer Kampagne. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff nutzte die Chance, Unternehmensberater Roland Berger Gefälligkeitsgutachten, Seilschaften und Verschwendung von Steuergeldern vorzuwerfen.




      Florian Gerster: Sieht sich als Opfer

      Berlin - Er bemühte sich, charmant zu sein; doch kaum wähnte er sich unbeobachtet, sah man die Bitterkeit in Florian Gersters Gesicht - und die Selbstgerechtigkeit. Der entlassene Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht sich als Opfer einer Kampagne.
      Die Verwaltungsratmitglieder, die ihm am Samstag mit großer Mehrheit das Misstrauen ausgesprochen hatten, seien mit einer vorgefassten Position in die Sitzung gegangen, sagte Gerster am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen". Die Frage, ob sich aus dem Bericht der Innenrevision Verstöße bei der Vergabe von Beraterverträgen ableiten ließen, habe gar keine Rolle mehr gespielt. Der Verwaltungsrat der Bundesagentur, der ihm am Samstag das Misstrauen ausgesprochen hatte, habe ihm keine Fakten vorlegen können, die eine Entlassung gerechtfertigt hätten, kritisierte Gerster. Er räumte aber auch eigene Fehler ein.

      Fehler bei der umstrittenen Vergabe von Beraterverträgen seien selbst in dem Kontrollgremium nicht als Entlassungsgrund eingeschätzt worden. "Mir wurde gesagt, nein, das gibt es nicht her, aber Sie müssen trotzdem gehen", sagte Gerster. Auf die Frage warum, habe er nur Antworten bekommen, "die man atmosphärisch nennen konnte", etwa Stilfragen, mangelnde Wertschätzung des Verwaltungsrats oder unzureichende Mitarbeitermotivation. Er habe erleben müssen, dass viele Mitglieder des Verwaltungsrates sich einem Gruppendruck gebeugt hätten, ihm das Misstrauen auszusprechen. Angesichts des eindeutigen Votums von 20 zu einer Stimme habe die Bundesregierung dann nicht anders handeln können, als ihn zu entlassen, sagte Gerster.

      "Ich kämpfe mit einem Bild, das Menschen erzeugt haben die mich zum Teil gar nicht kennen oder die ein Interesse daran hatten, dieses Bild so zu malen", sagte er zum Vorwurf der Arroganz und Selbstherrlichkeit. :laugh: Er räumte jedoch ein, dass es "sowohl in Stilfragen wie auch im konkreten Verhalten den einen oder anderen Fehler gab".

      Er selbst sei nur bei dem umstrittenen Beratervertrag für die PR-Firma WMP an der Auftragsvergabe persönlich beteiligt gewesen und habe dabei wegen Eilbedürftigkeit eine Ausschreibung für unnötig gehalten. "Es war ein Beurteilungsfehler, und wir hätten tatsächlich ein Vierteljahr warten müssen und richtig ausschreiben. Dann hätte ich den ganzen Schlamassel nicht am Hals gehabt", sagte Gerster.

      Auf die Frage, warum er nicht zurückgetreten sei, antwortete er: "Ich wollte aufrecht gehen" und "mich nicht davon stehlen". Ein eleganter Rückzug vom Amt sei für ihn nicht in Frage gekommen, fügte er hinzu. "Ich wollte kämpfen und ich wollte denen, die mich nach Hause schicken, in die Augen sehen." Von Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) fühle er sich fair behandelt. Clement habe ihn "menschlich und sachlich aufs Beste unterstützt" und auch seinen Reformkurs uneingeschränkt mitgetragen.

      Doch Gersters märtyrerhafter Auftritt - oder die Peinlichkeit, dass er sich diesen nicht verkneifen konnte - wurde mitnichten zum Höhepunkt des Abends.

      Vielmehr stahl ihm der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff diese letzte große Schau, indem er den ebenfalls geladenen Roland Berger offen attackierte und über die gesamte Beraterbranche herfiel. Er warf dem populären Unternehmensberater Gefälligkeitsgutachten, Seilschaften und Verschwendung von Steuergeldern vor. Kalt erwischt, forderte Berger eine Erklärung oder sofortige Rücknahme des Begriffs Seilschaft, doch Wulff war vorbereitet. Er berichtete von weit über 300 Beraterverträgen, die die vorangegangene Regierung geschlossen habe, und kritisierte die Ergebnisse der Firma Berger als gelegentlich kaum die Qualität von Anträgen der Grünen überschreitend. :laugh:

      Der sprachlose Berger wurde von Talkmasterin Sabine Christiansen gerettet, die hurtig das Thema wechselte. Dieses eine Mal wünscht man sich, Sie hätte die Diskussion eskalieren lassen.









      Zum Thema:

      In SPIEGEL ONLINE: · Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsloser Gerster gut versorgt (25.01.2004)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,283506,00.html

      · Gersters Rausschmiss: Sieg der Gegenreformation (25.01.2004)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,283465,00.html

      · Arbeitsmarkt: Wie Florian Gerster gezielt ins Abseits gedrängt wurde (26.01.2004)
      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,283404,00.html

      · Gerster-Entlassung: Chronologie einer Skandal-Amtszeit (24.01.2004)
      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,283459,00.html





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      Avatar
      schrieb am 26.01.04 12:54:43
      Beitrag Nr. 243 ()
      ziemlich guter, weil zutreffender Kommentar:




      (b]nach gerster
      Ende einer Scheinwelt[/b]

      Von kleinen Kindern kennt man das: Wenn sie sich verstecken wollen, halten sie sich die Augen zu: "Ätsch, doofe Welt! Ich bin weg!" Doch das sind sie nicht - sie bleiben kleine Kinder, die sich die Augen zuhalten.

      KOMMENTAR
      VON BARBARA DRIBBUSCH
      Ähnlich magisch sollte die Arbeitsämterpolitik Florian Gersters (SPD) funktionieren: Wir tun einfach so, als sähen wir die reale Situation auf dem Jobmarkt nicht mehr. Wir halten uns die Augen zu, nennen uns "Agentur für Arbeit" und machen die Arbeitslosen zu Kunden - und schwuppdiwupp sieht alles ein bisschen freundlicher aus.

      Diese Imagepolitik Gersters, die immer auch die von Rot-Grün war, ging nach hinten los. Und das lag nicht nur an seiner Person. Es stimmt zwar, Gerster ist es nicht gelungen, die Funktionen der Arbeitsämter als Sozialbehörden und Jobagenturen zu integrieren. Ähnlich wie der frühere IG-Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler wirkte Gerster immer ein wenig zu elegant, um eine Institution zu verkörpern, die die Schwachen schützen soll.

      Doch unerträglich ist nicht Gerster, sondern die rot-grüne Ideologie, die er vertrat. Das Herumschwadronieren über "mehr Eigenverantwortung" der Arbeitslosen ist in Zeiten eines schrumpfenden Jobmarkts einfach nicht mehr anzuhören. In bestimmten wirtschaftsschwachen Regionen ist heute jeder inserierte Putzjob heiß umkämpft. Joblosen, die einen Hundeausführservice gründen, mag man zwar alles Gute wünschen. Als Lösungsmodelle für die Beschäftigungsmisere in Deutschland jedoch taugen sie nicht.

      Die Bundesagentur für Arbeit ist eine Sozialbehörde - jeder, der dort Chef werden will, muss sich dieser Aufgabe auch annehmen. Für ältere, angeschlagene Erwerbslose macht nur noch der Sachbearbeiter beim Arbeitsamt den Unterschied aus zwischen völliger Chancenlosigkeit oder doch noch einer Beschäftigungsmaßnahme, ein paar Euro hier oder da. Zudem steuert Deutschland auf eine neue Armutsdiskussion zu - die Frage, was mit den nicht mehr einstellungsfähigen Langzeitarbeitslosen geschehen soll, hat auch Gerster nicht beantworten wollen.

      Gesucht wird also ein Behördenchef, der sich den Realitäten stellt und die gesamte Klientel der Arbeitslosen im Blick behält. Der den Mut hat zu Ehrlichkeit und sich nicht mit Managementkauderwelsch in rot-grünes Wunschdenken flüchtet. Arbeitslosigkeit entzieht sich der Scheinrationalität, mit der die Wirtschaft oft operiert. Gersters Nachfolger sollte das wissen.


      taz Nr. 7267 vom 26.1.2004, Seite 1, 84 Kommentar BARBARA DRIBBUSCH, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 26.01.04 14:33:34
      Beitrag Nr. 244 ()
      Bundesrichter nennt Hartz-Reform teils verfassungswidrig „Arbeitszwang mit Grundgesetz nicht vereinbar“
      Berlin. Gegen die Reformpläne bei der Arbeitslosen- und Sozialhilfe regt sich weiter Widerstand. Uwe Berlit, Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, hat in einem Papier verfassungsrechtliche Bedenken sowohl gegen den Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) als auch gegen das hessische Modell von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) angemeldet. Laut Berlit besteht in beiden Gesetzesvorlagen eine „Asymmetrie zwischen Fordern und Fördern“ zu Lasten der Hilfeempfänger. Bei der vorgesehenen Vermittlung in eine Tätigkeit bestehe ein zu hohes Maß an Zwang, das mit dem Grundgesetzgebot der Vertragsfreiheit (Artikel 2) und dem Verbot der Zwangsarbeit (Artikel 12) kollidiere.

      Die Unions-Länder Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen kündigten an, Clements Entwurf (Hartz IV) im Bundesrat abzulehnen und stattdessen das hessische Modell zur Sozialhilfereform einzubringen. Hartz IV gehe nicht weit genug, weil der finanzielle Druck auf Sozialhilfeempfänger, eine angebotene Arbeit anzunehmen, zu gering sei. Die Kürzungen bei Arbeitsverweigerungen reichten zudem nicht aus, so das hessische Sozialministerium.

      Berlit kritisiert die im Regierungsentwurf vorgesehene Eingliederungsvereinbarung, die Hilfeempfänger mit der Arbeitsverwaltung abschließen müssen, wollen sie eine Leistungskürzung vermeiden. Damit entstehe ein „Zwang zur rechtsgeschäftlichen Selbstunterwerfung“, der gegen das Gebot der Vertragsfreiheit verstoße. Für Berlit ist der Hilfeempfänger zu sehr davon abhängig, wie fähig sein „Fallmanager“ in der Arbeitsverwaltung tatsächlich ist. Nach dem Gesetzentwurf seien auch „objektiv willkürliche, fachlich sinnwidrige“ Eingliederungsangebote möglich oder solche Arbeiten, die Eigenplanungen der Hilfeempfänger „konterkarieren“. Die Betroffenen hätten „keinen wirksamen Schutz“ vor „unqualifizierten, überforderten oder gar böswilligen Fallmanagern“. Berlit bemängelt auch die Sanktionsregelungen bei unzureichender Arbeitsbereitschaft oder Mitwirkung der Hilfeempfänger. Vor allem für Jugendliche sind diese nach Ansicht des Bundesrichters zu strikt. Albert Funk
      Neuste NachrichtenBundesrichter nennt Hartz-Reform teils verfassungswidrig „Arbeitszwang mit Grundgesetz nicht vereinbar“.htm
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      schrieb am 02.02.04 20:20:12
      Beitrag Nr. 245 ()
      Neuigkeiten über Hartz

      Obdachlos dank Hartz

      Mietschuldenübernahme für ALG-II-Empfänger künftig Ermessenssache. Immer mehr Zwangsräumungen

      Ein Recht auf Wohnraum existiert in Deutschland nicht. Mit den Hartz-Gesetzen zur Sozialhilfe- und Arbeitsmarktreform droht nun auch noch die Abschaffung sozialpolitischer Regelungen, die überschuldeten Mietern bisher das Dach über dem Kopf sichern sollten. Nach dem von Bundestag und Bundesrat abgesegneten Gesetz soll die Vermeidung von Wohnungsverlust zukünftig keine »vorrangige Aufgabe« des Staates mehr sein. Jedenfalls nicht für die Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II). Die bislang im Paragraphen 15 a des Bundesozialhilfegesetzes (BSHG) vorgesehenen präventiven Maßnahmen werden für Bezieher von ALG II erheblich eingeschränkt. So sollen Mietschulden dann von den neu eingerichteten »Agenturen für Arbeit« übernommen werden können. Für diese soll allerdings die wesentlich enger als im bisherigen BSHG gefaßte Mietschuldenübernahmenorm des zukünftigen Sozialgesetzbuches XII gelten. Danach können laut Paragraph 20 Mietschulden ausschließlich als Darlehen und auch nur dann übernommen werden, wenn der drohende Verlust der Wohnung die Aufnahme »einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung« verhindern würde.

      Zwar stehen die Leistungen zur »Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen« prinzipiell auch den Beziehern des ALG II zu. Nach Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) allerdings nur auf dem Papier. »Die auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Agenturen für Arbeit werden auf die neu geschaffene Öffnungsklausel im Arbeitslosengeld II zurückgreifen. Dies wird für die Betroffenen zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Durch die langen Antragswege und Interventionszeiten werden anhängige Räumungen bereits vollzogen sein, ehe das notwendige Verwaltungsverfahren für eine Mietschuldenübernahme durchlaufen ist«, prognostiziert Thomas Specht-Kittler, Geschäftsführer der BAGW.

      Die Organisation fordert deshalb die Streichung der restriktiven Regelungen und die Möglichkeit, daß allen Beziehern von Arbeitslosengeld II die Leistungen nach Paragraph 35 SGB XII offenstehen. Danach sollen Mietschulden dann übernommen werden, »wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht«.

      Kerstin Bauer (PDS), Sozialstadträtin im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, teilt die Einschätzung der Wohnungslosenhilfeorganisation. »Die Regelungen aus dem Sozialhilferecht und dem Bundessozialhilfegesetz bilden sich in dem Gesetz ›für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt‹, die dort wieder Eingang finden müßten, aus meiner Sicht nicht ab. Der Schwerpunkt liegt in dem gesamten Gesetz tatsächlich auf arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen«, kritisiert Bauer. »Sollten die Pläne in der jetzigen Form umgesetzt werden, droht eine massive Zunahme von Obdachlosigkeit. Die Übernahme von Mietschulden wird nur noch bei einem Bruchteil unserer Klienten überhaupt in Betracht kommen. Folgerichtig wird der Wohnungsverlust drohen«, befürchtet Bauer. Nach den neuen Gesetzen sei lediglich denkbar, daß der Sozialhilfeträger die Kosten für ein Notquartier übernimmt. Den Betroffenen bleibt dann nämlich nur noch eine ordnungsrechtliche Unterbringung in einer Pension. Denn selbst die bisher im Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Unterbringung in qualifizierten Betreuungseinrichtungen ist nach Einschätzung von Bauer ausgeschlossen.

      Die Stadträtin hat das Horrorszenario, das dann auf die Kommunen zukommen würde, im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage exemplarisch für Friedrichshain-Kreuzberg durchgerechnet. So existieren im Bezirk 29 gewerbliche Pensionen mit 800 Plätzen, von denen rund 211 für Familien geeignet seien. Für Ein-Personen-Haushalte stünden in der Regel lediglich Quartiere in Mehrbettzimmern zur Verfügung. Nach Angaben der Sozialen Wohnhilfe sind im Bezirk 546 Personen (Stand II. Quartal 2003) ordnungsrechtlich untergebracht. Zum gleichen Zeitpunkt lagen 277 gerichtliche Mitteilungen über Räumungsklagen sowie 110 Mitteilungen von anderweitig drohendem Wohnungsverlust vor. Berlinweit waren es 3 091 Vollstreckungsankündigungen, die in 1 449 Fällen vollzogen worden sind.

      Auch die Wohnungswirtschaft schlägt Alarm. Nach Auskunft des Verbandes der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) stiegen die angefallenen Mietschulden allein bei dessen 148 Mitgliedsunternehmen in der Hauptstadt von 69 Millionen Euro im Jahre 1994 auf nunmehr rund 180 Millionen Euro. »Die Mietschulden steigen rasant an. Weil die Tendenz weiter nach oben zeigt, haben einzelne Unternehmen inzwischen Sozialdienste eingerichtet, um Räumungen bereits im Vorfeld zu verhindern«, so BBU-Vorstandsmitglied Wolfgang Bohleber. Der BBU verwaltet rund die Hälfte der in Berlin vermieteten Wohnungen.

      Neuste Nachrichtenjunge welt vom 02_02_2004 - Obdachlos dank Hartz.htm
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 21:31:23
      Beitrag Nr. 246 ()
      #245
      :eek:

      mein leben lang war ich überzeugter Demokrat irgendwo im linksliberalen und leicht grün angehauchten bereich. Aber was in den letzten Jahren (nicht nur in deutschland) passiert lässt mich immer extremer werden :(

      irgendwann werden sich Menschen auf Art 20GG berufen :mad::( ....

      Artikel 20

      (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

      2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

      (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

      (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
      Avatar
      schrieb am 07.02.04 14:20:42
      Beitrag Nr. 247 ()
      SPIEGEL ONLINE - 05. Februar 2004, 17:15
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,285078,00.html
      Arbeitslosenstatistik

      Nur mit Tricks unter fünf Millionen


      Von Carsten Matthäus

      Bei der Vorstellung der neuesten Zahlen zum Arbeitsmarkt musste sogar Wirtschaftsminister Clement zugeben, dass man sich eines statistischen Kunstgriffs bedient hatte. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit: Ohne Zahlenkunst müsste die Regierung längst Horrorzahlen melden.



      Nürnberg/Braunschweig - Die Herren von der Bundesagentur für Arbeit (BA) wissen, wie man unangenehme Wahrheiten in undramatische Worte fasst: "Die jüngste ungünstige Entwicklung ist wohl nicht als konjunkturelle Verschlechterung zu interpretieren", kommentiert der momentane BA-Chef Frank-Jürgen Weise den Anstieg der Arbeitslosenzahl auf knapp 4,6 Millionen. Sein Vorstandskollege Heinrich Alt wagt sogar einen optimistischen Ausblick: "Selbst wenn wir im Februar noch einmal einen Wintereinbruch haben sollten, werden wir nach menschlichem Ermessen die Fünf-Millionen-Grenze weit unterschreiten.
      Und natürlich verwenden beide wieder die Zauberformeln "saisonbereinigt" und "witterungsbedingt", um eine Teilschuld an der Arbeitsmarktmisere höheren Gewalten zuzuschieben. Saisonbereinigt und nominell sei die Arbeitslosenzahl um 81.000 zurückgegangen, sagt Weise. Besser wäre gewesen, er hätte von "politikbereinigt" gesprochen, dem gezielten Herausdrängen von Arbeitslosengruppen aus der offiziellen Statistik. Mitterweile haben die Zahlenkünstler der BA nämlich so tief in die Trickkiste gegriffen, dass die saisonalen Schwankungen längst nicht mehr das eigentliche Problem sind, wenn es um den Vergleich der Zahlen geht.

      Nach Ansicht von Richard Hartwig, Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Arbeitsamtes Braunschweig, müsste die Arbeitlosenzahl mittlerweile über fünf Millionen liegen.
      "Die Zahl ist über 500.000 geschönt", sagt der Unternehmer. Seine Rechnung ist einfach: Braunschweig, zu dessen Arbeitsamtsbezirk auch Salzgitter und Wolfenbüttel gehören, liegt mit rund 27.000 Arbeitslosen ziemlich genau im Durchschnitt der 180 deutschen Arbeitsämter. Allein in den vergangenen Zahlen sind laut Hartwig knapp 2800 Arbeitslose wegen Änderungen in der Zählweise aus der Statistik gestrichen worden. Auf Deutschland hochgerechnet wäre das etwa eine halbe Million Arbeitssuchender, die derzeit nicht mehr erfasst werden.

      Dass die Hartwigs Schätzungen noch vorsichtig sind, zeigt eine genauere Betrachtung der statistischen Tricks, die allein in jüngster Vergangenheit angewendet wurden.


      Trick 1: Wer trainiert wird, ist nicht mehr arbeitslos

      Im Dezember 2003 galten diejenigen statistisch als arbeitslos, die sich vom Arbeitsamt bei ihren Bewerbungen helfen lassen - sich also in so genannten Trainingsmaßnahmen befinden. Würde man die trainierten Arbeitslosen wieder in die Statistik einrechnen, käme man schon auf 4,67 Millionen.

      Trick 2: In die PSA, und raus bist Du
      Über das Vehikel der Personalserviceagenturen (PSA) hat die Bundesagentur Arbeitslose in großer Zahl an andere Vermittler abgegeben. Die PSA-Kräfte wurden sofort aus der Statistik entfernt - ganz egal, ob sie auch eine Stelle fanden oder nicht. Zum Jahresschluss 2003 waren aber nur knapp 6000 dieser Arbeitssuchenden vermittelt, etwa 30.000 warteten auf eine Job, genauso wie ganz normale Arbeitslose. Ohne PSA und Trainingsmaßnahmen müsste die BA also schon von 4,7 Millionen Arbeitslosen sprechen.

      Trick 3: Wer 58 ist, wird in Ruhe gelassen, wenn...
      Wer dieses Alter erreicht hat, kann nämlich Paragraf 428 des Sozialgesetzbuches III nutzen und die so genannten "erleichterten Leistungen" in Anspruch nehmen. Er erhält dann unverändert seine Untersützung, muss sich aber nicht mehr alle drei Monate beim Arbeitsamt melden. Bis Dezember 2003 ist die Zahl dieser nicht mehr suchenden Arbeitslosen auf knapp 357.000 angestiegen. Ohne die Tricks 1 bis 3 müsste die BA somit 5,06 Millionen Arbeitslose melden.
      Verständlich, dass die Opposition die heutige Vorstellung der Arbeitsmarktzahlen für derbe Attacken nutzte. CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann forderte ein sofortiges Ende der "billigen Statistiktricks". Nach den Worten des CSU-Politikers Peter Ramsauer hat die Regierung damit "die Marke von fünf Millionen Arbeitslosen verhindert". FDP-Vize Rainer Brüderle sagte, "mit hilflosen Zahlentricksereien bekommt die Bundesregierung die Arbeitslosen vielleicht aus der Statistik, von der Straße holt man sie auf diese Weise nicht".

      Zusätzlich zu der offensichtlichen Zahlenakrobatik deckt die Arbeitslosenzahl natürlich noch längst nicht alle Menschen ab, die auf dem Arbeitsmarkt um Stellen kämpfen. Die BA selbst hat mit schärferen Kontrollen der gemeldeten Arbeitslosen dafür gesorgt, dass sich im vergangenen Jahr rund 700.000 Arbeitslose mehr in "sonstige Nichterwerbstätigkeit" verabschiedet haben als 2002. Anders gesagt, verzichten immer mehr Arbeitssuchende auf die Leistungen vom Arbeitsamt, weil sie mit der staatlich verordneten Arbeitssuche nicht klarkommen. Außerdem verschweigt die Statistik diejenigen, die erst gar nicht zum Amt gehen, weil sie noch keine Leistungsansprüche erworben haben - wie etwa Jugendliche oder Hausfrauen. Insgesamt beziffert die Rürup-Kommission diese so genannte "Stille Reserve" auf etwa 1,3 Millionen Menschen.


      Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement lässt sich von solchen Zahlen nicht die Laune verderben. Aus seiner Perspektive ist die Arbeitslosigkeit zurückgegangen, und das charakterisiere "die Aufwärtsentwicklung am Arbeitsmarkt, die seit Frühjahr 2003 zu beobachten ist". Dass der Rückgang nur durch eine Manipulation zustande gekommen ist, bezeichnete der Wirtschaftsminister als "eine notwendige Klarstellung in der Arbeitsmarktstatistik".
      Avatar
      schrieb am 07.02.04 14:26:31
      Beitrag Nr. 248 ()
      SPIEGEL ONLINE - 06. Februar 2004, 7:26
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,285124,00.html
      Kritik an Reformplan

      BfA warnt vor freiem Fall der Renten

      Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erwartet fast nur Nachteile von der geplanten, nächsten Rentenreform. Das ließ sie nun auch den Bundestag wissen.




      Berlin - Der Gesetzentwurf der Bundesregierung der rot-grünen Koalition werde "faktisch ein nach unten offenes Rentenniveau zur Folge" zur Folge haben, heiße es in der BfA-Stellungnahme zur nächsten Stufe der Rentenreform. Das berichtet das "Handelsblatt". Die BfA fordere daher die Einführung einer Mindesrente. Die Anhörung im Bundestag ist für kommenden Mittwoch geplant.
      In der BfA-Vorlage für die Anhörung kritisiere der Rentenversicherer, dass die Regierung dem Ziel, den Beitragssatz bis zum Jahr 2030 auf 22 Prozent zu begrenzen, absolute Priorität einräume. Der "rein einnahmeorientierte Ansatz" sei "nicht geeignet, eine nachhaltige Finanzierung der Alterssicherung sicherzustellen." Die Untergrenze für Rentenkürzungen müsse gesetzlich festgeschrieben werden. Die Pläne der Regierung sehen dagegen vor, die bisherige Rentensicherungsklausel zu streichen.

      Versicherte hätten dann keine Anhaltspunkte mehr, welche Leistungen sie von der gesetzlichen Rentenversicherung erwarten könnten. Auch die Begrenzung der Beitragssteigerungen werde deshalb nicht dazu beitragen, neues Vertrauen in das Rentensystem schaffen.

      Der bodenlose Fall der Rentenansprüche gefährde auch die kapitalgedeckte Zusatzvorsorge, so die BfA laut "Handelsblatt". Die Versicherten könnten nicht mehr berechnen, wie viel sie zusätzlich vorsorgen müssten, um ihren angestrebten Lebensstandard im Alter zu erreichen.


      Bereits im Dezember hatte die BfA die Rentenpläne der Bundesregierung kritisiert.
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 05:54:10
      Beitrag Nr. 249 ()
      Weise demontiert Hartz
      Der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit dämpft die Hoffnungen auf bedeutend mehr Jobs. Das könne selbst eine professionelle Arbeitsvermittlung nicht leisten. Die Verheißungen von Hartz und Clement entpuppen sich als Luftschlösser
      Das Reformwunder durch die Hartz-Gesetze hat einen Dämpfer erfahren. Der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, selbst ist es, der keine Chance sieht, dass sich die Arbeitslosenzahlen schnell und deutlich erholen könnten. Im Moment sind 4,6 Millionen Menschen ohne Arbeit. Sollte es in den nächsten Monaten zu einem Wirtschaftsaufschwung kommen, rechnet Weise bis Herbst dieses Jahres zwar mit einem Rückgang der Zahlen auf nur noch vier Millionen Arbeitslose - doch viel mehr Hoffnung machte er in einem Interview mit der Welt am Sonntag nicht. Weise setzt sich damit deutlich von der Euphorie des Erfinders einer Bundesagentur, dem VW-Manager Peter Hartz ab.

      Ein radikaler Abbau der Arbeitslosigkeit sei langfristig unrealistisch, sagte Weise. "Eine Idee, dass man die Arbeitslosigkeit halbieren und dies gar selber verantworten könnte, ist abenteuerlich." Eine "voll professionelle" Arbeitsvermittlung könne die Quote allenfalls um einen Prozentpunkt senken, also von derzeit elf auf zehn Prozent. Das müsse das Ziel sein, "das sich in ein paar Jahren erreichen lässt", sagte Weise. So demontiert der neue Chefarbeitsvermittler den ehemaligen Vorsitzenden der Sozialreformkommission, Peter Hartz, geradezu. Im Oktober 2002 hatte der getönt, wenn seine Reformvorschläge umgesetzt würden, könne man "in 30 Monaten zwei Millionen Jobs schaffen oder zwei Millionen Arbeitslose weniger haben". Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte mit großen Zahlen für die Durchsetzung der Hartz-Reformen geworben. Noch im Herbst meinte er, so könnte die Arbeitslosigkeit um 20 Prozent gesenkt werden.

      Auch in einem weiteren Punkt macht Agenturchef Weise wenig Hoffnung: In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung räumte er ein, dass Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Weiterbildungen häufig keine Jobs bringen oder gar kontraproduktiv seien. Er kündigte an, er wolle in der nächsten Zeit überprüfen, was einzelne Arbeitsmarktinstrumente wie etwa Eingliederungszuschüsse oder ABM wirklich bringen. Das werde heikel, "weil wir natürlich einigen auf die Füße treten". Fraglich ist, ob sich Weise mit diesen Maßnahmen durchsetzen kann. Er hat bereits erkannt: "Es kann auch ein politisches Ziel sein, Menschen, die keine Stelle finden, mit ABM arbeitsmarktfähig zu halten. "In das politische Spiel mische ich mich nicht ein", sagt er. Einen, wenn auch schwachen Trost hat Weise aber doch zu bieten: Auf mancherorts befürchteten fünf Millionen Arbeitslosen, verkündete er, werde Deutschland wohl nicht so bald kommen.
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 11:12:27
      Beitrag Nr. 250 ()
      :D




      Haette mir nie ertraeumt, dass sogar der Vorstand der Bundesanstalt fuer ARBEIT OFFIZIELL BESTAETIGT, DASS DER Titel meines Threads absolut zutreffend ist.... :D

      Danke!

      :)
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 16:36:52
      Beitrag Nr. 251 ()
      Hartz-Papier-Agenda 2010 usw. beruhen auf die Demographie unserer Bevölkerung.
      Aber stimmt das überhaupt alles, oder vertrauen wir nur einer Statistik.
      Wer und aus welchen Lager hat den das einmal gegengeprüft ?
      Könnten wir in gegebennen Fall auch eine größere Bevölkerung mit Arbeit versorgen, oder wären sie nur ein weiterer Belastungsfall für die zukünftigen Generationen.
      Oder ist auch hier nur Lobbyismus die Triebkraft?
      Nach einer gewissen Zeit des Weges wird oft der Grund und der Ausgang vergessen, eine sehr menschliche Eigenschaft.




      Demographie und Demagogie

      Über die »!numstößlichen« Grundlagen der Schröderschen »Agenda 2010«

      Die Demographie ist durchaus eine umstrittene Wissenschaft. Am 6. Juni 2003 warf der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen, die demagogischen bzw. demographischen Fakten auf den Tisch und verkündete damit die beinharte Tatsachengrundlage der Agenda 2010: »Die Alterung wird also nicht erst in 50 Jahren zu Problemen führen, sondern bereits in den nächsten beiden Jahrzehnten eine große Herausforderung für Wirtschaft, Gesellschaft sowie vor allem für die sozialen Sicherungssysteme darstellen. Diese Entwicklung ist vorgegeben und unausweichlich.« 2050 müßten hundert Menschen zwischen 20 und 60 Jahren 78 Rentner durchfüttern, fast doppelt so viel wie heute. Das sei schlicht nicht möglich.

      Mit dieser demographischen Prognose wird seitdem die Politik des forcierten Sozialabbaus begründet und als alternativlos hingestellt. Und vom Spiegel (Titelgeschichte 2/2004, »Der letzte Deutsche«) bis zum letzten Rundfunkmoderator wiedergekäut. Natürlich auch von der Politik: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: »Daß wir alle glücklicherweise immer älter werden und die Lebenserwartung steigt, auf der anderen Seite aber zu wenig Kinder geboren werden, ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts.« Gerhard Schröder: »Wir müssen anerkennen und aussprechen, daß die Altersentwicklung unserer Gesellschaft, wenn wir jetzt nichts ändern, schon zu unseren Lebzeiten dazu führen würde, daß unsere vorbildlichen Systeme der Gesundheitsversorgung und Alterssicherung nicht mehr bezahlbar wären.«

      Aber die demographische Prognose von der unbezahlbaren Überalterung ist offensichtlich Humbug, wie jetzt ein Statistikprofessor aufgedeckt hat, der selbst jahrelang im Statistischen Bundesamt tätig gewesen ist. Gerd Bosbach lehrt heute an der Fachhochschule Koblenz Statistik, Mathematik und Empirik, und was er Hahlen vorhält, unterstreicht einmal mehr, daß sich das derzeitige Sozialabbauprogramm auf gewagte Kaffeesatzleserei und bewußte Halbwahrheiten stützt.

      Drei Haupteinwände hält Gerd Bosbach den »vorgegebenen und unausweichlichen« Prognosen des dem Bundesinnenminister Otto Schily unterstellten Politbeamten Johann Hahlen entgegen: Erstens sei eine Bevölkerungsprognose bis zum Jahre 2050 als Grundlage politischer Entscheidungen heute schlicht untauglich. Hätte man z. B. 1953 eine Prognose für 2000 als zielsicher und handlungsleitend ausgegeben, hätte man millionenfach daneben gelegen: Wegen Anwerbeverträgen für »Gastarbeiter«, Pillenknick und 1989er Zusammenbrüchen, von mehreren Kriegen und entsprechenden Fluchtbewegungen ganz zu schweigen.

      Nicht von ungefähr betrug die »Gültigkeitsdauer« der letzten neun Bevölkerungsprognosen des Statistischen Bundesamtes im Schnitt vier Jahre. Einige Vorgängerprognosen mußten sogar gänzlich über den Haufen geworfen werden.

      Die Prognose von Johann Hahlen unterschlägt – das ist das zweite Argument von Gerd Bosbach – wesentliche demographische und ökonomische Größen. So kommt bei Johann Hahlen nicht vor, daß auch unproduktive Kinder und Jugendliche ernährt werden müssen. Rechnet man aber diese Bevölkerungsgruppe in die Prognose ein, dann müssen heute hundert Menschen zwischen 20 und 60 Jahren 82 Junge und Alte ernähren. Im Jahre 2050 würden es 112 Junge und Alte sein. Nicht 80 Prozent mehr als heute sondern 40 Prozent mehr. Und nur zwölf Prozent mehr als 1970, als 100 Erwerbsfähige 100 Junge und Alte ernährten. Solche undramatischen Zahlen enthält auch die offizielle Bevölkerungsvorausberechnung. Aber der Präsident des Amtes, die hohe Politik und die Medien wollen sie offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen.

      Eine andere Zahl wird von den Bundesdemographen allerdings komplett ausgeblendet: die absehbare, steigende Arbeitsproduktivität. Würde sie in die Bevölkerungsprognose einbezogen, kämen wir 2050 in völlig ruhiges Fahrwasser. Sowohl die Rürup- als auch die Herzogkommission z.B. gehen davon aus, daß die Arbeitsproduktivität bis 2050 zwischen 84 und 140 Prozent steigen wird. Würde eine Verdoppelung der Arbeitsproduktivität in die Bevölkerungsprognose einbezogen, dann könnten von der steigenden Wertschöpfung nicht nur mehr Alte und Junge finanziert werden; es bliebe für die produktiv Beschäftigten auch noch ein Plus übrig.

      Neuste Nachrichtenjunge welt vom 09_02_2004 - Demographie und Demagogie.htm
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 16:54:05
      Beitrag Nr. 252 ()
      CDU-Abgeordneter: Personalserviceagenturen sind teurer Flop


      Die Arbeit der Personalservice-Agenturen (PSA) ist dem CDU-Landtagsabgeordneten Udo Timm zufolge ein «beachtlicher Flop». In Mecklenburg-Vorpommern gebe es 28 Agenturen, die bisher lediglich 74 Arbeitslosen einen Job verschaffen konnten, teilte er am Montag mit. Die Agenturen waren Kernstück der Hartz-I-Reform. Das Ergebnis zeige deutlich, dass für Mecklenburg-Vorpommern nicht die Vermittlung das Kernproblem auf dem Arbeitsmarkt ist, sondern das Fehlen von Jobs, sagte der Abgeordnete und forderte das Ende der Personalservice-Agenturen.

      2004-02-09 - 14:01:08

      Quelle: http://www.ndr.de/ndr/regional/mv/meldung.phtml?id=20219&lin…

      Eigene Anm.: Überrascht das jetzt irgendeinen :rolleyes:;)
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 16:59:51
      Beitrag Nr. 253 ()
      #251

      Interessanter Artikel !

      > Eine andere Zahl wird von den Bundesdemographen allerdings komplett ausgeblendet: die absehbare, steigende
      > Arbeitsproduktivität. Würde sie in die Bevölkerungsprognose einbezogen, kämen wir 2050 in völlig ruhiges Fahrwasser.
      > Sowohl die Rürup- als auch die Herzogkommission z.B. gehen davon aus, daß die Arbeitsproduktivität bis 2050 zwischen 84 und 140 Prozent steigen wird.

      Diese Statistiker müßten auch zu dem Schluß gekommen sein, daß wir heute, entsprechend dem Rückgang der landwirtschaftlich Beschäftigten, kraß unterernährt sind! ;)

      Aber der Produktivitätsfortschritt soll ja nur dem oberen 1% zufließen und steht dann natürlich für Alterssicherung und andere "Nebenkosten" nicht mehr zur Verfügung. :mad:
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 18:58:21
      Beitrag Nr. 254 ()
      Bin kein Wirtschaftswissenschaftler, aber eines scheint mir logisch (Fachleute bitte korrigieren, wenn ich falsch liege)

      Die Frage der ARBEITSPRODUKTIVITAET hat 2 diametral entgegengesetzte Antworten, die grundsaetzlicher bzw. ideologischer Natur sind:

      Im Prinzip fuehrt dies bei gleichbleibender Produktion zu WENIGER Arbeitsplaetzen und damit hoeherer Arbeitslosigkeit.
      Eine steigende Beschaeftigung kann nur mit zusaetzlichem Wirtschaftswachstum sprich mehr Konsum und/oder mehr Export erreicht werden. Insbesondere nur dann, wenn UNSERE Produktivitaetssteigerung ueber dem Schnitt der konkurrierenden Wirtschaften liegt.



      Richtig ist natuerlich, dass damit fuer den Grundbedarf weniger Aufwand betrieben wird und daher theoretisch alle besser versorgt werden koennen.

      Eine Produktivitaetssteigerung in kritischen bereich Sozialsysteme, insbesondere Gesundheitssystem ist jedoch nur bedingt moeglich, weil es sich um persoenliche Dienstleistungen handelt (bspw. die in Zukunft explodierende Altenpflege, die bereits jetzt zu unmenschlichen Zustaenden gefuehrt hat)

      Zudem ist halt die Frage, wie der Nutzen der Produktivitaetssteigereung verteilt wird.

      Im MOment steuern wir auf US-amerikanische Zustaende zu: kein Sozialsystem mehr, dafuer Polarisierung der Gesellschaft in wenige Superreiche, abschmelzen des Mittelstandes und dramatische Zunahme der privat Insolventen, Wohnungs- Arbeits- und Krankenversicherungslosen mit einer verelendung von im modernen deutschland bisher undenkbaren ausmass.

      Der relative soziale Frieden in deutschland wird balsd der vergangenheit angehoeren und extremistische Parteien werden wieder ihre Rattenfaenger aussenden.

      Die derzeitige Diktatur der inkompetetenten und ihrer Parteien aehnelt immer mehr den Allianz der unfaehigen der Weimarer republik.

      Das alles wird von so Pfeifen wie Hardt perpetuiert, die den denkgestoerten Politikern der gegenwart Maerchen wie das "Hartz-Konzept" als neue Variante derer von Grimm erzaehlen.

      Was hat Hartz eigentlich vorzuweisen?

      ER hat als Personalchef von VW den innenpolistichen Druck der zunehmenden Arbeitslosigkeit in Deutschland knallhart dafuer benutzt, 5000 untertariflich bezahlte Arbeitnehmer einzustellen. Erpressung in Reinkultur.

      Das einzig geniale daran ist die damit verbundene Oeffentlichkeitsarbeit, die dazu fuehrte, das "5000 mal 5000" - Prinzip auch noch als Meilenstein darzustellen.
      Und sich dafuer auch noch von der regierung feiern zu lassen.

      DAS und nix anderes ist genial.

      der rest ist Schwachsinn.
      wie in meinen ersten postings in diesem Thraed bereits dargestellt und auch komplett so eingetroffen.

      Duennbrettbohrer wo man hinschaut: egal, ob der "tolle" Unternehmensberater Berger, hartz, Gerster oder wie sie alle heissen.
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 20:15:42
      Beitrag Nr. 255 ()
      Zustimmung v. 251 bis 254
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 20:23:23
      Beitrag Nr. 256 ()
      VW plant vier Tage Produktions-Pause

      Zu Ostern voraussichtlich Arbeitsunterbrechung in den Werken Wolfsburg, Emden und Mosel



      Von Michael Strohmann und Klaus Sievers


      Die anvisierte Maßnahme müsse vor dem Hintergrund der schwachen gesamtkonjunkturellen Lage gesehen werden, so der Konzernsprecher. Der Produktionsstopp könne nicht allein mit der unerwartet zurückhaltenden Nachfrage nach dem neuen Golf in Verbindung gebracht werden. Logistisch mache es Sinn, so Große-Leege, Fertigungswerke komplett für einige Tage zu schließen. "Sehr viele Mitarbeiter möchten ohnehin gerne Osterurlaub machen und ihre Zeitkonten sind gut gefüllt." Die Entscheidung des Betriebsrates in dieser Frage müsse noch abgewartet werden, sagte Große-Leege.

      Auf die "immensen Zeitguthaben" der VW-Mitarbeiter verwies auch der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Bernd Sudholt. "Diese Guthaben sind im Jahre 2003 durch Mehrarbeit angehäuft worden." Die aktuelle wirtschaftliche Lage gebe keinen Anlass zu der Vermutung, dass die Zeitguthaben in naher Zukunft durch entsprechende Produktionsumfänge abgetragen werden könnten.

      Daher komme eine tageweise Schließung der Werke Wolfsburg, Emden und Mosel in Betracht. "Eine endgültige Entscheidung ist aber noch nicht getroffen worden", betonte Sudholt.

      Dem Vernehmen nach soll aber noch in dieser Woche eine Entscheidung über die Produktionspause fallen. Davon könnten in geringerem Umfang auch die beiden Zuliefer-Werke Braunschweig und Salzgitter betroffen sein.

      Da beide Werke auch für andere in- und ausländische Standorte des Konzerns fertigen, würden sie von der Arbeitsruhe in den drei deutschen Werken nur teilweise betroffen sein. In Braunschweig könnte es eventuell zwei Tage Pause geben, oder aber die Fertigung werde etwas stärker als bisher für die Ferienzeit geplant zurückgefahren, heißt es.

      Neuste Nachrichtennewsclick_de - Braunschweiger Zeitung, Wolfsburger Nachrichten, Salzgitter-Zeitung.htm
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      schrieb am 12.02.04 20:07:13
      Beitrag Nr. 257 ()
      Sonderangebote am Gehaltstag?

      Das Pilotprojekt „JobCard"

      Während alle noch von Reformen reden, wird derzeit fast unbemerkt die elektronische Verwaltung (eGovernment) vorbereitet, die am 1. Januar 2006 in Kraft treten soll: Statt Lohnsteuerkarten soll es JobCards geben, also Chipkarten für 40 Millionen Lohnarbeiter. Einer Broschüre des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zufolge sollen „die Daten sämtlicher Arbeits- und Entgeltbescheinigungen in einer zentralen Stelle gespeichert werden, um diese bei Bedarf ohne großen Aufwand sicher abrufen zu können." Die Idee ist Teil des Hartz-Pakets und soll Verwaltungsvorgänge vereinfachen – Anträge auf Arbeitslosengeld, Versicherungsmeldung, Unterhaltszahlungen, Wohngeldanträge und ähnliches: „Die JobCard wird maßgeblich zur Entbürokratisierung des Standortes Deutschland beitragen!" Alle Arbeitnehmerdaten – Einkommens-, Versicherungs- und Steuerdaten, Familienstand usw. – kommen auf einen Zentralrechner. JobCards tragen Zugangsdaten, die bei Behörden über Lesegeräte als „Schlüssel" zur Zentrale dienen. Von September 2003 bis April 2004 läuft ein Modellversuch bei Lufthansa, Volkswagen, Datev, der Bundesagentur für Arbeit, einer Steuerberatungs-Firma und der Stadtverwaltung Frankfurt/Main.

      Mit einer solchen Zentraldatei wird praktischerweise gleich die Hälfte der deutschen Bevölkerung in Stammdatensätzen erfaßt. Daß das im Konflikt zu den Datenschutzbestimmungen steht, nimmt man billigend in Kauf. Und die JobCard ist keine Einzelaktion: In den letzten Monaten wurde die weitere Öffnung des Melderegisters ­ etwa für Finanz- und Kraftfahrzeugbehörden ­ ermöglicht, die Einführung einer einheitlichen Steuernummer (Electronic Taxpayer Identification Number: eTIN) angekündigt und die Überwachung von Kfz-Kennzeichen diskutiert. Visionen vom „Gläsernen Bürger" sind nicht neu, aber 15 Jahre technischer Fortschritt erlauben in der heutigen BRD eine viel weitergehende Kontrolle, als es die Volkszählungsgegner in der Achtzigern noch befüchteten.

      Bemerkenswert ist, wer die Träger des Pilotprojektes zur Einführung der JobCard sind: neben den Behörden die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Federführend ist die Informationstechnische Servicestelle der Gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG, siehe www.itsg.de). Da wird der Bock zum Gärtner gemacht ­ die gesetzlichen Krankenkassen haben nun eine weitere Möglichkeit an der Hand, um ihr Kartell zu festigen. Zusammen mit der „Gesundheitsreform" kostet das die Bürger jedes Jahr immer mehr Geld für immer weniger Leistungen.

      Bürokratie abbauen, Schwarzarbeit bekämpfen, Verwaltung beschleunigen, lauten die Argumente für die JobCard. In Wirklichkeit wird nur der Umgang mit der Bürokratie erleichtert. Doch einmal eingeführt, sollen die JobCards noch etwas ganz anderes leisten: „An- und Abmeldung von Beschäftigungsverhältnissen oder die Nutzung als Sozialversicherungsausweis" sowie „einen attraktiven Wettbewerb rund um die Signaturkarte". „So könnte die JobCard später einmal auch im privaten Umfeld wie zum Beispiel im elektronischen Handel genutzt werden", schwärmt das Wirtschaftsministerium. Man nimmt nicht nur die Einführung der Einheits-Sozialversicherung unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorweg, sondern verknüpft bedenkenlos öffentliche und private Interessen. Erscheinen dann Versandhausrechnungen auf Gehaltszetteln? Ist Marktforschung demnächst in Echtzeit geplant? Schicken Firmen ihre Sonderangebote in Zukunft am Gehaltstag?

      Mario H. Kraus

      Neuste Nachrichtenscheinschlag Ausgabe 01 - 2004.htm
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      schrieb am 16.02.04 16:39:42
      Beitrag Nr. 258 ()
      Vorzeige PSA Maatwerk Pleite:confused:

      Hoffnungsträger unter Verdacht



      WAZ Essen. Die größte Personal-Service-Agentur sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Der frisch umgetauften Bundesagentur für Arbeit droht ein neuer Skandal.

      Ein ehemaliger Mitarbeiter des niederländischen Leiharbeitunternehmens Maatwerk wandte sich an die staatliche Arbeitsvermittlung und berichtete von erheblichen Unregelmäßigkeiten bei Maatwerk. Es seien wichtige Zusagen nicht eingehalten worden. Mitarbeiter seien vertragswidrig nicht qualifiziert und Gehälter nicht ordnungsgemäß gezahlt worden.

      Im deutschen PSA-Netzwerk ist das niederländische Unternehmen der größte Partner. Bei 1000 Ausschreibungen kam es in 200 Fällen zum Zuge. In NRW ist Maatwerk für 60 von insgesamt 220 PSA tätig.

      Eine WAZ-Anfrage, ob Maatwerk in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt, wurde vom Unternehmen am Freitag nicht beantwortet. Die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit bestätigte, dass bei Maatwerk in Recklinghausen eine Prüfung stattfand.

      Die Vermittlungserfolge der Personal-Service-Agenturen sind bislang geringer als erhofft. "Wir müssen da genauer hinschauen", sagte ein Sprecher der Agentur für Arbeit. Vertragskündigungen seien kein Tabu. In 40 Fällen habe man dies bereits getan.

      Kom.: Sand im Getriebe
      13.02.2004 Von Jürgen Frech

      Quelle:http://www.waz.de/waz/waz.standard.volltext.php?kennung=onau…
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      schrieb am 18.02.04 16:07:16
      Beitrag Nr. 259 ()
      von wegen Luftnummer: Arbeitslosigkeit sinkt demnächst um über 600.000 :eek:....aber nur in der Statistik :rolleyes::mad:

      ARBEITSLOSENZAHLEN

      Schöne neue Statistik

      Die Bundesregierung will eine neue Zählung der Arbeitslosen nach internationalen Standards einführen. Demnach fällt jeder aus der Statistik, der mehr als eine Stunde pro Woche arbeitet.


      Berlin - Die neue Statistik solle auf Grundlage einer monatlichen Telefonumfrage ab Herbst vom Statistischen Bundesamt ermittelt werden, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung mit. Das neue Zahlenwerk folge den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und solle das bisherige Zahlenwerk nicht ersetzen, sondern parallel erhoben werden.

      Im Ergebnis dürfte die Erwerbslosenzahl nach ILO-Standard nach Schätzungen um 500.000 bis 600.000 geringer ausfallen als die Arbeitslosenzahl der BA. Grund dafür ist, dass ein Teil der amtlich registrierten Arbeitslosen nach den ILO-Standards nicht als arbeitssuchend gilt. Während bei den Arbeitsagenturen registrierte Arbeitslose bis zu 15 Wochenstunden arbeiten dürfen, gelten sie nach ILO-Standard bereits ab einer Wochenstunde Arbeit als erwerbstätig. Erwerbslose nach ILO-Standard müssen zudem in den zurückliegenden vier Wochen aktiv nach einer Beschäftigung gesucht haben und für den Arbeitsmarkt sofort verfügbar sein.

      Das Ministerium begründete die Neuregelung, die noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, mit der Anpassung an international vergleichbare Standards. Die erforderlichen Daten sollen über Telefoninterviews bei bis zu 35.000 Haushalten gesammelt werden.


      :eek::mad:

      Quelle: Spiegel-online

      bisher konnte man bei arbeitslosigkeit legal noch ein wenig hinzuverdienen. das ist wohl jetzt auch nicht mehr drin. Diese Allparteienregierung gegen das Volk ist nur noch zum Kotzen :mad:
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      schrieb am 20.02.04 20:33:27
      Beitrag Nr. 260 ()
      Langzeitarbeitslosigkeit
      Einigung über neues Arbeitslosengeld

      20. Februar 2004 Regierung und Opposition haben ihren Streit um die von 2005 an geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe weitgehend beigelegt. Um den Kommunen die Betreuung von Langzeitarbeitslosen in eigener Regie zu ermöglichen, solle das Grundgesetz geändert werden, hieß es am Freitag in Berlin nach einem Treffen von Arbeitsmarktexperten aller Parteien aus Bund und Ländern bei Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Dann könne der Bund den Kommunen direkt einen finanziellen Ausgleich zahlen, wenn diese - wie etwa vom Landkreistag verlangt - die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in eigener Regie übernehmen wollten.

      Das Treffen habe in einer äußerst konstruktiven Atmosphäre stattgefunden, sagte eine Sprecherin Clements. Mit dem geplanten Optionsgesetz, in dem die Zuständigkeiten für Langzeitarbeitslose flexibel geregelt werden sollen, könne es jetzt sehr schnell vorangehen. Das Gesetz soll im März im Bundestag behandelt werden. Interessierte Städte und Kreise müssen dann bis Ende August entscheiden, ob sie die Aufgabe übernehmen wollen. Der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann sagte, man sei sich im Grunde "über die politischen Eckpunkte einig". Eine Einigung sei in der kommenden Woche möglich. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, sprach von einem "guten Weg zu einer einvernehmlichen Regelung".

      An dem Treffen hatte auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) teilgenommen. Bis Ende nächster Woche sollten weitere Einzelheiten geklärt werden, damit das Kabinett den Gesetzentwurf möglicherweise in der Woche darauf beschließen könne, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Thea Dückert. Hintergrund des Streits war die Vereinbarung von Regierung und Opposition aus dem Dezember, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe für etwa drei Millionen Erwerbsfähige von 2005 an zum neuen Arbeitslosengeld II zusammenzulegen. Grundsätzlich soll dafür die Bundesagentur für Arbeit zuständig sein. Kommunen, die dies in Eigenregie übernehmen wollen, wurde eine Option dazu eingeräumt. Ihnen sollen dann künftig die Leistungen für das Arbeitslosengeld in der angefallenen Höhe und für Wiedereingliederungshilfen pauschal vom Bund erstattet werden.
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      schrieb am 24.02.04 23:01:01
      Beitrag Nr. 261 ()
      Sehr lang, aber es macht Sinn, es doch zu lesen.

      Danach könnte es sein das einen die Nackerhaare hoch stehen.



      Hartz IV - Realität des neuen Gesetzes

      Vorwort
      Bevor das Vierte Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) beleuchtet wird, lohnt es sich einen einzelnen Punkt aus vorherigen "Reformgesetzen" (Hartz I + II) am konkreten Beispiel zu beleuchten. So wurden auch die Regeln für sogenannte "Minijobs", also Jobs bis zu einem Verdienst bis 400 Euro neu bestimmt. Einige Zeit später meldete die Bundesanstalt für Arbeit 900000 neue Jobs auf dieser Basis, und wies nach, dass nicht alle aus der Legalisierung von Schwarzarbeit hervorgegangen waren. Dies kann an einem Beispiel aus dem Marburger Einzelhandel, bei einer Lebensmittelkette, bestätigt werden. Das fest angestellte Personal wurde Zug um Zug, mittels Outsourcing über ein Lohnabrechnungsbüro aus Lohmar nahe Köln, durch Minijobber ersetzt.

      Diese verdienen jetzt 5,50 Euro die Stunde und müssen für 400 Euro halbtags durcharbeiten. Mini ist nur der Verdienst. Kein Anspruch auf Urlaub, eine Mindeststundenzahl, festgelegte Arbeitszeiten, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - nichts. Hartz wirkt; exakt so, wie es geplant war. Dies sollte bei der Lektüre des Folgenden immer beachtet werden.

      Einleitung
      Zwischen dem, was in der Öffentlichkeit über dieses sogenannte Reformpaket geschrieben und gesagt wurde, und den Realitäten des Gesetzestextes, besteht ein erheblicher Unterschied. Auch nach den "Glättungen", aus Anlass der "Proteste" der sogenannten "Linken" in der SPD, hat sich daran nicht viel geändert. Die meisten Änderungen waren schlicht Korrekturen handwerklicher Fehler im Gesetzentwurf, tatsächliche Änderungen waren die Ausnahme und wurden im Vermittlungsausschuss wieder kassiert.

      Vor allem aber ging die öffentliche Diskussion in den Mainstream-Medien am eigentlichen Inhalt weitgehend vorbei; nur so konnte der Entwurf im Vermittlungsausschuss noch einmal verschärft werden. Ziel muss es also hier sein, die Realität dieses Gesetzes und die Quelle so vieler Missverständnisse darzustellen. Der Entwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt enthält in seiner Druckfassung im wesentlichen drei Teile:

      - ein Anschreiben mit Resümee
      - Neufassung des SGBII mit neuer Zuständigkeit und daraus folgende Änderungen
      - Erläuterungen zu den einzelnen Paragraphen
      Die entscheidenden Diskrepanzen liegen nun zwischen den Paragraphen, die in verschärfter Form Gesetz wurden, und ihren Erläuterungen im hinteren Teil. Diese Erläuterungen sind aber keine rechtsverbindliche Interpretation der Gesetze, sondern Öffentlichkeitsarbeit. Auf diesen Teil stützt sich die Wahrnehmung in den Medien, mit dem Ergebnis, dass die eigentliche Bedeutung der Agenda 2010 in der Öffentlichkeit überhaupt nicht erfasst wird. Lange Zeit war Prof. Uwe Berlit, Richter am Bundesverwaltungsgericht, die einzig deutlich vernehmbare Stimme, die auf die Diskrepanzen und auf die Inhalte des Gesetzentwurfs überhaupt hingewiesen hat.

      Darstellung Hartz IV
      Als wichtigster finanzieller Aspekt dieses Gesetzes wird die Streichung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe angesehen. Hier von Zusammenlegung zu sprechen ist irreführend, es suggeriert eine simple Kürzungsrunde nach der für die deutsche Sozialpolitik so kennzeichnenden Salamitaktik. Auch diese einfachen Kürzungen gibt es, die üblichen Verschlechterungen. Wichtig ist da die radikale Kürzung der Bezugsdauer für Arbeitslosengeld, dies trifft vor allem den im regulierten Bereich arbeitenden sog. "Facharbeiter" - also den Stammwähler der SPD.

      Im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld erwartet ihn nämlich der direkte Absturz ins Fürsorgerecht. Denn statt Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe gibt es nun Arbeitslosengeld II für Erwerbsfähige und Sozialgeld in gleicher Höhe für nichterwerbsfähige Angehörige. Beide Leistungen unterliegen dem Fürsorgerecht und nicht wie bisher die Arbeitslosenhilfe dem Lohnersatzleistungsrecht. Anfänglich soll dieser Absturz durch einen "befristeten Zuschlag" bis höchstens 160 Euro (§24) abgefedert werden; schon im Namen ist die baldige Streichung angelegt.

      Ein Antrag auf Arbeitslosengeld II ist also für den Antragsteller praktisch dasselbe wie ein Sozialhilfeantrag, aber nicht nur für ihn, sondern für die gesamte "Bedarfsgemeinschaft", also für sein gesamtes unmittelbares Umfeld, bedeutet das die komplette Durchleuchtung. Es gilt grundsätzlich das Nachrangprinzip (§3 Abs.3) der Sozialhilfe; d.h. es entsteht nie ein von den gesamten finanziellen Verhältnissen der Bedarfsgemeinschaft unabhängiger Leistungsanspruch. Alle, und nicht nur der Antragsteller, kommen unter das Joch des Fürsorgerechts.

      Die Definition dieser Bedarfsgemeinschaft ist trickreich in zwei Absätze aufgeteilt: der eine folgt etwa der bisherigen Regelung bei der Arbeitslosenhilfe; der andere (§9 Abs.5) legt fest, dass alle Verwandten und alle verschwägerten Personen im gleichen Haushalt faktisch dazuzählen - es wird einfach davon ausgegangen, dass sie Unterhaltszahlungen leisten. Gegenüber der ersten Fassung stehen nun im Gesetz einige Klarstellungen zur Unterhaltspflicht: entfernt lebende Angehörige ersten Grades müssen keinen Unterhalt leisten, wenn der Bezieher von Arbeitslosengeld II älter als 25 Jahre ist, oder seine Erstausbildung abgeschlossen hat und Unterhalt von seinen Angehörigen nicht verlangt (§33).

      Datenschutz gibt es nicht; die gesamte Verwandtschaft kann genötigt werden, die Hosen runterzulassen, genau wie Freunde und Lebenspartner. Sogenannte "Trainingsmaßnahmen" wurden verschärft und können mit einer Prüfung versehen (§61 Abs.2) - damit kann man jeden aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und aus der Statistik heraus drängen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben auch weiterhin keine aufschiebende Wirkung; die Strafe kommt immer vor dem Urteil.

      Für die Bedarfsgemeinschaft wird dann nach Sozialhilfekriterien ein Bedarf zur Grundsicherung errechnet - wozu alles offenzulegen ist. Davon werden dann die Einkommen (§11, §30) und überschüssigen Vermögen (§12 Anrechnung nach aktuellen Regelung bei der Arbeitslosenhilfe), abgezogen und dann wird, analog zum Verfahren bei der Sozialhilfe, bis auf Arbeitslosengeld II aufgestockt. (Die Anrechnungsbestimmungen können jederzeit verschlechtert werden, der Bund hat sich mit §13 eine entsprechende Verordnungsermächtigung ins Gesetz schreiben lassen.) Hinzu kommt der Wohnkostenzuschuss für angemessenen Wohnraum nach Sozialhilfekriterien.

      Wohngeld entfällt, Wohnungswechsel müssen begründet und von den Kommunen genehmigt werden (§22). Ein paar Euro rauf, ein paar Euro wieder runter, alle werden knapp unter der bisherigen Sozialhilfe landen, denn daran orientiert sich Arbeitslosengeld II, aber ohne deren generelle Schutzfunktion zu übernehmen. Der Grundbedarfssatz für Alleinstehende samt der damit pauschaliert abgegoltenen Einmalleistungen beträgt 345 Euro West und 331 Euro Ost. Einmalige Beihilfen der Sozialhilfe sind bis auf wenige Ausnahmen (§21, Schwangere, Pflege, Behinderung) gestrichen und im Differenzbetrag zur bisherigen Sozialhilfe zu gering pauschaliert. Zusätzlich können Kann-Leistungen nach Kassenlage vergeben werden. Rechtsanspruch auf Eingliederungsmaßnahmen, abgesehen von der unvergesslichen "Beratung", gibt es nicht. Eine bundesweite Pauschalierung des Wohnkostenzuschusses ist nicht geplant aber auf kommunaler Ebene möglich. Diese Kosten müssen nach der nun vorliegenden Fassung von den Kreisen und kreisfreien Städten übernommen werden. Hier steht dieses Gesetz im Zusammenhang mit der Reform der Gemeindefinanzen, ebenfalls ein Teil der Agenda 2010.

      Nebenher war in der öffentlichen Diskussion viel von "Arbeitsanreizen" die Rede, es sollen die Nebenverdienstmöglichkeiten wesentlich besser sein als bisher für Sozialhilfebezieher. Blanke Schönfärberei, denn schon heute beziehen bundesweit 144000 Beschäftigte (davon 80000 Vollzeitbeschäftigte) ergänzende Stütze zum Niedriglohn und bekommen dafür einen höheren Bedarfssatz angerechnet. Klaus Pohl von der Hauptstadtvertretung der Bundesagentur für Arbeit in Berlin hatte es genau ausgerechnet: nach dem Gesetzentwurf konnten ledige Sozialhilfebezieher 10 Euro mehr, und ledige Arbeitslosenhilfebezieher 10 Euro weniger hinzuverdienen, wenn sie dann beide auf Arbeitslosengeld II gesetzt werden.

      Weil diese Regelungen wohl noch nicht hart genug waren, wurden sie im Gesetz (§30) noch einmal verschärft. Jetzt gibt es überhaupt keinen festgesetzten Freibetrag für einen Nebenverdienst mehr, sondern grundsätzlich gestaffelte Anrechnung eines auch noch so kleinen Einkommens. Bei einem Minijob bis 400 Euro werden 85% des Verdienstes auf das Arbeitslosengeld II angerechnet (also davon abgezogen). Wer diesen Rahmen ausschöpft, darf exakt 60 Euro zusätzlich einbehalten. Diese Regelung stellt in der Praxis eine Verschlechterung gegenüber der jetzigen Regelungen bei der Sozialhilfe dar, da besonderer Bedarf (Fahrtkosten, Arbeitskleidung etc.) keinen Freibetrag mehr begründet. Für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bis 900 Euro gelten geringfügig bessere Bedingungen.

      Die wirkliche Bedeutung der neuen Arbeitsmarkt- und Sozialgesetze erschließt sich aber erst, wenn man nicht allein die extremen Leistungskürzungen betrachtet. So wurde das SGB II praktisch neu geschrieben und hat eine entsprechende Systematik. D.h., die ersten Paragraphen geben Ziel und Interpretation des gesamten Regelwerks vor. Die im hinteren Teil des Gesetzentwurfs erhältlichen Erläuterungen dieser ersten Paragraphen geben ungefähr den Stand der Diskussion in der Öffentlichkeit wieder:

      Aus den Erläuterungen
      Zu § 2 Grundsatz des Forderns
      Die Vorschrift regelt die Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss sich vorrangig und eigeninitiativ um die Beendigung seiner Erwerbslosigkeit bemühen. Er muss seine Bedürftigkeit so weit wie möglich beseitigen und aktiv an allen Maßnahmen mitwirken, die seine Eingliederung unterstützen sollen, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen. Zentrale Forderung des neuen Leistungssystems ist die Eigenverantwortung des Erwerbsfähigen, der alle Möglichkeiten nutzen und vorrangig seine Arbeitskraft einsetzen muss, um seinen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Erwerbsfähige soll nicht abwarten dürfen, dass die Agentur für Arbeit ihm eine Arbeitsstelle vermittelt, sondern er muss sich eigenständig um seine berufliche Eingliederung bemühen. Die Eingliederungsleistungen der Agentur für Arbeit unterstützen diese Bemühungen. Ziel ist es, den Erwerbsfähigen möglichst unabhängig von der Eingliederung in Arbeit durch die Agentur für Arbeit zu machen. Auf Verlangen der Agentur für Arbeit sind erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Erwerbstätigkeit finden können, verpflichtet, eine angebotene Arbeit anzunehmen. (Hervorhebungen M.B.)

      So wurde das in den letzten Monaten diskutiert, eine angebotene Arbeit muss angenommen werden und alle Möglichkeiten zur Beendigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II müssen genutzt werden. Suggeriert wurde eine auf den individuellen Erwerbslosen zugeschnittene Leistung, eben eine Art Arbeitslosengeld, die sich irgendwie aus der Zusammenlegung bisheriger Leistungen ergibt. Im Gesetzestext steht nun etwas sprachlich ähnliches, aber juristisch anderes:



      Aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
      §2

      (1) Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen. Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat der erwerbsfähige Hilfebedürftige eine ihm angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen. (2) Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Hilfebedürftige müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.

      Zuerst muss hier geklärt werden, wer denn nun der erwerbsfähige Hilfebedürftige ist. Letzte Sicherheit gibt dazu der §9:



      Aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
      §9
      (2) ... Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. (5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

      Also ist nicht das individuelle Einkommen einer Person entscheidend, sondern das der Bedarfsgemeinschaft, um die Hilfebedürftigkeit aller ihrer Insassen zu definieren. Hilfebedürftig, und damit allen sich daraus ergebenden Zwängen unterworfen, wird immer die gesamte Bedarfsgemeinschaft, also auch ein Mitglied derselben, das eigentlich genügend Geld für den eigenen, individuellen Lebensunterhalt verdient. Alle Personen der Bedarfsgemeinschaft können also dazu gezwungen werden, länger zu arbeiten, ein Studium aufzugeben (§2 Abs.2, analog zur Sozialhilfe, wie auch die Regelung für Studenten und Azubis, §7 Abs.5, Abs.6), Vermögen zu verwerten oder sonstige Maßnahmen zu unternehmen, damit der erwerbslos gewordene Verwandte/Lebenspartner/Ehepartner kein Arbeitslosengeld II mehr benötigt. Jeder ist Teil einer Sippe - und nicht etwa ein unabhängiges Individuum.

      Zudem enthält der §2 Abs.1 eine kleine, leicht überlesene, aber umso bedeutsamere Änderung bisherigen Rechts. Demnach ist der Bezieher von Arbeitslosengeld II verpflichtet, eben diesen Bezug um jeden Preis zu verringern, also auch Jobs anzunehmen, mit denen er niemals ein ausreichendes Einkommen erzielen wird - und somit trotz Arbeit immer den Zwängen des Fürsorgerechts unterworfen bleibt. Arbeitslosengeld II ist ganz klar als ergänzende Sozialleistung zum Niedriglohn konzipiert. Zwei Stunden beim Umzug oder auf dem Wochenmarkt aufräumen, zweimal am Tag morgens und abends je eine Stunde - das ist damit gemeint. Denn jeder noch so kleine Verdienst verringert nach der neuen Anrechnungsregel den Bezug von Arbeitslosengeld II und kann somit verbindlich zugewiesen werden. Die Mindestlohnfunktion der Sozialhilfe ist damit ausgehebelt, arbeiten für Stütze das Ziel.

      Hier zeigt sich das endgültige Ergebnis der jahrelangen Diskussionen um das sogenannte "Abstandsgebot". Als ständige mediale Begleitung permanenter Reallohnsenkungen im Niedrigstlohnbereich (vor allem bei den Jobbern), wurde von Kapitalseite der tatsächlich zu geringe Abstand derartiger Einkommen zum offiziellen Existenzminimum thematisiert, mit dem Ziel, eben dieses Minimum, und im Gefolge die Löhne, abzusenken. Dem stand entgegen, dass dann Millionen von potenziellen Billigarbeitern so sehr verwahrlosen, dass sie als Arbeitskräfte nicht mehr zu gebrauchen sind. Die "Lösung" wurde nun in der ergänzenden Sozialleistung gefunden. Erzwungene Beschäftigung im Niedrigstlohnbereich und Aufstockung bis knapp unter den bisherigen Sozialhilfesatz - das wird den Arbeitsmarkt und die Arbeitsbeziehungen komplett umkrempeln.

      Mit großem Medienaufwand wurde die Tarifbindung als Zugeständnis an Kritiker dargeboten - und im Vermittlungsausschuss wieder gekippt. Ein Spiel mit verteilten Rollen, ein Schmierentheater. Jetzt wird als einziges Kriterium für die sog. Zumutbarkeit verlangt, dass die angebotenen Jobs nicht direkt in den Knast führen. In der öffentlichen Diskussion ging es bei diesem Thema nur um die Lohnhöhe, dies hat keinen Realitätsbezug, denn es geht um Minijobs in Niedriglohnbereichen ohne Tarifbindung und zu ortsüblichen Löhnen von beispielsweise 5,50 Euro in Marburg. Das ist der Kern der neuen Regelungen: jeder muss alle Jobs annehmen, auch wenn niemals die Perspektive besteht, aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II herauszukommen.

      Vor allem aber ging es bei dieser Diskussion um die endgültige Festschreibung vollständiger Rechtlosigkeit. Nach der beschlossenen Regelung besteht nicht der geringste Anspruch auf festgelegte Arbeitszeiten. Arbeiten auf Abruf in beliebiger Dauer, an einem beliebigen Ort und zu welchen Konditionen auch immer - das ist noch schlimmer als die bisherigen Konditionen für Tagelöhner, diese kennen nämlich vorher die ungefähre Dauer des Arbeitstages und haben einen weiteren entscheidenden Vorteil: im Falle eines Konflikts verlieren sie "nur" den Arbeitslohn für einen Minijob. Bezieher von Arbeitslosengeld II verlieren, ein Anruf beim Jobcenter genügt, mitunter ihren gesamten Lebensunterhalt für Wochen oder Monate.

      Andererseits ist auch eine Bezahlung für Arbeit so wenig notwendig wie eine Perspektive, denn über das Gesagte hinaus enthält der zentrale §2 etwas in dieser Form wirklich Neuartiges, eben die Definition einer sog. "Arbeitsgelegenheit", die ausdrücklich etwas anderes sein soll als eine Arbeit, weshalb sie in anderen Paragraphen davon explizit unterschieden wird. Durch die trickreiche Definition "Arbeitsgelegenheit" entfallen definitiv alle Schutzvorschriften, selbst die mageren, die bei der Zuweisung von Jobs bisher bei der Sozialhilfe üblich waren.

      Alle anderen Gesetze, so auch das gesamte Arbeitsrecht, werden damit faktisch ausgehebelt, denn sie beziehen sich auf ein definiertes "Arbeitsverhältnis", dessen mögliche Entstehung in einem der nachgeordneten Paragraphen (§16) gleich ausgeschlossen wurde. Auch ist eine entsprechende Maßnahme nicht an das Erfolgskriterium der Eingliederung in den Arbeitsmarkt gebunden. Einzige Bedingung für den Arbeitsdienst ist, dass die ausgeführten Arbeiten im öffentlichen Interesse liegen. Eben dieses kann nun beliebig definiert werden, gerade deshalb wurde die bisherige Bindung an die Gemeinnützigkeit, diese ist wenigstens noch halbwegs überprüfbar, gleich auch aufgehoben. Die so zum Arbeitsdienst Zwangsverpflichteten können ausgeliehen werden.

      In den Medien wurde allerorten das Gerangel um die Zuständigkeiten breitgetreten. Eben dieses führte zu zwei, zum Teil noch widersprüchlichen, Entwicklungen. In der beschlossenen Fassung von Hartz IV ist nun ein Optionsmodell festgeschrieben. Danach können Kommunen auf Antrag alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Arbeitsvermittlung übernehmen und bekommen dafür die Kosten pauschaliert erstattet. Alles Nähere soll ein neues Bundesgesetz regeln, an dessen Entstehung, ebenfalls im Rahmen der Agenda 2010, bereits eine "Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen" seit längerem arbeitet und dessen Zielrichtung am Zwischenergebnis abgelesen werden kann.

      Was nämlich den Zwangscharakter angeht, so lassen die geplanten Ausführungsbestimmungen, festgehalten im Bericht der "Arbeitsgruppe Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe" dieser Kommission, keinen Zweifel am Willen der politischen Klasse aufkommen. Die Verwaltung und Durchführung des Zwangs wird dabei geschickt den Kommunen zugeordnet und per Gesetz erzwungen (§18). Geködert mit der Entlastung von den Sozialhilfekosten, werden sie mit neuen Aufgaben und Belastungen eingedeckt.

      Zentraler Hebel dazu ist die nochmalige Unterteilung der erwerbslosen Bezieher von Arbeitslosengeld II in "arbeitsmarktnahe" (6 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt in den letzten 4 Jahren), und "arbeitsmarktferne" Erwerbslose. Letztere, rund 31 % der bisherigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe, müssen nun von den Kommunen zusätzlich "betreut" werden - und auch in "Beschäftigungsmaßnahmen" gesteckt werden. Unterlässt die Kommune letzteres, muss sie nach einem Jahr das Arbeitslosengeld II aus eigenen Mitteln zahlen.

      Für eine solche "Beschäftigungsmaßnahme" übernimmt das Arbeitsamt aber nur 800 Euro einschließlich aller Zusatzkosten. Das aber ist für die Kommune nur durch einen kommunalen Arbeitsdienst mit minimaler Aufwandsentschädigung, etwa ein bis zwei Euro die Stunde, überhaupt machbar - und so ist das im Entwurf der Arbeitsgruppe auch vorgesehen. Die Kommunen müssen also die bisherigen Bezieher von Sozialhilfe und 31 % der bisherigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe in den neuen Arbeitsdienst bringen, denn sonst sind sie in kürzester Frist pleite. Nebenher brauchen sie ein Heer von Aufsehern. Für junge Erwerbslose unter 25 Jahren kommt es aber noch härter.



      Aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
      §3

      (1) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können erbracht werden, soweit sie unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind
      1. die Eignung,
      2. die individuelle Lebenssituation, insbesondere die familiäre Situation,
      3. die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und
      4. die Dauerhaftigkeit der Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu berücksichtigen. Vorrangig sollen Maßnahmen eingesetzt werden, die die unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen.
      (2) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln. Können Hilfebedürftige ohne Berufsabschluss nicht in eine Ausbildung vermittelt werden, soll die Agentur für Arbeit darauf hinwirken, dass die vermittelte Arbeit oder Arbeitsgelegenheit auch zur Verbesserung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beiträgt.

      Und aus der Erläuterung dazu:
      Zu § 3 Leistungsgrundsätze
      Zur Förderung der beruflichen Eingliederung von jungen Menschen sieht Absatz 2 vor, dass allen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unter 25 Jahren grundsätzlich ein Arbeits- oder Ausbildungsangebot unterbreitet wird. Die Regelung soll dazu beitragen, dass Arbeitslosigkeit junger Menschen und eine Gewöhnung an den Bezug von Sozialleistungen vermieden werden. Den jungen Menschen soll deshalb möglichst schnell ein Angebot für eine kurzfristig mögliche Arbeit oder Ausbildung gemacht werden.

      Satz 2 des Absatzes 2 verdeutlicht, dass für junge ungelernte Menschen eine Qualifikation für ihren weiteren beruflichen Lebensweg und zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit eine besondere Bedeutung hat. Falls eine kurzfristig mögliche Arbeit angeboten wird, soll die Bundesagentur darauf hinwirken, dass in dieser Arbeit oder im Anschluss daran unter Berücksichtigung insbesondere der Eignung und der Dauerhaftigkeit der Eingliederung des jungen Menschen seine berufliche Qualifikation durch Qualifizierung oder eine Ausbildung verbessert wird. Die Bestimmung verpflichtet die Bundesagentur nicht, eine Ausbildung aus eigenen Mitteln bereitzustellen, wenn eine Vermittlung in Ausbildung nicht möglich ist. Unter jungen Hilfebedürftigen ohne Berufsabschluss sind in Anwendung der Definition in § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III auch diejenigen jungen Hilfebedürftigen zu verstehen, die zwar über einen Berufsabschluss verfügen, jedoch auf Grund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben können.

      Diese Formulierung bedeutet, dass die Arbeitsämter oder Kommunen nicht darüber entscheiden können, solche Maßnahmen einfach nicht durchzuführen, gleichzeitig entsteht nirgendwo ein Rechtsanspruch auf Ausbildung oder ein Arbeitsverhältnis. Zudem wurde auch hier der zentrale neue Rechtsbegriff Arbeitsgelegenheit in den Erläuterungen unterschlagen. Das bedeutet nichtmilitarisierter kommunaler Arbeitsdienst für alle jungen Arbeitslosen und alle "arbeitsmarktfernen" Erwerbslosen.

      Und diese verschärften Sonderregelungen für junge Erwerbslose beantworten auch, wenn auch auf Umwegen, die Frage nach der Durchführbarkeit des neuen Arbeitsdienstes. Es gibt etwas Vergleichbares längst; es gibt die notwendigen Strukturen schon sehr lange - im Zivildienst. Hier zeigt sich auch ein wesentlicher Ausgangspunkt dieser Strategie. Es geht um besonders billige Arbeitskräfte für die Bereiche der öffentlichen Infrastruktur, auf die niemand ernsthaft verzichten kann. Wenn das Kapital keine Steuern zahlen will und die besteuerbare Lohnsumme ständig sinkt, dann soll dies nun durch fast kostenlose Arbeitskräfte gelöst werden. Schon Anfang der 90er Jahre wurde die Ausweitung des Zivildienstes zu einem allgemeinen Pflichtdienst von Grünen (S. Tönnies) und Liberalen (Dönhoff) gefordert; nun wurde mit Hartz IV ein neues Modell entwickelt. Zu Beginn wird der neue Arbeitsdienst mit tränenreichen Bildern aus der Altenpflege legitimiert werden, entsprechende propagandistische Vorbereitungen laufen schon. Endloser Zwangsdienst ist absehbar; häufig wird dies einfach nicht geglaubt, obwohl es mittlerweile offiziell propagiert wird:
      Workfare statt Zivildienst: Eine beschäftigungspolitische Chance
      von Prof. Dr. Hermann Scherl, Universität Erlangen-Nürnberg

      Auch für "arbeitsmarktferne" Erwerbslose ist der Arbeitsdienst und seine Akzeptanz in der Bevölkerung längst getestet. So waren, nach Angaben des deutschen Städtetages, bereits 1998 300000 Erwerbslose zu sogenannten HzA-Maßnahmen gezwungen worden. Die Abkürzung HzA bedeutet "Hilfe zur Arbeit"; wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Besonders Hamburg, die reichste Stadt Europas, ist dabei sehr eifrig und weist so zielsicher nach, was vom angeblichen Sachzwang leerer Kassen zu halten ist. Und genau hier werden wieder die schon angesprochenen verfassungsrechtlichen Fragen sichtbar (und ihrem Gehalt nach als Fragen der Klassenverhältnisse entschleiert).

      Begründet wurde dieser "Hilfe zur Arbeit" genannte Arbeitsdienst mit einer "Verpflichtung" des Beziehers von Sozialleistungen gegenüber "der Gemeinschaft". Nun kennt unser Rechtssystem vielerlei Verpflichtungen, allerdings sind diese immer ihrer Höhe und Dauer nach begrenzt und erlöschen nach Erfüllung. Zudem richten sich legale Verpflichtungen immer gegen eine natürliche oder juristische Person zugunsten einer anderen natürlichen oder juristischen Person. Dies aber ist "die Gemeinschaft" nicht, es handelt sich um eine ideologische Konstruktion, eben um die Volksgemeinschaft. Als ihr Vertreter kann auftreten, wer sich dazu berufen fühlt, in ihrem Namen zwingen, wer die Macht dazu hat. Rechtlosigkeit ist das zwangsläufige Ergebnis.

      Diese Rechtlosigkeit wird sich auch in anderen Bereichen der alltäglichen Praxis niederschlagen. So liegt es in der Logik der geplanten Regelungen, dass Kommunen wie Arbeitsämter versuchen müssen, möglichst viele ihrer "Klienten" loszuwerden. Wohnsitzlose, Obdachlose und alle, die sich schlecht wehren können, werden einfach herausfallen.

      Viel zu wenig beachtet wurden auch die Äußerungen des Wirtschaftsministers, wonach Geldleistungen ohne große Begründung durch Sachleistungen, also durch Food-stamps, ersetzt werden können - und werden, nicht in Marburg oder Duisburg, aber sehr wohl in Gießen und in Hamburg. Hinreichende Begründung dazu ist z.B. ein nicht näher definiertes "unwirtschaftliches Verhalten" (§23), einfach behauptet vom Fallmanager - das reicht. Analog zur Schikane von Flüchtlingen, denn da wurde das bereits erprobt, wird es zuerst, zum Wohlgefallen der Volksgemeinschaft, missliebige Nichtdeutsche treffen. Hinzu kommen sehr umfangreiche Sanktionsmöglichkeiten mit Leistungskürzung oder -entzug (§31).

      (Während der Vorbereitung dieses Textes war es erforderlich, verschiedene Informationen von Juristen etc. einzuholen - die konnten ihre Vorfreude über die beschlossenen Regelungen oft kaum verbergen. Damit entsprechen sie einer weitverbreiteten Einstellung in der Bevölkerung: Morgen früh durchgeführte Umfragen in der Fußgängerzone ergäben 90% Zustimmung zur Zwangsarbeit für junge Arbeitslose im kommunalen Bereich.)

      Neben einer äußerst aggressiven Hetze gegen Sozialhilfeempfänger geisterten in den letzten Zeit absonderliche Zahlen über erwerbsfähige unter ihnen durch die Presse. Ging man früher von 400000 erwerbsfähigen Sozialhilfebeziehern aus, sollen es heute viel mehr sein. Des Rätsels Lösung liegt in der veränderten Definition: erwerbsfähig ist, wer grundsätzlich in der Lage ist oder wäre, 3 Stunden am Tag zu arbeiten. Von der Vermittlung freigestellt sind davon wiederum nur diejenigen, die Kinder unter 3 Jahren zu betreuen haben (§10. Abs.3). Um dies zu erläutern, muss man weiter ausholen.

      Beginnend in den späten 80ern, vor allem aber seit Mitte der 90er drängeln sich die Alleinerziehenden, zu 96% Frauen, auf den Fluren des Sozialamtes. Was war passiert? Der Preis der Arbeitskraft wurde und wird seit 20 Jahren unter ihren Wert gedrückt, d.h. immer mehr Lohnabhängige erwirtschaften kein beständiges Familieneinkommen mehr. Die niedrigen und unbeständigen Einkommen beschleunigen so den Zerfall der Familie. Die Frauen hatten weiterhin Nachwuchs und beantragten Sozialhilfe. Sie wurden dann in Ruhe gelassen, hatten eine schmale aber sichere Basis und keinen Ballast am Hals. Die Reproduktion der Arbeitskraft wurde und wird über Sozialleistungen finanziert. Um die Sozialhilfekosten zu senken und das dazugehörige Verhalten zu ändern, wurde das Modul II ins Hartz-Konzept geschrieben. Hier zeigt sich eine Parallele zur amerikanischen Diskussion, auch dort ist die Lebensstilregulierung Programm. Mit besonderem Eifer sollten in den USA die "Teenage-mothers" (keineswegs alles Teenager) verschwinden.

      Aus dem Hartz - Konzept (Modul 2)
      "Familienfreundliche Quickvermittlung"
      Vermittlung wird familienfreundlich. Arbeitslose, die besondere Verantwortung für abhängige betreuungsbedürftige Personen oder Familienangehörige tragen, erhalten besondere Priorität bei der Vermittlung. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden die bisherigen Mittel zur Kinderbetreuung gebündelt. Gemeinsam mit Kommunen, intermediären Organisationen, Unternehmen oder sonstigen privaten Einrichtungen werden zusätzliche Kinderbetreuungskapazitäten aufgebaut.

      Zudem erhalten der Vorstand der [BA-neu] und die Leitung des [AA-neu] wöchentlich eine Zusammenstellung derjenigen Arbeitslosen, die besondere Verantwortung für abhängige betreuungsbedürftige Personen oder Familienangehörige tragen. Dadurch wird der Handlungsbedarf und die persönliche Verantwortung der Führung der [AA-neu] verdeutlicht. Die Prioritätensetzung auf von Arbeitslosigkeit betroffene Familien spiegelt sich auch in einem Bonussystem für Vermittler und ihr Team wider.

      Welch edles Programm, nur, wer ist damit denn nun eigentlich gemeint, wer trägt denn besondere, anstatt gewöhnlicher Verantwortung für Angehörige? Eben "Familienväter" und Alleinerziehende. Nun werden gerade diesen Alleinerziehenden besonders niedrige Löhne gezahlt - müssen sie eben entsprechend länger arbeiten, und werden doch nie aus dem Arbeitslosengeld II-Bezug herauskommen. Die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" soll auch verbessert werden (§10. Abs.3) - wie schön. An den Neuaufbau von Einrichtungen zur Kinderbetreuung mag angesichts der Politik der Kommunen glauben wer will, die Realität ist schon jetzt in vielen Gemeinden sichtbar: Kinderbetreuung nur noch bei Nachweis eines Arbeitsplatzes. Das ist gemeint, wenn die bisherigen Mittel zur Kinderbetreuung "gebündelt" werden: der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz wird über Warteliste suspendiert; und in Zukunft wird das Arbeitsamt dann über die Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen entscheiden! Zugleich ist der Arbeitsmarkt in Deutschland auch heute noch, abgesehen von Bereichen mit speziellen Qualifikationsanforderungen, in den meisten Bereichen nach Geschlechtern getrennt. Die neutrale Formulierung in den Stellenanzeigen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die allermeisten Jobs entweder für Frauen oder für Männer ausgeschrieben sind. Zudem sind die verfügbaren Arbeitsplätze begrenzt und die Bevorzugung einer bestimmten Gruppe benachteiligt ganz zwangsläufig alle anderen.
      Heißt dieses so nett formulierte Modul 2 also für Alleinerziehende: "Arbeiten bis zum Umfallen" ergibt sich umgekehrt zwangsläufig eine schlechtere Vermittlung für Frauen ohne Kinder und/oder einem arbeitenden Ehepartner. Für diese bedeuten die salbungsvollen Worte also nichts anderes als: "Frauen zurück an den Herd". Etwa 400000 Frauen werden durch die neuen Regelungen zum Arbeitslosengeld II aus dem Bezug von Arbeitslosenhilfe herausfallen und auch nicht mehr vermittelt, zudem stehen ihnen keine Kann-Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu. Dies wird zuerst erwerbslose Frauen im Osten betreffen, dort war die Erwerbsquote unter ihnen wesentlich höher - ein Erbe aus der DDR. Die Gesamterwerbsquote der Bevölkerung liegt dabei in Brandenburg genauso hoch wie in NRW, nur die Arbeitslosenquote ist wesentlich höher, was mit dieser Regelung statistisch bereinigt werden soll.

      Im Ergebnis
      Sehen wir also die Abschaffung der schützenden Grundsicherungsfunktion der Sozialhilfe als letztes Auffangnetz: man kann jetzt nicht mehr einfach zum Sozialamt gehen und kurzfristig in die Grundsicherung aufgenommen werden. Dies wird sich katastrophal für alle Jobber auswirken, denn dort war die Sozialhilfe die einzige Absicherung. Gleichzeitig entfällt der eh schon geringe Schutz der Privatsphäre und der Handlungsmöglichkeiten, der bei der Arbeitslosenhilfe noch gegeben ist. Viele werden schlicht auf der Strecke bleiben. Die heute schon harte Willkür der Arbeitsämter wird sich verschärfen, denen sind keine Grenzen mehr gesetzt. Ein falsches Wort, und die Kürzung oder Sperre folgt auf dem Fuße. Besonders missliebige Personen werden für Lebensmittelgutscheine Arbeitsdienst leisten müssen.

      Arbeitsdienst wird von der Ausnahme zur Regel werden. Zudem entfällt die faktische Mindestlohnfunktion der Sozialhilfe. Ob 2 Euro beim Grünflächenamt in Lohra (eine Landgemeinde nahe Marburg, in der der Bürgermeister den Arbeitsdienst schon angekündigt hat), oder 6,85 Euro für Zeitarbeit bei der PSA, oder 5,50 Euro auf dem Jobbermarkt, Arbeitslosengeld II wird eine überwiegend ergänzende Sozialleistung werden. Millionen werden für Stütze arbeiten müssen. Durch dieses Ergänzungsprinzip und die "Arbeitsgelegenheiten" unterscheidet sich die deutsche Lösung von der amerikanischen.

      Zusammenfassung
      Wenn die Hartz - Gesetze momentan überhaupt kritisiert werden, stehen meistens die Leistungskürzungen im Mittelpunkt. Dieser Schlag gegen die industrielle Reservearmee ist nun beileibe kein reiner Selbstzweck, auch wenn Kostensenkung ein Motiv ist; er wird vor allem geführt, um die Gesamtheit der Lohnabhängigen zu treffen. Besonders deutlich wird dies bei den Debatten um einen Niedrigstlohnbereich. Bleibt der Blick jedoch darauf fixiert, werden die weiteren Ziele der derzeitigen "Reformen" ausgeblendet. Wesentliches Ziel der derzeitigen Politik ist nämlich die endgültige Destruktion des Erwerbslosen als Rechtssubjekt.

      Eine schleichende Abkehr von der Legalitätsverpflichtung staatlichen Handelns - ideologisch wie praktisch - war bereits seit langem erkennbar. Ständig schaffte und schafft sich das Arbeitsamt neue rechtsfreie Räume, permanent werden Erwerbslosen Rechtsmittel verweigert, immer wieder kommt die Strafe (Sperre) vor dem Urteil. Ideologisch abgesichert durch ständig wiederholte Gemeinschaftsdiskurse wurde die Rechtsposition von Erwerbslosen systematisch untergraben. Deren Umsetzung mittels Verordnungen und nichtöffentlichen Anweisungen lieferten Viele der unmittelbaren Willkür der Behörden aus. Jeder Erwerbslose steht unter Generalverdacht und ist deshalb grundsätzlich von ordnungspolitischen Maßnahmen bedroht. Wie mittlerweile auch aus der Arbeitsverwaltung zu hören ist, hat das System und wird bereits offen als "Verfolgungsbetreuung" bezeichnet. Möglichst viele Erwerbslose sollen mittels Verpflichtung zu völlig unsinnigen Maßnahmen aus dem Leistungsbezug herausgedrängt werden. Das spart Geld und kann ideologisch verwertet werden ("Zumutbarkeit"). Unter der Hand wurde bereits seit langem an der grundsätzlichen Neudefinition des Rechtssubjekts gearbeitet.

      Die jetzt propagierten Gesetzesänderungen gehen darüber jedoch weit hinaus und haben eine neue Qualität. Selbst Erwerbslose, die potentiell noch mit staatlicher Unterstützung rechnen können, haben diese zukünftig nicht mehr als verbindlichen Rechtsanspruch, der gegebenenfalls einzuklagen wäre. Sie können Unterstützung nur noch erwarten, wenn sie von "Fallmanagern" des Arbeitsamtes als "employable" eingestuft werden. Dazu müssen sie "Feststellungsmaßnahmen" und "Trainings" über sich ergehen lassen, die zu einer Klassifizierung ihrer "Arbeitsmarktnähe" führen sollen. Je nach Einstufung entscheidet die Behörde dann über weitere "Therapieformen". Verweigert sich der Erwerbslose dieser Behandlung, kann er keine Leistungen vom Staat erwarten. Für das Vergehen Arbeitslosigkeit gilt zudem Sippenhaftung.

      Dahinter steckt ein grundsätzlicher Wandel im Verständnis des Staatsbürgers, des Rechtssubjekts. Wer auf der Basis der formalen Gleichheit seine Arbeitskraft nicht verkaufen kann, der büßt eben diese Grundlage für den Vertrag über Arbeit und Lohn ein, und kann dann beliebig zu Zwangsmaßnahmen oder Zwangsarbeit herangezogen werden. Das ist der Unterschied zwischen allgemeinem Zwang zur Lohnarbeit und Zwangsarbeit.

      Diese Destruktion des Rechtssubjekts hat nun wiederum zwei Seiten. Zum einen geht es darum, alle sozialen Rechte, die die Arbeiterbewegung erkämpft hat, oder die ihr zugestanden wurden, wieder rückgängig zu machen. Jegliche Spuren derselben sollen ausgelöscht werde, Gewerkschaften darf es nur noch für das Co-Management geben. Festzuhalten bleibt, dass die jetzt projektierten Maßnahmen gegen Erwerbslose nicht nur auf Absenkung des Lohnniveaus zielen, sondern darüber hinaus die gesamten Arbeitsbeziehungen im Visier haben. Die mit der Entrechtung der Erwerbslosen verbundene Drohung zielt auf den Abbau hart umkämpfter Rechte aller Lohnabhängigen. Lohnsenkung durch Streichung sozialer Rechte und Disziplinierung durch Entrechtung sind Programm.

      Dieser pragmatischen Seite gesellt sich die ideologische Absicherung hinzu: Erwerbslosigkeit erscheint in diesen deutschen Workfare-Konzepten als Persönlichkeitsdefekt, die den Betreffenden daran hindert, seine Arbeitskraft erfolgreich an einen Kunden zu vermarkten. Ideologisch verbrämt als "Unternehmer seiner Arbeitskraft" ist der Erwerbslose nicht nur gefordert, das unternehmerische Risiko gleich mit zu übernehmen, nein, seine gesamte Subjektivität und sein gesamtes Denken soll er neu ausrichten. Die perfekte Zurichtung, die Totalisierung der Arbeit, das reine und rein individuelle Marktsubjekt, die Ökonomisierung wirklich des ganzen Lebens - das ist das Ziel. Jede Abweichung, jeder Widerspruch ist ein Verstoß gegen "Employability" und "Adaptability" und somit ein Grund für sozialpädagogische Korrekturen. Korrigieren sollen dies ganze Heerscharen von (Sozial)Pädagogen, Soziologen, Psychologen und andere selbsternannte Trainer aller Art. Auf dem Arbeitsmarkt sonst genauso überflüssig wie ihre Klientel, sind sie jederzeit willens, alle erdenklichen Zwangsmaßnahmen auszuführen.

      Die Anerkennung als vollwertiger Bürger muss sich der Erwerbslose erst wieder erarbeiten - und einen Job finden. Bis dahin, also permanent, können unabsehbarer Arbeitsdienst oder haarsträubende Turnübungen verordnet werden, ohne dass dafür der Anweisende wegen Nötigung belangt werden kann.

      Hier entsteht aber nun eine Besonderheit in den neuen Workfare-Konzepten. Einerseits soll das reine Marktsubjekt geschaffen werde. Gefordert ist ein Lohnabhängiger, der bei allen seinen Handlungen, innerhalb und außerhalb der Arbeitszeit, nur noch daran denkt, wie er den Gewinn des Käufers seiner Arbeitskraft gewährleisten kann. Andererseits soll staatlich organisierter Zwang als staatlich organisierter Arbeitsdienst angewandt werden. Bisher erschien dies als grundsätzlicher ideologischer Widerspruch, jetzt ist gerade dieser für die neue Sozialdemokratie konstitutiv. Dabei wird diese Bruchlinie keineswegs schamhaft verschwiegen, sondern ist der sprudelnde Quell von Alltagsideologien.

      Was als Gemeinschaftsdiskurs begann, wurde permanente "Verpflichtung", wurde permanente Entrechtung. Deren grundsätzlicher Charakter ist entweder kaum noch vermittelbar, oder trifft auf direkte Affirmation. War es früher ein widerlicher Metzgermeister, der schon lauthals wusste, was er mit den Erwerbslosen machen würde, schließlich gäbe es entlang der Landstraßen genug aufzuräumen, so hat sich dieser Sadismus verfeinert und ausgeweitet. Dazu kommt der schon ins kultische übersteigerte Arbeitsbegriff, der keine rationale Diskussion mehr zulässt. "Manchen Arbeitslosen muss man halt Beine machen". Wer seine Arbeitskraft nicht verkaufen kann, dessen Arbeitskraft, und somit auch ihr Träger, hat keinen Wert - und also auch kein Recht.

      Wer nun lauten Protest von den so Behandelten erwartet und/oder erhofft hatte, wird in mehrfacher Hinsicht enttäuscht und landet mit dem eigenen Engagement auf einem linken Veteranentreffen, bei gleichzeitig neuartigen Bedingungen politischer Arbeit und geänderter Interessendelegation. Maul halten und auf den Erfolg sozialdemokratischer oder linker Initiativen hoffen, so sieht auch heute noch das bestimmende Verhaltensmuster aus - und aus den Medien dröhnt nur noch ein einziger Überbietungswettbewerb um die effektivsten Quälereien. Die Lethargie der Erwerbslosen ist sicher auch dieser Dauerberieselung geschuldet; doch das eigentliche Problem liegt tiefer und führt zurück zum Wert. Die eigene Arbeitskraft gegen Geld zu verkaufen, und damit dann das zu erwerben, was die Bedürfnisse befriedigt, das ist die Grundkonstruktion unseres Selbst. Die Unmöglichkeit der Realisierung führt bei den Erwerbslosen, die nicht mehr wissen, was eine industrielle Reservearmee ist, zur Lähmung von innen - und gleichzeitig zur Stigmatisierung von außen. Effektive Gegenwehr ist also zur Zeit nicht absehbar.

      Nur bei faktischer Abwesenheit politischer Opposition, also bei einer verdeckten großen Koalition, und unter Anwendung der sehr speziellen "Glaubwürdigkeit" in Gemeinschaftsdiskursen kann das alles durchgedrückt werden - also nur unter der Führung der SPD. Damit stellt sich auch die Frage, ob der Niedergang der PDS eine günstige Gelegenheit darstellt, um diese Politik gerade jetzt in Angriff zu nehmen.

      Anhang
      Grundsätzlich zu widersprechen ist jeder Darstellung, die hier eine nachholende Entwicklung Deutschlands im internationalen Vergleich attestiert. Deutschland betreibt seit einigen Jahren das aggressivste Sozialdumping in der EU und zwingt damit seine Nachbarn zu einer nachholenden Entwicklung. Nur vor diesem Hintergrund sind die Rentenreformen in Frankreich und Österreich zu verstehen. (Bei den in den Medien so beliebten Vergleichen werden permanent wichtige Fakten unterschlagen. So wird in solchen mit Frankreich die Mindestlohnregelung ignoriert, oder in einem Vergleich mit Großbritannien die dortige Regelung zu den Sozialwohnungen, den Council-flats, unterschlagen.) Besonders aber in den Niederlanden werden die aktuellen Kürzungsrunden mit der Politik Deutschlands begründet. Im Frühsommer diesen Jahres erschienen sogar auf einem bundesweiten Treffen von Erwerbsloseninitiativen, also nicht bei der IG-Bau, Vertreter der niederländischen Baugewerkschaft und beschrieben, mit klar hörbarer Intention, die aktuellen Kürzungen und den direkten Zusammenhang mit der Politik in Deutschland.

      Angesichts einer kaum noch verdeckten großen Koalition gegen Erwerbslose und Gewerkschaften, man denke nur an die Pressehetze, muss noch einmal deutlich auf die Äußerungen des hessischen Ministerpräsidenten hingewiesen werden: ein Vorbild für die jetzige Politik war das amerikanische Programm Wisconsin Works. Es war der hessische Ministerpräsident, der die politische Vorlage lieferte, indem er die prinzipielle Zustimmung zu solchen Konzepten zusicherte und einforderte. Eine Art politischer Doppelpass entstand, denn danach setzte auch hier der bekannte Überbietungswettbewerb ein. Daher ist die Agenda 2010 als Basis für die hessischen Pläne, zynisch "Aktion sichere Zukunft" genannt, zu sehen - und das auch, aber nicht nur, im Sinne einer gleichgerichteten Politik. Drei Beispiele:

      Die reaktionäre Geschlechterpolitik der Bundesregierung (Modul II) ermöglicht die Abschaltung von entsprechenden Beratungs- und Hilfsangeboten in Hessen. Hier ist die Bundespolitik Folie für die Landespolitik.

      Der Zerstörung der Bildungs- und Gemeinwesenarbeit steht die Ausweitung von Zwangstrainings etc. auf Seiten der Arbeitsverwaltung gegenüber. Hier handelt es sich um einen unmittelbaren Bezug.

      Die Einführung von Studiengebühren ist nur bei faktischer Abschaffung der Sozialhilfe gegen die Bürgermeister durchsetzbar. Auch hier handelt es sich um einen unmittelbaren Bezug.

      Ziel der Agenda 2010 ist es, in Deutschland und Europa Klassenverhältnisse entsprechend denen in den USA durchzusetzen, einschließlich einer großen Gruppe von Menschen, denen nichts als die Suppenküche bleibt. Gleichzeitig gibt es Besonderheiten, die als Modernisierung zu beschreiben sind. Sollte nach den amerikanischen Vorstellungen der Lohn eines Working-poor ausreichen, um einen Mindestbedarf decken zu können, so ist mit dem Modell der ergänzenden Sozialleistung, kombiniert mit einem Arbeitsdienst, eine noch aggressivere Strategie gefunden worden.

      Neuste NachrichtenBongards.htm
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 10:54:29
      Beitrag Nr. 262 ()
      vielleicht solte man angesichts der bewussten Manipulation der oeffentlichen meinung auch auf folgendes hinweisen:

      gerne haben die Idioten an der Spitze unserer Parteien-Diktatur darauf hingewiesen, dass das daenische Modell so erfolgreich ist, welches die AL sofort wieder in den Markt drueckt.

      Zitiert wird dann aber lediglich die strengen Sanktionen, wenn eine zumutbare Arbeit abgelehnt wird.

      Abgesehen davon, dass die naive uebertragung von gut geplanten Strukturen eines winzigen Staates wie daenemark auf einen Wirtschaftsgiganten wie Deutschland incl. Folgen der Wiedervereinigung geradezu unanstaendig frech ist:

      Wer in daenemark arbeitslos wird, der bekommt 90 PROZENT ( !!! ) der letzten Nettobezuege als AL-Geld, hier gerade mal 60 Prozent.
      Mit anderen Worten:


      Wer Unterhalt DORT zahlen muss, ist nicht sofort im Bereich des Existenzminimums.
      wer eine familie hat, muss nicht um den Fortbestand bangen.

      keiner muss sofort in eine kleine Wohnung ziehen, brutal alle Kosten senken, sein Haus verkaufen, jeden Tag die Kuendigung von Kreditlinien befuerchten.

      In daenemark kann sich der arbeitslose im gegensatz zu deutschland auf das wesentliche Konzentrieren:

      Sich einfach nur eine neue Stelle suchen, ohne Existenzangst.
      dabei wird er extrem professionell betreut, kein Vergleich mit der hiesigen behandlung als Aussaetziger durch nicht alle, aber viele saturierte beamte, die sich nicht im geringsten vorstellen koenn, was fuer eine Katastrophe fuer die meisten Buerger die Arbeitslosigkeit ist.

      Es ist geradezu frech, dass die politisch Verantwortlichen ilmmer noch die Maer vom arbeitsscheuen Haengematten-AL verbreiten und nicht endlich zur Kenntnis nehmen, dass sich ein Umbruch in den Industriestaaten vollzieht, der einmalig ist.

      Aber wer wird auch anderes von Politikern erwarten, die 90 Prozent ihrer Bemuehungen darauf verwenden, mit dem geld ihrer Arbeitgeber (das sind auch die AL) an ihrer Karriere und ihrem Image zu basteln anstatt zu arbeiten.
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 11:18:28
      Beitrag Nr. 263 ()
      #261 Golddistel,

      sicher wird da ein worst-case-szenario beschrieben. Ich befürchte, sollte dieser Hartz-Käse so umgesetzt werden, daß es dann in relativ kurzer Zeit sehr viele lohnabhängige trifft und mittelständige Unternehmen in die Pleite treibt.
      Warum sollte ein Unternehmen jemanden für vielleicht 2.500 € beschäftigen wenn es Menschen gibt, die gezwungen werden diesen Job für weniger als 300 € erledigen zu müssen?
      Abgesehen davon, daß dadurch Bereiche des Mittelstands (Handwerk, Dienstleistungen, Handel) völlig zerstört werden, zeigt es das nahende Ende dieses Systems und deren Richtung. Derart ausgebeutete Menschen neigen zur Radikalisierung - und das sogar in einer verhältnismäßig kurzen Zeit - wie aus den Geschichtsbüchern zu entnehmen ist.

      Ronald
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 16:21:48
      Beitrag Nr. 264 ()
      @ gezwirbelt

      sehr richtig - mich erinnert leider zu vieles an die weimarar republik...

      Bereits seit vielen ahren haben die republikaner, die DVU, die Schillpartei gezeigt, dass der Druck im Kessel steigt und ein zunehmendes Radikalisierungspotential real existiert.

      Waeren nicht - GOTTSEIDANK ! - die "Persoenlichkeiten" an der Spitze dieser Parteien narzistische Schwachkoepfe, sondern knallharte Psychopathen wie ein gewisser Herr aus Braunau damals, dann haetten wir bereits jetzt ein echtes Problem. Die sogenannten "Konzepte" des mediengeilen Herrn Hartz fuehren Millionen direkt in die Verwahrlosung und entziehen die Existenzgrundlage auch des Mittelstandes.

      Im Prinzip und sicherlich vereinfachend dargestellt - nicht in der Ursache, aber in den Umstaenden eine 1:1 Kopie der Schwaechen der Weimarer republik ( mit dem einzigen Unterschied, dass es damals die BEWUSSTE voruebergehende Schwaechung der >Wirtschaftskraft deutschlands war, die der letzte Reichkanzler vor Hitler schuerte, um ueber die geldentwertung und Illiquiditaet die exorbitanten Reparationsleistungen endlich loszuwerden. Heutzutage ist es auch der beginn einer Weltwirtschaftskrise, aber begleitet von Idioten an der Spitze Deutschlands, die wie Bruening nicht ein patriotisches Ziel haben, sondern ausschliesslich den eigenen Vorteil suchen.

      Bruening hat damals sogar sein patriotisches Ziel erreicht: Die Reparationsleistungen wurden endgueltig erlassen - aber es war zu spaet, um Hitler zu stoppen.
      Der gesamte Mittelstand war durch die hunderttausendfachen Bankrotte ruiniert, traditionsreiche Firmen in Schutt und Asche, die einfache Bevoelkerung verelendet.

      Hier draengen sich die Parallelen geradezu auf.

      Die Diktatoren von Gnaden der Parteien ignorieren auf der Titanic das sinkende Schiff (sprich: die zunehmenden Wahlerfolge von Wirrkoepfen und die Wut in der Bevoelkerung) und unterschaetzen die potentielle Gefahr durch wohlorganisierte Extremisten, die nicht so daemlich, gleichwohl aber um ein vielfaches gefaehrlicher sind als Hr. Schill.

      Sie wollen nicht verstehen, dass die menschen nicht den Fortschritt und die reformen stoppen wollen, sondern wuetend sind, weil alle waehlbaren Parteien ganz eindeutig Lug und Betrug zum eigenen Vorteil veranstalten.

      Wer das fuer uebertrieben haelt, der sollte bspw. sebastian Haffner: "Von Bismarck zu Hitler" aufmerksam lesen. Oder auch "Anmerkungen zu Hitler"
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 18:17:28
      Beitrag Nr. 265 ()
      Deep Thought
      ...Waeren nicht - GOTTSEIDANK ! - die " Persoenlichkeiten" an der Spitze dieser Parteien narzistische Schwachkoepfe, sondern knallharte Psychopathen wie ein gewisser Herr aus Braunau damals, dann haetten wir bereits jetzt ein echtes Problem....

      Äh, wir haben ein Problem...:D
      Avatar
      schrieb am 26.02.04 12:59:07
      Beitrag Nr. 266 ()
      nicht nur eines...
      aber es koente - darauf wollte ich hinaus - bereits viel schlimmer sein.
      das ist kein Verdienst der sogenannten Spitzenpolitiker, sondern nur der stuemperhaften Vorgehensweise der Extremisten einerseits und andereseits der politisch einigermassen gebildeten Masse der Buerger zu verdanken.
      Avatar
      schrieb am 26.02.04 15:34:02
      Beitrag Nr. 267 ()
      ja, wir zehren von der demokratischen erziehung und Tradition der letzten Jahrzehnte, die uns Wohlstand und Frieden gebracht haben......aber wie lange noch :(:confused:
      Avatar
      schrieb am 26.02.04 17:15:55
      Beitrag Nr. 268 ()
      Bundesagentur stoppt Ausbau des Internetstellenmarkts
      Kosten von 165 Millionen Euro befürchtet / Aufträge an Vergabestelle vorbei erteilt?

      clb. FRANKFURT, 25. Februar. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) stoppt vorerst den Ausbau ihres Vorzeigeprojektes, des virtuellen Arbeitsmarktes. Wie die Behörde am Mittwoch in Nürnberg mitteilte, berge die Kostenentwicklung zu hohe Risiken, zudem gebe es technische Mängel. Neue Berechnungen hätten ergeben, daß die Kosten für die Internetstellenbörse bis 2008 auf insgesamt 165 Millionen Euro steigen könnten. Dies wären 100 Millionen Euro mehr als ursprünglich veranschlagt wurden. Gleichzeitig gibt es offenbar Hinweise, daß Aufträge in Zusammenhang mit dem Projekt an der dafür zuständigen Vergabestelle vorbei vergeben worden seien. Dies werde derzeit von der Innenrevision überprüft, hieß es. Der Projektleiter Koch wurde vom zuständigen BA-Vorstand Alt mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden.

      Den Angaben nach führten die jetzt geplanten und zusätzlich notwendigen Aufträge zu Kosten in Höhe von 125 Millionen Euro. Hinzu kämen externe Kosten von rund 40 Millionen Euro, da wegen des höheren Datenaufkommens das interne Netz der BA erweitert werden müsse.

      Noch vor zwei Wochen hatte Alt dementiert, daß es eine "Kostenexplosion" beim virtuellen Arbeitsmarkt gebe. Damals hatte er ein Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro genannt. Der ursprünglich mit dem Beratungsunternehmen Accenture geschlossene Vertrag für den Aufbau des virtuellen Arbeitsmarktes belief sich auf ein Volumen von 65 Millionen Euro.

      Der virtuelle Arbeitsmarkt besteht aus der Internet-Stellenbörse www.arbeitsagentur.de und den internen Vermittlungs- und Beratungssystemen der BA. Die Internet-Stellenbörse wurde zu Beginn dieses Jahres eingerichtet. In einer zweiten Stufe sollten die internen Systeme mit der Stellenbörse verknüpft werden. Diese Stufe werde jetzt verschoben, sagte eine BA-Sprecherin. Ein Zeitplan wie auch ein Nachfolger für den entlassenen Projektleiter stünden noch nicht fest. Vorrang habe jetzt die Nachbesserung der Online-Stellenbörse selbst. So habe das System nicht immer die passenden Stellen- oder Bewerber-Angebote geliefert. Auch sei es zu langsam gewesen und immer wieder abgestürzt. Fachleute hatten den Online-Stellenmarkt schon seit längerem als unausgereift und mangelhaft kritisiert.

      Der Vorstand der BA informierte das Präsidium des Verwaltungsrats, dem der Arbeitgebervertreter Peter Clever und die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer angehören, am Mittwoch über die Entscheidungen. In der kommenden Woche werde dem Gremium ein detaillierter Bericht vorgelegt, sagte die Sprecherin. Der neue Vorstandschef der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, hatte zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, sämtliche Aufgabenbereiche der BA "schonungslos" zu überprüfen. Dies sei ein Ergebnis dieser Bestandsaufnahme.
      Avatar
      schrieb am 26.02.04 18:14:47
      Beitrag Nr. 269 ()
      Das Thema Internetstellenbörse der BA wird nun ein Thema der Staatsanwaltschaft:

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/433/27406/
      Avatar
      schrieb am 26.02.04 19:22:03
      Beitrag Nr. 270 ()
      Muss mich auch mal wieder zu Wort melden, wenn es hier um dieses Super-Hartz-Papier geht, das angeblich alle Probleme löst.

      Ich bin jetzt seit Juli 2003 arbeitslos, habe mittlerweile 70 Bewerbungen auf konkrete Stellenangebote geschrieben und ungefähr 50 Initiativbewerbungen. Die vielen Online-Bewerbungsformulare auf diversen Firmen-Websites gar nicht mitgezählt. 2 Vorstellungsgespräche sind bisher dabei herausgekommen, eines ist noch offen.

      Ich bewerbe mich auf ALLES, was ich in etwa machen könnte. Das Arbeitsamt macht GAR NIX außer ungeprüfte Stellenangebote von Strukturvertrieben AUS VERSEHEN weiterzuleiten.
      Na ja, vielleicht sollte ich darüber froh sein, dass die mich ansonsten in Ruhe lassen......

      Und Ende des Jahres lauert schon ALG II, Prost Mahlzeit....

      Gruß
      twq
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 19:59:17
      Beitrag Nr. 271 ()
      Das ist so schön, wie das alles läuft. Interessant, wer da wieder beteiligt ist: Berger und Telekom, die Hoflieferanten bei Staatsaufträgen.



      PLANUNGSPANNEN

      Arbeitslosengeld II könnte Maut II werden

      Das im Rahmen der Hartz-Reformen geplante Arbeitslosengeld II droht zu einem weiteren Flop à la Maut zu werden. Nach Angaben der Kommunen hat sich die Regierung um fünf Milliarden Euro verschätzt, auch das für die Reform notwendige EDV-System macht Probleme.


      Berlin - Der Start des so genannten Arbeitslosengelds II im Jahr 2005 stehe "auf Messers Schneide", sagte das Präsidiumsmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, am Mittwoch in Berlin. Die Berechnungen von Bund und Kommunen für die Betreuung aller Langzeitarbeitslosen in einer Hand lägen um knapp fünf Milliarden Euro auseinander.

      Im Rahmen des so genannten Hartz-IV-Gesetzes war beschlossen worden, die Sozialhilfe sowie die Arbeitslosenhilfe zu einer Sozialeistung zusammenzufassen. Ursprünglich war die Regierung davon ausgegangen, dass die Sozialreform bei den Städten und Gemeinden zu Einsparungen in Höhe von etwa zweieinhalb Milliarden Euro führt. Landsberg prognostiziert hingegen Mehrkosten in derselben Höhe. An diesem Donnerstag steht das Thema bei einem Treffen auf Expertenebene im Bundeswirtschaftsministerium erneut auf der Tagesordnung.

      Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) hat den Kommunen zugesichert, die Kosten für Städte und Gemeinden noch einmal durchzurechnen. Landsberg zeigte sich überzeugt, dass sich das Finanztableau der Kommunen bestätigen werde. Dann müsse sofort nachgebessert werden, und zwar dauerhaft. Möglichkeiten dazu habe der Bund.

      Landsberg kritisierte außerdem die mit der Reform verbundenen EDV-Projekte. Es müssten schnell die Rechtsgrundlagen für die Umstellung der Computer-Systeme geschaffen werden, wenn eine Situation wie bei der Lkw-Maut vermieden werden soll. Das Software-Projekt für das Arbeitslosengeld II wird von T-Systems und der Unternehmensberatung Roland Berger verantwortet.
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 23:01:12
      Beitrag Nr. 272 ()
      @twq

      deine traurigen Mitteilungen decken sich mit einzelnen Berichten von AL, die in meiner weiteren Umgebung um ihre Existenz kaempfen.


      Deswegen ist ja so ein Thraed auch so wichtig, weil die meisten, die eine Arbeit haben, sich in falscher sozialer Sicherheit wiegen.
      Ich wuensche Dir trotz allem versagen der Politik und der Erpressung der meisten AL durch viele Unternehmen alles Gute.

      Gruss
      D.T.
      Avatar
      schrieb am 11.03.04 10:20:12
      Beitrag Nr. 273 ()
      @Deep Thought

      Danke :)

      So ist´s halt oft: Wer nicht selbst betroffen ist, kann das gar nicht nachvollziehen und hat vorschnelle Urteile zur Hand.

      Ich kenne einige, die als (Noch-)Arbeitnehmer immer die schönen Sprüche drauf hatten von wegen "Wer wirklich arbeiten will, findet auch Arbeit" und jetzt suchen sie seit 8 Monaten und nix ist....

      Aber völlig realitätsfern wie ich nun mal bin, gebe ich die Hoffnung nicht auf. ;)

      Gruß
      twq
      Avatar
      schrieb am 27.03.04 21:26:07
      Beitrag Nr. 274 ()
      Die Gewerkschaftsbetriebe haben ja keinen Betriebsrat, das ist bereits eine ziemlich absurde Situation - aber DAS hier schlägt dem Fass den Boden aus:

      :mad:

      SPIEGEL ONLINE - 27. März 2004, 12:38
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,292803,00.html


      Ausbildungsplatzabgabe

      Ver.di müsste 635.000 Euro zahlen

      Wenn es um die eigenen Interessen als Arbeitgeber geht, verhalten sich die Manager der großen Gewerkschaften nicht anders als die Betriebe, die sie kritisieren. Ver.di und IG Metall sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund bezahlen lieber die Ausbildungsplatzabgabe, als jungen Menschen die Chance auf einen Ausbildungsplatz zu bieten.


      Stuttgart - Nach Informationen der "Stuttgarter Nachrichten" müsste allein die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di bundesweit 16 Mal mehr Auszubildende beschäftigen als derzeit, um die Mindestquote bei der von ihr unterstützten Abgabe zu erfüllen. Sie müsste nach den gegenwärtigen Plänen für dieses Jahr rund 635.000 Euro an Ausbildungsabgabe bezahlen.

      Dem Gesetz zufolge müssen Betriebe, die mehr als zehn Mitarbeiter haben und die weniger als sieben Prozent ihrer Stellen als Ausbildungsplätze anbieten, für jede fehlende Lehrstelle eine Abgabe bezahlen. Deren Höhe richtet sich nach der Zahl der Mitarbeiter, den Ausbildungskosten und dem Lohnniveau im jeweiligen Betrieb.

      Bundesweit erfüllt die IG Metall die Vorgabe nur zu rund 30 Prozent. Nach der geplanten Formel der Regierung wären dafür 312.000 Euro fällig. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) liegt der Anteil der Azubis bei etwas mehr als einem Drittel des vorgegebenen Quorums (rund 2,4 Prozent).


      Eine Ver.di-Sprecherin kündigte an, die Gewerkschaft werde Möglichkeiten prüfen, ob zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen seien. Gleichwohl stehe die Gewerkschaft voll hinter dem politischen Ziel der Abgabe :laugh:

      "Wir nehmen gern in Kauf, diese Abgabe zu zahlen." Auch der DGB erklärte, er stehe ungeachtet der Unterschreitung zur Abgabe. "Wir unterstützen die Pläne im vollen Wissen, dass auch wir betroffen sein werden. Das hat uns in keiner Weise abgeschreckt."

      Die Abgabe ist das Vorzeigeprojekt der Linken in SPD und Grünen, wird aber von Wirtschaftspolitikern in den eigenen Reihen, den meisten Landesregierungen und der Union abgelehnt.

      -------------------------------------------------------


      "Wir nehmen gern in Kauf, diese Abgabe zu zahlen."

      Als wenn es um Zahlung einer Abgabe und nicht um Ausbildungsplätze ginge... :mad:

      Dieser Kommentar des Gewerkschafters ist derart geschmacklos, dass mir nix mehr einfällt.

      Das hätte von einem kaltrechnenden Unternehmensführer nicht arroganter kommen können.
      Avatar
      schrieb am 06.04.04 21:50:26
      Beitrag Nr. 275 ()
      Es sind die ersten "Erfolge" der abgebauten Sozialsysteme zu spueren:


      POLIZEIGEWERKSCHAFT
      Straftaten nehmen zu
      Die Zahl der Straftaten ist nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) 2003 bundesweit um rund 1,4 Prozent auf 6,6 Millionen gestiegen. Die Dunkelziffern lägen vermutlich noch höher. GdP-Chef Konrad Freiberg warnte "angesichts dieser bedrückenden Entwicklung" vor weiterem Personalabbau bei der Polizei. (ap)
      Avatar
      schrieb am 07.04.04 08:58:31
      Beitrag Nr. 276 ()
      SPIEGEL ONLINE - 07. April 2004, 7:37
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,294367,00.html
      Arbeitsamt-Affären

      BA-Chef Weise soll Schwarzarbeit zugelassen haben

      Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, sieht sich pikanten Vorwürfen ausgesetzt: In seiner Zeit als Neuer-Markt-Manager soll er Schwarzarbeiter eingesetzt haben, um Kosten zu sparen.



      BA-Lenker Weise: Der neue Chef muss seine zweite Affäre
      bewältigen. Schon beim Skandal wegen überhöhter Kosten des Virtuellen Arbeitsmarktes geriet er unter Druck


      Berlin - Kaum im Amt, sieht sich auch Weise mit schweren Anschuldigungen konfrontiert. Damit setzt sich eine Serie von Vorwürfen vor, die schon Weises Vorgänger Florian Gerster das Amt gekostet hatten und die das Image der Bundesagentur (BA) reichlich ramponierten.

      Der aktuelle Fall bezieht sich auf die Zeit, in der Weise Finanzchef des Logistikunternehmens Microlog war, das am Neuen Markt notiert war. Anfang 2002 seien bei Microlog etwa 20 Lagerarbeiter schwarz bezahlt worden, berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf mehrere frühere Angestellte des Unternehmens. Die Mitarbeiter seien eingesetzt worden, um an einem Wochenende eine Lager-Inventur zu wiederholen, die beim ersten Anlauf schief gelaufen war.

      Weise weist Vorwürfe zurück

      Grund für den Schwarz-Einsatz sei der Wunsch gewesen, Kosten zu sparen. "Wir haben besprochen, wie wir die Kosten für einen größeren Wochenendeinsatz gering halten könnten", zitierte die Zeitung einen der Beteiligten. "Weise war damit einverstanden, dass die Mitarbeiter unter der Hand bezahlt werden", so das Blatt weiter.
      Die Microlog AG hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mit Problemen zu kämpfen. Inzwischen ist sie nicht mehr selbständig, sondern gehört zur Delton AG der Quandt-Gruppe.

      Der BA-Chef wies gegenüber der Zeitung die Vorwürfe zurück. "Als Vorstand der Microlog ist mir der Einsatz von Schwarzarbeitern nie bekannt geworden. Die Gesellschaftspolitik war eindeutig und hätte dies nicht erlaubt", sagte Weise. :laugh:

      Weise hatte im Februar den Chef-Posten bei der BA übernommen, nachdem ihn sein Bundeswehr-Kamerad Florian Gerster schon vorher in den Vorstand berufen hatte. Weises Erfahrung als Manager galt bisher stets als großer Vorteil für ihn.
      Avatar
      schrieb am 10.04.04 21:37:04
      Beitrag Nr. 277 ()
      SPIEGEL ONLINE - 10. April 2004, 15:29
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,294911,00.html
      Medienbericht

      500.000 Arbeitslose verlieren 2005 Unterstützung

      Von den knapp 2,2 Millionen Beziehern von Arbeitslosenhilfe werden im kommenden Jahr rund eine halbe Million Menschen jegliche Arbeitslosenunterstützung verlieren. Das meldet die "Hannoversche Allgemeine Zeitung".



      DDP
      Jobsuche per Internet: 2005 werden Hundertausende Arbeitslose leer ausgehen
      Im kommenden Jahr sollen >Hannover - Das Blatt berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, dass die Arbeitslose dann von der Streichung betroffen sind, wenn wegen des Einkommens weiterer Angehöriger das Haushaltseinkommen über der Sozialhilfegrenze liegt.

      Die Zahlen beruhen dem Bericht zufolge auf Schätzungen der Arbeitsgruppe "Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe" der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen. In Ostdeutschland entfällt für 31 Prozent der Langzeitarbeitslosen der Anspruch auf das Arbeitslosengeld II, berichtete die hannoversche Zeitung weiter.

      Das so genannte Arbeitslosengeld II entsteht aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und liegt auf Höhe der Sozialhilfe.
      Avatar
      schrieb am 10.04.04 21:41:38
      Beitrag Nr. 278 ()
      Bush war offenkundig gewarnt


      | 10.04.04 | focus.de

      Die US-Regierung soll fünf Wochen vor den WTC-Anschlägen Hinweise auf Flugzeug-Entführungspläne von El Kaida gehabt haben.

      Entsprechende Warnungen seien in einem Memorandum enthalten gewesen, das Präsident George W. Bush am 6. August 2001 vorgelegt wurde, berichteten US-Medien am Samstag unter Berufung auf Regierungsbeamte.

      Danach enthielt das Informationspapier auch Hinweise, denen zufolge Terroristen Flugzeuge zur Freipressung Ende der 90er-Jahre gefangen genommener El-Kaida-Mitglieder entführen wollten. Den Medienberichten zufolge enthält das Papier mit dem Titel „Bin Laden zu Anschlägen innerhalb der USA entschlossen“ unter anderem folgende Punkte:

      – Im Mai 2001 erhielt ein US-Geheimdienst Informationen, „die auf Versuche Bin Ladens hindeuteten, Terroristen zwecks Sprengstoffanschlägen über Kanada in die USA zu schicken“. Diese Informationen seien an Geheimdienste und Bundespolizei weitergegeben worden.

      – El Kaida suchte nach Wegen, um amerikanische Flugzeuge zu entführen. Ziel sei die Freipressung von Terroristen gewesen, die 1998 und 1999 festgenommen worden seien.


      – Bin Laden wollte schon in den Jahren 1997 bis 2001 Anschläge in den USA ausführen.

      – Einige Geheimdienstinformationen deuteten darauf hin, dass mutmaßliche El-Kaida-Mitglieder in die und aus den USA gereist seien und möglicherweise auf amerikanischem Boden ein Netzwerk zur Unterstützung gehabt hätten.

      – Im Jahr 2001 liefen mindestens 70 Ermittlungen des Bundeskriminalamts FBI mit Blick auf mögliche Operationen von El-Kaida-Zellen in den USA.
      Avatar
      schrieb am 10.04.04 23:44:11
      Beitrag Nr. 279 ()
      sorry, das vorhergehende posting gehörte natürlich in einen anderen Thread...

      Aber das gehört hierhin:

      Droht Deutschen Massenverarmung?


      | 10.04.04 | focus.de

      Die deutschen Verbraucherzentralen befürchten wegen der Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung eine Massenverarmung.
      Aus der täglichen Beratungspraxis gebe es bereits eindeutige Anzeichen dafür, dass es breiten Bevölkerungsschichten durch die Reformen schlechter gehe, sagte die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Edda Müller, der „Berliner Zeitung“ vom Samstag.

      „Man kann von Menschen in Pflegeheimen, die nur ein kleines Taschengeld bekommen, nicht erwarten, dass sie auf Anhieb fast ihr ganzes Geld für Arzneimittelzuzahlungen und Praxisgebühren ausgeben", sagte Müller. Hunderttausende Langzeitarbeitslose würden durch das neue Arbeitslosengeld II verarmen, das sich nur noch auf dem Niveau der bisherigen Sozialhilfe bewegen wird.

      Die Folge wird sein, dass sich noch mehr Haushalte überschulden.“ 1988 gab es in Deutschland nach diesen Angaben noch zwei Millionen überschuldeter Haushalte, momentan sind es bereits rund drei Millionen. „Mit weiter steigender Tendenz", warnte Müller.
      Avatar
      schrieb am 11.04.04 13:00:30
      Beitrag Nr. 280 ()
      DeepThought
      dann müssen diese Menschen eben Arbeit annehmen die schlechter bezahlt ist als ihre bisherige. Hartz II sieht in diesem Fall Zuschüsse vor, um den Lohnverlust in etwa auszugleichen.

      Anders sieht es natürlich für die Menschen in Pflegeheimen aus.
      Avatar
      schrieb am 11.04.04 13:34:37
      Beitrag Nr. 281 ()
      stella

      Du hast da eine winzige Kleinigkeit vergessen:

      WELCHE ARBEIT ???

      Wer so schreibt, der kennt keinen AL in seinem Bekanntenkreis....
      Avatar
      schrieb am 11.04.04 16:24:48
      Beitrag Nr. 282 ()
      DeepThought
      Es gibt Arbeit, nur ist die (noch) zu teuer! Und für diese Billiglohn-Arbeit sollen zukünftig die AL/Sozialhilfe-Empfänger "rekrutiert" werden. Wenn diese Menschen etwas mehr haben wollen als das Existenzminimum, dann müssen sie irgendwas arbeiten, und zwar unabhängig von ihrem Beruf und ihrer Ausbildung. Dies wird auch als Eingliederung ins Arbeitsleben "verkauft".
      Avatar
      schrieb am 13.04.04 19:31:29
      Beitrag Nr. 283 ()
      Alle Parteien wollten es !!!!

      Wirtschaftsweiser hält Minijobs für Jobkiller

      07. Apr 15:58

      Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger macht die eingeführten Minijobs für den Abbau von Vollzeit-Arbeitsplätzen verantwortlich. Er fordert eine Überprüfung der geringfügigen Beschäftigungs-Verhältnisse.

      Ein Jahr nach der Neuregelung der geringfügigen Arbeitsverhältnisse im Rahmen des Hartz-Konzeptes hat der Wirtschaftsweise Peter Bofinger von der Universität Würzburg eine ernüchternde Bilanz gezogen. Die staatlich geförderten Minijobs – Arbeitsverhältnisse mit einem Verdienst bis zu 400 Euro – hätten sich als «Jobkiller» erwiesen, sagte der Professor für Volkswirtschaftslehre in einem vorab veröffentlichten Interview mit «Einblick», dem Infodienst des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

      Eine halbe Million Vollzeitstellen abgebaut

      Ein Jahr nach der Neuregelung der geringfügigen Arbeitsverhältnisse im Rahmen des Hartz-Konzeptes hat der Wirtschaftsweise Peter Bofinger von der Universität Würzburg eine ernüchternde Bilanz gezogen. Die staatlich geförderten Minijobs – Arbeitsverhältnisse mit einem Verdienst bis zu 400 Euro – hätten sich als «Jobkiller» erwiesen, sagte der Professor für Volkswirtschaftslehre in einem vorab veröffentlichten Interview mit «Einblick», dem Infodienst des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

      Bofinger sieht sich in seinen Befürchtungen bestätigt, wonach Vollzeit-Arbeitsplätze in hohem Maße zu Gunsten geringfügiger Beschäftigungs-Verhältnisse abgebaut würden. Zwar vermelde die Minijob-Zentrale Erfolge. Allerdings sei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-Verhältnisse im vergangenen Jahr um eine halbe Million gesunken. Bofinger riet der Bundesregierung deshalb, «die Minijobs in ihrer jetzigen Form auf den Prüfstand zu stellen».

      Im Interview bekräftigte Bofinger, der dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört, seinen Vorschlag hinsichtlich einer Reformpause. Nach vier Jahren intensiver Reformfähigkeit, insbesondere in den Bereichen Arbeit, Renten, Gesundheit und Steuern, müsse überprüft werden, «ob alle Reformen tatsächlich die erhoffte Wirkung erzielt haben», oder ob nachjustiert werden müsse. Das Falscheste, was man jetzt machen könne, sei «Reformaktionismus», sagte er weiter. (nz)
      Neuste NachrichtenNETZEITUNG DER NEUE ARBEITSMARKT Wirtschaftsweiser hält Minijobs für Jobkiller.htm
      Avatar
      schrieb am 14.04.04 08:53:36
      Beitrag Nr. 284 ()
      SOZIALSYSTEME

      Seehofer hält Reformpläne der CDU für überteuert

      Horst Seehofer legt sich mal wieder quer. Der CSU-Sozialexperte bezweifelt, dass die Reformpläne der CDU finanzierbar sind. Die Umsetzung würde 100 Milliarden Euro kosten.



      Seehofer: "Merkwürdiger Vorgang"

      Berlin - "Es reicht ja nicht, wenn man neu denkt, sondern man muss auch sehen, ob das Neue finanzierbar ist", sagte Seehofer der "Welt". Das gesamte Reformpaket der CDU würden nach Angaben des Sozialpolitikers Kosten in Höhe von 100 Milliarden Euro verursachen.

      Seehofer rechnete die Einzelposten vor: Zu den rund zehn Milliarden Euro für die von den Präsidien beider Parteien beschlossenen Steuerreform kämen 40 Milliarden für die von der CDU geplante Gesundheitsprämie dazu. Die weiteren Positionen belaufen sich laut Seehofer auf 18,6 Milliarden für die geforderte Kindergelderhöhung, 22 Milliarden für veränderte Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung und zwölf Milliarden für eine Mindestrente.

      Seehofer wies Vorwürfe des CDU-Politikers Friedrich Merz zurück. Dieser hatte im SPIEGEL der CSU vorgeworfen, sie sei bei den Reformen zu zögerlich. Seehofer nannte die Kritik von Merz einen "merkwürdigen Vorgang".
      Avatar
      schrieb am 02.05.04 23:37:57
      Beitrag Nr. 285 ()
      DER SPIEGEL 19/2004 - 01. Mai 2004
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,297991,00.html
      Unternehmen

      VW will Arbeitskosten um 30 Prozent reduzieren

      VW-Personalvorstand Peter Hartz geht mit einem umfangreichen Forderungspaket in die am 10. Mai startenden Verhandlungen zum neuen VW-Haustarif: "Die Arbeitskosten müssen bis zum Jahr 2011 um rund 30 Prozent runter", fordert er.



      Hamburg - "Um als Hochlohnland konkurrenzfähig zu bleiben", brauche man in der Bundesrepublik "die flexibelsten Systeme der Welt", sagte Hartz in einem SPIEGEL-Interview. Die Brutto-Löhne sollen zwar "auf dem heutigen Niveau bleiben". Doch der Hartz-Plan sieht die Einführung einer "demografischen Arbeitszeit" vor, die es Jüngeren erlauben würde, künftig deutlich mehr als die bisher bei VW üblichen rund 30 Stunden pro Woche zu arbeiten. Überstunden sollen, so Hartz zum SPIEGEL, erst ab der 40. Stunde bezahlt werden.

      Rund 30 Prozent des Lohns will er künftig für einen Großteil der VW-Arbeitnehmer an das Betriebsergebnis koppeln. Zudem möchte er die "Wert schöpfende Arbeitszeit" neu definieren und die Kosten für Qualifizierung und Weiterbildung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern teilen. "Das wäre nur fair", sagte Hartz, der "nicht gleich die große Keule der Abwanderungsdrohung" rausholen möchte.

      Zwar ahnt der VW-Vorstand, dass sein Konzept "für einige Gewerkschafter starker Tobak" sein dürfte, aber ein deutscher Abschluss könne auch "Pilotcharakter" für einen europäischen Tarifvertrag haben. Und nur so seien die 176 544 deutschen Arbeitsplätze des Konzerns zu halten.
      Avatar
      schrieb am 03.05.04 00:12:05
      Beitrag Nr. 286 ()
      Hat es eigentlich schon mal Attentatsversuche auf deutsche
      Personalchefs gegeben?
      Avatar
      schrieb am 18.05.04 23:45:40
      Beitrag Nr. 287 ()
      Mann im Anzug ohrfeigt den Kanzler

      Gernhard Schröder muss in diesen Wochen viel einstecken: Die Partei rebelliert, die Umfragen sind mies und nun trifft ihn auch noch eine körperliche Attacke. Ein 52-jähriger Arbeitsloser hat ihm auf einer SPD-Veranstaltung in Mannheim, wie ein Zeuge berichtet, "volle Kanne eine gescheuert".


      Vermutlich ein Anwärter auf Arbeitslosengeld II, sprich voller Sozialer Abstieg.
      Wollte eben noch einmal was sinnvolles machen... :D
      Avatar
      schrieb am 20.05.04 12:01:15
      Beitrag Nr. 288 ()
      Plastische Schilderung über das, was scheinbar harmlos "Agenda 2010" genannt wird:

      sozialer Absturz in Lichtgeschwindigkeit.
      Verrechnung sämtlicher Ersparnisse und Altersversorung mit dem Arbeitslosengeld II, KEINE sorgfältige Suche nach einem angemessenen Job mehr möglich.



      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,druck-300143,00.html
      Avatar
      schrieb am 20.05.04 12:25:51
      Beitrag Nr. 289 ()
      #288 von Deep Thought

      Ist schon etwas beklemmend, was da abgeht. Vor allem bin ich skeptisch, wenn da die Privatvermögen so herbei gezogen werden, schließlich sollen wir ja alle auch privat vorsorgen. Wie soll das dann gehen, nur weil man für ne vorübergehende Zeit nicht erwerbstätig war?
      Finde, da gehört mindestens eine Zeitkonstante rein. Wir wissen, dass das bisherige System ein Auslaufmodell ist, nicht mehr finanzierbar. Als Arbeitsloser muß mir ebenfalls klar sein, dass ich, von der Allgemeinheit lebend, meine Ansprüche drastisch reduzieren muß. Muß denn dann sofort das fürs Alter angesparte bei drauf gehen? Da hab ich aber erhebliche Bedenken. Was sind schon 8000 Euro?
      Avatar
      schrieb am 20.05.04 12:38:14
      Beitrag Nr. 290 ()
      Das ist extrem beklemmend.

      Das sind im Grunde fast US-amerikanische Verhältnisse.

      Natürlich muss das System auf eine neue Basis gestellt werden.
      Jedoch ist es schrecklich, welche Gewichtung da vonstattengeht. Unser Staat hat derzeit Ausverkauf.

      Den Bürgern wird auf persönlicher Ebene alles geraubt, grossen Konzernen alles in den Hintern gesteckt, Gewinnverschiebungen ins Ausland fast noch von der Regierung empfohlen, wie "stark" Schröder unseren Industriestandort verteidigt, zeigt sich an Aventis/Sanofi und Siemens/Alstholm - der ist wie ein Trinker in der Kneipe um die Ecke, der sich mit dem Ersparten seiner kinder mit einer Lokalrunde kurzzeitig den Rausch der "Zuneigung" der Gäste verschafft, ohne Ahnung, was das bedeutet.
      Avatar
      schrieb am 20.05.04 12:51:02
      Beitrag Nr. 291 ()
      Das mit den Konzernen geht die Politik eigentlich nix an.
      Ob es Sinn macht, bezweifel ich allerdings auch.
      Die Fusionitis hat nur ganz selten Synergien gefördert.

      Das der kleine Bürger ausgeraubt wird, ist auch meine Meinung. Allein schon für die arbeitenden die perversen Lohnabzüge.
      2000 Brutto St.Kl1 = 1290 Auszahlung und lediglich 725 für den Konsum real, während der Monatslohn aus betrieblicher Sicht 2600 Euro kostet und nach der Mwst erst ausgezahlt wird, wodurch die noch obendrauf erwirtschaftet werden muß, womit wir bei 3016 währen. Da Urlaubs- Weihnachts- und Krankheitsfortzahlung üblicherweise mit 14 Gehälter : 12 gerechnet werden müssen, währen wir damit bei.

      3518 EURO,

      damit real für 725 Euro konsumiert werden kann!

      Da gibts nur das Wort Abartig für
      Avatar
      schrieb am 22.05.04 16:44:57
      Beitrag Nr. 292 ()
      In diesem System geht es doch gar nicht mehr darum, jeden ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Hier geht es nur um Maximalprofit der Multis. Und dazu ist jedes Mittel recht.
      Daß dabei gezielt einzelne Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden, scheinen User wie @StellaLuna immer noch nicht begriffen zu haben. Da wird etwas von Billiglohn gefaselt, von Lohnzuschüssen usw. usf. und übersehen dabei offenbar, daß genau sie die nächsten sind (wie das mit den Lohnzuschüssen funktioniert und das dadurch nur mittelständige Firmen in den Ruin getrieben werden, kann man in [1] nachlesen). Der Link in posting #288 von DT zeigt das.
      Auch kann man dabei der Regierung selbst nur zum Teil einen Vorwurf machen; sie wird von den Großkonzernen zunehmend erpreßt. Was vor 10 Jahren noch hinter verschlossenen Türen debattiert wurde, macht man heute ganz öffentlich (siehe Siemens).

      »Wir brachen Fachkräfte« – das wird regelmäßig von Hundt & Co. verkündet – alles Lüge, wie folgender Artikel der Sendung REPORT zeigt:

      Arbeitslose Fachkräfte - Verschärft das Zuwanderungsgesetz die Misere?

      Moderation Fritz Frey:
      Manchmal ist die Arbeit eines Journalisten ganz einfach. Mit Interesse verfolgt er die politische Debatte, und wenn sich die Kontrahenten die Argumente um die Ohren hauen, dann sagt er: Halt! Stimmt das wirklich, was da behauptet wird?
      Ein Beispiel: In Deutschland fehlen hochqualifizierte Fachkräfte, soweit die Behauptung. Seit Jahren schon beschwert sich die Wirtschaft und setzt die Politik wegen eines Zuwanderungsgesetzes unter Druck. Aber fehlen in Deutschland wirklich hochqualifizierte Fachkräfte? Daniel Hechler hat sich umgesehen.

      Bericht:
      Bewerbung
      Harald Mehlem hat alles versucht. Knapp 100 Bewerbungen und nur Absagen. Seit zwei Jahren ist der 35-jährige Software-Programmierer aus Frankfurt arbeitslos. Zehn Jahre Berufserfahrung, davon vier in den USA, beste Referenzen von Top-Unternehmen. Doch das ist nicht genug.

      O-Ton, Harald Mehlem, arbeitsloser Programmierer:
      Harald Mehlem, arbeitsloser Programmierer
      "Das geht mir schon recht nah. Und ich muss dazu sagen, hätte ich nicht irgendwelche Leute, die mich ab und zu mal auffangen würden, ich wüsste nicht, was ich machen würde. Weil ich sehe im Moment keine Perspektiven für mich."

      Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft dagegen beklagen seit Jahren Fachkräftemangel in Deutschland. Sie üben massiven Druck auf die Politik aus, endlich die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften zu ermöglichen.

      O-Ton, Dieter Hundt, Präsident BDA:
      Dieter Hundt, Präsident BDA
      "Wir haben heute schon die groteske Situation, dass trotz über 4,5 Millionen Arbeitslosen wir viele Arbeitsplätze, angebotene Arbeitsplätze, nicht besetzen können."

      O-Ton, Ludwig Georg Braun, Präsident DIHK:
      Ludwig Georg Braun, Präsident DIHK
      "Da muss ich Unternehmen die Perspektive ermöglichen, dass sie einfach die besten in der Welt finden können."

      O-Ton, Bernhard Rohleder, Vorsitzender der Geschäftsführung BITKOM:
      Bernhard Rohleder, Vorsitzender der Geschäftsführung BITKOM
      "Das geht nur mit einem vernünftig gemachten, an dem Bedarf der Wirtschaft ausgerichteten Zuwanderungsgesetz."

      Wir bitten die Wirtschaftsverbände um konkrete Beispiele für Fachkräftemangel in Deutschland. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag muss passen. Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände verweist auf den Bundesverband der Deutschen Industrie.

      Der BDI wiederum nennt die Firmen FAG Kugelfischer und SKF. Doch auf unsere Anfrage erklären beide Unternehmen, sie hätten derzeit keine Probleme mit Fachkräftemangel.

      Schließlich führen uns unsere Recherchen zu Precitec, einem florierenden Hightech-Unternehmen aus Rodgau bei Offenbach. Facharbeiter montieren hier Lasertechnikkomponenten. Inhaber Benno Wersborg behauptet, er würde jeder Zeit gute Fachleute einstellen, wenn er welche finden würde.

      O-Ton, Benno Wersborg, Gesellschafter Precitec:

      Benno Wersborg, Gesellschafter Precitec
      "Für uns ist es ein sehr großes Problem. Wir suchen dringend Elektriker, Mechaniker, Schlosser insbesondere, oder Programmierer."

      Frage: Und Sie haben keine Chance?

      O-Ton, Benno Wersborg, Gesellschafter Precitec:
      "Wir haben keine Chance, die hier so zu finden."
      Nachfrage beim zuständigen Arbeitsamt Offenbach: Gibt es diese Fachkräfte tatsächlich nicht? Berater Jan Wölfl wirft einen Blick in die aktuelle Arbeitslosendatenbank der Region. Er versteht das Problem nicht.

      O-Ton, Jan Wölfl, Arbeitsamt Offenbach:
      Jan Wölfl, Arbeitsamt Offenbach
      "Allein hier in Offenbach sind ca. 200 Elektriker gemeldet, ca. 200 Schlosser und über 400 EDV-Experten."

      Frage: Darunter auch Programmierer?

      O-Ton, Jan Wölfl, Arbeitsamt Offenbach:
      "Darunter auch eine ganze Menge Programmierer mit unterschiedlichsten Qualifikationen und auch aus allen Altersgruppen."

      Was also steckt in Wahrheit hinter der Klage über Fachkräftemangel. Nachfrage bei Unternehmer Wersborg. Er räumt ein, arbeitslose deutsche Fachkräfte mag es zwar geben, die aber seien oft zu alt oder wollten zu viel Lohn. Osteuropäer dagegen seien meist viel arbeitshungriger und bescheidener.

      O-Ton, Benno Wersborg, Gesellschafter Precitec:
      "Ich brauche junge, produktive Kräfte, die längere Zeit wirklich einen Beitrag bringen können."

      Frage: Auch wenn es auf Kosten...

      O-Ton, Benno Wersborg, Gesellschafter Precitec:
      "Auch wenn es auf Kosten von Älteren geht. Weil die haben häufig gar nicht mehr die Möglichkeit diesen Beitrag zu bringen, selbst beim besten Wollen, was im Regelfall nicht mehr gegeben ist."

      Frage: Und dafür ist Zuwanderung ein Muss?

      O-Ton, Benno Wersborg, Gesellschafter Precitec:
      "Dafür ist definitiv Zuwanderung ein Muss."


      Darum also geht es. Arbeitsamtsberater Jan Wölfl jedenfalls vermutet hinter der Forderung nach Zuwanderung von Fachkräften eine klare Strategie.

      O-Ton, Jan Wölfl, Arbeitsamt Offenbach:
      "Scheinbar scheint`s auch darum zu gehen, dass man versucht, das Lohnniveau zu senken oder Druck auf Bewerber auszuüben, dass die bereit sind, für niedrigere Gehälter auf dem Markt sich zu engagieren. Es ist tatsächlich auch zur Zeit so, dass die Einstiegsgehälter hier in der Rhein-Main-Region zurückgegangen sind."

      Gibt es dann aber überhaupt einen Fachkräftemangel in Deutschland, solange die Arbeitslosenzahlen so hoch sind? Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup hält die ständigen Klagen der Wirtschaftsverbände für völlig überzogen.

      O-Ton, Prof. Bert Rürup, Wirtschaftswissenschaftler TU Darmstadt:
      Prof. Bert Rürup, Wirtschaftswissenschaftler TU Darmstadt
      "Ja, ich beobachte seit über 35 Jahren den Arbeitsmarkt und Klagen über Facharbeitermangel hat es in diesen Jahren immer wieder gegeben. Und amtliche Zahlen gibt es darüber nicht. Was es gibt, sind Befragungen. Und wenn man die zu Rate zieht, muss man eigentlich feststellen, dass wenn es ein Facharbeitermangel gibt, dieser derzeit historische Tiefststände erreicht hat."

      Und so sprechen die Verbandsfunktionäre Braun und Hundt auch erstmals deutlich aus, worauf es ihnen in Wahrheit ankommt. Über Zuwanderung eine bessere Auswahl an Personal bekommen, auch zu Lasten Deutscher.

      O-Ton, Ludwig Georg Braun, Präsident DIHK:
      "Es ist vor allen Dingen ein Problem unter dem Gesichtspunkt des weltweiten Arbeitsmarktes, die besten hierher holen zu können, gegebenenfalls auch zu Lasten eigener Deutscher. Aber das nützt uns nichts. Unsere Produkte müssen Wettbewerbsfähigkeit besitzen."

      O-Ton, Dieter Hundt, Präsident BDA:
      "Wir werden einen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt haben, der gegebenenfalls auch einmal zu Lasten deutscher Bewerber geht."


      Der Wirtschaftsweise Bert Rürup dagegen spricht sich strikt gegen eine solche Form von Zuwanderung aus.

      O-Ton, Prof. Bert Rürup, Wirtschaftswissenschaftler TU Darmstadt:
      "Also ich würde es als falsch ansehen. Das heißt, wie gesagt, Zuwanderung ja, aber nicht zu Lasten des Erwerbspersonenpotentials. Das heißt, erst müssen die Chancen und Möglichkeiten der vorhandenen Arbeitnehmer ausgelotet werden, dann kann man das machen. Also man sollte eben keine Zuwanderung fordern, die eben substitutiven Charakter hat, die vorhandene Arbeitskräfte von ihren Arbeitsplätzen verdrängt."

      Doch eben darauf könnte es hinauslaufen, wie das Beispiel Unilog zeigt. Der erfolgreiche Frankfurter IT-Spezialist will nur die allerbesten und besonders gerne junge Mitarbeiter einstellen. Das Durchschnittsalter im Unternehmen liegt unter 30. Derzeit kommen auf eine Stellenausschreibung als Programmierer rund 50 Bewerbungen.

      Werbeslogan
      Geschäftsführer Riccardo Sperrle ist das nicht genug. Er will noch viel mehr und bessere Bewerber. Deshalb sei Zuwanderung aus dem Ausland so wichtig. Deutsche Bewerber hätten häufig einfach die falsche Arbeitsmoral.

      O-Ton, Riccardo Sperrle, Geschäftsführer Unilog:
      Riccardo Sperrle, Geschäftsführer Unilog
      "Die Eigenschaften, die sehr wichtig sind, sind flexibel, mobil, kreativ und verlässlich."

      Frage: Und das gibt es kaum noch in Deutschland?
      O-Ton, Riccardo Sperrle, Geschäftsführer Unilog:

      "Gerade was das Thema Verlässlichkeit angeht und was das Thema Einsatz und Kreativität angeht, ist es etwas schwierig. Die Leute sind zu satt."

      Zu satt? Auf den Frankfurter Programmierer Harald Mehlem trifft das sicher nicht zu. Er würde alles tun, um endlich wieder in der IT-Branche arbeiten zu können. Doch seine Perspektiven sind schlecht. Allein in Frankfurt sind rund 650 Informatiker arbeitslos. Und mit 35 Jahren gilt er schon als nicht mehr formbar. Die Klagen über Fachkräftemangel müssen für Mehlem wie Hohn klingen.

      O-Ton, Harald Mehlem, arbeitsloser Programmierer:

      "Ich habe es mitbekommen, dass irgendwelche Arbeitgeber sich darüber beschweren, es gebe nicht genug Fachkräfte. Schauen Sie sich doch um. Die werden angeboten wie Sand am Meer. Und? Sind sie alle so schlecht? Das kann doch nicht sein. Und wir haben so viele Leute an den Universitäten in Startlöchern stehen. Ich wüsste nicht, warum wir noch mehr Leute aus dem Ausland brauchen, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen."

      Abmoderation Fritz Frey:

      Unser Staat ist mehr als eine Agentur zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Gesagt hat das der scheidende Bundespräsident Johannes Rau. Hat er es auch als Mahnung für den Kanzler gemeint, der in dieser Woche die Oppositionsspitze zu Gast hat, um über das Zuwanderungsgesetz zu beraten? Vorstellbar ist es.

      Bleiben sie jetzt dran. Die Expeditionen der Nazis zeigen, auf welch groteske Weise damals versucht wurde die Überlegenheit der germanischen Rasse zu beweisen. Für REPORT MAINZ ist Schluss für heute. Tschüss.



      Quelle: http://www.swr.de/report/archiv/sendungen/040517/05/frames.…

      Fazit: Hartzer Käse hin oder her - die gesamten "Instrumente" der Bundesregierung für den Arbeitsmarkt sind nur auf Leistungskürzungen und Diskriminierung aus!

      Stattdessen werden wahnwitzige Projekte subventioniert. Firmen wie Infineon und AMD werden mit Milliardenbeträgen "geschmiert".
      Wenn man sich einmal überlegt - ein Halbleiterwerk mit einer heutigen Produktionsdauer von maximal 10 Jahren (in 10 Jahren hat sich die Integrationsdichte der Chips ungefähr verhundertfacht; selbst die Produktionsräume sind nach dieser Zeit auf Grund steigender Reinraumanforderungen dann kaum noch nutzbar). Eine Firma mit 1 000 Beschäftigten mit einer Milliarde Euro zu subventionieren und noch nicht einmal am Gewinn beteiligt sein - der blanke Wahnsinn. Pro Mitarbeiter ergibt das eine Subvention von einer Million Euro!
      Selbst wenn man noch einmal so viele Beschäftigte in den Zulieferfirmen rechnet. Jeder Beschäftigte müßte demnach ca. 4 000 Euro im Monat!!! Steuern zahlen bzw. erwirtschaften, damit sich so ein Werk in 10 Jahren bei einer Subvention von 1 Milliarde Euro zumindest amortisiert, Inflation nicht eingerechnet (tatsächlich sind die Subventionen bei beiden genannten Firmen höher).
      Auch werden beide Firmen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Unternehmenssteuern zahlen. Die eine Firma sitzt in den USA und die andere hat schon verkündet, keine Steuern zahlen zu wollen.
      Wenn man sich diese Zahlen vor Augen hält, muss man sich fast zwangsläufig die Frage stellen:
      Welche oder welches Interesse vertritt dieser Staat eigentlich?


      Ronald

      [1] http://www.swr.de/report/archiv/sendungen/040517/04/frames.h…
      Avatar
      schrieb am 22.05.04 17:43:48
      Beitrag Nr. 293 ()
      #292 von gezwirbelt

      hab die Sendung zufällig gesehen, bin ehrlich gesagt etwas am schwanken, was nun die Realität angeht.
      Einerseits kann man es kaum glauben, andererseits machen auch viele Bewerber schon bei der Bewerbung Fehler, sowie es auch noch Mitarbeiter gibt, die keiner haben will, weil sie "kantig" sind. (Häufig finden Telefonate zwischen dem neuen und dem alten Arbeitgeber statt.)

      Das man mit zunehmendem Alter in fast allen Branchen Probleme bekommt, ist ja im Grunde auch nix neues. Auch da könnte der Staat mit ein wenig Geschick eine Verlockung für die Arbeitgeber einrichten, z.B. mit veränderten Abgaben altersbezogen, nur 1 kleines mögliches Beispiel.

      Aber auch das nur ein Nebenkriegsschauplatz, wenn wir die gigantische Arbeitslosigkeit deutlich verringern wollen. Am meisten hindert der Kündigungsschutz, das wurde durch eine groß angelegte Umfrage bestätigt. Direkt danach folgen die gigantischen Nebenkosten.

      Und dann gibts da noch die Erscheinung, das z.B. viele gut ausgebildete nach z.B. USA abwandern, weil sie dort besser bezahlt werden, bzw. eine Zukunft in ihrem erlernten Fach sehen, im Gegensatz zu Deutschland.

      Ronald, wie paßt das zusammen?
      Avatar
      schrieb am 22.05.04 19:37:29
      Beitrag Nr. 294 ()
      @Rhum56

      sicher gibt`s schriftliche Bewerbungen, nach dem sich eine Vorstellung des Bewerbers erübrigt. Bewirbt sich beispielsweise ein junger Mensch auf eine Lehrstelle und schreibt in seiner Bewerbung stattdessen "Leerstelle", so wäre das sogar juristisch bedenklich, denjenigen überhaupt zu einer Ausbildung einzustellen.

      Das wird aber nicht die Regel sein. Vielmehr sind es "die viel zu hohen Lohnforderungen und ferner dieser Jugendwahn in Verbindung mit dem Glauben, die alle hier sind nicht gut genug.
      Dazu heißt es:
      “ Der erfolgreiche Frankfurter IT-Spezialist will nur die allerbesten und besonders gerne junge Mitarbeiter einstellen. Das Durchschnittsalter im Unternehmen liegt unter 30. Derzeit kommen auf eine Stellenausschreibung als Programmierer rund 50 Bewerbungen.“
      Welche Chance hat da noch ein Vierzigjähriger? Ja findet der keinen von den 50 Bewerbern? Kann es vielleicht sein, daß manche Unternehmer da etwas abgehoben sind, von der Realität?

      Und dann kommt eben das noch hinzu, was Du ja auch schreibst:
      “ Und dann gibt’s da noch die Erscheinung, das z.B. viele gut ausgebildete nach z.B. USA abwandern, weil sie dort besser bezahlt werden, bzw. eine Zukunft in ihrem erlernten Fach sehen, im Gegensatz zu Deutschland.“
      Wie Du also schon richtig erkannt hast – ich kann als Unternehmer nicht die Besten fordern und sie nicht entsprechend entlohnen wollen.
      Dazu heißt es auch:
      “ Nachfrage bei Unternehmer Wersborg. Er räumt ein, arbeitslose deutsche Fachkräfte mag es zwar geben, die aber seien oft zu alt oder wollten zu viel Lohn. Osteuropäer dagegen seien meist viel arbeitshungriger und bescheidener.“

      Und die Industrieverbände bringen es auf den Punkt:
      O-Ton, Ludwig Georg Braun, Präsident DIHK:
      " Es ist vor allen Dingen ein Problem unter dem Gesichtspunkt des weltweiten Arbeitsmarktes, die besten hierher holen zu können, gegebenenfalls auch zu Lasten eigener Deutscher. Aber das nützt uns nichts. Unsere Produkte müssen Wettbewerbsfähigkeit besitzen."

      O-Ton, Dieter Hundt, Präsident BDA:
      " Wir werden einen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt haben, der gegebenenfalls auch einmal zu Lasten deutscher Bewerber geht."

      Besser kann man’s eigentlich kaum sagen.

      Spitzenkräfte werden dort gebraucht, wo Spitzentechnik gebaut wird, beispielsweise beim Meßgerätehersteller Rhode & Schwarz. Diese Produkte sind Weltspitze, made in Germany! Und genau diese Spitzenkräfte hat diese Firma auch.
      Schaut man sich dagegen Firmen an, die Alltagsgegenstände und -geräte herstellen, kommt einem schon die Frage, für was die Spitzenkräfte brauchen. Aber genau diese Unternehmen schreien am lautesten. Dabei könnten diese Firmen solche Spitzenleute ja eigentlich gar nicht bezahlen. Hier geht es um Lohndumping und sonst nichts!
      Schau Dir diese Lasertechnikfirma von dieser Sendung an. Das soll Spitzentechnologie sein?
      Wie es scheint, kauft diese Firma fertige Laserkomponenten und montiert Apparaturen nach Kundenwunsch. Da werden Bilder gezeigt, wie ein Monteur einen Mikroprozessor in einen PC einbaut. So was macht heute ein etwas begabter Schüler in der siebenten Klasse einer Realschule selbständig zuhause!!!
      Und dafür brauchen die Spitzenleute??? Ja ja, und insbesondere Schweißer. Ja, was schweißen die denn? Chassis für diese Apparaturen? Dazu brauch` ich keinen WIG-Schweißer mit der R2b!

      @Rhum56, das was hier zur Zeit läuft, nennt sich Lohndumping.

      Ronald
      Avatar
      schrieb am 22.05.04 23:56:26
      Beitrag Nr. 295 ()
      Wo wir mit unseren westlichen " Werten" stehen, zeigt dieser zugegebenermassen lange Artikel gut auf, den man bitte zuende lesen sollte, sind 5 Teile...

      http://www.manager-magazin.de/life/buecher/0,2828,300492,00.…

      Schön, dass mittlerweile so etwas in Managermagazinen steht - die sind ja nicht verdächtig, " links" zu sein.
      Avatar
      schrieb am 23.05.04 12:40:22
      Beitrag Nr. 296 ()
      @gezwirbelt

      Nee, Lohndumping ist nicht die Erklärung, eher die Raffgier des Staates, die die Lohnkosten pervertiert hat.
      Die Vorgänge in der Sendung sind sicherlich real gewesen, stellen aber auch sicherlich nicht die Regel dar.
      Und wollen wir mal ehrlich sein, gerade in der IT-Branche wurde es mit den Löhnen übertrieben. Was da mitunter aufgerufen wurde, schrie zum Himmel. Jetzt haben wir die "Ernüchterungsphase", sonst nix.
      Wenn da nun einzelne Unternehmer nur nach unter 30-jährigen suchen, lasse doch, die haben auch nur ihren eigenen Erfahrungsschatz, oftmals keinen. Es gibt andere.

      Mir sind erfahrene Arbeitnehmer mindestens genau so viel wert.
      Avatar
      schrieb am 23.05.04 20:25:59
      Beitrag Nr. 297 ()
      Vielleicht sollte der "leitende" Angestellte in seinem Hochmut mal Schirrmachers "Methusalem-Komplott" durchlesen... :D

      Falls er das intellektuell packt, da habe ich allerdings aufgrund seiner Aeusserungen maechtige Zweifel....

      Das Alter und NICHT die fuer ein erfolgreiches Arbeiten wesentlichen Eigenschaften als K.O. Kriterium zu nehmen ist ungefaehr so clever als wenn man die Haarfarbe oder Gewicht oder Nasenform als enorm wichtig einschaetzen wuerde... das ist einfach ein Hochnaesiger Idiot.

      seine Einstellung ( die Osteuropaer sind dankbarer, arbeiten fuer weniger geld etc. ) koennte exakt so von einem suedafrikanischen Plantagenbesitzer zur Zeit der Apartheid oder einem Amerikanischen Suedstaatler als Aesserung zu einer Subpopulation seiner Sklaven stammen.

      Ich wuensche ihm von Herzen, dass er einmal live und in Farbe das leben auf der Schattenseite der Gesellschaft erleben darf... :D
      Avatar
      schrieb am 28.05.04 23:25:31
      Beitrag Nr. 298 ()
      Hier die Studie, die die Nestbeschmutzer in mittlerweile fats allen Parteien und vor allem im BDI und BDA Lügen straft:



      STUDIE
      Deutschland ist Europas bester Standort



      Denken deutsche Manager an ihr Land, ist es bis zur Standortflucht nicht weit. Ganz anders die Kollegen im Ausland: 40 Prozent von ihnen wollen ihr Engagement in der Bundesrepublik ausweiten. Sie finden die Infrastruktur und die qualifizierten Mitarbeiter hier zu Lande einfach märchenhaft.


      Düsseldorf - Der Standort Deutschland wird von ausländischen Führungskräften optimistisch beurteilt. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young unter 513 Top-Managern hervor, die dem "Handelsblatt" vorliegt.


      Für internationale Top-Manager ist Deutschland demnach hinter China und den USA der weltweit attraktivste Investitionsstandort. Frankreich rangiert weit abgeschlagen hinter Großbritannien, Polen, Indien und Tschechien.

      Ernst & Young hatte die Manager im März und im April telefonisch befragt. Danach planen 40 Prozent der internationalen Top-Manager, in Zukunft ihre Aktivitäten in Deutschland auszubauen.

      Internationale Unternehmen legen bei Standortentscheidungen der Studie zufolge mehr Wert auf eine gute Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur und die Möglichkeit, Produktivitätszuwächse zu erzielen, als auf niedrige Löhne. Im Europa-Ranking schneidet Deutschland bei diesen Faktoren am besten ab.

      Aus Sicht von 40 Prozent der Befragten hat Deutschland auch die qualifiziertesten Arbeitnehmer - Großbritannien und die skandinavischen Länder folgen mit großem Abstand. Bestnoten gibt es auch für Forschung und Entwicklung.
      Bei den Arbeitskosten landet Deutschland auf einem der hintersten Plätze. Hier liegen Tschechien, Ungarn, Polen und Großbritannien vorn.

      Quelle: manager-magazin
      Avatar
      schrieb am 28.05.04 23:28:36
      Beitrag Nr. 299 ()
      JEFFREY IMMELT
      "Mich beeindruckt deutsche Technologie"



      Von Anne Preissner und Ursula Schwarzer

      General-Electric-Chef Immelt lässt sein neues Forschungszentrum vor den Toren Münchens errichten. Im Gespräch mit manager magazin führt er die Qualifikation der hiesigen Mitarbeiter als Grund für die Standortwahl an. Die Nähe zum Konzernsitz des Erzrivalen Siemens dürfte aber ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

      Hamburg - Ein seltenes Lob für den Standort Deutschland kommt vom General-Electric-Chef Jeffrey Immelt. "Mich beeindruckt die deutsche Technologie", sagt er in der neuen Ausgabe des manager magazins, die am Freitag (20. Februar 2004) erscheint.

      "Jack war gestern":
      GE-Chef Jeffrey Immelt


      Seiner Ansicht nach ist das hiesige Universitätssystem "eines der besten der Welt". Zurzeit baut General Electric in Garching bei München ein großes Forschungszentrum für rund 150 Wissenschaftler. Immelt: "Die Mitarbeiter sind zwar nicht billig, aber sie bringen hervorragende Leistungen."

      Das amerikanische Unternehmen beschäftigt hier zu Lande rund 5400 Mitarbeiter und setzt 4,4 Milliarden Euro um (Geschäftsjahr 2002). Bis 2006 soll sich der Umsatz in Deutschland verdoppeln.


      Auch für den Gesamtkonzern hat Immelt ambitionierte Pläne. "Ab 2005 wollen wir wieder zweistellig zulegen - sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn", betont der GE-Chef im Interview mit manager magazin.

      Seit Immelts Amtsantritt im September 2001 wachsen diese beiden Größen nur noch mäßig, der Aktienkurs entwickelt sich schlechter als der Dow Jones Index.

      Auf die Frage nach seinem legendären Vorgänger Jack Welch antwortet Immelt: "Was Jack gemacht hat, interessiert mich nicht. Jack war gestern, heute bin ich der Chef."
      Avatar
      schrieb am 02.06.04 10:20:51
      Beitrag Nr. 300 ()
      ARBEITSLOSENGELD II
      70 Prozent verlieren

      Die geplante Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II wird nach Berechnungen des DGB für rund 70 Prozent der bundesweit zwei Millionen Betroffenen zu deutlich weniger Einkommen führen. 20 Prozent der Empfänger von Arbeitslosenhilfe müssen sich auf den völligen Leistungsverlust einstellen.
      (ap)
      Avatar
      schrieb am 02.06.04 10:24:31
      Beitrag Nr. 301 ()
      Die UNO spielt bei Regierungsbildung im Irak keine Rolle
      Die Desavouierung des UNO-Sonderbeauftragten Brahimi trifft auch dessen Chef Annan. Allawi war einst Quelle für eine der infamsten Kriegslügen

      GENF taz Seit Mitte April hatte sich Lakhdar Brahimi, der Irak-Sonderbeauftragte von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, in hunderten Gesprächen um die Bildung einer künftigen irakischen Interimsregierung bemüht. Eigentlich sollte Brahimi die Namen des Regierungschefs und seiner 26 Minister sowie die Mitglieder einer dreiköpfigen Präsidentschaft Iraks Ende Mai im Paket der Öffentlichkeit präsentieren. So verkündete es noch Montag letzter Woche US-Präsident George Bush.

      Auch Kritiker des Irakkrieges und der anglo-amerikanischen Besatzungspolitik bezogen sich zuletzt immer wieder positiv auf die angekündigten "Vorschläge des UNO-Sondergesandten". Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte Brahimis Namensliste letzte Woche zum wichtigen Maßstab für die "Glaubwürdigkeit" der geplanten "Machtübergabe an eine souveräne Regierung", zu deren Absegnung Bush und Blair ja eine neue UNO-Resolution verlangen. Noch bei dem Telefonat Schröders mit Bush am Pfingstmontag, bei dem der US-Präsident die Unterstützung des Kanzlers für den Anfang letzter Woche unterbreiteten anglo-amerikanischen Resolutionsentwurf einforderte, war mehrfach von Brahimis Namensliste die Rede.

      Dabei wussten Bush und Schröder zu diesem Zeitpunkt längst, dass es diese Namensliste nicht geben würde. Und dass die UNO bei der Bildung der Interimsregierung keine Rolle gespielt hat, die sich zur Rechtfertigung für künftige Entscheidungen, etwa im Sicherheitsrat, heranziehen ließe.

      Die Namen der 29 Regierungsmitglieder, die gestern in Bagdad verkündet wurden, entsprechen weitgehend den Machtinteressen der im bisherigen provisorischen Regierungsrat vertretenen Personen und Parteien sowie dem politischen Kalkül der Bush-Administration. Das ursprüngliche Konzept Brahimis, die Interimsregierung vorrangig aus politisch unabhängigen und in der Bevölkerung glaubwürdigen Experten zu bilden, statt nach ethnischen, religiösen und parteipolitischen Kriterien, ist fast völlig gescheitert. Bushs Botschafter Robert Blackwill, der an den Bemühungen Brahimis beteiligt war, trug dieses Konzept angeblich mit. Die Desavouierung des UNO-Beauftragten und seines Konzepts begann spätestens, als die Washington Post durch eine gezielte Indiskretion Blackwills Anfang letzter Woche den Namen von Brahimis Kandidat für das Amt des Regierungschefs, Hussein Schahristani, als angeblichen Wunschkandidaten der USA veröffentlichte. Damit war Schahristani als Kandidat erledigt.

      Auf Anweisung Blackwills und gegen den Willen Brahimis ernannte der provisorische Regierungsrat am Freitag dann mit dem Schiiten Ajad Allawi eines seiner Mitglieder zum künftigen Regierungschef. Der zumindest früher von den Geheimdiensten MI6 und CIA finanzierte Allawi war einst Quelle für eine der spektakulärsten Lügen, mit denen die Regierungen Bush und Blair den Irakkrieg zu rechtfertigen suchten: die Behauptung, das Regime von Saddam Hussein könne innerhalb von 45 Minuten Europa mit Massenvernichtungswaffen erreichen.

      "ANDREAS ZUMACH

      taz Nr. 7372 vom 2.6.2004, Seite 3, 104 Zeilen (TAZ-Bericht), ANDREAS ZUMACH
      Avatar
      schrieb am 02.06.04 10:31:33
      Beitrag Nr. 302 ()
      weitere Hintergrundinfos:


      _________________________________
      Wer ist al-Jawar?
      BAGDAD/BERLIN dpa/taz
      Der künftige irakische Präsident Scheich Ghasi Adschil al-Jawar (46) ist Sunnit und einer der wichtigsten Führer des Stammes der al-Schammar, dem auch Schiiten angehören. Der Ingenieur, der in den USA studiert hat, lebte 15 Jahre lang als Geschäftsmann in Saudi-Arabien und kehrte im vergangenen Juni in den Irak zurück.

      Ghasi al-Jawar, der dem provisorischen Regierungsrat als unabhängige Persönlichkeit angehört, setzt sich für die schnelle, vollständige Übergabe der Souveränität an die Iraker ein und fordert auch die Kontrolle über die neue irakische Armee. Er kämpft gegen das Vorurteil, die sunnitische Bevölkerungsgruppe habe fast ohne Ausnahme den Expräsidenten Saddam Hussein und sein Regime gestützt.

      Der Stammesscheich aus der nordirakischen Stadt Mossul hatte im vergangenen April aus Protest gegen die US-Offensive in der Aufständischen-Hochburg Falludscha mit seinem Austritt aus dem Regierungsrat gedroht. Er genießt die politische Unterstützung seines Stammes, der am Montag einen Brief an den UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi schickte, in dem die Stammesoberen erklärten, al-Jawar sei gut geeignet für die Position des Übergangspräsidenten.

      Ghasi al-Jawar, der stets in traditioneller arabischer Kleidung auftritt, hat sich auch mehrfach kritisch über die Arbeit des Regierungsrats geäußert. "Wir haben versagt", sagte er während der Falludscha-Krise. Nach dem Attentat auf Regierungsratspräsident Isseddin Salim Mitte Mai hatte al-Jawar vorzeitig dessen Amt übernommen.


      Dem derzeitigen Entwurf für eine Irak-Resolution zufolge wird die neue Interimsregierung, die den bisherigen Regierungsrat ablöst, bis maximal 31. Januar 2005 amtieren. Dann soll sie durch eine "Übergangsregierung" abgelöst werden.

      taz Nr. 7372 vom 2.6.2004, Seite 3, 60 Zeilen (Portrait)



      _______________________________________________
      Saddam-Nachfolge geregelt
      Mit seiner Ernennung zum irakischen Präsidentschaftskandidaten wird Ghasi al-Jawar offizieller Nachfolger des Ex-Diktators

      AUS BAGDAD INGA ROGG
      Er sieht aus wie ein arabischer Prinz, und in seinem Gesicht liegt immer ein Hauch von guter Laune. Scheich Ghasi Adschil al-Jawar unterscheidet damit schon äußerlich deutlich von seinem Vorgänger. Seit gestern ist Jawar Präsident des Irak, und damit offizieller Nachfolger von Saddam Hussein.

      Mit der Ernennung von Jawar, Oberhaupt des Schammar-Stammes, hat sich der irakische Regierungsrat gegen die Widerstände Washingtons und Londons sowie des UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi durchgesetzt. Diese hatten auf die Ernennung des 81-jährigen Adnan Patschatschi gedrängt. Am Dienstagmorgen hieß es dann auch zuerst, Patschatschi werde Präsident. Kurz darauf gab dieser dann aber seinen Rückzug bekannt. Er lehne das Amt aus persönlichen und anderen Gründen ab, sagte Patchatchi. Zugleich wies er zurück, der Wunschkandidat der Koalitionsverwaltung gewesen zu sein. Aber der Präsident benötige die Unterstützung aller Teile der Bevölkerung.

      Wegen der Zwistigkeiten zwischen dem Rat und Zivilverwalter Paul Bremer war die bereits für Montag geplante Ernennung verschoben worden. Mehrere Ratsmitglieder bezichtigen Bremer, massiv Druck zugunsten der Wahl von Patchatchi ausgeübt zu haben. Was wirklich geschah, liegt aber im Dunkeln. Ein Berater des kurdischen Politikers Massud Barsani widersprach der Darstellung und wies auf Brahimi, der hartnäckig an Patchatchi festgehalten habe. Im letzten Jahr versuchte die Koalition ihn mit großem Aufwand zur Integrationsfigur aufzubauen. Damit ist sie nun am Widerstand des von ihr eingesetzten Rates gescheitert. Jawar hatte im Gegensatz zu Patchatchi am Ende die Unterstützung sowohl der Schiiten wie auch der Kurden im Rat.

      Am Widerstand des Rats war Brahimi in der vergangenen Woche bereits bei der Ernennung des Premiers gescheitert, wie er überhaupt seinen Plan aufgeben musste, eine Übergangsregierung aus so genannten Technokraten zusammenzustellen. Der Präsident wird gemäß der vorläufigen Verfassung in der Interimsregierung ein eher zeremonielles Amt innehaben. Ihm zur Seite stehen werden als Vizepräsidenten der Vorsitzende der schiitischen Dawa-Partei, Ibrahim al-Jaaferi, und Rowsch Schawajs von der kurdischen Demokratischen Partei. Wichtigster Mann in den nächsten Monaten bis zur Abhaltung von Wahlen wird Premier Ajad Allawi sein. Der Schiit, der wie viele irakische Politiker lange Jahre im Exil lebte, ist Chef des Iraq National Accord (Wifaq), einem Sammelbecken ehemaliger Offiziere und Kader der Baath-Partei. Er verfügt über langjährige Kontakte zur CIA und zum britischen Geheimdienst, zudem genießt er die Unterstützung von US-Außenminister Powell. Bei einer Pressekonferenz gratulierte Brahimi Jawar und Allawi zu ihrer Ernennung. Washington sicherte der neuen Regierung seine Unterstützung zu.

      Kurz danach gab Allawi auch die Zusammensetzung seines Kabinetts bekannt. In einer feierlichen Zeremonie, in der es an Symbolik nicht fehlte und die live vom ehemaligen Präsidentenpalast übertragen wurde, legten die Regierungsmitglieder den Eid ab. Zugleich gab der Regierungsrat seine vorzeitige Auflösung bekannt. Ursprünglich sollte er bis zur formellen Wiederherstellung der Souveränität und dem Ende der Koalitionsverwaltung bestehen bleiben.

      Das Übergangskabinett setzt sich aus einer Mischung von bereits amtierenden Ministern, ehemaligen Ratsmitgliedern und etlichen neuen Gesichtern zusammen. Dabei wurde bei der Verteilung der 26 Posten darauf geachtet, neben der ethnischen und religiösen Vielfalt auch den verschiedenen politischen Strömungen gerecht zu werden.

      Erfahrung mit Ministerposten hat aber eigentlich nur die Riege kurdischer Politiker aus den Regierungen von Erbil und Suleimanija. Das Kabinett umfasst erstmals auch ein Frauenministerium mit der ehemaligen Erziehungsministerin Nermin Osman an der Spitze. Die wichtigste Aufgabe der Interimsregierung wird die Vorbereitung der Wahlen sein, die spätestens im Januar 2005 stattfinden sollen. Dazu muss sie sich auf ein Wahlgesetz einigen sowie auf die geplante Ergänzung der Verfassung, in der auf Drängen von Ajatollah Sistani das den Kurden zugesprochene Vetorecht über jede künftige Verfassung aufgeweicht werden soll.

      In diesem schwierigen Prozess wolle er alle Bevölkerungsgruppen vertreten, sagte Jawar. Die Chancen, dass ihm das gelingen könnte, sind auf den ersten Blick nicht schlecht. Zwar ist der 46-jährige Ingenieur ein Sunnit aus der Gegend von Mossul, wo sein Schammar-Stamm sein Zentrum hat. Doch gehören dem Stamm, der einer der größten im Irak ist, auch viele Schiiten im Südirak an. Letztes Jahr sorgte der Stamm für Aufsehen, als er nach einem Disput einen Halbbruder Saddams an die Amerikaner auslieferte.

      taz Nr. 7372 vom 2.6.2004, Seite 3, 161 TAZ-Bericht INGA ROGG
      Avatar
      schrieb am 02.06.04 10:46:08
      Beitrag Nr. 303 ()
      sorry, die beiden letzten postings gehoerten nicht hier hin, sondern in einen anderen Thraed... :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 09.06.04 10:49:45
      Beitrag Nr. 304 ()
      SPIEGEL ONLINE - 09. Juni 2004, 8:37
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,303343,00.html
      Arbeitslosigkeit

      Bundesagentur wird zum Milliardenrisiko

      Die hohe Arbeitslosigkeit wird immer mehr zum Haushaltsrisiko für den Bund. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung hat die Bundesagentur für Arbeit bis zum Juni bereits mehr als 80 Prozent des für das gesamte Jahr 2004 geplanten Bundeszuschusses verbraucht.

      Arbeitsamt: Jahreszuschuss fast aufgebraucht
      Hamburg - Dem Zeitungsbericht zufolge hat die Bundesagentur in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits 4,2 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Zur Deckung des Defizits ist für das Gesamtjahr nur ein Bundeszuschuss von 5,2 Milliarden Euro eingeplant.

      Nach einer Aufstellung der Nürnberger Behörde haben die Arbeitsagenturen dem Bericht zufolge von Januar bis Mai 23,839 Milliarden Euro ausgegeben. Dem stünden bislang lediglich 19,629 Milliarden Euro an Einnahmen gegenüber.
      Avatar
      schrieb am 23.06.04 22:36:30
      Beitrag Nr. 305 ()
      ARBEITSLOSIGKEIT

      BA-Chef nennt die Horrorzahl

      Nach Ansicht von Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, könnte die Arbeitslosenzahl schon Anfang nächsten Jahres auf fünf Millionen ansteigen. Er verlangt eine Änderung der Statistik, damit das Ausmaß des Schreckens nicht so deutlich wird.



      Köln - Weise befürchtet eine deutliche Zunahme der gemeldeten Arbeitslosen, wenn die Sozialhilfereform ab Januar in Kraft tritt. "Unter Umständen kann es passieren, dass wir Anfang 2005 die Marke von fünf Millionen überschreiten", sagte der BA-Chef dem Magazin "Capital".

      Dem Bericht zufolge müssen sich bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II 250.000 bis 300.000 bisherige Sozialhilfeempfänger arbeitslos melden, wenn sie weiter Geld bekommen wollen. Um neue Schreckenszahlen zu verhindern, will Weise die bisherige Berechnungsmethode ändern lassen. Wer keinen Job suche, sondern mit der Arbeitslos-Meldung nur seine Leistungsansprüche aufrechterhalten wolle, dürfe in der Statistik nicht mitgezählt werden.

      Weise ist "Capital" zufolge allerdings noch skeptisch, ob das Arbeitslosengeld II überhaupt pünktlich zum 1. Januar 2005 kommen kann. Er befürchtet, dass nicht genug Kommunen mitziehen und mit der BA die Daten der bisherigen Sozialhilfeempfänger aufarbeiten. Bis Mitte Juli müssten so viele Städte und Landkreise zur Kooperation bereit sein, dass bei 70 Prozent der Leistungsempfänger mit der Datenerhebung begonnen werden könne.

      "Davon sind wir noch weit entfernt", sagte Weise. Er räumte ein, dass die Fragebögen zur Ermittlung des Vermögens der Leistungsempfänger "sehr kompliziert" seien. In vielen Fällen brauche es Stunden, um die wirtschaftlichen Verhältnisse eines einzigen Antragstellers zu klären.

      Der BA-Chef räumte zudem ein, dass der Bundeszuschuss zur BA im laufenden Jahr "wohl über den geplanten 5,2 Milliarden Euro" liegen werde. Die BA hatte Anfang Juni erklärt, es würden bis zu 5,8 Milliarden Euro benötigt. "Aber nächstes Jahr wird er deutlich sinken", kündigte Weise an. Im Bundeshaushalt für 2005 sind für den Zuschuss 3,5 Milliarden Euro eingeplant.
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 18:13:04
      Beitrag Nr. 306 ()
      Es ist zwar fast ein Jahr nach meiner Prophezeihung, aber auch im "Spiegel" sieht man jetzt bedrohliche Entwicklungen voraus - gekoppelt mit abzusehender dramatischer Entwicklung.

      Stark ist wieder einmal der Steinkohlen förderer, der sich als "Reformer" gibt und jetzt nicht nur Journalisten anpöbelt, sondern gleich sogar noch VERFASSUNGSRICHTER, die warnend darauf hindeuten, dass der Taschenspielertrick von Hartz x bis Hartz y verfassungswidrig sein könnte.

      BAld also wird jeder Nachbarn kennen, die nach Jahrzehntenschamvoll aus ihrer Wohnung bei NAcht und Nebel ausziehen, um mit ihrer FAmilie in eine kleine Wohnung in einem sozialen Brennpunkt ziehen.

      Ihre Schuld: sie sind über 50, möglicherweise in Tateinheit mit Elternschaft für mehrere Kinder.
      Falls sie heftig gespart haben, um im Alter bersorgt zu sein, werden sie das verlieren, denn ALLES über 5000 Euro incl. Kapitallebensversicherung wird vom Staat enteignet werden.

      DAs wird i deutschland eine RAdikalisierzung geben die zuletzt in den 30ern stattfand.

      Gute NAcht deutschland!

      ------------------------------------------------------

      SPIEGEL ONLINE - 01. Juli 2004, 16:37
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,306679,00.h…
      Hartz IV

      Mit dem Bodyguard zum Arbeitsamt

      Von Markus Deggerich

      Die Erwartungen an eine der einschneidendsten Sozial- und Arbeitsmarktreformen in der Geschichte der Bundesrepublik sind riesig. Doch zunächst funktioniert nur der Sozialabbau. Die Hilfe wird auf sich warten lassen und die Wut der Betroffenen mehren. Treffen wird das wieder die SPD.


      Berlin - Das Lob kam von höchster Stelle: Der neue Bundespräsident Horst Köhler würdigte die Einigung zwischen Regierung und Union am Donnerstag in seiner Antrittsrede als positives Beispiele für zielgerichtete Reformpolitik. Die Kompromisse bei der Arbeitsmarktreform zeigten, "dass Deutschland in Bewegung kommt".

      Aber noch ist nicht abzusehen, ob aus der Bewegung ein Aufstand wird. Die Erwartungen an eine der einschneidendsten Sozial- und Arbeitsmarktreformen in der Geschichte der Bundesrepublik sind groß: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe soll das Heer von etwa 3,2 Millionen erwerbsfähigen Langzeitarbeitslosen bereits im kommenden Jahr um 200.000 verringern, im Jahr darauf noch mal um weitere 200.000.

      Für rund eine halbe Million Bezieher von Arbeitslosenhilfe bedeutet die Reform aber zunächst nur eines: Sie erhalten ab dem 1. Januar 2005 kein Geld mehr, für rund eine Million gibt es deutlich weniger Geld. "Fördern und Fordern" lautet die Formel, die die rot-grünen Reformer als Überschrift über ihre Agenda gesetzt haben. Das Fordern klappt schon ganz gut. Doch die in Aussicht gestellte bessere Betreuung von Arbeitssuchenden wird noch länger auf sich warten lassen. Das bedeutet ein Risiko in ohnehin heiklen Zeiten, vor allem für die SPD, deren Klientel die Reform als Erstes trifft.

      Fordern statt Fördern

      Für die Bundesagentur für Arbeit (BA), die Arbeitsagenturen und die Kommunen ist der Zeitplan eng gefasst. Sie müssen bis Jahresende 2,1 Millionen Bezieher von Arbeitslosenhilfe und 1,1 Millionen erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger sowie deren Familien auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) umstellen. Sie erhalten künftig 345 Euro monatlich (im Osten: 331) - also den Sozialhilfesatz. Die durchschnittliche Arbeitslosenhilfe lag zuletzt bei 493 Euro (Osten: 425). Durch die nun stärkere Anrechnung des Partnereinkommens und von eigenem Vermögen erhalten Hunderttausende Arbeitslosenhilfeempfänger vorerst überhaupt kein ALG II.

      Darin steckt auch politischer Zündstoff, der es letztendlich der hart verhandelnden Union leicht gemacht hat zuzustimmen. Die erste Wut und Enttäuschung über den Sozialabbau wird wieder das rot-grüne Lager zu spüren bekommen, wenn im Mai 2005 in Nordrhein-Westfalen der Landtag neu gewählt wird: Dem bevölkerungsstärksten Bundesland, der wichtigsten SPD-Hochburg. Verliert die SPD NRW, wäre auch der Fortbestand der rot-grünen Koalition im Bund fraglich.


      Druck auf junge Arbeitslose

      Die Leistungskürzungen sollen so schnell wie möglich in Kraft treten. Dabei geht es nicht mal nur ums Einsparen. Damit ist die Erwartung verbunden, dass der Anreiz für Langzeitarbeitslose steigt, sich ihren Unterhalt durch Arbeit zu verdienen. Ein weiterer Anreiz soll sein, dass sie mit einem Job neben der Sozialhilfe mehr behalten können als bisher, ohne dass das ALG II gekürzt wird. So sieht das Fordern aus.

      Gefördert werden sollen Langzeitarbeitslosen vor allem durch bessere Vermittlung und Betreuung. Diese wird aber erst mit deutlicher Verzögerung erreicht. So soll künftig ein persönlicher Betreuer für höchstens 75 Arbeitslose zuständig sein, was nicht vor Ende 2005 realisiert werden kann, hat die BA intern ihre Arbeitsagenturen wissen lassen. Für die "Startaufstellung" im Januar lasse sich das nicht realisieren: Nur für die etwa 340.000 Arbeitslosen unter 25 Jahren soll dieses Verhältnis von Anfang an gelten. Sie sind Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ein besonderer Dorn im Auge: Junge Menschen, die nichts tun, sind ihm unerträglich. Für die Älteren wird ein Schlüssel von zunächst einem Betreuer pro 150 Arbeitslosen angestrebt.

      Damit ist fraglich, ob die so genannten Effizienzgewinne durch intensivere Betreuung der Arbeitslosen und ihre schnellere Vermittlung so rasch eintreten, wie von Clement erwartet. Denn offen ist, woher die Arbeitsplätze kommen sollen. Zwar stellt die Regierung mit 6,35 Milliarden Euro über eine Milliarde Euro mehr für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt zur Verfügung als bisher BA und Kommunen. Aber Experten rechnen angesichts des Konjunkturverlaufs nicht damit, dass die Zahl der Arbeitsplätze im erforderlichen Umfang steigt.

      Besonders krass ist die Lage im Osten des Landes. Dort klagen die Verantwortlichen: Schnellere Vermittlung sei schon deshalb absurd, weil es nichts zu vermitteln gibt. Mecklenburg-Vorpommerns Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) moniert, Arbeitslose würden durch die Kürzung staatlicher Hilfen und minimierte Chancen auf einen Job immer stärker unter Druck gesetzt: "Große Unternehmen von Steuern zu befreien und Arbeitslose zum Verkauf ihrer Lebensversicherungen zu zwingen, bedeutet eine soziale Schieflage, die nur als abgrundtiefe Ungerechtigkeit bezeichnet werden kann."


      Weil es einfach an Jobs fehlt, sollen Hunderttausende Arbeitslose daher eine "öffentliche Arbeitsgelegenheit" erhalten, für die sie zusätzlich zum ALG II einen Euro pro Stunde verdienen - zum Beispiel durch Mitarbeit bei karitativen Trägern. Etwa 550.000 bis 600.000 Stellen werden dazu nach BA-Schätzung benötigt. Doch auch das sei erst nach einer Übergangsphase zu erreichen, von der keiner weiß, wie lange sie dauert. Das Ziel, dass mindestens jeder vierte Langzeitarbeitslose an einer Beschäftigungsmaßnahme teilnimmt, werde vorerst nicht erreicht, räumt die BA ein. Eine Ausnahme sollen wiederum die unter 25-Jährigen sein: Ihnen wird sofort eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit angeboten. Wenn sie ablehnen, wird für drei Monate das ALG II gestrichen.

      Verlust an Kaufkraft

      Clements wichtigstes Reformprojekt ist noch mit weiteren Unsicherheiten belastet. Erst kürzlich meldete der Verfassungsrichter Siegfried Broß Bedenken an, weil das Sozialstaatsprinzip verletzt sein könnte, was der Wirtschaftsminister "dummes Zeug" nennt. Einzelne Experten wie etwa der Wirtschaftsweise Peter Bofinger warnen, durch die Reform würden die ohnehin schwächelnde Binnennachfrage und damit das Wachstum der Wirtschaft insgesamt weiter geschwächt. Die Gewerkschaften schätzen, dass den Langzeitarbeitslosen durch die Kürzungen immerhin etwa drei Milliarden Euro an Kaufkraft entzogen werden.


      Gravierender dürften auf kurze Sicht die Umstellungsprobleme bei den Arbeitsagenturen und Kommunen sein. Seit Mitte Juni lässt die BA 3,5 Millionen Antragsformulare für ALG II drucken, die ab Mitte Juli verschickt werden. Auf bis zu 14 Seiten müssen die Empfänger ihre persönlichen Lebens- und Vermögensverhältnisse offen legen - denn die werden nun angerechnet. Doch bearbeitet werden können die Daten erst ab Anfang Oktober - wenn dafür ein neues Computerprogramm zur Verfügung steht. Erst dann wird sich erweisen, ob das Programm einem gleichzeitigen Zugriff von 40.000 Sachbearbeitern oder mehr überhaupt gewachsen ist.

      Zudem stehen Arbeitsagenturen und Kommunen vor schwierigen Verhandlungen über die Arbeitsgemeinschaften, die sie in der Regel zur gemeinsamen Betreuung der Arbeitslosen bilden sollen. Die Infrastruktur vor Ort - Räume, Personal, technisches Gerät wie der erforderliche Zugang zum Internet, um der BA-Zentrale Daten zu schicken - muss geschaffen werden.

      Wo wird sich die Wut Bahn brechen?

      Angesichts der gravierenden Einschnitte ist die Diskussion über Hartz IV in Deutschland überraschend ruhig verlaufen - auch weil das Heer der Arbeitslosen über keine Lobby verfügt und nicht organisiert ist. Ob sich die Wut nur in der Wahlkabine äußert oder zu welchen sozialen Spannungen das neue Programm noch führt, ist offen.


      Aber dass es ein gehöriges Feedback gibt, erwartet auch die Politik. Treffen wird es als erstes die Betreuer der Arbeitslosen vor Ort. Die BA hat bereits intern angewiesen, Schutzvorkehrungen für die Beschäftigten der Arbeitsgemeinschaften zu treffen: "Die Sicherheit der Mitarbeiter sollte gewährleistet sein." Ob dazu wie in manchen Sozialämtern Überwachungskameras installiert oder auch Sicherheitsdienste beschäftigt werden müssen, ist noch offen - aber nicht mehr unwahrscheinlich.
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 19:05:09
      Beitrag Nr. 307 ()
      1. Langzeitarbeitslos ist man beeits nach 6 Monate Bezug von ALG!
      2. Bei der CDU / CSU sähen die Einschnitte / Zumutungen noch viel drastischer aus.
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 20:35:30
      Beitrag Nr. 308 ()
      aber die SH greift doch wohl erst nach 12 Monaten?
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 21:47:07
      Beitrag Nr. 309 ()
      #308: Wenn Du vorher genug Tage ALV gezahlt hast, ja!

      Ansonsten kann man den Hartz-Kritikern nur recht geben.
      Lustig wird es erst, wenn der 50-jährige Deutsche aus seinem Betrieb fliegt und keine Chance mehr hat, seine Spargroschen aufbrauchen darf bzw. sich von seiner halbtags arbeitenden Frau mit durchfüttern lassen darf, aber der gerade noch geduldete Ali Muhamed seine Brüder und Schwestern nach Deutschland holt, weil es sich für die Leute mit der Unterstützung noch besser leben läßt als in ihrer Heimat. Naja, die Zähne müssen saniert werden, und das eine oder andere Wehwehchen zahlt ja auch der deutsche Arbeitnehmer.
      Nun, SPD/CDU sind sich ja einig, dass dieser Weg richtig ist. Sollte sich aber ein volksverbundener (etwas rechts der Mitte stehender) Mensch finden, der sich öffentlich dagegen wendet, der eventuell auch noch jemanden in der Hinterhand hat, der ihm einen Wahlkampf finanziert, dann werden viele Politiker der jetzt großfressigen Partein arbeitslos. Womit? Mit Recht!
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 21:54:02
      Beitrag Nr. 310 ()
      realitaetsnah
      nur den "Ausländern" Unterstützung zu streichen geht nicht, entweder alle bekommen nichts oder alle bekommen was!
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 22:16:04
      Beitrag Nr. 311 ()
      Stella, das stimmt so nicht! Das Grundgesetz gilt für deutsche Staatsbürger, bei mir bekämen Ausländer keine Sozialhilfe! Und ohne Versicherung auch keine KV-Leistungen, es sei denn, sie werden bezahlt oder sind lebensrettend. Wer in deutsche Sozialsicherungssysteme eingezahlt hat, soll auch Leistungen erhalten, wer nicht, der nicht. Asylbewerber, die nicht angenommen werden (und das ist die Masse!), werden sofort abgeschoben, vorherigen Leistungen werden auf den untersten Level gekürzt, wer sich daran nicht hält, tschüss! Wer in seiner Heimat wirklich mit dem Leben bedroht wird, dem wird es nichts ausmachen, in den zwei Monaten der Überprüfung in gefängnisähnlichen Verhältnissen zu leben.
      Wer damit nicht einverstanden ist, kann gerne in seine Heimat zurück.
      Und ehrliche, hier lebende und arbeitende Ausländer wären von dieser Maßnahme nicht betroffen!
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 22:37:46
      Beitrag Nr. 312 ()
      realitaetsnah/-fremd :p

      Flüchtlinge, nichtdeutsche, Hilfen für ....

      Hilfen, soziale Leistungen:

      Die heimatlosen Ausländer, Asylberechtigten und Kontingentflüchtlinge sind weitgehend den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt. Dies gilt insbesondere bei Arbeitslosigkeit, für die Sozialversicherung und Ausbildungsförderung sowie die Gewährung von Sozialhilfe und Krediten, Bürgschaften und Zuschüsse zur Gründung und Sicherung der Existenz. Zur Eingliederung in Schule, Beruf und Gesellschaft sowie zur Sprachförderung werden ihnen Deutschkenntnisse vermittelt.

      Im Falle der Hilfsbedürftigkeit erhalten diese Ausländer (mit gesichertem Aufenthaltsstatus) Leistungen nach § 120 Bundessozialhilfegesetz.

      Asylbewerber und sonstige Ausländer mit ungesichertem oder befristetem Aufenthaltsstatus (z.B. Bürgerkriegsflüchtlinge) erhalten im Falle der Hilfsbedürftigkeit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

      Neben Sachleistungen wird ein Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse geleistet. Leistungen werden nur dann gewährt, wenn die Asylbewerber vor Leistungsbeginn ihr gesamtes Vermögen und Einkommen aufgebraucht haben. Kindergeld wird während der Dauer des Asylverfahrens versagt.
      www.bafl.de - ist eine bayerische Ministeriumswebsite!
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 22:42:41
      Beitrag Nr. 313 ()
      Ja, Stella, es ist mir bekannt, dass das der derzeitige Stand ist, was Du da schreibst. Ich bin aber nicht der Meinung, dass das zukünftig so bleiben sollte! Und wohl auch nicht wird!
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 22:52:43
      Beitrag Nr. 314 ()
      realitaetsnah
      Du meinst, wir sollten ein Gesetz für zwei Klassen von Menschen machen?

      Ich bin der Meinung, dass die Reduzierung der SH einige abschrecken wird!
      Avatar
      schrieb am 01.07.04 23:19:23
      Beitrag Nr. 315 ()
      Das hat nichts mit zwei Klassen zu tun. Der Staat ist für seine Staatsbürger verantwortlich, nicht für seine Gäste! Ich kenne nicht die Gesetze aller anderen Länder, aber ich kenne kein Land, wo ich als Deutscher von einem ausländischen Staat "Sozialhilfe" oder ähnliches bekomme. Kennst Du einen Deutschen in Ankara, der vom türkischen Staat 350 € Sozialhilfe plus Wohnung bekommt? Wir sind doch nicht das Sozialamt der Welt!!!
      Sozialhilfe abschrecken, naja, einige vielleicht. Aber der Großteil in meiner Gegend kann sich dagegen nicht wehren. Wenn zehn Mann um einen Stuhl rennen, dann kann sich nur einer setzen, wenn die Musik ausgeht, auch wenn der Anreiz, den Sitzplatz zu erhaschen, größer wird. Auch wenn man trainiert, schnellstmögliche Reaktionszeiten und Taktik erlernt, wenn keiner mehr Stühle hinstellt, hat das alles keinen Sinn. Wenn man die Arbeitszeiten aber verlängern will, aber nicht mehr Absatz erzielt (woher?), dann rennen dann bald 12 Leute um diesen einen Stuhl, und 11 Leuten wird klar gemacht, dass sie schlecht sind, weil sie den Stuhl nicht belegen.
      Die deutsche Industrie exportiert wie noch nie ihre Waren, und hochbezahlte Manager und Politiker erzählen uns, dass wir zu teuer produzieren. Die Gehälterschere klafft immer weiter auseinander, und die Politik ist sich einig, das zu forcieren, nein, so geht das nicht.
      Es wird nicht mehr lange dauern, dann kommen die Leute zu den Gewerkschaften zurück, wenn diese sich erneuern würden. Denn zur Zeit werden die Gewerkschaften echt gebraucht, sonst gibt es hier soziale Spannungen, an die wohl noch keiner so recht glaubt.
      Avatar
      schrieb am 04.07.04 01:55:51
      Beitrag Nr. 316 ()
      kommentar
      Es ist albern, auf ein Jobwunder zu hoffen

      Es ist das größte Reformprojekt von Regierung und Union: Hartz IV. Und es ist völlig klar, dass es scheitert. Natürlich wird die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe verwaltungstechnisch irgendwie funktionieren. Aber offiziell war man ehrgeiziger, "Fordern und fördern", lautete das Motto.

      Vom Fördern ist jedoch nichts zu sehen. Selbst die Regierung räumt längst ein, dass sie überhaupt nur jedem vierten Arbeitslosen ein Angebot machen kann. Wenn man es denn ein Angebot nennen will, dass der Staat demnächst Lohndumping betreibt und seine Kindergärten mit arbeitslosen Erzieherinnen bestückt, die aber nur einen Euro zusätzlich verdienen.

      Ein riesiges Reformprojekt - und hinterher ist alles weitgehend wie vorher und für viele Arbeitslose noch schlimmer. Es verlangt viel Fantasie, eine solche Bilanz nicht als Scheitern zu bezeichnen. Aber genau diese Fantasie werden Regierung und Union aufbringen. Sie werden einfach erklären, dass Hartz IV ein viel versprechender Start für Hartz V war.

      Hartz V gibt es zwar noch nicht, aber die ersten Anzeichen sind zu erkennen, wie die Hartz-Serie weitergeht. Denn die Lieblingsanalyse lautet schon jetzt: Wenn Hartz IV keine Jobs schafft - dann nur, weil das Gesetzespaket nicht radikal genug war! Also weiter runter mit der staatlichen Unterstützung für Arbeitslose!

      Diese Spirale nach unten wird sich drehen, solange sich diese Gesellschaft nicht entschließen kann, es einfach mal einzusehen: Es ist albern, darauf zu hoffen, dass ein Jobwunder geschieht. Die deutsche Wirtschaft müsste jahrelang jährlich um fünf Prozent wachsen, um Vollbeschäftigung zu erreichen.

      Doch solange diese recht simple Tatsache ausgeblendet wird, so lange wird sich die Unterstellung halten, dass es irgendwie an den Arbeitslosen liegen muss, dass sie keine Arbeit haben. Schon erstaunlich: Selbst die Erfahrungen im Osten konnten diese absurde Kausalitätsbehauptung nicht erschüttern. In der offiziellen Rhetorik hat sich zwar längst der Textbaustein durchgesetzt, dass es im Osten leider keine Jobs gebe - dennoch werden die Arbeitslosen dort besonders hart bestraft. Schließlich bekommen sie noch häufiger Arbeitslosenhilfe als im Westen und werden jetzt alle kollektiv heruntergestuft. So sehr man ihre Situation verbal anerkennt, real ist das Vorurteil stärker, dass Arbeitslose selbst Schuld haben. Hartz V wird das zu würdigen wissen."
      ULRIKE HERRMANN

      inland SEITE 6
      taz Nr. 7399 vom 3.7.2004, Seite 1, 86 Kommentar ULRIKE HERRMANN, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 06.07.04 19:48:11
      Beitrag Nr. 317 ()
      Damit mal klar wird, wie unsere Wirtschaft durch freche Arbeitnehmer, die Lohn fordern, "gefährdet" ist und um mal kurz klarzumachen, wie wichtig einseitige belastung der Arbeitnehmer durch Sozialabgaben nötig ist, während die fantastsiche Infrastruktur Deutschlands selbstverständlich FÜR KONZERNE (NICHT: Für Bürger) GRATIS sein muss und warum mehr Wochenarbeitsstunden und weniger Urlaub dringend nötig ist und natürlich alle Arbeitslosen selber schuld sind:


      Profite wieder in höchsten Höhen

      Rekordgewinne bei Konzernen erwartet. Deutsche noch etwas hinter ihren angelsächsischen Vorbildern


      BERLIN taz Die Gewinne großer Unternehmen in den USA, aber auch in Europa steigen weiter stark an. Gemessen an der Wirtschaftskraft, haben die Konzerne in den USA seit Ende der 60er-Jahre nicht mehr so gut verdient, so Daten des Dienstleisters Thomson Financial. Die 500 größten Firmen der USA steigerten ihre Profite innerhalb eines Jahres um ein Viertel - ausgehend bereits von hohem Niveau. Und im kommenden Jahr soll es weiter nach oben gehen.

      Experten wundern sich angesichts der Gewinnexplosionen, dass die Börsenkurse nur zögerlich folgen. Sie vermuten, dass die Angst vor Terroranschlägen und der allgemeinen unklaren Weltlage den Blick auf die Bilanzen verdeckt. Andere vermuten, dass kleine und große Anleger nach dem Börsencrash einfach vorsichtiger geworden sind.

      In Europa befinden sich die Gewinne der größten 500 börsennotierten Unternehmen wieder auf dem Stand des Jahres 2000 - der Zeit vor dem großen wirtschaftlichen Tiefgang also. Sie wiesen laut einer Rangliste aus Wall Street Journal und Handelsblatt zusammen Profite in Höhe von 223 Milliarden Euro aus - und dabei sind noch Verluste der Telekom-Firmen in Höhe von knapp 60 Milliarden als Minus eingerechnet. Profit-Spitzenreiter in Deutschland ist der Energiekonzern Eon mit 4,6 Milliarden Euro im Jahr 2003. Auch für deutsche Konzerne werden im laufenden Jahr Gewinnsteigerungen von 50 Prozent erwartet.
      "MKR

      inland SEITE 6
      taz Nr. 7401 vom 6.7.2004, Seite 1, 50 TAZ-Bericht MKR

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      Allerdings wird Hartz I-IV (die bisher keinen einzigen arbeitsplatz geschaffen haben) durch die Beschlagnahme privaten Vermögens unmittelbar die KAufkraft der Arbeitslosen auf Null senken.

      Schlimmer noch:

      Jeder, der nicht absolut sicher ist, seinen Job auch in Zukunft zu behalten (also alle, die nicht beamtet sind oder Millionär) werden angesichts des Falls von Hundertausenden, wenn langfristig nicht sogar 1-2 Mio Menschen in das Leere der RotGRünen "Reformen" alles sparbare behalten und beiseite schaffen.
      DAS wird dann auch die Binnen-Nachfrage endgültig killen.

      Einzelhandel ade.
      Was bleibt, sind GRoßkonzerne, die durch MAssenheere von Minijobbern ohne jede Altersvorsorge-Möglichkeit versorgt ein Land völlig ausbeuten und nach und nach jede staatliche Institution durch "Privatisierung" (bald sicherlich wie in anderen Staaten auch das Trinkwasser, welches dann teuer an die ehemaligen Bürger und Neu-Sklaven mit 1000 Prozent Gewinn zurückverkauft wird) an sich reissen.
      Endstadium wird dann eine neue Zeit des Frühkapitalismus sein. Nur eben digitalisiert und perfekt überwacht.


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      rekordgewinne
      Profite retten keine Stelle
      Die Gewinne der großen Firmen in den USA, aber auch in Deutschland, steigen rasant. Plus 25 Prozent pro Jahr, plus 30 Prozent, 4 Milliarden Euro, 15 Milliarden Dollar nach Steuern - "Wer bietet mehr?" heißt das Spiel. Es erstaunt selbst erfahrene Beobachter, wie schnell die großen Konzerne die Krise überwunden haben. Manche meinen sogar, sie haben die Krise benutzt, um noch mehr aus ihren Beschäftigten herauszuholen.


      KOMMENTAR
      VON REINER METZGER
      Die hohen Gewinne passen auf den ersten Blick in die deutsche Debatte um mehr Reformen: Unternehmen, die so hohe Gewinne einfahren, haben doch nun weiß Gott kein Recht, auch noch mit Standortverlagerungen, Arbeitszeitverlängerung oder Lohnkürzungen zu drohen, so die gängige Meinung.

      Dies ist ein Trugschluss, und zwar ein kompletter. Denn das Selbstverständnis der Manager ist nicht, einfach Gewinn zu machen, sondern möglichst viel Gewinn. Und es ist unerheblich, ob Siemens Verlust macht oder wie im vergangenen Jahr 2,5 Milliarden Gewinn nach Steuern: Sie werden die Fertigung mancher Elektrogeräte ins Ausland verlegen, wenn es sich rechnet, weil es den Gewinn weiter maximiert. Für die Reformdebatte bringen die Rekordgewinne der Großen also keine Entlastung. Für die Logik des Ausgleichs oder gar der Bescheidenheit sind die Unternehmensführer heute taub.

      Etwas ganz anders ist der Effekt, dass die Firmen immer weniger ihrer Mammutgewinne an den Staat als Steuern abgeben. Je größer ein Konzern, desto mehr jongliert er zwischen den einzelnen Staaten hin und her, bis die Steuerlast in die entgegengesetzte Richtung optimiert ist wie der Gewinn. Hier könnte die Politik allerdings eingreifen: Wenn sich die großen Industriestaaten einig wären, könnten sie noch die letzte karibische Steueroase zwingen, zumindest die krassesten Schlupflöcher zu stopfen - ganz zu schweigen von den Schwarzgeldströmen, die ebenfalls durch die Untätigkeit der Politik um den Globus wandern.

      Doch die Industriestaaten sind weit von irgendeinem Handeln entfernt.
      Denn die Führungsmacht USA will nicht besteuern, die Europäer sind gespalten, und die deutsche Regierung flüchtet in Lippenbekenntnisse. So wird also hierzulande weiter gespart bei den staatlichen Investitionen. Und trotzdem bleiben keine Steuern übrig, um die Lohnnebenkosten zu senken und so das Abwandern ganzer Industriezweige zu bremsen. Wer von den Gewinnen nichts abschöpft, verliert weiter.

      taz Nr. 7401 vom 6.7.2004, Seite 1, 84 Kommentar REINER METZGER, Leitartikel
      Avatar
      schrieb am 07.07.04 00:20:16
      Beitrag Nr. 318 ()
      06.07.04 |focus.de
      In Deutschland sind immer mehr Menschen auf
      Lebensmittelspenden angewiesen, weil ihre Einkünfte nicht mehr zum Einkaufen ausreichen.

      Arm im Alter – Sozialfall Durchschnittsrentner


      Wie das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ berichtet, hat der Bundesverband „Deutsche Tafel“ alarmierende Zahlen vorgelegt: Ehrenamtliche Mitarbeiter der „Tafel“ versorgen inzwischen täglich über eine halbe Million Bedürftige mit kostenlosen Lebensmitteln, die von Herstellern und Handel gespendet werden. Im Jahr 2001 seien es rund 200 000 Menschen gewesen. Betroffen seien vor allem Arbeitslose und deren Angehörige, Alleinstehende und Familien mit Kindern.

      Der Verband befürchtet, dass die inzwischen bundesweit 440 Anlaufstellen nicht mehr ausreichen, wenn Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ab 2005 zum „Arbeitslosengeld II“ zusammengelegt werden.

      Sprecherin Susanne Lexa sagte „Plusminus": „Der Ansturm auf die Tafeln wird mit Hartz IV rapide zunehmen. Die Reform trifft vor allem die rund 2,1 Millionen Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die massiv schlechter gestellt werden. Gerade diese Menschen und ihre Familien werden immer stärker auf die Hilfe der Tafeln angewiesen sein.“
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 19:32:05
      Beitrag Nr. 319 ()
      Hartz IV auf der Kippe

      Vor Abstimmung im Bundesrat: Breite Front im Osten gegen das Gesetz

      Vor der Bundesratsentscheidung über das Hartz-IV-Gesetz am Freitag hat nun auch das von einer großen Koalition regierte Brandenburg seine Ablehnung angekündigt. Außerdem stellte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) den Kompromiss zu Hartz IV zwischen Regierung und Opposition aus dem Vermittlungsausschuss wieder in Frage. Damit könnte die Abstimmung über das Optionsgesetz zur Umsetzung der Arbeitsmarktreform noch einmal spannend werden.


      08.07.2004



      "Wenn sich die ostdeutschen SPD-Ministerpräsidenten reihenweise in Büsche schlagen und den mühsam erreichten Kompromiss im Bundesrat ablehnen, muss Niedersachsen sein Abstimmungsverhalten überdenken", sagte Wulff der Chemnitzer "Freien Presse".

      Machtwort von Schröder gefordert
      Die Union sei angesichts der dramatischen Lage auf dem Arbeitsmarkt bereit gewesen, Hartz IV über die parlamentarischen Hürden zu helfen und in Kraft treten zu lassen. Das setze allerdings voraus, dass die SPD-Regierungschefs sich nicht verweigerten.

      Wulff forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement auf, "die eigenen SPD-Ministerpräsidenten in die Gesamtverantwortung zu stellen und auf Linie zu bringen". Sollten sie bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben, "dann kann Hartz IV im Bundesrat scheitern". Wulff deutete laut dem Bericht an, dass auch die CDU/FDP-Koalition in Baden-Württemberg über eine Ablehnung nachdenke.

      Bayern stimmt zu
      Der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber (CSU) sprach am Donnerstag von einer "bemerkenswerten Reform - aber sie wird nicht ausreichen". Trotzdem werde Bayern dem Kompromiss der Vermittler zustimmen. In Vorbesprechungen lehnten die Ostländer Sachsen (CDU), Sachsen-Anhalt (CDU/FDP), Berlin und Mecklenburg-Vorpommern (beide SPD/PDS) den Entwurf ab. Das CDU-regierte Thüringen hielt seine Entscheidung noch offen.

      Baden-Württemberg werde "mit großen Bauchschmerzen zustimmen", kündigte der Bundesratsminister des Landes, Rudolf Köberle (CDU), an. "Begeisterung ist nirgends mehr vorhanden." Überall werde Chaos im Januar 2005 erwartet, wenn das Gesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einem Arbeitslosengeld II in Kraft treten und Langzeitarbeitslose besser vermittelt werden sollen. Bei aller Kritik an dem Entwurf sieht auch der CSU-Politiker Huber die "Mehrheit nicht in Gefahr".

      An der Realität vorbei?
      Der Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), erklärte zur Ablehnung durch sein Bundesland: "Nach jüngsten Berechnungen geht die Vorlage an der tatsächlichen Situation der Arbeit Suchenden in unserer Region vorbei." Das Anliegen von Hartz IV sei Integration durch Arbeit. Auf Grund der hohen Summe von Langzeitarbeitslosen und der geringen Anzahl von Jobangeboten in Brandenburg seien die bisher vorliegenden Regelungen nicht ausreichend, um ihr Ziel in Brandenburg zu erreichen.


      :laugh:

      http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/18/0,1367,POL-…
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 19:42:31
      Beitrag Nr. 320 ()
      #319

      Ein übliches Ritual im Vorfeld solch umstrittener und knapper Sachen. Einige Länder wollen noch etwas rauspressen, was ihnen schon lange am Herzen liegt und was der Bund dann gegen Abstimmungswohlverhalten herausrücken wird. Wie immer! Außerdem versucht die CDU, angesichts der Spannungen innerhalb der SPD die Schwäche von Schröder auszunutzen und die Regierung weiter zu beschädigen.

      Ich würde eine Menge Geld darauf wetten, daß Hartz IV beschlossen wird. Änderungen sind ja nach den Spielregeln nicht mehr möglich und ein Scheitern kann sich politisch niemand leisten.
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 21:36:12
      Beitrag Nr. 321 ()
      Punk24
      das ist schon wieder überholt! Gestern habe ich gelesen, dass alle alten Bundesländer Hartz IV zustimmen werden :laugh:

      Mal schaun, was der Tag morgen bringt!
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 21:40:44
      Beitrag Nr. 322 ()
      Sehr interessant finde ich diese Mitteilung:

      China will Pfizer für Viagra keinen
      Patentschutz mehr gewähren

      07. Jul 15:32

      Der Pharma-Konzern Pfizer könnte sein Viagra-Patent in China verlieren. Die chinesische Regierung hat den Patentschutz zurückgezogen – der Konzern will dagegen klagen.

      Die chinesische Regierung geht offenbar sehr lax mit geistigen Eigentumsrechten um. Dem amerikanischen Pharmakonzern Pfizer sollen seine Patenrechte für das Potenzmittel Viagra entzogen worden sein, berichtete das «Wall Street Journal» am Mittwoch. Die zuständige Behörde habe das Patent für die Nutzung von Sildenafil, dem Hauptwirkstoff des Präparats, aufgehoben.
      Pfizer will gegen die Entscheidung Klage einreichen. So lange die Klage läuft, gilt auch noch das Patent auf das Medikament. «Wir sind über die Entscheidung sehr enttäuscht», zitiert die Nachrichtenagentur AP den Konzern. Im Ausland wird der Streit um das Viagra-Patent als Test für Chinas Bekenntnis zum Schutz von geistigem Eigentums angesehen.

      Viele Fälschungen im Umlauf

      Eine Gruppe von chinesischen Unternehmen hatte die Regierung in einem Schreiben aufgefordert, das Patent bei Sildenafil aufzuheben, da es nicht die Anforderungen des chinesischen Gesetzes erfülle. Nach chinesischem Recht kann ein Patent nur dann gewährt werden, wenn kein gleichwertiges Produkt in China erfunden wurde, oder in China benutzt wird.

      Pfizer hat in ähnlichen Fällen bereits den Patentschutz in Kolumbien und Venezuela verloren. Viagra war in den USA im Jahre 1998 auf den Markt gekommen und wird seit 2000 unter dem Namen «Wan Ai Ke» auch in China verkauft. Schon sechs Monate nach der Markteinführung waren Medienberichten zufolge aber rund 90 Prozent der verkauften Viagra-Pillen Fälschungen.

      USA droht mit Strafzöllen

      China hatte sich im Rahmen der Verhandlungen über die Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) bereit erklärt, geistiges Eigentum zu schützen. Nach Aussage von hochrangigen Diplomanten könnte sich die EU und auch die USA gezwungen sehen, als Sanktion die Zölle für chinesische Produkte anzuheben, sollte Pfizer sein Patent verlieren.

      Eine Reihe von hochrangigen US-Beamten haben China in den vergangenen zwei Jahren mehrfach besucht, um über den Patentstreit zwischen Pfizer und der chinesischen Regierung zu verhandeln. (nz)

      Sollte sich China durchsetzen, bricht ein gewaltiger Markt weg und bei Erfolg wird wohl auch anderen Pharmakonzernen der Patentschutz entzogen. Mir gefällt das :D
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 21:42:01
      Beitrag Nr. 323 ()
      sorry, mein letztes Posting ist falscher srd,gehört in den Gesundheitssrd von Deep Thought!
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 22:04:03
      Beitrag Nr. 324 ()
      Wirtschaftskrise 1930 und die gleichen Rezepte

      Ende März 1930 Heinrich Brüning der katholischen Zentrumspartei Reichskanzler beginnt, mit Hilfe von Notverordnungen den Forderungskatalog des Reichsverbands der Deutschen Industrie (RDI) Punkt für Punkt abzuarbeiten. Als erstes wird der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung auf 4,5 Prozent angehoben und eine Zwangsgebühr für Krankenscheine sowie eine Beteiligung an den Arzneimittelkosten eingeführt. Dann wird die "Krisenfürsorgeunterstützung" (Arbeitslosenhilfe) gesenkt und ihre Bezugsdauer verkürzt. Und nachdem der RDI abermals niedrigere Lohnkosten angemahnt hat als "wichtigste Voraussetzung der Wiedereinführung der Arbeitslosen in die Produktion", senkt die Reichsregierung per staatlich erzwungenen Schiedsspruch die Löhne in der Berliner Metallindustrie um insgesamt acht Prozent. Im Dezember 1930 werden die Gehälter und Pensionen der Beamten um sechs Prozent gekürzt, Grund und Gewerbesteuern werden gesenkt, die Bier- und Tabaksteuer erhöht.
      Die Zahl der Arbeitslosen steigt weiter auf vier Millionen.
      Die Regierung Brüning beantwortet den Anstieg, toleriert von der SPD-Fraktion im Reichstag, mit erhöhtem Druck auf Arbeitslose wie Erwerbstätige. Mit der Notverordnung "zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen" werden bei der Arbeitslosenunterstützung zehn Prozent gestrichen, die Löhne, Gehälter und Renten der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst um bis zu acht Prozent gekürzt.
      Im April 1931 mahnt der RDI weitere Lohnkürzungen an. Die Maßnahmen kommen, die Erholung nicht. Noch unter Brüning sinken die Löhne und Gehälter im Vergleich zu 1928 um rund 15 Prozent, zusätzlich geschmälert um erhöhte Sozialversicherungsbeiträge und eine "Krisensteuer". Ende 1932 fehlen mehr als 25 Prozent in der Lohntüte. Noch härter trifft es die Arbeitslosen, deren offizielle Zahl Ende 1932 bei sechs Millionen liegt, von denen aber nur rund zwei Millionen Arbeitslosen- oder Krisenunterstützung beziehen, der große Rest muss von der Wohlfahrt leben oder hat gar nichts. Die Bezugsdauer der Unterstützung ist längst von 26 auf sechs Wochen verkürzt, der Zugang durch Bedürftigkeitsprüfungen erschwert.
      Aber die, denen die Zerschlagung des Sozial- und Tarifsystems ein Herzensanliegen war, haben keine Freude an der Verwirklichung ihrer Empfehlungen. Mangels kaufkräftiger Nachfrage schrumpft die Industrieproduktion in Deutschland zwischen 1929 und 1932 um 42 Prozent, die Auslastung der Produktionskapazitäten sinkt auf 35 Prozent, die Gewinne brechen weg.
      In der Marktwirtschaft entsteht das Einkommen des Unternehmers erst am Schluss, wenn alle Kosten bezahlt und alle Produkte verkauft sind. Wenn keiner Geld hat zu kaufen, sind zwar die Kosten schön niedrig, aber noch niedriger ist der Gewinn. Dieses einfache Paradoxon wurde 1929 der Habgier und dem Geiz geopfert. Und wird es heute wieder.
      Begriffen hatten das die Amerikaner, die von der Depression mindestens so gebeutelt worden waren wie die Deutschen. Sie verabschiedeten ab 1933 eine Reihe von Gesetzen, die allesamt die Kaufkraft und das Vertrauen der Massen heben sollten.
      Nachdem dieser "New Deal", den ein britischer Ökonom namens John Maynard Keynes wissenschaftlich unterfütterte, gelungen war, war der sogenannte Liberalismus, die Mär von der Selbstheilung der Wirtschaft, als unzulänglich entlarvt und schien überwunden. Aber da die Dummheit nicht schläft kam es anders. Heute sitzen sie wieder am Tisch und schreien: alles meins!
      Avatar
      schrieb am 08.07.04 23:33:48
      Beitrag Nr. 325 ()
      Golddistel,

      bravo, ein erstklassiger Beitrag.

      Leider weigern sich Menschen standhaft, aus der Vergangenheit
      zu lernen.

      Wird schon noch kommen.
      Avatar
      schrieb am 09.07.04 07:03:46
      Beitrag Nr. 326 ()
      #324

      "Begriffen hatten das die Amerikaner, die von der Depression mindestens so gebeutelt worden waren wie die Deutschen. Sie verabschiedeten ab 1933 eine Reihe von Gesetzen, die allesamt die Kaufkraft und das Vertrauen der Massen heben sollten."

      Aber erst 1933, nachdem F. D. Roosevelt Präsident geworden war. Vorher wurde ein kontraktiver geldpolitischer Kurs gefahren, der die Krise noch verschärfte. Übrigens war 1933 auch Deutschland schon auf dem Weg der Besserung, was aber zu spät kam.

      Der Vergleich mit den Brüningschen Notverordnungen paßt nicht, weil es damals nicht den heutigen Standard der sozialen Absicherung gab. Arbeitslosigkeit damals bedeutetet für eine Familie mit Alleinverdiener (was die Norm war) i. d. R. Hunger. Vom heutigen Arbeitslosengeld konnte man damals nur träumen.
      Avatar
      schrieb am 09.07.04 15:37:57
      Beitrag Nr. 327 ()
      SPIEGEL ONLINE - 09. Juli 2004, 14:59
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,307934,00.h…


      Peter-Glotz-Interview zur SPD

      "Die Regierung glaubt ihre eigenen Antworten nicht"


      Peter Glotz war in den achtziger Jahren Bundesgeschäftsführer der SPD. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE spricht er über die Versäumnisse in der Vergangenheit, die Gefahr einer neuen Linkspartei, die Fehler des Kanzlers und die Fähigkeiten des Joschka Fischer.

      Peter Glotz, 65, von 1982 bis 1987 Bundesgeschäftsführer der SPD, lehrt heute an der Universität St. Gallen in der Schweiz. Im Jahr 2002 saß er auf Wunsch des Kanzlers für die Bundesregierung im EU-Konvent. Glotz ist Autor zahlreicher Bücher und arbeitet auch für das Fernsehen. Zuletzt erschien von ihm "Die Vertreibung"


      SPIEGEL ONLINE: Herr Glotz, ist die drohende Gründung einer neuen Linkspartei für die SPD eine Herausforderung wie in den achtziger Jahren das Entstehen der Grünen?

      Peter Glotz: Ich sehe eher Unterschiede als Parallelen. Damals gab es viele parlamentarische Gruppen vor Ort - aus der Friedens-, Frauen- und Ökologiebewegung. Aber ein Arbeitsloser, der heute real von Hartz IV bedroht ist, der geht nicht auf die Straße wie damals die Friedensbewegung. Zudem fehlt einer neuen Protestbewegung Spitzenpersonal - wie es einst für die Grünen Petra Kelly, auch schon Joschka Fischer und Otto Schily waren.

      SPIEGEL ONLINE: Nun könnten ja Oskar Lafontaine und Gregor Gysi als Führungspersonal beispringen.

      Glotz: In der Geschichte der Linken in Deutschland waren neue Parteien stets auch ein Anziehungspunkt für Sektierer. Lafontaine und Gysi werden es sich dreimal überlegen, ob sie einem solchen Verein beitreten.

      SPIEGEL ONLINE: Wenn sich eine mögliche neue Linkspartei-West in einer Liste mit der Ostpartei PDS verbindet, muss man dann nicht heute schon sagen: Wir durchleben gerade eine Phase, an deren Ende im Jahr 2006 das Aus für Rot-Grün steht?

      Glotz: Ob die neue Linkspartei der Arm der PDS im Westen sein wird, da habe ich doch meine Zweifel. Es mag einzelne gute Leute dort geben, aber bei einer Neugründung im Westen haben sie die notorischen Quengler immer mit dabei, die DKP-Kameraden, KBW-Kameraden. Gehen Sie mal nach Nürnberg und fragen Sie da nach der linken Szene...

      SPIEGEL ONLINE: Wir fragen Sie...

      Glotz: Was sich Ihnen dort bietet ist ein Psychodrom! Daher glaube ich auch nicht, dass diese neue Partei so viel hermachen würde.

      SPIEGEL ONLINE: Wenn aber die Gewerkschaften mitmachen?

      Glotz: Das, glaube ich, werden sie nicht tun. Natürlich weiß man nicht, wen eine neue Partei anzieht, welche Intellektuellen zu ihnen stoßen. Aber um eine Partei zu gründen, braucht man Geld. Das könnten nur die Gewerkschaften bereitstellen, das Kapital wird es nicht tun. Zweitens braucht man Spitzenpersonal und drittens Organisationskraft. Nein, eine linke Forza Germania halte ich zurzeit nicht für wahrscheinlich.

      SPIEGEL ONLINE: Wäre eine Abspaltung nicht begrüßenswert? Befreite sich die SPD nicht von einer Last?

      Glotz: Dazu müsste die Debatte grundsätzlicher sein. Bei der Begründung der Reformmaßnahmen ist die Regierung aber ungeheuer vorsichtig gewesen. Sie sagt ja nicht: Kapitalismus ist Kapitalismus und wir können gar nicht anders. Sie sagt auch nicht klar, warum sie keine Beschäftigungsprogramme à la Karl Schiller machen kann, welche Grenzen ihr der Stabilitätspakt auferlegt. Stattdessen ist sie ungeheuer defensiv.

      SPIEGEL ONLINE: Teile der Gewerkschaften werfen der SPD vor, sie habe ihre Versprechungen gebrochen.

      Glotz: Weil die Regierung keine Antworten hat oder selbst nicht an ihre eigenen Antworten glaubt, wundere ich mich auch nicht, dass die Leute heute sagen: Ihr habt uns immer gepredigt, wenn die anderen solch ein Programm wie die Agenda 2010 durchsetzen, dann ist das Sozialabbau. Dass sich einige Rechte in der SPD nun freuen, wenn die Linken die Partei verlassen - nun gut! Stärker wird die SPD dadurch nicht.

      SPIEGEL ONLINE: Gibt es eine Sehnsucht nach der alten Bundesrepublik in der SPD?



      DPA
      Kanzler Schmidt, 1979 im Bundestag: Härtere soziale Einschnitte gefordert

      Glotz: Das Problem der SPD und der Gewerkschaften ist, dass sie beide nicht begriffen haben, dass die Wachstumsphase 1975 zu Ende war.

      SPIEGEL ONLINE: Also mitten in der sozialliberalen Ära von Helmut Schmidt.

      Glotz: Ich werde nie vergessen, wie er in einer seiner letzten Fraktionssitzungen vor dem Ende 1982 gesagt hat: Man müsste noch viel tiefer ins soziale Netz schneiden, aber da macht ihr ja nicht mit.

      SPIEGEL ONLINE: Aber als die SPD 1983 auf den Oppositionsbänken saß und Sie ihr Bundesgeschäftsführer waren, hat die Partei von Schmidt nicht mehr viel wissen wollen.

      Glotz: Richtig. Sie hat ihn mit persönlichen Angriffen verschont, ansonsten aber hat die SPD so getan, als sei Schmidt das 19. Jahrhundert und sie könne so weitermachen wie in den siebziger Jahren.

      SPIEGEL ONLINE: Seitdem sind fast 30 Jahre vergangen, in denen die SPD schlichtweg die Realität verdrängt hat.

      Glotz: Das war nicht allein ein Fehler der SPD. Es war ja auch nahe liegend in der Konkurrenz zur Blüm-CDU, von der man sich bei den sozialpolitischen Leistungen nicht links überholen lassen wollte. Und wenn die Regierung Kohl mal etwas Richtiges tat, dann polemisierte man dagegen an, um es - wie beim Demografiefaktor in der Rente - zunächst in der Anfangsphase von Rot-Grün abzuschaffen und dann später unter anderen Namen wieder einzuführen.

      SPIEGEL ONLINE: Warum hat der Erkenntnisprozess so lange gedauert?

      Glotz: Das Grundproblem war und ist die sozialpolitische Mentalität in der SPD. Sie hat alles andere zu lange überwuchert. Wir haben jahrelang unsere Identität daran festgemacht, dass wir diese oder jene soziale Leistung erhöhen.

      SPIEGEL ONLINE: Stehen wir vor einer Parzellierung der politischen Milieus? Erst bricht der SPD ein akademisches Milieu weg, das zu den Grünen geht, dann verliert auch die FDP an die Grünen und schließlich steht auch die Union vor ähnlichen Herausforderungen wie die SPD.

      Glotz: Wir haben eine Entwicklung hin zu amerikanischen Verhältnissen. Die SPD kann jeden Tag weinend vor ihren Statistiken stehen und bejammern, dass sie keine Million Mitglieder mehr hat - aber diese Zeiten sind vorbei. Neue Partizipationsformen müssen sich entwickeln, wie etwa in München das Kulturforum des Christian Ude. Das ist wirksam - obwohl es davon in der SPD noch zu wenige gibt. Da sind die Grünen viel wirksamer als wir. Aber eines ist sicher - der Kern der sozialdemokratischen Funktionäre, die ich damals als Bundesgeschäftsführer bedient habe, wird immer kleiner.

      SPIEGEL ONLINE: Was ist mit der Union?

      Glotz: Die Auseinandersetzungen stehen der Union, auch der CSU, noch bevor. Noch halten die spezifischen Bindungen in die verschiedenen Milieus. Man wird sehen, was die Leute um Horst Seehofer machen, wenn sich die Waage mehr und mehr Richtung Umbau des Sozialstaates neigen wird - der im Übrigen in der Gesundheitspolitik viel härter ausfallen dürfte.

      SPIEGEL ONLINE: Zentrales Problem der SPD ist ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften. Das Präsidiumsmitglied Andrea Nahles meint, die Hegemoniefähigkeit der Linken gehe immer dann verloren, wenn SPD und Gewerkschaften auseinander fallen.

      Glotz: Bei allem Respekt vor den Jüngeren - aber wir haben Konflikte gehabt mit den Gewerkschaften, dagegen ist das, was wir heute erleben, ein Sturm in der Teepause. Während des Streits um die Notstandgesetze, die die SPD 1968 in der Großen Koalition mitgetragen hat, gab es tätliche Angriffe von IG-Metall-Mitgliedern auf Sozialdemokraten, wurde Herbert Wehner auf dem Weg zum Parteitag in Nürnberg hart bedrängt. Nein, die Hegemonie hatte die Linke 1969, als Willy Brandt an die Macht kam. Was ich Gerhard Schröder vorwerfe ist, dass er bestimmte Gewerkschaften im DGB nicht rechtzeitig eingebunden hat, BCE, NGG und Transnet.

      SPIEGEL ONLINE: Dazu ist es nun zu spät. Ver.di-Chef Frank Bsirske, ein Mitglied der Grünen, und Schröder haben sich ja gegenseitig angegriffen.

      Glotz: Die Kritik Schröders an Bsirske teile ich. Mit diesem Mann an der Spitze und mit dieser Gewerkschaft in der jetzigen Verfassung ist leider nichts anzufangen. Leider war die SPD aber unfähig, jene Teile aus Ver.di herauszulösen und mit ihr ins Gespräch zu kommen, die vernünftig sind. Schröder hätte frühzeitig begreifen müssen, dass Ver.di mehr ist als Bsirske.

      SPIEGEL ONLINE: Warum schreibt die SPD das untere Drittel, das die Kürzungen betrifft, nicht als Wählergruppe einfach ab und orientiert sich wieder mehr der Mitte zu?

      Glotz: Das wird nicht gelingen. Sie können ihre Wählerschaft ergänzen, aber nicht so leicht ersetzen. Deshalb war der Versuch, die neue Mitte zu erreichen, völlig richtig. Man kann die SPD nicht ändern, so wenig wie man aus Coca Cola ein grünes Getränk macht. Die SPD war und wird immer als eine Partei der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen. Diese Corporate Identity darf sie nicht ablegen.

      SPIEGEL ONLINE: Aber der Arbeitslose, der bald weniger Geld erhält, wird das nicht so sehen.

      Glotz: Und trotzdem führt daran kein Weg vorbei, die Leistungen herunterzufahren und dem Arbeitslosen zugleich neue Angebote zu bieten.

      SPIEGEL ONLINE: Also liegt Wolfgang Clement mit seinem Kurs richtig, ohne Rücksicht auf mögliche Wahlverluste die Agenda und Hartz IV durchzubringen?

      Glotz: Absolut. Wir wissen doch alle, dass es unter den Sozialhilfeempfängern auch Menschen gibt, denen Stütze plus Schwarzarbeit lieber ist als lebenslanges Malochen - auch wenn das, politisch korrekt wie die Linke nun einmal ist, nicht gerne gesagt wird.

      SPIEGEL ONLINE: Hätte die SPD nicht schon viel früher sagen müssen, dass sich die soziale Gerechtigkeit nicht ausschließlich an der Höhe und der Dauer von Leistungen bemisst? Nun werden die Menschen sich jene Partei aussuchen, die am lautesten linkspopulistische Töne von sich gibt.

      Glotz: Wer soll das sein? Kommt keine neue Linkspartei, ist es wohl die PDS. Die, wenn sie an der Regierung ist, auch nicht anderes tun kann als zu sparen.

      SPIEGEL ONLINE: Die Wähler könnten auch zur Union wechseln.

      Glotz: CDU und CSU werden nach wenigen Monaten in dieselbe Lage geraten wie jetzt Rot-Grün, zumal sie noch härter streichen und kürzen wollen. Die Union muss zwangsläufig Enttäuschungen produzieren.

      SPIEGEL ONLINE: In knapp zwei Jahren sind Bundestagswahlen. Wird Schröder dann als gescheiterter Kanzler der SPD, aber als Reformkanzler Deutschlands in die Geschichte eingehen?

      Glotz: Es kann vieles noch passieren. Die Wahl ist noch nicht gelaufen. Und was die Historie angeht - da überlasse ich Ihren Kindern die Beurteilung. Ganz sicher aber werden weder Frau Merkel noch ein Nachfolger Schröders, sollte er irgendwann einmal keine Lust mehr haben, hinter die Reformen zurückfallen.

      SPIEGEL ONLINE: Also keine Hoffnung für Oskar Lafontaine?

      Glotz: Eine Lafontaine-Volte wäre sehr schwierig für die Glaubwürdigkeit einer SPD, die lange Schröder gemacht hat.

      SPIEGEL ONLINE: Was passiert, wenn die SPD in der Opposition gehen muss? Macht sie dann wieder wie 1983 Stimmung gegen Reformen?

      Glotz: Ich wäre dagegen, aber das kann natürlich passieren.

      SPIEGEL ONLINE: Und Lafontaine kehrt wie Phönix aus der Asche zurück?

      Glotz: Möglich. Genauso, wie er mit einer Linkskampagne wieder Wahlerfolge erzielen könnte. Alles denkbar.

      SPIEGEL ONLINE: Manche in der SPD würden sich einen solchen Wechsel wünschen.

      Glotz: Vor einem solchen Kurswechsel kann ich die SPD nur warnen. Man kann zwar gegen einzelne Vertreter der Wirtschaft regieren, gegen Herrn Henkel oder Herrn Rogowski, aber nicht auf Dauer gegen die Ökonomie. Ich kann nur hoffen, dass die SPD nicht denselben Fehler macht wie 1983. Denn wenn man 15 Jahre von der Macht und der Realität weg ist, wird man irgendwann eine virtuelle Partei.

      SPIEGEL ONLINE: Zieht da der Mittelbau der Funktionäre in der SPD mit?

      Glotz: Das ist ein Problem. Man braucht eine Führung, die klare Vorgaben macht, die ihre Position hält und erläutert. Das hat die Parteispitze nicht ausreichend getan in der letzten Zeit. Was glauben Sie, wie es nach Godesberg war? Wenn nicht so beinharte Leute wie Wehner, Schiller, Schmidt, auch Brandt, den Kurs getragen hätten, hätten die Marxisten in der SPD wieder Oberwasser bekommen. Damals gab es knallharte Auseinandersetzungen - und sie konnten nur geführt werden, weil die Führung stark und einig war.

      SPIEGEL ONLINE: Aber wer wagt diese Kämpfe heute noch?

      Glotz: Das ist ja Teil des Dilemmas. Im Grunde müsste es jetzt eine grundsätzliche Debatte um Hartz IV geben, um die Reformen abzustützen und weiter voranzutreiben. Nur: Dafür braucht man auch Personen, die über den tagesaktuellen Rhythmus sich ans Grundsätzliche heranwagen. Franz Müntefering ist, bei allen seinen Fähigkeiten, hierfür nicht der Mann, auch nicht sein Generalsekretär. Einer der wenigen, der da vorangehen könnte, wäre Joschka Fischer...

      SPIEGEL ONLINE: ... der als Grüner also der Beste aller Sozialdemokraten ist?

      Glotz: Solche Sprüche mache ich nicht. Aber Joschka Fischer ist ein tüchtiger Politiker und einer der wenigen, der in der Linken noch eine gewisse Bindefähigkeit hat.

      Das Interview führten Claus Christian Malzahn und Severin Weiland
      Avatar
      schrieb am 10.07.04 02:58:29
      Beitrag Nr. 328 ()
      Peter Glotz: immer auf Augenhöhe mit dem jeweiligen Zeitgeist.

      Heute beruft er sich auf Helmut Schmidt und dessen Forderung nach tiefen Einschnitten ins soziale Netz.

      Und damals?

      Der SPD-Parteitag vom 19. bis 23. April 1982 in München plädierte für Steuererhöhungen und Sonderabgaben, die in erster Linie die Wirtschaft und Vermögende belasten sollten.
      Der SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz mahnte weniger Kompromißbereitschaft gegenüber der FDP an.


      http://uleuschner.bei.t-online.de/liberalismus/fdp18.htm
      Avatar
      schrieb am 10.07.04 08:24:15
      Beitrag Nr. 329 ()
      @

      Herbert Wehner nannte ihn mal einen Glotz am Bein der SPD...
      Avatar
      schrieb am 11.07.04 14:26:15
      Beitrag Nr. 330 ()
      .


      Nur um mal zu zeigen, daß auf der Kommandobrücke der TITANIC immer noch eine bombige Partystimmung herrscht und man sich von einigen Millionen Ertrinkenden ringsum nochj lange nicht die Stimmung vermiesen läßt, hier das ORIGINALZITAT des Bundesgeschäftsführers der SPD, geäussert vor laufender ZDF-Kamera als EINZIGE ANTWORT auf Frage des Journalisten, wie es denn jetzt weitergehe in sachen Hartz:

      "JETZT GEHTS ERST MAL IN FERIEN : SCHLAFEN, SCHWIMMEN, SCHLEMMEN !!! "

      So haben sich eigentlich nur früher in der DDR Bonzen geäussert....

      Ein prägnanteres beispiel für die KOmbination von Unfähigkeit, Ignoranz, Selbstgefälligkeit und realitätsverlust in Tateinheit mit Gewisser Hemmungslosigkeit kann man sich nicht nicht vorstellen...
      ich hoffe, viele Hartz-Opfer haben gut zugehört.

      Das schlimme ist: so denken alle Politiker mitterweile - es gibt zu den Versagern keinerlei Alternative.

      Äusserst bedrückend...
      Avatar
      schrieb am 11.07.04 16:50:30
      Beitrag Nr. 331 ()
      Hallo Deep Thought,

      gibt eine Bezugsquelle oder hast du das selber im Fersehen gesehen.!;)
      Avatar
      schrieb am 11.07.04 23:07:32
      Beitrag Nr. 332 ()
      Habe ich im Fernsehen gesehen.
      Avatar
      schrieb am 11.07.04 23:27:34
      Beitrag Nr. 333 ()
      Mir drängt sich der Eindruck auf, Hartz 4 soll Schluss machen mit den arbeitsscheuen Elementen in unserem Staate.
      Ist das so ?
      Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit sind jedenfalls bestens vorbereitet.
      Es ist mir keine deutsche Behörde bekannt (nicht Polizei,
      Justizbehörden oder Finanzbehörden) die bisher so auf ihren
      "Opfern", den Arbeitslosen, also Menschen die in unserer Gesellschaft ganz unten stehen, derart mit Füssen trammelt.
      Wo es kein Würde oder Ehre für die Menschen vor dem Thresen gibt - eben bei dem ehemaligen Arbeitsamt.
      Eine Behörde bei der man seit jeher viele Leute eingestellt hat ohne besondere Qualifikation und die ihre Macht nun an den Ärmsten der Armen auslassen.
      Der Hauptmann von Köpenick läßt grüßen.
      Dies ist voll im Sinne der Regierung, denn am wichtigsten ist die Arbeitslosenstatistik, die man auf diese Art nach unten manipulieren will. Härte ist angesagt. Wer vor Angst gar nicht erst zum Arbeitsamt geht, der ist auch nicht arbeitslos! Das wäre das Beste! Hartz 4 räumt auf !!!
      Avatar
      schrieb am 19.07.04 12:29:23
      Beitrag Nr. 334 ()
      Aus der heutigen taz:

      Fragen an Küpersbusch:



      In Deutschland werden derweil die Arbeitnehmer von gut verdienenden Unternehmen wie Daimler erpresst, mehr zu arbeiten und auf Geld zu verzichten. Die Gegenwehr der Gewerkschaften wirkt halbherzig. Also Sozialstaat ade? Ist die Stimmung im Lande gekippt?

      Die klassischen deutschen Tugenden - grübeln, lamentieren, Schuld zuweisen - sind mustergültig versammelt im großen Ramentern unserer Wirtschaftsbosse, vulgo: Standortenführer. Wenn ich - als Unternehmer - nach einem vergeigten Pitch zu meinen Mitarbeitern spräche: Na ja, die Steuern sind ja auch zu hoch, eure Lohnnebenkosten auch, und unser Redaktionscomputer hat ja auch noch immer kein eigenes Atomkraftwerk - heißt das vor allem: Ich bin zu feige zuzugeben, dass ICH es vergeigt habe. Unser Standortproblem heißt: Boss. Zielgerichteter kann man die Mannschaft nicht demotivieren als mit der unbedingten Weigerung, mal über eigene Fehler nachzudenken. Stimmen eigentlich unsere Produkte? Ist genug Geld in der Firma belassen, um Neuentwicklungen zu fördern? Generiert die Führungsetage neue Ideen - oder neue Ausreden?

      Wie viel arbeiten Sie freiwillig mehr?

      Immer bis fertig ist. Aber ich arbeite auch nicht entfremdet.

      Gut abkassiert haben die Mannesmann-Manager und -Aufsichtsräte. Gegen sie werden diese Woche die Urteile gefällt. Der angeklagte Deutsche-Bank-Chef Ackermann fühlt sich unschuldig, denn "Leistung und Erfolg müssen belohnt werden". Können die Richter dem zustimmen?

      Die amerikanische Idee von der corporate citizenship, dass also ein Unternehmen die nämlichen Pflichten und Werte zu vertreten habe wie der einzelne Staatsbürger, wird durch den Prozess auf jeden Fall gestärkt - unabhängig vom in Aussicht stehenden Freispruch. Das eigentliche Strafmaß entscheidet der Kunde mit seiner freien Entscheidung, sein Konto nicht bei einer moralisch unterentwickelten Bank zu belassen
      Avatar
      schrieb am 21.07.04 17:29:04
      Beitrag Nr. 335 ()
      SPIEGEL ONLINE - 21. Juli 2004, 15:50
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,309700,00.html

      Hartz-IV-Fragebogen

      Clements Büro lahm gelegt

      Das Ausfüllen des Fragebogens zum neuen Arbeitslosengeld II ist offenbar nicht so einfach, wie es sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement vorstellt. Sein Angebot, bei Fragen persönlich weiterzuhelfen, sorgte für eine Flut von Telefonanrufen. Probleme gab es auch bei der offiziellen Hotline und der Website "arbeitsagentur.de".




      DPA
      Wirtschaftsminister Clement: nur noch Besetztzeichen

      Pforzheim/Halle/Nürnberg - "Mein Büro ist lahm gelegt", sagte Clement auf einer Veranstaltung in Pforzheim. Seiner Meinung nach ist das aber "nicht schlimm". Noch gestern hatte Clement alle Register gezogen, um den 16-seitigen Fragebogen zu verteidigen. Zum Ausfüllen des sehr detaillierten Antrags für das neue Arbeitslosengeld II braucht man nach seinen Berechnungen nicht mehr als eine Dreiviertelstunde. Der Minister bot auf einer Pressekonferenz sogar seine persönliche Hilfe an: "Wer damit nicht zurechtkommt, soll mich anrufen."

      Kritiker monieren, das Formular sei zu kompliziert und könne ohne Hilfe kaum ausgefüllt werden. Ärger gab es auch mit der offiziellen Telefon-Hotline für Langzeitarbeitslose. Nach Informationen der "Mitteldeutschen Zeitung" waren viele Antragsteller schon in den ersten Tagen über die wolkigen Auskünfte der Hotline-Mitarbeiter verärgert.

      So fragte ein erwerbsunfähiger Rentner laut Bericht bei der Hotline nach, ob seine Frau die Fahrtkosten für einen 160-Euro-Job geltend machen könne. Die Auskunft habe gelautet, dass jede Region dies anders handhabe und dass vieles in der Zeitung nachzulesen sei. Ein Sprecher der Arbeitsagentur bezeichnete dieses Verhalten der Telefon-Helfer gegenüber der Zeitung als nachvollziehbar. Diese könnten nur sagen, wo welche Angaben gemacht werden müssten und nicht individuell beraten.



      arbeitsagentur.de: "Wegen geplanter Wartungsarbeiten..."
      Auch mit der Online-Hilfe für Antragsteller gab es Probleme. Die Seite "arbeitsagentur.de" war von gestern Abend bis heute Mittag nicht erreichbar. Zeitweise erschien der Hinweis: "Wegen geplanter Wartungs- und Erweiterungsaktivitäten steht Ihnen das Online-Angebot unter arbeitsagentur.de derzeit leider nicht zur Verfügung." Auf der Seite "arbeitsamt.de", die als Alternative angeboten wurde, war die PDF-Datei, die Antragstellern beim Ausfüllen der Formulare helfen soll, nicht auffindbar. Auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE konnte die Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit nicht sagen, warum die "geplanten" Wartungsaktivitäten gerade jetzt stattfinden.


      Die Anträge auf Arbeitslosengeld II werden seit Wochenbeginn an rund 2,2 Millionen Lanzeitarbeitslose verschickt. Die Informationen bilden die Grundlage für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Rahmen der so genannten Hartz-IV-Reform. Das Arbeitslosengeld II soll ab Januar 2005 ausgezahlt werden.


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      ]"Mein Büro ist lahm gelegt", sagte Clement auf einer Veranstaltung in Pforzheim. Seiner Meinung nach ist das aber "nicht schlimm".

      Stimmt, dann kann Clement nicht mehr so viel Scheisse bauen...
      Avatar
      schrieb am 26.07.04 14:48:33
      Beitrag Nr. 336 ()
      Die Versager in regierung und Opposition zeigen wieder einmal, dass sie nicht logisch denken können:

      Wurde der Wegfall des Kündigungsschutzes noch vom depperten "Super"-Minister Clement als Schub FÜR Einstellungen gesehen (was natürlich Blödsinn ist)

      so erkennt jatzt die Opposition, ja sogar deren Führerin, daß dies zu einer flächendeckenden "Entsorgung" der älteren Arbeitnehmer führen würde:

      Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte, mehr Kündigungsschutz könne die Chancen für diejenigen verschlechtern, "die gern einen Job hätten, zum Beispiel für Ältere".

      Wer jetzt glaubt, Merkel ginge es um die Menschen, dem sei versichert:

      Es geht ihr um nix als Wählerstimmen.
      Und deren Anteil bei den älteren Wählern ist eben überproportional groß.

      Falls sie 2006 gewählt werden sollte (Gott stehe uns bei und verhindere es! :eek: ) , dann wird sie zunächst keine Wähler mehr brauchen und sich geschickt von Merz, Koch und anderen Sozialdarwiniusten "überstimmen" lassen.

      Dann geht es hier erst richtig runter mit dem Lebensstandard und es werden viel in der Armut landen.

      Die große Koalition der Versager wird sich schon beim Abwirtschaften Deutschlands als superstark erweisen, aber nur da. Konzepte? Null.




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      SPIEGEL ONLINE - 25. Juli 2004, 15:13
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,310367,00.html

      Opposition

      Attacke auf den Holzfäller

      Seine Rezepte sind schlicht wie Holzschnitte: Den Kündigungsschutz streichen, hatte Unions-Fraktionsvize Merz gefordert, und schon gebe es Vollbeschäftigung. Doch während jüngere Wähler den Vorstoß begrüßen, schallt aus der Partei laute Kritik. Für den Chef des Arbeitnehmerflügels, Arentz, ist der Vorschlag "nackte Ideologie".



      REUTERS
      "Wie die Axt im Wald": Merz

      Hamburg - Die Diskussion um die Reform des Kündigungsschutzes hat am Wochenende neues Tempo bekommen. Friedrich Merz hatte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" kurzerhand dessen komplette Abschaffung gefordert: "In der Schweiz gibt es gar keinen Kündigungsschutz - und Vollbeschäftigung." Nach den Worten des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion will die Union zunächst den Kündigungsschutz für Ältere aufweichen. "Wenn wir damit nachweisen, dass weniger Schutz zu mehr Beschäftigung führt, können wir eines Tages ganz auf den besonderen Kündigungsschutz verzichten", sagte Merz.

      Die Überlegungen treffen auf erbitterten Widerstand des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA. Deren Vorsitzender Hermann-Josef Arentz bezeichnete den Merz-Vorstoß im Hörfunksender NDR2 als "nackte Ideologie". "Friedrich Merz verhält sich in der Sozialpolitik wie die Axt im Walde. So kann man weder mit dem Kündigungsschutz noch mit den Menschen umgehen", sagte Arentz. Arentz hält die jetzigen Kündigungsschutzregeln für flexibel genug. Eine Verringerung des Schutzes würde keinen neuen Arbeitsplatz schaffen, sagte der CDA-Vorsitzende.

      Auch der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer kritisierte den Vorstoß: Die Union brauche jetzt "ein schlüssiges Gesamtkonzept für Wachstum und Beschäftigung, das sich nicht in der Kürzung von Sozialleistungen und der Beschneidung von Arbeitnehmerrechten erschöpft", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".


      Jüngere Wähler für Lockerung

      Vergangene Woche hatte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer ein Konzept für mehr Wachstum und Beschäftigung vorgestellt, nach dem der Kündigungsschutz bei Neueinstellungen in Firmen mit bis zu 20 Mitarbeitern in den ersten drei Jahren nach Einstieg in das Unternehmen sowie bei über 53-Jährigen außer Kraft gesetzt werden soll. Arbeitnehmer sollen demnach teilweise auch unter Tarif bezahlt werden können.

      Unter den Wählern finden die Pläne eine unterschiedliche Bewertung. 39 Prozent der Deutschen halten die Vorschläge Meyers für "die richtige Richtung", 48 Prozent der 1000 Befragten lehnen sie jedoch ab, wie aus einer neuen TNS-Infratest-Umfrage für den SPIEGEL hervorgeht. Bei den 18- bis 29-Jährigen kommt der Vorschlag besser an: 46 Prozent der Jüngeren sind für eine Lockerung der Kündigungsregeln.

      Zuspruch erhält der Generalsekretär auch aus den eigenen Reihen. 58 Prozent der CDU-Anhänger finden den Plan gut, ebenso wie 63 Prozent der FDP-Wähler. Demgegenüber lehnen 64 Prozent der SPD-Sympathisanten und 61 Prozent der Grünen-Anhänger die Vorschläge ab.

      Merkel laviert

      Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte, mehr Kündigungsschutz könne die Chancen für diejenigen verschlechtern, "die gern einen Job hätten, zum Beispiel für Ältere". Merkel ließ zugleich offen, ob das Konzept auch ins Wahlprogramm aufgenommen werde. Sie könne noch nicht sagen, ob es auf einem Parteitag übernommen werde, sagte die CDU-Chefin der "Bild am Sonntag".

      Der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters wies die Forderungen mit scharfen Worten zurück. "Mir muss mal einer erklären, wie man mehr Arbeitsplätze schafft, indem man die Älteren noch besser rausschmeißen kann. Teile der Konservativen und des Kapitals sehen offenbar die Zeit für gekommen, durchzuziehen, Arbeitnehmerrechte zu schleifen, die Profite nach oben zu treiben und den Arbeitnehmern noch tiefer in die Tasche zu greifen", sagte Peters dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag".
      Avatar
      schrieb am 26.07.04 14:55:47
      Beitrag Nr. 337 ()
      Interessantes Interview mit VW-Chef Pietschetsrieder, in dem so manche Behauptung der dt. Industriebosse/BDI/BDA-Chefs wiederlegt oder relativiert wird:

      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,310427,00.html

      Erstaunt liest man da Folgendes:

      SPIEGEL: VW zahlt nach wie vor deutlich höhere Löhne als andere Metall verarbeitende Unternehmen.

      Pischetsrieder: Das ist zu pauschal. Unser Haustarif gilt heute für rund 60 Prozent der deutschen Konzernbelegschaft. Da kann es auch sein, dass ein VW-Arbeiter am Band teurer ist als sein Kollege bei BMW in München. Viele andere arbeiten aber längst in Modellen wie "5000 mal 5000" ...

      SPIEGEL: ... wo sie den Touran zusammenschrauben - in bis zu 42 Stunden pro Woche für gut 2500 Euro im Monat. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.

      Pischetsrieder: So können Sie das nennen. Aber eigentlich haben wir längst eine Viel-Klassen-Gesellschaft, weil überall im Land die unterschiedlichsten Tarifverträge gelten.
      Mir geht es nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen. Die Leute müssen ihr Leben ja planen können. Aber wer bei uns neu anfängt, tut das zu anderen Konditionen als vor zehn Jahren. Und etwas wie "5000 mal 5000" muss Vorbild sein, weil dort ein Pensum-, kein Stundenlohn bezahlt wird. Wichtig ist, dass eine bestimmte Zahl von Fahrzeugen fertig wird, und nicht, ob das sieben oder neun Stunden dauert.

      SPIEGEL: Um wie viel effizienter oder billiger ist die Touran-Fertigung?

      Pischetsrieder: Sie ist deutlich günstiger.

      SPIEGEL: Mehr als zehn Prozent?

      Pischetsrieder: Ja.


      SPIEGEL: Und mit solchen Lohn-Modellen kann man verhindern, dass deutsche Jobs etwa nach Tschechien verschwinden?

      Pischetsrieder: Man kann hier zumindest erfolgreich und auskömmlich damit leben. Es wäre völlig unsinnig, nur auf die Lohnkosten in Osteuropa zu schielen. Man sagt einem 100-Meter-Läufer ja auch nicht: Du musst die Strecke jetzt in einer Sekunde packen. Da könnte der trainieren, wie er wollte. Deutschland kann nie Kostenweltmeister sein, wohl aber Leistungs- und Innovationsspitze.
      Avatar
      schrieb am 26.07.04 15:14:17
      Beitrag Nr. 338 ()
      Wer auf andere Weise ausdrücklich für seine Altersvorsorge spart, kann einen zusätzlichen Freibetrag geltend machen. Wenn sicher gestellt ist, dass das angesparte Vermögen nicht vor Erreichen des Rentenalters zur Verfügung steht, können pro Lebensjahr weitere 200 Euro abgesetzt werden, höchstens jedoch weitere 13.000 Euro.

      Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Denn eine herkömmliche Kapitallebensversicherung zählt nicht allein deshalb als Altersvorsorge, weil sich die vereinbarte Laufzeit bis zum Ruhestandsalter erstreckt. Entscheidend ist, dass eine Verwertung der Versicherung bis ins Rentenalter ausgeschlossen ist. Der Deutsche Gewerkschaftsbund rät daher, mit der Versicherungsgesellschaft einen teilweisen Verwertungs-Ausschluss bis zur Höhe von 200 Euro pro Lebensjahr vor dem Ruhestand zu vereinbaren. Wichtig: Die geänderte Vereinbarung muss vor der Antragstellung auf das Alg II abgeschlossen werden.

      Die Umwandlung einer Kapitallebensversicherung in eine Riester-Police bietet keinen Schutz vor der Verwertung. Zwar ist Riester-Vermögen grundsätzlich vor der Verwertung geschützt. Jedoch gilt das nur für den Teil der eingezahlten Versicherungssumme, der auf steuerlich geförderten Einlagen und staatlichen Zulagen beruht. Nach Auskunft des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist es daher nicht möglich, eine bestehende Kapitallebensversicherung aufzulösen und als Einmalsumme in einer Riester-Police anzulegen.

      Hendrik Roggenkamp, ddp
      Avatar
      schrieb am 01.08.04 19:50:55
      Beitrag Nr. 339 ()
      Berlins regiernder Partylöwe Wowereit, stets um keine Peinlichkeit verlegen.

      Er hat erfolgreich KiTa-Stätten verringert, kürzt beim kleinen MAnn und will noch viele, viele weitere 100 Mio Euro aus dem Säckel von Bund und Kändern in für unsere wirtschaftliche und spziale Zukunft so enorm wichtige Projekte wie Fussballstadien und durch korrupte Politiker ermöglichte Onanierbauten investieren

      Auch das Einfliegen von vielen "Ehrengästen" wird angesichts der vielgekündeten leeren Kassen und AL II sicherlich sehr gut ankommen und die PDS kann sich keine bessere Wahlkampfhilfe für die Bundestagswahl wünschen.

      Unsere jetzigen "Spitzen"politiker erinnern mich immer mehr an die abgehobenen und korrupten "Kader" der Ex-DDR.

      Wie schön muss doch der Tanz auf der Kommandobrücke der Titanic sein, wenn man weiß: Im Gegensatz zur echten Titanic hat die "Führungsmannschaft" einen warmen Platz im Luxus-Rettungsboot... sollen die Passagiere doch ruhig verrecken...

      SPIEGEL ONLINE - 01. August 2004, 12:19
      URL: http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,311225,00.html

      Blaues Wunder

      Berliner feiern das neue Olympiastadion

      Das Berliner Olympiastadion ist nach vierjährigem Umbau von Bürgermeister Klaus Wowereit eröffnet worden. Mit einer Riesenparty wurde die Fertigstellung der für 242 Millionen Euro sanierten Arena vor rund 45.000 Zuschauern gefeiert. In Berlin wird nun wieder von Olympia geträumt.



      AP
      Berliner Olympiastadion am Samstagabend: "Grandioses, architektonisches Werk"

      Berlin - Als symbolischer Höhepunkt der Festlichkeiten wurde kurz nach 21 Uhr die Flammschale, in der 1936 das olympische Feuer brannte, entzündet. Neben zahlreichen Persönlichkeiten aus Sport, Politik und Unterhaltung auf den Tribünen sorgten die Musikstars Nena und Pink für rockige Atmosphäre im Schauplatz des WM-Finales 2006. Als Ehrengäste aus Übersee liefen Gina Owens Hemphill, Enkelin des vierfachen Olympiasiegers von 1936 Jesse Owens, und Julia Vanessa Long, Enkelin von Owens` Weitsprungrivalen Louis Long, mit einer Fackel über die blau leuchtende Tartanbahn. Bundesligist Hertha BSC Berlin hatte sich diese Farbe als Zeichen der corporate identy für die Laufbahn gewünscht. Auch der Olympiasieger von 1960 über 100 Meter Armin Hary zeigte sich dem Publikum.

      "Berlin steht bereit"

      "Das ist ein schöner Tag für den Sport. Dieses Stadion wird Berlins Ruf als internationale Metropole des Sports unterstreichen. Wir freuen uns schon jetzt auf die WM 2006", sagte Wowereit in seiner festlichen Ansprache.
      Bundesinnenminister Otto Schily bezeichnete das Olympiastadion gar als Juwel des Sports. "Es ist ein gelungenes, grandioses architektonisches Werk", so Schily.


      In dem jetzt 76.000 Zuschauer fassenden Stadion findet am 9. Juli 2006 das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Für 2009 hat sich Berlin um die Leichtathletik-Weltmeisterschaft beworben. Auch an Olympia wird in der Hauptstadt wieder gedacht. "Berlin steht bereit", verkündete Wowereit voller Zuversicht Richtung NOK-Präsident Klaus Steinbach. Der wiederum antwortete: "Ich freue mich, dass Berlin sich bekennt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das ernsthaft angehen." Berlin bewarb sich zuletzt vergeblich für die Olympischen Spiele 2000.

      Länderspiel am 8. September

      Nach der offiziellen Eröffnungsrede Wowereits begann vor etwa 45.000 Zuschauern, die sich die Eröffnungsparty nicht entgehen lassen wollten, der Konzert- und Showabend. Auch ein Feuerwerk und eine spektakuläre Lightshow begleiteten die Festlichkeiten. Am Sonntagnachmittag gewann Hertha BSC ein Freundschaftsspiel gegen Besiktas Istanbul mit 3:1 (2:0). Zuvor spielten im Olympiastadion die Hertha-Amateure und der 1. FC Union Berlin (1:1) um Punkte in der Regionalliga.

      Zum Schauprogramm am Samstagabend gehörten vor einem großen Feuerwerk auch Auftritte von Fußball-Altstars, darunter Paul Breitner, der 1974 beim 1:0 gegen Chile das bisher einzige deutsche WM-Tor in Berlin erzielt hatte. Als nächstes Großereignis im Olympiastadion steht am 8. September das Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Weltmeister Brasilien an. Es wird der zweite Auftritt des DFB-Teams unter der Führung des neuen Bundestrainers Jürgen Klinsmann sein.
      Avatar
      schrieb am 02.08.04 12:09:44
      Beitrag Nr. 340 ()
      SPIEGEL ONLINE - 01. August 2004, 15:55
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,311240,00.h…
      Arbeitsmarktreform

      Hartz IV-Widerstand treibt Wähler scharenweise zur PDS

      Der Widerstand gegen die Hartz-IV-Reform wird der PDS nach Ansicht von Demoskopen erheblichen Zulauf beschweren. Bei der Landtagswahl in Brandenburg im nächsten Monat könne die Partei vermutlich sehr starke Gewinne einfahren.


      Aufwind für die PDS: Potenzial verdoppelt


      Berlin - Die Chefs von Forsa und Infratest dimap schlossen in der "Bild am Sonntag" nicht aus, dass die Partei in Brandenburg stärkste Kraft wird. "Im Osten steht sie an der Grenze zur 30-Prozent-Marke", sagte Reinhard Hilmer von Infratest. Die Partei habe ihr Potenzial verdoppelt.

      Forsa-Chef Manfred Güllner sprach von einer "Renaissance der PDS". Die Reformgesetze ließen in Ostdeutschland wieder ein Gefühl von Benachteiligung wachsen. Klaus-Peter Schöppner von Emnid verwies auf Erhebungen, wonach im Osten 75 Prozent, im Westen 60 Prozent der Menschen die Reform ablehnten.

      Ministerpräsident Matthias Platzeck warf der PDS Panikmache vor, musste aber einräumen: "Die PDS-Stimmungsmache verfängt, weil wesentliche Klarstellungen bei Hartz IV noch fehlen."


      Wirtschaftsminister Wolfgang Clement machte unterdessen klar, dass die endgültige Entscheidung über den umstrittenen Auszahlungstermin für das Arbeitslosengeld II noch nicht gefallen ist. :laugh: Seinen Plan, die erste Auszahlung für Langzeitarbeitslose auf Anfang Februar zu legen, bezeichnete er als Vorschlag. :laugh: Abschließende Regelungen seien erst nach Gesprächen Ende August zu erwarten, hieß es am Wochenende in einer Erklärung. Dann will sich das Kabinett zu einer neuen Klausur in Bonn treffen.

      Die PDS prüft eine Verfassungsklage gegen die Arbeitsmarktreform. Sie hat den Kampf gegen Hartz IV in den vergangenen Monaten zu einem Schwerpunkt ihrer Politik gemacht.

      Der Vorsitzende der sächsischen PDS-Landtagsfraktion, Peter Porsch, äußerte in einem AP-Interview die Befürchtung, dass sich die Wut der Betroffenen unkontrolliert entladen könnte. "Davor habe ich richtig Angst", sagte der PDS-Politiker. Wenn jemand zum dritten Mal zur Bundesagentur für Arbeit müsse, nur weil er den umständlichen Fragebogen immer noch nicht richtig ausgefüllt habe, bekomme der eine Wut, die nur schwer zurückzuhalten sei.
      Avatar
      schrieb am 05.08.04 18:04:49
      Beitrag Nr. 341 ()
      SPIEGEL ONLINE - 05. August 2004, 8:33
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,311630,00.html


      Hartz-Reform

      Juristen sehen Grundrechte verletzt

      Juristen haben verfassungsrechtliche Bedenken an der Reform der Arbeitslosenversicherung angemeldet. Ihrer Meinung sind die Bürger durch das staatliche Zwangssystem nun schlechter gestellt als bei einer privaten Vorsorge.


      Chemnitz - Die geplanten Leistungskürzungen in der Arbeitslosenversicherung seien nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar, sagte Wolfgang Spellbrink, Richter am Bundessozialgericht in Kassel, der Chemnitzer "Freien Presse". "Leistet ein soziales Zwangs-Sicherungssystem deutlich weniger, als der Bürger bei privater Vorsorge erzielen könnte, so delegitimiert sich dieses System unter dem Gesichtspunkt des Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes." Mit der reformierten Form der Arbeitslosenversicherung werde die allgemeine Handlungsfreiheit verletzt, ohne dass dies mit einer vergleichbaren Gegenleistung begründet werden könnte.

      Gerade nach den Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenversicherung in den letzten Jahren ist es Spellbrink zufolge verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen, Beiträge in Höhe von 6,5 Prozent des Bruttolohnes für diese Versicherung zu erheben, weil ihnen keine ausreichende Leistung gegenüberstehe. "Die Arbeitslosenversicherung vernichtet mithin permanent Kapital und Eigenvorsorgemöglichkeiten zu Lasten dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer", so der Richter.

      Heinrich Lang, Verfassungsrechtler an der Universität Köln, sieht dem Zeitungsbericht zufolge sogar einen erhöhten Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Er begründet das damit, dass nicht nur bei der Arbeitslosenversicherung, sondern auch bei der Kranken- und Rentenverscherung erworbene Ansprüche der Bürger per Gesetz gestrichen wurden.
      Avatar
      schrieb am 05.08.04 22:40:50
      Beitrag Nr. 342 ()
      ...und unbezahlbar wirds wohl auch...
      "Hartz IV: Reform reißt Milliardenlücken in Bundesetat
      Von Birgit Marschall, Berlin

      Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bringt die Regierung in Bedrängnis: Sie birgt Milliardenrisiken für den Haushalt. Die Grünen fordern Korrekturen - und die Sozialverbände rufen zu Montagsdemonstrationen auf.


      Die Hartz-IV-Arbeitsmarktreform wird im Bundeshaushalt 2005 nach Auffassung von Haushaltsexperten neue Milliardenlücken verursachen. "Ich sehe zusätzliche Ausgaberisiken von insgesamt 5 Mrd. Euro durch Hartz IV. Schon eines der Risiken, etwa die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II auch im Januar, reicht aus, um den Haushalt verfassungswidrig zu machen", sagte CDU-Haushaltspolitiker Dietrich Austermann der FTD. Auch der FDP-Finanzpolitiker Carl-Ludwig Thiele sagte: "Wir werden erleben, dass der Haushalt durch Hartz IV verfassungswidrig wird."

      Die Hartz-IV-Reform sieht zum 1. Januar 2005 die Zusammenlegung der Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe vor. Künftig wird der Bund nicht mehr nur für die 2,2 Millionen bisherigen Arbeitslosenhilfe-Bezieher, sondern auch für gut eine Million erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger aufkommen, die bisher ihr Geld von den Kommunen erhielten. Die Reform birgt erhebliche Finanzrisiken, die Finanzminister Hans Eichel in Bedrängnis zu bringen drohen.



      Ärger um Zahltag


      So wird die Regelung von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nicht zu halten sein, den Zahltag für das Arbeitslosengeld II (Alg II) der bisherigen Arbeitslosenhilfe-Bezieher im Januar 2005 ausfallen zu lassen. Da sie Ende Dezember 2004 das letzte Mal Arbeitslosenhilfe erhalten, wollte Clement ihnen das Alg II erst am 1. Februar 2005 überweisen.


      Doch den Eindruck, die Regierung prelle die Betroffenen um eine Monatszahlung, will die Regierungsspitze unbedingt vermeiden. Clement werde daher spätestens auf der Regierungsklausur am 3. und 4. September von Kanzler Gerhard Schröder, SPD-Chef Franz Müntefering und den Grünen zum Umlenken gezwungen, hieß es in Regierungs- und Parteikreisen. Das Alg II soll demnach nicht erst am 1. Februar, sondern bereits am 31. Januar und weiter jeweils am Monatsende fließen.



      Allein die Zahlungslücke bringt Eichel in Bedrängnis


      Dies wird den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (BA) jedoch mit zusätzlich 1,9 Mrd. Euro belasten, wobei 500 Mio. Euro auf Sozialbeiträge entfallen. Bisher hatte Eichel mit nur elf Monatsauszahlungen kalkuliert. Defizite der BA müssen aus dem Bundesetat ausgeglichen werden.


      Allein das Schließen der Zahlungslücke werde die Neuverschuldung 2005 über die verfassungsrechtlich zulässige Höhe schieben, sagte Austermann. Bei geplanten Investitionen von 22,8 Mrd. Euro und einer Neuverschuldung von 22,0 Mrd. Euro bliebe Eichel nur ein zusätzlicher Verschuldungsspielraum von 800 Mio. Euro. Der Haushalt ist verfassungswidrig, wenn die Neuverschuldung die Investitionssumme übersteigt.



      Mehr Arbeitlose als geplant


      Hinzu kämen weitere Risiken, sagte Austermann. So steige die Zahl der Arbeitslosenhilfe-Bezieher schon derzeit stärker, als Eichel im laufenden Etat vorgesehen habe. "Der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit ist auch ein Milliardenrisiko für 2005." Zudem werde der Bund den Kommunen, die die Unterkunftskosten tragen, deutlich mehr als die 1,8 Mrd. Euro überweisen müssen, die dafür bisher im Etat vorgesehen seien. Austermann kündigte für den Fall, dass sich die Verfassungswidrigkeit im November offenbart, eine Klage der Union vor dem Bundesverfassungsgericht an.


      Auch die Grünen-Haushaltsexpertin Antje Hermenau rechnet mit Haushaltsrisiken durch Hartz IV. "Ich gehe davon aus, dass bei der Regierungsklausur dafür Lösungen gefunden werden", sagte Hermenau. "Wir werden keinen verfassungswidrigen Haushalt zulassen." Auch beim Defizitkriterium des EU-Stabilitätspakts müsse Eichel "in der Nähe der drei Prozent" bleiben, sonst werde er in Brüssel unglaubwürdig.



      Wirbel um Sparschwein-Plünderung


      In der Debatte um die Anrechnung von Kindervermögen auf die Unterhaltshilfe der Sprösslinge sorgte die BA für eine Klarstellung. Dass Guthaben von Kindern im Alter von bis zu 15 Jahren über 750 Euro auf das Sozialgeld der Kinder angerechnet werden, hatte Wirbel ausgelöst. Dazu sagte ein BA-Sprecher: "Ein zu hohes Sparvermögen wird nur mit der ersten Monatsleistung verrechnet." Die BA geht davon aus, dass Vermögen der Kinder rasch "verbraucht" sind, sodass nur die erste Zahlung gemindert wird. Anders als erwartet hätten betroffene Eltern nicht damit begonnen, Sparguthaben ihrer Kinder aufzulösen, um der Anrechnung zu entgehen, erklärten Kreditinstitute.


      Sozialverbände, Kirchen und Globalisierungsgegner von Attac wollen ihre Proteste gegen Hartz IV verstärken. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Hamburg sollen ab dem 9. August regelmäßig Montagsdemonstrationen stattfinden. "





      http://www.ftd.de/pw/de/1091258314379.html?nv=hpm
      Avatar
      schrieb am 06.08.04 08:22:44
      Beitrag Nr. 343 ()
      Hartz IV: Viele kündigen ihre Lebensversicherung
      Freitag, 6. August 2004, 6.58 Uhr
      Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute verzeichnet im Zuge der Hartz-IV-Reform in der Region Berlin einen starken Anstieg bei den Kündigungen von Lebensversicherungen. Wie die „Berliner Morgenpost“ unter Berufung auf den Verband berichtet, kündigten im ersten Halbjahr 2004 bereits 15 000 Menschen aus Berlin und Brandenburg ihre Lebensversicherung. Im gesamten Vorjahr belief sich die Zahl der Kündigungen den Angaben zufolge auf nur rund 4000. „Das ist ein dramatischer Anstieg“, sagt Gerald Archangeli, Vizepräsident des Verbands. „Die Leute sind in Panik und wollen ihr Geld retten“, sagte Archangeli dem Blatt. Nach der Reform Hartz IV werden Lebensversicherungen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II für Langzeitarbeitslose zum Vermögen dazugezählt und auf die Unterstützung angerechnet.
      Avatar
      schrieb am 06.08.04 08:34:57
      Beitrag Nr. 344 ()
      Kann man es wirklich alsMinister so sehen?:eek:


      FOCUS:"
      Clement greift Initiatoren der Montagsdemonstrationen ...

      Berlin (dpa) - Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat die Initiatoren der Montagsdemonstrationen im Osten heftig kritisiert. Er sagte der Leipziger Volkszeitung , der Name sei eine Zumutung und eine Beleidigung der historischen Montagsdemonstrationen. Der Skandal sei doch nicht die Arbeitsmarktreform, sondern die Arbeitslosigkeit und die Gewöhnung an sie , so Clement. Er griff die PDS als Initiatorin der Demos an: Der Zusammenbruch der kommunistischen Staatswirtschaft habe die Probleme überhaupt erst verursacht. "


      Rette sich wer kann - wer erschießt diesen Mann?
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      schrieb am 19.08.04 09:31:54
      Beitrag Nr. 345 ()
      Jargon des Aktivismus

      Für viele Manager und Politiker ist Deutschland eine marode AG. Lohnkürzungen und Export von Arbeitsplätzen sollen sie retten. Doch die Volkswirtschaft ist komplexer
      Die Finanzmärkte stimmen über die Politik der Regierungen ab. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit, der Export sind der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg. Fürs gleiche Geld mehr und länger arbeiten, heißt die Lösung. Die Kosten für die staatlichen Leistungen müssen runter. Abbau des staatlichen Angebots und Steuersenkungen sind angesagt. Die Quersubventionierung von ganzen Bereichen der Gesellschaft durch den Staat muss aufhören. Er soll sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren.

      Für die Deutschland AG würden demnach dieselben Regeln wie für jedes Unternehmen gelten. Der öffentliche Haushalt muss ausgeglichen sein, ohne Schulden. Etwaige Gewinne, Überschüsse im Haushalt von Bund, Ländern und Gemeinden, sind als Steuersenkung an die Aktionäre der D-AG auszuzahlen. Das stärkt den Wettbewerb zwischen den armen und den reichen Ländern. Was dieser Unternehmenskultur im Wege steht, muss reformiert, beseitigt werden. Damit die D-AG profitabel wächst.

      Nur ein Kern der Staatstätigkeit ist unantastbar: die Durchsetzung, die Verteidigung und der Schutz der Bürger- und Eigentumsrechte, also der Marktwirtschaft, nach innen und außen. Ordnung ist Sache der Politik, nicht des Marktes: Justiz, Polizei und Armee sind normativ nicht privatisierbar, nicht unternehmerisch mit Gewinn realisierbar, eben nicht marktgängig wie Arzt, Lebensversicherung und Lehrer, wie Gesundheit, Rente und Ausbildung.

      Diese hier persiflierte politische Alltagsrhetorik des marktwirtschaftlich und besitzindividualistisch beherrschten Verständnisses von Staat und Gesellschaft bedient sich der Fachsprache und des aktivistischen Jargons der Betriebswirtschaft - also eines Studiengangs, der den Staat wie ein Unternehmen am Markt betrachtet und nach solcher Performance beurteilt. Die diese Fiktion nachplappernden Akteure wissen regelmäßig nicht, was mit den entlehnten Begriffen konkret gemeint ist.


      Wer betriebswirtschaftliche Begriffe auf den Staat anwendet, suggeriert damit, dass der Staat, die Gesellschaft, die Volkswirtschaft funktioniere wie ein Unternehmen. Motto: Was gut ist für Daimler, ist gut für die Deutschland AG.

      Beispielsweise so viel wie möglich zu exportieren und durch Verlängerung der Arbeitszeit die Einkommen zu senken. Sich auf seine Kernkompetenzen zu besinnen und unrentable Geschäftsfelder zu verkaufen oder stillzulegen. Shareholder-Value und dynamisch wachsende, selbstbestimmte Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals sollen regieren, weshalb die Finanzmärkte und nicht die Bürger über die Politik abstimmen.

      Nur: Der Staat ist kein Unternehmen; diese Einsicht erschließt sich schlichtem Nachdenken. Unternehmen, die Pleite machen, scheiden aus der Welt der Wirtschaft, aus dem Markt aus. Staaten, die zahlungsunfähig werden, verschwinden nicht.

      Auch das Besinnen auf die profitable Kernkompetenz führt beim Staat nicht sehr weit. Unsere neuen Bundesländer werden auf unabsehbare Zeit mit mehr als 80 Milliarden Euro alle Jahre wieder von den alten Bundesländern "quersubventioniert". Kann man die ehemalige DDR verkaufen? Wie Daimler damals Dornier? Weder theoretisch noch praktisch. Die wachsende unproduktive alternde Bevölkerung ist ein unprofitabler Personalüberhang. Kann sich die Republik von ihren Alten trennen, wie ein Unternehmen sie frühverrenten und ausbuchen? Auch nicht.

      Durchschnittliches Denkvermögen und der kleine Volkswirtschaftsschein, den Juristen im Studium nebenbei machen, freilich reichen nicht aus, betriebswirtschaftliche Kostenkategorien im gesamtwirtschaftlichen Kreislauf zu beurteilen. Für Kosten gilt betriebswirtschaftlich: Ihre Senkung bringt dem Unternehmen immer zunächst Vorteile gegenüber Wettbewerbern. Blickt man aber über das Einzelunternehmen hinaus, dann wird im Kreislauf der Güter und des Geldes aus den Zinskosten des einen des anderen Rente; der Gewinnaufschlag des einen treibt die Wareneinsatzkosten des anderen in die Höhe. Die Lohnkosten eines Kfz-Betriebs können etwa als Umsatzerlös der benachbarten Metzgerei auftauchen.


      Im gesamtwirtschaftlichen Kreislauf, in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, sind Kosten der einen immer zugleich Einkommen der anderen. Negative Lohnpolitik zum Beispiel kann, je nach den Umständen, für das gesamtwirtschaftliche Wachstum und die künftige Beschäftigung nützlich oder schädlich sein. Wenn Bundeskanzler und Superminister negative Lohnpolitik schlicht für vernünftig erklären, so agieren sie als gelernte Juristen wie Betriebswirte.

      Verantwortlich aber sind die beiden für die Gesamtwirtschaft. Die Arbeitslosigkeit verharrt dort auf hohem Niveau, die Inlandsnachfrage nach Investitions- und Konsumgütern stagniert. Der Überschuss im internationalen Handel hingegen klettert 2004 von Rekord zu Rekord, nachdem er 2003 schon 130 Milliarden Euro überschritten hatte. Seit 20 Jahren bleiben in Deutschland die Reallohnerhöhungen hinter dem Zuwachs der Arbeitsproduktivität zurück; jede Arbeitszeitverkürzung wurde mit einem Verzicht auf sonst verteilungsneutral finanzierbare Lohnerhöhungen entgolten. Diese Rezeptur der Lohnzurückhaltung soll seit 20 Jahren zu mehr Beschäftigung führen. Ergebnis: Rekordarbeitslosigkeit alle Zyklen wieder. Mit unentgeltlicher Arbeitszeitverlängerung wird dieser Umverteilungsprozess von der Arbeit zum Kapital weiter forciert; das relativ sinkende Lohnniveau wird den Export antreiben, die Inlandsnachfrage wird weiter stagnieren, so das Wachstum begrenzen und die Erwerbslosigkeit forcieren, indem die einen immer länger und die anderen immer länger nichts zu arbeiten haben. Man sieht, die Lohnkostensenkung hätte gesamtwirtschaftlich nur Sinn, wenn das Lohnniveau mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu hoch wäre. Das Gegenteil aber trifft zu.

      Gesamtwirtschaft ist komplexer als Betriebswirtschaft.
      Die täglichen Erfahrungen mit der Wirtschaft machen Politiker wie die meisten anderen als Käufer oder Arbeitnehmer - und wenn sie wichtig genug sind, wird ihnen von der Managerelite betriebswirtschaftlich Nachhilfe privatissime gewährt. Volkswirtschaft kann man eigentlich nur abstrakt aus Büchern lernen, nicht wie Betriebswirtschaft im täglichen Leben erfahren: So gilt das Schlichte und Bequemere als das eher Wahre, so interessengeleitet es auch sein mag.

      Paul Watzlawick, der berühmte Psychiater, bietet in seiner "Anleitung zum Unglücklichsein" eine Erklärung für den Handlungszwang der Mainstream-Verkünder an. 20 Jahre Löhnesenken fällt unter seine Kategorie des "Mehr-desselben-Rezepts": Es gibt immer nur eine Lösung. Wirkt sie nicht, hat man nur noch nicht genug Leidensdruck. Offenbar können ökonomische Rezepte neurotisch machen - wenigstens ein Markt, der "Spezialisten ein gutes Ein- und Auskommen bietet" - und Arbeitsplätze … " CLAUS NOÉ

      taz Nr. 7439 vom 19.8.2004, Seite 11, 241 Kommentar CLAUS NOÉ, taz-Debatte
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      schrieb am 19.08.04 09:32:54
      Beitrag Nr. 346 ()
      Claus Noé ist Publizist. Bis 1999 war er beamteter Staatssekretär im Finanzministerium. 1969 hatte ihn erstmals Karl Schiller ins Bundeswirtschaftsministerium geholt. Von 1987 bis 1994 war er Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde Hamburgs.

      taz Nr. 7439 vom 19.8.2004, Seite 11, 7 Zeilen (Portrait), Foto
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      schrieb am 02.09.04 00:19:13
      Beitrag Nr. 347 ()
      "Arbeitslosigkeit ist eine Folge unseres Erfolges", sagt Sascha Liebermann
      Es sollte ein Grundeinkommen geben. Es sicherte allen ein Auskommen und böte die Chance, offensiv zu rationalisieren
      taz: Herr Liebermann, die Bundesregierung will die Löhne drücken und die Unterstützung der Arbeitslosen verringern. Dagegen wird demonstriert. Wie sieht Ihre Alternative zu den Hartz-Reformen aus?

      Sascha Liebermann: Wir schlagen ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Staatsbürger vor. Es muss so hoch sein, dass jeder am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann - auch wenn er keiner Erwerbsarbeit nachgeht.

      Ihre großzügige Grundsicherung steht im Gegensatz zur mageren Sozialhilfe und stellt das gegenwärtige Prinzip "Einkommen durch Arbeit" in Frage.

      Wir haben in Deutschland und anderen Industriestaaten ein Entwicklungsstadium erreicht, in dem einerseits die Wertschöpfung und Produktivität, also der gesellschaftliche Reichtum, ständig zunehmen. Andererseits steigt aber auch die Arbeitslosigkeit. Diese Gleichzeitigkeit sind wir gewohnt als Versagen wahrzunehmen.

      Wollen Sie sagen, Arbeitslosigkeit sei Fortschritt?

      Erwerbslosigkeit steht bei uns ja nicht für mangelnde Innovation, sondern ist gerade das Ergebnis der Automatisierung und des technischen Fortschritts. Wir haben also einen Mangel an Lohnarbeit, weil unser Land insgesamt wohlhabender wird. Das ist ein Erfolg, zu dem die Automatisierung beigetragen hat.

      Deshalb sagen Sie, diesen Reichtum solle man nutzen, um allen ein Grundeinkommen zu gewähren?

      Wenn wir über unsere gegenwärtige Lage hinausgelangen wollen, müssen wir Arbeit und Einkommen entkoppeln. Es gilt, die moderne Entwicklung zu akzeptieren. Sie ist nicht umkehrbar, solange man auf Automatisierung nicht verzichtet. Ganz im Gegenteil bietet sie uns die Chance, Freiheit zu gewinnen. Wir sind so reich, dass wir Lebenszeit aus dem Erwerbsleben zurückholen können.

      Soll das Grundeinkommen für Leute ohne bezahlte Arbeit existenzsichernd sein, müsste es in der Größenordnung von 1.000 Euro pro Monat liegen.

      Ich möchte keine Zahl nennen. Wie hoch es sein wird, ist eine politische Entscheidung. Dass wir reich sind, ist doch unstrittig.

      Trotzdem müsste das Grundeinkommen absehbar über dem Lohn liegen, den viele Leute mit Arbeit erwirtschaften. Würde Ihre Idee nicht zum Kollaps der Staatsfinanzen führen, weil Millionen Menschen schlicht aufhörten zu arbeiten?

      Es wäre doch wunderbar, wenn sie die Freiheit hätten, grundsätzlich wählen zu können. Die meisten würden weiterarbeiten, denn sie machen ihre Arbeit aus Leidenschaft, aus Neugierde und Wissensdurst, aus Begeisterung für andere Menschen. Sie wollen auf diese Weise ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten.

      Man kann davon ausgehen, dass durch die materielle Absicherung auf hohem Niveau die Arbeit in der Wirtschaft unproduktiver wird. Schließlich fällt ein Teil des Drucks weg, der die Menschen im Hamsterrad festhält. Schwindet damit nicht der Reichtum, der zur Finanzierung des Grundeinkommens notwendig ist?

      Nein, ganz im Gegenteil. Die teilweise erzwungene Arbeit, die wir heute kennen, ist nicht so produktiv wie freiwillig geleistete Tätigkeit. Denn für wirklich innovative Arbeit bedarf es einer starken Identifikation mit dem Beruf, den man ausübt. Deshalb würde das Grundeinkommen geradezu innovationsfördernd sein. Denn wer arbeitete, täte es aus freien Stücken. Der gesellschaftliche Reichtum würde zu- und nicht abnehmen. Deshalb halte ich es für unwahrscheinlich, dass es zu Finanzierungsproblemen grundsätzlicher Art kommen würde.

      Schon heute beschimpfen manche Arbeitsplatzbesitzer die Arbeitslosen als faul. Umgekehrt neiden Arbeitslose den Arbeitenden oft Einkommen und Anerkennung. Wie können in Ihrem Modell zwei gesellschaftliche Sektoren, die nach so grundsätzlich unterschiedlichen Prinzipien funktionieren, friedlich koexistieren?

      Da Anerkennung und Wert des Menschen nicht mehr vom Besitz bezahlter Arbeit abhinge. Damit würde die Stigmatisierung der Arbeitslosen aufgehoben, die einen erheblichen Druck erzeugt, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Nach unseren gegenwärtigen Vorstellungen versagen die Leute ja, wenn sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen.

      Ein prinzipielles Gegenargument: Es ist doch gar nicht ausgemacht, dass das Wachstum nicht mehr zurückkommt und uns Lohnarbeit in ausreichender Menge für immer ausgegangen ist.

      Ihrer Frage liegt die Annahme zugrunde, dass neue Arbeitsplätze entstehen, wenn das Wachstum 3 oder 4 Prozent erreicht. Aber wer sagt, dass nicht auch weiter automatisiert wird? Die Rationalisierungseffekte nehmen doch eher zu und nicht ab. Heute schon werden die eigentlich vorhandenen Möglichkeiten der Innovation gar nicht ausgeschöpft.

      Denken Sie da etwa an den öffentlichen Nahverkehr?

      Sicher, denn technisch wäre es möglich, ganz ohne U-Bahn-Fahrer auszukommen. Das Grundeinkommen würde hier die Chance eröffnen, das Unternehmen offensiv zu rationalisieren. Man müsste nicht auf Biegen und Brechen Arbeitsstellen erhalten, wie gerade bei VW. Da beugt sich der Vorstand dieser Forderung, weil er nicht radikal gegen den Wertekonsens verstoßen will. Das heißt aber auch: Er opfert Wohlstand.
      INTERVIEW: HANNES KOCH

      taz Nr. 7451 vom 2.9.2004, Seite 12, 177 Interview HANNES KOCH
      Avatar
      schrieb am 06.09.04 23:21:32
      Beitrag Nr. 348 ()
      Deep Thought, bist du nicht der große SER - Pusher vom Neuen Markt :laugh:

      Kann mich noch recht gut an deine Push-Orgien erinnern .....
      Avatar
      schrieb am 06.09.04 23:36:45
      Beitrag Nr. 349 ()
      Vielleicht sollte in Deutschland nun ein Gesetz erlassen werden, das besagt, dass mittellosen gläubigen muslimischen Frauen keine Sozialhilfe - HartzIV zustehe, weil sie nach dem islamischen Recht als Zweit- oder Drittfrau geheiratet werden können?:rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 08.09.04 13:34:28
      Beitrag Nr. 350 ()
      SPIEGEL ONLINE - 08. September 2004, 9:26
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,316992,00.html
      Produktivitätsfalle

      Wie Manager den Fortschritt ausbremsen

      Von Michael Kröger

      Einer Studie zufolge gehen in deutschen Unternehmen pro Jahr und Mitarbeiter 74 Arbeitstage verloren, weil Manager falsch planen, schlecht anleiten oder Chaos anrichten. Verbesserungen in der Führung würden weit mehr bringen als die Verlängerung der Arbeitszeit oder Lohnkürzungen.



      DPA
      Siemens Handyproduktion in Kamp-Lintfort: Tausende Arbeitsstunden für die Katz
      Berlin - Den Fehler bemerkten die Siemens-Kontrolleure eher durch einen Zufall. Mit dezentem Warnton hatte das neue Handy eines Technikers das Ende der Akkulaufzeit angekündigt, um sich kurze Zeit später mit einem schrillen Kreischen automatisch abzuschalten. Was eigentlich als niedliche Melodie programmiert war, dröhnte plötzlich laut genug, um im Extremfall einen Hörschaden herbeizuführen.

      Ein GAU nicht nur für die Verkaufsabteilung des Münchener Elektronik-Konzerns. Um den Fehler zu beheben, leisteten die Arbeiter am Band und in der Technikabteilung jede Menge Zusatzarbeit. Die Software musste neu programmiert und in langwierigen Testreihen überprüft werden. Am Band wurde jedes Handy einzeln aus der Verpackung genommen und mit der neuen Software bespielt. Erst gestern, knapp zwei Wochen nachdem das Problem bemerkt worden war, konnte Siemens Entwarnung geben. Für Besitzer der 65-Serie steht ein Update im Internet zum Herunterladen zur Verfügung. "Das war unser Elchtest", räumt ein Siemens-Sprecher selbstkritisch ein.

      Pannen wie der Softwarefehler des Siemenshandys sind nicht einmal außergewöhnlich, es gibt sie in jeder Branche. Meistens jedoch werden sie rechtzeitig bemerkt, so dass Abhilfe geschaffen werden kann, bevor der Fehler öffentlich wird. Auf jeden Fall aber geht den Unternehmen jedesmal wertvolle Arbeitszeit verloren. Die Ursache: unzureichende Kontrolle, fehlende Anleitung oder schlechte Organisation.

      Nach Erkenntnissen der amerikanischen Unternehmensberatung Proudfoot Consulting, die jetzt eine Studie mit dem Titel "Managing for mediocrity" veröffentlichte, ist der Schaden auf Grund solcher alltäglicher Fehler gewaltig. Rechnet man alle Arbeitsstunden zusammen, in denen die Mitarbeiter deutscher Unternehmen 2004 herumsaßen oder nutzlose Arbeiten verrichteten, kommen pro Kopf 74 ganze Arbeitstage zusammen. Und ein großer Anteil davon ist auf schlechte Arbeitsorganisation zurückzuführen. Den Verlust beziffern die Forscher auf insgesamt fast 190 Milliarden Dollar - 7,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

      Nur 61 Prozent der Arbeitszeit ist produktiv

      Die anderen Industrieländer schneiden nicht besser ab. In den USA verschwendeten die Unternehmen von den durchschnittlich zur Verfügung stehenden 225 Arbeitstagen pro Arbeitskraft 96, in Frankreich waren es gar 127. Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Gallup untermauert diese Zahlen. Danach schaffen die Unternehmen in den neun untersuchten Industrieländern im Durchschnitt gerade einmal gut 61 Prozent der maximal erreichbaren Produktivität - weit entfernt von den 85 Prozent, die die Forscher als Optimum betrachten.

      Damit wirft die Studie ein ganz neues Licht auf die derzeit landauf landab geführte Diskussion um Sparprogramme in den Unternehmen. Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, Wegfall von Weihnachts- und Urlaubsgeld, Streichung von Pausen und Prämien - der Effekt ist gering im Vergleich zu dem, was die Unternehmen erreichen könnten, wenn sie nur die vorhandenen Ressourcen effektiv ausschöpfen würden - hat ein Unternehmen ein Wettbewerbsproblem, so geht dies in erster Linie auf das Konto der Bosse.

      Den Beleg für ihre These fanden die Berater vor Ort. Die Proudfoot-Experten beraten ihre Klienten, indem sie die Arbeitsvorgänge im normalen Unternehmensalltag beobachten, auf Schwachstellen hin analysieren und Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Die Studie basiert auf den Erfahrungen von mehr als 10.000 Arbeitstunden und einer großen Zahl von Interviews mit den direkt verantwortlichen Managern. Eine Frage stand dabei immer im Mittelpunkt: Wie kann ein Unternehmen oder eine Organisation die Mitarbeiter am sinnvollsten einsetzen, um eine möglichst hohe Produktivität zu erreichen.

      Maschinen allein schaffen keinen Fortschritt

      In der Studie räumen die Experten auch mit einem Missverständnis auf, das bislang als Faustformel im Unternehmensalltag galt: dass Produktivität in erster Linie durch Investitionen zu erreichen ist. Tatsächlich kamen aber bereits frühere Studien zu dem Schluss, dass lediglich 45 Prozent des Produktivitätszuwachses in den Industrieländern durch den Kauf leistungsfähigerer Maschinen erreicht wird. Den größeren Anteil von 55 Prozent erbringt dagegen nur eine Verbesserung der Arbeitsleistung: durch Fortbildung der Mitarbeiter, bessere Organisation der Arbeit und geradliniges Management.

      Die Gruppen- und Abteilungsleiter erkennen das Problem durchaus an. 40 Prozent der Befragten führten Fehler im Produktionsprozess auf ineffiziente Kontrollen und fehlende Anleitung zurück, nur wenige schoben sie auf unzureichende Technik (vier Prozent) oder die schlechte Qualifikation ihrer Mitarbeiter (acht Prozent).

      Trotzdem unternehmen die Firmen-Chefs wenig, um das Problem zu beseitigen. "CEOs mögen die Schwächen erkennen, doch nur wenige beschäftigen sich damit, auf welche Weise sie selbst zur Schwächung der Produktivität beitragen", schreibt Nicolas Crafts, Ökonomie-Professor an der London School of Economics, in einem Vorwort zu der Proudfoot-Studie.

      Die Passivität der Manager sei sehr bedauerlich, sagt Crafts. Denn ein Umdenken könnte der Schlüssel zu einem massiven Produktivitätsfortschritt in den nächsten Jahren sein. Wer hier zuerst die Initiative ergreife, könne sich wichtige Wettbewerbsvorteile verschaffen.

      Welche Möglichkeiten hier schlummern, hat Crafts am Beispiel Großbritanniens ausgerechnet. Würde es gelingen, den Anteil der produktiv genutzten Arbeitszeit von 63 Prozent auf 70 Prozent zu verbessern, ließe sich das jährliche Wirtschaftswachstum um 2,2 Prozent steigern.
      Avatar
      schrieb am 08.09.04 13:37:57
      Beitrag Nr. 351 ()
      Username: itzont
      Registriert seit: 16.07.2004 [ seit 54 Tagen ]


      Na, schamhaft die ID geändert? :D

      Ich war sehr überzeugt und dann - als viele WIRKLICHE Pusher noch am Werk waren über fast 2 Jahre lang erbitterter gegner, von so wendehälsen wie Dir damals als als "Basher" bezeichnet.

      Immerhin schäme ich mich nicht so, daß ich meine ID ändern musste wie Du...

      aber was das mit diesem Thraed zu tun haben soll, ist wohl auch Dir nicht klar, oder?
      Avatar
      schrieb am 08.09.04 18:14:18
      Beitrag Nr. 352 ()
      SPIEGEL ONLINE - 08. September 2004, 16:02
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,317229,00.html

      Moralpredigt

      Bertelsmann-Patriarch kanzelt Politiker ab


      Bertelsmann-Übervater Reinhard Mohn, inzwischen 83 Jahre und aus der aktiven Leitung seines Konzerns ausgeschieden, mischt sich mit einer Generalabrechnung in die Reformdebatte ein: In einem Gastbeitrag verlangt er einen Kurswechsel in Politik und Verwaltung und schreibt von einem "Versagen des Staates".

      Gütersloh - Der Senior-Bertelsmann fordert in einem Kommentar in der "Financial Times Deutschland", den Leistungswettbewerb in Politik und Verwaltung zu verstärken. Beide Bereiche seien "handlungsunfähig geworden", weil sie sich übernommen hätten. Die staatliche Administration, so Mohn, sei zu einem "anonymen Zwangsmechanismus" degeneriert, für den Effizienz kaum noch eine Rolle spiele.

      Mohn spricht sich für eine gezieltere Auswahl des politischen Führungspersonals aus. Mit der derzeitigen Parteien-Elite in Deutschland geht er hart ins Gericht. "Sie denken nur in Legislaturperioden und sind letztlich einzig daran interessiert, ihre Macht zu erhalten", schreibt er.

      "Nicht mehr Schritt halten"

      Damit Politiker ihre Führungsaufgaben wahrnehmen können, müssten sie leistungsorientiert ausgesucht sowie ge- und befördert werden. "Ihre Wählbarkeit muss davon abhängig gemacht werden, inwieweit sie die erforderliche Führungseignung haben", fordert er.


      Mohns Folgerung: Deutschland sei für die Globalisierung schlecht gerüstet. Die Schuld dafür liege bei der Politik. "Das Versagen des Staates hat dazu geführt, dass unsere Wirtschaft mit Leistungen des Auslands nicht mehr Schritt halten kann."

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      Diesen treffenden Aussagen ist nichts mehr hinzuzufügen.
      Avatar
      schrieb am 08.09.04 18:32:56
      Beitrag Nr. 353 ()
      @DeepThought

      Ein Artikel, der mir aus dem Herzen spricht.

      Hier noch der Schluß:

      Ein wichtiger Schritt zu mehr Wettbewerb wäre ein sachgerechtes staatliches Berichtswesen, das nicht nur die Führungen in Politik und Staat entscheidend verbesserte, sondern auch für mehr Transparenz sorgte und damit die Bürger zur Identifikation mit ihrer Gesellschaft brächte. Damit wir wieder konkurrenzfähig werden, muss gelten: Verordnungen bringen uns nicht weiter, es kommt auf das eigenverantwortliche Engagement freier Bürger an.


      Reinhard Mohn ist Präsidiumsmitglied der Bertelsmann
      Avatar
      schrieb am 27.09.04 19:35:50
      Beitrag Nr. 354 ()
      Wenn Deutschland doch nur so einen klugen Staatsmann hätte wie Spanien - dann könnten wir mit zuversicht in die Zukunft schauen...

      Diesen Artikel sollte man zuende lesen:


      ------------------------------------------------

      SPIEGEL ONLINE - 27. September 2004, 6:59
      URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,319052,00.html
      Spanien rockt

      Adiós al Macho!

      Von Helene Zuber, Madrid

      Frauen im Stierkampf, in der Politik, an den Schalthebeln der Macht - das traditionelle Gefüge der Rollenverteilung ist in Spanien ins Wanken geraten. Der Macho hat ausgespielt, die Frauen stürmen voran.


      Madrid - Die Damen auf dem Bild sind korrekt gekleidet, wie es sich für erfolgreiche Geschäftsfrauen gehört, in schwarze oder weiße Hosenanzüge und Kostüme mit weißen oder schwarzen Blusen. Trotzdem löste das Foto, welches die spanische Ausgabe des Modeblatts "Vogue" in der Septembernummer publizierte große Aufregung im Nachrichtenloch der Ferienzeit aus.

      Denn die acht Ministerinnen der sozialistischen Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero hatten sich in eleganten Modellen spanischer Designer vor dessen Amtssitz ablichten lassen. Als "frivol" beschimpfte der Oppositionsführer die angebliche Entweihung der Moncloa.

      Der Skandal, den die Konservativen in den Medien schürten, zeigt, welches Tabu Zapatero brach, als er gleich viele Frauen wie Männer in sein Kabinett berief - unerhört in der bis dahin so Männer dominierten Gesellschaft.

      Wenn der Ministerpräsident ins Ausland reist, leitet erstmals eine Frau die Kabinettssitzungen. Die zierliche María Teresa de la Vega, 55, stets in bunte elegante Schals gehüllt, hat schon seit der ersten Stunde der Sozialistenregierung von Felipe González 1982 daran gearbeitet, im Gesetzbuch die Gleichberechtigung festzuschreiben.

      Die Juristin aus einer republikanischen Familie in Valencia will jetzt "den Bürgern die Instrumente in die Hand geben, damit sie wirklich Herr über ihr Leben sind".

      Zapatero hat ohne Verzug begonnen, Spanien fürs 21. Jahrhundert fit zu machen. Dabei stützt er sich auf die Intellektuellen und Künstler, die Geschmack daran gefunden haben, sich in die Politik einzumischen.

      Erstmals hatten sich die Intellektuellen nach der Ölpest in Galicien lautstark zu Wort gemeldet. Damals, im November 2002, versuchten konservative Staatsdiener und das öffentliche Fernsehen wochenlang, die Folgen der durch den Billigflaggentanker Prestige verursachten Ölpest zu verharmlosen.

      Reaktionäre Weltsicht

      Die Prestige-Katastrophe wirkte auf die spanische Gesellschaft wie ein Lakmustest, so der galizische Schriftsteller Manuel Rivas, 46. Die konservative Regierung entlarvte sich durch einen autoritären Sprachgebrauch, der die Textschmiede an die Francozeit erinnerte. "Apodiktisch verkündete Aznar angeblich unbestreitbare Wahrheiten ", so Rivas. Anders als demokratische Konservative, die der Opposition zumindest Gedankenfreiheit einräumen, erhob Ministerpräsident José María Aznar sein Denken zur Religion.



      Im Widerstand gegen die zynische Präpotenz der Amtsträger gründete Rivas mit anderen Autoren, Künstlern und Umweltschützern eine freche Aktionsgruppe. Ihren Leitspruch "nunca máis", nie wieder, schrieen Tausende an den teerverseuchten Stränden und vor dem Sitz des Landesvaters Manuel Fraga Iribarne, Gründer der Volkspartei und einstiger Minister des Diktators.

      Damals fuhren Jugendliche und Studenten aus ganz Spanien, ja sogar aus europäischen Nachbarländern, in die leidende Region, um mit eigenen Händen den schwarzen Schlamm wegzuräumen. Während der Regierungschef es ablehnte, die Hochburg seiner Partei zu besuchen, stapften mal König Juan Carlos, mal der Thronfolger Felipe durch den schmutzigen Sand und trösteten beispielhaft volksnah die Geschädigten.

      Neues Bewusstsein erwacht

      In Galicien erwachte ein neuer Bürgersinn. Gegen ängstliches Kriechertum des Postfranquismus erhoben sich "junge Leute, die keine klassische politische Ideologie vertreten", so der Autor Suso de Toro, Gallego wie sein Kollege Rivas und ebenfalls aktiv bei Nunca Maís. "Ihr Sinn für Würde fühlte sich von der Verachtung der Regierenden beleidigt."

      Diese vom "Geburtsmakel der Angst befreite Generation", so Rivas, ließ sich auch nicht den Mund verbieten, als Ministerpräsident Aznar Anfang letzten Jahres beschloss, dem Irak den Krieg zu erklären, zusammen mit dem US-Präsidenten George W. Bush und dem britischen Premier Tony Blair. Er schickte gar spanische Soldaten an den Persischen Golf. Deren Rückholung versprach der damalige Oppositionsführer Zapatero im Falle eines Wahlsiegs der Sozialisten. Massendemonstrationen, so mächtig wie nie zuvor, füllten wochenlang die Straßen der Städte.

      Millionen brüllten "no a la guerra", Nein zum Krieg. Doch die Regierenden blieben taub. Zwar hatte Aznar, 51, in seinen acht Regierungsjahren einen nach außen strahlenden wirtschaftlichen Aufschwung vorangetrieben. Spanien sollte seine Volkpartei als Langzeit- Regierung etablieren. Doch die absolute Mehrheit in der zweiten Legislaturperiode hat ihn dazu verleitet, seine eigene Sehnsucht nach guten alten autoritären Zeiten mit den Zukunftshoffnungen seiner Landleute zu verwechseln.

      92 Prozent der Spanier, so viele wie nirgendwo sonst, waren gegen den Krieg. Der Regisseur Pedro Almodóvar trug Transparente, Maler nutzten die internationale Kunstmesse in Madrid zur Friedens-Performance.

      Der Irak-Krieg brachte einen Protestschub

      Aus der Verleihung der spanischen Filmpreise wurde sehr zum Ärger der Ministerin für Erziehung und Sport eine pazifistische Gala. "Die Kreativen traten direkt mit den Bürgern in Verbindung, statt nur aus der Ferne auf ihre Welt zu blicken", beschreibt Rivas eine Stimmung von Bürgerzorn und -selbstbewusstsein ähnlich der, die 1968 in Deutschland gegen den Vietnamkrieg entstanden war. Und dieser neue Freigeist trug die Sozialisten am 14. März an die Regierung. Denn natürlich hat ein ganzes Volk nicht willkürlich innerhalb von drei Tagen im März nach den blutigsten Attentaten, die Madrid je erlebte, die politische Kehrtwende vollzogen. Während die siegesgewissen Konservativen im lahmen Wahlkampf keine Debatten mit dem Herausforderer zuließen, hatten Jungwähler und solche, die einst im Widerstand gegen Franco waren, im Internet diskutiert. Filmemacher hatten dreiminütige kritische Wertungen der Ära Aznar gedreht, die sie an Universitäten zeigten.

      Aznars Regierung aber versagte in den Augen der Mehrheit der Spanier nach dem 11. März. Statt das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, ließen die Amtsträger die Bürger abermals im Stich. Sie beharrten auf der Täterschaft der baskischen Eta, selbst als die Fahnder schon in Richtung Süden statt Norden ermittelten. Der Innenminister qualifizierte immer massiver auftauchende Hinweise auf islamistische Terroristen als "miserable Ablenkungsmanöver" ab.

      Das erinnerte an die Manipulationen beim Sinken der "Prestige" und zu Beginn des Irak-Kriegs. In der Nacht vor der Wahl demonstrierten Tausende, durch Handy-Botschaften und Internet zusammengetrommelt, vor den PP-Zentralen. Die Stimmung glich den Leipziger Montagsdemos, die mit dem Ruf "Wir sind das Volk" schließlich das DDR-Regime zu Fall brachten.


      Proteste gegen den Irak-Krieg: Die Konservativen wurden bestraft

      "Die Spanier erkannten, dass die Volkspartei zu allem bereit war, nur um sich an der Macht zu halten", erklärt der Publizist und ehemalige Diplomat José María Ridao, 43, den sozialistischen Wahlsieg. "Dafür wurden sie bestraft." Gerade auch junge Leute, die sonst häufig auf die Stimmabgabe pfeifen, wählten diejenigen ab, die versucht hatten, sie zu bevormunden.

      "Ein mutiger Akt des Volkwillens", befindet der Schriftsteller Rivas. Der Galizier glaubt, dass jetzt eine zweite Stunde Null für die spanische Demokratie gekommen ist. Während der Übergangszeit nach Francos Tod schuf eine politische Elite neue Institutionen. Aber erst jetzt, "fühlen wir uns vom Franquismus und Neofranquismus befreit." Eine zweite Transición müsse nun die Bürger in die politischen Entscheidungen einbeziehen.

      Der Optimismus, mit dem die Spanier jetzt dabei sind, Mief und Verkrampfung der vergangenen acht Jahre aus ihrem Alltag zu kehren, könnte auf Besucher ansteckend wirken. Gerade Deutsche, die erleben, dass ihre Heimat in Angststarre gelähmt ist, dürften sich von der lauthals zur Schau gestellten Tatkraft im Urlaubsland anregen lassen.

      Denn auf mündige Bürger setzt der Regierungschef. Das Referendum über die EU-Verfassung im Februar würde er am liebsten für Internet- und Handywahl öffnen, damit mehr Spanier ihr Stimme abgeben als bei dem vergangenen Urnengang für das Europäische Parlament.

      Emanzipation ist der gemeinsame Nenner der Gesetzesinitiativen, welche die Sozialisten bereits in den ersten hundert Tagen angepackt haben. Scheidung sollen bei beiderseitigem Einverständnis nur Wochen dauern, statt sich bis zu fünf Jahren in bürokratischem Kleinkrieg hinzuschleppen. Abtreibung könnte von kommendem Jahr an in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft straffrei werden, nicht mehr abhängig von drei eng gefassten Indikationen wie bisher - bei Vergewaltigung, Missbildung oder Lebensgefahr.

      Schwule und Lesben dürfen, so sie denn wollen, heiraten und erhalten gleiche Rechte wie die Heteros. Erstmals gewährte Spanien einem kolumbianischen Schwulenrechtler Asyl wegen politischer Verfolgung in seiner lateinamerikanischen Heimat. Nach einer Umfrage von Gallup ist über die Hälfte der Spanier für dieses erweiterte Verständnis von Familie.

      Die katholischen Würdenträger, allen voran der Erzbischof von Madrid, Kardinal Antonio María Rouco Varela, laufen Sturm gegen "den Laizismus als neue öffentliche Religion". Sie fordern die Gläubigen in Hirtenbriefen auf, für ihre Religion zu demonstrieren. Zwar erklären nach jüngsten Umfragen noch 80 Prozent der Spanier, sie seien katholisch. Aber weniger als ein Fünftel geht sonntags in die Messe, weniger als ein Drittel widmet der Kirche einen Steuerbeitrag.

      Die Mehrheit nutzt zwar das katholische Ritual für Taufe, Hochzeit und Begräbnis, so zeigen Untersuchungen des staatlichen Zentrums für Sozialforschung CIS. "Aber kaum einer befolgt, was der Papst sagt", so CIS-Direktor Fernando Vallespín. Spanien bleibe auf längere Sicht ideologisch links, interpretiert der Sozialforscher.

      40 Prozent der Befragten definieren sich als Linke, aber nur zwölf Prozent sehen sich als Rechte. Deshalb konnte die Volkspartei nur dann die Regierung erobern, als sie das Zentrum besetzte, und als sich traditionelle Wähler der Linken massiv der Stimme enthielten.

      Reformen der Medien

      Aushängeschild der demokratischen Erneuerung soll die Reform des öffentlichen Radios und Fernsehens sein. Der Universitätsprofessorin für Audiovisuelle Medien, Carmen Caffarel, 50, traut Zapatero offenbar zu, die mit fast sieben Millionen Euro verschuldete Anstalt den Klauen der jeweils regierenden Parteien zu entreißen. Während der Ära Aznar verfälschten die TV-Berichte das Tagesgeschehen so stark, dass der Nachrichtenchef verurteilt wurde.

      Die neue Rundfunkdirektorin aus Barcelona hat zwei Jahre Zeit, um professionelle Kriterien für eine ausgewogene Berichterstattung einzuführen. Währenddessen berät ein Gremium von vier Weisen über ein Zukunftsmodell, das dann im Parlament zur Abstimmung gestellt wird. Könnte der Stimmungsumschwung in Spanien gar Zeichen für eine ideologische Umkehr sein? Das meint der Kommentator José Vidal Beneyto. Der Professor an der Madrider Complutense-Universität glaubt, eine Umorientierung von der seit zwei Dekaden vorherrschenden Ausrichtung politischer Entscheidungen nach den Erfordernissen der Wirtschaft beobachten zu können. Von den Künsten gehe eine neue Avantgarde in der Gesellschaft aus.

      Der Fortschrittsgedanke, also Geistesbewegungen wie Reformation, Aufklärung und Liberalismus, waren in der Vergangenheit immer am Widerstand des Staatskatholizismus zerschellt. Wer sich solchen Gedanken verschrieb, wurde als Anti-Spanier diffamiert und ausgeschlossen. Zuletzt während der achtjährigen Regierungszeit von Aznars Volkspartei verschaffte sich die Kirche, besonders erzkatholische Sekten wie das Opus Dei, wieder übergroßen Einfluss.

      Die Sozialisten unter Zapatero dagegen, dessen Großvater im Bürgerkrieg als republikanischer Offizier von Franquisten erschossen wurde, knüpfen an die Avantgarde-Strömungen der Republik Anfang der dreißiger Jahre an. Sie wollen den Einfluss der katholischen Kirche besonders in den Schulen zurückstutzen. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit setzte die neue Erziehungsministerin eine Verordnung ihrer Vorgängerin außer Kraft, nach der die Religionsnote für die Versetzung ausschlaggebend ist.

      Strafe für Schläge in der Ehe

      Als erstes Gesetz brachte die Regierung einen Maßnahmenkatalog gegen die Gewalt in der Ehe vors Parlament. Im vergangenen Jahr starb im Schnitt alle vier Tage eine Frau durch die Hand ihres Partners, täglich gingen 175 Klagen wegen Misshandlung ein. Deshalb soll auch schon Androhung von Gewalt mit Gefängnis bestraft werden. Bis zu 80 Millionen Euro werden für den Schutz von Opfern, für Frauenhäuser und Arbeitsbeschaffungsprogramme bereitgestellt. Das konservativ dominierte Standesgremium der Justiz meldete zwar Bedenken gegen die "positive Diskriminierung der Frauen" an. Doch selbst die konservative Volkspartei will nicht gegen das Gesetz stimmen.

      Es ist eine Aufbruchstimmung in der spanischen Politik, wie sie in den siebziger Jahren Willy Brandt mit dem Satz "mehr Demokratie wagen" einfing. Mehr Demokratie wagen: Die Regierenden in Spanien haben keine Angst mehr vor ihren Bürgern. Und die sollen es nicht dabei belassen, alle vier Jahre per Stimmzettel ihre Meinung öffentlich zu machen und zwischendurch nur zu maulen.
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      schrieb am 27.09.04 19:37:52
      Beitrag Nr. 355 ()
      27.09.04 |
      Schluderei, Prunksucht, Fehlplanungen, Bauskandale und Schildbürgerstreiche – allein 2004 werden schätzungsweise 30 Milliarden Euro Steuergelder verschwendet.


      ·
      Steuerverschwendung – Das 30-Milliarden-Debakel

      ·
      Steuerbetrug – 34 raffinierte Tricks


      Der Präsident des Steuerzahler-Bundes, Karl Heinz Däke, sagte dem „Handelsblatt“ vom Montag, in diesem Jahr würden wieder 30 Milliarden Euro öffentlicher Mittel verschwendet. Als Konsequenz forderte Däke gesetzliche Sanktionen. Zur wirksamen Bekämpfung der Steuerverschwendung sei der Straftatbestand der Amtsuntreue erforderlich. Das müsse durch einen Amtsankläger flankiert werden, der Verschwendungsfälle anzeige. Der Bund der Steuerzahler will am Dienstag seinen neuesten Bericht über die Verschwendung öffentlicher Mittel vorstellen.

      Die „Bild“-Zeitung nennt auch einige spektakuläre Fälle: So wurden danach für den neuen Fernsehsendeer „German TV“ 20 Millionen
      Euro Anschubförderung vergeudet und eine Fest des Umweltministers anlässlich der Abschaltung des Atomkraftwerks Stade kostete 30 000 Euro.
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      schrieb am 07.11.04 01:20:09
      Beitrag Nr. 356 ()
      Sozialexperte alarmiert
      "Hartz-Reform hat Folgen für die Kinder"



      | 06.11.04 |focus.de
      Im nächsten Jahr werden 2,5 Millionen deutsche Kinder an der Armutsgrenze leben, so die düstere Prognose des Kinder- und Jugendforschers Thomas Olk. Von Alex Desselberger, Berlin

      Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt diesen Montag seinen neuen „Kinderreport Deutschland 2004“ vor. Namhafte Autoren und Experten beleuchten alle zwei Jahre mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die aktuelle Situation der Kinder hierzulande.

      Von der Schule über die Kindergesundheit bis hin zu den Kinderrechten, von den Problemen der Kinder mit der Schule und den Medien über Aspekte des Kinder- und Jugendschutzes gibt die Aufsatzsammlung einen umfangreichen Überblick.

      Schwerpunkt des neuen Reports ist die Kinderarmut. Mit dem Mitverfasser Thomas Olk, Professor für Pädagogik an der Universität Halle-Wittenberg, sprach FOCUS Online über falsche Einstellungen zum Nachwuchs und richtige Investitionen

      FOCUS Online: Warum macht das Deutsche Kinderhilfswerk die Kinderarmut zum Schwerpunkt seines neuen Reports?

      Olk: Das Problem wird seit einigen Jahren nicht mehr geleugnet – doch entschieden bekämpft wird die Kinderarmut in Deutschland nicht. Sie ist im Vergleich zu den Erwachsenen doppelt so hoch.

      Seit 1990 ist der Anteil der jungen und jüngsten Sozialhilfeempfänger überdurchschnittlich angestiegen, bei den 0- bis 7-Jährigen liegt er um ein Mehrfaches höher als bei allen anderen Bevölkerungsgruppen. Zurzeit leben über eine Million Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre von Sozialhilfe, das ist mehr als ein Drittel aller Empfänger.

      FOL: Gibt es Anzeichen, dass der Trend sich umkehrt?

      Olk: Eher nicht, im Gegenteil. Die Hartz-IV-Reform, die zum 1. 1. 2005 greifen soll, hat auch Folgen für Kinder. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bringt mit sich, dass ein großer Teil der arbeitsfähigen bisherigen Arbeitslosenhilfebezieher in das neue Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, das auf dem Niveau der Soziahilfe angesiedelt ist, übergeleitet werden.

      Vorausberechnungen ergeben, dass davon mehr als 2,2 Millionen Haushalte, zirka 4,5 Millionen betroffene Personen einschließlich 1,5 Millionen Kinder betroffen sind. Damit erhöht sich die Anzahl der Kinder, die ein Leben auf Sozialhilfeniveau führen müssen, schlagartig um 1,5 Millionen.

      2,5 Millionen Kinder leben dann an der Armutsgrenze. Jedes zehnte Kind in Deutschland ist also von dieser Entwicklung betroffen. Der vorgesehene Kinderzuschlag wird die Situation nicht wesentlich entschärfen.

      FOL: Warum nimmt die Gesellschaft diese Situation in Kauf?

      Olk: Es wächst eine strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber den Kindern, obwohl die Gesellschaft sie dringend braucht. Schließlich müssen immer weniger eine wachsende Zahl von Rentnern finanzieren. Doch die Familienpolitik hilft viel zu wenig. Mit den alltäglichen Belastungen wie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden Eltern und Alleinerziehende weitgehend allein gelassen und sind entsprechend überfordert.

      FOL: Oder Paare entscheiden sich zunehmend ganz gegen oder für weniger Kinder, wie jüngst eine Studie wieder gezeigt hat...

      Olk: Das ist die logische Folge falscher Schwerpunkte in der Politik. Für die bloße Absicherung sozialer Risiken – etwa im Renten- und Gesundheitssystem – wenden wir immer mehr Geld auf, das für Zukunftsinvestitionen fehlt.

      Wenn wir aber wachsende soziale Ungleichheit bekämpfen wollen, dann müssen wir konsequent in die ersten Lebensjahre investieren. Diese sind für Kinder und Eltern die schwierigsten, aber dort werden die Weichen für Neugier, für die Entwicklung sozialer Kompetenzen gestellt – also für künftige Lebenschancen.

      FOL: Was soll der Staat tun?

      Olk: Wir brauchen echte Unterstützung statt Stütze – wohnortnah qualitativ hochwertige Betreuungs- und Erziehungseinrichtungen. Speziell die sozial Schwachen und da die Kleinkinder brauchen niedrigschwellige Hilfsangebote. Beispielhaft arbeiten die „Early Excellence Centres“ in England und ähnliche Einrichtungen in den skandinavischen Ländern. Dort werden die Eltern entlastet und Kinder gefördert. Und zwar von gut qualifiziertem Personal, oft mit Hochschulabschluss.

      FOL: Das heißt aber doch auch: Mehrausgaben für die klammen öffentlichen Kassen?

      Olk: Das ist ein Trugschluss. Familienergänzende Kinderbetreuung rechnet sich volkswirtschaftlich. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung klar belegt. Sie ermöglicht den Eltern bessere Erwerbschancen. Das führt sowohl zu mehr Steuereinnahmen als auch zu einer Entlastung bei den Sozialhilfeaufwendungen.

      Der Report erscheint als Buch: Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (Hg.), Kinderreport Deutschland 2004, Daten, Fakten Hintergrunde
      kopaed verlag, München 2004, 352 Seiten, 11,80 Euro, ISBN 3-938028-24-6
      Avatar
      schrieb am 07.11.04 12:22:58
      Beitrag Nr. 357 ()
      DER SPIEGEL 46/2004 - 08. November 2004
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,326697,00.html

      HAUSHALT

      Im Wolkenkuckucksheim

      Von Wolfgang Reuter

      Statt die strukturellen Finanzprobleme des Bundes anzugehen, belastet Minister Hans Eichel künftige Generationen. Und er belohnt Unternehmen, die Arbeitsplätze verlagern.


      Hans Eichel weiß, wie ein solider Haushalt aussehen muss. Auf keinen Fall so wie in Hessen: Da will die Landesregierung die Ministerialgebäude verkaufen und gleich wieder zurückmieten, um kurzfristig Etatlöcher zu stopfen.

      Der Abbau von Subventionen sei der einzige Weg, die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen, dozierte der Ex-Oberstudienrat, als er in der vergangenen Woche erläuterte, wie er den Haushalt festzurren will. Eichels Erkenntnis: "Alles andere ist Wolkenkuckucksheim."

      So weit die Theorie. In der Praxis musste der Minister einräumen, dass auch er im Jahr 2005 nicht wirklich sparen will. "Das ist keine Finanzpolitik, die Bestand hat", sagte Eichel. So hart hat wohl noch kein Finanzminister sein eigenes Werk kritisiert, das immerhin die Grundlage des Regierungshandelns ist.

      Der Kassenwart kämpft einen Kampf, den er nicht gewinnen kann - jedenfalls nicht mit seinen bisherigen Mitteln. Immer neue Löcher klaffen in seinem Etat, weil er von vornherein zu viele Luftbuchungen einrechnet oder auf eine Besserung der konjunkturellen Lage hofft - und damit auf höhere Steuereinnahmen.

      Zwar will Eichel, erstmals seit drei Jahren, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen - einen Etat also, in dem die neuen Schulden die Investitionen nicht übersteigen: "Ich sehe einfach nicht, wie man bei 1,5 bis 2 Prozent Wachstum von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes reden kann."

      Aber im vergangenen Jahr waren die Wachstumsprognosen, auch die seines eigenen Hauses, identisch. Dennoch rief Eichel eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes" aus. Nur so konnte er sich vom Bundestag neue Kredite in Höhe von 29,3 Milliarden Euro genehmigen lassen, obwohl er die Investitionen nur mit 24,6 Milliarden Euro veranschlagt hatte. Die FDP will deshalb eine Klage in Karlsruhe einreichen.

      Doch obwohl die Wirtschaft besser lief als von vielen Experten erwartet, kam alles noch viel schlimmer. Im laufenden Jahr fehlen Eichel über zehn Milliarden Euro. Die will er durch weitere Schulden finanzieren. Und um den EU-Stabilitätspakt einhalten zu können, braucht der Kassenwart nach jetzigen Schätzungen im kommenden Jahr weitere acht bis zehn Milliarden Euro.


      Die eigentlichen Ursachen der Misere haben nur wenig mit der wirtschaftlichen Lage zu tun: Die effektive Besteuerung von Kapitalerträgen liegt in Deutschland seit Jahren weit unter dem EU-Durchschnitt. Zudem begünstigt die Regierung den Export von Arbeitsplätzen ins Ausland. Statt jedoch gegenzusteuern, greift der Minister zu Tricks, die er bei anderen, siehe Hessen, anprangert.

      Nach der Platzierung von fünf Milliarden Euro Russland-Schulden am Kapitalmarkt will Eichel nun die Pensionsverpflichtungen der mittlerweile privatisierten Deutschen Post sowie der Telekom zu Geld machen.

      Die Rentenbezüge der ehemaligen Post- und Telekom-Beamten werden von einer bundeseigenen Pensionskasse bezahlt. Die bekommt das Geld, rund sechs Milliarden Euro im Jahr, zu etwa drei Viertel vom Bund, ein Viertel bezahlen die Konzerne.

      Eichels Plan sieht nun vor, dass die Pensionskasse Teile ihrer Forderungen an die Post und die Telekom als Anleihe bündelt und am Kapitalmarkt verkauft. Dieses Manöver soll der Pensionskasse im nächsten Jahr 5,5 Milliarden Euro bescheren.

      Dank dieser Einnahmen kann der Bund auf seine Pensionszahlungen an ehemalige Post- und Telekom-Beamte verzichten - zumindest im nächsten Jahr. 2006 wäre das Geld immer noch nicht ganz aufgezehrt. Danach aber muss der Bund den bisher von Post und Telekom bezahlten Beitrag voll mitübernehmen. In den kommenden Jahren wird der Etat damit um 1,3 bis 1,4 Milliarden mehr belastet als bisher.

      Statt Ausgaben zu kürzen, was den Etat langfristig entlastet hätte, verkauft Eichel also künftige Einnahmen. Das verschlimmert die ohnehin angespannte Finanzsituation in der Zukunft weiter: Eichel entlastet sich zu Lasten künftiger Generationen.

      Solche "innovativen Finanzmarkt-Transaktionen", wie Eichels Mitarbeiter den Griff in die Trickkiste schönreden, sind für den Bund zudem viel teurer als herkömmliche Kredite. Die Renditen solcher Anleihen liegen bei sieben bis acht Prozent, die schnellen 5,5 Milliarden Euro sind damit doppelt so teuer wie herkömmliche Schulden.

      Eine weitere Milliarde soll durch die Verschiebung von Privatisierungserlösen ins nächste Jahr fließen, den Beamten und Angestellten im Öffentlichen Dienst will der Minister eine Nullrunde verordnen, und eine weitere Milliarde sollen Eichels Kabinettskollegen einsparen. Der erbitterte Streit darüber, wer auf wie viel verzichten muss, ist dabei programmiert.

      Die Flickschusterei geht also weiter, dabei würde sich eine genaue Analyse der Steuergesetzgebung in Deutschland lohnen. Zum Beispiel ein Blick in die Statistiken der Europäischen Union:

      So hat die EU-Kommission in einer aktuellen Studie festgestellt, dass die effektive Steuerbelastung der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in den Mitgliedstaaten in einer sehr engen Bandbreite zwischen 28 und 32 Prozent schwankt. Nur in Deutschland liegt die Quote deutlich darunter - nämlich bei nur 21 Prozent.


      Deutschland war zudem das einzige Land, das zwischen 1995 und 2002 die effektive Steuerbelastung des Faktors Kapital gesenkt hat.
      Zwar vergeht kein Tag, an dem die Unternehmen und Konzerne nicht über die hohen Steuersätze klagen - die sind auf dem Papier tatsächlich auch die höchsten in Europa. Die Diskrepanz kommt zu Stande, weil es nirgends so viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt, mit deren Hilfe die Gesellschaften ihre Steuern senken können.

      Beispiel Deutsche Bank: Das Institut hatte im Jahr 2002 gegenüber seinen Aktionären einen Gewinn vor Steuern von 3,6 Milliarden Euro ausgewiesen. Den Steueraufwand bezifferte das Unternehmen mit 3,2 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich eine Steuerquote von 88 Prozent. Doch sind in der Zahl latente Steuern enthalten - also zukünftige fiktive und kalkulatorische Abführungen an den Fiskus. Tatsächlich überwiesen hat die Deutsche Bank an das Finanzamt jedoch nur 400 Millionen Euro, die tatsächliche Steuerquote betrug also gerade mal 11 Prozent. Im Jahr darauf gab das Institut einen Steueraufwand von 2,9 Milliarden Euro an, bezahlte aber tatsächlich nur 911 Millionen.

      Beispiel DaimlerChrysler: Im Schnitt der Jahre 1997 bis 2002 beträgt das Verhältnis der tatsächlich bezahlten Steuern zu den für die Aktionäre ausgewiesenen Gewinnen nur neun Prozent.

      Auch aus anderen Gründen ist Deutschland für den Wiesbadener Wirtschaftsprofessor Lorenz Jarass "eigentlich ein Steuerparadies". Denn das deutsche Recht erlaubt es den Unternehmen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlegen - und viele Ausgaben dafür auch noch steuerlich abzusetzen. Von den Gewinnen, die abtrünnige Firmen dagegen aus ihren teils nagelneuen Auslandstöchtern nach Deutschland transferieren, verlangt der Fiskus lediglich zwei Prozent. "Die Arbeitnehmer finanzieren damit ihren eigenen Stellenabbau über die Steuer mit", so Jarass.

      Ein Beispiel: Eine Aktiengesellschaft gründet, beispielsweise in Tschechien, ein Tochterunternehmen und gibt dafür 100 Jobs in Deutschland auf. Dann kann die Firma fast alle Ausgaben, vor allem aber auch die Schuldzinsen mit den in Deutschland erzielten Gewinnen verrechnen und steuerlich abziehen. Da kommen, bei einer Investitionssumme von 100 Millionen Euro, schnell jährliche Kosten von zehn Millionen Euro zusammen. Sie schmälern die deutsche Steuerlast der Muttergesellschaft um vier Millionen Euro.

      Erzielt die gleiche Tochter dank der billigeren Arbeitskräfte nun auch zehn Millionen Gewinn und transferiert ihn an die Zentrale, dann will der Staat davon nur 200 000 Euro haben. Den Steuerzahler kostet der Verlust von etwa 100 Arbeitsplätzen also zusätzlich zu allen anderen Effekten fast vier Millionen Euro. Diese unsinnige Regelung hat die rot-grüne Regierung - auch auf Druck der Industrieverbände - 1999 selbst eingeführt.

      Eine vernünftige Besteuerung von Unternehmen würde nicht nur den Export von Jobs erschweren, sondern dem Bundeshaushalt auch viele Milliarden bescheren. Auf der Grundlage von offiziellen Zahlen hat Jarass berechnet, dass die effektive Belastung der Kapitalgesellschaften im angeblichen Hochsteuerland Deutschland seit 2001 nur noch rund zehn Prozent beträgt.

      "Hätten wir in Deutschland den so vielfach gepriesenen einheitlichen Unternehmenssteuersatz von 19 Prozent wie in der Slowakei und würden diese Firmen tatsächlich mit 19 Prozent besteuert werden", sagt der Wissenschaftler, "dann hätte der Bund Mehreinnahmen von mindestens zehn Milliarden Euro."


      Und Eichel müsste die Pensionszahlungen der Post und Telekom gar nicht verkaufen.
      Avatar
      schrieb am 29.11.04 17:13:45
      Beitrag Nr. 358 ()
      Soziale Unterschiede unter Rot-Grün laut Armutsbericht gewachsen

      BERLIN. Unter der rot-grünen Regierung haben sich die sozialen Unterschiede in Deutschland offenbar verschärft. Dies geht laut einem Bericht des „Spiegel“ aus dem Entwurf zum Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hervor, den Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) im nächsten Jahr vorstellen will. Der Anteil derjenigen, die mit einem Einkommen unterhalb der von der EU definierten Armutsgrenze auskommen müssen, hat sich demnach seit 1998 von 12,1 Prozent auf 13,5 Prozent erhöht. Ein Ministeriumssprecher
      sagte, der Bericht werde noch erarbeitet und könne daher nicht kommentiert werden. Die Bundesrepublik sei aber „besser durch die Krise gefahren als andere Länder“.

      Wenn man eine durchgreifende Änderung bei Einkommen und Vermögensverhältnissen wolle, „braucht man mehr Wirtschaftswachstum“, so der Schmidt-Sprecher. Mit den Reformen der Agenda 2010 habe die Bundesregierung „die Herausforderung durch den demografischen Wandel und die Globalisierung angenommen“. Angaben zum Inhalt des Armutsberichts wollte der Sprecher nicht machen, solange das Papier nicht im Kabinett behandelt worden sei. Dem Spiegelbericht zufolge seien von den Familien sogar 13,9 Prozent von Armut betroffen. Gleichzeitig sei der Besitzanteil der Reichsten am gesamten privaten Nettovermögen von fünf Billionen Euro gewachsen. Den betuchtesten zehn Prozent der Haushalte gehörten davon 47 Prozent - zwei Prozentpunkte mehr als 1998.

      Der Anteil der unteren 50 Prozent aller Haushalte am Gesamtvermögen habe sich hingegen von 4,4 Prozent auf nunmehr vier Prozent verringert. „Soziale Ungleichheit ist eine Tatsache“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Bericht, „in manchen Bereichen ist sie in den letzten Jahren gewachsen“. So habe sich die Zahl der überschuldeten Haushalte seit 1999 von 2,77 Millionen auf 3,13 Millionen erhöht. 1,1 Millionen Kinder seien auf Sozialhilfe angewiesen. Bildungschancen würden vererbt. Die Chancen eines Kindes aus einem Elternhaus mit hohem sozialem Status, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, seien fast dreimal so hoch wie die eines Facharbeiterkindes. Seine Chance, ein Studium aufzunehmen, sei „sogar 7,4-fach größer als die eines Kindes aus einem Elternhaus mit niedrigem sozialem Status“. /afp


      --------------------------------------------------------------------------------
      Avatar
      schrieb am 29.11.04 20:56:39
      Beitrag Nr. 359 ()
      Hallo Deep Thought,

      es gilt auch für dich eine Quellenangabe zu deinen Bericht unter #358 hier zu hinterlassen!

      Das dieser Bericht aus dem Dunstkreis der SPD Propaganda stammt kann man sich ja denken!:cry:
      Avatar
      schrieb am 29.11.04 21:23:18
      Beitrag Nr. 360 ()
      #359

      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,329953,00.html

      Gibt es aber schon etliche andere Threads zu.
      Avatar
      schrieb am 29.11.04 23:15:17
      Beitrag Nr. 361 ()
      @ albatossa

      Die Meldung entstammt - wie man in der letzten Zeile lesen kann, wenn man es denn will-

      der afp, wobei "p" nicht "Partei" heisst.... :D

      Es handelt sich um eine der angesehendsten und ältesten Presseagenturen der Welt:

      http://www.afp.com/francais/afp/?pid=history

      übrigens älter als die Sozialdemokratie... gegründet 1835

      mit verbindlichem Gruss
      D.T.
      Avatar
      schrieb am 29.11.04 23:17:50
      Beitrag Nr. 362 ()
      halt!

      Ich muss mich korrigieren!

      Ich schrieb:

      Es handelt sich um eine der angesehendsten und ältesten Presseagenturen der Welt:

      das ist falsch!

      Es ist nämlich nie eine der ältesten Preesseagenturen der Welt....


      :D

      ...es ist DIE ÄLTESTE Presseagentur der Welt.... :D
      Avatar
      schrieb am 20.12.04 23:07:25
      Beitrag Nr. 363 ()
      SPIEGEL ONLINE - 20. Dezember 2004, 17:04
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,333753,00.h…


      Hartz IV

      Sozialverband hält Berechnung für unseriös


      Von Dorothée Junkers

      Ab Januar gilt Hartz IV. Bei der Ermittlung der Höhe von Sozialhilfe, Sozialgeld und Arbeitslosengeld II sei "unseriös und manipulativ" vorgegangen worden, lautet der Vorwurf des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Die neuen Regelsätze seien um ein Fünftel zu niedrig.


      Hartz-IV-Regelsätze: Zu niedrig angesetzt?

      Berlin - Elf Tage bevor die Hartz-IV-Gesetze in Kraft treten, untermauert der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) seine Kritik an dem Reformvorhaben mit zahlreichen Beispielen.

      Um die Ansprüche der Hartz-IV-Empfänger klein zu rechnen, seien die statistischen Grundlagen des Regelsatzes geschönt und willkürlich umgesetzt worden, kritisierte DPWV-Geschäftsführer Ulrich Schneider. So sei mit einem neuen Statistikmodell im vergangenen Mai der Versuch gestartet worden, die Höhe der Sozialhilfe anhand des Ausgabeverhaltens unterer Einkommensschichten festzulegen.

      Dadurch werde "eine wissenschaftliche Objektivität vorgegaukelt, die in Wahrheit nicht gegeben ist", sagte Schneider und fügte hinzu, dass mit "absurden Argumenten" und gezieltem Kleinrechnen beinahe "skurrile Beträge" ermittelt worden seien.

      An Einzelbeispielen listet der Verband bei der Präsentation seiner Ergebnisse am Montag in Berlin unter anderem auf:



      Untere Einkommensschichten geben laut der Verbrauchsstatistik, die dem neuen Regelsatz zugrunde liegt, jährlich 300 Euro für Kleidung aus - vom Unterhemd über den Pulli bis zur Mütze. Diese ohnehin nicht gerade üppige Summe hätten die Beamten um zehn Prozent gekürzt, so der DPWV. Begründung: In den 300 Euro hätten auch ein Maßanzug oder ein Pelzmantel enthalten sein können, die Sozialhilfeempfängern aber nicht zustünden.


      Mit dem gleichen Argument ("Keine Maßschuhe für Leistungsempfänger!") wurden die monatlichen Ausgaben für Schuhe von 7,61 Euro auf 6,09 Euro bei Erwachsenen, bei Kindern von 4,57 Euro auf 3,66 Euro gekürzt.


      Forderung nach höherem Sozialhilfesatz

      Das mit derlei Berechnungen ermittelte Arbeitslosengeld II sei um 19 Prozent zu niedrig, kritisierte die DPWV-Vorsitzende Barbara Stolterfoht, einst Mitglied der Rürup-Kommission. "Wir brauchen Regelsätze, die ein Leben ohne Armut ermöglichen, was wir jetzt haben, sind Regelsätze die Armut festschreiben und verschärfen." Anders als von der Bundesregierung behauptet, habe die große Mehrheit der künftigen Arbeitslosengeld-II-Bezieher ab Januar nicht mehr Geld zur Verfügung, so Stolterfoht.

      Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II schützten nicht vor Armut. Deshalb müsse der ab kommendem Januar geltende Sozialhilferegelsatz von 345 Euro auf 412 Euro angehoben werden, so die ehemalige hessische Sozialministerin (SPD).

      Der in den neuen Bundesländern geltende Regelsatz von 331 Euro müsse dem Westniveau angeglichen werden. Für die Erhöhung der Regelsätze seien keine Steuererhöhungen notwendig, denkbar seien die Abschaffung der Eigenheimzulage oder des Ehegattensplittings.

      Jedes zehnte Kind betroffen

      Insbesondere Kinder und Jugendliche ab acht Jahren gehören nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes mit Kürzungen von 10,5 und 12,5 Prozent zu den Verlierern der neuen Regelsatzverordnung. Nach Berechnung des DPWV werden mit Inkrafttreten von Hartz IV zu den ohnehin auf Sozialhilfeniveau lebenden 1,1 Millionen Kindern und Jugendlichen noch einmal rund 460.000 dazukommen. Dann wäre jedes zehnte Kind betroffen. Insgesamt könnte die Zahl derer, die auf Sozialhilfeniveau leben, von derzeit 2,8 Millionen auf rund 4,6 Millionen Menschen ansteigen.


      Die müssen sich ab Januar unter anderem mit folgenden Berechnungen plagen:


      Fürs Telefon gibt es monatlich 17,85 Euro - bei 15,66 Euro Grundgebühr.


      Schulkinder erhalten im Monat 1,33 Euro für Schreibwaren. Die Höhe der Zuwendung wurde so berechnet: Die 1,33 Euro seien 60 Prozent der monatlichen Ausgaben eines Erwachsenen mit niedrigem Einkommen für Schreibwaren.


      Für Ausflüge, Theater, Schwimmen oder Kino bekommen Kinder monatlich noch 2,78 Euro.


      Notwendig sei jetzt eine öffentliche Debatte um die Höhe des Existenzminimums, so der DPWV. Zudem müssten die Regelsätze künftig von einer Expertengruppe weiter entwickelt und vom Gesetzgeber festgelegt werden, und nicht im "Hinterzimmer des Ministeriums".

      Das Bundeswirtschaftsministerium wies am Montag die Vorwürfe zurück. Einen "Nachschlag" auf die Regelsätze, so ein Sprecher, lehne die Bundesregierung ab.
      Avatar
      schrieb am 29.12.04 13:27:46
      Beitrag Nr. 364 ()
      Suche nach dem idealen System
      Der deutsche Sozialstaat und die soziale Krankenversicherung sind viel besser als ihr Ruf. Wer sie zerschlägt, schadet letztlich BürgerInnen, Unternehmen und dem Staat


      Die unsägliche Debatte über die Gesundheitsreform hat vor allem eins gezeigt: Sachverständnis und Rationalität spielen in der Debatte über den Umbau der Sozialsysteme in Deutschland keine nennenswerte Rolle. Parteiräson und unbedingte Loyalität sind wichtiger. CSU-Chef Edmund Stoiber schwor seine Partei nicht nur auf patriotische, sondern auch auf "christliche Werte" ein. Das hindert ihn und die Seinen keineswegs daran, die katholische Soziallehre auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Die "christlichen" Parteien durchleben einen Paradigmenwechsel - McKinsey statt Nell-Bräuning. Die zwischen CDU und CSU ausgekungelte Einheitspauschale zur Krankenversicherung soll die 120-jährige Geschichte der sozialen Krankenversicherung in Deutschland beenden.

      Wäre angesichts des neoliberalen Frontalangriffs auf das deutsche Sozialsystem ein Wechsel zu einem steuerfinanzierten Gesundheitswesen die beste Lösung? Auf jeden Fall ist er eine bedenkenswerte Alternative, die ja in Großbritannien und Dänemark erfolgreich angewendet wird. Doch Vorsicht: Egal ob Staat oder Markt die Führung übernehmen sollen - radikale Systemwechsel sind allenfalls im Zusammenhang mit tiefen Umbrüchen möglich. So wurde das steuerfinanzierte britische Gesundheitswesen nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt oder die marktorientierte Reform im Chile von Diktator Augusto Pinochet. Grundsätzlich spiegeln Sozialsysteme sehr getreu die Wertvorstellungen und Empfindungen einer Gesellschaft wider. Der Übergang zu einem anderen Gesundheitssystem führt zu erheblichen Verwerfungen und kostet viel.

      Grundsätzlich gilt: Das ideale Gesundheitswesen gibt es nicht. Das belegen die zahllosen Reformbestrebungen weltweit. Solange sich keine restlos überzeugende Alternative bietet, ist es unverantwortlich und fahrlässig, das alte System abzuschaffen, wie heute allenthalben gefordert. Nicht nur der Sozialstaat ist besser als sein Ruf, auch die soziale Krankenversicherung. Die einseitige Wahrnehmung als Belastung des Wirtschaftsstandorts verkennt historische Prozesse ebenso wie ökonomische Zusammenhänge. Sozialversicherungen sind keine karitativen Vereine, ihre Leistungen beruhen nicht auf dem guten Willen der besseren Gesellschaft. Der Schritt von freiwilliger Fürsorge hin zu sozialen Sicherungssystemen mit verbrieftem Anspruch auf Hilfe bei Bedarf gehört zu den kulturell-zivilisatorisch bedeutsamsten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte.

      Seit ihrem Bestehen federn sie zudem die unausweichlichen gesellschaftlichen Kosten der privatwirtschaftlichen Logik ab, vermeiden oder überwinden die Armut und sichern allen BürgerInnen einen angemessenen Lebensstandard. Werden stattdessen soziale Sicherungssysteme beschnitten, ist die Folge fatal: Die allgemeine Verunsicherung bremst die ohnehin mangelnde Konsumbereitschaft der Bevölkerung weiter.

      Weltweit haben sich funktionierende Sozialversicherungen meist als Wachstumsfaktor erwiesen. Sozialabgaben sind kein bloßer Kostenfaktor, vielmehr eine Investition in das Humankapital, die zu höherer Produktivität einzelner Unternehmen wie der Gesamtwirtschaft führt. Die gesellschaftliche Absicherung kollektiver Risiken gewährleistet die Nachhaltigkeit der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung und fördert den sozialen Ausgleich. Davon profitiert unmittelbar die ärmere Bevölkerung, doch sozialer Friede und eine gerechtere Gesellschaft bringen auch für die oberen Schichten Vorteile. So müssen Länder mit ausgeprägter Ungleichheit wie die USA enorme Summen aufwenden für Sicherheitsorgane, Strafvollzug und nicht zuletzt die Gesundheitsversorgung der Armen. Sozialer Ausgleich, wie ihn etwa die gesetzliche Krankenversicherung bewirkt, spart indes erhebliche volkswirtschaftliche Ressourcen, die für andere gesellschaftliche Aufgaben zur Verfügung stehen.

      Allen Erkenntnissen zum Trotz predigen unzählige WirtschaftsexpertInnen landauf, landab die Ideologie des kurzfristigen, ausschließlich betriebswirtschaftlichen Gewinnstrebens: Der Wirtschaft nützt alles, was die Produktionskosten der Unternehmen senkt. Volkswirtschaftliche Auswirkungen haben keinen Platz im Shareholder-Value-Denken. Das Stieren auf die standortspezifischen Lohnkostenanteile - tendenziös als "Lohnnebenkosten" bezeichnet - führt zum Tunnelblick.

      Allen seriösen Berechnungen zum Trotz bauschen die ReformerInnen den minimalen Effekt der Krankenversicherungsabgaben auf die Herstellungspreise deutscher Produkte unzulässig auf. Lieber beschränken sie sich auf einen simplen internationalen Vergleich der unmittelbaren Arbeitskosten, als "Lohnstückkosten" in Betracht zu ziehen oder eine höhere Steuerbelastung mitzubedenken.

      Das liegt sicherlich auch daran, dass sich global operierende Unternehmen oft erfolgreich vor Steuerzahlungen drücken. Daraus ergibt sich ein Argument gegen die Einführung eines steuerfinanzierten Gesundheitssystems: Gerade die Gewinne international operierender Unternehmen entziehen sich oft dem Zugriff der Finanzminister. Die Gerechtigkeit eines staatlich finanzierten Gesundheitswesens hängt aber von der Ausgestaltung und Wirksamkeit des Steuersystems ab. Besonders perfide sind daher Vorschläge, die Mehrwertsteuer für den sozialen Ausgleich der Kopfpauschale zu erhöhen. Konsumsteuern belasten die unteren Einkommen relativ mehr, größere Fairness gewährleisten einkommensabhängige progressive Steuern.

      Ohnehin weist auch Deutschland seit Jahren eine zunehmend ungleiche Einkommensverteilung auf. Das Steuersystem allein ist völlig überfordert, eine effektive Umverteilung zu gewährleisten - erst recht bei sinkenden Spitzensteuersätzen. Besonders in Krisenzeiten sind steuerfinanzierte Systeme erheblich kürzungsanfälliger als soziale Krankenversicherungen. Wer beobachtet, wie Hans Eichel die Budgets der Ministerien kürzt, den muss die Vorstellung eines steuerfinanzierten Gesundheitswesens Angst und Bange machen. Die Abhängigkeit vom Staatshaushalt führt bei knappen Kassen unvermeidlich zu Rationierung, Wartezeiten und Versorgungsengpässen.

      Soziale Krankenversicherungen gewährleisten hingegen eine weitgehende Entkoppelung gesundheitspolitischer Entscheidungen von der Regierung. Sie nehmen ausschließlich zweckbestimmte Mittel ein, die sie für die Gesundheitsversorgung ihrer Mitglieder aufwenden müssen. Durch Anpassung der Beiträge an die Ausgaben erfüllen sie am zuverlässigsten die Aufgabe einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung. Das Solidarprinzip, das eine wirksame Umverteilung garantiert, stößt hierzulande auf breite Unterstützung in der Bevölkerung. Ein grundsätzlicher Umbau der Sozialsysteme widerspräche dem Wunsch von drei Vierteln der BundesbürgerInnen. Das sollte im allgemeinen Reformgebrüll nicht untergehen." JENS HOLST

      taz Nr. 7550 vom 28.12.2004, Seite 9, 241 Kommentar JENS HOLST, taz-Debatte
      Avatar
      schrieb am 05.01.05 13:30:40
      Beitrag Nr. 365 ()
      Es ist nicht besonders schön, mit dem Threadtitel und meinen düsteren Prognosen 100%ig bestätigt zu erden....

      Aber dieser Thread zeigt: Das Desaster und die parteiübergreifende Verblendung und Realitätsferne gepaart mit naivem Wunschdenken und dümmlichem Strukturdenken unserer Politischen "Eliten" sowie die konsequente, erbärmliche Jammerei der von einem Gewinnrekord zum nächsten eilenden Großunternehmen (die schon lange keine Steuern mehr zahlen, aber gerne subventioniert werden und die Infrastruktur gerne kostenlos nutzen) haben eine Schneise geschlagen, die die Zeit nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren wird. Langfristig auch für die kurzfristig denkenden Großunternehmen, die sich soeben den Umsatzmarkt der Zukunft in Europa vernichten, weil bald die Konsumnachfrage gegen Null streben wird.

      Am Erbärmlichsten ist Herr Hartz, der selbstverliebte Pseudo-Retter, der sich jetzt in die billige Dolchstoßlegende rettet, er habe alles anders gewollt... :mad:

      Dabei haben seine Erpressungsversuche der neueren Zeit bewiesen, daß es ihm natürlich nur um konsequente Senkung der Personalkosten für die Unternehmen geht, die deutschland nun nach Strich und Faden ausplündern... Masenentlassungen machen ihm nix aus... dem Mann, der den Arbeitsmarkt konsolidieren sollte und jetzt verstärkt die Belegschaft nach Lust und Laune erpresst und gleichzeitig immer mehr Arbeitsplätze schafft - woanders, selbstverständlich....



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      DER SPIEGEL 1/2005 - 31. Dezember 2004
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,335014,00.html


      Beschäftigung

      Das Reform-Monster


      Von Markus Feldenkirchen und Michael Sauga

      Ein Beschäftigungswunder wollte Peter Hartz schaffen. Durch das Gezerre von Behörden und Politikern wurde daraus Hartz IV. Die neue Jobagentur bringt mehr Bürokratie, kostet mehr Geld und schafft zusätzliche Jobs vor allem in der Verwaltung.




      Reformer Clement, Weise: Ein mutiges Unterfangen - aber wurden auch die richtigen Instrumente gewählt?

      Es riecht nach Schweiß und Bier. Ein Schild warnt: "Auf den Fluren und Wartebereichen ist das Trinken von Alkohol verboten!" An den Bürotüren kleben rote Zettel mit einer Sondermitteilung. "Achtung!! Aufgrund der umfangreichen Arbeiten wegen der Einführung des ALG II, bitten wir ab dem 20. 9. 2004 von einer persönlichen Beratung abzusehen." Solche Schilder klebten in den vergangenen Monaten an Tausenden Türen deutscher Sozialämter und Arbeitsagenturen. Der Start von Hartz IV hat sie nahezu lahm gelegt. Die Sachbearbeiter können sich nicht mehr um die Menschen kümmern, die sie bislang betreut haben. Sie müssen jetzt Hartz IV einführen. Das ist wichtiger.

      Im Büro von Michael Neunhoeffer liegen zwei kniehohe Stapel brauner Leitz-Mappen aus Karton auf dem PVC-Boden. Wenn jemand die Tür öffnet, wackeln die Stapel. "Das sind die Rückläufe der Anträge", sagt Neunhoeffer.

      Er gehört zur Soko Soz 312. Er ist der Sachbearbeiter für 34 Straßen in Neukölln, für alle Menschen, die zwischen dem 19. und dem 25. eines Monats geboren wurden. Er trägt einen verwaschenen Pulli und eine unscheinbare Brille mit dünnem Rahmen. Er ist ein ruhiger Mensch, sympathisch und etwas gemütlich.

      Michael Neunhoeffer muss Schicksale umschichten. Er muss aus Sozialhilfeempfängern Arbeitslosengeld-II-Bezieher machen. Für Sozialhilfeempfänger gab es bisher graue Mappen, für Arbeitslosengeld-II-Empfänger gibt es nun braune Mappen. Und es gibt eine neue Computersoftware, von der sie jetzt erfasst werden. Aber die Software ist viel zu spät gekommen. Neunhoeffers Mappenberge wachsen und wachsen, er kann sie nicht abarbeiten.

      "ALG II-Online" steht auf dem Bildschirm. Er klickt auf "Neuer Fall anlegen". Zeile für Zeile soll er die Angaben aus dem Fragebogen in das Computerprogramm eintippen, alle Informationen, die man braucht, um einen Menschen wohnen, essen und versichert sein lassen zu können. Am Ende soll er auf das Feld "Berechnung" klicken, und der Fall wandert auf den Zentralserver der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.

      So ist es gedacht.

      Plötzlich blinkt ein Feld auf am Bildschirm. "Info: Systemfehler. Keine Verbindung zum Server. Diese Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung: Neu anmelden."

      "Scheiße", sagt Michael Neunhoeffer.

      Am Bildschirmrand lächelt der Fußballer Sebastian Deisler von einem Duplo-Sammelbildchen.

      Es ist einer von vielen Fehlern. Das System ist überlastet, es arbeitet zu langsam, weil es kaum getestet werden konnte und weil bundesweit Tausende Sachbearbeiter gleichzeitig auf den Zentralserver in Nürnberg zugreifen möchten. An manchen Tagen fällt der Server ganz aus.

      Irgendwann beginnt Neunhoeffer nur noch die wichtigsten Angaben wie Adresse,

      Bankverbindung und Krankenversicherung in den Computer zu tippen. Er klappt einen Antragsbogen zu, auf dem fast alle Felder frei gelassen wurden. "Normalerweise hätte ich diese Akte gar nicht eingeben dürfen", sagt er. "Aber jetzt ist der Druck von oben zu hoch, dass die Zahlungen zu Jahresbeginn kommen müssen."

      90 Prozent seiner Fälle wird man im Laufe des Jahres noch einmal eingeben und neu bearbeiten müssen. Er sagt, die Art und Weise, wie Hartz IV eingeführt wird, sei eine "Harakiri-Aktion" und er und seine Kollegen seien "das Kanonenfutter von Hartz IV". Aus dem kleinen Kofferradio singt Xavier Naidoo "Kümmer dich um dein Leben".

      DIE VERPFUSCHTE IDEE

      Es sollte die größte und beste Sozialreform seit Bestehen der Bundesrepublik werden, doch noch ist sie vor allem umstritten. Arbeitslose protestieren. Elf Landkreise klagen gegen das Gesetz, weil sie finanzielle Nachteile fürchten. Finanzminister Hans Eichel bezweifelt, dass ihm Hartz IV in diesem Jahr Einsparungen bringt, womit ein Großteil des Sinns der Reform in Frage gestellt ist. Und Bundeskanzler Gerhard Schröder hat schon mal einen Sündenbock ausgeguckt, indem er Wirtschaftsminister Wolfgang Clement jüngst als Verantwortlichen für die Umsetzung der Reform benannte.

      Bislang hat die Reform dem Kanzler schwer geschadet - und ihm dann auch wieder genutzt. Sie bescherte ihm zunächst historische Umfragetiefs und seiner Partei eine Zerreißprobe. Aber dann erntete er neuen Respekt, weil er den Protesten des Sommers gegen Hartz IV standhielt. Die Umfragewerte zogen wieder an.

      Doch nun stellt sich die Frage, wem die Reform am Ende wirklich nützt. Den Arbeitslosen? Den Kommunen? Der Wirtschaft?

      Zum Start sieht Hartz IV eher aus wie die größte Reform-Illusion seit Bestehen der Bundesrepublik. Das Gesetz verheißt Bewegung und Aufbruch, doch es ist fraglich, ob es nur eines der Probleme des Landes lösen kann. Es ist, als ob die Deutsche Bahn das Problem ständig verspäteter Züge in den Griff bekommen wollte und deshalb beschließt, alle Bahnhöfe zu renovieren: mit frisch gestrichenen Wänden, modernen Toilettenanlagen und freundlichen Würstchenverkäufern am Bahnsteig.


      Es wird das Richtige gewollt - die Motivation der Arbeitslosen stärken, die Sozialkassen entlasten. Unter der Losung "Fördern und Fordern" sollen die Arbeitslosen, auch mit verstärktem Druck, wieder ins Arbeitsleben integriert werden. Und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird ein kompletter Teil des ausufernden Sozialstaats gekappt.

      Ein mutiges Unterfangen - aber wurden dafür auch die richtigen Instrumente gewählt? Oder ist Hartz IV in Wahrheit eine gewaltige Beschäftigungstherapie für Politiker, Behörden und Medien? Wird mit viel Aufwand wenig bewegt - und am Kern des Problems gar nicht gerührt?

      Sicher ist, dass Hartz IV die Behörden verändert, die Computerprogramme, die Höhe der Zahlungen an Arbeitslose. Aber ändert es auch die Chance, in Deutschland einen Job zu bekommen?


      Am Anfang dieser Reform stand die Erkenntnis, dass die Republik ihre Langzeitarbeitslosen nicht länger so verwalten kann wie bisher. Kaum ein anderes Land garantierte ihnen so hohe Geldleistungen wie die Bundesrepublik, nur in wenigen Ländern lagen die Staatsausgaben für die Arbeitslosigkeit höher.

      Aber der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist

      in kaum einem anderen Land so hoch wie in Deutschland, und ein Großteil des Geldes versickerte in einem monströs aufgeblähten Verwaltungsapparat aus konkurrierenden Großbürokratien: Anstatt die Dauerarbeitslosen so schnell wie möglich zu vermitteln, wurden sie von kommunalen Sozialämtern und der bundeseigenen Arbeitsverwaltung hin und her geschoben, wie Bauern beim Schach.

      Um das zu ändern, einigte sich eine Kommission, in der Arbeitgeber, Gewerkschafter und viele Experten saßen, nach monatelangem Gezerre auf einen vergleichsweise einfachen Reformvorschlag: Alle Langzeitarbeitslosen erhalten künftig eine einheitliche Leistung namens Arbeitslosengeld II, ungefähr in Höhe der heutigen Sozialhilfe. Zugleich werden alle Langzeitarbeitslosen in Zukunft einheitlich von der Bundesagentur für Arbeit betreut. Das sollte das ineffiziente "Nebeneinander zweier Sozialleistungssysteme" beenden und das "Tempo der Vermittlung in Arbeit" erhöhen, so der Abschlussbericht der Kommission, die Peter Hartz anführte, Vorstandsmitglied bei Volkswagen. Er war guten Mutes, einen Beitrag zur Gesundung Deutschlands geleistet zu haben.

      Aber dann geriet das Gesetz in die Mühlen der Politik.

      DER EHRGEIZ DES ROLAND KOCH

      Im Oktober 1999 ist Roland Koch zum ersten Mal als Ministerpräsident im US-Staat Wisconsin. Mit seiner kleinen Delegation wird er eingeladen zum State-Dinner in der Residenz des Gouverneurs. Es ist ein festliches Abendessen, das Tommy Thompson für seinen Gast aus Hessen bereitet, es gibt Hummer, Klaviermusik und Kerzenschein. Thompson zeigt dem deutschen Gast sein Modell "Wisconsin works", ein radikales Programm, mit dem Sozialhilfeempfänger wieder zu Arbeitenden gemacht werden sollen. Koch ist fasziniert.

      Als er im Sommer 2001 wieder mal von einer Wisconsin-Reise heimkehrt, sagt Koch, er traue sich zu, die Zahl der Sozialhilfeempfänger in seinem Land wenigstens zu halbieren. Er sagt zudem, dass seine Kommunen das besser könnten als die Bundesagentur für Arbeit. Er will auch eine Ausnahme vom Bundesrecht haben, wie Tommy Thompson. Er schreibt ein Gesetz, 28 Seiten dick, er nennt es "Offensiv-Gesetz" und bringt es in den Bundesrat ein.

      Das ist das Gegenmodell zu Hartz IV.

      Mit diesem Modell reist Koch Ende 2003 nach Berlin in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.



      Im Laufe der Verhandlungen gerät Hartz IV in einen großen Topf, zusammen mit der Handwerksreform, dem Kündigungsschutz, der Steuerreform und vielem mehr. Die Langzeitarbeitslosen sind plötzlich nur noch Teil einer riesigen Verhandlungsmasse zwischen Bund und Ländern, zwischen Regierung und Opposition.

      Die Verhandlungsführer für die Arbeitsmarktreform heißen Roland Koch und Ludwig Stiegler. Koch denkt an Wisconsin, er möchte alle Macht für die Kommunen, und er möchte sich als moderner Macher profilieren. Stiegler denkt an die Ergebnisse der Hartz-Kommission, er möchte alle Macht für die Bundesagentur.

      Koch nennt Stiegler einen "roten Lump", Stiegler nennt Koch einen "konservativen Reaktionär". Sie verbringen Tage und Nächte miteinander, aber sie kommen nicht weiter.

      Für beide Positionen gibt es gute Argumente. Für die Kommunen spricht, dass sie die Wirtschaftslage vor Ort kennen. Für Nürnberg spricht, dass eine Bundesbehörde Arbeitslose besser überregional vermitteln kann.

      Was Koch und Stiegler schließlich ihren skeptischen Parteikollegen präsentieren, ist ein Kompromiss, wie ihn die Republik noch nie gesehen hat. Da gibt es Behörden, die für nichts zuständig sind, Angestellte, die keine richtigen Vorgesetzten haben, Geschäftsführer, die nicht wissen, was sie entscheiden sollen.

      In aller Kürze sieht der Kompromiss so aus: Für die Langzeitarbeitslosen sind künftig weder Kommune noch Agentur zuständig, sondern beide zusammen in sogenannten Arbeitsgemeinschaften. In den Arbeitsgemeinschaften werden die Aufgaben neu verteilt: Die Bundesagentur ist für Arbeitslosengeld und Vermittlung zuständig, die Kommunen für Unterkunftskosten und psychosoziale Betreuung. Eine Ausnahme gilt für Kommunen im sogenannten Optionsmodell. Sie dürfen die Langzeitarbeitslosen künftig ganz allein betreuen.

      Nach fast elf Stunden gibt man sich in Saal 1128 die Hand. Es ist halb vier in der Nacht, als der Kanzler vor die Kameras tritt. Er sagt, dass Deutschland auf diese Entscheidung gewartet habe und es nun aufwärts gehe. :laugh: :mad:


      DAS MONSTER DER FRAU ZAUSCH

      Sie hat ihr Monster versteckt. Es ruht irgendwo dort hinten, auf dem Stuhl in der dunkelsten Ecke ihres Wohnzimmers. Sie hat ein Bärenfell über den Stuhl gehängt und einen Berg aus Dokumenten und Broschüren auf das Fell getürmt. Irgendwo ganz unten im Stapel muss es sein.

      Das Monster von Christin Zausch heißt Antrag auf Arbeitslosengeld II.

      Im Juli 2004 lag der Antrag mit Zusatzblättern in ihrem Briefkasten. Sie hat die 17 Seiten kurz in den Händen gehalten, dann fingen die Finger an zu zittern. Sie hat die Formulare schnell im Bärenfell vergraben und nicht mehr hervorgeholt. Bis heute nicht. "Ich habe totale Panik vor dem Teil", sagt Christin Zausch.

      Es ist November. Sie hat sich eingeigelt in ihrer Dreizimmerwohnung, zwischen der Wäsche, die überall verteilt zum Trocknen auf Bügeln hängt, zwischen den zwei Sofas, die nicht zusammenpassen, und dem Plastikfrosch auf dem PVC-Boden.

      Sie weiß, dass sie ihren Antrag hervorholen müsste, dass sie sich informieren müsste. Aber sie versucht, Hartz IV so lange wie möglich von ihrem Leben fern zu halten, als könnte sie es abriegeln gegen die Reform. Sie fährt sich durch die schulterlangen schwarzen Haare, immer wieder, bis sie irgendwann völlig zerrauft

      vom Kopf abstehen. Sie fühlt sich heillos überfordert.

      Als gelernte Bürokauffrau hat sie fast 30 Jahre gearbeitet, verschiedene Jobs. Seit drei Jahren erhält sie Arbeitslosenhilfe, 133 Euro in der Woche. Sie hat Angst, dass es mit Hartz IV noch weniger wird, dass sie bald richtig arm sein wird. Sie glaubt, dass mit Hartz IV der Tiefpunkt in ihrem Leben erreicht ist. In diesem Januar wird sie 50 Jahre alt.

      Im Sommer liest Christin Zausch in der Zeitung, dass jetzt alle Vermögenswerte herangezogen werden, ehe man staatliche Unterstützung bekommt. Sie hat Geld für die Ausbildung ihres Sohnes zur Seite gelegt, sie hat einen Bausparvertrag. Sie hat irgendetwas über zulässige Wohnungsgrößen gehört und fürchtet, nun umziehen zu müssen. Sie hört, dass man künftig jeden Job annehmen muss.

      Die Wahrheit ist komplizierter, aber sie wird von der Regierung nicht vermittelt. Sie sagt nicht, dass sich viele auch besser stellen werden nach der Reform und dass es Freibeträge für das Ersparte gibt. Sie lässt die Spekulationen treiben, und so sorgen Geschichten von angeblich drohenden Massenumzügen und geplünderten Kinderkonten für Schlagzeilen. Eine Hartz-Hysterie breitet sich aus.

      Frau Zausch hat das Gefühl, dass der Staat plötzlich zum Angriff gegen sie vorrückt. Sie hat deshalb eine eigene Gruppe für arbeitslose Frauen gegründet. Dienstags von zehn bis zwölf treffen sie sich, es kommen drei oder vier Frauen, manchmal auch neun. Sie reden über ALG-II-Anträge, Ein-Euro-Jobs und Beratungsstellen. Sie umklammern ihre Teetassen und erzählen sich Hartz-Gruselgeschichten. "Neulich habe ich eine getroffen", sagt eine Frau mit lila Wollpulli, "die sagte, dass die Computerprogramme für Hartz IV die gleichen sind, die auch für die Terroristenfahndung eingesetzt werden. Damit verfolgen die jetzt uns."

      "Das ist ja wie bei George Orwell 1984", sagt die Frau mit Halstuch gegenüber.

      "Manchmal klingt das echt wie Verschwörungstheorien, was wir hier erzählen", sagt eine Dritte. "Aber irgendwie gerät man ja wirklich in Panik."

      "Vielleicht wollen sie das ja", sagt Christin Zausch, die anderen starren sie fragend an. "Na, dass wir in Panik geraten. Vielleicht wollen sie den Leuten so den Willen brechen und sie gefügig machen."


      DIE FRAGEN DES HERRN TACK

      Moos wächst auf den Backsteinen des alten Fabrikgebäudes. Drinnen schlabbern vergilbte orangefarbene Vorhänge vor den Fenstern. Im Erdgeschoss hat man den Boden in der Mitte aufgerissen. Von der Decke hängen imposante Spinnweben.

      In diesen Räumen, am unteren Ende der Sonnenallee gelegen, soll die neue Arbeitsgemeinschaft Neukölln ihr Zuhause finden, Mitarbeiter aus dem Sozialamt und der Arbeitsagentur sollen einziehen und gemeinsam das "Jobcenter" betreiben. Es ist der Ort, an dem Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden sollen. Es soll die Heimat für Hartz IV werden.

      Am 3. Januar sollte das neue Jobcenter öffnen. Aber es ist noch nicht fertig. In den alten Räumen schlummert noch immer der Staub. In einen Stahlträger hat jemand die Worte "Sex" und "Ficken" geritzt.

      Neben dem Backsteinbau, auf der anderen Straßenseite, steht das große Gebäude der Bundesagentur für Arbeit Berlin-Süd, bis zum Sommer zugleich provisorischer Sitz des Jobcenters Neukölln.

      Im obersten Stock sitzt ein Mann mit einem großen weißen Schild auf der Sakkotasche. Auf dem Schild steht: "Konrad Tack, Bundesagentur für Arbeit". Er trägt ein blau-weiß gestreiftes Hemd, und die grauen Haare sind kurz. Er wirkt drahtig.

      In seinem Lebenslauf stehen 29 Jahre bundesrepublikanische Arbeitsmarktpolitik. Jetzt kommt Hartz IV, und Herr Tack wird wichtiger denn je. Seit Januar ist er neben der Arbeitsagentur für vier weitere Behörden zuständig, die Arbeitsgemeinschaften. Er ist jetzt zuständig für 1195 ehemalige Mitarbeiter des Sozialamts und der Bundesagentur. Er ist auch zuständig für Abteilungen wie "Psychosoziale Betreuung", "Suchtberatung" oder "Familienhilfe",

      von denen er bislang nur aus der Zeitung gehört hat.

      Aber wie zuständig ist er wirklich? Seit Hartz IV verabschiedet wurde, hat Tack den Paragrafen 44 ff, SGB II zur Zusammenarbeit von Kommunen und Arbeitsagenturen in "Arbeitsgemeinschaften" wieder und wieder gelesen. Verstanden hat er ihn bis heute nicht, vor allem nicht, wer in den Jobcentern, den Herzstücken von Hartz IV, eigentlich das Sagen hat.

      Er versucht es noch einmal. Also: Einerseits bleibt er zuständig für das Arbeitslosengeld II und die Jobvermittlung. Andererseits sollen alle laufenden Geschäfte von den Chefs der Arbeitsgemeinschaften geführt werden, in seinem Bezirk stammen allein drei aus der Berliner Sozialverwaltung.

      Einerseits bleibt er Dienstvorgesetzter aller Agenturmitarbeiter. Andererseits obliegt die "fachliche Führung" den künftigen Jobcenter-Chefs.

      Einerseits behält er die Kompetenz in der Beschäftigungsförderung. Andererseits muss er alle Fortbildungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen künftig von sogenannten Trägergesellschaften absegnen lassen, in denen die Vertreter der Kommunen die Hälfte der Sitze stellen.

      Herr Tack blickt hinaus in den trüben Himmel von Berlin. Am Anfang von Hartz IV stand mal die Idee, dass mit der Zusammenlegung die Bürokratie schrumpfen könnte, dass Entscheidungen direkter und effizienter getroffen werden könnten. Nun reisen Menschen wie Herr Tack durch ihre Bezirke und müssen täglich neue Gremien gründen, in denen immer mehr Menschen mitentscheiden dürfen.


      So oft er über die Konstruktion nachdenkt, so oft stellen sich ihm dieselben Fragen: Wie sorgt er für einheitliche Öffnungszeiten in den Ämtern, obwohl die Sozialamtsbeamten 40 Stunden, die Agenturangestellten aber nur 38,5 Stunden in der Woche arbeiten? Wer erklärt in den Belegschaftsversammlungen, dass ein Sozialamtsmitarbeiter für dieselbe Jobcenter-Aufgabe in den gehobenen Dienst, sein Agenturkollege aber nur in den mittleren Dienst eingestuft wird? Es sind Fragen, auf die es keine Antworten gibt.

      Es geht darum, wie sich die Verwaltung verwaltet. Es ist alles sehr komplex, und nun könnte der Eindruck entstehen, dass Arbeitslose vor allem ein Störfaktor sind.

      Neulich saß eine Verwaltungsleiterin in Tacks Büro, die alle Umzüge in das neue Gebäude organisieren muss. Plötzlich wurde sie kreidebleich vor Überlastung und sackte zusammen. Sie musste krankgeschrieben werden. "Der Start hätte sicher leichter sein können", sagt Tack.

      DIE OPTIONSKOMMUNE

      Im nordhessischen Kreis Hersfeld-Rotenburg gibt es zwei Autobahnkreuze. Es gibt elf Seniorenheime, vier Jugendhäuser und eine Arbeitslosenquote von 8,4 Prozent, eine der höchsten in Hessen.

      In den Schlagzeilen war der Landkreis zuletzt, als im Städtchen Rotenburg ein Kannibale einen Berliner Ingenieur verspeiste. Jetzt gibt es Hartz IV, und Hersfeld gehört endlich mal zu den Auserwählten.

      Der Landkreis ist eine von 69 Optionskommunen in Deutschland. Option heißt: In Hersfeld wird es in diesem Jahr keine Arbeitsgemeinschaften geben, es werden keine Trägergesellschaften gegründet und keine Dienstanweisungen aus Nürnberg verteilt. In Hersfeld betreut der Landkreis künftig alle Langzeitarbeitslosen selbst, vom Ausfüllen des Antrags bis zum Jobangebot.

      Hersfeld ist ein Modell. In Hersfeld will Roland Koch beweisen, dass Städte und Gemeinden die besseren Arbeitsämter sind, so wie er es in Wisconsin gelernt hat.

      Kochs Mann vor Ort heißt Karl-Ernst Schmidt. Der Landrat des Kreises Hersfeld hat ein rundes Gesicht, listige Augen und ein Kinngrübchen. Er steht im leeren Flur eines Bürohauses. Von der Decke hängen Kabel, Handwerker nageln Fußleisten an die Wände, es riecht nach Farbe und Teppichkleber. In dem ehemaligen Postamt sollen künftig 15 Kreisangestellte Arbeitslose betreuen. Es wird einen Empfangsraum geben, eine Wartezone, eine Betreuungsbörse für Mütter mit Kindern.

      Mitten im deutschen Hartz-IV-Herbst organisiert Karl-Ernst Schmidt sein ganz privates Jobwunder - im Landratsamt. Als die Menschen im Osten gegen "die Armut per Gesetz" auf die Straße gingen, konzipierte er neue Verwaltungsfachbereiche. Er bestellte für 150.000 Euro Rechner und Monitore, mietete zusätzliche Büros an, beauftragte Umzugsdienste und stellte 45 neue Kräfte für seine Jobvermittlung ein. Die wenigsten davon kommen aus der benachbarten Arbeitsagentur, obwohl die Optionslösung dort viele Vermittler überflüssig macht.

      Schmidt sieht seine Behörde für den Tag X "gut aufgestellt" - es fehlen nur noch die Stellen für die Arbeitslosen. :laugh: Dafür ist in seiner Verwaltung Christa Bittner zuständig. Die langjährige Sozialdezernentin ist eine drahtige Frau mit dunkelblonden Haaren. In ihrer Tasche hat sie einen Ordner mit Schaubildern. Die Bilder sollen zeigen, wie in Hersfeld endlich die Beschäftigung in Schwung kommen soll. Tatsächlich sehen sie aus wie eine Dokumentensammlung über die gescheiterte Arbeitsmarktpolitik der vergangenen 30 Jahre.


      Die erste Grafik zeigt das neue Vermittlungskonzept. In kleinen Kästchen stehen Wörter wie "Profiling" oder "Eingliederungsvereinbarung". Es sind dieselben Begriffe wie im rot-grünen Job-Aktiv-Gesetz aus dem Jahr 2001, das heute parteiübergreifend als Fehlschlag gilt.

      Die zweite Grafik zeigt, wie sich Dezernentin Bittner die künftige öffentliche Beschäftigung vorstellt. Oben stehen Namen wie "E.V.A. gGmbH - gemeinnützige Qualifizierungs- und Ausbildungsgesellschaft" oder "Via e. V. für Beschäftigungsförderung". Darunter stehen ihre Tochterprojekte, zum Beispiel für die "Hausmeistergruppe", die "Möbelpalette" oder die "Fahrradwerkstatt". Die Grafiken sehen aus wie die Diagramme, die vor Jahren die Geschäftsführer ostdeutscher Gesellschaften für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) verteilt haben, kurz bevor sie wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt wurden.

      Etwas wirklich Neues ist bei Frau Bittner nicht zu entdecken. Dass Hessens Ministerpräsident Roland Koch mit den Grafiken aus Hersfeld und den 68 übrigen Optionskommunen den deutschen Arbeitsmarkt aufmischen will, gehört zu den Illusionen der Reform. Eine Kreisverwaltung kann ihre Arbeitslosen vielleicht ortsnäher betreuen als eine Bundesbehörde, aber sie kann weder neue Stellen schaffen noch die Lohnkosten beeinflussen. Wahrscheinlich bleibt in Hersfeld alles beim Alten.

      Und was macht Landrat Schmidt, wenn das Optionsexperiment misslingt?

      Für den Landrat ist das Risiko kalkulierbar. Seine Versicherung heißt "Rückgaberecht". Sie besagt, dass sich der Kreis nach sechs Jahren wieder aus der Betreuung der Langzeitarbeitslosen zurückziehen kann. "Wir haben dabei keinerlei finanziellen Nachteil", sagt Schmidt.

      HERR WEISE KANN KEINE JOBS SCHAFFEN


      Ein grauer BMW rast auf der Berliner Stadtautobahn Richtung Norden, auf der Rückbank der Chef der Bundesagentur für Arbeit. Er ist spät dran. In zwei Stunden soll er im Schweriner Schloss über "die neue Politik der Bundesagentur" referieren.

      Frank-Jürgen Weise ist schon der dritte Behördenchef in drei Jahren. Als er antrat, war die Anstalt ein Sanierungsfall, ein Symbol für 30 Jahre gescheiterte Arbeitsmarktpolitik und ein außer Kontrolle geratenes Bürokratiemonster, über das die Republik lachte: 90 000 Angestellte, aber nur 10 000 Vermittler. 4,5 Millionen Arbeitslose, aber ein beträchtlicher Teil davon sucht gar keinen Job. 20 Milliarden Euro für Beschäftigungspolitik - aber wer bei Maßnahmen mitmacht, hat hinterher schlechtere Jobchancen als zuvor.

      Weise war früher Manager in einem Logistikunternehmen. Er wollte alles anders machen. Er engagierte mehrere Unternehmensberatungen und legte einen Zeitplan fest, er kümmerte sich um ein neues Controllingsystem und nannte es das Herzstück der ganzen Reform.

      Dann kam Hartz IV.

      Statt in Ruhe seine Arbeitsagentur umbauen zu können, musste Weise nun die Zwangsvereinigung mit den kommunalen Sozialämtern organisieren. Statt seines geliebten Controllingsystems musste er nun flächendeckend die ALG-II-Software einführen. Statt seine Ämter in moderne Kundencentren umbauen zu können, muss er 344 Arbeitsgemeinschaften gründen, Büroraum für gut 12 000 ehemalige Sozialamtsangestellte suchen, Millionen von Anträgen verschicken und ein eigenes Hartz-IV-Gebäude in Nürnberg anmieten.

      Im vergangenen April sagte Weise in einem SPIEGEL-Gespräch, was er von der Reform hält. "In einem privaten Unternehmen müsste ich sagen: Lassen wir die Finger davon." Wirtschaftsminister Wolfgang Clement fand das gar nicht lustig. Seitdem sagt Weise: "Das Gesetz hat zu einem Komplexitätsaufwuchs unserer Reform geführt."


      Weise ist im Schweriner Schloss angekommen. Im Parkett sitzen Gewerkschafter, PDS-Funktionäre und Hartz-IV-Aktivisten in Windjacken und grauen Pullovern. Sie wollen von Weise wissen, was Hartz IV auf dem Arbeitsmarkt verändert, wie viel Jobs die Reform bringt und wie sie die Arbeitslosenquote in ihrem Land von mehr als 20 Prozent nach unten drückt.

      Der Chef der Bundesagentur weiß, dass er seinem Publikum auf diese Fragen kaum Antworten zu bieten hat. Im monatelangen Gezerre um Zuständigkeiten und Finanztransfers ist eine Frage untergegangen: Wie kann Hartz IV neue Jobs schaffen?

      Was sich die Gesetzgeber dazu einfallen ließen, war mehr als dürftig: Die neuen Regeln, wie viel Langzeitarbeitslose hinzuverdienen dürfen, sind nach Meinung vieler Experten noch schlechter als die alten. Denn sie müssen einen höheren Anteil abgeben, haben also weniger Anreiz, einen Nebenverdienst zu suchen.

      Die sogenannten Ein-Euro-Jobs, mit denen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement die Arbeitslosigkeit in diesem Jahr senken will, halten nicht wenige für eine fragwürdige Neuauflage der gescheiterten ABM-Politik aus den neunziger Jahren. Man arbeitet, aber nicht unter den Bedingungen normaler Unternehmen, und entwöhnt sich allmählich davon.

      Und so rückt Weise auf dem Podium im Schweriner Landtag seine randlose Brille zurecht und sagt: "Der Chef der Bundesagentur kann keine Arbeitsplätze schaffen."


      HERR NEUNHOEFFER DRÜCKT EIN AUGE ZU

      Michael Neunhoeffer vom Sozialamt Neukölln hat wieder einen Antrag auf Arbeitslosengeld II aufgeschlagen. Es ist sein 200., vielleicht waren es auch mehr. Im Zusatzblatt 1 "zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung" hat der Antragsteller eingetragen, dass er 239 Euro im Monat bezahlen müsse. Es fehlt der Mietvertrag als Beweisstück. "Wir gehen davon aus, dass der Bürger kein Spitzbube ist", sagt Neunhoeffer und zieht mit dem Zeigefinger die Haut unter dem rechten Auge nach unten. "Deshalb glaub ich das jetzt mal."

      Eigentlich hätte er prüfen müssen, ob die Größe der Wohnung und die Höhe der Miete auch wirklich "angemessen" sind und gegebenenfalls auf Umzug drängen müssen. Allerdings konnte Neunhoeffer bislang rein gar nichts überprüfen, weil er den Auftrag hatte, so viele Anträge wie irgend möglich vor dem ersten Januar zu erfassen. "So läuft das hier bei uns", sagt Neunhoeffer und greift sich einen neuen Antrag.

      Dabei erweckt der Staat mit Hartz IV den Eindruck, als würde der Bürger erstmals gründlich durchleuchtet und kontrolliert. Im Antrag wird nicht nur nach Freistellungsaufträgen für Zinseinkünfte, nach Konten, Geldanlagen oder Grundstücken gefragt, sondern auch nach denen des "Partners" oder "weiterer im Haushalt lebender Personen". Auch soll das "sonstige Vermögen" wie "Edelmetalle, Antiquitäten, Gemälde" angegeben werden.

      Für Neunhoeffer sind das alles praxisferne Fragen. Wer sein Vermögen an den Ämtern vorbeimogeln will, hat dafür beste Voraussetzungen. "Der Staat will beschissen werden, und er kann auch leicht beschissen werden", sagt Neunhoeffer. Das war früher so, und daran hat auch Hartz IV nichts geändert. Im Gegenteil: Einen eigenen Prüfdienst, wie ihn Sozialämter bislang unterhielten, der auch mal Hauskontrollen machte, wird es in den neuen Arbeitsgemeinschaften nicht geben.

      Hartz IV war auch das Versprechen, den Missbrauch von staatlichen Hilfsleistungen einzuschränken, es war das Versprechen, dass nur noch die wirklich Bedürftigen unterstützt werden. Aber nun fehlen die Mittel, dieses Versprechen einzulösen.


      Es ist jetzt Mittwoch, es sind noch drei Tage bis Hartz IV in Kraft tritt, und Michael Neunhoeffer soll ein wichtiger Teil davon sein, als Mitarbeiter des neuen Jobcenters. Aber er hat noch keine einzige Schulung absolviert. Von sogenannten Zielvereinbarungen, mit denen er künftig kontrollieren soll, ob sich seine Arbeitslosen auch um Stellen bemühen, hat er nur gerüchteweise gehört. Er weiß ja noch nicht mal, was seine Aufgabe im neuen Jobcenter sein soll: ob er in die Leistungsabteilung wandert, ob er Fallmanager werden soll oder doch nur ins Callcenter darf. Michael Neunhoeffer weiß nicht, was seine Vorgesetzten planen, er weiß auch nicht, wer sein Vorgesetzter sein wird. Er weiß eigentlich gar nichts. Keiner seiner Kollegen weiß etwas.

      FRAU ZAUSCH WILL NICHT LAUB FEGEN

      Der Laden heißt Copy-Fix. Christin Zausch hat die Preise von allen Läden in ihrer Umgebung verglichen. Es ist der billigste Copyshop. Sie kopiert Mietvertrag, Heizkostenabrechnung, Sparbuch, die Rentenversicherungsurkunde, den Personalausweis und den ausgefüllten Antrag auf Arbeitslosengeld II. Eine Beratungsstelle hat ihr beim Ausfüllen geholfen. Gleich will sie ihn beim Arbeitsamt abgeben. Sie zahlt 1,19 Euro für 20 Kopien.

      Sie hat noch einmal nachgerechnet. Sie glaubt, dass sie von Januar an 140 Euro weniger im Monat vom Staat bekommen wird. Sie sagt, das allein sei nicht das Tragische, sie werde jetzt noch mehr sparen und dass sie geschickt sei im Sparen.

      In einem Supermarkt hat sie gesehen, dass es Sonderangebote für Käse gibt, dessen Verfallsdatum fast erreicht ist. Sie geht auf Wochenmärkte, kurz bevor sie schließen, weil es dann die doppelte Menge zum Preis von einem gibt. Wenn sie unterwegs ist, isst sie nichts mehr. "Ich laufe halt hungrig durch die Straßen und warte, bis ich zu Hause bin." Sie sagt, es sei gar nicht nur das Geld, weshalb sie Angst vor Hartz IV habe.

      Es ist auch die Angst, künftig jeden Job annehmen zu müssen. Sie weiß, dass man ihr im Jobcenter bald einen sogenannten Ein-Euro-Job anbieten wird. Wenn sie diesen nicht annimmt, wird ihr das Arbeitslosengeld II gekürzt. "Es geht mir nicht um irgendeine Beschäftigung", sagt Christin Zausch. "Laub aus dem Park fegen, das wäre nichts für mich." Sie sagt, sie liebe die Freiheit. "Ich habe Angst vor den Zwangsmaßnahmen, vor dem Druck, irgendetwas machen zu müssen."

      Eigentlich hasst sie Hartz IV. Aber manchmal wundert sie sich selbst, dass die Angst sie plötzlich in Bewegung setzt. Sie hat sich eine Liste gemacht, mit beruflichen Aufgaben, die sie wirklich interessieren. Sie will jetzt Bewerbungen schreiben, sich persönlich vorstellen, etwas schaffen, um dem Zwang zu entgehen.

      Es ist kurz vor Weihnachten und sehr kalt. Sie steht nun vor ihrem Arbeitsamt, vor einem Briefkasten mit riesiger Klappe. Christin Zausch hält einen Briefumschlag mit ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld II in der Hand. Sie sagt, sie habe ihr Leben korrekt gestaltet, sei immer fleißig gewesen, immer kreativ. "Und jetzt ist es so, als würde jemand an dem Teppich ziehen, auf dem ich stehe." Dann lässt sie den Umschlag in den großen Kasten fallen.

      HERR HARTZ SPIELT DAUMENKINO

      Berlin, ein stillgelegter Hangar des alten Flughafens Tempelhof. Blaue Stellwände und eine große Videoleinwand sollen die Halle zu einer modernen Party-Location machen. Auf der Videoleinwand prangt das Motto der Veranstaltung: "Gemeinsam gegen Arbeitslosigkeit - TeamArbeit für Deutschland". Im Publikum sitzen Menschen, die sich "Profis der Nation" nennen, weil sie in ihrem Umfeld auf irgendeine Weise gegen Arbeitslosigkeit kämpfen. Die "Profis der Nation" waren eines von insgesamt 13 "Modulen" aus dem Abschlussbericht der Hartz-Kommission.

      Unter der Leinwand steht Jazzy, die früher bei Tic Tac Toe Lieder sang, die "Verpiss dich" hießen. Jetzt singt sie "Steh auf, lebe deine Träume". :laugh:

      Am Rand der Bühne sitzt ein Mann mit weißen Haaren, tief in einem roten Ledersessel versunken. Als Jazzy fertig gesungen hat, gehen die Scheinwerfer an und lassen Peter Hartz erstrahlen.

      Es ist eine riesige Optimismusveranstaltung. Deutschland feiert sich selbst, seinen Arbeitsmarkt, und Peter Hartz soll mittendrin sitzen, als Maskottchen der deutschen Arbeitsmarktpolitik, als Heilsbringer und Wundermann.

      Die Moderatorin des Abends fragt: "Herr Dr. Hartz, wie oft haben Sie in den zurückliegenden Monaten überlegt, Ihren Namen zu ändern, um wenigstens die Vier hinten wegzukriegen?"

      "Dieser Gedanke konnte in der Tat kommen. Vor allen Dingen, wenn man montags seine eigene Demonstration hat", sagt Peter Hartz. Schweiß steht auf seiner Stirn, er lächelt gequält. Er versucht gute Miene zu einem Spiel zu machen, das er selbst längst verachtet. Aber es gelingt nicht. Er taugt nicht mehr zum Motivator, weil er selbst verbittert ist.

      Eigentlich zeigt er sich nicht mehr in der Öffentlichkeit, nur noch, wenn er es als Personalvorstand bei VW unbedingt muss. Sein Haus in Wolfsburg wird von der Polizei bewacht, er und seine Familie bekommen körbeweise Schmähbriefe, Beschimpfungen, Beleidigungen, auch Morddrohungen. Hartz IV hat sein Leben verändert.

      Aber verändert die Reform auch das Land? Lohnt sich das alles? Genau wie Frau Zausch werden sich einige Arbeitslose neue Gedanken machen, wie sie einen Job finden können. Weniger Geld, womöglich unangenehme Ein-Euro-Jobs - das schafft Druck. Es gibt die Chance, dass die Zahl der Arbeitslosen langfristig sinkt und die Staatskasse damit entlastet wird. Es ist eine Hoffnung, mehr nicht.

      Aber da gibt es auch den ratlosen Herrn Tack, den Bürokraten, der seine Bürokratie nicht mehr versteht, weil sie ihm über den Kopf wächst. So groß sind die Reibungsverluste und Widersprüchlichkeiten durch Arbeitsgemeinschaft oder Hinzuverdienstregelung, dass kaum ein Wirtschaftsinstitut in diesem Jahr mit echter Bewegung auf dem Arbeitsmarkt rechnet. Der Aufwand ist riesig, der Ertrag nur gering. Hätte man schlicht die Leistungen gekürzt, wäre wahrscheinlich mindestens das Gleiche erreicht worden.

      Peter Hartz ist enttäuscht darüber, was die Politik aus seinem Konzept gemacht hat. :laugh: Wenn er über Hartz IV spricht, rutschen seine Beine unruhig unter dem Tisch herum. Er sitzt in seinem Vorstandsbüro bei Volkswagen, 13 Stockwerke über der Erde, hinter Türen mit goldenen Klinken.
      Im Adventskranz steckt statt Tannenzapfen ein kleiner Golf GTI.

      Er hält kleine weiße Kärtchen in den Händen, auf denen bunte Schaubilder gedruckt sind. Es ist sein Konzept, das Hartz-Konzept. Er flippt durch die Karten wie durch ein Daumenkino, immer wieder. Dann seufzt er.

      Er möchte nicht mehr zu Hartz IV zitiert werden. Am liebsten würde er gar nicht mehr über dieses Kapitel reden. Aber wenn er heute mit Mitgliedern seiner Kommission redet, fällt manchmal das Wort von der großen "Energieverschwendung".
      Avatar
      schrieb am 05.01.05 13:59:18
      Beitrag Nr. 366 ()
      Deep Thought
      Koch hat die Vorteile von HartzIV entdeckt:

      " ...In Hessen werden künftig zwölf Landkreise und die Großstadt Wiesbaden nach dem so genannten Optionsmodell Langzeitarbeitslose betreuen.

      „Erfolgreiche Städte sparen Geld”
      Gemessen an der Einwohnerzahl des Landes ist Hessen damit Nummer eins in Deutschland. Koch sagte, er gehe davon aus, daß die teilnehmenden Kommunen auch finanziell profitieren würden. Wer Langzeitarbeitslose erfolgreich vermittle, müsse künftig auch weniger aufwenden für Wohngeld, Hilfe in besonderen Lebenslagen, Beratung oder Kinderbetreuung. ... www.faz.net
      Avatar
      schrieb am 05.01.05 14:17:52
      Beitrag Nr. 367 ()
      hallo stella Luna,

      klar, an Arbeitslose hat der noch nie gedacht...

      der will sich nur für die Kanzlerkandidatur profilieren...

      Politikern der jetzigen generation geht es NIE um diejenigen, die sie zu repräsentieren vorgeben, es geht ihnen nur um das, was Weizäcker als Bundespräsident mal so schön zusammenfasste:

      "Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht"

      treffender, aber auch desillusionierter kann man nicht mehr auf den Punkt bringen...
      Avatar
      schrieb am 07.01.05 20:35:54
      Beitrag Nr. 368 ()
      Zwangsmaßnahme läuft

      »Hartz IV«: Bundesagentur für Arbeit vergaß Zehntausende Überweisungen. Kommunen erwarten Mehrkosten in Milliardenhöhe. Uckermark: 3000 Mieter mit Auszug bedroht


      Arnold Schölzel

      Die Pannenserie bei den Notstandsmaßnahmen gegen Arbeitslose, die seit Jahresbeginn unter dem Namen »Hartz IV« in Kraft sind, setzt sich fort: 95000 arbeitslose Postbankkunden wurden von der Bundesagentur für Arbeit (BA) vergessen, wie ein BA-Sprecher am Freitag in Nürnberg erklärte. Ebenfalls am Freitag erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, in Berlin, auf den Bund kämen allein bei den Wohnkosten bisher nicht geplante Mehrausgaben in Milliardenhöhe zu. Im brandenburgischen Kreis Uckermark erhielten rund 3000 Haushalte ein Schreiben von Landrat Klemens Schmitz (SPD), in denen er Langzeitarbeitslose auf ihre zu hohen Mieten hinwies. Eine Sprecherin verteidigte gegenüber dem Tagesspiegel die Briefe.

      Die BA und verschiedene Banken hatten wegen eines Programmierfehlers am vergangenen Wochenende rund 1,8 Millionen Kontonummern teils von Hand korrigieren müssen. Bei der Behebung der Panne hätten die Mitarbeiter unter Hochdruck »auf verschiedenen Baustellen« gearbeitet, meinte BA-Sprecher Ulrich Waschki. »Dabei sind die Fälle der Postbank-Kunden zunächst schlicht übersehen worden.« Zahlreiche Kunden der Bank hatten sich zu Wochenbeginn wegen der ausbleibenden Zahlung beschwert. Die BA startete daraufhin am Mittwoch nach Angaben von Waschki »noch einmal einen Korrekturlauf« und übergab am Mittwoch nachmittag ein letztes Datenband mit gut 90 000 Überweisungen an die Banken. Damit seien die Auszahlungsprobleme behoben. Waschki erklärte: »Da kommt nichts mehr nach.«

      Der Landkreistag rechnet nach Angaben von Henneke allein für Unterkunfts- und Heizkosten von Empfängern des Arbeitslosengeldes II (ALG II) mit zusätzlichen Aufwendungen in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro, da deutlich weniger Anträge auf ALG II abgelehnt wurden als erwartet. Der Bund muß aufgrund seiner Revisionsklausel für die zusätzliche Summe aufkommen. »Dafür muß der Bund Vorsorge tragen. Das hat er bisher nicht«, erklärte Henneke. Er befürchtet zudem ein neues West-Ost-Gefälle. Für die östlichen Bundesländer seien fälschlich viel mehr Ablehnungen vorhergesagt worden als für den Westen. Für Sachsen ergebe sich statt einer Entlastung von 22,70 Euro pro Kopf nun eine Belastung von 5,91 Euro.

      Der Landkreis Uckermark, in dem ungefähr ein Drittel der Betroffenen »vorsorglich« auf zwangsweisen Umzug vorbereitet wurde, gehört zu den bundesweit 69 Kommunen, die sich dafür entschieden haben, »Hartz IV« in Eigenregie durchzusetzen. Auch in anderen Regionen Brandenburgs herrscht inzwischen große Verunsicherung bei den etwa 170 000 von »Hartz IV« Betroffenen (von etwa 2,5 Millionen Einwohnern). Mehrere Zeitungen berichteten, daß in den PDS-Beratungsbüros im Land großer Andrang herrsche. Bei den Beratungsgesprächen kämen »krasse Fälle« zutage: Einer alleinerziehenden Frau mit drei Kindern im Landkreis Barnim seien z. B. lediglich 137 Euro monatlich zuerkannt worden, obwohl der zum Unterhalt verpflichtete Mann keinerlei Zahlungen leiste. Aus dem Landkreis Teltow-Fläming wurde berichtet, der Donnerstag sei »hochproblematisch« verlaufen. Viele »ALG-II-Empfänger hätten noch kein Geld erhalten.

      Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/01-08/001.php
      Avatar
      schrieb am 10.01.05 00:05:12
      Beitrag Nr. 369 ()
      "schöner" Kontrast zu Hartz IV... :mad:

      2004 Rekordjahr für Konzerne

      DÜSSELDORF ap Die börsennotierten Großunternehmen in Europa und den USA haben 2004 offenbar mehr verdient als je zuvor, so das Handelsblatt unter Berufung auf übereinstimmende Analysten-Einschätzungen. Auch 2005 sollen die Gewinne demnach noch einmal steigen. "Das war das höchste Plus seit 1993, und auch von der Gewinnsumme her haben wir die Boomjahre 1998 und 1999 längst überholt", so das New Yorker Analysehaus Thomson Financial. Auffällig sei zudem, dass die Unternehmen ihre Schulden stark abgebaut haben. Die Gewinne der DAX-Unternehmen legten 2004 um 72 Prozent zu. Allerdings war das Jahr 2003 sehr schwach und wurde von vielen Firmen für Einmalabschreibungen genutzt. Die Schätzungen für 2005 deuten demnach auf Ertragszuwächse um 8 Prozent in Europa und um 10 Prozent in den USA.



      Das "schwache" Jahr 2003 hat wohl eher mit dem Multi-Milliarden-Steuerabschreibungsgeschenk von RotGRün an die "darbenden" Konzerne zu tun, die eh seit langer zeit in Deutschland keine Steuern mehr zahlen.... :mad:
      Avatar
      schrieb am 12.01.05 22:32:17
      Beitrag Nr. 370 ()
      Ob das durch HArtz besser wird?

      Wohl kaum...

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      MEHR ALS VERKEHRSTOTE
      Suizide in der EU

      In der EU setzen in jedem Jahr mehr Menschen ihrem Leben selbst ein Ende als durch Verkehrsunfälle sterben. "Europas unsichtbaren Killern" muss nach Ansicht von EU-Kommissar Marko Kyprianou wirksamer als bisher entgegengetreten werden. Jedes Jahr sterben etwa 58.000 Menschen in der EU durch Suizid. (dpa)
      Avatar
      schrieb am 26.01.05 14:45:40
      Beitrag Nr. 371 ()
      Dänen lagern aus
      Billiglohn-Land Deutschland




      | 26.01.05 |focus.de
      In Dänemark ist Deutschland als brutales „Billiglohn-Paradies“ zum Wahlkampfthema geworden.



      Die dänischen Schlachterei-Konzerne Tulip und Danish Crown haben die Schließung von zwei Großschlachthöfen angekündigt und massiv Jobs nach Deutschland ausgelagert.

      In einem TV-Streitgespräch mit Regierungschef Anders Fogh Rasmussen vor den Parlamentswahlen legte der zuständige Gewerkschaftschef Jens Peter Bostrup dar, was er für die wichtigsten Ursachen hält: „Es herrschen Wildwestzustände in Deutschland, und sie zahlen dort Hungerlöhne.“

      Zurückhaltender im Ton, aber nicht weniger klar in der Aussage berichtete die größte dänische Tageszeitung „Jyllands-Posten", warum Tulip und Danish Crown sich in den Standorten Oldenburg (Niedersachsen), Schüttorf und Boizenburg mit zusammen etwa 900 Beschäftigten angesiedelt haben: „Deutsche Schlachtereiarbeiter kosten ein Drittel so viel wie dänische.“

      Osteuropäische Arbeitskräfte

      Möglich macht diese auch für viele Dänen überraschende Rechnung der massive Einsatz extrem niedrig bezahlter osteuropäischer Arbeitskräfte bei der deutschen Fleischveredelung. Danish Crown handelt dabei ausschließlich mit den in der Regel deutschen Kolonnenführern Werkverträge von bis zu knapp einem Jahr aus und zahlt diesen ein Honorar für die Verarbeitung einer bestimmten Menge Fleisch.

      „Für uns ist uninteressant, was als Stundenlohn ausgezahlt wird und in welcher Form die Arbeiter ihren Lohn bekommen. Wir sehen nur die Gesamtkosten", sagt die Pressesprecherin von Danish Crown, Gudrun Andreasen und verweist auf einen „ganz enormen Kostendruck“. Alles in allem produziere man in Deutschland zu etwa 50 bis 75 Prozent der heimischen Kosten.

      Deutsche Arbeitnehmer kaum organisiert

      Auf die Frage, warum das Unternehmen mit derzeit 13 000 dänischen Beschäftigten die Kosten nicht auch im eigenen Land durch osteuropäische Kolonnenarbeiter senkt, antwortet die Unternehmenssprecherin nur knapp: „Dort haben wir Tarifverträge, an die wir uns halten.“ Gewerkschafter Bostrup meint: „Wir Dänen sind zu fast hundert Prozent organisiert. In Deutschland gehören in diesen Betrieben ja oft weniger als zehn Prozent der Gewerkschaft an.“

      „Wir achten sehr auf die strikte Einhaltung der deutschen Gesetze", fügt Andreasen hinzu. Auch sie kennt Berichte über die Verurteilung von deutschen Kolonnenführern aus der Fleischbranche zu bis zu drei Jahren Haft wegen Menschenschmuggels, Lohndumping und brutaler Gewaltanwendung gegen rumänische Schlachtereiarbeiter.
      Avatar
      schrieb am 31.01.05 21:50:32
      Beitrag Nr. 372 ()
      einmal gelesen heute
      scheint ja wahnsinnig viele zu interessieren

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 31.01.05 21:59:25
      Beitrag Nr. 373 ()
      @Opirus,

      ja mich interessiert`s - Du ...!
      Avatar
      schrieb am 31.01.05 22:00:40
      Beitrag Nr. 374 ()
      Thema: Wg. Dividendenzahlung .... morgen mit Abschlag?

      ist so interessant wie dein o.g. Thread
      Avatar
      schrieb am 23.02.05 23:14:28
      Beitrag Nr. 375 ()
      SPIEGEL ONLINE - 23. Februar 2005, 19:34
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,343389,00.html


      Virtueller Arbeitsmarkt

      Bundesrechnungshof fällt vernichtendes Urteil

      Der so genannte Virtuelle Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit hält nicht, was er verspricht. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bescheinigt der Bundesrechnungshof dem System "schwere Mängel".




      Virtueller Arbeitsmarkt: Unvollständig, nicht aussagekräftig und nicht schlüssig
      Frankfurt am Main - Fast jede dritte Suchabfrage habe demnach zu fehlerhaften Ergebnissen geführt, zitiert die "FAZ" einen Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes an den Bundestags-Wirtschaftsausschuss. Der weit überwiegende Teil der Bewerberprofile und Stellenangebote sei "unvollständig, nicht aussagekräftig oder nicht schlüssig" gewesen.

      Der Virtuelle Arbeitsmarkt habe die Vermittlung damit im Vergleich zu den bisherigen Selbstinformationssystemen nicht verbessert, sondern teilweise sogar erschwert. Zudem weise der elektronische Stellenmarkt Defizite in der Funktionstüchtigkeit und Benutzerfreundlichkeit auf.
      Avatar
      schrieb am 12.03.05 22:45:26
      Beitrag Nr. 376 ()
      SPIEGEL ONLINE - 12. März 2005, 11:36
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,345997,00.html


      Bundesagentur für Arbeit

      Verwaltungskosten stiegen um 300 Prozent

      Die Bundesagentur für Arbeit hat bislang kaum Geld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Rahmen der Hartz-IV-Reform eingesetzt. Zudem kappt die Behörde die Fördergelder für die Personal-Service Agenturen. Mehr Geld gibt die Agentur dagegen in der Verwaltung aus, dort explodieren die Kosten.




      Agentur für Arbeit: Wenig Geld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen

      Hamburg/Berlin - Die Bundesagentur verbucht deutliche Steigerungen bei den Kosten der Hartz-IV-Reform. Das geht aus einem Zwischenbericht der Nürnberger Behörde für das Bundeswirtschaftsministerium hervor, der dem SPIEGEL vorliegt.

      Demnach sind die Ausgaben im Vergleich zum Januar für die so genannten passiven Leistungen des Arbeitslosengeldes II im Februar um rund 15 Prozent gestiegen. Bei den Verwaltungsausgaben gab es sogar einen Zuwachs um über 300 Prozent. Um die Personalengpässe in den Job-Centern aufzulösen, will die Bundesagentur rund 2500 Mitarbeiter in die neuen Hartz-IV-Behörden abordnen.

      In arbeitsmarktpolitische Maßnahmen investiert die Agentur dagegen wenig. Wie aus dem Bericht weiter hervorgeht, haben die so genannten Job-Center in den ersten beiden Monaten des Jahres lediglich 375 Millionen Euro für Eingliederungsmaßnahmen ausgegeben, deutlich weniger als geplant. Zudem haben dem Bericht zufolge lediglich 22 Prozent der Agenturen Eingliederungspläne aufgestellt, in denen die arbeitsmarktpolitischen Vorhaben dieses Jahres aufgelistet sind.

      Personal-Service Agenturen bekommen weniger Geld

      Die Agentur kappt zudem die Förderbeträge für ihre so genannten Personal-Service Agenturen (PSA). Die Verleihunternehmen, die VW-Personalmanager Peter Hartz einst zum "Herzstück" seines Reformwerks erklärte, erhalten künftig nur noch eine monatliche Kostenpauschale von durchschnittlich 500 Euro je Arbeitslosen. Das geht aus einem behördeninternen Ausschreibungsentwurf hervor, der dem SPIEGEL vorliegt.

      Bisher hatten die Agenturen durchschnittlich rund 1000 Euro je Jobsuchenden erhalten. Mit dem Betrag müssen die PSA alle Ausgaben decken, die ihnen beim Verleih von Arbeitslosen an private Unternehmen entstehen, zum Beispiel den Verdienstausfall in verleihfreien Zeiten.

      Mit der geringeren Förderung wird die Bedeutung der Agenturen weiter abnehmen, erwarten Experten. Der Verleih könnte sich künftig nur noch in Regionen mit günstiger Arbeitsmarktlage und für leicht vermittelbare Kräfte lohnen. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Bundesagentur die Zahl der PSA zurückgeschraubt, nachdem die Erfolge weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren. Im vergangenen Jahr waren im Durchschnitt 27.800 Arbeitssuchende bei den Verleihagenturen beschäftigt.


      5,3 Millionen Arbeitslose im März?

      Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt weiter angespannt. Führende Wirtschaftsinstitute gehen ersten Schätzungen zufolge davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im März erneut auf einen Nachkriegsrekord steigen wird. "Es spricht alles dafür, dass die 5,3-Millionen-Marke geknackt wird", zitierte die "Bild"-Zeitung Professor Gebhard Flaig vom Ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München.

      Arbeitsmarktexperten vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle rechnen dem Bericht zufolge sogar mit einem Anstieg auf bis zu 5,4 Millionen Arbeitslose. Die Gründe seien das anhaltend schlechte Wetter im laufenden Monat sowie die zahlreichen Sozialhilfeempfänger, die von den Gemeinden noch arbeitslos gemeldet würden.

      Die Zahl der Arbeitslosen war im Februar auf mehr als 5,2 Millionen geklettert und hatte damit ein neues Nachkriegshoch markiert. Grund für den Anstieg sind nach damaligen Angaben der Bundesagentur auch die seit Jahresbeginn etwa 370.000 früheren Sozialhilfeempfänger, die auf Grund der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform neu in der Arbeitslosenstatistik auftauchten.

      Ein Sprecher der Bundesagentur wies den Vorwurf am Samstag zurück, bis Februar nur 375 Millionen Euro für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen aufgewendet zu haben. Nach Angaben des Sprechers wurden insgesamt Maßnahmen für eine Gesamtsumme von über einer Milliarde Euro angestoßen, die aber erst über Monate verteilt in Rechnung gestellt und bezahlt würden. Die Summe von 375 Millionen spiegele daher nicht das ganze Bild wider.

      Die gestiegenen Kosten für die Verwaltung in den Arbeitsgemeinschaften (AGs) aus Arbeitsagentur und Kommunen erklärte die Bundesagentur damit, dass die AGs erst mit dem Beginn der Hartz-IV-Reform im Januar starteten und die Verwaltungskosten erst im Februar in Rechnung träten. Damit ergebe sich durch den statistischen Basiseffekt vom niedrigen Niveau der bisherigen Organisationsverwaltung die hohe rechnerischer Steigerung der Kosten.
      Avatar
      schrieb am 12.03.05 22:50:33
      Beitrag Nr. 377 ()
      Die Finanzierungslüge: Viel versprechen, wenig zahlen
      Jede Zahl ist manipulierbar.



      Heute ist ein entscheidender Tag, jedenfalls für die Kommunen und SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Heute nämlich ist der erste Stichtag der "Revisionsklausel". Sie sichert Gemeinden und Bund zu, dass anhand konkreter Daten überprüft wird, ob die Regierung ihr Versprechen hält, via Hartz IV die Kommunen um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Doch wie die Gemeinden nun erleben müssen, sind die Interpretationsfreiräume für den Wirtschaftsminister beachtlich. Zentraler Streitpunkt: Welche Daten werden überhaupt herangezogen, um die Entlastung für die Kommunen zu messen?

      Die Gemeinden stellen sich die Rechnung so vor: Bei der Sozialhilfe sparen sie 9,4 Milliarden Euro, weil nun der Bund das Arbeitslosengeld II zahlt. Stattdessen müssen sie aber etwa 10,1 Milliarden Euro für Unterkunfts- und Heizungskosten aufwenden. Damit am Ende 2,5 Milliarden Euro an Entlastung herauskommen, schießt der Bund 3,2 Milliarden Euro zu.

      Der Wirtschaftsminister protestiert und macht eine eigene Rechnung auf: Bei der Sozialhilfe würden die Gemeinden um weit mehr als nur 9,4 Milliarden Euro entlastet. Denn diese Zahl stammt vom Juli 2004. Bis Dezember seien die Kosten für die Sozialhilfe jedoch stark gestiegen. Außerdem, so Clement, würden die Gemeinden viel weniger für die Unterkunftskosten zahlen als vorher ausgerechnet. Ergebnis: Statt 3,2 Milliarden Euro will der Minister nur noch rund 500 Millionen Euro überweisen.

      Die Kommunen sind sauer. So versteht der Landkreistag nicht, wie Clement überhaupt auf seine Zahlen kommt. 439 kommunale Träger gibt es in Deutschland, aber bisher haben überhaupt nur 239 Gemeinden verlässliche Daten an die Bundesagentur weitergeleitet. Der Rest hatte entweder nicht das richtige Computersystem oder konnte die Daten bisher nur unsortiert abliefern. Am Donnerstag haben Clement und die Kommunen den ersten Schlichtungstermin.

      Das Feilschen des Wirtschaftsministers ist verständlich. Er braucht jeden Cent. Allein das Arbeitslosengeld II dürfte rund 6 Milliarden Euro mehr kosten als im Haushalt 2005 eingeplant. Clement spielt den Überraschten. Tatsächlich war dieses Defizit absehbar. Es wurde bewusst einkalkuliert. Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit hatte schon im September gewarnt, dass die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger erheblich höher ausfallen könnte als im Haushalt 2005 angenommen. Die Regierung beschloss damals, diese Warnung zu ignorieren.

      "ULRIKE HERRMANN

      http://www.taz.de/pt/2005/03/01.nf/ressort.q,TAZ.re,sw
      Avatar
      schrieb am 12.03.05 22:51:43
      Beitrag Nr. 378 ()
      Die Statistiklüge: Wer kann arbeiten? Wer will arbeiten?
      "Die Zeit der Dunkelziffern ist vorbei" - mehr Klarheit schaffen die neuen Zahlen aber nicht.



      Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des deutschen Landkreistages, erzählt die Geschichte des empörten Anrufers, der sich unlängst ereiferte über die Streitereien über die Erwerbsfähigkeit von Arbeitslosengeld-II-Empfängern. Sein Vater, so der Anrufer, hätte im Krieg beide Beine verloren und trotzdem voll gearbeitet, als Bürgermeister. Unsäglich und diskriminierend sei die öffentliche Diskussion darüber, ob Beinamputierte, HIV-Infizierte oder Alkoholkranke als erwerbsfähig gelten dürften oder nicht.

      Die neue Arbeitslosen-Statistik, so erweist sich jetzt, bringt nicht mehr Klarheit über die Zahl der Erwerbslosen, obwohl Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) genau das behauptet hatte mit den Worten: "Die Zeit der Dunkelziffern ist vorbei." Mehr als fünf Millionen Arbeitslose gibt es derzeit in Deutschland - aber die Zahl ist in zweierlei Hinsicht unehrlich: Erstens bildet die Statistik nicht ab, für wen die Arbeitslosigkeit schon eine Art Vorrente ist und wer in Wirklichkeit überhaupt keinen Job mehr sucht. Dazu gehören viele der jetzt als "erwerbsfähig" gemeldeten Sozialhilfeempfänger, die in Wirklichkeit meilenweit entfernt sind von jeder Chance auf dem Jobmarkt, sehr häufig aus gesundheitlichen Gründen. Auch etwa ein Fünftel der früher schon als arbeitslos Registrierten sucht in Wirklichkeit gar keinen Job mehr, hatten Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) errechnet. Insoweit kann man die Statistik als überzeichnet betrachten.

      Andererseits aber, und das ist die andere Unehrlichkeit, werden in der Arbeitslosenstatistik tausende von Nichtleistungsempfängern nicht mehr gezählt, die zwar kein Arbeitslosengeld beziehen, aber dennoch liebend gerne einen Job hätten. Auch setzt die Bundesagentur für Arbeit (BA) darauf, dass sich zehntausende von Arbeitslosen künftig abmelden, die keine Leistung mehr beziehen, weil der Partner zu viel verdient. Diese Leute haben deswegen aber noch lange keinen Job. Hinzu kommen zehntausende von Langzeitarbeitslosen im Alter von über 58 Jahren, die erklärt haben, dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

      Das Registrierverfahren der deutschen Arbeitslosenstatistik sagt also nur begrenzt etwas aus über die Jobsuche, im Unterschied zur Statistik der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): Als arbeitslos gilt in dieser Statistik nur, wer angibt, sich aktiv um einen Job zu bemühen. "BARBARA DRIBBUSCH

      taz Nr. 7603 vom 1.3.2005, Seite 3, 72 TAZ-Bericht BARBARA DRIBBUSCH



      Die Statistiklüge: Wer kann arbeiten? Wer will arbeiten?
      "Die Zeit der Dunkelziffern ist vorbei" - mehr Klarheit schaffen die neuen Zahlen aber nicht.


      Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des deutschen Landkreistages, erzählt die Geschichte des empörten Anrufers, der sich unlängst ereiferte über die Streitereien über die Erwerbsfähigkeit von Arbeitslosengeld-II-Empfängern. Sein Vater, so der Anrufer, hätte im Krieg beide Beine verloren und trotzdem voll gearbeitet, als Bürgermeister. Unsäglich und diskriminierend sei die öffentliche Diskussion darüber, ob Beinamputierte, HIV-Infizierte oder Alkoholkranke als erwerbsfähig gelten dürften oder nicht.

      Die neue Arbeitslosen-Statistik, so erweist sich jetzt, bringt nicht mehr Klarheit über die Zahl der Erwerbslosen, obwohl Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) genau das behauptet hatte mit den Worten: "Die Zeit der Dunkelziffern ist vorbei." Mehr als fünf Millionen Arbeitslose gibt es derzeit in Deutschland - aber die Zahl ist in zweierlei Hinsicht unehrlich: Erstens bildet die Statistik nicht ab, für wen die Arbeitslosigkeit schon eine Art Vorrente ist und wer in Wirklichkeit überhaupt keinen Job mehr sucht. Dazu gehören viele der jetzt als "erwerbsfähig" gemeldeten Sozialhilfeempfänger, die in Wirklichkeit meilenweit entfernt sind von jeder Chance auf dem Jobmarkt, sehr häufig aus gesundheitlichen Gründen. Auch etwa ein Fünftel der früher schon als arbeitslos Registrierten sucht in Wirklichkeit gar keinen Job mehr, hatten Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) errechnet. Insoweit kann man die Statistik als überzeichnet betrachten.

      Andererseits aber, und das ist die andere Unehrlichkeit, werden in der Arbeitslosenstatistik tausende von Nichtleistungsempfängern nicht mehr gezählt, die zwar kein Arbeitslosengeld beziehen, aber dennoch liebend gerne einen Job hätten. Auch setzt die Bundesagentur für Arbeit (BA) darauf, dass sich zehntausende von Arbeitslosen künftig abmelden, die keine Leistung mehr beziehen, weil der Partner zu viel verdient. Diese Leute haben deswegen aber noch lange keinen Job. Hinzu kommen zehntausende von Langzeitarbeitslosen im Alter von über 58 Jahren, die erklärt haben, dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

      Das Registrierverfahren der deutschen Arbeitslosenstatistik sagt also nur begrenzt etwas aus über die Jobsuche, im Unterschied zur Statistik der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): Als arbeitslos gilt in dieser Statistik nur, wer angibt, sich aktiv um einen Job zu bemühen. "BARBARA DRIBBUSCH

      taz Nr. 7603 vom 1.3.2005, Seite 3, 72 TAZ-Bericht BARBARA DRIBBUSCH
      Avatar
      schrieb am 12.03.05 22:52:44
      Beitrag Nr. 379 ()
      Die Wohlfahrtslüge: Arm dran
      Armut stresst und macht krank in Deutschland.



      345 Euro monatlich für einen arbeitslosen Alleinstehenden im Westen - das muss doch eigentlich reichen, meint die Regierung. Und tatsächlich: Niemand muss hungern in Deutschland. Also kein Problem?

      Das sieht die Nationale Armutskonferenz anders, die gestern ihre "Sozialpolitische Bilanz Armut und Gesundheit" vorstellte. Ein paar Daten aus dem Dossier: Bestimmte Karzinome wie Lungen-, Leber- oder Kehlkopfkrebs treten überdurchschnittlich oft bei Armen auf. Auch der Herzinfarkt ist heute keine Managerkrankheit mehr, sondern trifft gehäuft Menschen mit niedrigem sozialem Status. "Arbeitslosigkeit stresst", kommentiert der Medizinprofessor Gerhard Trabert, der an der Sozialbilanz beteiligt war. Die Sterblichkeit von arbeitslosen Menschen ist um das 2,6fache höher als bei Erwerbstätigen. Sogar 20fach erhöht ist die Selbstmordrate der Arbeitslosen. "Sie fühlen sich wertlos in einer Welt, die sich nur noch über Arbeit definiert", so Trabert.

      Betroffen sind auch die Kinder der Armen: So sterben sie häufiger bei Unfällen, weil sie öfter an belebten Durchgangsstraßen wohnen. Auch werden bei ihnen häufiger Infekte, Zahnerkrankungen und psychosomatische Beschwerden festgestellt. Eine Untersuchung der Medizinischen Hochschule in Hannover ergab, dass arme Menschen etwa sieben Jahre früher sterben als ihre reicheren Mitbürger.

      Durch Hartz IV dürften sich diese Ungleichheiten noch verstärken. Denn beim Arbeitslosengeld II von 345 Euro sind rechnerisch nur vier Prozent für den Posten "Gesundheitspflege" vorgesehen. Ein Besuch beim Arzt und die Zuzahlung für ein Medikament - schon ist diese Summe mehr als aufgebraucht. Da spart man an der Gesundheit - gezwungenermaßen." UH

      taz Nr. 7603 vom 1.3.2005, Seite 3, 62 TAZ-Bericht UH
      Avatar
      schrieb am 12.03.05 22:53:58
      Beitrag Nr. 380 ()
      Die Förderlüge: Keine Chance
      Arbeit muss sich wieder lohnen" - das wird von Hartz IV vereitelt.



      Marianne L. ist wütend: "Wer arbeitet, wird bestraft! Das kann doch nicht der Sinn von Hartz IV sein." Die 40-Jährige zieht zwei Kinder alleine groß und arbeitet nebenher in einer Schule für geistig Behinderte. Ein Teilzeitjob, 560 Euro netto im Monat, deshalb bezieht sie auch noch Sozialhilfe. Früher hatte L. durch ihre Arbeit 200 Euro zusätzlich im Monat. Seit Hartz bleiben ihr 100 Euro weniger.

      Die verstärkte Anrechnung der Hinzuverdienste beim Arbeitslosengeld II entmutigt Erwerbswillige. Noch trauriger sieht es aus, wenn man sich die Ankündigungen zur Integration der Erwerbslosen in den ersten Arbeitsmarkt anschaut. Vor drei Jahren versprachen Sozialpolitiker der Koalition, jedem Langzeitarbeitslosen "ein Angebot zu machen", einen "Eingliederungsplan" zu entwickeln. Heute ist klar: Weder werden Erwerbslose massenhaft zur "Zwangsarbeit" verdonnert, noch bekommt jeder Langzeitarbeitslose einen "Eingliederungsplan" - es gibt schlichtweg nichts, wo man sie "eingliedern" könnte. Der Versuch, sie über subventionierte Zeitarbeit, die Personalservice-Agenturen, wieder in selbst verdienten Lohn und Brot zu bringen, scheiterte an mangelnder Nachfrage nach solchen Kräften.

      Bleibt noch der so genannte zweite Arbeitsmarkt. Auch hier fällt die Bilanz traurig aus. 600.000 gemeinnützige Kleinstjobs will Clement in diesem Jahr einrichten, meint er optimistisch. Im Januar zählten die Arbeitsagenturen erst 74.000 dieser Ein-Euro-Jobs. Selbst einen gemeinnützigen Ein-Euro-Job zu schaffen, ist inzwischen schwierig geworden: Die Industrie- und Handelskammern, Pflegeverbände und Handwerkskammern befürchten nicht zu Unrecht die Konkurrenz durch die Billigarbeitskräfte. "BD

      taz Nr. 7603 vom 1.3.2005, Seite 3, 62 TAZ-Bericht BD
      Avatar
      schrieb am 13.03.05 10:07:16
      Beitrag Nr. 381 ()
      Verwaltungskosten stiegen um 300 Prozent

      Die Bundesagentur für Arbeit hat bislang kaum Geld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Rahmen der Hartz-IV-Reform eingesetzt. Zudem kappt die Behörde die Fördergelder für die Personal-Service Agenturen. Mehr Geld gibt die Agentur dagegen in der Verwaltung aus, dort explodieren die Kosten.

      Demnach sind die Ausgaben im Vergleich zum Januar für die so genannten passiven Leistungen des Arbeitslosengeldes II im Februar um rund 15 Prozent gestiegen. Bei den Verwaltungsausgaben gab es sogar einen Zuwachs um über 300 Prozent.

      Ombudsrat:
      20 500 Beschwerden über Hartz IV
      Avatar
      schrieb am 13.03.05 11:11:19
      Beitrag Nr. 382 ()
      Steuerscharade

      »Jobgipfel« wirft Schatten voraus


      Rainer Balcerowiak

      Eine Mehrwertsteuererhöhung wird es nicht geben. Dieser Festlegung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vom Freitag darf man ausnahmsweise ruhig Glauben schenken – wenn man das Wörtchen »noch« in den Satz einfügt. In der Tat wäre die Erhöhung einer reinen Konsumsteuer, die Geringverdiener überproportional schröpfen würde, wenige Monate vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen politischer Selbstmord. Schröder wird die Chance nutzen, sich angesichts der massiven Forderungen des Großkapitals und deren Thinktanks nach einer mehr als zehnprozentigen Anhebung des Mehrwertsteuersatzes von 16 auf 18 Prozent als Anwalt des »kleinen Mannes« zu produzieren.

      Umso leichter könnte es gelingen, andere Projekte gemeinsam mit den Unionsparteien schnell in Sack und Tüten zu packen. Auf dem »Jobgipfel« am nächsten Donnerstag wird es sowohl um Steuergeschenke an die Unternehmer als auch die weitere »Flexibilisierung« des Arbeitsmarktes und die Senkung der »Lohnnebenkosten« genannten Lohnbestandteile zulasten der öffentlichen Haushalte gehen. Selbst die Pop-Ikone aller Gefühlslinken, Oskar Lafontaine, will das Verteilungsspiel mitmachen und schlug am Freitag vor, jüngeren Erwerbslosen etwas wegzunehmen, um es älteren zu geben, statt sich der volkswirtschaftlich sowohl sinnvollen wie auch realisierbaren Forderung nach einem existenzsichernden Grundeinkommen für alle Menschen anzuschließen.

      Mehr als fünf Millionen offiziell registrierte Erwerbslose sind eben die beste Grundlage für die Realisierung von Verarmungsplänen. Viele ob ihrer düsteren Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt verängstigte Menschen sind (noch) bereit, nach jedem virtuellen Strohhalm zu greifen, den ihnen die offizielle Politik als vermeintliche Lösung der Arbeitsmarktprobleme anbietet.

      Dabei ist die Legitimationsgrundlage für die neue Umverteilungsoffensive nichts weiter als die sattsam bekannte Basislüge des neoliberalen Kapitalismus: »Entlastungen« der Unternehmer bei den Lohnkosten, die »Entbürokratisierung« genannte weitgehende Abschaffung der Tarifautonomie und des Kündigungsschutzes führen zu mehr Investitionen, mehr Arbeitsplätzen und somit auch einer Ankurbelung der Binnenkonjunktur, was wiederum weitere Arbeitsplätze schüfe. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Rekordgewinne der Großkonzerne bei gleichzeitigen Massenentlassungen prägen seit Jahren die Entwicklung.

      Die jetzt auf der Agenda stehenden Maßnahmen zur »Wirtschaftsförderung« werden die öffentlichen Haushalte viel Geld kosten. Mittels Mehrwertsteuererhöhung wird man diese Löcher dann stopfen wollen, frühestens nach den Wahlen in NRW, spätestens kurz nach den Bundestagswahlen im Herbst 2006.


      Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/03-12/003.php
      Avatar
      schrieb am 28.03.05 22:22:19
      Beitrag Nr. 383 ()
      Ein-Euro-Jobs als »Rohrkrepierer«

      Industrie- und Handwerkskammer sieht Mißbrauch bei Billigarbeitskräften


      Die Ein-Euro-Jobs erweisen sich nach Auffassung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin als »Rohrkrepierer«. Mit ihnen entstünden keine neuen Arbeitsplätze, kritisierte am Montag IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Vielmehr wachse durch Billigstarbeitskräfte die Gefahr, »daß reguläre Beschäftigungsverhältnisse abgebaut werden«.

      Die zahlreichen Beispiele angeblich gemeinnütziger und zusätzlicher Beschäftigung an Berliner Schulen seien »nur die Spitze des Eisbergs«. Dort seien unter anderem Hausmeistergehilfen, Bibliothekare und Computerhelfer im Einsatz, zumeist ohne die für Ein-Euro-Kräfte vorgesehenen Qualifizierungsmaßnahmen. »Wir beobachten mit wachsender Unruhe, wie solche Tätigkeiten die gewerbliche Wirtschaft in Schwierigkeiten bringen«, betonte Eder. Bei der IHK stapelten sich inzwischen Anträge von Trägern, um »für zweifelsfrei nicht zusätzliche und gemeinnützige Jobs« eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten. Dazu gehörten zum Beispiel die Aufarbeitung und der Verkauf gebrauchten Hausrats, Catering, Fahrdienste, die Gestaltung von Broschüren und Internetseiten oder technische Dienstleistungen für Veranstaltungen.

      Aber auch für klassische Aufgaben des öffentlichen Dienstes wie Schreibarbeiten in Ämtern oder die Sicherung von Baustellen in kommunalen Gebäuden sollten schon Ein-Euro-Jobber eingesetzt werden. Um Fehlentwicklungen zu vermeiden, werde gemeinsam mit Politik,Wohlfahrtsverbänden und Arbeitsagenturen bis Mitte des Jahres eine Positivliste erarbeitet, kündigte Eder an. Darin sollen Tätigkeiten aufgelistet werden, die für Ein-Euro-Jobber geeignet sind. »Sollten aber alle Kontrollen den Mißbrauch nicht verhindern können, kann ich mir auch ein Ende der Ein-Euro-Praxis vorstellen«, sagte Eder. Die Wirtschaft fordere ohnehin einen Niedriglohnsektor, mit dem sich auch Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen ließen.



      Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/03-29/020.php
      Avatar
      schrieb am 31.03.05 19:17:26
      Beitrag Nr. 384 ()
      Was wäre, wenn ...


      ... der Staat Niedrig-Löhne stützen würde?


      Die Idee: "Lohnnebenkosten runter!", lautet eine gängige Forderung. Zwei Ökonomen der Universität Magdeburg haben das für den Niedriglohnsektor einmal durchgerechnet: 1,8 Millionen Arbeitsplätze ließen sich hier schaffen - und der Staat würde 4,4 Milliarden Euro jährlich sparen. Mindestens.

      Die Professoren Ronnie Schöb und Joachim Weimann setzen mit ihrer "Magdeburger Initiative" bei einer unstrittigen Erkenntnis an: Besonders gering Qualifizierte sind von der Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Daraus folgern die beiden, dass die Arbeitskosten im Niedriglohnsektor immer noch zu hoch seien. So verdient etwa ein Fensterreiniger im untersten Tarif 6,80 Euro pro Stunde; das entspricht 1.000 Euro brutto im Monat. Zusätzlich muss sein Arbeitgeber etwa 200 Euro an die Sozialversicherungen abführen. Da verzichten viele lieber auf einen Fensterputzer. Sie vergeben den Auftrag schwarz - oder stellen sich selbst auf die Leiter.

      Daher, so die Professoren, müssten die Arbeitskosten der gering Qualifizierten um etwa 30 Prozent sinken. Die Magdeburger Wissenschaftler wollen jedoch keine Konfrontation mit den Gewerkschaften. Also sollen die Nettolöhne unverändert bleiben - doch die Arbeitgeber würden die gesamten Sozialversicherungskosten erstattet bekommen, wenn sie einen Langzeitarbeitslosen zusätzlich in der untersten Tarifgruppe einstellen. Die Arbeitskosten würden so um 35 Prozent fallen.

      Allerdings ist eine Gefahr nicht zu übersehen: Die Arbeitgeber könnten einfach versuchen, ihre alten Mitarbeiter durch neue zu ersetzen. Um diesen "Drehtüreffekt" zu verhindern, soll zusätzlich zu jedem neu eingestellten Langzeitarbeitslosen auch ein bereits Beschäftigter subventioniert werden. Langfristige Konsequenz: Es würden fast alle Niedriglöhne bezuschusst.

      Trotzdem wäre diese Subvention für den Staat profitabel, so die beiden Professoren, zahlt er doch auch bisher die Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitslosen. Zudem könnte er sich das Arbeitslosengeld II sowie die 1-Euro-Jobs sparen.

      Die Chancen: Die "Magdeburger Alternative" interessiert parteiübergreifend. Bundespräsident Horst Köhler hat sie ins Manuskript für seine jüngste Jobrede aufgenommen; Grünen-Chef Bütikofer schreibt lobende Kommentare.

      Das Problem: Die "Magdeburger Alternative" ist ein weiteres Kombilohn-Modell. Und die sind bisher immer gescheitert. Auch diesmal könnten die Arbeitgeber zwar gern die Subvention kassieren, aber keine neuen Jobs schaffen. Denn wie viele Leute man einstellt, hängt nicht nur von deren Preis ab - man muss sie auch brauchen.

      ULRIKE HERRMANN

      ... Arbeitslose anders gezählt würden?

      Die Idee: Den Wunsch hegen viele Sozialpolitiker, bisher allerdings nur heimlich: einfach die lästige deutsche Arbeitslosenstatistik abschaffen und durch die international genormte Zählweise der International Labour Organization (ILO) ersetzen. Damit ließen sich die Arbeitslosenzahlen sofort um eine Million senken.

      Zwar gibt es die ILO-Statistik schon, in Deutschland wird sie bisher aber zu wenig wahrgenommen. Nach dem Erwerbskonzept der ILO waren in Deutschland im Januar nur 3.988.000 Menschen arbeitslos, die offizielle Statistik hingegen zählte in diesem Monat 5.037.000 Arbeitslose.

      Die Unterschiede ergeben sich aus den verschiedenen Erhebungsmethoden. Nach der ILO-Methode wird die Zahl der Arbeitslosen aus einer stichprobenartigen telefonischen Befragung der Bevölkerung hochgerechnet, die offizielle deutsche Methode hingegen zählt die einzelnen Meldungen bei den Arbeitsagenturen.

      Laut ILO-Konzept gilt nur derjenige als arbeitslos, der in den vergangenen vier Wochen aktiv nach einem Job gesucht hat und in den nächsten zwei Wochen eine Beschäftigung aufnehmen könnte. Schon wer nur eine Stunde in der Woche schafft, ist laut ILO nicht mehr arbeitslos. Nach der offiziellen deutschen Statistik hingegen kann sich noch als arbeitslos melden, wer weniger als 15 Stunden wöchentlich ackert. Zudem wird nicht überprüft, ob es konkrete Bemühungen um einen Job gibt.

      Das ILO-Konzept erfasst also jene Leute nicht, die zwar Arbeitslosengeld II beziehen, sich aber gar nicht aktiv um eine Stelle bemühen. Andererseits aber werden mit der ILO-Methode auch Menschen gezählt, die ohne Hilfe der Arbeitsagenturen nach einem Job fahnden. Dazu gehören beispielsweise auch Frauen aus der so genannten stillen Reserve, also Hausfrauen, die gegenüber den Agenturen keine Ansprüche haben, aber trotzdem aktiv eine Stelle suchen.

      Die Chancen: Eine Zählung nur noch nach ILO-Standard würde die Sozialpolitik von dem Dilemma befreien, dass sich mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II viele Leute bei den Arbeitsagenturen melden mussten, die sich gar nicht um einen Job bemühen. Darunter fallen etwa die LebensgefährtInnen von Langzeitarbeitslosen oder gesundheitlich eingeschränkte LeistungsempfängerInnen.

      Das Problem: Die ILO-Statistik erfasst jene Menschen nicht, die nicht mehr suchen, weil sie die Hoffnung auf einen Job aufgegeben haben. Wenn die rot-grüne Regierung die bisherige Zählweise abschaffte, würde die CDU/CSU-Opposition zudem umgehend lauthals über die "Manipulation" der Statistiken lamentieren. BD

      ... alle kürzer arbeiten würden?

      Die Idee: Der Vorschlag, die Arbeitsstunden einfach umzuverteilen, klingt so einfach, dass ihn jedes Kind versteht. Angenommen, alle Beschäftigten in Vollzeit geben ein paar Stunden von ihrer Arbeitszeit ab, dann hätten alle einen Job und mehr Freizeit. Eine schematische Rechnung: Würden die 24 Millionen Vollzeitbeschäftigten in Deutschland ihre Arbeitszeit von 40 auf 35 Wochenstunden kürzen und Lohneinbußen in Kauf nehmen, könnten auch 3,4 Millionen Erwerbslose einen 35-Stunden-Job bekommen. Der Lohnverzicht für die Vollzeiter betrüge nur 13 Prozent. Die Idee der Arbeitsumverteilung durch verkürzte Jobzeiten ist bestechend. 1994 wurde das Thema brandaktuell, als Sozialminister Norbert Blüm (CDU) für Teilzeit warb, um mehr Leute in Lohn und Brot zu bringen. Männer, die in Teilzeit ackerten, wurden plötzlich als Trendsetter gefeiert. Die Niederlande, in denen erheblich mehr Leute in Teilzeit arbeiteten als in Deutschland, galten als leuchtendes Beispiel. Auslöser des Trends war der VW-Konzern, der im Herbst 1994 die Viertagewoche ohne Lohnausgleich eingeführt hatte - allerdings nicht, um neue Jobs zu schaffen, sondern um Entlassungen zu verhindern.

      Die Chancen: Das Modell Arbeitsumverteilung ist bestechend, weil es kein zusätzliches Geld aus den Sozialkassen kosten, sondern im Gegenteil Milliarden Euro Arbeitslosengeld sparen würde. Verfechter argumentieren zudem, dass so die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Männern und Frauen nivelliert würde, dann nämlich, wenn Männer weniger Zeit im Job und mehr Zeit in der Familie verbringen.

      Das Problem: Die Bereitschaft der Menschen, aus Gründen der Solidarität freiwillig auf Arbeitszeit und damit auf Lohn zu verzichten, ist gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten gering. Das haben die Erfahrungen im öffentlichen Dienst und in der Metallindustrie in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre gezeigt. Dort sorgte schon der Abbau von bezahlten Überstunden mancherorts für Unmut an der Basis. Für NiedrigverdienerInnen ist zudem schon eine Lohneinbuße von 10 Prozent ein herber Verlust. Die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ist deshalb in den vergangenen Jahren nur als Mittel der Einsparung durchsetzbar gewesen, wenn den Beschäftigten ansonsten der Jobverlust drohte. Die Einigungen im Berliner öffentlichen Dienst im Sommer 2003 und bei Opel Rüsselsheim im Herbst 2003 sind dafür Beispiele.

      BARBARA DRIBBUSCH

      ... der Markt kalt walten würde?

      Die Idee: Vollbeschäftigung ist eigentlich der Naturzustand. Wenn es Erwerbslose gibt, dann nur deshalb, weil marktferne Tarifkartelle sich anmaßen, über die Lohnhöhe zu bestimmen. Kurz: Die Arbeit ist in Deutschland zu teuer. Prominentester Verfechter dieser Idee ist Hans-Werner Sinn, der das Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) leitet: "Freie und flexible Löhne schließen Arbeitslosigkeit aus, denn es kommt zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage."

      Konkret schlägt Sinn vor, die Löhne in Deutschland durchschnittlich um 10 bis 15 Prozent zu senken. Damit die Beschäftigten diesen Verlust nicht so spüren, sollen sie entsprechend länger arbeiten und einer 42-Stunden-Woche zustimmen. Natürlich müssen auch alle Eingriffe in den Markt entfallen: Branchenweite Tarifverträge und den gesetzlichen Kündigungsschutz soll es nicht mehr geben.

      Die Chancen: Die Aussichten stehen bestens für dieses Programm. Um ihre Arbeitsplätze zu retten, sind die Beschäftigten inzwischen zu fast jedem Zugeständnis bereit. Jüngstes Beispiel ist das Siemenswerk in Würzburg: Trotz einer Umsatzrendite von etwa 6 Prozent droht das Management damit, nach Tschechien abzuwandern, falls die Beschäftigten in den kommenden 5 Jahren nicht 50 Millionen Euro einsparen. Der Betriebsrat hat Entgegenkommen signalisiert.

      Das Problem: Kündigungsschutz und Lohnhöhe sind eigentlich nicht das Probleme. Das kann man bedauern. Denn sonst wäre es ja einfach, den deutschen Arbeitsmarkt zu beleben. Nur Hire & Fire - und schon wäre die Vollbeschäftigung erreicht. Doch diese Hoffnung hat sich in diversen Großversuchen zerschlagen. So gibt es für neu eingestellte ältere Arbeitnehmer über 50 faktisch keinen Kündigungsschutz mehr. Dennoch blieb die ersehnte Einstellungswelle aus. Ähnlich unergiebig sind andere Flexibilisierungsversuche, etwa die Zeitarbeit.

      Bei den Löhnen wiederum stellt sich das Problem, dass sie gerade kein reines Kostenproblem sind. Sonst müsste man sie tatsächlich nur senken, um Vollbeschäftigung zu erreichen. Doch Einkommen bedeutet auch Konsum. Es reduziert die Absatzchancen für die Unternehmen, wenn sie bei den Löhnen kürzen. Dieses Wachstumsrisiko sollte nur eingegangen werden, wenn andernfalls der gesamten Volkswirtschaft droht, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Und das ist beim Exportweltmeister Deutschland bislang nicht zu erkennen. UH

      taz Nr. 7627 vom 31.3.2005, Seite 3, 73 TAZ-Bericht ULRIKE HERRMANN / BD / BARBARA DRIBBUSCH / UH
      Avatar
      schrieb am 04.04.05 06:05:16
      Beitrag Nr. 385 ()
      Clement beschimpft Arbeitslose

      Mit Hartz-IV-Nachbesserungen ist schwer punkten, und die Unternehmensteuer hat nun Eichel im Griff. Da macht man doch lieber Arbeitslosen ein paar Vorwürfe
      BERLIN taz Nachdem die Arbeitslosenzahlen im März nicht weiter gestiegen sind, wird Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wieder etwas offensiver - gegenüber den Arbeitslosen. Neue Zahlen eines Meinungsforschungsinstituts über die Umzugsbereitschaft von Arbeitslosen kommentierte Clement gestern im Radio: Es bestehe zu wenig Bereitschaft, "sich zu verändern, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen oder an einen neuen Arbeitsplatz zu kommen. All dies geht natürlich so nicht weiter."

      Nun sagen zwar in der Tat 63 Prozent aller befragten Arbeitslosen (und 85 Prozent der über 55-Jährigen), dass sie für einen neuen Job ihren Wohnort nicht aufgeben wollten. Doch wäre das bloß dann bemerkenswert, "wenn es Jobs gäbe, für die sie umziehen sollten", bemerkte gestern ein dem Minister sonst nahe stehender Sozialdemokrat. Clements Drohgesten wider die Arbeitslosen seien daher nicht angebracht.
      Doch Clements Möglichkeiten, in den kommenden Wochen anderwärts zu punkten, sind beschränkt. Am 15. April wird er sich mit dem Arbeitsmarktexperten der Union, Karl-Josef Laumann, treffen. Dann sollen die seit Monaten geforderten "Nachbesserungen" an der Arbeitsmarktreform Hartz IV beraten werden.

      Vor allem die Möglichkeiten von Langzeitarbeitslosen, sich zum neuen Arbeitslosengeld II ein kleines Zubrot zu verdienen, sollen wieder ausgeweitet werden. Koalitionkreise vermuten, dass das Ergebnis dicht am Vorschlag der Union liegen wird. Demnach könnten Alg-II-Bezieher von 400 Euro Zusatzerwerb künftig 190 Euro für sich behalten statt wie bisher 60 Euro.

      Allerdings bringt jede Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeit ein Gerechtigkeits- und Anreizproblem mit sich: Arbeitslosengeld II und Wohngeld plus Zuverdienst können in der Summe mehr ergeben als ein mies bezahlter Vollzeitjob. Doch haben Koalition und Opposition sich offenbar darauf geeinigt, diese Kollision von Kombi- und Niedriglohn in Kauf zu nehmen. Im Kampf um eine Unternehmensteuerreform hat Clement sich zwar gegen Finanzminister Hans Eichel (auch SPD) durchgesetzt: Der Kanzler erhörte Clement statt Eichel und verabredete auf dem "Jobgipfel" Mitte März mit den Spitzen der Union eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 19 Prozent. In der Umsetzung dieses Projekts aber hat nun Eichel das Privileg des Handelns.

      Eichel ist für den 8. April mit Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) und Nordrhein-Westfalens Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) verabredet, um über die Gegenfinanzierung zu reden. Insgesamt müssen die Finanzexperten 6 Milliarden Euro auftreiben, die durch die Steuersenkungen von Kanzler und Union fehlen werden. Die Union bestritt tagelang, dass es eine derartige Verabredung gebe. Doch scheint ihr ein Ausbremsen der Jobgipfel-Vereinbarungen offenbar nicht länger opportun.

      ULRIKE WINKELMANN

      taz Nr. 7630 vom 4.4.2005, Seite 9, 99 TAZ-Bericht ULRIKE WINKELMANN
      Avatar
      schrieb am 04.04.05 06:24:06
      Beitrag Nr. 386 ()
      Frei, gleich, arbeitslos

      Arbeitstexte (IV): Die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland beruht auf Gewissheiten, die seit der Französischen Revolution gelten - und die es dringend neu zu formulieren gilt

      Über fünf Millionen Arbeitslose - das schockiert. Nur warum? Erwerbslosigkeit ist keine Ausnahme, sondern normal. Ungewöhnlich ist hingegen die Vollbeschäftigung, die noch immer als offizielles Ziel verfolgt wird. Sie hat es in der Bundesrepublik nur für kurze Zeit gegeben: nach zwei Weltkriegen und einer Komplettzerstörung des Landes.


      Doch obwohl die Vollbeschäftigung so selten ist, wird krampfhaft an ihr festgehalten. Das ist erklärungsbedürftig, wird jedoch nie erklärt. Stattdessen gibt es einen lebhaften Streit zwischen Neoliberalen und Spät-Keynesianern über die Methoden der Wirtschaftspolitik - die einen favorisieren Lohnkürzungen, die anderen wollen eher Konjunkturprogramme. Doch das Ziel ist identisch und heißt weiterhin: Vollbeschäftigung.

      Gern verweist man aufs Ausland. Hat nicht fast jeder Brite einen Job? Oder die Niederländer! Und - ganz neu - die Australier! Dieses Spiel ist bei Neoliberalen wie Spät-Keynesianern beliebt. Nur ihre Beispiele unterscheiden sich. Wer mehr für den Staat ist, nennt die Skandinavier. Wer Dumpinglöhne will, entscheidet sich für die USA. Es geht zu wie beim Autoquartett: Wer hat den tollsten Stich?

      Nun könnte man sich lange damit aufhalten, die Beispiele zu widerlegen, die die nahende Vollbeschäftigung plausibel machen sollen. Lassen sich etwa kleine Länder wie die Skandinaviens mit dem Weltmarktführer Deutschland vergleichen? Oder - wie stark profitieren die USA davon, dass der Dollar Leitwährung ist? Allerdings sind solche Diskussionen sinnlos. Im Unterschied zum Autoquartett ist die Zahl der Stiche nicht begrenzt. Auf jeden Einwand folgt ein Gegeneinwand, um den obersten Glaubenssatz deutscher Arbeitsmarktpolitik zu verteidigen: Vollbeschäftigung ist möglich.

      Dabei zeigt ein Blick auf die Nachbardisziplinen, dass dort der Glaube an die Vollbeschäftigung schon lange verschwunden ist. So sollte sich die Rürup-Kommission eigentlich mit Renten und Krankenkassen befassen. Aber dafür mussten die Experten auch die deutsche Arbeitslosigkeit prognostizieren. Ergebnis: Sie werde 2020 noch immer bei 7 Prozent liegen. Allerdings dürfte selbst diese Annahme zu optimistisch sein, denn die Kommission unterstellte, dass die deutsche Wirtschaft jährlich um 1,7 Prozent wachsen wird. Tatsächlich legt sie momentan durchschnittlich nur um 1 Prozent pro Jahr zu. Die Arbeitslosigkeit wird uns also noch sehr lange begleiten, vielleicht für immer. Warum darf dies nicht ausgesprochen werden in der deutschen Politik?

      Anscheinend lässt sich diese Tatsache nicht denken. Denn die Arbeitslosigkeit bedroht zwei zentrale Gewissheiten, an die die Deutschen seit 200 Jahren starr glauben. Diese Grundannahmen aufzugeben erscheint als so gefährlich, dass lieber gegen jede Evidenz an der Vollbeschäftigung festgehalten wird.

      Die erste Gewissheit: Letztlich macht Arbeit den Menschen aus. Sie gibt ihm Sinn und Anerkennung. Es ist fast egal, was jemand tut, solange er nur arbeitet. Allein diese felsenfeste Überzeugung kann erklären, warum die 1-Euro-Jobs derart populär sind in der Politik. Arbeit ist eben prinzipiell eine Chance, auch wenn sie recht stupide ist, eigentlich nicht gebraucht wird und niemand einen regulären Preis dafür zahlen will.


      Diese Absolutierung der Arbeit hat sich endgültig in der Französischen Revolution durchgesetzt. Denn Leistung war der Kampfbegriff der Bürger gegen den Adel, war der entscheidende Hebel gegen das Gottesgnadentum, mit dem König und Gefolge bis dahin begründet hatten, warum ihnen der Reichtum des Landes zusteht. Dagegen wurde nun der Begriff der Arbeit gesetzt. Wer die Steuern erwirtschaftete, der sollte auch politisch bestimmen dürfen. So gesehen erschien der Adel als eine Kaste, die nichts beiträgt, sondern nur faulenzt und Kosten verursacht. Die moderne Demokratie hat viel mit Menschenrechten zu tun - aber noch mehr mit dem Konzept der Arbeit. Denn dadurch wurde es überhaupt erst möglich, die Freiheitsrechte ideologisch durchzusetzen.

      Der Leistungsbegriff hat die Demokratie jedoch nicht nur begründet - sondern auch lebbar gemacht. Denn eine Gemeinschaft politisch Gleicher kann nur funktionieren, wenn die ökonomischen Unterschiede nicht unerträglich groß sind. Deswegen ist Vollbeschäftigung so wichtig: Solange jeder einen Job hat, so die historische Erfahrung, lässt sich soziale Gerechtigkeit ziemlich reibungslos organisieren.

      Zudem ist Arbeit als Gerechtigkeitskriterium bisher alternativlos. Denn jede andere Verteilungsdiskussion kollidiert sofort mit der zweiten ehernen Gewissheit: Solidarität ist in Ordnung, aber sie kann nicht grenzenlos sein. Verteilt wird nur der Überschuss. Wachstumsgewinne dürfen abgeschöpft werden, aber einmal erworbenes Eigentum ist heilig. Also Reform statt Revolution. Denn Aufstände zerschlagen, was eigentlich umverteilt werden soll. Auch diese Erfahrung entstammt der Französischen Revolution und wurde seither immer wieder erneuert - nicht zuletzt durch den gescheiterten Sozialismus.

      Doch das Wachstum wird kleiner - und dürfte noch weiter sinken, wenn die Rohstoffe knapper werden. Bisher rettet sich die Gesellschaft, indem sie die Verteilungsmasse konstant hält, obwohl die Zahl der Arbeitslosen zunimmt. Der Einzelne bekommt eben weniger. Zuletzt war diese Strategie beim Arbeitslosengeld II zu besichtigen. Und auch die Sozialhilfe steigt schon seit Jahren nicht mehr, der Inflation zum Trotz.

      Doch jetzt ist die Untergrenze erreicht; bei Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern lässt sich nicht mehr sparen. Gleichzeitig werden sie immer weiter abgehängt - denn auch wenn die Wirtschaft bescheiden wächst, sie wächst. Doch dieses Plus wandert als Rendite vor allem an die Kapitalbesitzer, die zudem noch davon profitieren, dass Kapital die Arbeit immer stärker ersetzt. Diese zunehmende Ungleichheit - im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht nachzulesen - ist für eine einst eher egalitär strukturierte Gesellschaft schwer zu ertragen. Sie ist nur als notwendiges Opfer für ein hehres Fernziel zu akzeptieren: eben die Vollbeschäftigung.

      Es ist schwer, den fixen Glauben an die Vollbeschäftigung aufzugeben. Denn dann müsste ja plötzlich auch jenseits der Wachstumsgewinne umverteilt werden - und das nach Kriterien, die mit Arbeit nichts mehr zu tun haben. Ein alternatives Konzept existiert durchaus: Man müsste akzeptieren, dass Menschen einen Wert an sich besitzen, selbst wenn sie nichts leisten. Dieser Gleichheitsgrundsatz entstammt ebenfalls der Französischen Revolution. Aber bisher konnte er nicht wirklich gelten, weil er mit den beiden Gewissheiten kollidiert, die damals parallel entstanden und die darin kulminierten, dass Arbeit für Gerechtigkeit sorgen soll. Es ist paradox: Zentrale Lehren der Französischen Revolution haben sich inzwischen überlebt. Aber darin liegt auch eine Chance, dass sie ihr eigentliches Versprechen endlich erfüllt.

      ULRIKE HERRMANN

      taz Nr. 7630 vom 4.4.2005, Seite 12, 241 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN
      Avatar
      schrieb am 04.04.05 07:00:58
      Beitrag Nr. 387 ()
      Auch ellenlanges ratloses TAZ-Gelaber anedert nichts an der Tatsache, dass die Linke ziemlich belaemmert vor den Arbeitslosenzahlen steht. Sie wissen einfach nicht, wie man Arbeitsplaetze schafft.. Ist ja auch kein Wunder, unternehmen sie denn nichts!

      Der erste Schritt zur Besserung ist die Einsicht, dass man es nicht mit einer globalen Kapitalismuskrise zu tun hat, sondern mit einer urdeutschen, hausgmachten Strukturkrise!

      Die zweite wichtige Einsicht waere, dass man aus dem Beamtensessel (Hartz, Bundesagentur ...) heraus keine Arbeitsplaetze schafft. Ergo runter mit der deutscehn Staatsquote, aber gaaanz schnell bitteschoen!
      Avatar
      schrieb am 06.04.05 11:56:11
      Beitrag Nr. 388 ()
      @ QCOM

      Ziemlich oberflächlicher Unsinn, den Du da verzapfst.

      Wir sind in der tat ENDGÜLTIG da angelangt, wo immer mehr Leute einsehen, dass in einer hochindustrialisierten Welt keine ausreichende Arbeit für alle vorhanden ist.
      Die einzige Lösung ist die Aufteilung der immer weniger werdenden Arbeit auf die arbeitsfähige Bevölkerung.
      Und das Ende der irrsinnigen Steuerpolitik, die von vagabundierendem Kapital nur genutzt wird, um letztendlich keine Steuern zu zahlen und sich Infrastruktur vom verbraucher zahlen zu lassen - bald zahlt nämlich nur noch der Mittelstand und die lohnabhängige Bevölkerung Steuern.

      Die Arbeitslosenzahlen sind unter konservativen ebenso wie unter linken oder liberalen Politikern gewachjsen - ständig, insbesondere unter Kohl, der noch rasch das Wiedervereinigungs-Strohfeuer in Form einer durch (u.a. in sinnlose Ost-Immos) verschwendete Steuergelder genossen hat.

      Witzigerweise hat der Linke Lafontaine damals korrekt die Kosten der Wiedervereinigung und die unrealistische Kohl-Einschätzung öffentlich dokumentiert.

      Links-rechts-denken wie Du es machst, ist schlicht gestrickt, nur oberflächliches Nachplappern von Industrie-Propaganda.

      Aber, wenn Du einen Kommentar von jemandem haben möchtest, der von Berufs wegen "etwas unternimmt", dann lies´Dir mal das folgende genau durch und versuche, es zu verstehen:

      -----------------------------------------------------


      SPIEGEL ONLINE - 05. April 2005, 19:52
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,349844,00.html

      Brandrede des Porsche-Chefs

      "Wir verarmen, wenn wir asiatisch werden wollen"

      Die hohen Lohnkosten sind das größte Problem in Deutschland, sagen viele Volkswirte und Firmenbosse. Stimmt überhaupt nicht, antwortet nun Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Bei einem kämpferischen Auftritt vor Politikern machte er ganz andere Ursachen für die Krankheit des "deutschen Patienten" verantwortlich.


      Stuttgart - Es sei falsch zu glauben, Arbeitsplätze seien in Deutschland zu teuer und neue könnten nur noch im Ausland entstehen, sagte Wiedeking am Abend vor Abgeordneten des baden-württembergischen Landtags. "Die Lohnkosten sind wirklich nicht das eigentliche Problem in Deutschland." Er verwies auf sein eigenes Unternehmen. Porsches Stammwerk stehe "im Herzen des Hochlohnlandes Deutschland" - trotzdem sei der Konzern weltweit erfolgreich.




      Wiedeking: Kritik auch am Ex-Chef von Mercedes


      Auch von einer "baden-württembergischen Krankheit" könne keine Rede sein, so Wiedeking. Sie war noch im Sommer vergangenen Jahres oft mit Blick auf das Lohnniveau bei Autobauern wie Daimler diagnostiziert worden - der Begriff war vom damaligen Mercedes-Chef Jürgen Hubbert geprägt worden. Porsche spüre davon "herzlich wenig", sagte Wiedeking.

      Besonders kritisch sieht er die Tatsache, dass Unternehmen bei Standortverlagerungen ins Ausland die Kosten für die Planung der Investition, den Transfer der Arbeitsplätze, die Verwaltung und die Finanzierung des Tochterunternehmens voll steuerlich geltend machen können. "Es ist wenig sinnvoll, ja geradezu der Gipfel des Unsinns, wenn man in Zeiten, in denen mehr als fünf Millionen Menschen als Arbeitslose in Deutschland registriert sind, den Job-Export auch noch aus dem deutschen Steuertopf subventioniert."

      Wiedeking: Aber eine Steuersenkung möchte ich trotzdem

      Er fragte: "Und wieso zahlt die EU Zuschüsse für Firmenansiedlungen in den Beitrittsländern - übrigens auch mit den deutschen Beiträgen in die EU-Kasse - die den osteuropäischen Regierungen dann dazu dienen, Firmen aus Westeuropa mit besonders niedrigen Steuersätzen anzulocken?" All dies seien Fehler im System, die viel gravierender seien als das Niveau der Gehälter in Deutschland. Nach Auffassung Wiedekings sollte die Bundesrepublik die Milliarden Euro, die für EU-Standortförderungen ausgegeben werden, besser dazu verwenden, die einheimischen Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen - etwa durch Steuersenkungen.

      Wiedeking warnte vor Versuchen, den Standort Deutschland im globalen Wettbewerb durch Lohn- und Sozialdumping absichern: "Die aber befinden sich ganz bestimmt auf dem Holzweg. Ich sage ihnen: Wir verarmen, wenn wir asiatisch werden wollen". Chinesische Lohnkosten wären in Europa volkswirtschaftlicher Unsinn. "Mit welchem Geld solle dann der deutsche Arbeitnehmer konsumieren? Diese ganze Geiz-ist-geil-Mentalität ist doch das eigentliche Problem."
      Avatar
      schrieb am 07.04.05 10:21:46
      Beitrag Nr. 389 ()
      der these mit der vertelung von arbeit stimme ich zu.


      aber ein luxusgut wie ein porsche war noch nie vom lohn abhängig,auch luxusparfums werden niemals in billiglohnländern produziert---wenn man in einem bereich das beste produkt hat,wird der preis unwichtig.dies gilt nur für eine minderheit der produkte.

      und wiedeking unternimmt von berufs wegen nix.er ist angestellt.
      eine widerliche errungenschaft der möchtegern-kapitalisten das man vorstände von konzernen als "unternehmer" bezeichnen muss :mad:
      Avatar
      schrieb am 08.04.05 14:37:23
      Beitrag Nr. 390 ()
      @ whitehawk

      Naja, einigen wir usn darauf, dass Wiedeking als Angestellter für die vielen Unternehmer (=Aktionäre) absolut erfolgreich ist, im gegensatz zu seinem Vorgänger?

      Und daß er kluge Dinge sagt in dem Interview? ;)

      Dass Luxushersteller von Konjunkturproblemen eher schärfer betroffen sind, kann man an den Langzeit-Charts eigentlich gut ablesen.


      ------------------------------------------------------

      SPIEGEL ONLINE - 08. April 2005, 13:16
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,350301,00.html


      Hartz-Bilanz

      Clements Wunderwaffe bleibt stumpf


      Von Michael Kröger

      Im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit hat Rot-Grün nach den Vorschlägen von Peter Hartz bereits eine ganze Reihe arbeitsmarktpolitischer Instrumente ausprobiert. Die Bilanz ist durchwachsen. Reguläre Jobs konnten kaum geschaffen werden.



      Nürnberg - Schon mit der ersten Stufe der Hartz-Reformen - den Ausbau der Leiharbeit mittels so genannter Personal-Service-Agenturen (PSA) - hatte die Bundesregierung große Hoffnungen verbunden. Begleitet von großem PR-Getöse hatten die Arbeitsämter 2003 flächendeckend PSAs eingerichtet. Die Idee: Die PSA sollten schwer vermittelbare Arbeitslose bei sich einstellen und diese dann zeitlich befristet an Unternehmen verleihen.

      Das Ganze war natürlich nur für den Übergang gedacht. Wenn die Arbeitgeber ihre Leiharbeiter erstmal in Aktion sähen, würden sie viele von ihnen schon einstellen, so die Hoffnung. Bezahlen sollten den Übergang zunächst die Arbeitsämter - in Form von Zuschüssen für jeden Arbeitslosen, den die PSA beschäftigen.

      Ursprünglich sollten auf diese Weise jährlich 350.000 sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen werden. Zwei Jahre später lässt sich der Misserfolg jedoch kaum noch wegdiskutieren. Ende März 2005 waren laut Bundesagentur für Arbeit nur knapp 28.000 Menschen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse vermittelt worden.

      Angesichts der ernüchternden Zahlen versucht sich die Bundesagentur inzwischen in Schadensbegrenzung. Die Zahl der Agenturen wurde zurückgeschraubt, die Kostenpauschale pro Arbeitslosem soll ab Sommer 2005 von 1100 auf 500 Euro gekürzt werden. Dafür wird die Vermittlungsprämie auf mindestens 3000 Euro erhöht.

      Job-Floater führt zu Mitnahmeeffekten

      Als Flop gilt auch der Job-Floater. Die Ende 2002 eingeführte Maßnahme wurde bereits nach einem Jahr wieder eingestellt. Klein- und Mittelbetriebe, die einen Arbeitslosen einstellten, konnten dafür einen zinsgünstigen Kredit von bis zu 100.000 Euro beantragen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement wollte durch diese Maßnahme allein im Jahr 2003 50.000 neue Stellen schaffen, entstanden waren allerdings nur 11.000. Experten befürchten aber auch hier Mitnahmeeffekte, da einige der betroffenen Firmen auch ohne die Förderung investiert hätten.

      Einen regelrechten Boom bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen brachte anschließend die Neuregelung der Minijobs mit Hartz II. Von Dezember 2003 bis Dezember 2004 hat sich die Zahl geringfügig entlohnter Beschäftigter nach Angaben der Bundesknappschaft um fast 700.000 oder 11,3 Prozent erhöht, zum Ende des Jahres 2004 lag die Zahl der Mini-Jobs in Deutschland bei knapp sieben Millionen.

      Eine genauere Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung lieferte im Februar allerdings eine ernüchternde Bilanz: Die Mini-Jobs hätten zu "keiner nennenswerten Reduzierung der Arbeitslosigkeit" geführt, heißt es in der Studie. Demnach sind vor allem Schüler, Studenten und Hausfrauen geringfügig beschäftigt. Außerdem seien in manchen Branchen, insbesondere in der Gastronomie, Vollzeitstellen abgebaut und durch mehrere Minijobs ersetzt worden. Insgesamt, so die Berechnung der Berliner Forscher, entgehen den Sozialversicherungsträgern und dem Fiskus Einnahmen in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr.

      Lieber Ich-AG als Hartz-IV-Empfänger

      Das am stärksten genutzte Instrument der Hartz-Reformen ist die Ich AG. Der Existenzgründungszuschuss wurde als Bestandteil von Hartz II im Januar 2003 eingeführt. Die neuen Selbstständigen erhalten im ersten Jahr 600 Euro, im zweiten 360 Euro Zuschuss pro Monat. Spätestens nach dem dritten Jahr, in dem die Förderung auf 240 Euro sinkt, sollte sich das Unternehmen selbst tragen. Doch auch in diesem Punkt blieben die Zahlen hinter den Erwartungen zurück. Peter Hartz hielt ursprünglich eine halbe Million Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit für möglich, die Zahl der Ich-AGs lag Ende März bei 246.800, dazu kommen 97.500 Gründer, die das auf sechs Monate befristete Überbrückungsgeld in Anspruch nahmen.

      Vor Einführung von Hartz IV war die Zahl der Gründungen sprunghaft angestiegen. Kritiker befürchten, dass sich zahlreiche Arbeitslose, die sich durch Hartz IV schlechter gestellt hätten, in die scheinbare Selbstständigkeit geflüchtet haben. Die Bundesanstalt hat daraufhin die Prüfkriterien verschärft. Laut einer BA-Sprecherin steht dieses Instrument nach wie vor "unter Beobachtung".

      2005 oder 2006 könnte es zu einer erneuten Verschärfung der Kriterien kommen. Nach einer ersten Evaluierung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das zur Bundesagentur gehört, hat allerdings erst ein Fünftel der Gründer einer Ich AG wieder aufgegeben. Allerdings müsse abgewartet werden, wie viele Neugründungen nach dem Auslaufen der ersten Förderung Ende 2005 überleben.

      Ein-Euro-Jobs verdrängen die Regulären

      Auch die Ein-Euro-Jobs erwiesen sich nicht als Allheilmittel. Ursprünglich sollten die neuen, auf drei bis sechs Monate befristeten "Arbeitsgelegenheiten" eine Art Allzweckmittel gegen Langzeitarbeitslosigkeit werden. Zum einen sollten sie nach dem Willen der Bundesagentur zur Überprüfung und Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitslosengeld-II-Empfänger dienen, zum anderen "durch eine sinnvolle Tätigkeit zur sozialen Integration in die Gesellschaft beitragen". Außerdem sollten sie für Arbeitslose als Brücke in reguläre Jobs dienen.

      Schon bald wurden jedoch Fälle bekannt, in denen öffentliche Ämter das an sich sinnvolle Instrument offensichtlich missbrauchten. In Berliner Schulen zum Beispiel hatten Ein-Euro-Jobber statt gelernter Maler Flure, Klassenzimmer und Treppen gestrichen. Das Handwerk sah sich in seinen Warnungen bestätigt, dass die neuen Zusatzjobs reguläre Arbeitsplätze verdrängen könnten.

      Außerdem hinkt die Zahl der bereitgestellten Arbeitsplätze für die Letzte-Chance-Arbeitslosen weit hinter der geplanten Zahl hinterher. Statt der angekündigten 600.000 wurden bislang erst knapp 114.000 Stellen geschaffen.


      Außer Spesen nichts gewesen also? Soweit wollen selbst die Kritiker nicht gehen. Denn welches Talent die Hartz-Reformen wirklich besitzen, das räumen auch sie ein, lässt sich jedoch erst ermessen, wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt anzieht. Doch damit ist - nachdem der Frühjahrsaufschwung schon ad acta gelegt worden ist - allenfalls im Herbst zu rechnen.
      Avatar
      schrieb am 23.04.05 20:28:58
      Beitrag Nr. 391 ()
      Bund drohen Milliarden-Mehrausgaben

      Hartz IV kostet im ersten Quartal 5,9 Milliarden Euro, 23,6 Milliarden werden erwartet


      Weiter: http://www.taz.de/pt/2005/04/22/a0100.nf/text.ges,1

      Mit anderen Worten - Hartz IV wird teurer als die bisherige Regelung der Arbeitslosenhilfe. Zur Erinnerung mit Hartz IV sollten ca. 10 Milliarden € an Auszahlungen eingespart werden. Durch höheren Verwaltungsaufwand sollten reell ca. 6 Milliarden € den Staatshaushalt entlasten. Nun haben wir auf das Jahr gesehen einen Mehrbedarf an Finanzen von 23,6 Milliarden € (gesamt reell) - 14,6 Milliarden € (gesamt geplant) = 9 Milliarden. Damit ergibt sich ein finanzieller Mehraufwand von ca. 3 Milliarden.

      Der Staat läßt sich die Diskriminierung und Gängelung der arbeitslosen Menschen ganz schön was kosten. Ich nehme an, daß das die Verantwortlichen schon bei der Planung von Hartz IV gewußt haben. Sonst wären sie mit einer Fehleinschätzung von ca. 62 % Mehrbedarf fehl am Platze.

      Ich werde den Gedanken einfach nicht los, daß wir auf eine Krise ähnlich der vor ca. 75 Jahren zusteuern bzw. schon mitten drin sind. Die Ursachen sind zwar andere, doch haben sie eins gemeinsam - sie sind offenbar nicht mehr lösbar. Das wären folgende:

      1. Die Staatsverschuldung

      Trotz sogenannter "Sparmaßnamen" und dem Ausverkauf von Steuergeldern bezahlten Volkseigentums steigt die Neuverschuldung von Staat und Kommunen unaufhörlich. Dabei bewirkt der Ausverkauf eine Verschärfung der Probleme in sogar recht naher Zukunft.
      Zum einen kann man diese Dinge nur einmal verkaufen und zum anderen schaffen sie zusätzlich finanzielle Probleme z.B. die Pensionen ehemaliger Post- und Telekombeamter. Organisierter Betrug, wie z.B. mit den Aktien der T-Onlinesparte, funktionieren auch nicht beliebig oft.

      Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes, und der Länder betrug 2001 ca. 49,8 Milliarden, 2002 ca. 66,3 Milliarden € und 2003 ca. 75,6 Milliarden € [1]. Während die Einnahmen kaum steigen, erhöhen sich seit Jahren die Ausgaben kontinuierlich.
      Die Nettokreditaufnahme betrug laut [1] 2002 ca. 45,5 Milliarden, 2003 schon ca. 62,9 Milliarden. Dort heißt es fälschlich "Schuldenaufnahme abzüglich Schuldentilgung am Kreditmarkt", denn Schulden mit anderen, neuen Schulden zu zahlen heißt nicht Tilgung, sondern Umschuldung. Einen historischen Überblick der Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen sowie der Nettokreditaufnahme Deutschlands zeigt die Tabelle [2].
      Erstaunlicherweise findet man in dieser Tabelle keinen Hinweis auf die Höhe der Zinszahlungen für den Schuldenstand. In [3] heißt es dazu:

      ... "Nach dem Bericht wird die Gesamtverschuldung des Bundes von jetzt rund 1500 Milliarden Mark bis zum Jahr 2004 auf 1700 Milliarden Mark steigen. Für Zinsen, die schon jetzt mit mehr als 80 Milliarden Mark jährlich den zweitgrößten Etatposten ausmachen, müsse der Bund dann mehr als 95 Milliarden Mark aufbringen." ...

      Diese Nachricht stammt aus dem Jahre 2000 und ist - wie wir heute wissen - bei weitem übertroffen worden. Rechnet man mit dem o.g. Zinssatz von ca. 5,5%, ergibt sich beim aktuellen Schuldenstand von ca. 1,43 Billionen € [4] eine Summe von ca. 79 Milliarden € nur für die Zinszahlungen der angehäuften Schulden!

      Fazit:
      Trotz des "totalen Ausverkaufs" und diverser Sparmaßnamen, die man ganz gut am Straßenzustand sowie dem allgemeinen Verfall der Städte sehen kann, ist man offenbar noch nicht einmal auch nur ansatzweise in der Lage, eine Neuverschuldung zu verhindern geschweige denn das damit eine Schuldentilgung erreicht wird.
      Besonders beunruhigend ist in diesem Zusammenhang, daß stetige Ansteigen der Schulden im Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt. 2001 betrug es 59,4%, 2002 60,8% und 2003 bereits 64,2% [1].

      2. die Arbeitslosigkeit

      Es ist ein Irrglaube, daß die Arbeitslosigkeit mit voranschreitender Technologisierung der Arbeitswelt auf vernünftigem Wege dauerhaft gesenkt oder gar eine Vollbeschäftigung erreicht werden kann.
      Die Statistik zeigt das auch. 2002 waren in Deutschland 36,536 Millionen Personen erwerbstätig. 2003 sank diese Zahl auf 36,172 Millionen und 2004 auf 35,659 Millionen. Das heißt, die Zahl der Erwerbstätigen sank 2003 um ca. 997 und 2004 sogar um ca. 1405 Personen pro Kalendertag!!! [1]
      Dagegen stieg die Arbeitslosigkeit 2003 um 536 000 gegenüber 2002 und 366 000 Menschen gegenüber 2003. so jedenfalls die offiziellen Angaben [1]. In Wirklichkeit dürfte sie bereits bei über 8,6 Millionen liegen [5].
      Diese Menschen belasten die Sozialausgaben, egal ob offiziell oder inoffiziell.
      Jeder neue Arbeitslose, dessen Arbeitsplatz wegrationalisiert oder ins Ausland verlagert wird, trifft den Staat doppelt. Erbringt er doch heute einen Gewinn durch seine Steuern und Abgaben, benötigt er morgen durch den Verlust des Arbeitsplatzes Geld für seine Existenz.
      Die steigende Arbeitslosigkeit scheint für den Staat eine derart hohe Brisanz zu besitzen, daß er für die Schaffung eines vermeintlichen Arbeitsplatzes mit Fördergeldern nur so um sich wirft.
      Ich möchte das anhand meines Falls kurz schildern.
      Vor ein paar Monaten bekam ich meine Kündigung. Nicht deshalb, weil ich meine Arbeit nicht oder schlecht erledigte, sondern weil meine ehemalige Tätigkeit jetzt ein Kollege in Tschechien durchführt.
      Vor ca. 2 Wochen wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch in einem mittelständigen Elektronikunternehmen eingeladen. Unabhängig davon erhielt ich vom Arbeitsamt eine "Einladung" zu einer Personal-Service-Agentur. Daraufhin fuhr ich zur besagten Agentur, um mich zu entschuldigen, da ich diesen Termin auf Grund einer Trainingsmaßnahme in der Elektronikfirma nicht wahrnehmen kann. Daraufhin fragte der Herr in der PSA ganz interessiert, ob denn die neue Arbeitsstelle schon gefördert werde. Ich verneinte dies. Kurzer Hand erhielt ich einen Ausdruck einer Bereitschaftserklärung, auf dem für 9 Monate maximal 700 €/Monat von der PSA bereitgestellt werden können. Der Clou dabei: selbst wenn nach 9 Monaten keine Festeinstellung erfolgt, braucht diese Förderung nicht zurückgezahlt werden! Für diese Förderung werden in meinem Fall also 6 300 € an Fördergeldern bereitgestellt, ohne daß feststeht, ob ich nach dieser Maßnahme überhaupt eingestellt werde. Rechnet man für die PSA noch einmal 500 €/Monat Provision, ergibt sich eine Summe von insgesamt 10 800 € für diese 9 Monate. Ich muß dazu sagen, daß ich als Ostdeutscher keine 1 200 € Arbeitslosengeld monatlich erhalte.
      In meinem Fall werde ich, wenn ich mich nicht "zu blöd" anstelle, nach dieser Maßnahme wohl übernommen werden. Das läßt sich zum einen mit der Stellenanzeige und zum anderen mit meiner Tätigkeit (Entwicklung) begründen, da in einer Entwicklungsabteilung eines Mittelständlers die Tätigkeiten wesentlich umfangreicher und vielseitiger sind, als in einem Konzern. Entsprechend umfangreich ist demzufolge die Einarbeitung. Ein Mittelständler wird sich also ganz genau überlegen, ob er jemanden im Bereich F&E einstellt oder nicht.
      Anders sieht`s da im Bereich der Fertigung aus. Hier werden wohl die meisten arbeitslosen Menschen mit der fast gleichen Förderung vermittelt werden. Dort wird wohl der sogenannte "Klebeeffekt" wohl im einstelligen Prozentbereich bleiben. Das bedeutet. Nach 9 Monaten wieder arbeitslos. Außer Spesen nichts gewesen.

      Fazit:
      Der Staat kann Förderprogramme für arbeitslose Menschen starten, soviel er will. Auswirkung auf den Arbeitsmarkt hat das so gut nicht. Das zeigen auch die bisherigen Förderprogramme.
      Es mag sein, daß sich einige Einsparungen durch Hartz IV Zwangsarbeiter ergeben. Nimmt man die handwerklichen Tätigkeiten, läßt sich vielleicht eine Verbesserung öffentlicher Anlagen oder Gebäuden erreichen, da solche Arbeiten auf Grund fehlenden Gelds nicht mehr durchgeführt würden.
      "Ordnungspolitische Maßnahmen" wie das Säubern von Hundekot in Parkanlagen oder Beschäftigungstherapie in Form von "heute streichen wir die künstliche Wand schwarz und morgen grün" bringt außer zusätzliche Kosten eine Radikalisierung betroffener Menschen.


      Ronald

      [1] http://www.destatis.de/
      [2] http://www.destatis.de/basis/d/fist/fist09.php
      [3] http://www.ivb1.de/im/med/staatsschulden.htm
      [4] http://www.steuerzahler.de/
      [5] http://www.bwl-bote.de/20040711.htm
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 09:29:04
      Beitrag Nr. 392 ()
      Union warnt vor Missbrauch bei Hartz IV
      durch Zuzug von EU-Ausländern

      Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Dietrich Austermann (CDU), hat vor Missbrauch beim Arbeitslosengeld II (ALG II) gewarnt. Das neue Sozialhilferecht (SGB II) ermögliche Familienangehörigen von EU-Ausländern einen «großzügigeren Zuzug» in die so genannten Bedarfsgemeinschaften nach dem ALG II, sagte er der Netzeitung. Dadurch würden die «Bedarfsgemeinschaften von Ausländern» immer größer. Es finde ein «Zuzug in die Sozialhilfe» statt, beklagte Austermann.

      Der CDU-Haushälter bezifferte die Risiken für das ALG II auf «mindestens» sieben milliarden Euro. Es verwundere ihn, dass «immer mehr immer weniger bekommen und trotzdem das Ganze für die öffentliche Hand teurer» werde.

      Hier der kpl. Artikel

      http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/335445.html

      (Fast) jedem politisch interessierten WO usern war das klar, ausser unseren Politikern.
      Denen wären Weiterbildungsmassnahmen bei WO zu empfehlen, fördert sicher das Arbeitsamt.
      Eigenartig, die Union ebenso die Gewerkschaft waren an dem Vertragswerk von Hartz VI beteiligt.
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 11:50:13
      Beitrag Nr. 393 ()
      Vor diesem Hintergrund hätte die CDU HartzIV nicht zustimmen dürfen.

      Da Deutschland die höchste AL-Zahl der EU hat, ist es für mich schwer vorstellbar, dass Briten, Franzosen, Holländer, Österreicher, Belgier, Italiener, Spanier, Portugiesen, Griechen..... nach Deutschland kommen um hier vom Sozialgeld zu leben. Und die, die bereits hier sind, hier gearbeitet haben und arbeitslos wurden, haben einen Anspruch auf diese Sozialleistung. Dass sie ihre Kinder in das "Land der Arbeitslosen- und Sozialhilfe-Träume" nachholen ist verständlich :D
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 12:03:19
      Beitrag Nr. 394 ()
      Typisch StellaLuna - die Luftnummer schlechthin!
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 12:18:23
      Beitrag Nr. 395 ()
      OhneGewaehr
      die Opposition hat HartzIV zugestimmt und Sozialgeld ist Bestandteil von HartzIV.

      Schade, dass Du auf diesen Populismus reinfällst!
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 12:29:02
      Beitrag Nr. 396 ()
      In dem von mir zitierten Artikel sind sicher nicht "Briten, Franzosen, Holländer, Österreicher,Belgier, Italiener, Spanier, Portugiesen, Griechen" gemeint.

      Zudem habe ich in #392 auf die Mitverantwortung der Union hingewiesen.
      Ich bin auf keinen Pop(o)ulismus hereingefallen.
      Verstehst du eigentlich was du liest, oder postet du nur wild darauf los ohne zu lesen u. dir das nachdenken zu ersparen?

      Einmal in der Bildzeitung gelesen und sich dann
      eine Meinung "gebildet"

      Schade, dass DU nichts kapiertst!
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 13:31:21
      Beitrag Nr. 397 ()
      OhneGewaehrDas neue Sozialhilferecht (SGB II) ermögliche Familienangehörigen von EU-Ausländern einen «großzügigeren Zuzug» in die so genannten Bedarfsgemeinschaften nach dem ALG II, - welche EU-Länder hast Du bzw. Austermann gemeint? Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei? M. W. gilt für diese Staaten noch nicht die Familienzusammenführung!
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 13:56:42
      Beitrag Nr. 398 ()
      Warum HartzIV für Ausländer gilt, ist mir sowieso unbegreiflich.
      Wenn > 12 Monate arbeitslos, sollte man sie in ihre Heimatländer abschieben. Machen ja andere Länder auch so.
      Das Recht auf 12 monatigen Bezug von ALGI bleibt selbstveständlich bestehen.
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 13:56:58
      Beitrag Nr. 399 ()
      Ohne Gewaehr, eine bescheidene Frage?
      Wer hat denn die Hartz IV Reformen beschlossen?
      Ich habe es sicherlich verwechselt und dachte der Demagoge Austermann war dabei!!!!!:laugh::laugh::laugh:

      Ich kann mich aber auch erinnert , das CDU-Ministerpräsidenten dem Hartz IV zugestimmt haben und später gegen ihre Beschlüsse demonstrieren wollten!

      Aber schnell dieses alles vergessen, sonst stimmt dein Bild - Weltbild nicht mehr!!!:laugh::laugh::laugh:
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 14:01:44
      Beitrag Nr. 400 ()
      Birk35
      es geht in dieser Diskussion um EU-Ausländer und diese haben in etwa die gleichen Ansprüche wie die Deutschen.
      Avatar
      schrieb am 24.04.05 14:17:00
      Beitrag Nr. 401 ()
      @Schachy

      da du genau so blind bist wie StellaLuna hier nochmals ein Auszug aus meinem Beitrag #392

      Eigenartig, die Union ebenso die Gewerkschaft waren an dem Vertragswerk von Hartz VI beteiligt

      Du verstehst den Text?
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 08:47:24
      Beitrag Nr. 402 ()
      :laugh:

      http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/336314.html

      FDP: Bundesagentur muss mit Mehrkosten
      von einer viertel Milliarde Euro rechnen
      29. Apr 08:24

      Ein Urteil des Sozialgerichts Saarland könnte weitreichende Konsequenzen für die Bundesagentur für Arbeit haben. Die Bedarfsgemeinschaft ist für die Praxis tot, sagte FDP-Haushaltsexperte Fricke der Netzeitung.


      Von Markus Scheffler

      Die Bundesagentur für Arbeit (BA) muss womöglich mit erheblichen Mehrausgaben für das Arbeitslosengeld II (ALG II) rechnen. «Die BA wird zusätzliche Kosten in Millionenhöhe tragen müssen», sagte FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke der Netzeitung. «Die Einspareffekte, die man sich durch die Bedarfsgemeinschaften erhofft hatte, werden zu einem großen Teil nicht realisiert werden». Der FDP-Politiker geht davon aus, dass auf die BA bei einer vorsichtigen Schätzung Mehrkosten von einer viertel Milliarde Euro zukommen könnten.

      Hintergrund ist ein Urteil des Sozialgerichts Saarland. Das Saarbrückener Gericht hatte Anfang der Woche entschieden, dass die BA die Beweislast tragen muss, dass ein Langzeitarbeitsloser in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Ist der Lebensgefährte außerdem nicht bereit, für die Lebenshaltungskosten des Partners aufzukommen, sei dies ein ausreichendes Indiz dafür, dass es sich um keine Bedarfsgemeinschaft handelt, urteilten die Richter. (AZ: S 21 AS 3/05)

      Mehrkosten von einer Viertelmilliarde Euro


      # Die Netzeitung beantwortet Fragen zu Hartz IV
      13. Aug 2004 10:30, ergänzt 01. Okt 2004 17:04
      «Damit ist die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zwar nicht hinfällig, denn sie ist juristisch korrekt. Aber in der Praxis ist sie tot, denn die BA wird kaum nachweisen können, dass ein Arbeitsloser in einer solchen Gemeinschaft lebt», betonte Fricke. Die BA werde den erhöhten Beweisanforderungen, die das Urteil bedeutet, nämlich nicht nachkommen können.

      Der Lebensgefährte eines Arbeitslosen könne immer argumentieren, dass er die finanzielle Belastung für Miete und Lebenshaltung nicht tragen wolle. «Damit wäre die BA zwar nicht widerlegt, aber das Gegenteil kann sie auch nicht beweisen.» Die BA müsste dazu beispielsweise belegen, dass zwei Menschen gemeinsam ihren Urlaub verbringen oder bei gesellschaftlichen Anlässen gemeinsam auftreten, um die Behauptung einer Bedarfsgemeinschaft aufrecht erhalten zu können, ist Fricke überzeugt. «Dafür hat die BA aber nicht die personellen Kapazitäten, und Privatdetektive kann sie aus finanziellen Gründen nicht einsetzen.»

      Der BA könnte das Urteil damit einen Strich durch die Rechnung machen, denn in Bedarfsgemeinschaften wird das Einkommen und Vermögen des Partners mit dem gemeinsamen Bedarf verrechnet – mit dem Ergebnis, dass der Arbeitlose kein ALG II bekommt. Genau diesen Effekt wollte sich die BA zunutze machen.

      BA muss in Berufung gehen

      «Als die Arbeitsmarktreformen in der parlamentarischen Diskussion waren, ist der Schätzerkreis davon ausgegangen, dass etwa 100.000 bis 200.000 Anträge auf ALG II wegen der Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Partners abgelehnt werden können», sagte Fricke. «Ich rate der BA dringend, in Berufung zu gehen.»

      Die betroffenen Arbeitslosen und die Bundesregierung hätten ein Recht zu erfahren, was finanziell auf sie zukommt, mahnt der Haushaltsexperte. Das Urteil sei zwar wegweisend, weil es das Ergebnis eines Hauptverfahrens ist und keine einstweilige Anordnung, die die Behörde nur zur vorläufigen Zahlung von ALG II verpflichtet. «Ein anderes Sozialgericht könnte aber zu einem anderem Ergebnis kommen». Es sei deshalb durchaus noch offen, wie in letzter Instanz das Bundessozialgericht entscheidet.



      eigener Komm.: Richtig so, es existiert keine rechtliche Verpflichtung, einem nicht verheirateten Lebensabschnittsgefährten Unterhalt zu zahlen. Wer das Gegenteil behauptet lügt. :D
      Avatar
      schrieb am 29.04.05 18:21:32
      Beitrag Nr. 403 ()
      Gute Sache.
      Ich kann ja meine Freundin auch nicht kostenlos über meine Krankenkasse mitversichern.
      Avatar
      schrieb am 01.06.05 13:20:57
      Beitrag Nr. 404 ()
      Avatar
      schrieb am 01.06.05 13:35:50
      Beitrag Nr. 405 ()
      Avatar
      schrieb am 01.06.05 13:40:51
      Beitrag Nr. 406 ()
      Kolumne: Jahr fünf der Depression
      von Wolfgang Münchau


      Kolumne: Jahr fünf der Depression
      von Wolfgang Münchau
      Deutschlands Wirtschaftskrise ist die Konsequenz einer falschen Reformstrategie.
      Der Aufschwung kommt nicht. Im Gegenteil, er ist schon vorüber. Wenn Sie im letzten Jahr länger verreist waren, dann haben Sie ihn verpasst. Er kam schnell, hinterließ keine Spuren und verschwand, als sich das rasante Wachstum der Weltwirtschaft abkühlte. Was sich jetzt in den Statistiken und Klimaindizes abzeichnet, ist eine Rückkehr zur deprimierenden Normalität. Dieses Jahr wartet auf Deutschland ein reales Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent.

      Ich will keine schlechte Laune verbreiten. Aber vergessen Sie die Prognosen vom Aufschwung im zweiten Halbjahr. Prognosen und Indikatoren sind darauf ausgerichtet, nach einem Abschwung einen Aufschwung vorherzusagen. Konjunkturforscher sind Sinuskurven-Fetischisten. Fragen Sie sich stattdessen: Was könnte den Aufschwung verursachen?

      Das durchschnittliche Wachstum der Weltwirtschaft betrug 2003 vier Prozent und fünf Prozent im letzten Jahr - eine der höchsten Wachstumsraten seit Jahrzehnten. Seitdem hat sich das Wachstum deutlich verlangsamt. Deutschland und das Euro-Gebiet insgesamt haben an diesem Wachstum partizipiert, aber nur begrenzt. Zyklisch bewegen wir uns synchron mit dem Rest der Welt - lediglich auf einem niedrigeren Niveau. Letztes Jahr hatte Deutschland eine Wachstumsrate von 1,7 Prozent oder 1,2 Prozent, wenn man den Effekt der Feiertage herausrechnet.


      Ökonomischer Hokuspokus

      Darüber hinaus wird es keine Impulse von der Geldpolitik geben. Im Gegenteil, die EZB denkt schon laut über die nächste Zinserhöhung nach. Im besten Fall kommt sie ein wenig später, gegen Ende des Jahres. Die Fiskalpolitik bleibt moderat expansiv. Der neue Stabilitätspakt ist zwar flexibler, aber erlaubt trotzdem keine grundlegende Änderung der Haushaltspolitik. Die versprochenen Steuersenkungen für Unternehmen werden zwar bejubelt, sind aber ökonomischer Hokuspokus. Die Hartz-Reformen werden langfristig einen positiven Effekt auf Wachstum und Arbeitslosigkeit haben, wahrscheinlich aber nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre.

      Man könnte jetzt argumentieren, dass die Kürzungen der Reallöhne und die daraus resultierende reale Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exporte verbessern. Problematisch ist nur ein katastrophaler Effekt auf die langfristigen Einkommenserwartungen. In der Ökonomie wird postuliert, dass der private Verbrauch sich nach dem erwarteten Lebenseinkommen richtet, das sich wiederum aus den Erwartungen zukünftiger Löhne und der Renten ableitet. In Deutschland ist durch die schlechte Konjunktur die Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit für den Durchschnittsarbeitnehmer gestiegen, durch die Hartz-IV-Reformen wird die Arbeitslosigkeit gleichzeitig weniger lukrativ.

      Hinzu kommt, dass die Reallöhne fallen. Wie die Verhandlungen bei General Motors gezeigt haben, herrscht in Deutschland sogar ein ausgesprochen hohes Maß an nominaler Lohnflexibilität. Im letzten Jahr sind die Nominallöhne bundesweit überhaupt nicht gewachsen. Kein Wunder also, dass sich die Deutschen beim Konsum zurückhalten. Das Sparen ist eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und den erwarteten Rückgang der Lebenseinkünfte.

      Ich glaube, dass diese Erwartungshaltungen unterschätzt werden. Solange die Deutschen von sinkenden Lebenseinkünften ausgehen, wird es kaum einen nennenswerten Aufschwung geben. Daher muss man sich zunächst fragen: Was verursacht die pessimistischen Erwartungshaltungen? Es die Art und Weise, wie in Deutschland reformiert wurde.


      Hartz IV kam zur falschen Zeit

      Die einzig wirkliche Strukturreform war Hartz IV. Sie kam allerdings zum falschen Zeitpunkt. Strukturreformen können das Potenzialwachstum einer Volkswirtschaft langfristig zwar erhöhen. Kurzfristig aber können sie Trends verstärken. Wer mitten in einer Rezession den Arbeitsmarkt reformiert, braucht sich nicht zu wundern, dass die Arbeitslosigkeit zunächst steigt und der private Verbrauch abnimmt. Bei Strukturreformen kommt es eben nicht nur darauf an, dass man sie durchführt, sondern wann und vor allem in welcher Reihenfolge. Deutschland wäre besser mit einer Liberalisierung im Dienstleistungssektor und in den Finanzmärkten gefahren.

      Makroökonomische Faktoren spielen sicherlich auch eine Rolle, erklären Deutschlands anhaltende Wachstumsschwäche aber nur teilweise - wie etwa die Kosten der Wiedervereinigung, ein viel zu hoher Wechselkurs der D-Mark beim Eintritt in den Euro, eine für Deutschland ungünstige Zinspolitik der EZB, der hohe Ölpreis und der jetzige Wechselkurs des Euro. Diese Faktoren können die Differenz im Potenzialwachstum zwischen den USA und Deutschland aber nicht erklären. Der Ölpreisanstieg wirkt dort stärker als bei uns, der Dollar war bis vor anderthalb Jahren eher über- als unterbewertet. Deutschland schwächelte selbst dann, als der Euro noch schwach war, die USA erzielten auch während dieser Phase ein hohes Produktivitätswachstum. Die makroökonomischen Faktoren erklären die Schwankungen, aber nicht den seit Mitte der 90er Jahre rückläufigen Trend.

      Die Frage, die die Wirtschaftspolitik in Deutschland beantworten muss, ist diejenige: Wie kann man in Zeiten der Globalisierung, der globalen Ungleichgewichte und abnehmenden Bevölkerungszahlen die langfristigen Einkommenserwartungen der Deutschen stabilisieren? Auch das verlangt Strukturreformen, allerdings andere als Hartz IV, unterstützt durch einen anderen makroökonomischen Policy-Mix. Es verlangt ein revolutionäres Umdenken in unserer Wirtschaftspolitik - schlimmer noch als alles, was SPD-Chef Franz Müntefering befürchtet.






      Die Kapitalismusdebatte, die Deutschland wirklich braucht.
      Der erste Teil dieser Kolumne über die Wachstumskrise der deutschen Wirtschaft endete mit der Frage: Wie kann man in Zeiten der Globalisierung die langfristigen Einkommenserwartungen der Deutschen stabilisieren? Einer der wichtigsten Gründe für die hohe Sparquote und geringe Investitionsraten ist die Erwartung, dass Einkommen und Wohlstand langfristig sinken.

      In der Zwischenzeit kam die überraschende Nachricht, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland im ersten Quartal mit einem Prozent überraschend stark ausgefallen ist. Es ist noch unklar, ob dies der Beginn eines zyklischen Aufschwungs ist oder lediglich eine Einquartalsfliege. Das gute Ergebnis basierte - wie sollte es auch anders sein - auf dem Export. Die Binnennachfrage blieb flach.

      Hieraus ergibt sich die Kapitalismusdebatte, die Deutschland wirklich nötig hat: Ist unsere industrie- und exportlastige soziale Marktwirtschaft überhaupt noch in der Lage, die Lebenseinkommen langfristig zu stabilisieren? Kann und soll sich Deutschland auch in Zukunft auf den Export als Konjunkturmotor verlassen - oder sich eine neue Strategie für das neue Jahrhundert überlegen?


      Deutsches Poldermodell

      Deutschland verfolgt momentan eine Wirtschaftsstrategie ähnlich der der Holländer in den 80er und 90er Jahren. Das so genannte Poldermodell bestand aus einer quasi festen Wechselkursanbindung des Gulden an die D-Mark, verbunden mit Lohnabschlüssen unterhalb des deutschen Niveaus. Damit erzielten die Niederländer eine durchschnittlich geringere Inflationsrate. Somit gelang ihnen, was die Ökonomie als reale Abwertung bezeichnet. Obwohl der nominale Wechselkurs mit der D-Mark stabil war, werteten die Niederländer real ab, das heißt, sie verbesserten ihre außenwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit - und damit langfristig ihr Wachstum.

      Seit Eintritt in die Währungsunion verfolgt Deutschland dieselbe Strategie. Seit Jahren liegen die Lohnabschlüsse weit unter europäischem Durchschnitt. Die realen Einkommen fallen, die nominalen Einkommen stagnieren. Deutschland ist schon längst nicht mehr Spitzenreiter bei den Arbeitskosten.

      Aber die deutsche Ausgangsposition ist eine ganz andere als die der Niederländer vor 20 Jahren. Daher ist die Strategie auch nur sehr begrenzt geeignet, das deutsche Problem der sinkenden Lebenseinkommen zu lösen.

      Zum Ersten funktioniert eine Strategie der realen Abwertung langfristig nur mit Kooperation der Gewerkschaften. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Die Lohnzurückhaltung war nicht Folge einer expliziten Einigung zwischen Regierung und Sozialpartnern, sondern eine Konsequenz der steigenden Arbeitslosigkeit. Wenn sich der Trend am Arbeitsmarkt dreht, endet auch die Lohnzurückhaltung, wie der Abschluss im Stahlsektor zeigt.

      Zweitens wird der Effekt konterkariert durch die nominale Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar. Die Abwertung vollzieht sich lediglich relativ zu den anderen Ländern im Euro-Raum. Das ist nicht zu vernachlässigen, aber der Effekt hält sich in Grenzen.

      Der dritte und gravierendste Einwand ist das veränderte Umfeld. Die EU-Osterweiterung hat Länder in den Binnenmarkt gebracht, deren Lohnniveau oft nur etwas mehr als ein Zehntel des deutschen beträgt. Egal wie stark die Einbußen sind, wird das deutsche Lohnniveau mindestens eine Generation lang weit über dem in Osteuropa liegen.

      In Holland führte die reale Abwertung nicht nur zu einer Verbesserung der Exporte. Viel wichtiger war die Wirkung auf die privaten Investitionen. Genau das läuft in Deutschland anders. Zwar profitieren auch hier die Exporteure - daher die guten Quartalszahlen -, aber die Investitionszurückhaltung ist erschreckend. Wenn Deutschland wirklich am Anfang eines Konjunkturzyklus steht, wie erklären sich dann die zum Teil sinkenden Investitionen? Die Osterweiterung ist nicht in erster Linie ein Standortproblem. Wirklich alarmierend ist, dass Neuinvestitionen, die eigentlich nach Deutschland fließen müssten, nach Osteuropa gehen. Selbst in Sektoren, in denen es weniger auf Arbeitskosten ankommt als auf die Qualität der Ausbildung und die Verfügbarkeit qualifizierter Kräfte, wie etwa im IT-Sektor, wird nicht mehr in Deutschland investiert. Chinesen und Inder sind nicht nur billiger, sie sind oft besser ausgebildet.


      Exportanteil zu klein

      Ein viertes Problem liegt darin, dass eine Wettbewerbsstrategie zwar für eine kleine offene Volkswirtschaft wie Holland funktionieren mag. Für eine große Volkswirtschaft wie Deutschland nach der Wiedervereinigung ist sie nicht mehr sinnvoll. Der Exportanteil ist dazu schlicht zu klein. Ohne florierenden Binnenmarkt wird Deutschland nicht mehr zu normalen Wachstumsraten zurückfinden.

      Die Antwort kann nur sein, die Abhängigkeit vom Export zu verringern und die Resourcen in die Binnenökonomie umzuleiten. Damit wäre man gegen einen weiteren Verfall des Dollar gut abgesichert. Das bedarf eines effizienten Dienstleistungs- und Finanzsektors, flexiblerer Ausbildungssysteme und moderner Sozial- und Arbeitsmarktsysteme. Das größte Manko des deutsches Arbeitsrechts ist nicht der hohe Grad der Regulierung. Es ist die Tatsache, dass Arbeitsrecht und Sozialsystem auf eine Industriegesellschaft zugeschnitten sind, auf den Arbeiter in einem Großbetrieb.

      Selbst in Deutschland beträgt der Anteil der Industrie nur 20 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, Tendenz abnehmend. Anfang der 70er Jahre lag dieser Wert noch bei 40 Prozent. Auch wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder es nicht glauben mag: Deutschland ist längst eine Dienstleistungsgesellschaft geworden. Die richtige Kapitalismusdebatte ist diejenige, die sich mit der Frage beschäftigt: Was für einen Kapitalismus braucht eine solche Dienstleistungsgesellschaft?

      Wolfgang Münchau ist Kolumnist der FT und FTD.
      Avatar
      schrieb am 01.06.05 14:24:29
      Beitrag Nr. 407 ()
      Gestern wurde im Fernsehen ein "Hartz IV-Kochbuch" vorgestellt mit "gesunden" Mahlzeiten für vier Personen für 5 Euro insgesamt.
      Voraussetzung war, dass die Leute sich den Großteil der Zutaten selber pflücken und abgelaufene Lebenmittel verwenden.
      Zynischer geht es nicht mehr! Während Klaus Wowereit Champagner im Gegenwert der Monatsmahlzeiten eines Hartz IV-Empfängers aus einem Damenschuh säuft, schickt man Kinder auf die Wiese, Eßbares zu sammeln!
      Avatar
      schrieb am 01.06.05 23:15:36
      Beitrag Nr. 408 ()
      @ viva2

      Auch der regierende PArtylöwe von berlin wird Schröder in die Versenkung folgen, keine Sorge... :D



      ----------------------------------------------------
      Aus der morgigen taz:


      " ( ... ) Kurzum: Nichts spricht dafür, dass Rot-Grün ein Auslaufmodell ist, aber viel dafür, dass diese Regierung wegen grober handwerklicher Fehler abgewählt wird. Rot-Grün hat in der zentralen Frage - Arbeitsmarkt und Sozialstaat - versagt. Das Konzept " Steuererleichterung für Reiche und Unternehmen plus Sozialstaatsreformen" ist doppelt gescheitert. Die Steuergeschenke haben nicht mehr Jobs gebracht, und die Experimente waren von Hartz IV bis zu den 1-Euro-Jobs allesamt Flops. Wegen dieses Fiaskos, das wie Hartz IV nicht nur eine soziale Unwucht hat, sondern auch noch bürokratisch und teuer ist, wird Schröder nun zu Recht abgewählt.

      Gescheitert ist zudem ein Regierungsstil, der viel Wert auf Symbolpolitik, wenig Wert auf klassisches Regieren und gar keinen auf die Stimmung im eigenen Lager legte. Die Themen Sozialstaat und Arbeitsmarkt wurden outgesourct und in die Hände von Technokratenkommissionen gelegt. Deren Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit wie Gottesurteile kundgetan - und danach von den üblichen Lobbyisten auf halbwegs sozialkompatibles Maß gestutzt. So hat Rot-Grün " Oben geben, unten nehmen" zur alternativlosen Devise erklärt und Sozial- und Wirtschaftspolitik zum technokratisch Notwendigen umdefiniert und entpolitisiert.


      Dieser defensive, zaghafte politische Stil, der Entscheidungen delegierte, stand in schrillem Gegensatz zu Schröders Machtinszenierungen als Entschlossenheitsdarsteller. Das Publikum machte diese Mixtur immer ratloser. Was soll man auch von einer Partei halten, die rhetorisch gegen " Heuschrecken" agitiert und realpolitisch Hedgefonds steuerlich begünstigt?



      Für Rot-Grün wäre aus dem Desaster zu lernen, dass man unvermeidliche Zumutungen für die eigene Klientel nicht als Trial-and-Error-Spiel inszenieren kann. Man muss schon erklären, wie oben und unten belastet werden, was den Unternehmen, was den Sozialstaatsalimentierten abverlangt wird.


      So wird die SPD das Nötige wieder mit Politik, mit Gerechtigkeitsideen verbinden müssen. Wenn sie mutig ist, wird sie in der wohl verdienten Opposition einen Systemwechsel nach skandinavischem Modell ins Auge fassen. Mit steuerfinanzierten Sozialsystemen fahren Gesellschaften offenbar besser als mit der schwergängigen Kopplung der Sozialsysteme an die Arbeit. Dieses bundesrepublikanische Modell war für die Ära der Vollbeschäftigung konstruiert, die nicht mehr wiederkehren wird. In hoch produktiven Ökonomien, die immer neue Rationalisierungsschübe hervorbringen, ist es widersinnig, die Sozialsysteme an Arbeit zu ketten. Auch mit Blick auf die demografisch bedingte Verschärfung der Lage in der Rentenkasse spricht einiges dafür, die fatalen Rückkopplungen von Arbeitslosigkeit und überforderten Sozialsystemen zu unterbrechen."


      taz Nr. 7679 vom 2.6.2005, Seite 11, 242 Zeilen (Kommentar), STEFAN REINECKE
      Avatar
      schrieb am 02.06.05 14:15:38
      Beitrag Nr. 409 ()
      Hoffentlich! :mad:
      Avatar
      schrieb am 03.06.05 10:56:24
      Beitrag Nr. 410 ()
      HartzIV`ler, nun kauft doch endlich teuer ein!


      Verbraucher sollen nicht so geizig sein

      Gerald Thalheim, Parlamentarischer Staatssekretär bei Verbraucherschutzministerin Renate Künast, sorgt sich um die Folgen der " Geiz-ist-geil-Mentalität" für Landwirte und Einzelhändler. Er rief die Verbraucher dazu auf, nicht jedem Billigangebot hinterher zu laufen und bewusster einkaufen.

      Chemnitz - " Von den großen Lebensmittelketten geht ein dramatischer Wettbewerbsdruck aus, den sie auf dem Rücken der Landwirte und den Beschäftigten in der Lebensmittelindustrie austragen" , sagte Thalheim der " Chemnitzer Freien Presse" . Durch Lockvogelangebote, die unter dem Einkaufspreis lägen, würden immer mehr Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben, erklärte der SPD-Politiker.

      Auch die Qualität der landwirtschaftlichen Produkte leide unter den Niedrigstpreisangeboten. " Die Versuche, mit unsauberen Produktionsmethoden die Kosten zu drücken, nehmen zu" , betonte Thalheim. Das Verbraucherschutzministerium geht nach den Worten des Staatssekretärs Hinweisen nach, wonach Geflügelfleisch manipuliert worden ist, um mehr Gewicht zu erzielen. Dieser Praxis sollten die Kunden nicht noch Vorschub leisten und künftig qualitätsbewusster einkaufen. Auch die Anstellung von billigen Arbeitskräften aus den neuen EU-Ländern in den Schlachthöfen gehöre zu den " Folgen des Griffs nach dem Sonderangebot" .

      © SPIEGEL ONLINE 2005
      Avatar
      schrieb am 03.06.05 11:06:58
      Beitrag Nr. 411 ()
      Natürlich drohen durch die Abwärtsspiralen die Pleiten, aber das wollen doch alle Regierungsparteien so.

      Gehälter drücken und Steuern rauf, dann werden die Leute kaufen wie verrückt. Dazu noch ein paar Preiserhöhungen um die Umsätze und Gewinne zu halten. Und möglichst viele Dumpingjobs. Das ist das deutsche Rezept!:D
      Avatar
      schrieb am 08.06.05 23:14:12
      Beitrag Nr. 412 ()
      Hartz-IV-Kontrollen
      "Clement sucht Sündenböcke"




      | 08.06.05 |focus.de
      Wirtschaftsminister Clements Forderung nach schärferen Hartz-IV-Kontrollen stößt bei den Grünen auf heftige Kritik.


      Wolfgang Clement (SPD) wolle nur von der eigenen Unfähigkeit bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreform „Hartz IV“ ablenken, sagte der Ost-Sprecher der Grünen im Bundestag, Peter Hettlich, der Chemnitzer „Freien Presse“ am Mittwoch.

      Clements Vorwürfe, Arbeitslosengeld-II-Empfänger missbrauchten Sozialleistungen, seien keinesfalls belegt, so Hettlich weiter. Offenbar sei Clement auf der Suche nach Sündenböcken, weil der erwartete Erfolg bei der Arbeitsvermittlung ausbleibe. Die Erwerbslosen zu diskreditieren sei eine „sehr billige Methode“. Clement hätte sich besser vor Ort in den Jobcentern informieren sollen. Dort hätte er erfahren, dass die Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Arbeitsagenturen zur Betreuung Langzeitarbeitsloser immer noch mit sich selbst beschäftigt seien, statt für mehr Beschäftigung zu sorgen.


      „Kein Erdrutsch“ erwartet

      Städtetags-Präsident Christian Ude sagte, nach den von Clement verlangten Prüfungen werde es „keinen Erdrutsch in der Statistik und bei den Ausgaben des Bundes“ geben. Zwar könnten bei der Kontrolle einzelne Fehlentscheidungen aufgedeckt werden. Doch hätten die Kommunen nichts zu fürchten, zumal die Entscheidung über die Arbeitsfähigkeit der Langzeitarbeitslosen vielfach zusammen mit den Vertretern der Arbeitsagenturen gefällt worden seien.

      Nur wenige falsche Einstufungen

      „Drogenabhängige oder Behinderte können häufig die geforderten drei Stunden täglich arbeiten und sind dann zu Recht Empfänger von Arbeitslosengeld II", betonte Ude. Bei mehreren Millionen Leistungsempfängern werde es sich um wenige falsche Einstufungen handeln. Die Kommunen hätten von Anfang an wegen der genauen Kenntnis der Sozialhilfeempfänger darauf hingewiesen, dass rund 90 Prozent von ihnen Arbeitslosengeld II erhalten würden. Das habe sich bestätigt. Im Übrigen müssten die Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Arbeitsagenturen, die bisher mit Verwaltungsaufgaben überlastet gewesen seien, sich jetzt vorrangig damit beschäftigen, die Vermittlung zu forcieren.

      Benneter propagiert Kontrollen

      SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter unterstütze dagegen verstärkte Kontrollen von Arbeitslosengeld-II-Bewerbern und -Empfängern. „Wenn die Zahl der Anträge steigt, muss man dem nachgehen. Sozialmissbrauch dürfen wir nicht zulassen", sagte er.

      Länger Geld für Arbeitslose ab 55

      SPD-Fraktionsvize Michael Müller sagte, er rechne noch vor der Bundestagswahl mit Änderungen bei der Arbeitsmarktpolitik. Er erwarte dazu einen Beschluss in der Bundestagsfraktion. Er unterstütze etwa Forderungen aus der Fraktion, dass Arbeitslose ab 55 Jahren länger Arbeitslosengeld erhalten als bislang vereinbart, sagte Müller, der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD ist. Die Kürzung der Bezugsdauer von maximal 32 auf 18 Monate ist Teil der Agenda 2010. Die Regelung sollte im Februar 2006 in Kraft treten. Nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ vom Mittwoch will die Fraktion die Übergangsregelung nun bis Ende 2007 verlängern.
      Avatar
      schrieb am 09.06.05 14:37:43
      Beitrag Nr. 413 ()
      Man koennte also Hartz IV folgendermassen zusamenfassen:

      Senkung der Arbeitslosigkeit : VERSAGT

      Effekt auf den Staatshaushalt: KOSTEN EXPLODIERT

      "VERSCHLANKUNG" des Staates: EXPLOSION DER VERWALTUNG

      VERTRAUEN DER BUERGER: VERSPIELT

      UEBERWACHUNGSSTAAT: Schnueffeln bis ins Wohnzimmer anstatt Schaffen von Arbeitsplaetzen.

      Und zu schlechter Letzt:

      Raub des Staates bei denjenigen, die verzweifelt versucht haben, durch Sparen und ein Eigenheim so etwas wie eine Sicherheit fuer das Alter zu schaffen. Dagegen Belohnung derjenigen, die ihr Geld immer schoen verprasst haben.

      DAS nenne ich negative verstaerkung beim Thema: "mehr Selbstverantwortung"

      Der Staat ist zu einer Art Mafiosi geworden, der den Buerger - solange er nicht ueber die Faehigkeit besitzt, grenzuebergreifend Steuern legal zu hinterziehen wie Grossunternehmen - schroepft, egal was er macht.

      Im Grunde ist das mittlerweile wie "Schutzgebuehr" nehmen.
      Avatar
      schrieb am 09.06.05 14:40:17
      Beitrag Nr. 414 ()
      Was ich noch vergass:

      Die Politiker haben sich bis 2008 ja nur um LAECHERLICHE 22 MILLIARDEN EURO Verrechnet.....

      22.000.000.000 Euro !!!!! zusaetzlich fuer eine reform, die fuer jeden normal denkenden menschen eindeutig in die Hose geht.

      DANKE !!!!

      DANKE, HERR SCHROEDER!

      DANKE! HERR CLEMENT!!!
      Avatar
      schrieb am 09.06.05 14:44:09
      Beitrag Nr. 415 ()
      #413

      Senkung des Lohnniveaus: Gelungen.
      Avatar
      schrieb am 09.06.05 16:07:24
      Beitrag Nr. 416 ()
      #413

      Senkung des Lohnniveaus: Gelungen.


      stimmt, die Liste hat keinerlei Anspruch auf Vollstaendigkeit... die fehler duerften noch viel zahlreicher sein....

      Gruss
      D.T.
      Avatar
      schrieb am 16.06.05 14:54:16
      Beitrag Nr. 417 ()
      Die Wohnungseigentümer bzw. die Vermieter sind ja dann wohl die Gewinner von Hartz IV.



      Donnerstag, 16. Juni 2005
      Trennung fürs Amt
      Immer mehr Hartz-IV-Haushalte

      Die Hartz-IV-Reform lässt in der Bundeshauptstadt die Zahl der Haushalte steigen. Wie die "Berliner Zeitung" berichtet, trennen sich immer mehr Erwerbslose zum Schein und suchen sich eigene Wohnungen, damit das Einkommen des Lebensgefährten nicht auf ihr Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Die Zahl der Hartz-IV-Haushalte sei nach Berechnungen der Regionalagentur für Arbeit seit Januar von 22.5000 auf 29.2000 angestiegen, obwohl die Zahl der Erwerbslosen nahezu konstant geblieben sei.

      Nach der Hartz-IV-Reform beträgt das ALG II für Langzeitarbeitslose 345 Euro im Westen und 331 Euro im Osten Deutschlands. Außerdem werden den ALG-II-Empfängern die Kosten für Miete und Heizung erstattet.

      Seit Wochen gibt es Berichte, dass die im Bundeshaushalt für dieses Jahr veranschlagten 14,6 Milliarden Euro für das ALG II bei weitem nicht ausreichen werden.

      Adresse:
      http://www.n-tv.de/544658.html
      Avatar
      schrieb am 16.06.05 15:05:32
      Beitrag Nr. 418 ()
      die Zahl der Arbeitslosen bleibt zwar konstant, aber es erhöht sich die Anzahl der Hartz IVer. Ist doch normal, und der Trend verstärkt sich natürlich.

      Die Regelung mit den Lebensgemeinschaften ist natürlich ein Milliardengrab für die Steuerzahler.

      Allerdings zum Nutzen der Wohnungsbaugesellschaften und Immobesitzer. Damit eine weitere Umverteilung von unten nach oben.
      Avatar
      schrieb am 22.06.05 19:21:05
      Beitrag Nr. 419 ()
      Der eilige Kanzler
      Gerhard Schröder stellt ein Buch von Erhard Eppler vor, redet viel und sagt wenig. Denn Epplers Thesen treffen ins Herz des rot-grünen Debakels/b]

      VON STEFAN REINECKE
      Dies sei ein Termin, sagt Gerhard Schröder forsch, "zu dem man gerne geht". Er soll im ARD-Hauptstadtstudio ein Buch des Parteiintellektuellen Erhard Eppler vorstellen. b]Die Parteiintellektuellen sind in der SPD eine aussterbende Spezies: Egon Bahr und Erhard Eppler sind um die 80, Peter Glotz ist im Rentenalter und Nachwuchs nicht in Sicht.


      Schröder hat Eppler etwas zu verdanken, deshalb wohl diese Buchvorstellung. Eppler hat ein Kunststück zuwege gebracht. Er ist ein kluger Mann, er versteht es, alle Argumente abzuwägen - und trotzdem hat er Schröders Kurs, vom Kosovokrieg bis zur Agenda 2010, stets gestützt. Manchmal war Eppler der einzige Schröder-treue Sozialdemokrat, dem eine skeptische Öffentlichkeit überhaupt noch zuhören wollte. Obwohl Eppler dem Kanzler also gute Dienste geleistet hat, war gestern nichts davon zu merken, dass Schröder "gerne" hier war. Seltsam kühl wirkte er, so als würde er einen Pflichttermin hinter sich bringen. Und das war kein Zufall.

      Epplers "Auslaufmodell Staat?" (erschienen bei Suhrkamp) stellt die zentrale politische Frage: Was kann Politik angesichts des entfesselten globalen Kapitals eigentlich noch tun? Was kann ein Nationalstaat noch leisten, der vom internationalen Kapital erpresst wird?

      Eppler hat darauf eine paar bedenkenswerte Antworten. Etwa, dass Staaten - siehe 11. September - gebraucht werden, weil die moderne Infrastruktur so verletzlich für Terrorangriffe geworden ist. Dass die Demokratie kaputtgeht, wenn die Wähler den Politikern nicht mehr zutrauen, etwas am Selbstlauf des Marktes zu ändern. Dass, was der Nationalstaat nicht mehr kann, in der EU aufgehoben werden muss. Und dass die Frage, ob die EU mächtig genug ist, dem globalen Kapital Spielregeln abzupressen, vielleicht entscheidend für die Demokratie in Europa wird.


      Eppler redet kurz und sagt viel. Schröder redet lang und sagt wenig. Ein paar routinierte Angriffe auf die CDU, ein Seitenhieb auf Blair. Ein Bekenntnis zur politischen EU und eines zum Staat, der effektiv sein müsse, aber nicht übermächtig sein dürfe. Wer würde da widersprechen? So wurde es nichts mit dem Diskurs zwischen Macht und Intellekt. Warum?

      Es lag nicht, wie ein weit verbreitetes Vorurteil meint, daran, dass für Schröder intellektuelle Debatten immer Auswärtsspiele sind. Er kann, wenn er will - aber gestern wollte er nicht. Epplers Thesen sind einfach zu dicht an dem rot-grünen Desaster, an seinem Desaster. Was ist die Neuwahlinszenierung anderes als eine Kapitulation der Politik vor widrigen Umständen?

      So hat Eppler, ohne es zu ahnen, das Passepartout für die Selbstaufgabe von Rot-Grün entworfen. Er beschreibt den Teufelskreis, in dem sich Politik bewegt - zwischen den Ansprüchen der Bürger, den schwindenden Möglichkeiten, Steuern aufzutreiben, und dem wachsenden Misstrauen der Wähler. Er beschreibt eine Art strukturelle wie selbst erzeugte Überforderungen des Staates und der Politik in den Zeiten der Globalisierung. Vielleicht ist dies, neben den bekannten handwerklichen Fehlern, der wesentliche Schlüssel, um den rot-grünen Suizid zu verstehen. So lange Rot-Grün für die Frage, woran es gescheitert ist, nur ein Achselzucken übrig hat, so lange wird es nicht mehr als ein Auslaufmodell sein.

      All das schwang irgendwie, um es so präzise wie möglich zu sagen, gestern im ARD-Hauptstadtstudio mit, aber es kam nicht zur Sprache. So redete Schröder viel - und schwieg noch mehr. Kein Wimpernschlag verriet, dass hier sein Debakel beredet wurde und dass Eppler versucht, die furchtbare Leere, die Schröders Politik in den Köpfen der Sozialdemokraten hinterlassen hat, wieder zu füllen.


      "Die Politiker", so Eppler, "sind nicht schuld an ihrer Machtlosigkeit. Aber sie reden nie davon, was sie tun können und was nicht." Weil sie sich dies nicht trauen, dreht sich die Spirale von Politikverdrossenheit und Überforderung immer weiter.

      Wen Eppler meinte, war klar - auch den Kanzler, der sich so gerne als Macher präsentiert. Aber der war schon längst wieder gegangen. Eilig, sehr eilig hatte Schröder sich mit einer knappen Geste der Entschuldigung verabschiedet. "Das Amt ruft, ich muss wieder regieren", sollte diese Geste bedeuten. Regieren?

      taz Nr. 7696 vom 22.6.2005, Seite 5, 141 TAZ-Bericht STEFAN REINECKE
      Avatar
      schrieb am 24.07.05 11:56:21
      Beitrag Nr. 420 ()
      SPIEGEL ONLINE - 23. Juli 2005, 13:56
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,366590,00.h…


      Hartz-Versagen

      Reform zur Förderung junger Arbeitsloser erfolglos

      Die Förderung arbeitsloser Jugendlicher im Zuge der Hartz-IV-Reform kommt nur schleppend voran. Die Zahl junger Arbeitslosengeld-Empfänger steigt weiter, ein Großteil der Jobsuchenden ist bereits länger als drei Monate ohne Beschäftigung.


      Hamburg - Laut Gesetz wollte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement allen unter 25-Jährigen bereits in diesem Jahr umgehend einen Arbeitsplatz, eine Ausbildung oder eine Beschäftigungsmaßnahme anbieten, wenn sie zu Hartz-IV-Beziehern werden. Doch dieses Ziel wird er kaum erreichen, wie nach Informationen des SPIEGEL aus einem internen Bericht der Bundesagentur für Arbeit an den Ressortchef hervorgeht.

      Danach ist die Zahl jugendlicher Arbeitslosengeld-II-Empfänger allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres von knapp 205000 auf gut 255000 gestiegen. Lediglich 70000 junge Menschen nehmen derzeit an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teil. Zudem lag der Anteil der Jobsuchenden unter 25 Jahren, die länger als drei Monate arbeitslos gemeldet sind, im Juni bei über 70 Prozent.


      Ursprünglich hatte Clements Ministerium geplant, dass bereits in diesem Jahr kein Jugendlicher länger als drei Monate im Status "arbeitslos" verweilen soll. Nun sollen die Job-Center umgehend eine Vermittlungsoffensive :laugh: starten, um die Jugendarbeitslosigkeit doch noch zu drücken.
      Avatar
      schrieb am 07.10.05 15:51:45
      Beitrag Nr. 421 ()
      SPIEGEL ONLINE - 07. Oktober 2005, 15:15
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,378575,00.html


      VW-Affäre

      Der tiefe Fall des Peter Hartz

      Er galt als großer Innovator der bundesdeutschen Arbeitswelt, entwarf Kernpunkte von Schröders Agenda 2010 und sorgte als Personalvorstand lange Jahre für Frieden bei Volkswagen. Jetzt stellt die Staatsanwaltschaft Peter Hartz im Zusammenhang mit der VW-Affäre nach.


      Berlin - Bei der Überprüfung der Zeugenaussagen von Hartz hätten sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er unter anderem Kenntnis von einem möglichen Spesenbetrug gehabt und diesen gebilligt oder unterstützt haben könnte, erklärte heute ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.




      Ex-VW-Personalvorstand Hartz: Abruptes Karriereende

      Möglicherweise ist Hartz also tiefer in die Affäre verstrickt als bisher angenommen. Die Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben Anzeichen dafür gefunden, dass er bei seiner Vernehmung nicht die Wahrheit gesagt haben könnte.

      Mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gelangt eine Karriere an ihren Tiefpunkt, die vor wenigen Monaten noch als Musterbeispiel im Nachkriegsdeutschland galt. Als Sohn eines Hüttenarbeiters im Saarland hatte sich Peter Hartz bis an die Spitze vorgearbeitet. Hoch geachtet nicht nur wegen seiner Leistungen als Manager, sondern auch seiner politischen Visionen. Hartz erfand Formeln, wie die "Ich-AG", :laugh: den "Job-Floater" :laugh: , oder die "atmende Fabrik", :laugh: in der sich Arbeitszeit und Entlohnung der jeweiligen Auftragslage anpassen. Die Ideen, ursprünglich für Volkswagen und das Umfeld entwickelt, nahm schließlich Bundeskanzler Gerhard Schröder auf. Seither ist der Name Hartz untrennbar verbunden mit einer wichtigsten Reform am Arbeitsmarkt.

      Seine Karriere begann der Saarländer auf dem zweiten Bildungsweg. Nach dem Abitur studierte er Betriebswirtschaft und heuerte danach in der Stahlindustrie an. Als Mitglied in der IG Metall fand er früh seinen Arbeitsschwerpunkt: Personalfragen. Bei Volkswagen brachte er es nach kurzer Zeit zum Arbeitsdirektor, bis ihn der damalige VW-Chef Ferdinand Piëch 1993 zum Personalvorstand des Autokonzerns ernannte. Eine glückliche Wahl, wie es schien: Hartz war genau der Mann, der zwischen "denen da oben" und "denen da unten" vermitteln konnte. War unkonventionell, konnte Mitarbeiter mitziehen, hatte diese Mischung aus Eleganz und Kumpelhaftigkeit, die glauben macht, dass der Mensch jeden Aufstieg schafft, wenn das Team funktioniert.

      Solche Qualitäten waren gefragt im Vorstand von VW, denn 1993 beschäftigte Europas größter Autobauer deutlich zu viel Menschen. Hartz aber gelang es, Massenentlassungen zu vermeiden, indem er mit der Belegschaft die Einführung der Vier-Tage-Woche aushandelte.

      Acht Jahre später beschritt der Personalchef erneut tarifpolitisches Neuland. Gemeinsam mit der IG Metall setzte er nach langen Verhandlungen das Tarifmodell "5000 x 5000" durch. 5000 Arbeitslose sollten unter Umgehung des VW-Haustarifvertrags für einen Bruttolohn von 5000 Mark (2556 Euro) eingestellt werden. Nach anfänglichem Widerstand der Gewerkschaft soll seinerzeit Kanzler Schröder persönlich bei den Tarifpartnern interveniert haben. Heute entstehen nach dem Modell täglich rund 800 VW Touran, ab der zweiten Jahreshälfte 2007 auch der neue Golf-SUV.

      Hartz-Kommission als Karrierehöhepunkt :eek: :laugh:

      Auf dem Höhepunkt seines öffentlichen Ansehens war der 64-Jährige angelangt, als Schröder ihn im März 2002 an die Spitze einer Kommission zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit und des Arbeitsmarkts berief. Nach dem Skandal um gefälschte Arbeitsvermittlungsstatistiken in der Nürnberger Behörde erarbeitete die 15-köpfige Kommission bis zum Sommer 2002 Vorschläge. Kernpunkte waren die Personal-Service-Agenturen, die Einführung der Ich-AG zum Abbau der Schwarzarbeit und nicht zuletzt die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, dem so genannten "Hartz IV".

      Viele seiner Ideen wurden anschließend im politischen Tagesgeschäft zerrieben. Am Ende galt er bei den einen als Reformer, der die Verkrustungen des Arbeitsmarktes aufbrechen half, bei den anderen stand sein Name für vermeintlichen Sozialabbau und soziale Ungerechtigkeit.


      Doch Hartz` Ansehen als Reformer ist inzwischen praktisch vollständig in den Hintergrund getreten. Immer drängender werden die Fragen, was der Manager vom VW-System wusste. Der geschasste VW-Personalmanger Klaus-Joachim Gebauer hat ihn bereits öffentlich beschuldigt, Schmiergeldzahlungen, Luxusreisen mit Prostituierten und Vergünstigungen von Betriebsräten nicht nur geduldet, sondern aktiv daran teilgenommen zu haben.

      Michael Kröger
      Avatar
      schrieb am 11.10.05 12:37:24
      Beitrag Nr. 422 ()
      Nun sinds also die Protagonisten dieses Schmierentheaters alle weg vom Fenster, aber der Scherbenhaufen bleibt. :mad:

      gegen Hartz laufen staatsanwaltliche Ermittlungen wegen Untreue, ALLE seine Prognosen (siehe 1. posting) sind widerlegt, Miliarden sind zum fenster rausgeworfen und die Arbeitslosigkeit höher als je zuvor.

      Dafür gibt es in deutschland keinen echten florierenden Binnenmarkt, weil die Arbeitnehmer erpressbar, angsterfüllt jeden Euro psraen, der gespart werden kann.... wenn man überhaupt noch zum Sparen fähig ist.

      denn das Realeinkommen ist kontinuierlich gesunken.

      Eine Pleitewelle ohnegleichen bedeckt das Land, welches von ausländischen Investmentfonds zu absoluten Tiefstpreisen aufgekauft wird.

      Wer in seinem Wohnort einmal durch die Innenstädte geht, wird nur noch Franchising-Ketten und Großkonzerne wahrnehmen, hier ist ein epidemieartiges Einzelhändlersterben ebenso zu beobachten wie in den Vororten. gewerbliche Räume in Form von Ladenfläche sind kaum noch an den Mann zu bringen, sie stehen allerorten monate- oder jahrelang leer.

      So ist die soziale Verödung die Nivellierung auf tiefem Niveau auch an den ehemals bereichernden Einkaufsstraßen mit Händen zu fühlen.

      Gleichzeitig wurden viele der hoffnungslosen Langezeitarbeitslosen mittels der HArtz-Chimäre "Ich-AG" in die hemmungslose Selbstazusbeutung ohne soziales Netz getrieben. Nach deren Scheitern gibt es keine Alo-Versicherung mehr, keine rentenversicherung, oftmals auch keine krankenversicherung mehr, weil man vor dem Bankrott nichts mehr an die Kasse zahlen konnte.

      Ein noch grandioseres Scheitern der angeblichen "Agenda 2010" ist kaum vorstellbar.

      Auch der hoffnungslos überforderte Clement ist gottseidank andlich am Ende seiner Sprücjheklopferei angelangt.

      Dieser Mann, der sich als Ministerpräsident dadurch auszeichnete, jedes Jahr aufs neue die Milliardenschweren Steinkohlesubventionen (angeblich für NRW, in Wahrheit für die Ruhrkohle-AG) einzustreichen und so den Strukturwandel durch Steuergelder-Mißbrauch verhinderte, dieser Mann, der NRW hoffnungslos überschuldete, dieser Mann, der so blöd war, eine Hochgeschwindigkeits-MAgnetbahn allen Ernstes als Tram durch Ruhrgebiet zu planen (natürlich mit satten Subventionen, also geldverbrennung) und dies sogar noch als "Superminister" unbelehrbar weiterverfolgte, ist am Ende.

      Leider auch wir alle mit ihm.

      Die Frechheit, mit der er an der seite des hauptberuflichen Selbstdarstellers Schröder die Realitäten und sein Scheitern leugnete, damit auch die letzte Chance für eine Kurskorektur verspielte, ist absolut einmalig.

      Immerhin sprechen wir bei dem von ihm angerichteten Schaden von dem größten Stück des Bundeshaushaltes, für welches er verantwortlich war.

      Eine gescheiterte Existenz wie Clement wagt es jetzt, frech den Journalisten ins Mikro zu diktieren, er würde nun in Zukunft seine Freiheit genießen.

      Dies, nachdem er zweistellige Milliardensummen an Steuergeldern vergeudete und einen beispiellosen Niedergang mitzuverantworten hat...

      es ist die gleiche Chuzpe, mit der er einst im NRW-Wahlkampf einen sachlich-kritischen Journalisten ansatzlos vor laufender Kamera anbrüllte:

      "Was glauben Sie eigentlich, wen Sie vor sich haben!!!?!"

      Nun - derJournalist wird sich gedacht haben: Einen versager.

      Eine kritische Frage eines soliden Journalisten war breits MAjestätsbeleidigung....

      ... so wird er die Realitäten auch empfunden haben:

      Die Wirklichkeit - eine einzige Majestätsbeleidigung.

      So wie die angeblichen Bereicherungen der bösen Bundesländer, die sich lieber aus dem hochdefizitären und totgeborenen Vermittlungsgeschäft verabschieden, anstatt Büttel für versager wie Clement zu spielen.

      verschwörungstheoriene sind Clements Spezialgebiet, da macht ihm nicht einmal der EX!!!-Kanzler etwas vor...

      Vielleicht nutzt Clement demnächst seine Freiheit, um sich einmal den Unterschied zwischen Großmanns-süchtigen Träumen und Realitäten erklären zu lassen.



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      ALG-II-MISSBRAUCH
      Grüne rügen Clement

      Die Grünen haben die Kampagne von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) gegen ALG-II-Missbrauch kritisiert. Er versuche damit, "die Wirklichkeit krampfhaft an seine eigenen Fehlprognosen anzupassen", sagte Vizefraktionschefin Thea Dückert. Es sei klar, dass es viel mehr Bedarfsgemeinschaften gebe als erwartet. (dpa)


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      Realverdienst erneut gesunken

      BERLIN rtr Deutsche Arbeitnehmer mussten im Juli erneut reale Einkommensverluste hinnehmen. Im produzierenden Gewerbe verdienten Vollzeitbeschäftigte mit durchschnittlich 3.027 Euro brutto zwar 1,7 Prozent mehr als vor einem Jahr. Gleichzeitig stiegen jedoch die Verbraucherpreise um 2,0 Prozent. Die Angestellten im produzierenden Gewerbe verdienten mit 3.889 Euro rund 1,8 Prozent mehr als im Juli 2004, die Arbeiter mit 2.540 Euro nur 1,1 Prozent mehr. Dabei blieben die bezahlten Wochenstunden mit 37,9 Stunden nahezu unverändert. Die Einkommen im Dienstleistungsbereich legten im Handel um 1,8 Prozent auf 2.784 Euro zu, bei Banken und Versicherungen um 1,7 Prozent auf 3.403 Euro.
      Avatar
      schrieb am 11.10.05 13:51:49
      Beitrag Nr. 423 ()
      [posting]18.225.515 von Deep Thought am 11.10.05 12:37:24[/posting]sehr gute und wirklich treffende Bestandsaufnahme - leider...
      Avatar
      schrieb am 15.10.05 12:57:29
      Beitrag Nr. 424 ()
      So -

      jetzt wissen wir ab sofort mehr über "Hartz 1A" , das Programm desjenigen, der den Anderen Verzicht predigte, für einen Sozialabbau ohnegleichen verantwortlich ist und dabei offenbar gleichzeitig Fremdes geld veruntreute und zum fenster rausschmiss.

      Führungspersönlichkeiten, die VORBILD sein können und vor allem wollen, sind offenbar in dieser republik mit der Nachkriegsgeneration ausgestorben.

      es gilt nur noch. Betrügen, verarschen, Prelen, dreist Lügen und aufschneiden. UND:

      Leugnen, leugnen, Leugnen....

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      VW-Affäre

      Sekretärinnen belasten Hartz


      | 15.10.05 |focus.de
      Zwei Sekträterinnen haben pikante Details aus der Vorstandsetage enthüllt.

      Wie FOCUS berichtet, gaben beide in ihren Vernehmungen bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig an, Hartz sei über die Begünstigung der Betriebsräte informiert gewesen. Mit ihren Aussagen bestätigten sie die Darstellung des Ex-Personalmanagers Klaus-Joachim Gebauer, der im Auftrag von Hartz etliche Betriebsräte mit Lustreisen und Rotlicht-Partys bedacht haben will.

      Die Zeuginnen, die für Gebauer tätig waren und immer noch bei VW beschäftigt sind, gelten bei der Justiz FOCUS zufolge als glaubwürdig. Kurz nach ihren Vernehmungen leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue-Verdachtes gegen Hartz ein und ließ sein ehemaliges Büro durchsuchen. Die Sekretärinnen werden in dem Verfahren nach Einschätzung der Ermittler eine „große Rolle“ spielen. Sie hatten detailliert berichtet, wie das geheime Abrechnungssystem bei VW funktionierte.

      Champagner kaltgestellt

      Demnach bezahlte Gebauer alle Rechnungen zunächst mit Kreditkarte. Für brisante Ausgaben etwa im Rotlicht-Milieu wurden Ersatzbelege ausgestellt, mit dem Verwendungszweck „Im Interesse des Gesamtbetriebsratsausschusses“. Gebauers Ausgaben von mehreren Hunderttausend Euro pro Jahr seien über das Spesenkonto „1860 diverses“ von Hartz abgerechnet worden. Die Kosten erstattete VW dann auf Gebauers Privatkonto.

      Darüber hinaus berichteten die Sekretärinnen laut FOCUS auch von einer auf VW-Kosten angemieteten Wohnung in Braunschweig, zu der Hartz und Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert Schlüssel besaßen. Hartz und Volkert hätten sich dort mit Prostituierten getroffen. Kurz vor den Treffen hätte eine der beiden VW-Mitarbeiterinnen häufig Champagner in der Wohnung kaltgestellt. Die Kosten seien wie üblich abgerechnet und von VW bezahlt worden.



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      und zum Abschluss:

      Clement verabschiedet sich ganz stilgerecht und in Form der Kompetenz, die ihm nun mal zueigen ist:




      SPIEGEL ONLINE - 15. Oktober 2005, 11:17
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,379852,00.html
      Konjunktur

      Clement muss Wachstumsprognose senken

      Der noch amtierende Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) muss seine bisherige Prognose für das Wachstum in Deutschland 2006 nach unten korrigieren. Auch die Steuereinnahmen fallen geringer aus als erwartet.


      Berlin - Nach Informationen aus Regierungskreisen soll es am kommenden Freitag eine "moderate Revision um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte nach unten" geben. Ursprünglich hatte Clement einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,6 Prozent für 2006 vorausgesagt.:laugh:


      Die Konjunkturexperten im Wirtschaftsministerium machen vor allem den unerwartet :laugh: hohen Ölpreis für die reduzierten Wachstumserwartungen verantwortlich. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung zudem mit einem geringeren Aufkommen bei der Mineralölsteuer. Die hohen Spritpreise veranlassen die Autofahrer offenbar zum Sparen.

      Aufgrund der aktuellen Entwicklung kommt das Kanzleramt in einem internen Papier zu dem Ergebnis, dass die zu erwartenden Ausfälle bei Mineralöl-, Tabak- und Lohnsteuer allein im Bundeshaushalt zu "Mindereinnahmen in einer Größenordnung von etwa 3,5 Milliarden Euro" führen. Die endgültigen Zahlen gibt der Arbeitskreis Steuerschätzungen im November bekannt.
      Avatar
      schrieb am 15.10.05 13:02:27
      Beitrag Nr. 425 ()
      Das weiter unten in einem Artikel benutzte Wort "Karriere-Höhepunkt" bekommt mit dieser letzten focus-meldung natürlich eine pfiffige geschmackliche Note.... :D
      Avatar
      schrieb am 06.11.05 11:14:48
      Beitrag Nr. 426 ()
      SPIEGEL ONLINE - 06. November 2005, 09:56
      URL: http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,383342,0…
      Frankreich

      Praktikanten in Wut

      Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich klagen Praktikanten über Ausbeutung. Dort haben Studenten die Bewegung der "Praktikanten in Wut" gegründet. Sie kämpfen für gerechten Lohn, faire Beschäftigung, einen klaren Praktikantenstatus im Arbeitsrecht.


      Ihren Nachnamen gibt Katy nicht preis. Und auch der Vorname ist erfunden. Denn Katy hat die Bewegung der "Praktikanten in Wut" aus der Taufe gehoben und fürchtet nun, sich damit potentielle Arbeitgeber zu verprellen. Als aufmüpfig verschrien zu werden, wo sie doch nur eines möchte: endlich einen richtigen Arbeitsplatz.




      DPA
      Universität Sorbonne: Vergebliche Jobsuche trotz guter Ausbildung
      32 ist Katy heute und hat nach dem Abitur insgesamt zehn Jahre Studium absolviert - mit einem Management-Abschluss an einer Pariser Elite-Uni, einem Master an der Akademie der Schönen Künste. Sie hat also eine ziemlich hochwertige Ausbildung und sucht trotzdem seit eineinhalb Jahren vergeblich nach einem Job. "Ich muss feststellen, dass heute die Zahl der Praktikumsangebote ins Uferlose steigt und die der Jobangebote in den Keller geht", erzählt sie. "Ich selbst habe mittlerweile acht Praktika absolviert, Posten in verantwortungsvoller Position, Arbeit, für die ich null Euro Lohn bekam."

      Lange dachte Katy, das Problem der unbezahlten Praktika betreffe nur ihren Bereich, den Kultursektor oder auch die Verlagsarbeit. Doch seit Ende des Sommers wird sie von den Zeugenaussagen von Schicksalsgenossen geradezu überrollt, die auf ihr neu gegründetes Blog. Betroffen seien auch die Bereiche Werbung, Personalführung. "Aus dem Bank- und Finanzwesen kommen viele Mitglieder unserer Protestbewegung her, ebenso wie aus den Rechtswissenschaften, aus dem Consulting-Bereich. In unseren Reihen befinden sich sogar Informatik-Ingenieure", sagt Katy.

      Hinzu kämen der öffentliche Dienst, Dienstleistungsunternehmen, der Versandhandel. Katy: "Ebenso wie all die anderen nutzen Börsen-Firmen, die eigentlich schwarze Zahlen schreiben, die Praktikanten als kostenlose Arbeitnehmer aus, mit denen man umspringen kann, wie man will." Die Praktikanten in Wut kämpfen nun für ein Gesetzesprojekt: Im Arbeitsrecht soll der Praktikantenstatus verankert und genau definiert werden. Für ihren Einsatz wollen sie Lohn. Der Arbeitgeber soll die Sozialversicherung übernehmen, die Länge der Praktika auf einige Monate beschränkt bleiben und im selben Betrieb nicht beliebig fortschreibbar sein.

      "Ich hege die Hoffnung, irgendwann mal einen Posten in meinem Sektor, der Kultur, zu ergattern, wo ich mich dann zu meinem Traumjob hocharbeiten kann", sagt Katy. "Ich bin jetzt 32, ich würde gerne eine Familie gründen, aber derzeit sieht es damit verdammt schlecht aus. Und auch das ist für eine junge Frau wie mich ziemlich schmerzhaft."

      Von Suzanne Krause, "Campus & Karriere" / Deutschlandfunk
      Avatar
      schrieb am 06.11.05 11:48:36
      Beitrag Nr. 427 ()
      [posting]18.620.914 von Deep Thought am 06.11.05 11:14:48[/posting]Mit Praktikanten lässt sich heute die Sklavenhaltung von morgen üben.
      Avatar
      schrieb am 07.11.05 22:11:56
      Beitrag Nr. 428 ()
      Der denunzierte Sozialstaat

      Am 17. Oktober 2005 erschien die Bild-Zeitung unter Berufung auf einen Report des Hauses von Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement über Fälle des Leistungsmissbrauchs unter dem Aufmacher "Die üblen Tricks der Hartz-IV-Schmarotzer! … und wir müssen zahlen". In dem Artikel des größten deutschen Boulevardblatts heißt es: "Bei Hartz IV wird gnadenlos abgezockt." Durch die Aufführung der "schlimmsten Fälle" erweckt man den Eindruck, als handle es sich nicht um zum Teil kuriose Ausnahmen, sondern um die Spitze eines Eisberges. Genau eine Woche später zog der Spiegel mit einer Titelgeschichte "Das Spiel mit den Armen. Wie der Sozialstaat zur Selbstbedienung einlädt" nach. Darin distanzierte man sich zwar von den "knalligen Berichten" der Boulevardpresse, führte das "Finanzdebakel" der mit dem Namen Peter Hartz verbundenen Arbeitsmarktreform aber gleichfalls auf die massenhafte, wenn auch nicht immer missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen zurück. Sabine Christiansen stieß ins selbe Horn, als sie die Teilnehmer/innen ihrer Talkshow am letzten Sonntag zum Thema ",Melkkuh` Sozialstaat - sind wir ein Volk von Abzockern?" diskutieren ließ und die sich ihrer Meinung nach nicht nur unter Erwerbslosen ausbreitende "Mitnahmementalität" geißelte.

      Der deutsche Wohlfahrtsstaat, heißt es allenthalben, sei zu teuer. Als einer der Gründe, weshalb der Sozialstaat zumindest in seiner bisherigen Form nicht mehr zu halten sei, wird meist angeführt, dass er in seiner Leistungsgewährung zu freigiebig sei, was ihn finanziell überfordere. Die empirische Wohlfahrtsstaatsforschung zeigt, dass die Bundesrepublik - entgegen den dominanten Medienbildern - keineswegs den "großzügigsten" europäischen Sozialstaat besitzt, sondern hinsichtlich der Leistungsgewährung unter den 15 alten EU-Ländern im unteren Mittelfeld (Platz 8 oder 9) rangiert. Vernachlässigt man die Sonderentwicklung der Belastung durch Sozialtransfers von West- nach Ostdeutschland seit 1989/90, ergibt sich ein Bild, das mit der medialen Horrorvision eines "Gefälligkeitsstaates" sehr wenig zu tun hat.

      Durch die "Sparpolitik" der von 1982 bis 1998 regierenden CDU/CSU/FDP-Koalition und den mit relativ wenigen Abstrichen fortgesetzten Ausbau anderer Wohlfahrtsstaaten fiel die Bundesrepublik seither so weit zurück, dass sie nunmehr gerade noch das allgemeine OECD-Niveau erreicht.

      Betrachtet man die Entwicklung der deutschen Sozialleistungsquote (Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt) über längere Zeit hinweg, erkennt man ein hohes Maß an Kontinuität. Trotz erheblicher Zusatzbelastungen durch die deutsche Vereinigung, regionale Ungleichgewichte, die Massenarbeitslosigkeit und milliardenschwere Transferleistungen von West- nach Ostdeutschland ist die Sozialleistungsquote heute nicht höher als Mitte der 1970er-Jahre. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Metapher vom Wohlfahrtsstaat, der sich wie ein Krake über die Gesellschaft legt und deren ökonomische Dynamik erstickt, pure Ideologie ist.

      In den Mittelpunkt der Diskussion über Wohlfahrtsstaats- und Demokratieentwicklung rückten seit Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre "Abzocker", "Sozialschmarotzer" und "Parasiten", die allmählich zu Hauptfeindbildern des neokonservativen beziehungsweise neoliberalen Zeitgeistes avancierten. Zuerst wurden Flüchtlinge im Rahmen einer jahrzehntelangen Kampagne zu "Asylmissbrauchern" und Verursachern der Überlastung des Sozialstaates gemacht, nach Abschaffung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 und Absenkung ihres Lebensniveaus unter die Sozialhilfe durch das Asylbewerberleistungsgesetz 1993 übernahmen Sozialhilfeempfänger/innen die Rolle des Sündenbocks.

      Gleichzeitig fand in zahlreichen Massenmedien ein sozialpolitischer Paradigmawechsel statt: Hatten sie den deutschen Wohlfahrtsstaat früher meist als vorbildlich hingestellt und zum Modellfall für die ganze Welt hochstilisiert, galt er ihnen fortan als historisches Auslaufmodell. Exemplarisch sei aus einem Leitartikel der Zeit vom 20. Mai 1999 zitiert: "Der Sozialstaat, einst Stolz der Westdeutschen, ist bald nicht mehr zu bezahlen. (…) Der Sozialstaat ist unsozial geworden. Er versagt, weil er zuviel verspricht. Er belastet den Faktor Arbeit, schafft Arbeitslosigkeit." Unsozial ist allerdings nicht der Sozialstaat, vielmehr eine Gesellschaft, die sich seiner mit der Begründung zu entledigen sucht, er sei nicht mehr finanzierbar, obwohl sie - ausweislich des Bruttoinlandsprodukts, das Rekordhöhe erreicht hat - so reich ist wie nie zuvor.


      Journalist(inn)en benutzten zum Teil manipulative Methoden, wenn es galt, "Sozialkriminalität" zu skandalisieren und in einer Art zu präsentieren, die den Wohlfahrtsstaat als "Selbstbedienungsladen für Arbeitsscheue" erscheinen lässt. Statt seine große soziale wie kulturelle Bedeutung zu würdigen und über viele (neue wie noch immer nicht geschlossene) Leistungslücken zu berichten, denunzierten ihn die meisten Publizisten zunehmend als Last, der man sich möglichst bald entledigen müsse, um die internationale Konkurrenzfähigkeit der Bundesrepublik zu erhalten oder wieder herzustellen. Zitiert sei aus einem Spiegel-Artikel vom 20. Juli 1998, welcher konstatiert, der "Sozialstaat deutscher Prägung" sei "kein Modell mit Zukunft" mehr: "Er ist zum Monstrum geworden, das an seiner eigenen Größe zu ersticken droht. Der deutsche Sozialstaat ist unbezahlbar. Er macht die Bürger unfrei, über ihr Einkommen selber zu befinden, und erzieht sie zum Anspruchsdenken. Vor allem aber: Er ist zutiefst ungerecht, weil er seine Leistungen oft willkürlich und nicht selten an den wirklich Bedürftigen vorbei verteilt, und spätestens dies wird ihn auf Dauer ruinieren, denn gerecht zu sein gilt von jeher als sein oberstes Gebot."

      Der moderne Wohlfahrtsstaat wurde und wird dadurch diskreditiert, dass die Massenmedien einzelne, meist besonders spektakuläre Fälle des Missbrauchs von Sozialleistungen generalisieren, ohne sein normales, für Arbeitslose, Arme, Alte, Kranke, Behinderte, Pflegebedürftige und andere Benachteiligte unverzichtbares und überwiegend segensreiches Funktionieren zu thematisieren. In der Boulevard- und Lokalpresse werden Personen, die sie als "Sozialschmarotzer" entlarvt zu haben glaubt, häufig mit einprägsamen Spitznahmen wie "Florida-Rolf" oder "Viagra-Kalle" belegt, manchmal regelrecht vorgeführt und gleichzeitig zu "guten Bekannten" der Leser/innen. So berichtete die Bild-Zeitung im Sommer 2003 nicht weniger als 19-mal über einen 64-jährigen Deutschen, der als suizidgefährdeter Rentner und Ex-Banker in Miami (Florida) von Sozialhilfe lebte. Der mediale Druck veranlasste die rot-grüne Regierung, binnen kürzester Zeit schärfere Regeln für den Sozialhilfebezug im Ausland zu beschließen, obwohl 2002 bei Gesamtkosten von ca. 4,3 Millionen Euro nur 959 Personen betroffen waren, darunter viele Jüdinnen und Juden, denen man nach 1945 nicht zumuten wollte, wieder nach Deutschland zu ziehen.

      Durch die sinkende Geburtenrate der Deutschen und die steigende Lebenserwartung aufgrund des medizinischen Fortschritts komme es, so wird oft suggeriert, allmählich zu einer "Vergreisung" der Bundesrepublik, die das ökonomische Leistungspotenzial des Landes schwäche und die sozialen Sicherungssysteme (Renten-, Pflege- und Krankenversicherung) strukturell überfordere. Dem könne man nur mittels einer (Teil-) Privatisierung auf der Beitrags- und/oder einer Leistungsreduzierung auf der Kostenseite begegnen.

      Die demografischen Entwicklungsperspektiven werden in der Öffentlichkeit und den Medien zu einem wahren Schreckensszenario verdüstert. Welche Blüten das Bemühen um eine Dramatisierung des Themas treibt, zeigt ein Beitrag in der Börsen-Zeitung vom 20. Februar 2003, welcher "Die deutsche Wirtschaft unter dem demographischen Fallbeil" betitelt war. Damit führte man einen ultrarechten Diskurs fort, den die Sorge um das vom Aussterben bedrohte deutsche Volk leitet. Dabei hielt die Demografie einmal mehr als Mittel der sozialpolitischen Demagogie her: Hatte man zu Beginn der 1990er-Jahre im Rahmen einer kampagnenartig geführten Asyldiskussion noch die Angst vor einer "Überflutung" und "Überfremdung" geschürt, so wurde im Rahmen der Diskussion über die Krise des Sozialstaates die Angst vor einer "Vergreisung" und der Entvölkerung Deutschlands benutzt, um die Kürzung von Transferleistungen plausibel zu machen. Oft beschwören dieselben Personen, denen das Boot voll erschien, das Schreckbild eines menschenleeren Landes herauf, in dem niemand mehr die Renten der Alten aufbringt.

      Der in allen hoch entwickelten Industriestaaten, aber auch schon in vielen Ländern der so genannten Dritten Welt beobachtbare Geburtenrückgang und die gleichzeitige Verlängerung der Lebenserwartung infolge des medizinischen Fortschritts werden als ein "natürlicher" Zwang zur Senkung des erreichten Niveaus der Altersversorgung hingestellt. Rentensicherheit ist aber keine Frage der Biologie (Wie alt ist die Bevölkerung?), vielmehr der Ökonomie (Wie groß ist der erwirtschaftete Reichtum?) und der Politik (Wie wird dieser Reichtum auf Klassen, Schichten und Altersgruppen verteilt?). Es fehlen nicht etwa (deutsche) Babys, sondern Beitragszahler/innen, die - dem "Generationenvertrag" entsprechend - nach dem Umlageverfahren für eine wachsende Rentnerpopulation in die Versicherungskassen einzahlen.


      Ohne die demografischen Probleme der Bundesrepublik zu verharmlosen, kann man feststellen, dass sie im Hinblick auf die Rentenversicherung weniger als oft behauptet ins Gewicht fallen, weshalb kein Grund zur Panikmache besteht und Hysterie völlig unangebracht ist. Viel entscheidender waren die Massenarbeitslosigkeit und die Eingliederung der DDR samt der damit verbundenen Kosten für die Sozialversicherungen. Der Sozialstaat wird nicht zuletzt dadurch diskreditiert, dass man seit Mitte der 1970er-Jahre über eine "Kostenexplosion" vor allem im Gesundheitswesen debattiert, die es gar nicht gibt: Setzt man die Entwicklung der Ausgaben in Beziehung zum Bruttoinlandsprodukt, ist der Anstieg überhaupt nicht dramatisch.

      Das (neo)liberale Standard- bzw. Standortargument gegen den Sozialstaat lautet, dieser gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Volkswirtschaft, etwa durch zu hohe Lohnnebenkosten. Infolge der sich verschärfenden Weltmarktkonkurrenz müsse der "Standort D" entschlackt und der Sozialstaat "verschlankt" werden, wolle man die internationale Konkurrenzfähigkeit und das erreichte Wohlstandsniveau halten. Es wird so getan, als beeinträchtige das Soziale die Leistungsfähigkeit. Dabei sind fast alle auf dem Weltmarkt führenden Volkswirtschaften mehr oder weniger entwickelte Wohlfahrtsstaaten.

      Das gesellschaftspolitische Rollback, den die SPD-geführte Bundesregierung spätestens seit Gerhard Schröders Agenda-2010-Rede im März 2003 gemeinsam mit dem bürgerlichen Lager bewerkstelligte, war nur möglich, weil sich die neoliberale Hegemonie zu jener Zeit immer stärker auch in den Massenmedien niederschlug. Die öffentliche Meinung wurde massiv im Sinne eines Sozialstaat, Staatsinterventionismus und Wohlfahrt als Hauptstörfaktoren für den "Standort D" abqualifizierenden Marktradikalismus beeinflusst. Typisch dafür war die beliebte Talkshow mit Sabine Christiansen, in der man Sozialstaatlichkeit über Jahre hinweg durch das apokalyptische Bild eines vom Niedergang bedrohten Deutschland diskreditierte.

      Für die Art und Weise, wie über den Sozialstaat gesprochen und geschrieben wird, kennzeichnend waren auch zahllose Medienberichte, die sich zum Jahreswechsel 2004/05 mit der Flutkatastrophe in Südostasien und deren Folgen befassten. Die ausufernde und oft geradezu voyeuristisch anmutende Tsunami-Berichterstattung verbreitete unterschwellig die entpolitisierend wirkende Botschaft, dass die Natur (also nicht die Gesellschaft) das Schicksal bestimmt. Außerdem ließ man häufig durchblicken, dass es "uns" ja hier noch sehr gut geht, in der so genannten Dritten Welt jedoch Not und Elend herrschen. Tatsächlich ist (relative) Armut in der Bundesrepublik etwas ganz anderes als (absolute) Armut in Bangladesch oder Burkina Faso. Armut kann in einer reichen Umgebung gleichwohl erniedrigender, bedrückender und bedrängender sein als in einer armen Gesellschaft, wo sie eher zur Solidarisierung als zur Stigmatisierung der Betroffenen führt. Bei der Überschwemmung von New Orleans im Gefolge der Hurrikane "Katrina" und "Rita" zeigte sich im August/September 2005, dass Naturkatastrophen nicht alle Menschen einer Region gleichermaßen treffen - die soziale Situation der einzelnen Bewohnern hat vielmehr entscheidenden Einfluss.

      taz Nr. 7814 vom 8.11.2005, Seite 4, 454 TAZ-Bericht CHRISTOPH BUTTERWEGGE
      Avatar
      schrieb am 07.11.05 23:10:07
      Beitrag Nr. 429 ()
      Allen Angestellten der Hypovereinsbank, die bald synergiert werden und allen aufrechten Reformern des Sozialstaates noch die folgende schöne Passage aus der heutigen Welt ins Poesiealbum:

      "Beim Besitzerwechsel haben die HVB-Vorstände ein Sonderkündigungsrecht zum Termin des sog. Closings. Diese Möglichkeit nutzten nun Jentzsch und Licci. Damit kommt Licci wohl auf einen Verdienst von vier Jahresgehältern für eine nicht einmal einjährige Amtszeit - drei davon sind die festgeschriebene Abfindung bei Kündigung nach einem Besitzerwechsel." (Welt Kompakt 7.11.05, S. 13)

      Ein Angestellter kündigt und erhält daher eine Abfindung. Vermutlich haben die Gewerkschaften den armen Aktionären diesen Knebelvertrag zu Gunsten der Vorstände abgepresst.
      Avatar
      schrieb am 08.11.05 08:15:10
      Beitrag Nr. 430 ()
      Lesen Sie mal, welche Politiker uns wie belogen haben.

      • Mehrwertsteuer-Lüge I

      SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter am 7. Juli auf N24:


      „Es geht derzeit darum, die Binnenkonjunktur anzukurbeln, und in einem solchen Fall ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer Gift.“


      SPD-Chef Franz Müntefering am 11. August in Hamburg:


      „Diese Merkelsteuer ist schlecht für Deutschland. Um das zu sehen, muß man nicht Mathematiker sein, dafür reicht Volksschule Sauerland.“


      Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) am 21. September in der „Berliner Zeitung“:


      „Bei der Ablehnung der Mehrwertsteuererhöhung sind wir uns einig.“


      SPD-Chef Franz Müntefering am 17. Juli in „Welt am Sonntag“:


      „Das ist ein Jobkiller. Die augenblickliche Mehrwertsteuerdiskussion in Deutschland ist hochschädlich für die Konjunkturlage im Land insgesamt. Denn sie macht depressiv, mutlos und raubt den Leuten die Zuversicht.“


      Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am 9. Juli in der „Berliner Morgenpost“:


      „Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer würde in der jetzigen konjunkturellen Situation wie eine Giftspritze wirken. Wenn man jetzt ein solches Signal sendet, ist das kontraproduktiv.“


      Finanzminister Hans Eichel (SPD) am 7. September in Berlin: „Fakt ist:


      Anders als bei der Union gibt es keine Pläne, an den Mehrwertsteuersätzen etwas zu ändern.“


      Kanzler Gerhard Schröder (SPD) am 25. August in der Münchner „tz“:


      „Ich kann ausschließen, daß wir die Mehrwertsteuer erhöhen.“




      • Mehrwertsteuer-Lüge II

      CDU-Generalsekretär Volker Kauder am 24. Juli im „Tagesspiegel“:


      „Es ist vereinbart, daß der größte Teil der Mehrwertsteuererhöhung in die Absenkung der Lohnnebenkosten und die Umstrukturierung sozialer Sicherungssysteme gesteckt wird.“


      Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) am 23. August in der „B.Z.“ über die Mehrwertsteuer:


      „Die Einnahmezuwächse fließen in die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung um zwei Punkte.“


      Angela Merkel am 5. September in „Focus“:


      „Wenn wir die Wahl gewinnen, wollen wir den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent senken und dafür den allgemeinen Mehrwertsteuersatz um zwei Prozentpunkte auf 18 Prozent erhöhen.“


      Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) am 3. Juni über eine Mehrwertsteuererhöhung:


      „Das ist keine Möglichkeit zum Stopfen von Haushaltslöchern.“


      Edmund Stoiber am 28. August in BILD am Sonntag:


      „Um die Lohnzusatzkosten senken zu können, erhöhen wir die Mehrwertsteuer um zwei Punkte. Gleichzeitig sinken dadurch auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte. Damit haben die Arbeitnehmer zum 1. Januar gut ein Prozent mehr Lohn in der Tasche.“



      • Steuer-Lüge

      Hessens Ministerpräsident Roland Koch am 3. Juli im „Tagesspiegel“:


      „Die Reichensteuer der SPD ist doch Quatsch – und jeder merkt, daß es ein Wahlkampf-Ablenkungsmanöver vom Versagen auf dem Arbeitsmarkt ist.“


      NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) am 20. Juni in „Focus“:


      „Jetzt aber über Steuererhöhungen nachzudenken, wäre nicht richtig.“


      Edmund Stoiber am 9. August bei einem Wahlkampfauftritt in Hamburg über die Reichensteuer:


      „Meine sehr verehrten Damen und Herren, da werden Sie im Prinzip verarscht.“



      • Haushaltsloch-Lüge

      Gerhard Schröder am 9. September in der „Süddeutschen Zeitung“:


      „Im übrigen halte ich auch nichts davon, jetzt Tartarenmeldungen über irgendwelche Milliardenlöcher in Umlauf zu bringen. (...) Deswegen glaube ich, daß der Haushalt mit weiteren Konsolidierungsanstrengungen ausgeglichen werden kann. Und es wird gelingen, ohne daß wir auf die Mehrwertsteuer zurückgreifen.“


      Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) am 30. Mai im „Spiegel“:


      „Ich warne davor zu glauben, man könnte über Steuererhöhungen die Staatshaushalte sanieren.“



      • Steuerreform-Lüge

      Bayerns Staatkanzleichef Erwin Huber (CSU) am 18. Juli im „Focus“:


      „Wir beginnen zum 1. Januar 2007 mit den niedrigsten Steuersätzen in der Geschichte der Republik. Wir senken den Eingangssteuersatz von 15 auf 12, den Spitzensteuersatz von 42 auf 39 und die Körperschaftssteuer auf 22 Prozent.“


      Angela Merkel am 18.8. beim Wahlkampfauftakt in Dortmund:


      „Wir beleben die Wachstumskräfte in Deutschland durch eine Steuerreform zum 1. Januar 2007. Die Eckpunkte für die Steuerreform dabei sind: einfacher, niedriger und gerechter.“

      http://www.bild.de
      Avatar
      schrieb am 09.11.05 14:29:19
      Beitrag Nr. 431 ()
      Paritätischer Wohlfahrtsverband warnt: Armutsschraube nicht weiter
      anziehen / Massive Kritik an Sachverständigenrat und Unionsplänen zur
      Absenkung des Arbeitslosengeldes II

      Berlin (ots) - Der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) warnt
      eindringlich davor, das Arbeitslosengeld II in Westdeutschland
      abzusenken. "Wer dies beabsichtigt, handelt sozial verantwortungslos
      und treibt Deutschland in die soziale Spaltung", sagt der
      Hauptgeschäftsführer des DPWV, Dr. Ulrich Schneider.

      Der Verband reagiert damit sowohl auf entsprechende Überlegungen
      in Unionskreisen als auch auf Vorschläge des Sachverständigenrates
      vom heutigen Tage.

      Nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist das
      Arbeitslosengeld II bereits jetzt um 19 Prozent zu niedrig, um die
      Betroffenen vor Armut zu schützen. "Mit über sieben Millionen
      Menschen in Armut steht Deutschland vor einer sozialen Zerreißprobe"
      warnt Schneider. "Wer vor diesem Hintergrund die Armutsschraube
      weiter anziehen will, hat die Dramatik der Situation noch nicht
      begriffen."

      Originaltext: Paritätischer Wohlfahrtsverband

      Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=53407

      Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_53407.rss2


      Ansprechpartner: Dr. Ulrich Schneider, Tel.: 030/246 36 302





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      Avatar
      schrieb am 09.11.05 14:34:36
      Beitrag Nr. 432 ()
      eigentlich sollte man diesen nationalistisch-rassistischen verband wegen volksverhetzung verklagen.



      aber seis drum,in 5 jahren werden die grenzne zu osteuropa aufgemacht,und dann wird man den europäischen,kaufkraftabgeglichenen warenkorb für jeden EUROPÄER erstellen,dann wird man dja sehen,wie arm die hartz4ler im europäischen vergleich sind.
      Avatar
      schrieb am 09.11.05 20:36:17
      Beitrag Nr. 433 ()
      Das Soli-Barometer fällt

      Der Streit um Hartz-IV-Missbrauch beruht auf Unkenntnis und unseriösen Berechnungen - und versetzt Maßstäbe: Das Existenzminimum wird abhängig von Stimmungen
      Wer dieser Tage mit Selbstständigen oder Angestellten redet, was von den angeblich zu hohen Kosten für die Hartz-IV-Reform zu halten sei, gerät schnell in einen Streit über Sozialmissbrauch. Der Gedanke, dass es in Deutschland mehr Menschen gibt als gedacht, die bewusst auf Kosten anderer leben, ist aus vielen privaten Debatten nicht mehr wegzukriegen. Es verschiebt sich etwas im gesellschaftlichen Verständnis von Solidarität - und das könnte am Ende die eigentliche, entscheidende Folge der Hartz-IV-Reform sein.


      Ein Hinweis auf das fallende "Solidaritätsbarometer" ist die ausbleibende Empörung über die geplanten Einsparungen bei den Empfängern des Arbeitslosengeld II. 1,8 Milliarden Euro will die kommende Regierung hier kürzen, darunter 1 Milliarde Euro durch bessere Vermittlung, aber auch durch die schärfere Verfolgung von Missbrauch.

      Auch die Tatsache, dass der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger von 345 Euro im Monat im Westen (im Osten 331 Euro) in den Jahren bis 2009 möglicherweise eingefroren wird, weil er an die Entwicklung des Rentenwerts gekoppelt ist, regt kaum jemanden mehr auf. Bei einer angenommenen Preissteigerungsrate von 2 Prozent im Jahr bedeuten Nullrunden in den nächsten fünf Jahren jedoch einen Kaufkraftverlust von 10 Prozent für die Langzeitarbeitslosen. Und das ist viel.

      Die "Missbrauchskampagne" von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat ihren Teil dazu beigetragen, die Stimmung gegen die Arbeitslosen aufzuheizen. Ein Beispiel dafür ist das Gerücht von den vielen Paaren und Jugendlichen, die angeblich in Einzelhaushalte ziehen, um mehr Geld zu kassieren. Wahr ist: Der Anteil der Singlehaushalte an allen Bedarfsgemeinschaften auf Arbeitslosengeld II lag im Januar bei 55 Prozent und ist seither nicht angestiegen. Zwar kletterte die absolute Zahl der Singlehaushalte leicht in die Höhe, nur war das eben auch bei allen anderen Bedarfsgemeinschaften der Fall, es gibt also keine "Zellteilung", die auf größere Mitnahmeeffekte hindeuten könnte.

      Auch die vermeintlich "explodierenden" Kosten für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger sind in erster Linie die Folge einer höchst unseriösen Rechnung des Wirtschaftsministeriums zu Beginn dieses Jahres. Für 2005 wurden nämlich ursprünglich nur 14,6 Milliarden Euro für das Arbeitslosengeld II eingeplant, um den Bundeshaushalt nicht allzu instabil wirken zu lassen.

      Eine solche Rechnung war jedoch damals schon unsittlich. Schließlich kostete die Arbeitslosenhilfe im vergangenen Jahr bereits 18,7 Milliarden Euro. Und hinzugerechnet werden musste noch die Sozialhilfe, die mit 9,8 Milliarden Euro zu Buche schlug. Wenn man diese Werte auf 2005 hoch- und das Wohngeld hinzurechnet, kommt man auf Kosten von fast 34 Milliarden Euro, die nach dem alten System in diesem Jahr angefallen wären.

      Demgegenüber geht die Politik jetzt davon aus, dass 2005 durch die Hartz-IV-Reform voraussichtlich 26 Milliarden Euro an Arbeitslosengeld II und dem so genannten Sozialgeld für die Kinder von Erwerbslosen gebraucht werden. Hinzu kommen noch geschätzte 12 Milliarden Euro an Ausgaben für die Unterkunftskosten, macht zusammen 38 Milliarden Euro.

      Die vermeintliche "Kostenexplosion" beträgt also rund zehn Prozent. Aber selbst dieser Unterschied von 4 Milliarden ist teilweise erklärbar aus den Neuerungen in der Bundesagentur für Arbeit. 1-Euro-Jobber beispielsweise bekommen heute das Arbeitslosengeld II plus die Mehraufwandsentschädigung. In früheren Jahren landeten diese Leute oftmals in Fortbildungsmaßnahmen und ABM und wurden daher in einer anderen Statistik gezählt.

      Dennoch ist richtig, dass die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger heute erheblich höher liegt als die Zahl der Empfänger von Sozial- und Arbeitslosenhilfe im vergangenen Jahr. Doch die Gründe dieses Anstiegs liegen unter anderem im Gesetz: Heute zählt beispielsweise auch eine 16-jährige Schülerin und Tochter von erwerbslosen Eltern als Arbeitslosengeld-II-Empfängerin.


      Unbestritten ist dabei, dass die Bedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II heute etwas besser sind als die früheren Umstände für den Anspruch auf Sozialhilfe. Das ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass mit der Hartz-IV-Reform Arbeitslosen- und Sozialhilfe vereinheitlicht und die Sozialhilfe damit gewissermaßen "angehoben" wurde.

      Bei einem 55-Jährigen, der sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen hat und jetzt Arbeitslosengeld II beantragt, wird beispielsweise im Unterschied zur früheren Sozialhilfe nicht mehr nach dem Einkommen der erwachsenen Kinder gefragt. Gleiches gilt umgekehrt für junge Erwachsene, denn auch hier gibt es nur in bestimmten Fällen einen Unterhaltsrückgriff bei den Eltern. Union und SPD wollen aus diesem Grund bei allen unter 25-Jährigen diesen Rückgriff wieder einführen.

      Kleinselbstständige, die in Not geraten, dürften heute auch eher Arbeitslosengeld II beantragen, während sie sich früher schämten, "zum Sozialamt" zu gehen. Dass es nicht mehr so demütigend ist wie früher, Hilfe zu holen, ist eigentlich eine gute Nachricht. Aus dem Rückgang an "verschämten Armen" gleich die "unverschämten Arbeitslosen" zu machen - das ist jedoch bezeichnend für eine Politik, die Rechtfertigungen braucht, um die Probleme in den öffentlichen Haushalten in den Griff zu bekommen.

      Dabei ist unbestritten, dass es Missbrauchsfälle gibt - den Bauhandwerker, der Alg II beantragt hat und nun in Schwarzarbeit Wohnungen renoviert; die erwerbslose Köchin, die sich lieber durch Putzen etwas hinzuverdient, als sich um einen Vollzeitjob zu bemühen. Doch diese Jobverweigerer, die in der Tat auf ihre Weise den Ruf des Sozialsystems schädigen, die gab es schon immer. Es existieren keine empirischen Belege dafür, dass deren Anteil an den Leistungsempfängern größer geworden ist.

      Dennoch lässt sich heute der Verdacht des "Sozialmissbrauchs" besonders leicht befeuern. Das liegt an der kalten Logik der sozialen Sicherung. Je schwächer die Wirtschaft läuft, desto mehr steigt die Zahl der Arbeitslosen, desto größer wird die Abgabenlast für die Erwerbstätigen. Wer einen Job hat, leidet dann nicht nur unter den hohen Beiträgen, sondern muss diese auch noch unter immer härteren Bedingungen erwirtschaften. Ressentiments gegen Erwerbslose lassen sich daher paradoxerweise in schwierigen Zeiten leichter schüren als in einer boomenden Wirtschaft.

      So könnten sich demnächst die Maßstäbe des Sozialen weiter verschieben: Kommen die Nullrunden für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger, beinhaltet die Grundsicherung für Arbeitslose kein Grundrecht auf ein Existenzminimum mehr. Sie ist vielmehr abhängig von der Haushalts- und von der Stimmungslage in der Gesellschaft. Und diese Gefühle lassen sich, wie man gesehen hat, politisch leicht beeinflussen. Beklemmend ist das schon.
      BARBARA DRIBBUSCH

      taz Nr. 7815 vom 9.11.2005, Seite 11, 241 Kommentar BARBARA DRIBBUSCH , taz-Debatte
      Avatar
      schrieb am 13.11.05 12:15:07
      Beitrag Nr. 434 ()
      DER SPIEGEL 46/2005 - 14. November 2005
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,384571,00.html
      SPIEGEL-Gespräch

      "Mit der Axt im Walde"

      Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger über die Gefahren großer Sparpakete, sinnvolle Steuererhöhungen und den Teufelskreis aus schwacher Binnennachfrage und hoher Arbeitslosigkeit


      SPIEGEL: Herr Professor Bofinger, im vergangenen Jahr sorgten Sie für heftigen Zoff im Sachverständigenrat, weil Sie nicht alle Empfehlungen Ihrer Kollegen mittragen wollten. Haben Sie sich dieses Mal etwas zurückgehalten?

      Bofinger: Ich will mit meinem Minderheitsvotum keinen Zoff erzeugen, mir geht es vielmehr darum, eine Grundsatzdiskussion über die Grundlinien der Wirtschaftspolitik in Gang zu bringen. Mein Eindruck ist, dass in den letzten Jahren die Balance zuungunsten der Nachfrageseite verloren gegangen ist. Das Ergebnis kann man mit Händen greifen: Wir haben eine stagnierende Binnennachfrage, wie es sie in der ganzen Welt nicht gibt.

      SPIEGEL: Und deshalb sind Sie dagegen, dass der Staat weniger Geld ausgibt. Dass der Staat sparen müsse, haben Sie einmal gesagt, gehöre zu den Talkshow-Weisheiten. Wie kam denn diese Ansicht bei Ihren Kollegen an?

      Bofinger: Es gibt wohl kein Wort in der Volkswirtschaftslehre, das so viele Bedeutungen hat wie das Wort "sparen".

      SPIEGEL: Sie weichen aus. Muss der Staat nun sparen, oder muss er das nicht?



      Bofinger: Wenn Sie "sparen" definieren als den haushälterischen Umgang des Staates mit den Mitteln, die er den Privaten abnimmt, bin ich selbstverständlich für sparen.

      SPIEGEL: Der Staat gibt allerdings auch aus, was er nicht hat. Sonst wäre er nicht so stark verschuldet.

      Bofinger: Richtig. Deshalb steht derzeit ja das Ziel im Mittelpunkt, die Neuverschuldung des Bundes und der öffentlichen Haushalte insgesamt zurückzuführen. Die Frage ist nur: Wie macht man das?

      SPIEGEL: Ihre Antwort?

      Bofinger: Die Ursache dafür, dass wir seit vier Jahren eine gesamtstaatliche Defizitquote von mehr als drei Prozent haben, liegt nicht darin, dass die öffentliche Hand das Geld zum Fenster hinausgeworfen hat. Im Gegenteil: Deutschland ist eines der wenigen Länder, die in den letzten Jahren die Staatsquote, also die Staatsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, deutlich zurückgeführt haben. Die Personalausgaben sind gesunken, die öffentlichen Investitionsausgaben wurden drastisch zurückgeführt. Das zeigt, dass Sparanstrengungen unternommen worden sind. Das Problem beim Sparen in den öffentlichen Haushalten ist, dass man aufpassen muss, dass man nicht negative Rückkopplungseffekte auf die gesamte Nachfrage bekommt.

      SPIEGEL: Lässt die steigende Neuverschuldung nicht eher darauf schließen, dass der Staat nicht genug gespart hat?

      Bofinger: Nicht unbedingt. Ich halte es nicht für zwingend, US-amerikanische Verhältnisse anzustreben und die Staatsquote auf weit unter 40 Prozent zu drücken. Eine ganze Reihe von Ländern hat eine deutlich höhere Staatsquote als wir, beispielsweise die skandinavischen Länder mit einem Staatsanteil von über 50 Prozent.

      SPIEGEL: Warum sollte sich Deutschland an Ländern orientieren, die noch höhere Abgaben und Steuern verlangen?

      Bofinger: Ich halte es für wichtig, dass man sich grundsätzlich die Frage stellt: Wollen wir einen Magerstaat mit einer noch geringeren Abgabenquote als heute haben? Oder ist nicht über das skandinavische Modell nachzudenken? In allen Studien zur globalen Wettbewerbsfähigkeit gehören die skandinavischen Länder zu den führenden Nationen in Europa. Wenn der Staat mit den Geldern vernünftig umgeht und sie in Bildung und Infrastruktur investiert ...

      SPIEGEL: ... was er in Deutschland aber gerade nicht tut. Der größte Batzen des Haushalts sind doch Sozialleistungen und Zinsen für Altschulden - und deren Anteil steigt von Jahr zu Jahr.

      Bofinger: Nein, der Anteil der Zinsausgaben ist in den letzten Jahren sogar leicht zurückgegangen.

      SPIEGEL: Weil die Zinsen so niedrig sind. Was aber ist, wenn die wieder steigen?

      Bofinger: Die einfache Antwort wäre, irgendwas zusammenzustreichen. Aber man kann fast nichts mehr streichen. Die hohen Sozialausgaben sind - auch das muss man einmal klar sagen - zum wesentlichen Teil Resultat der deutschen Einheit. Das führt zu den enormen Zahlungen des Staates an die Rentenkasse. Ich wüsste nicht, was man daran ändern könnte.

      SPIEGEL: Der Druck zum Sparen kommt unter anderem aus Brüssel. Deutschland wird die Schuldengrenze des Stabilitätspaktes in diesem Jahr zum vierten Mal verletzen. Soll die Regierung die Vorgaben der EU etwa weiter ignorieren?

      Bofinger: Man kann auf zwei Arten versuchen, aus der augenblicklichen Malaise herauszukommen. Die eine ist sparen und Steuern erhöhen - so wie es die Spitzen von Union und SPD planen. Aber man kann auch versuchen, die Dynamik in Deutschland wieder in Gang zu bringen, den Abbau von regulären Jobs zu stoppen und aus der stagnierenden Binnennachfrage herauszukommen.

      SPIEGEL: Also mehr Geld ausgeben statt weniger.

      Bofinger: Nein, das nicht. Aber man muss sich doch fragen, warum sind wir in dieser konjunkturell miesen Situation. Ich bin überzeugt, dass dafür auch der Sparkurs der vergangenen Jahre verantwortlich ist. Die Regierung hat die Konjunktur in den Jahren 2003 und 2004 fiskalpolitisch gebremst, obwohl eher das Gegenteil erforderlich gewesen wäre.

      SPIEGEL: Die Regierung hat genau das gemacht, was der Sachverständigenrat Jahr für Jahr empfohlen hat.

      Bofinger: Es geht darum, die richtige Balance zu finden. Und die hat in den vergangenen Jahren nicht gestimmt. Sehen kann man das an der letzten Stufe der Gesundheitsreform. Beschlossen wurde, Krankengeld und Zahnersatz umzufinanzieren. 0,45 Beitragspunkte, die bislang von den Arbeitgebern bezahlt worden waren, müssen nun von den Arbeitnehmern getragen werden. Das Geld fehlt heute für den Konsum. Wenn jetzt durch eine Mehrwertsteuererhöhung eine kurzfristige Konsolidierung erzielt werden soll, ist das Risiko enorm hoch, dass die labile Konjunktur weiter geschwächt wird. Natürlich ist die Reduzierung der Neuverschuldung ein wichtiges Ziel. Aber muss man deswegen die Notbremse ziehen?

      SPIEGEL: Sie würden also lieber die Nachfrage stärken und höhere Schulden in Kauf nehmen?

      Bofinger: Wenn Deutschland 2006 und 2007 nochmals das Maastricht-Kriterium verfehlen würde, dafür aber 2008 und in den folgenden Jahren das Haushaltsproblem dauerhaft in den Griff bekommt, ist das doch eine bessere Lösung, als krampfhaft zu versuchen, möglichst schnell den Europäischen Stabilitätspakt einzuhalten.

      SPIEGEL: Wenn Sie das garantieren könnten, würden Ihnen wahrscheinlich alle folgen. Der Sachverständigenrat rechnet mit einem Einsparungsbedarf von bescheidenen sechs Milliarden Euro. Ist das Ihre Handschrift?

      Bofinger: Ich finde es erfreulich, dass wir uns geeinigt haben, nicht die Notbremse zu ziehen.

      SPIEGEL: Die künftige Regierung sieht aber einen Einsparungsbedarf von 35 Milliarden. Wer hat sich da verrechnet?
      Bofinger: Wir sehen diesen Bedarf nicht. Nach unseren Berechnungen reichen aus heutiger Sicht gut sechs Milliarden Euro, um die Drei-Prozent-Grenze des Stabilitätspakts im nächsten Jahr zu erfüllen. Man muss klar unterscheiden zwischen der Grenze des Stabilitätspakts, die sich auf den Staat insgesamt bezieht, und die engere Begrenzung durch die Verfassung. Um die einzuhalten, muss im Bundeshaushalt ein deutlich höherer Betrag eingespart werden. Hier hat die amtierende Regierung umfangreiche Vermögensveräußerungen geplant, mit denen diese Lücke im nächsten Jahr geschlossen werden kann.

      SPIEGEL: Und was passiert 2007 und danach?

      Bofinger: Beim Stabilitätspakt gibt es nach unserer Schätzung keine größeren Probleme. Für einen verfassungskonformen Haushalt muss der Bund dagegen jährlich etwa 25 Milliarden streichen ...

      SPIEGEL: ... weil dann das Tafelsilber fast vollständig verkauft ist. Wie soll die Lücke geschlossen werden?

      Bofinger: Das Geld ist durch den weiteren Abbau von Subventionen hereinzuholen.

      SPIEGEL: Warum sollte die Regierung nicht früher mit der Konsolidierung beginnen?

      Bofinger: Weil man nicht wie mit der Axt im Walde vorgehen sollte. Die Gefahr ist riesengroß, dass die Konjunktur dann völlig einbricht. Wenn wir im nächsten Jahr nicht mehr ein Wachstum von einem Prozent, sondern nur noch eines von 0,5 Prozent haben, dann hat das ganze Sparmanöver nichts gebracht, weil die Defizite noch größer sind und die Arbeitslosigkeit weiter steigt.

      SPIEGEL: Wo soll denn der Bund sparen?

      Bofinger: Beispielsweise bei den Mini-Jobs, die der Staat mit mehreren Milliarden subventioniert.

      SPIEGEL: Wollen Sie die abschaffen?

      Bofinger: Ja. Ich finde es erstaunlich, dass nie über die Subventionierung der Mini-Jobs diskutiert wird. Warum ist das Einkommen, das eine verheiratete Frau, die schon vom Ehegatten-Splitting profitiert, mit einem Mini-Job hinzuverdient, steuerfrei? Und warum werden Überstunden voll der Abgabenbelastung unterworfen, während ein zusätzlicher 400-Euro-Job nur mit 25 Prozent belastet wird? Sparpotentiale bestehen auch bei der gesamten Subventionierung von privater Geldersparnis im Rahmen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge, zumindest bei Beziehern höherer Einkommen. Warum muss jemand wie Sie oder ich vom Staat subventioniert werden, damit er fürs Alter spart?

      SPIEGEL: Was würde passieren, wenn die Regierung das 35-Milliarden-Sparpaket umsetzen würde?

      Bofinger: Wir müssen erst einmal sehen, wie das Paket insgesamt aussieht. Aber eine Mehrwertsteuererhöhung, die nur zur Haushaltskonsolidierung stattfindet, halte ich für ein völlig falsches Zeichen. Wenn man schon Steuern erhöhen will, um Haushaltslöcher zu stopfen, sollte man das zur Hälfte über die Einkommensteuer und zur Hälfte über Mehrwertsteuer machen.

      SPIEGEL: Sie wollen also den Spitzensteuersatz, der gerade erst gesenkt wurde, wieder erhöhen?

      Bofinger: Warum denn nicht? Wenn man wirklich Steuern erhöhen will, muss man sich doch fragen: Was zieht den größeren konjunkturellen Ausfall nach sich? Wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird, trifft das in erster Linie Leute mit einem sehr niedrigen Einkommen, einer sehr geringen Sparneigung und einer sehr hohen Konsumneigung.

      SPIEGEL: Der Sachverständigenrat lehnt eine Mehrwertsteuererhöhung zur Haushaltskonsolidierung ab, befürwortet sie aber zur Senkung der Lohnnebenkosten. Sehen Sie das auch so?

      Bofinger: Ja, klar. Aber ich würde noch einen Schritt weiter gehen und die Lohnnebenkosten gezielt im Niedriglohnbereich senken.

      SPIEGEL: Wie soll das genau aussehen?

      Bofinger: Wer monatlich bis 1000 Euro verdient, sollte fünf Prozentpunkte weniger bei der Arbeitslosenversicherung bezahlen.

      SPIEGEL: Das wäre eine Subventionierung der Niedriglohnjobs.

      Bofinger: Genau. Das würde den Geringqualifizierten helfen, die von der Globalisierung besonders betroffen sind. Eine andere Möglichkeit wäre die negative Einkommensteuer, wie sie beispielsweise in den USA existiert. Dort stockt der Staat niedrige Einkommen, die unter dem Sozialhilfeniveau liegen, entsprechend auf.

      SPIEGEL: Müssten die Lohnnebenkosten aber nicht insgesamt sinken - und nicht nur für niedrige Einkommen?

      Bofinger: Natürlich. Der Sachverständigenrat hat ja gerade aufgelistet, dass die sozialen Sicherungssysteme mit versicherungsfremden Leistungen im Umfang von 65 Milliarden Euro überfrachtet sind, die eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden müssten.

      SPIEGEL: Wie weit könnten die Sozialversicherungsbeiträge dann reduziert werden?

      Bofinger: Um rund 7 Punkte, von 42 auf 35.

      SPIEGEL: Und dafür sollte die Mehrwertsteuer noch stärker erhöht werden?

      Bofinger: Man könnte das über einen Mix machen, der auch einen Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer vorsieht, wie das in der Rürup-Kommission diskutiert worden ist.

      SPIEGEL: Die Deutschen müssen sich also auf eine Steuererhöhungswelle einstellen?

      Bofinger: Wenn ich jetzt einfach sage, ich will die Steuern erhöhen, dann fragen die Leute: Spinnt der? Deswegen ist es wichtig zu sagen: Man muss diese Steuererhöhungsdiskussion im Kontext sehen. Wir haben in Deutschland eine extrem hohe Sozialabgabenbelastung und eine sehr geringe Steuerbelastung. Wenn die Steuern steigen und die Sozialabgaben Zug um Zug sinken, dann bedeutet das für den normalen Arbeitnehmer tendenziell sogar eine Entlastung.

      SPIEGEL: Müssten die Arbeitnehmer noch weiter entlastet werden?

      Bofinger: In der Tat haben wir in Deutschland eine Art Teufelskreis aus schwacher Binnennachfrage, einem eher steigenden Beschäftigungsproblem und extrem geringen Lohnzuwächsen. Nur in Japan steigen die Löhne noch langsamer.

      SPIEGEL: Und wie kommen wir aus dem Teufelskreis heraus?

      Bofinger: Das ist schwierig. Das hat sich festgefressen.

      SPIEGEL: Sind höhere Löhne das richtige Signal?

      Bofinger: Wir müssen wieder hin zu einer gesunden Lohnentwicklung kommen, die Tariflöhne müssen wieder um 2,5 bis 3 Prozent steigen.

      SPIEGEL: Lohnzurückhaltung war aber auch eine Forderung des Sachverständigen- rates.

      Bofinger: Richtig, aber das wurde mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie übertrieben. Es ist falsch zu glauben, eine noch konsequentere Lohnzurückhaltung bringt die Wirtschaft wieder in Schwung. Das Gegenteil ist richtig.

      SPIEGEL: Empfehlen Sie wirklich kräftige Lohnerhöhungen, die nach Meinung Ihrer Kollegen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schwächen und damit die Arbeitslosigkeit erhöhen?

      Bofinger: Nein! Es kommt auf die richtige Dosis an. Was wir brauchen, ist eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik, bei der die Kaufkraft steigt, während die Lohnstückkosten und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit unverändert bleiben. Wie soll Wachstum ohne eine höhere Kaufkraft möglich sein? Unternehmen, die Produktivitätsfortschritte erzielen, weil sie mit ihren Beschäftigten mehr Güter herstellen können, sind darauf angewiesen, dass es Konsumenten gibt, die sich auch mehr leisten können. Es gibt von Ludwig Erhard ein schönes Zitat. In seinem Buch "Wohlstand für alle" sagte er, der Widerstand der Arbeitgeber gegenüber Lohnerhöhungen passe nicht in das System der Marktwirtschaft, er missachte die Zielsetzung der Marktwirtschaft, wie er sie verstehe, sogar gröblich.

      SPIEGEL: Herr Professor Bofinger, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

      Das Gespräch führten die Redakteure Sven Afhüppe und Armin Mahler.

      DER SACHVERSTÄNDIGENRAT
      zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berät die Bundesregierung in ökonomischen Fragen.

      Am vergangenen Mittwoch stellten die fünf renommierten Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Wiegard, Peter Bofinger, Beatrice Weder di Mauro, Wolfgang Franz und Bert Rürup (Vorsitzender) ihr gut 650 Seiten starkes Jahresgutachten mit dem Titel "Die Chance nutzen - Reformen mutig voranbringen" vor. Hinter den Kulissen gab es auch in diesem Jahr heftige Diskussionen über die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der sogenannten Fünf Weisen.

      Auf 21 Seiten kritisiert Bofinger, 51, der über die Gewerkschaften in den Rat gekommen ist, unter der Überschrift "Eine andere Meinung" viele Empfehlungen seiner Kollegen. So tritt der streitbare Ökonom für eine Stärkung der Nachfrage ein, eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes hält er dagegen für unangebracht.
      Avatar
      schrieb am 30.11.05 12:57:25
      Beitrag Nr. 435 ()
      NEUES ZU HARTZ IV

      Das Kabinett beschloss gestern Neues zum Arbeitsmarkt: Das "Arbeitslosengeld II" soll im Osten auf das Westniveau von 345 Euro angehoben werden. Allerdings frühestens ab 1. Mai 2006. Auch die Lohnzuschüsse für Arbeitslose über 50 wurden bis 2007 verlängert. Außerdem soll die Regelung um zwei Jahre verlängert werden, mit der Arbeitslose ab 58 bis zur Rente ALG II beziehen können. Ebenfalls verlängert wurde die Regelung zu "Ich-AGs": Arbeitsämter können die Existenzgründung bis Ende Juni 2006 fördern. Die Bundesregierung verspricht sich eine Entlastung der Arbeitslosenzahlen. TA

      taz Nr. 7833 vom 30.11.2005, Seite 8, 21 Zeilen (TAZ-Bericht), TA
      Avatar
      schrieb am 30.11.05 14:40:11
      Beitrag Nr. 436 ()
      SPIEGEL ONLINE - 30. November 2005, 12:22
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,386396,00.html

      Dm-Chef Werner zum Grundeinkommen

      "Wir würden gewaltig reicher werden"

      Mit großformatigen Anzeigen wirbt der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, für ein garantiertes Grundeinkommen. Das Geld dafür soll eine Steuerreform einbringen, gegen die die Pläne von Paul Kirchhof zaghaft erscheinen. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erklären er und der Steuerexperte Benediktus Hardorp, wie das Ganze funktionieren soll.

      SPIEGEL ONLINE: Herr Werner, Herr Hardorp, Sie fordern ein Bürgergeld, das jedem zustehen soll, egal ob er arbeitet oder nicht, ob er arm ist oder reich. Wie soll das funktionieren?




      Dm-Gründer Werner: "Den Menschen Faulheit zu unterstellen ist unfair, und es wird auch der Wirklichkeit nicht gerecht"
      Götz Werner: Nach unserem Modell hätte jeder einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betrag in Höhe von durchschnittlich 1200 Euro pro Monat. Der Unterschied zur heute geübten Praxis würde darin bestehen, dass der Betreffende nicht erst Bedingungen erfüllen muss, um Geld vom Staat zu erhalten.

      SPIEGEL ONLINE: Sie wollen also auch denjenigen Geld geben, die es eigentlich gar nicht nötig hätten?

      Werner: Jeder könnte darüber verfügen, ohne als Bittsteller dazustehen. Auf der Basis einer solchermaßen gesicherten Existenz hätte er den Freiraum, den er braucht, um seine Fähigkeiten in die Gemeinschaft einzubringen.

      SPIEGEL ONLINE: Heute haben diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten können, auch ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Unterstützung. Sie weiten den Kreis der Empfänger nur drastisch aus.

      Werner: Heute muss jeder nachweisen, dass er nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Ein Beleg für sein Unvermögen sozusagen. Das macht die Menschen zu Almosenempfängern, und das belastet ungeheuer. Die einen kapseln sich ab, werden phlegmatisch, die anderen suchen sich ihre Bestätigung möglicherweise durch Imponiergehabe oder im Extremfall sogar in Gewalt, wie das in den vergangenen Wochen in Frankreich zu beobachten war.

      Benediktus Hardorp: Aber nicht nur für die Bedürftigen würde sich viel ändern: Niemand würde mehr arbeiten, um seine Existenz zu sichern, sondern weil er in der Arbeit seine Erfüllung findet. Er hätte die Freiheit, sich den Platz in der Gemeinschaft zu suchen, wo er den sinnvollsten Beitrag leisten kann. Wenn zum Beispiel Bergarbeiter heute auf die Straße gehen, weil unter Tage Arbeitsplätze abgebaut werden, die laut, anstrengend und gefährlich sind, dann nicht, weil sie dort so gerne arbeiten, sondern weil sie um ihr Einkommen fürchten.

      SPIEGEL ONLINE: Wer aber macht so unattraktive Arbeit wie diese Bergarbeiter, wenn sie nicht mehr darauf angewiesen sind?

      Werner: Dafür gibt es prinzipiell vier Möglichkeiten. Man macht es selbst, man zahlt entsprechend gute Löhne. Man automatisiert. Oder es geschieht, wie heute schon bei der Spargel- und Erdbeerernte.

      SPIEGEL ONLINE: Derweil ruhen sich die Deutschen in der sozialen Hängematte aus.

      Werner: Den Menschen Faulheit zu unterstellen ist unfair, und es wird auch der Wirklichkeit nicht gerecht. Die Allermeisten wollen arbeiten, das zeigt mir meine Erfahrung als Unternehmer - das gilt für die Filialleiter ebenso wie für die Lagerarbeiter oder die Menschen an der Kasse. Denn Arbeit vermittelt den Menschen das Gefühl und Bewusstsein, gebraucht zu werden, anerkannt zu sein im sozialen Netzwerk.

      SPIEGEL ONLINE: Entspricht diese Sichtweise nicht eher der Wunschvorstellung von einer schönen neuen Welt?

      Werner: Sie wird noch viel schöner, wenn man sich die gesellschaftlichen Veränderungen vor Augen führt, die das Grundeinkommen zur Folge hätte. Studenten könnten sich ihr Studienfach nach ihren Interessen und Talenten aussuchen und nicht im Hinblick auf die späteren Karrierechancen. Und stellen Sie sich den gemeinnützigen Bereich vor: Mit einem Grundeinkommen könnten es sich die Menschen endlich leisten, dort zu arbeiten und anderen zu helfen.


      Götz Werner

      Götz Werner hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt. Nach einer Lehre als Drogerist arbeitete er fünf Jahre lang in einem Karlsruher Drogerieunternehmen. Schnell jedoch entwickelte er eigene Ideen für einen Discounter nach dem Vorbild von Aldi. Weil sein Chef diese nicht teilen wollte, eröffnete er 1973 seinen ersten eigenen Laden. Heute besitzt er 1642 Drogeriemärkte und beschäftigt 23.000 Menschen. Sein Konzern setzt inzwischen drei Milliarden Euro pro Jahr um, und ein Ende des Wachstums ist nicht abzusehen - seit Jahren steigt der Umsatz Jahr für Jahr zweistellig. Werner unterrichtet nebenbei als Professor an der Universität Karlsruhe das Fach "Unternehmertum".

      Benediktus Hardorp

      Benediktus Hardorp war zunächst als Wirtschaftsprüfer für dm tätig. Während eines Kongresses zur Steuerpolitik den er und Werner besuchten, stellten beide fest, dass sie, was Grundlohn und Steuersystem betrifft, ihre Überzeugungen teilten. Seitdem treiben beide das Thema mit großer Energie voran. Auch sonst stimmt die Chemie zwischen Hardorp und Werner. Beide sind Anthroposophen. Beide engagieren sich mit großem Einsatz auf sozialem Gebiet.

      Dm

      Dm gilt als echtes Vorzeigeunternehmen. Die Drogeriekette erwirtschaftet mit rund einem Prozent eine im Branchenvergleich sehr ansehnliche Rendite und zählt gleichzeitig - ganz im Gegensatz zu seinen Konkurrenten - zu den Lieblingsarbeitgebern der Gewerkschaften. Das hat offenkundig viel mit der Person Götz Werners und seinem ungewöhnlichen Führungsstil zu tun. Der bekennende Anthroposoph gewährt seinen Mitarbeitern Freiheiten wie sonst kaum ein Firmenpatriarch. So dürfen die Beschäftigten über Sortiment, Dienstpläne und Gehälter mitentscheiden; sie wählen ihre Vorgesetzten zum Teil selbst. Ihre Löhne werden in der Firmenzentrale in Karlsruhe nicht als "Personalkosten" verbucht, sondern als "Leistungsbeitrag".

      Das Konzept

      In seinen Grundzügen sieht das Konzept ein gesetzlich festgelegtes Grundeinkommen für jeden Bundesbürger vor. Finanziert werden soll der Betrag, indem die bisherigen direkten und indirekten Sozialausgaben in Höhe von gegenwärtig 720 Milliarden Euro umgeleitet werden. Bei geschätzten 82 Millionen Empfängern käme für jeden rein rechnerisch ein Betrag von 731 Euro pro Monat zusammen. Der Vorschlag Werners und Hardorps geht aber noch weiter: Alle direkten Steuern für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen entfallen. Der Staat soll sich stattdessen durch höhere Verbrauchssteuern wie die Mehrwertsteuer finanzieren und sämtliche bisherigen Subventionen streichen. "Jeder Kostenfaktor eines Produktes oder einer Dienstleistung fließt heute in den Kaufpreis ein. Und da die Kosten durch Grundeinkommen und Steuerbefreiung sinken, würde auch der Preis fallen und einen Spielraum für Steuererhöhungen auf Produkte und Dienstleistungen schaffen", sagt Werner.




      Hardorp: Hinzu kommt, dass Arbeitgeber nicht mehr mit ihren Angestellten umspringen könnten, wie es ihnen beliebt. Die wären nämlich frei in ihrer Entscheidung zu kündigen, weil sie damit nicht ihre Existenz aufs Spiel setzen würden. Die zusätzliche Freiheit würde sich speziell auch in den unteren Lohngruppen bemerkbar machen, denn diese befinden sich unter den bestehenden Umständen in einer doppelten Zwickmühle. Sie werden demotiviert durch schwierige Arbeitsbedingungen und stehen gleichzeitig häufig noch schlechter da, wenn sie arbeiten, als wenn sie sich auf die Sozialsysteme verlassen.

      SPIEGEL ONLINE: Sie wollen aber nicht nur viel Geld für ein Grundeinkommen ausgeben, sondern auch auf Steuereinnahmen verzichten.

      Hardorp: Richtig. Null Steuern für alle Einkommen.

      SPIEGEL ONLINE: Alle?

      Werner: Lohnsteuer, Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer, Vermögensteuer - alles fällt weg.

      SPIEGEL ONLINE: Und wer soll das bezahlen?

      Werner: Ein Großteil der Summe bezahlt die Gesellschaft ohnehin schon für Sozialleistungen und Subventionen - rund 720 Milliarden Euro, die dann wegfallen würden. Nehmen Sie allein den Grundfreibetrag, den jeder in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen kann. Aber Sie haben Recht, am Ende bleibt eine Differenz, die die Bürger bezahlen müssen. Wie groß diese ist, hängt natürlich davon ab, wie hoch das Grundeinkommen ist, über das sich die Gesellschaft verständigt. Wir denken, dass es über das ganze Leben verteilt im Durchschnitt 1200 Euro pro Monat betragen könnte, in der Jugend und im Alter weniger und zwischen 30 und 45 mehr.

      SPIEGEL ONLINE: Überschlägig gerechnet würde ein Grundeinkommen von durchschnittlich 1200 Euro für jeden Bundesbürger mehr als 1400 Milliarden Euro kosten. Wie wollen Sie die Deckungslücke füllen?

      Werner: Wie gesagt, über die Höhe des Gundeinkommens müsste sich die Gesellschaft verständigen. Zunächst würde es wohl geringer ausfallen. Aber am Ende wird der Produktivitätsfortschritt in der Gesellschaft so gewaltig sein, dass genügend Geld zur Verfügung stehen wird. Im Übrigen sprechen wir nicht von null Steuern. Eine einzige würde noch anfallen: die Konsumsteuer.

      SPIEGEL ONLINE: Ein solcher Steuersatz müsste absurd hoch sein. Was Sie den Bürgern also in die rechte Tasche stecken, ziehen Sie ihnen aus der linken wieder heraus.

      Werner: Die Logik, dass man das Geld erst verdienen muss, bevor man es ausgibt, kann ich auch nicht außer Kraft setzen. Übrigens sind auch heutzutage alle Steuern, tatsächlich alle Steuern, am Ende im Preis für die Ware oder Dienstleistung enthalten. Sie werden also auch vom Endverbraucher bezahlt. Würde man alle Staatseinkünfte über eine einzige Steuer einnehmen, so würde damit auch endlich klar, wie groß der Staatsanteil wirklich ist - er ließe sich ganz einfach an der Höhe der Mehrwertsteuer ablesen.

      SPIEGEL ONLINE: Aber bei einer so hohen Verbrauchsteuer bleibt kaum noch etwas übrig von dem Grundeinkommen?

      Werner: Zu Anfang würde es ungefähr in dem Bereich liegen, den heute ein Hartz-IV-Empfänger insgesamt zur Verfügung hat.

      SPIEGEL ONLINE: Ein nicht gerade berauschendes Ergebnis angesichts der Tatsache, dass Sie das gesamte System umstürzen.

      Werner: Die Vorteile sind so groß, dass sich der Umsturz lohnt. Zum einen fällt die Steuer nicht mehr innerhalb des Wertschöpfungsprozesses an, also an der Stelle, wo die Menschen Leistung erbringen. Stattdessen bezahlt sie derjenige, der das Produkt am Ende der Wertschöpfungskette haben will. Leistung würde sich also wieder lohnen. Weil Arbeit billiger würde, könnten eine ganze Reihe neuer Jobs entstehen. Und natürlich hätten diejenigen, die bisher schwarz gearbeitet haben, plötzlich reguläre Jobs. Die Exportwirtschaft würde im Ausland noch wettbewerbsfähiger werden. Kapitalflucht ins Ausland wäre kein Thema mehr, weil sich damit keine Steuerzahlungen mehr vermeiden ließen. Das Geld bliebe im Lande und stünde für Investitionen zur Verfügung. Wir würden um ein gewaltiges Ausmaß reicher werden als heute.

      Hardorp: Natürlich würde auch der Drang, Geld lieber in Investitionsruinen zu versenken, als es dem Fiskus zu überlassen, verschwinden, denn wo keine Steuerbelastung anfällt, fehlt auch das Bestreben, sie zu reduzieren. Fehlsteuerungen würden vermieden. Den Vorteil, den die Vereinfachung der ganzen Steuer- und Verteilungsbürokratie mit sich bringt, wage ich gar nicht abzuschätzen.

      SPIEGEL ONLINE: Die Verbrauchsteuern bezahlen Arme gleichermaßen wie Reiche. Wo bleibt der Grundsatz, dass die Starken einen höheren Anteil an der Finanzierung des Staates übernehmen sollen?

      Werner: Zum einen konsumieren sie natürlich mehr und bezahlen auf diese Weise mehr Steuern. Das Geld, das sie nicht ausgeben, kommt über Investitionen wieder der Gesellschaft zugute. Aber ich gebe zu: Eine überproportionale Belastung, wie wir sie im derzeitigen System kennen, ist das nicht. Sie würde aber auch nichts bringen, denn sie wird am Ende ja doch weiterverkalkuliert und landet in den Preisen.

      SPIEGEL ONLINE: Und wie viele zusätzliche Arbeitsplätze würde Ihr Modell bringen?

      Werner: Falscher Ansatz. In dieser Welt gäbe es keine Arbeitslosen mehr, denn alle die arbeiten wollen, könnten das tun - und ich bin sicher jeder würde seinen Weg finden.

      Das Gespräch führte Michael Kröger
      Avatar
      schrieb am 05.12.05 16:00:14
      Beitrag Nr. 437 ()
      ...

      "The Have and the Have-Nots"



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      SPIEGEL ONLINE - 05. Dezember 2005, 09:33
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,388514,00.html


      Geldsegen

      Dax-Aktionären winkt Rekord-Dividende

      Die Dax-Unternehmen werden in der ersten Hälfte 2006 wohl so viel Dividende zahlen wie noch nie. Laut einer Studie dürften mehr als 18 Milliarden Euro an die Anleger ausgezahlt werden. Deutsche Börse und die Deutsche Telekom geraten dabei besonders in den Blick.

      Stuttgart - Die 30 im Dax gelisteten Konzerne werden im Frühjahr 2006 mehr als 18 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner ausschütten. Das ergab eine Studie der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW): Die Rekordausschüttung des Jahres 2000 dürfte um rund 15 Prozent übertroffen werden. Die Dax-Dividendenrendite dürfte im Jahr 2006 nach Berechnungen der LBBW von aktuell 2,2 auf 2,7 Prozent steigen.



      18 Milliarden für Aktionäre

      Gegenüber dem Vorjahr dürften die Dividenden den Berechnungen zufolge um 23 Prozent zulegen. Vor allem institutionelle Investoren im Ausland drängen die hiesigen Firmen zu höheren Ausschüttungen.

      Die Prognose wurde auf Basis von Aussagen der Vorstände, Schätzungen aller großen Investmentbanken und der Rekordgewinne der Firmen erstellt. Wie es in der Studie der LBBW weiter heißt, wird im kommenden Jahr kein Dax-Konzern die Dividende für das Geschäftsjahr 2005 senken: 24 Dax-Konzerne dürften sogar die Dividende erhöhen.

      Deutsche Börse: Dividende um 150 Prozent erhöht

      Der Dax-Wert mit der höchsten Dividendendynamik wird voraussichtlich die Deutsche Börse sein. Nachdem die geplante Übernahme der London Stock Exchange (LSE) geplatzt ist, wird die prall gefüllte Kasse in Form einer voraussichtlich um 150 Prozent erhöhten Ausschüttung an die Aktionäre verteilt, so die Studie. Die Hoffnung auf einen solchen Geldsegen hat den Kurs der Deutschen Börse bereits kräftig steigen lassen: Sie zählt zu den hochkapitalisierten Werten und Top-Performern im Dax 2005.

      Als zweiter Dax-Wert dürfte auch die Commerzbank die Dividende mehr als verdoppeln, und zwar von 25 auf 55 Cent. Daneben winken kräftige Steigerungen bei Bayer (Steigerung um voraussichtlich 80 Prozent auf 1 Euro), Münchener Rück (62 Prozent auf 3,25 Euro) und Continental (50 Prozent auf 1,20 Euro).

      75 Cent je Aktie: Telekom mit höchster Dividendensumme

      Die Deutsche Telekom dürfte absolut gesehen das meiste Geld an die Aktionäre verteilen. Bei einer erwarteten Dividendenerhöhung von 62 auf 75 Cent dürfte die Telekom nach der Hauptversammlung im Mai 2006 insgesamt rund 3,1 Milliarden Euro an die Aktionäre ausschütten. Neben der Telekom dürften fünf weitere Dax-Titel im Jahr 2006 jeweils mehr als eine Milliarde Euro ausschütten.

      Ausnahme ist Infineon. Wie schon in den Vorjahren wird das Unternehmen kein Geld an die Aktionäre ausschütten. Der angeschlagene Chiphersteller ist der einzige Dax-Konzern, der im laufenden Jahr Verluste ausweisen wird.

      Dividende: Die Top fünf im Dax

      Das kräftige Wachstum der Ausschüttungen schlägt sich auch in den Dividendenrenditen nieder. Mit einer für das Geschäftsjahr 2005 erwarteten Dividendenrendite von aktuell 5,2 Prozent scheint derzeit die Deutsche Telekom am attraktivsten, so die LBBW. Es folgen TUI (erwartete Dividende von 77, Cent / 4,7 Prozent Dividendenrendite), ThyssenKrupp (80 Cent / 4,6 Prozent), E.on (2,80 Euro / 3,5 Prozent) und DaimlerChrysler (1,50 Euro / 3,5 Prozent Dividendenrendite).

      Derzeit würden die Dividenden um rund fünf Prozent stärker steigen als die Gewinne, so die Studie. Dieser Trend könnte sich noch fortsetzen: Schließlich weise der Dax im Vergleich zum EuroStoxx 50 bei der durchschnittlichen Dividendenrendite immer noch einen Abschlag von rund 0,5 Prozent auf.



      -----------------------------------------------------

      Wir sind mit Höchstgeschwindigkeit auf dem weg zu US-amerikanischen verhältnissen, die Schere zwichen Arm und reich geht dramtaisch weiterhin auf...
      Avatar
      schrieb am 07.12.05 12:27:59
      Beitrag Nr. 438 ()
      Es ist nicht die deutsche Infrastruktur oder angeblich zu hohe Lohnebenkosten, es ist einzig die unendliche Raffgier des hemmungslosen Kapitals, welches deutschland bedroht:

      :mad:




      SPIEGEL ONLINE - 07. Dezember 2005, 12:12
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,389038,00.html


      Continental

      Bedrohtes Werk macht Millionengewinne

      Den Beschäftigten des Automobilzulieferers Continental muss die drohende Schließung der Reifenproduktion Hannover-Stöcken besonders sauer aufstoßen. Einem Pressebericht zufolge gibt es nämlich keinen wirtschaftlichen Grund dafür - die Fabrik arbeitet hoch profitabel.

      Köln - Wie das Wirtschaftsmagazin "Capital" berichtet, hat die Produktionsstätte im vergangenen Jahr einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 40 Millionen Euro erwirtschaftet. Continental wollte auf Anfrage des Magazins diese Angaben weder bestätigen noch dementieren.




      Conti-Reifenwerk in Hannover-Stöcken: 40 Millionen Gewinn im vergangenen Jahr

      Gestern erst hatten Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschafter an allen 26 deutschen Standorten in Betriebsversammlungen protestiert. Die Belegschaft forderte die Unternehmensspitze auf, die von Wennemer angekündigte Schließung der Pkw-Reifenproduktion in Hannover-Stöcken zurückzunehmen und eine eindeutige Standorterklärung abzugeben.

      Im Stammwerk Stöcken will das Unternehmen die Pkw-Reifenproduktion mit 320 Beschäftigten schließen. Die Gewerkschafter halten dieses Vorgehen für rechtswidrig, weil es den Vereinbarungen vom Mai widerspreche.

      Betriebsrat und Gewerkschaften hatten nicht zuletzt zu dem bundesweiten Aktionstag aufgerufen, weil sie befürchten, dass andernorts ebenfalls Arbeitsplätze in Gefahr geraten oder ins Ausland verlagert werden könnten. Sie werfen der Unternehmensspitze vor, sich einseitig an Kapitalinteressen zu orientieren. Conti schreibt derzeit Rekordgewinne.

      Die Konzernspitze begründet die Schließung in Hannover damit, dass das Wachstum in der Reifensparte geringer ausgefallen sei als erwartet. Die Produktion in Stöcken sei die kleinste und insgesamt auch die teuerste. Zudem müsse Conti angesichts des zunehmenden Wettbewerbs aus China und Korea auch in den kommenden Jahren konkurrenzfähig sein.

      Das Unternehmen erklärte, der Conti-Vorstand setze weiter auf Dialog mit der Belegschaft. "Wir werden auch zukünftig im Gespräch mit den Arbeitnehmervertretungen gangbare Wege finden, um das Unternehmen auf internationalem Spitzenniveau zu halten und im Wettbewerb bestehen zu können", sagte Wennemer. Er wies auch darauf hin, dass die Beschäftigten in Deutschland über 60 Millionen Euro Weihnachtsgeld und zum zweiten Mal übertarifliche Erfolgsbeteiligungen in zweistelliger Millionenhöhe erhielten. Nur ein finanzstarker Konzern könne das leisten.
      Avatar
      schrieb am 07.12.05 12:46:30
      Beitrag Nr. 439 ()
      Tja, und wem gehört Continental? Großaktionäre gem. Bafin und anderer Quellen (z.b. adr.com)

      11,7% AXA (Frankreich)
      5,5% Barclays (UK)
      5,0% Capital Group (USA)
      5,0% Fidelity (USA)

      Hier sieht man das Geheimnis der "Fehler" der Politik, das scheinbare "an die Wand fahren" Deutschlands. Wer zahlt schafft an, die Politik wird nicht von der Masse der Wähler, sondern von den "Besitzern der Produktionsmittel" bestimmt. Und die ist international, nationale Politik gibt es nicht mehr, "Deutschland" ist der Politik genauso drecksegal wie vor 200 Jahren plötzlich einst so heilige Begriffe wie "Fürstentum Lippe-Schaumburg" oder "Herzogliche Durchlaucht" drecksegal wurden, als feudaler Grundbesitz die wirtschaftliche Vormachtstellung verlor.
      Avatar
      schrieb am 14.12.05 09:29:17
      Beitrag Nr. 440 ()
      Die Komplizenschaft der Parteien (Originalton Bundespräsident Weizäcker im Amt: "Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht" - Man muss wohl sagen: gemeinsam mit dem Großkapital) mit den Heuschrecken hat vielleicht ein Ende... zumindest sagt jetzt endlich mal wieder jemand etwas - und nicht irgendwer:



      SPIEGEL ONLINE - 14. Dezember 2005, 09:08
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,390274,00.html



      Vorwurf

      Unternehmen plündern den Sozialstaat

      Entlassungen entschuldigen die Großkonzerne gerne mit dem Hinweis auf die Globalisierung. Dass sie dabei die Lasten dem Staat überlassen, wollen Sozialpolitiker immer weniger hinnehmen. Sie bekommen jetzt Schützenhilfe vom Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier.


      Chemnitz/Frankfurt am Main - Papier sagte der "Berliner Zeitung", zwar müssten Unternehmen grundsätzlich ihre verbrieften Rechte in Anspruch nehmen können, der Gesetzgeber müsse aber die Sozialbindung der Unternehmer stärker im Auge behalten. Die Nationalstaaten müssten verhindern, dass sie wegen der zunehmend globalisierten Wirtschaft ihre Steuerungs- und Gestaltungskraft verlieren. Es könne nicht sein, dass nationale Gesetzgeber nur noch für das Auffangen sozialpolitischer Kollateralschäden der Weltwirtschaft zuständig seien, sagte der Verfassungsgerichtspräsident.

      Der Präsident des Sozialverbands VdK, Walter Hirrlinger, wies auf die Belastung der Rentenkassen durch die zahlreichen Entlassungen hin. Immer mehr Konzerne würden wie etwa Telekom und AEG würden auf Kosten der Beitragszahler und Rentner Tausende Beschäftigte auf die Straße setzen und so ihre Dividenden erhöhen, sagte Hirrlinger der Chemnitzer "Freien Presse". Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass für Altersteilzeit und Frühverrentung die Unternehmen aufzukommen hätten. Für die Sanierung der Konzerne müsse vor allem die Rentenkasse herhalten. Die Folge seien höhere Beitragssätze und Kürzungen der Altersbezüge für die Senioren.

      Hirrlinger forderte die Bundesregierung auf, gesetzlich dafür sorgen, dass die Unternehmen künftig die Entlassungen finanziell alleine zu tragen hätten. "Mit dieser Plünderung der Sozialkassen versündigen sich die Arbeitgeber an der Gesellschaft", betonte der VdK-Präsident. Es sei längst an der Zeit, einen zusätzlichen Solidaritätszuschlag von den Unternehmen zu verlangen. Mit diesem Extra-Soli wären sie dann auch an den Kosten der versicherungsfremden Leistungen beteiligt. Die Politik müsse ein Stoppzeichen setzen und dürfe nicht weiter tatenlos zu gucken, wie sich die Konzerne mit den Geldern der Beitragszahler sanierten.
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 14:01:20
      Beitrag Nr. 441 ()
      SPIEGEL ONLINE - 26. Dezember 2005, 12:45
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,392153,00.html


      Volkswirt Horn im Interview

      Gustav-Adolf Horn wurde als Konjunkturexperte beim DIW bekannt. Inzwischen ist er Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung

      Im Interview der Nachrichtenagentur AP äußerte er sich zu Konjunkturaussichten und den Plänen der neuen Regierung




      "Dann stürzen die Löhne ins Bodenlose"

      Die von der Großen Koalition geplanten Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur reichen bei weitem nicht aus, kritisiert der Wirtschaftsforschers Gustav Horn. Im Interview fordert er ein groß angelegtes Investitionsprogramm.

      --------------------------------------------------------

      Als die Weichen für eine Große Koalition gestellt waren - was waren da Ihre Gedanken? Hoffnung auf Besserung?

      Horn: Ich habe gedacht: Jetzt besteht zumindest eine Chance auf Besserung. Weil nur die große Koalition einige Probleme angehen konnte. Eine Föderalismusreform war möglich, auch eine sinnvolle Reform der Sozialversicherungssysteme. Selbst eine konjunkturstimulierende Maßnahme wäre möglich gewesen, wenn man sie denn gemacht hätte.

      Hätte?

      Horn: Hätte, ja. Manche Dinge sind gemacht worden. Eine Föderalismusreform ist angegangen worden. Beim Sozialsystem muss man mal sehen was kommt, zumindest steht es auf der Agenda. Es soll eine Gesundheitsreform kommen, auch da muss man abwarten, wie die aussieht. Eine stärkere Steuerfinanzierung der Sozialsysteme soll stattfinden, das finde ich richtig.




      Was mir fehlt ist allerdings, dass entgegen den Ankündigungen, im nächsten Jahr werde es einen Rückenwind geben, dieser Rückenwind allenfalls ein laues Lüftchen ist. Er wird nicht ausreichen, die Konjunktur so weit voranzutreiben, dass wir übernächstes Jahr mit massiven Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen gut über die Runden kommen.

      Was können denn das für Maßnahmen sein?

      Horn: Man hätte in der Tat ein größeres Investitionsprogramm auflegen können als das, was da vorgesehen ist. Das sind alles nur Tropfen auf dem heißen Stein. Das ist zwar alles richtig, was da steht, aber es ist von der Quantität her bei weitem nicht genug, um ausreichend Rückenwind zu entfachen.

      Sie sprechen in ihren Publikationen von der tiefsten Konsumkrise der Nachkriegszeit. Wie kommt die Nachfrage wieder in Gang?

      Horn: Indem der Fokus von der Arbeitsmarktpolitik weg und hin zu einer gesamtwirtschaftlichen Politik gerichtet wird, die auch die Nachfrage mit ins Bild nimmt. Eine vernünftige gesamtwirtschaftliche Politik achtet auf gute Angebotsbedingungen und auf gute Nachfragebedingungen. Wir haben gute Angebotsbedingungen, man muss also derzeit auf die Nachfrage schauen. Hier ist die Fiskalpolitik gefordert, und zwar muss die Konsolidierung als mittelfristiger Prozess verstanden werden, nicht als eine Punktlandung.

      Zweitens muss das Steuersystem so gestaltet werden, dass die Menschen, die ganz normaler Arbeit nachgehen, geringer belastet werden. Das Gros des Steueraufkommens kommt jetzt aus den Arbeitseinkommen, Selbstständige tragen kaum noch dazu bei. Hier ist ein gerechteres Steuersystem von Vorteil, auch für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.

      Immer mehr Unternehmen lösen sich aus dem Flächentarif und schließen regionale, örtliche Tarifverträge ab. Verabschiedet sich Deutschland gerade von einer Tarifeinheit, die nach dem Krieg mit Mühen erkämpft wurde?

      Horn: Ja, die Tariflandschaft wird heterogener. Das ist ohne Zweifel richtig. Die Frage ist jedoch, wie diese Tarife ausgehandelt werden. Ist es so eine Art tariffreie Zone, wie es in Ostdeutschland häufig der Fall ist? Oder haben wir hier eine dezentrale Lohnfindung, die aber weiterhin unter der Regie der Gewerkschaften und der Unternehmensverbände stattfindet, wie es derzeit in weiten Teilen der IG Metall passiert? Letzteres ist möglich.

      Wenn es die Besonderheiten in den Betrieben aufgreift und gleichzeitig die Unternehmen beispielsweise mit höheren Innovationsaufwendungen reagieren, dann kann man sich manches denken. Ein Problem wäre Tariffreiheit. Denn dann stürzen die Löhne ins Bodenlose, ohne das die Arbeitslosigkeit niedriger wird, wie wir das am Beispiel Ostdeutschland exemplarisch sehen.

      Ein Mindestlohn ist aber auch nicht das, was Sie wollen.

      Horn: Das ist nur eine Notlösung. Ich plädiere für tariflich vereinbarte Löhne, das ist ja faktisch auch ein ökonomischer Mindestlohn. Ich hätte den Gesetzgeber lieber raus aus dieser Geschichte. Man muss jedoch den Verhältnissen Rechnung tragen. Wenn es, wie in vielen Teilen Ostdeutschlands, keine Tarifparteien mehr gibt, dann ist der Gesetzgeber gefordert - und dann kommt man um einen Mindestlohn nicht herum. Wir sind da im Moment auf dem Weg in amerikanische Verhältnisse, und die Amerikaner haben aus selbigem Grund einen Mindestlohn.

      Aus Amerika kennen wir auch das Hire-and-Fire-Prinzip. Die Bundesregierung will die Möglichkeit schaffen, die Probezeiten zu verlängern, umso für mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Was ist davon zu halten?

      Horn: Der große Irrtum, den auch die herrschende Lehre in Deutschland begeht, ist die Annahme, das Grundproblem der hohen Arbeitslosigkeit sei durch einen zu rigiden Arbeitsmarkt begründet. Man bräuchte den Arbeitsmarkt nur zu flexibilisieren und schon wäre das Beschäftigungsproblem gelöst. Das ist ein ganz großer und gewaltiger Irrtum. Wir haben in Deutschland bereits einen sehr flexiblen Arbeitsmarkt, die Gewerkschaften waren ausgesprochen moderat. In keinem anderen Industrieland waren die Lohnabschlüsse in den letzten zehn Jahren so gering wie in Deutschland.

      Die Fragen stellte Stefan Lange, AP
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 14:06:52
      Beitrag Nr. 442 ()
      Der Dax hat 2005 rund 27 Prozent zugelegt. Man hätte mit Dax-Unternehmen noch mehr Geld verdienen können – mit der Einschränkung auf dividendenstarke Unternehmen.

      Wie war das noch einmal?
      Die Arbeitgeber müssen zurückstecken, eil es der Wirtschaft schlecht geht, ja?
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 15:51:35
      Beitrag Nr. 443 ()
      zum Titelthema, gefunden im Handelsblatt:

      "Hartz-Reformen in großen Teilen ein Debakel
      Große Teile der Hartz-Reformen laufen ins Leere, einzelne Teile wirken sogar kontraproduktiv. Das ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Evaluierung der Reformpakete Hartz I bis III im Auftrag der Bundesregierung.


      HB BERLIN. Die mehrere tausend Seiten umfassenden internen Berichte liegen dem Handelsblatt vor. An der Untersuchung waren die führenden ökonomischen Denkfabriken Deutschlands beteiligt, unter anderem das Wissenschaftszentrum Berlin sowie die Wirtschaftsforschungsinstitute DIW, RWI und ZEW.

      Besonders schlecht kommen die Personal-Service-Agenturen (PSA) weg, die einst als Herzstück der Reformen galten. „Der Einsatz in einer PSA verlängert im Vergleich zur Kontrollgruppe die durchschnittliche Arbeitslosigkeit um fast einen Monat, gleichzeitig liegen die monatlichen Kosten weit über den ansonsten entstandenen Transferleistungen“, heißt es im Untersuchungsbericht. Unter dem Strich verursache jeder Arbeitslose, der an eine PSA überwiesen wird, pro Monat Mehrkosten in Höhe von 5700 Euro. „So wie die Personal-Service-Agenturen derzeit aufgestellt sind, sind sie weder effektiv noch effizient und selbst unter Berücksichtigung von möglichen Alternativkosten wie z.B. Eingliederungszuschüssen oder ähnlichem noch immer ein teures Instrument.“....
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 15:55:40
      Beitrag Nr. 444 ()
      [posting]19.408.448 von webmaxx am 26.12.05 15:51:35[/posting]Glaub der Hartz kann bald auswandern.

      War nich so gut, seine Nummer IV.
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 16:00:04
      Beitrag Nr. 445 ()
      [posting]19.408.456 von Rhum56 am 26.12.05 15:55:40[/posting]Rhum, hier ist erst mal Hartz I-III von allen Gremien vernichtend beurteilt worden:D

      Mit IV wird es nicht anders kommen.
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 19:32:18
      Beitrag Nr. 446 ()
      Studie legt eklatante Hartz-Versäumnisse offen


      Eine Studie lässt an den Harz-Reformen fast kein gutes Haar

      Große Teile der Hartz-Reformen laufen ins Leere, einzelne Teile wirken sogar kontraproduktiv. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Bewertung der Reformpakete Hartz I bis III im Auftrag der Bundesregierung. Dies berichtet das "Handelsblatt" und beruft sich auf mehrere tausend Seiten umfassende interne Berichte.


      Deutlich höhere Kosten
      Demnach kommen die Personal-Service-Agenturen (PSA) besonders schlecht weg. Einst galten sie als Herzstück der Reformen. "Der Einsatz in einer PSA verlängert im Vergleich zur Kontrollgruppe die durchschnittliche Arbeitslosigkeit um fast einen Monat, gleichzeitig liegen die monatlichen Kosten weit über den ansonsten entstandenen Transferleistungen", heißt es im Untersuchungsbericht.

      Mehrkosten in Höhe von 5700 Euro
      Unter dem Strich verursache jeder Arbeitslose, der an eine PSA überwiesen wird, pro Monat Mehrkosten in Höhe von 5700 Euro. So, wie die PSA derzeit aufgestellt sind, seien sie "weder effektiv noch effizient" und "noch immer ein teures Instrument", zitiert die Zeitung aus dem Bericht.

      Vermittlungsgutscheine "kein geeignetes Instrument"
      Für die meisten Bausteine von Hartz I bis III konnten die Forscher keine Verbesserung der Qualität und Schnelligkeit der Arbeitsvermittlung nachweisen. Dass die Reformen die Arbeitslosigkeit der Betroffenen verkürzt hätte, sei erst recht nicht erkennbar.
      So seien zum Beispiel die Vermittlungsgutscheine "kein geeignetes Instrument, um eine Integration in den Arbeitsmarkt zu befördern". Der Vermittlungsgutschein ermöglicht es Arbeitslosen, die Dienstleistungen privater Arbeitsvermittler in Anspruch zu nehmen.

      Arbeitsmarkt weiter schwierig für Ältere
      Auch die erleichterte befristete Einstellung älterer Arbeitsnehmer sei wirkungslos verpufft. Die Einführung der Mini-Jobs habe zwar für einem Boom der geringfügigen Beschäftigung gesorgt, doch die Arbeitslosen hätten davon nicht profitiert. Der Übergang von Mini-Jobs in reguläre Jobs sei eher die Ausnahme.





      Nicht alles ist schlecht
      Besser fällt das Urteil für die Existenzgründer-Förderung aus. Vor allem das Überbrückungsgeld, aber auch die Ich-AG "erweisen sich als erfolgreiche Instrumente der Arbeitsmarktpolitik", schreiben die Wissenschaftler. "Insgesamt können beide Programme hinsichtlich der Vermeidung einer Rückkehr in die Arbeitslosigkeit als erfolgreich angesehen werden."

      (Anmerkung: Das ist ja wohl mehr als zynisch: Die Ich-AGs haben einzig und allein bewirkt, daß sich die Ich-AGler eine Rückkehr iun die Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenstatistik ein für allemal verbauten! :mad: Die sind einfach statistisch entsorgt worden.)


      Hartz IV kein Thema
      Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV) war nicht Bestandteil der Untersuchungen. Diese erst Anfang 2005 in Kraft getretenen Reform wird separat bewertet. An der Untersuchung waren unter anderem mehrere führende Wirtschaftsforschungsinstitute und das Wissenschaftszentrum Berlin beteiligt.

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      Irgendwie fast schon erschreckend, daß ich das 2002 bereits im ersten posting vorausgesagt habe..... Da zitierte ich die der öffentlichkeit präsentierten "Module" und meinen damaligen Kommentar dazu in Klamern....

      Mein Gott, was sind unsere Politiker und auch Puff-Hartz doch für armseelige Pfeifen! :mad:

      man möge hier das völlige versagen sämtlicher regierungen der letzten 25 Jahre in der Statistik betrachten, besonders die "controlling"-Links:

      http://www.stratcon.de/DTLD/arbeitsmarkt/ckol.htm

























      Zitat des ersten postings:

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      #1 von Deep Thought 27.06.02 12:19:08 Beitrag Nr.: 6.741.209

      das hartz-papier

      13 Module

      1. Schnellere Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes.
      (wo gibt´s die??? )
      2. Verschärfte Regeln für die Zumutbarkeit eines neuen Jobs.(volkwirtschaftlicher Wahnsinn: z.B. Akademiker als Hilfsarbeiter?? Davor awrnen sogar Arbeitgeberverbände! )
      3. Fusion von Arbeits- und Sozialämtern zu Job-Centern.(Noch unbeweglichere und sinnlose Verwaltung)
      4. Besondere Maßnahmen für jugendliche Arbeitslose.
      (Wie sollen die aussehen, wenn´s keine Ausbildungsplätze gibt???)
      5. Verleih von Arbeitslosen zur Zeitarbeit an Firmen.
      ( DAmit die garkeine Festeinstellungen mehr machen brauchen, wird in der Baubranche schnell Schule machen)
      6. Besserer Service für die "Kunden" Arbeitgeber.
      ( DAbei ist doch eigentlich der Arbeitslose Kunde?? )
      7. Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und -hilfe.
      ( Schöne Formulierung für weniger Geld)
      8. Ausbau der Landesarbeitsämter zu "Kompetenzzentren" für neue Arbeitsplätze.( Die waren noch nie kompetent)
      9. Arbeitlose können sich als "Ich-AG" selbstständig machen.( Das ist das größte... Als Selbstständiger hat man nur noch Recht auf Sozialhilfe und nicht mehr auf Arbeitslosengeld und Fortzahlung der Sozialbeiträge und kann zu jeder Arbeit herangezogen werden - so möchte jeder Arbeitgeber künftig alle Arbeitnehmer haben)
      10. Alle Betriebe müssen Arbeitsplatzbilanzen offen legen.
      ( DAs wird eine neue Form von Bilanzfälschungen)
      11. Ältere Arbeitslose fallen aus der Statistik heraus.
      ( Damit man Pseudo-Erfolge feiern kann und man den älteren Arbeitnehmern deutlich macht, daß die 30JAhre voller Arbeit vor der Arbeitslosigkeit nichts mehr zählen)
      12. Mehr Transparenz bei den Arbeitsämtern.
      (DAs ist einer der besten Witze, die ich je gehört habe... )
      13. Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
      ( "Arbeitslose sind selbst schuld!" )
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 19:42:27
      Beitrag Nr. 447 ()
      Avatar
      schrieb am 26.12.05 19:50:02
      Beitrag Nr. 448 ()
      Den hatte ich im Gruselkabinett noch vergessen:

      unseren Großmaul-Zwerg, der Umkrempel-Riese in Sachen Arbeitsplatzbeschaffung sein wollte und doch nur seine eigene Zukunft vergoldet hat.... ein Großmaul..

      Avatar
      schrieb am 26.12.05 20:29:00
      Beitrag Nr. 449 ()
      Der Schröder und der Herr Hartz; diese beiden Totalversager der letzten Jahre vereint; das immer die größten Pfeifen in Deutschland das große Sagen haben, ist ja gerade das Erschreckende !
      Avatar
      schrieb am 28.12.05 16:56:16
      Beitrag Nr. 450 ()
      Hartz I bis III weitgehend wirkungslos
      Auswertungsbericht zu den Arbeitsmarktreformen belegt: Private Arbeitsvermittlung ist bloß teuer. Minijobs schaffen keinen Übergang in reguläre Jobs. Nur die Ich-AG vermeidet Arbeitslosigkeit. Ausgerechnet die jedoch will die Koalition umbauen
      VON ULRIKE WINKELMANN
      Der Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) habe den Bericht noch nicht gesehen, sagt die Sprecherin seines Ministeriums. Er kursiere im Hause noch auf untergeordneter Ebene und solle im Januar dem Kabinett vorgelegt werden. Kein offizielles Wort daher über den Auswertungsbericht zu den ersten drei "Hartz"-Reformen, den gestern das Handelsblatt in Auszügen präsentierte. Demnach haben die Reformen für den Arbeitsmarkt mit dem Namen Hartz I, II und III, die unter Rot-Grün 2003 und 2004 umgesetzt wurden, wenig bis nichts gebracht und teils sogar geschadet.

      Besonders die Personal-Service-Agenturen (PSA) verringern nicht etwa die Arbeitslosigkeit, sondern: "Der Einsatz in einer PSA verlängert im Vergleich zur Kontrollgruppe die durchschnittliche Arbeitslosigkeit um fast einen Monat, gleichzeitig liegen die monatlichen Kosten weit über den ansonsten entstandenen Transferleistungen" - pro Arbeitslosen um 5.700 Euro, zitiert das Blatt.

      Die PSA sind privat betriebene Unternehmen, die jeder Arbeitsagentur angegliedert sind. Sie stellen Arbeitslose an und vermitteln sie als Leiharbeiter zu günstigen Konditionen weiter. Zusammen mit den "Vermittlungsgutscheinen" für private Arbeitsvermittlungen - laut Bericht ebenfalls "kein geeignetes Instrument" zur Integration in den Arbeitsmarkt - waren die PSA Produkte der allerersten Hartz-Reformwelle.

      Auslöser für den Reformeifer war der Skandal um gefälschte Vermittlungsbilanzen der damaligen Bundesanstalt für Arbeit im Februar 2002. Schon vor dem Rücktritt des obersten Arbeitsamtschefs Bernhard Jagoda kündigte der damalige Arbeitsminister Walter Riester (SPD) an, private Arbeitsvermittlung werde nun eine größere Rolle spielen.

      Sämtliche Fraktionen im Bundestag lobten ihn dafür. Nur Riesters Amtsvorgänger Norbert Blüm (CDU) warnte noch im Februar 2002: Die Privatvermittler würden bloß "absahnen". Selbst wenn die Arbeitsvermittlung perfekt wäre, bliebe immer noch die Massenarbeitslosigkeit.

      Solche Einwände gingen jedoch unter, als der Volkswagen-Manager Peter Hartz mit seiner Kommission im Sommer 2002 ein Reformbündel vorlegte und versprach, damit würden Millionen von Menschen in Arbeit kommen. Die Unionschefin Angela Merkel zum Beispiel kritisierte zwar das Versprechen, forderte aber jeweils mehr und weitergehende Reformen.

      Doch nicht nur die Teilprivatisierung der Arbeitsvermittlung ist offenbar komplett fehlgeschlagen. Auch die Anreize, ältere Arbeitnehmer einzustellen, seien "wirkungslos verpufft", schreibt das Handelsblatt. Neu eingestellte ältere Arbeitnehmer haben faktisch keinen Kündigungsschutz. Die Minijobs - geringfügige Beschäftigung für 400 Euro, die nahezu sozialversicherungsfrei ist - boomen zwar. Doch schaffen sie keinen Übergang in reguläre Jobs. Nach weit verbreiteter Meinung ersetzen sie diese vielmehr.

      Einzig die Förderung von Selbständigkeit - Ich-AG und Überbrückungsgeld - können "hinsichtlich der Vermeidung einer Rückkehr in die Arbeitslosigkeit als erfolgreich angesehen werden", heißt es in dem Bericht. Diese beiden Instrumente wird die große Koalition - anders als zunächst angekündigt - zur Mitte kommenden Jahres vermutlich nun doch nicht abschaffen. Dann läuft zwar die Ich-AG-Förderung aus. Doch wahrscheinlich werden Ich-AG und Überbrückungsgeld zusammengelegt.

      Der erste Auswertungsbericht der Hartz-I- bis -III-Reformen wurde im November 2002 vom Bundestag bestellt. Die Aufträge zur Evaluation ergingen kapitelweise an fast ein Dutzend Wirtschaftsforschungsinstitute der Republik. Bis Ende 2006 soll ein Abschlussbericht vorliegen. Es bleibt abzuwarten, was von den Gesetzen dann noch übrig ist. Die Arbeitsmarktreform Hartz IV - die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe seit Anfang dieses Jahres - wird extra untersucht. Der Bericht dazu soll 2008 fertig sein.

      meinung und diskussion SEITE 9
      taz Nr. 7856 vom 28.12.2005, Seite 5, 134 TAZ-Bericht ULRIKE WINKELMANN
      Avatar
      schrieb am 29.12.05 13:47:24
      Beitrag Nr. 451 ()
      Irgendwie erstaunlich:

      War Schröder als Kanzler einer "linken" PArtei für sozialen Raubbau und pausenlose Show absolut inkompetenter Minister-Flaschen zuständig, scheint es bei Merkel anders zu laufen?

      Man könnte sogar erste Anzeichen der Rückgewinnung realistischer Ansichten und die Abkehr von der Märchen-Politik entdecken:

      Besipiel Arbeitslosigkeit:


      Originalton Schröder :mad: :

      "Es gibt kein Recht auf Faulheit!"


      Originalton Merkel:

      ""Ich kann nicht akzeptieren, dass wir für so viele arbeitswillige Männer und Frauen in unserem Land keine Beschäftigung finden"

      Das bedeutet die Abkehr vom Schröder-Prinzip, daß die Arbeitslosen nur zu faul und selber Schuld sind.


      Irgendwie schon bemerkenswert, die neue Kanzlerin.

      Auch die Wiederentdeckung des rheinischen Kapitalismus a la Ehrhardt ist als sehr positiv zu sehen, ebenso die Forderung nach Beteiligung der Beschäftigten an den Rekorderlösen der Industrie nach Europaweit niedrigsten Lohnabschlüssen über viele Jahre und vielen, vielen Zgeständnissen der gewerkschaften in den vergangenen Jahren kommt ausgerechnet von der CDU.

      Tja, Schröder links überholt und auf der Pannenspur liegengeblieben.

      Wer nur blubbert, den bestraft das Leben...
      Avatar
      schrieb am 29.12.05 16:53:11
      Beitrag Nr. 452 ()
      [posting]19.442.728 von Deep Thought am 29.12.05 13:47:24[/posting]Du liest da zwischen den "kleingeschriebenen Zeilen". Hab auch die Schröder-Regierung als sozial sehr ungerecht empfunden, wobei mir vollkommen klar war/ist, das wir von dem Niveau der Sozialleistungen runter müssen.

      Merkel zeigt nun bereits des öfteren, das sie sich geschickter verhalten kann, aber mehr auch nicht.

      Allein schon die angekündigten Steuererhöhungen, gleich 2, bringen mir bei dieser Konsum-Situation nur Bauchschmerzen.
      Da nun den "Ehrhardt" heraus zu lesen, tschuldige, aber dat war ne ganz andere Nummer.

      Was beiden großen Volksparteien abhanden gekommen ist, genau die reale Wirtschaftspolitik ala Ehrhardt, ist aktuell immer noch klar Realität.

      Wie entsteht ein Arbeitsplatz?
      Was motiviert Menschen, ein wirtschaftliches Risiko einzugehen?
      Reiche extra zu besteuern, hirnrissig. Die Konsequenzen bereits da, gößte Kapitalabwanderung!
      Einzig die Basis zählt, und genau da haperts auch bei dieser Regierung.
      Avatar
      schrieb am 30.12.05 16:56:50
      Beitrag Nr. 453 ()
      @ Rhum56

      Mit rheinischem Kapitalismus bezeichne ich u.a. die - besonders rückblickend - sehr weisen Visionen Ehrhardts, die Arbeitnehmer als Lohnbestandteil am Kapital der Unternehmen langfristig zu beteiligen. Auf diese Art wären diese an den enormen Wertzuwächsen der Industrie seit den 60ern BETEILIGT worden und hätten eine win-win-Szenario anstatt eines loose-loose-Szenario erlebt.

      Je mehr man sich damit beschäftigt, umsomehr Respekt bekommt man von Ehrhardt, dessen excelente Visionen ja leider von Adenauer konterkariert wurden.
      Adenauer war es ja auch, der entgegen der seit Bismarck existierenden KAPITALGEDECKTEN Altersversorgung den Irrsin mit dem "generationenvertrag" gegen massiven Widerstand damals als Kanzler durchpaukte - einer der fatalen Geburtsfehler unserer Republik.

      DAs Großkapital war ebenfalls dagegen - der Grund ist ja klar. Jetzt kommt man wieder auf die Ehrhardtschen Visionen zurück - möglicherweise zu spät, denn die immer weiter schwindenden Nettogehälter geben heutzutage kaum noch reserven für Kapitalbildung auf Arbeitgeberseite her.

      Viele Unternehmen, welche nie rote Zahlen schrieben, aber viele Arbeitsplätze sicherten bei niedriger, aber konstanter rendite wären bei beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital weiter existent, anstatt durch Heuschrecken auf Kosten des Steuerzahlers zerlegt worden zu sein.

      So wurden viele hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet, ohne daß die Unternehmen je gefährdet waren. Im Gegenteil, soie hatten ja oft enorme Reserven/Rückstellungen, welche ja absurderweise Ziel der Hedgefonds und Heuschrecken waren.

      Ein Übriges haben Erben/Erbengemeinschaften angerichtet, welche verantwortungslos handelten und an die Stelle der unternehmerischen Sorge ihrer Väter und Großväter auch für die Arbeitnehmer die blanke Gier und Genußsucht setzten und einfach Traditionsuntrenehmen verscherbelten, ohne jemals dafür gearbeitet zu haben.

      Diejenigen Unternehmerfamilien, welche sich selber nicht nur als im BESITZ, sondern auch in der VERANTWORTUNG des übernommenen Unternehmens sahen, haben die Erfolgsgeschichte fortgeschrieben.

      Daß diese Schlußfolgerungen korrekt sind, zeigen die vielen noch in Familienbesitz befindlichen Unternehmen, auch neuere wie TRigema mit ihrem zwar etwas bizarren,aber im positivsten Sinne des Wortes wertkonservativen Unternehmenseigner, der sich ausgerechnet in der angeblich so toten textilbranche gegen den trend stemmt und wächst.

      Vielleicht verstehst Du jetzt besser, auf was ich hinaus wollte...


      Der beklemmende Schluß wird im nachfolgenden Artikel deutlich:




      ---------------------------------------------------


      SPIEGEL ONLINE - 30. Dezember 2005, 08:24
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,392751,00.html

      Gesamtmetall-Studie

      Arbeitsplatzexport wird sich fortsetzen


      Der Trend, ganze Werke und damit Arbeitsplätze an billigere ausländische Standorte zu verlagern, wird sich wohl auch im kommenden Jahr fortsetzen. Besonders betroffen ist nach wie vor die Metall- und Elektrobranche.

      Chemnitz - Einer Studie des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall zufolge sind 31 der insgesamt 80 Sparten der Metall- und Elektrobranche besonders von Jobabbau und Abwanderung betroffen. Wie die Chemnitzer "Freie Presse" berichtet, hat allein diese Branche in den vergangenen fünf Jahren mindestens zehn Prozent der Produktion oder 15 Prozent der Arbeitsplätze eingebüßt.




      Stahlproduktion: Verband warnt vor zu starker Ausdünnung der Wirtschaftsstruktur

      In sechs Unternehmensbereichen wie den Produzenten von Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik seien in diesem Zeitraum sogar bis zu 75.000 Jobs und damit jeder fünfte Arbeitsplatz verloren gegangen, schreibt das Blatt weiter. In dem Verbandspapier wird davor gewarnt, die elastische deutsche Wirtschaftsstruktur aus kleinen, mittleren und großen Betrieben zu stark ausdünnen zu lassen. Sonst drohe ein Laufmascheneffekt, der ganze Produktionsbereiche zerstören könne.


      Die Experten forderten, diesem Prozess mit Lohnzurückhaltung entgegenzuwirken. Deutschland sei bei den Arbeitskosten mit 27,60 Euro pro Stunde im Westen nach Dänemark Vizeweltmeister. An dieser Position hätten auch die zehn Euro geringeren Kosten im Osten sowie der Rückgang der Lohnstückkosten der vergangenen Jahre nichts geändert. Da im Bereich der Dienstleistungen keine neuen Jobs zu erwarten seien, müsse um jeden bestehenden Arbeitsplatz gekämpft werden und die Situation nicht durch höhere Kosten noch verschärft werden
      Avatar
      schrieb am 30.12.05 19:02:31
      Beitrag Nr. 454 ()
      [posting]19.460.379 von Deep Thought am 30.12.05 16:56:50[/posting]@Deep Thought

      Zunächst mal zur Klarstellung, den Erhardt achte ich sehr.

      Die Zeit ist jedoch weiter gegangen und die Einstellung/Erziehung der Menschen mit. So wenig, wie sich die Regelungen der Zeit um 1910 nicht mehr bei Erhardts Visionen wieder fanden, so geht es vergleichsweise Heute auch nicht mehr.

      Durch unsere verkappten Sozen wurden viele Einstellungen zerstört. In Erhardts Beiteiligungsgedanken steckten andere Ideale, wie sie Heute als real betrachtet werden.

      Einfach ausgedrückt existierte die Einstellung: Geht es der Firma gut, geht es auch mir gut.

      Dann kamen die Sozen, vielen über die einstigen Ideale her, machten auf der einen Seite die gegebene Erwartungshaltung, in Gier verpackt und traten die Geradlinigkeit so manch eingestelltes Betriebslenkers mit Füßen.

      Es wurde aus dem Betriebsbesitzer, dem Selbständigen, der "Arbeitgeber", den es natürlich garnicht gab.

      Es wurde aus dem Mitarbeiter der Arbeitnehmer, der sich als etwas kleineres leidendes empfand.

      Arbeitsrechtsregelungen wurden auf den Kopf gestellt und es wurden einstellungshemmende Regelungen rücksichtslos eingebaut/ mit Gewerkschaftshilfe durchgedrückt.

      Dazu gesellte sich dann der Staat mit einer unersättlichen Gier, die die Staatsquote weit jenseits über die 50% Größe hinweg hievte und es nimmt immer noch kein Ende.
      Vergessen wurde bereits, das fast alle Steuerarten über Betriebe erwirtschaftet werden müssen, demzufolge voll zum Kostengebirge der Betriebe gehören.!

      Damit nicht genug, das Land wird mit einem perversen Bürokratismus überzogen, der seinen Meister weltweit sucht.

      Die klare Folge erleben wir nun krass, so krass, wie nie zuvor seit dem 2.WK.

      Finanzdienstleister machen einen Bogen um Betriebe, zu groß die Folgeschäden der jüngsten Erlebnisse.

      Sich nun in diesem Land aufzuraffen, etwas aufzubauen, kommt einem Ritt in die Hölle ähnlich, man wird bekämpft, beschimpft und bekommt ungewollte eine innerbetriebliche ablehnende Mauer,(was natürlich nicht gesagt wird) was einen dann natürlich auch charakterlich formt, ob man will, es merkt, oder nicht.

      So, und nun kommst Du, erklärst mit dem Trigema, wie es alle machen könnten? Hast etwas Pech, meine Schwester ist studierte Textiltechnikerin. Mittlerweile hat sie die 4 Textilfirma durch, wegen Insolventz !!! Nun wechselt Sie die Branche.

      Auch ist die Erbenerklärung etwas einfach, sagen wir nicht die Regel.
      1. Nur ein Bruchteil der aufgebauten Unternehmen wechselt durch den Erbfall.
      2. Ein großer Teil scheidet wegen Konkurs aus und verkäuflich sind heutzutage nur die allerwenigsten überhaupt noch.
      3. Es gibt tatsächlich ein sehr großes Nachfolgeproblem.

      Und da schließt sich der Kreis: Wer will sich das Heute antun? Wer kriegt es finanziell überhaupt hin?

      Wer stellt Leute ein, die bei ihm die Sau raushängen lassen können, am Arbeitsgericht sogar noch verlieren und man soll als Firma trotzdem zahlen? (Hatte ich einen Thread dazu gemacht.)
      Der Kündigungsschutz-Hemmschuh ist ja noch banal dagegen!

      Erhardts Zeiten hätte ich gerne zurück, ehrlich.
      Avatar
      schrieb am 18.04.06 21:32:34
      Beitrag Nr. 455 ()
      SPIEGEL ONLINE - 18. April 2006, 08:32
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,411722,00.html

      Hartz-IV-Folgen

      Dramatische Zunahme an Billigjobs

      Die Zahl der Billigjobs nimmt in Folge der Hartz-IV-Reform dramatisch zu. Laut Diakonisches Werk hat sich die Zahl der Arbeitnehmer, die zusätzlich Sozialleistungen beziehen dürfen, um die Hälfte erhöht. Schuld sei auch die Ausgabenpolitik der Bundesagentur für Arbeit.



      Osnabrück - Auf 900.000 hat sich die Zahl der Arbeitnehmer, die ergänzende Sozialleistungen auf Grundlage von Hartz IV beziehen, nach Angaben des Diakonisches Werks erhöht. Auf dem Arbeitsmarkt würden immer mehr Jobs angeboten, deren Bezahlung unterhalb der Leistungen von Hartz IV lägen, sagte der Präsident des Werks, Jürgen Gohde, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Mit dieser Entwicklung bringe sich das System selbst finanziell und in der Zielsetzung, aktivierende Hilfen zu bieten, "an den Rand".

      Bundesweit könnten bald zwei Millionen Arbeitnehmer Anspruch auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen haben, warnte Gohde unter Hinweis auf Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit. Wird das Geld aber dafür verbraucht, fehle es bald dort, wo es am Nötigsten ist. Gohde appellierte an die Bundesagentur, stattdessen "in erheblichem Umfang" Hartz-IV-Mittel zur Förderung sozialversicherungspflichtiger Arbeit auf einem zweiten Arbeitsmarkt einzusetzen. Das sei nach dem Gesetz möglich, werde aber von der Bundesagentur "bisher nicht gewollt".


      Damit könnte man bundesweit allein im sozialen Bereich mindestens 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze, davon über 10.000 bei der Diakonie schaffen. Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, sollte sich die Bundesagentur dabei auf Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit sowie auf Arbeitslose mit Handicaps und auf ältere Arbeitssuchende konzentrieren.

      ase/AP/ddp
      Avatar
      schrieb am 23.04.06 16:55:14
      Beitrag Nr. 456 ()
      schade, ein komplettes JAhr an postings ist in der Versenkung verschwunden.... :mad:
      Avatar
      schrieb am 23.04.06 19:13:20
      Beitrag Nr. 457 ()
      # 456,

      traurig und sehr ärgerlich. Wäre schön wieder mehr postings, threads von deep thought zu sehen.

      Viele Grüße

      z.Zt. moed;)
      Avatar
      schrieb am 06.05.06 09:47:52
      Beitrag Nr. 458 ()
      Tja, und so einer sollte Deutschland reformieren....

      einfach köstlich.... :laugh:


      http://focus.msn.de/finanzen/news/focus_nid_28589.html


      Hartz droht in VW-Affäre Haftstrafe



      EX-VW-Personalvorstand Peter Hartz soll wegen Untreue angeklagt werden



      | 06.05.06, 08:56 Uhr |focus.de

      Der frühere VW-Personalvorstand Peter Hartz wird von der Staatsanwaltschaft Braunschweig nach jetzigem Ermittlungsstand als einer der Hauptbeschuldigten eingestuft.
      Gegen ihn soll Anklage wegen Untreue in mehreren Fällen erhoben werden. Laut Paragraf 266 des Strafgesetzbuches wird Untreue mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet. Nach mehr als zehn Monaten hat die Justiz nun ihre Ermittlungen zur VW-Affäre weitgehend abgeschlossen.

      FOCUS meldet weiter, dass Hartz nach Einschätzung der Ermittler jahrelang Konzerngelder veruntreut hat, und zwar für Begünstigungen von Betriebsräten wie auch für eigene private Vergnügungen. In einem Bericht des Landeskriminalamtes Niedersachsen heißt es, es sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Hartz „der hauptverantwortliche Initiator und Auftraggeber“ der Braunschweiger Wohnung war. Dort sollen sich Hartz und der frühere Betriebsratschef Klaus Volkert auf VW-Kosten mit Prostituierten vergnügt haben.

      Auf Konzernkosten mit Prostituierten getroffen

      Zudem haben die Staatsanwälte insgesamt elf Fälle aufgelistet, bei denen sich Hartz ebenfalls auf Konzernkosten mit Prostituierten getroffen haben soll, zum Beispiel in Schanghai oder Bratislava. Daneben wirft die Staatsanwaltschaft Hartz vor, die Zahlungen an die Volkert-Geliebte Adriana Barros in Auftrag gegeben und die Rechnungen stets abgezeichnet zu haben. Nach den Ermittlungen soll die Brasilianerin ohne entsprechende Gegenleistung rund eine Million Euro von VW erhalten haben. Zudem soll Hartz jährliche Bonuszahlungen an Volkert ohne eine entsprechende schriftliche Vereinbarung genehmigt haben.

      Nach FOCUS-Informationen gehen die Staatsanwälte inzwischen auch davon aus, dass Hartz die Begünstigungen von Betriebsräten persönlich unterstützt hat. Sein Mitarbeiter Klaus-Joachim Gebauer hatte die Ausgaben stets über das persönliche Spendenkonto von Hartz mit der Nummer 1860 abgerechnet. Nach den Ermittlungen soll Hartz mehrere zuständige VW-Mitarbeiter gezielt von der Kontrolle der Gebauer-Abrechnungen ferngehalten haben.



      (im/FOCUS)
      Avatar
      schrieb am 08.05.06 13:58:28
      Beitrag Nr. 459 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 21.453.434 von Deep Thought am 06.05.06 09:47:52# 458,

      war da ja schon lange der Verdacht, daß wir von Kriminellen regiert werden. Nun ist es also nahezu erwiesen. Bei der Staatsverschuldung - offiziell über 1,5 Billionen Euro und dann noch ... - sind die Haushalte eh nicht mehr verfassungsgemäß. Fragt sich, ob die Gesetze bei derartigen Haushaltsnotlagen noch verfassungskonform oder kriminell sind.

      Bei einer Revolution sollte dann alles rückabgewickelt werden z.B. Privatisierung Wasserwerke, Nahverkehr, Autobahnen... oder was da so kommen mag.

      Besser heute einen Umbruch als noch 10 Jahre herumgeeiere.

      :eek:
      Avatar
      schrieb am 08.05.06 14:04:09
      Beitrag Nr. 460 ()
      #458

      Wir erinnern uns:

      "Heute ist ein guter Tag für die Arbeitslosen..."

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.05.06 14:16:02
      Beitrag Nr. 461 ()
      #459

      Tja, für einen "lupenreinen Demokraten" als Rohrverleger anschaffen zu gehen ist dagegen völlig legal...

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.05.06 14:27:48
      Beitrag Nr. 462 ()
      Also für Bordell-Hartz - sofern er diese Hobby ad acta gelegt hat - hätte ich nen guten Tipp aus dem STERN::laugh:



      Hunde helfen Langzeitarbeitslosen



      Was braucht ein Langzeitarbeitsloser, damit es ihm gut geht? Das Beste wäre wohl ein Job. Gibt es diesen nicht, dann sollten sich Hartz-IV-Empfänger laut einer Studie einen Hund anschaffen.

      Die Pilotstudie des Forschungskreises "Heimtiere in der Gesellschaft" stellte der Vorsitzende Professor Reinhold Bergler auf einem Wissenschaftskongress zur "Mensch-Heimtier-Beziehung" in Ismaning bei München vor. Untersucht wurden die sozialen Verhältnisse von 32 Langzeitarbeitslosen, die Hälfte davon hatte einen Hund.

      Hundelose Hartz-IV-Empfänger verwahrlosten eher
      Während die Forscher bei Arbeitslosen ohne Hund oft äußere Verwahrlosung registrierten, verkrafteten Hundebesitzer die Arbeitslosigkeit viel besser. Sie standen morgens früh auf, führten ihren Hund Gassi, trafen dabei andere Hundebesitzer und nutzten die freie Zeit, um sich mehr ihrem Haustier zu widmen. Hundelose Hartz-IV-Empfänger dagegen schliefen viel, griffen öfter zur Flasche, verbrachten viele Stunden vor dem Fernseher und hatten viel weniger Kontakt zu anderen Menschen.

      "Ein Hund strukturiert den Tagesablauf und erhält soziale Kontakte", fasste Bergler die Ergebnisse seiner Studie zusammen. Er will seine Forschungen zu Hunden und Arbeitslosen unbedingt fortführen. Sollte sich bestätigen, dass Hunde vor Alkoholsucht schützen, wäre ein Kostenfaktor im Gesundheitswesen ausgemerzt, meint Bergler. Der Wissenschaftler fordert auch Familien zum Halten von Haustieren auf: "In eine gesunde Familie gehört ein Haustier, dann funktioniert vieles." Beispielsweise könne das Tier in Krisensituationen hilfreich sein.

      www.mensch-heimtier.de

      "Kinder mit Tieren können sich besser in andere hineinversetzen"
      Auch sein Kollege Professor Kurt Kotrschal von der Universität Wien sieht Haustiere als wichtige Begleiter des Menschen und appelliert an Eltern, ihren Kindern den Zugang zu Tieren zu ermöglichen. "Kinder mit Tieren können sich besser in andere hineinversetzen und haben darum in der Gesellschaft die Nase vorn". Für seinen Kollegen Bergler ist es auch wichtig, dass Kinder über Tiere lernen, Verantwortung zu übernehmen und die Stärken und Schwächen eines Lebewesens kennen zu lernen. "Wenn man mit dem Haustier zum Tierarzt geht, sollte man die Kinder immer mitnehmen", fordert er deshalb.

      Weil ein Hund viel Auslauf und Beschäftigung braucht, ist er nach Berglers Meinung für Arbeitslose ideal. Bei Kindern aber muss man sich nach Ansicht der Experten gut überlegen, ob und welches Haustier man anschafft. "Man sollte mehrere Wochenenden mit dem Kind ins Tierheim gehen und es Tierbücher lesen lassen, um zu sehen, ob es wirklich ein Tier will", rät Bergler. Für kleinere Kinder empfehlen die Wissenschaftler auch kleinere Tiere, wie Meerschweine oder Katzen. "Hamster sind nachtaktive Tiere und deshalb nicht als Haustiere zum Spielen geeignet. Das ist Tierquälerei", meint Bergler. Kotrschal hat einen besonderen Tipp: "Zahme Ratten sind toll. Das sind sehr soziale Tiere."

      Hunde für Kinder ungeeignet
      Hunde würden die beiden Experten für Kinder weniger empfehlen. Nur wenn ein Hund gut in eine Familie eingebettet sei, könnten Kinder mit ihm umgehen. "Ein Hund muss untergeordnet werden. Wer nicht bereit ist, seinen Hund auch mal in den Hintern zu treten, sollte sich keinen anschaffen", meint Kotrschal. Heimtierbesitzer sollten sich in Ratgebern über ihre Tiere kundig machen und die Ratschläge zur Tierhaltung auch beachten und einhalten, fordern die Experten. Dabei seien die Eltern auch immer Vorbild für die Kinder.

      Kotrschal sieht als ein positives Ergebnis seiner Arbeit und der seiner Kollegen, dass Tiere in Altenheimen vor 30 Jahren noch unvorstellbar gewesen seien. Inzwischen hätten 70 Prozent der deutschen Pflegeheime Tiere zu Therapiezwecken. Auch Bergler ist überzeugt, dass er und seine Kollegen den hohen Stellenwert von Haustieren aufzeigen können. Er kann zudem nur jedem raten, sich ein Tier zuzulegen: "Ein Haustier ist eine Quelle ständiger Alltagsfreuden, die negative Erlebnisse überwiegen."
      .

      Maria Marquart/AP

      Fehlt nur noch das ärztliche Attest, dann zahlt auch das Sozialamt...:D
      Avatar
      schrieb am 09.05.06 00:17:46
      Beitrag Nr. 463 ()
      eines der "tollen und innovativen Hartz-Instrumente" stirbt den stillen Tod nach langr Krankheit, die eigentlich seit Geburt manifest war....

      SPIEGEL ONLINE - 08. Mai 2006, 21:37
      URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,415144,00.h…
      Zeitungsbericht

      Aus für die Ich-AG

      Der Ich-AG droht nach einem Bericht des "Handelsblatt" ein schnelles Ende: Ende Juni soll Schluss sein mit der umstrittenen Förderung für arbeitslosen Existenzgründern. Ein Ersatz ist demnach nicht vorgesehen.



      Düsseldorf - Wegen anhaltender Differenzen im Detail konnten sich Union und SPD nach bisher nicht über eine Anschlussregelung einigen, heißt es in dem Bericht. Daher werde nun die im Sozialgesetzbuch vorgesehene Befristung greifen. "Die Ich-AG läuft zum 30. Juni ersatzlos aus", sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Ralf Brauksiepe (CDU), der Zeitung. Das sei "nicht optimal, unterm Strich aber keine schlechte Lösung."

      SPD-Arbeitsmarktsexperte Klaus Brandner reagierte irritiert. Eine Reform der Ich-AG bleibe unbedingt erstrebenswert. "Da sollte man nicht leichtfertig sagen, ein Auslaufen wäre nicht so schlimm", betonte er. Die zuständige Arbeitsgruppe der Koalition habe bisher keine derartige Feststellung getroffen. "Da muss in den nächsten zwei Wochen ein Ergebnis auf den Tisch", sagte Brandner.

      Union und SPD hatten sich bei den Koalitionsverhandlungen ursprünglich darauf geeinigt, dass die beiden bestehenden Förderprogramme Ich-AG und Überbrückungsgeld zu einem Instrument der Existenzgründerförderung zusammengelegt werden sollen. Fiele die Ich-AG weg, so bliebe das Überbrückungsgeld noch bestehen.

      Bei der Ich-AG zahlt die Bundesagentur arbeitslosen Existenzgründern im ersten Jahr pauschal 600 Euro pro Monat. Die Förderung läuft bis zu drei Jahre, wobei die Unterstützung stufenweise sinkt. Dagegen wird das Überbrückungsgeld nur für sechs Monate gezahlt. Dafür entspricht es dem individuellen Arbeitslosengeld plus einer Pauschale für Sozialbeiträge und ist damit im Regelfall höher.

      reh/ddp
      Avatar
      schrieb am 21.05.06 13:47:09
      !
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      Avatar
      schrieb am 14.06.06 00:30:43
      Beitrag Nr. 465 ()
      Woher kennen wir das bloß?

      Wasser predigen und Wein trinken.....

      ist auch ein dt.Phaenomen...


      ---------------------------------------------------------------
      Skandalnudel mit Hang zum Exklusiven

      Irlands Ex-Premierminister Charles Haughey ist gestern im Alter von 80 Jahren an einem Krebsleiden gestorben


      DUBLIN taz Der Gauner bekommt ein Staatsbegräbnis. Ex-Premierminister Charles Haughey, der gestern im Alter von 80 Jahren an Prostatakrebs gestorben ist, war der korrupteste Politiker Irlands. Keiner brachte es in der Politik zu solchem Reichtum wie er. Als er 1992 zurücktreten musste, weil er die Telefone von zwei Journalisten abhören ließ, war er einer der reichsten Männer der Grünen Insel.

      Haughey hat als Buchhalter angefangen, bevor er 1951 in die Politik ging. Im selben Jahr heiratete er Maureen Lemass, deren Vater acht Jahre später Premier wurde. Damit begann Haugheys Aufstieg. Der Schwiegervater machte ihn zum Staatssekretär, dann zum Justizminister.

      1970 wurde Haughey angeklagt, als Justizminister Waffen für die Irisch-Republikanische Armee (IRA) nach Nordirland geschmuggelt zu haben, wo der gewaltsame Konflikt ausgebrochen war. Er wurde freigesprochen, aber sein Ministeramt war er los. Mühsam machte er wieder Boden gut. 1979 stand er an der Spitze der Regierung.

      Von da ab floss das Geld, und Haughey gab es mit vollen Händen aus. Er kaufte sich einen Landsitz im Norden Dublins, organisierte Fuchsjagden, sammelte Rennpferde und Porträtgemälde. Schließlich legte er sich eine Insel zu und ließ darauf ein Prunkhaus bauen. Um flexibel zu sein, musste ein Privathubschrauber her. Mary O'Rourke, eine Ministerin, wunderte sich, warum der Regierungschef stets Damenstrümpfe trug. Es waren Seidensocken aus Paris. Die passenden Hemden kosteten über tausend Euro pro Stück.

      Woher er das viele Geld hatte, verschwieg Haughey. Im Zuge verschiedener Tribunale, bei denen es um die Steuerhinterziehung der Baggage aus Bauunternehmern, Bankiers, Architekten, Geschäftsleuten, Ärzten und Politikern ging, kam dann ans Licht, dass es sich bei ihnen im Vergleich zu Haughey um blutige Amateure handelte. Der Expremier hatte in seiner Amtszeit umgerechnet mehr als 20 Millionen Euro Bestechungsgelder von Unternehmern kassiert.


      Einer war Ben Dunne, der Mitbesitzer der Kaufhauskette Dunnes Stores. Der hatte Haughey mehrere Millionen zugesteckt, war dann aber in einem Hotel in Florida mit einer Prostituierten und Kokain erwischt worden. Seine Geschwister klagten ihn aus der Firma. Bei dem Prozess flogen die Zahlungen an Haughey auf - und der Ring der reichen Steuerhinterzieher, die Scheinkonten auf den Cayman-Inseln unterhalten hatten.

      Was die Iren Haughey nicht verziehen haben, sind seine Predigten in den Achtzigerjahren, als er dem Volk in Anbetracht der Wirtschaftskrise Maßhalten verordnete und die Steuern erhöhte, während er selbst in Saus und Braus lebte. Aber wenigstens war es unterhaltsam, als die Skandalnudel noch im Amt war.

      RALF SOTSCHECK

      taz Nr. 7995 vom 14.6.2006, Seite 9, 92 TAZ-Bericht RALF SOTSCHECK
      Avatar
      schrieb am 14.06.06 00:33:14
      Beitrag Nr. 466 ()
      Arbeitszeit sollte weiter sinken"

      VW sollte nicht zur 35-Stunden-Woche zurückkehren, rät Arbeitszeitforscher Volker Hielscher. Dieser "plumpe Ansatz" würde den Absatz nicht steigern. VW habe weniger ein Problem mit den Kosten als mit seinen Autos. Vor allem in der Oberklasse


      INTERVIEW STEPHAN KOSCH

      taz: Herr Hielscher, das VW-Management will die 28,8-Stunden-Woche aufgeben und zur 35-Stunden-Woche zurückkehren. Wird das die Probleme bei VW lösen?

      Volker Hielscher: Nein, das wäre nicht nur ein gesellschaftlicher, sondern auch ein ökonomischer Rückschritt. Die Mitarbeiter haben 1993 auf 16 Prozent Lohn verzichtet, die Arbeitszeit wurde um 20 Prozent gekürzt. Mit der Vier-Tage-Woche wurde eine Absatzkrise gemeistert und Massenentlassungen verhindert.

      Darum geht es heute auch.

      Stimmt, der Kontext war ähnlich. Bundeskanzler Kohl sprach vom Freizeitpark Deutschland, überall wurden längere Arbeitszeiten gefordert. VW hat aber Arbeit und Einkommen umverteilt - ein neuer Ansatz, der zum Vorbild für andere Branchen wurde. Denn schließlich wurden nicht nur tausende Arbeitsplätze gerettet; VW konnte sein Personal nun sehr flexibel einsetzen. Deswegen wurde die Vier-Tage-Woche bei VW dann auch von einem anfänglichen Versuchsmodell zu einem dauerhaften Tarifvertrag

      Hat aber nichts genützt. VW ist in der Krise und produziert teurer als die Konkurrenten. Jetzt muss man nachholen, was damals versäumt wurde - nämlich Personal abbauen.

      Wenn man damals Stellen gestrichen hätte, wären die Kosten heute nicht unbedingt geringer. Immerhin haben die Mitarbeiter ja real auf Lohn verzichtet, dafür aber auch weniger gearbeitet. Im Prinzip blieb das Niveau also erhalten. Jetzt sollen die Löhne tatsächlich gesenkt werden.

      Weil in Osteuropa und China länger gearbeitet und weniger verdient wird. Da kann sich VW den Luxus von kürzeren Arbeitszeiten nicht mehr leisten.

      Arbeitszeitverkürzungen sind kein Luxus, sondern angesichts der Arbeitslosenzahlen eine Notwendigkeit. Die gesellschaftspolitische Frage ist doch: Wie gewährleisten wir ein existenzsicherndes Arbeitseinkommen und stellen gleichzeitig die Lebensqualität für alle sicher? Längere Arbeitszeiten lösen diesen Konflikt nicht. Übrigens auch nicht die Probleme bei VW.

      Warum nicht? VW hat doch ein Kostenproblem.

      VW leidet vor allem an den Folgen der Produktpolitik der vergangen Jahre mit dem gescheiterten Ausflug in die Oberklasse. Das VW-Management reagiert darauf, indem es in den Wettlauf um Lohnsenkungen eintritt - aber der ist nicht zu gewinnen. China und Osteuropa bleiben noch lange Zeit billiger.

      Was würden Sie dem VW-Vorstand also raten?

      Das Kostenproblem ist durch eine intelligente Produktivitätspolitik eher und mit weniger Konflikten zu bewältigen. Der Kern des bestehenden Tarifvertrages ist doch, Arbeit und Einkommen solidarisch zu teilen. Daran sollte VW festhalten und ihn zum Leitgedanken machen, wie sich die Absatzkrise bewältigen lässt. VW hat eine Vorbildfunktion für das industrielle Modell in Deutschland.

      Das bedeutet: noch weniger arbeiten und dafür wieder auf Lohn verzichten?

      Das wäre zumindest ein weniger plumper Ansatz als die Forderung nach Arbeitszeitverlängerung - auch wenn es für viele Mitarbeiter an Grenzen stößt, Arbeitszeit und Einkommen noch weiter abzusenken. Aber eine Arbeitszeitverlängerung macht ökonomisch bei einer Absatzkrise keinen Sinn. Wer mehr Autos baut, verkauft deshalb nicht unbedingt mehr.


      taz Nr. 7995 vom 14.6.2006, Seite 7, 111 Interview STEPHAN KOSCH
      Avatar
      schrieb am 23.06.06 15:15:18
      Beitrag Nr. 467 ()
      Wie toll die neue soziale Atmosphäre in deutschland zieht, kann man hier bewundern:

      http://onwirtschaft.t-online.de/c/82/90/22/8290220.html
      Avatar
      schrieb am 23.06.06 23:35:44
      Beitrag Nr. 468 ()
      SPIEGEL ONLINE - 23. Juni 2006, 18:29
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,423305,00.html


      Hartes Urteil des Ombudsrats

      Hartz IV schuf bürokratisches Monster

      Gut gedacht, schlecht gemacht: So lautet der Tenor des Urteils über Hartz-IV, zu dem sich ein hochrangig besetzter Ombudsrat nach eineinhalbjähriger Beratung durchgerungen hat.
      Arbeitsminister Müntefering versuchte zu beschwichtigen: Die Reform sei längst noch nicht zu Ende.


      Berlin - Der Bericht ist wie immer in Bürokratendeutsch gehalten: "Das gravierende Problem der an sich richtigen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe liegt in der verfehlten Organisationsentscheidung", heißt es in dem 40seitigen Dokument des Hartz-IV-Ombudsrats. Doch die drei Mitglieder - Ex-Familienministerin Christine Bergmann, der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und der frühere Vorsitzende der IG Chemie Hermann Rappe - erklärten heute bei der Vorlage mit klaren Worten, was sie meinen. Die bisherige Struktur sei ein "bürokratisches Monster", erklärte Bergmann.


      Dabei verteidigte der Ombudsrat, der zwei Jahre lang über 70.000 Eingaben und Beschwerden auswertete, die Reform im Grundsatz. Die Sozialhilfeempfänger seien "aus der dunklen Ecke rausgeholt worden", sagte Rappe. In der Kritik stehen aber vor allem die Arbeitsgemeinschaften der Arbeitsagenturen mit den Kommunen.

      Die Verantwortung für die Organisationsmängel schrieb der Rat dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu. Union und SPD hatten sich im Dezember 2003 nicht auf ein einheitliches System der Verwaltung verständigt. Auf Drängen der Union gibt es 69 Optionskommunen, die in Alleinregie Langzeitarbeitslose betreuen. In 345 Arbeitsgemeinschaften bilden Agenturen für Arbeit und Kommunen einen Verbund. In 19 Kommunen nehmen beide ihre Aufgaben getrennt wahr.

      Der Rat forderte deshalb, bei der Mischverwaltung von Agenturen für Arbeit und Sozialämtern müssten deren Geschäftsführer eigene Personalkompetenzen haben. "Wir sind nicht für eine weitere Kommunalisierung", sagte Rappe. Auf die Erfahrung der Agenturen für Arbeit bei der Vermittlung solle nicht verzichtet werden.

      Die Debatte um Leistungsmissbrauch sei zudem überzogen, erklärten die Ombudsleute. Es gebe nicht mehr Missbrauch als bei anderen Leistungs-oder Abgabegesetzen auch. Die explodierenden Kosten beim Arbeitslosengeld II (ALG II) seien so nur teilweise zu erklären. Vielmehr habe die Reform mehr Menschen den Zugang zum Grundsicherungssystem ermöglicht. Das ALG II sei mit 345 Euro im Monat außerdem nicht zu hoch bemessen, sagte Bergmann. Vielmehr bestehe dringender Handlungsbedarf bei der Frage von Kombi- und Mindestlohn, weil mit der Grundsicherung faktisch und ohne politische Steuerung ein Kombilohn entstanden sei.

      "Auch Spargel stechen ist ehrenwert"

      Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) erklärte beim Empfang des Berichts, die Reform sei "längst nicht fertig und abgeschlossen". Er schloss sich zahlreichen Forderungen der Ombudsleute an, wie etwa der, die Geschäftsführer in den Arbeitsgemeinschaften zu stärken. Zugleich stellte er klar, dass der Bund als Geldgeber auch Erwartungen gegenüber den Arbeitsgemeinschaften habe. Die Anforderungen sollten in Rahmen- und Zielvereinbarungen festgehalten werden, die den Arbeitsgemeinschaften vor Ort zugleich "ein großes Spektrum von Handlungsmöglichkeiten" ließen. Forderungen nach weiteren Gesetzesänderungen erteilte Müntefering damit implizit eine Absage.

      Der Minister betonte, das ALG II sei "keine Sozialhilfe plus". Auch bei Langzeitarbeitslosen sei das Ziel, diese wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Einfache Tätigkeiten dürften dabei nicht gering geschätzt werden. Auch Spargel stechen oder Äpfel pflücken seien "ehrenwerte Arbeiten". Im Herbst werde er Vorschläge für den Niedriglohnsektor vorlegen.

      Müntefering warnte dabei erneut vor der Einführung eines flächendeckenden Kombilohns sowie eines Mindestlohns. Mit einem Mindestlohn sei "nicht gewährleistet, dass man dann ohne Sozialtransfers auskommen kann", sagte der Minister. Letztlich gehe es um das Mindesteinkommen. So benötige ein Single einen Stundenlohn von 6,50 Euro, ein Familienvater mit zwei Kindern aber 11,50 Euro, um das Niveau des Arbeitslosengeldes II zu erreichen.

      ase/dpa/ddp/reuters
      Avatar
      schrieb am 27.06.06 16:02:25
      Beitrag Nr. 469 ()
      Das Schmarotzerspiel
      Die Deutschen sind vom Thema Sicherheit besessen. Dabei setzen die Eliten auf eine neue Tugend: Egoismus. Nach dem Motto: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht
      Zu Gast bei Einheimischen: Frank ist Professor, beamtet, unkündbar, gut besoldet. Zudem zahlt er in diverse Lebensversicherungen ein. Trotzdem wirkt dieses sorgenfreie Leben nicht sorglos. Frank scheint sich vage bedroht zu fühlen. Warum müsste der 42-Jährige sonst in jedem Privatgespräch betonen, wie wohlhabend seine Heimatstadt im Süden Deutschlands ist? Er hat es nachgesehen; er lebt im fünftreichsten Kreis der Republik. Lebensstelle, Lebensversicherung, geschickt gewählter Lebensmittelpunkt - so hofft er dem allgemeinen Niedergang zu entkommen, den er in der Bundesrepublik konstatiert. Wenn Merkel vom "Sanierungsfall" Deutschland spricht, dann kann Frank nur nicken. Einer seiner Freunde hat gerade Gold gekauft.

      Mitleid hat Frank nicht. Sobald er Berlin besucht, fallen ihm die Bettler auf. "Solche sieht man bei uns nicht", sagt er dann, und die Befriedigung ist nicht zu überhören, dass er es geschafft hat, Armut zu vermeiden. Frank hat die Spaltung der Gesellschaft nicht nur akzeptiert - er glaubt auch noch, zu Recht davon zu profitieren. Der junge Professor steht für einen sozialen Wandel: Egoismus wird zur Tugend, wenn man sich nur an die akzeptierten Karrierewege hält.

      Frank sieht eine moderne Gesellschaft in etwa so, wie sich die Zeugen Jehovas das Paradies vorstellen. Die Sekte hat ermittelt, dass im Himmel nur genau 144.000 Plätze frei sind. Deswegen müssen die Jehova-Treuen obskure Blättchen namens Der Wachtturm verteilen, damit sie am Weltenende garantiert zu den auserwählten "Geistgesalbten" zählen. Nur Fleiß und Gehorsam werden belohnt, das lernen die Sektenmitglieder früh. Die säkulare Wettbewerbsgesellschaft funktioniert genauso, wenn man sie wie Frank interpretiert. In seinem Weltbild gelangt nur ins diesseitige Paradies, wer sich anpasst und den Lebenslauf pflegt.

      Frank ist nicht der Einzige, der seine leistungsbereite Bravheit honoriert sehen will. Wenn jetzt schon wieder die Ärzte streiken, dann zeigt sich viel Enttäuschung: Immer sind sie folgsam gewesen, haben den Numerus clausus geschafft, haben im Studium gebüffelt, haben den Chefarzt ertragen, haben Nachtdienste geschoben und akzeptiert, dass viele Fachärzte und vor allem die älteren Kollegen mit eigener Praxis so viel mehr verdienen als sie. Und dieses konformistische Leiden soll jetzt nicht mit dem Paradies der Höchstbezahlung belohnt werden? Was für eine Frechheit der Gesellschaft! Man ist doch Elite.

      Diese elitäre Selbstüberschätzung ist nicht nur bei Ärzten und Professoren verbreitet, sondern inzwischen glauben die meisten Deutschen an das seltsame Paradox, dass es die Gesellschaft schon belohnen wird, wenn man egoistisch ist. Das zeigt sich momentan am deutlichsten bei der Altersvorsorge. Das Misstrauen gegen die Solidarität sitzt tief. "Der Staat" ist ein Schimpfwort und stattdessen wird auf die "Privatisierung" vertraut. In Umfragen der Universität Mannheim ergab sich, dass 85 Prozent der Deutschen ihre gesetzliche Rentenversicherung am liebsten halbieren würden, um das Geld stattdessen selbst zu investieren. Plötzlich wird der spöttische Spruch ernst genommen, dass an alle gedacht ist, wenn nur jeder an sich selbst denkt.

      Soziale Strukturprobleme werden damit individualisiert, wie die aktuellen Diskussionen um Hartz IV vorführen: Wer ohne Job dasteht, muss selbst schuld sein. Die Gesellschaft wird allseits zur Ich-AG. Dieser Paradigmenwechsel ist viel dramatischer, als es im Alltagsdiskurs der Politik erscheint. Denn das Bismarck'sche Sozialsystem ist das Einzige, was zwei Weltkriege und zwei Inflationen in den letzten hundert Jahren überlebt habt. Die Deutschen assoziieren Sicherheit mit ihren Renten- und Krankenkassen. Noch sind viele hoffnungsfroh, dass sie diese gewohnte Geborgenheit privatisieren können. Doch die Erwartung trügt, und es ist nicht absehbar, ob sich die Bundesbürger politisch radikalisieren werden, sobald sie merken, dass ihnen die letzte Sicherheit abhanden kommen wird.

      Und viele werden sich unsicher fühlen. Allerdings sind die einschlägigen Statistiken bisher nur auf den hinteren Wirtschaftsseiten in den Zeitungen zu finden. So erschien letzte Woche die aktuelle Erhebung, wie viele Millionäre es weltweit gibt. Sie stammt von der Investmentbank Merrill Lynch, die naturgemäß wissen will, wer ihre potenziellen Kunden sind. Das Resultat für Deutschland fiel ernüchternd aus: Obwohl die Börsen boomen, stieg die Zahl der Millionäre 2005 nur um 0,9 Prozent auf 767.000. Offensichtlich sammelt sich Vermögen dort, wo schon Vermögen ist. "Die Reichen werden reicher, wenige neue kommen hinzu", lautete denn auch das Fazit der Studienautoren. Gleichzeitig konstatieren sie, dass die Kluft zwischen den Reichsten und dem Bevölkerungsdurchschnitt immer größer wird. Pointiert formuliert: Die Mehrheit der Deutschen spart immer mehr und wird dabei immer ärmer. Es ist ein Wunschtraum, dass man nur brav zurücklegen muss, um als Rentner prassen zu können.

      Aber selbst wenn man Vermögen besäße: Geld lässt sich nicht essen. Diese Erkenntnis ist zwar platt, hat aber weitreichende Folgen, die gern übersehen werden. Wer heute Geld oder auch Aktien besitzt, verfügt zunächst nur über einen virtuellen Anspruch, wie die Waren zu verteilen sind, die in der Zukunft produziert werden. Das ist hochpolitisch.

      Die Deutschen neigen dazu, den Schutz des Eigentums für heilig zu halten, weil Grundgesetz und Verfassungsgericht dafür einstehen. Doch diese Bastionen sind so virtuell wie das Geld, das sie verteidigen sollen. Der Schutz des Eigentums gilt nur so lange, wie ihn große Teile der Bevölkerung gewährleisten wollen. Es ist ein Akt der Solidarität, wenn die Gesamtgesellschaft akzeptiert, dass individuelle Ansprüche gelten. Sollten sich immer mehr Menschen ausgegrenzt fühlen, werden sie nicht mehr einsehen, warum sie die Interessen der Ausgrenzer noch achten sollen.

      Das Schmarotzerspiel lässt sich nämlich beidseitig spielen: Momentan behaupten die Eliten, dass die Armen die Gesellschaft aussaugen. Doch kann diese Deutungshoheit schnell dahin kippen, dass die Reichen als Parasiten erscheinen.

      Für Gesellschaften ist absolut zentral, wen sie als Schmarotzer definieren. Das bestätigte erneut eine Studie, die den Altruismus erforscht hat und jetzt in Science publiziert wurde. Überraschendes Ergebnis: In allen 15 Test-Gesellschaften auf fünf Kontinenten wurde altruistisches Verhalten erzwungen, indem die Gesellschaft bereit war, die Schmarotzer selbst dann abzustrafen, wenn dadurch alle einen Verlust erleiden. Übersetzt: Professoren können sich nicht darauf verlassen, dass sie jeder für so wichtig hält, dass ihre Privilegien unantastbar sind.

      Frank sollte also nicht vor den Armen fliehen - sondern fordern, dass sie echte Chancen erhalten. Und zwar nicht aus Geberlaune, sondern aus purem Eigennutz. Es ist die beste Lebensversicherung, dafür zu sorgen, dass auch die anderen sicher leben können. ULRIKE HERRMANN

      taz vom 27.6.2006, S. 11, 241 Z. (Kommentar), ULRIKE HERRMANN
      Avatar
      schrieb am 29.06.06 12:01:07
      Beitrag Nr. 470 ()
      :mad:

      man sollte ab 50 seine Konten in D platt machen.
      Man weiss ja nie was so kommt.
      Avatar
      schrieb am 21.07.06 21:25:09
      Beitrag Nr. 471 ()
      interesannte Studie... nicht, daß das nicht bereits bekannt gewesen wäre ... aber es widerlegt so schön das dämliche Gejammer der Industrie, die von einem rekordgewinn zjm nächsten eilt und von zu hohen Lohnnebenkosten quatscht.

      Dabei sind die Lohnnebenkosten dramatisch gesunken:

      es gehen nämlich selbst schwer erkrankte Arbeitnehmer gegen ärztlichen Rat weiter arbeiten und die Krankheitstage sinken jedes JAhr auf neue Rekordtiefs. Und DAS macht richtig viel an Produktivitätszuwachs aus.


      Aber zurück zumThema Arbeitsplatzauslagerung, nicht selten eine einfache Reaktion schlechten Managements, welches seinen Laden nicht in Ordnung hält:



      -------------------------------------------------------------

      SPIEGEL ONLINE - 21. Juli 2006, 15:52
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,427975,00.html


      Unsinnsarbeit-Studie

      Angestellte verschwenden 32,5 Arbeitstage pro Jahr

      Zu viel Verwaltung, doppelte Arbeit, endlose Konferenzen - viele Büroangestellte kennen diese Art der täglichen Zeitverschwendung. Eine Unternehmensberatung hat versucht auszurechnen, wie groß der entstehende Schaden ist.


      Frankfurt am Main - Die Verschwendung von Arbeitszeit sorge in Deutschland für einen Gesamtschaden von mehr als 170 Milliarden Euro im Jahr, schreibt die Unternehmensberatung Proudfoot in einer Produktivitätsstudie. Dies entspreche knapp acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes und 32,5 Arbeitstage pro Person und Jahr.

      Die Studie basiert auf rund 1900 Analysen, die Proudfoot-Berater in 235 Unternehmen in 30 Ländern erstellt haben. Außerdem befragten die Berater im April dieses Jahres 819 Führungskräfte aus 18 Ländern.

      Weltweit würden rund 30 Prozent der geleisteten Arbeitszeit mit unproduktiven Tätigkeiten verschwendet, schreiben die Berater. Als Hauptgrund nannten sie mangelnde Führung. "Die Manager haben zu wenig Zeit, sich um die eigentlichen Führungsaufgaben zu kümmern", sagte Jochen Vogel, Leiter des Deutschland-Geschäfts von Proudfoot. "Und sie gehen zu selten in den Betrieb und sprechen mit den Mitarbeitern."

      Außerdem bewirke unzureichende Planung und Erfolgskontrolle Unproduktivität. Oft wissen die Mitarbeiter laut Studie nicht genau, was ihre Aufgaben sind. Durch neue Managementmethoden wie individuelle Zielvorgaben und Ergebniskontrollen habe sich die Situation aber in den vergangenen Jahren verbessert.

      Weitere Gründe für verschwendete Arbeitszeit liegen der Studie zufolge in schlechter Arbeitsmoral, unzureichender Ausbildung der Mitarbeiter, ineffektiver Kommunikation und in IT-Problemen. Mit Blick auf die Produktivitätshemmer sagte Berater Vogel, wenn Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern wollten, gehe es nicht um Investitionen oder Verlagerungen in Billigländer. "Die Unternehmen müssen mit den Führungskräften und Mitarbeitern arbeiten."

      In Deutschland habe sich die Produktivität zwar erhöht, es gebe aber noch keine Entwarnung. Vogel sagte: "Es ist leichter und weniger riskant, ein Werk in Deutschland in zwölf Monaten um 20 Prozent produktiver zu machen, als die Produktion nach Osteuropa oder Asien zu verlagern."


      itz/AP





      Avatar
      schrieb am 22.07.06 09:58:34
      Beitrag Nr. 472 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 22.849.159 von Deep Thought am 21.07.06 21:25:09Nichts für ungut, da betrachtest Du die Lage zu einseitig. Unsere Großkonzerne machen prächtige Gewinne, ok. Gleichzeitig erleben wir die größte Pleitewelle seit dem 2. Weltkrieg hier, keine Erfindung von mir.
      Das muß ja nun zwingend einen Grund haben!!

      Den findest Du wirklich bei den Kosten und dem Konsumstreik, den wir nun mal haben hier.

      Und das die Großkonzerne den Gewinn fahren können, hat einmal den Grund, das vieles ausgelagert wurde in Billiglohn Länder, hier nur Endprodukte hergestellt werden, sowie ihnen Abschreibmöglichkeiten für Auslandsinvestitionen eingeräumt wurden. Steuerfreie Veräußerungsgewinne toppen das dann noch.

      Mit derart ungerechten wirtschaftlichen Voraussetzungen braucht man sich über nichts mehr hier zu wundern.
      Avatar
      schrieb am 24.07.06 18:42:02
      Beitrag Nr. 473 ()
      VW-Affäre
      Noch 2006 Untreue-Anklage gegen Hartz




      Peter Hartz ist tief gestürzt

      | 22.07.06, 10:42 | focus.de

      In der VW-Affäre will die Staatsanwaltschaft Braunschweig bis Ende des Jahres gegen Ex-Personalchef Peter Hartz Anklage wegen Untreue erheben.
      Das teilten die Ermittler am Dienstag Hartz-Anwalt Egon Müller mit. Bei dem Gespräch konkretisierte die Justiz ihre Vorwürfe. Demnach soll Hartz etwa für Zahlungen von knapp einer Million Euro an die brasilianische Geliebte des Ex-Betriebsratschefs Klaus Volkert verantwortlich gewesen sein.


      Einen erneuten Eklat gab es im VW-Aufsichtsrat, der seit Monaten als zerstritten gilt. Bei der Präsidiumssitzung am Dienstag forderte IG-Metall-Chef Jürgen Peters von sämtlichen Mitgliedern des obersten Kontrollgremiums die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Darin sollten sie sich verpflichten, keine Interna aus dem Aufsichtsrat zu verraten. :laugh: Zuvor hatte Peters kritisiert, dass immer wieder vertrauliche Informationen in die Öffentlichkeit gelangten.

      Der ungewöhnliche Vorstoß des Gewerkschafters fand im sechsköpfigen Präsidium keine Mehrheit. Ein Aufsichtsrat bezeichnete Peters’ Initiative als „stillos und peinlich. Er sagte: „Wir haben bei VW andere Probleme, als uns gegenseitig zu verdächtigen und Detektiv zu spielen.“
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      schrieb am 25.07.06 07:54:31
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      schrieb am 25.07.06 09:07:57
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      schrieb am 25.07.06 10:11:49
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      schrieb am 25.07.06 13:45:15
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      schrieb am 25.07.06 15:20:09
      Beitrag Nr. 478 ()
      Peter Hartz ist Unternehmensberater

      25.07.06, 11:20 |
      Der frühere VW-Personalvorstand Peter Hartz hat einen neuen Job: Er ist Unternehmensberater.
      Wie die „Wolfsburger Allgemeine Zeitung“ am Dienstag berichtet, arbeitet Hartz als Unternehmensberater im Saarland. Hartz habe eine Firma, die Beratung, Unternehmensführung und Controlling anbiete. Das Unternehmen sei im Januar bei der IHK Saarland als Mitglied registriert worden.

      Hartz war im Sommer 2005 von seinem Posten als VW-Arbeitsdirektor zurückgetreten. Gegen ihn wird im Zuge der VW-Affäre um Lustreisen auf Firmenkosten ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig will die Untersuchung nach Angaben von Staatsanwalt Klaus Ziehe bis Ende des Jahres abschließen. Ob es zu einer Anklage komme, sei aber noch offen, da Hartz die Möglichkeit habe, sich erneut zu den Vorwürfen zu äußern.

      Lustreisen als Spesen abgerechnet

      Im Fall der VW-Affäre sollen die Kosten für Lustreisen für Betriebsräte über das persönliche Spesenkonto von Hartz gelaufen sein. Insgesamt sind 14 Beschuldigte im Visier der Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Die Vorwürfe lauten: Verdacht auf Untreue und Betrug oder Beihilfe dazu. Schlüsselfiguren im Korruptionsskandal sind unter anderen der ehemalige VW-Betriebsrat Klaus Volkert und der Ex-Manager Klaus-Joachim Gebauer. Die Affäre um Schmiergelder, angeblich gekaufte Betriebsräte, Sexpartys und Lustreisen auf Unternehmenskosten war im Sommer 2005 bekannt geworden.

      Staatsanwaltschaft prüft Begünstigung

      Die «Süddeutsche Zeitung» berichtete, neben den Untreue-Ermittlungen erwäge die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Ex-Personalvorstand Hartz wegen Begünstigung von Betriebsräten anzuklagen. Dies geht auf den Paragrafen 119 des Betriebsverfassungsgesetzes zurück und wäre ein Novum in großen Wirtschaftsprozessen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte, eine Anwendung des Paragrafen werde ernsthaft geprüft.

      Der Autohersteller VW hatte im vergangenen Jahr selbst einen Strafantrag wegen möglicher Begünstigung von Betriebsräten gestellt. In der VW-Affäre waren Vorwürfe laut geworden, Betriebsräte sollten mit «Lustreisen» gefügig macht werden.
      Http://www.netzeitung.de
      Avatar
      schrieb am 25.07.06 15:27:06
      Beitrag Nr. 479 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 23.039.968 von Viva2 am 25.07.06 15:20:09Saarland, RotlichGEWERBE,
      war da nicht mal was???

      Der läßt anscheinend kein Fettnäpfchen aus!
      :mad:
      Avatar
      schrieb am 25.07.06 16:12:57
      Beitrag Nr. 480 ()


      Unternehmensberater? Der? Na das soll mir was werden.
      Etwa so:

      Durch den reziproken Grundwert mit umgekehrten Vorzeichen versehen, unter Hinzufügung etwa der Hälfte an Imponderabilien, können sie den Gewinn um das anderthalbfache steigern.

      Dann nehmen sie den Gewinn un tragen ihn ins Nachbarbüro. Der dortige Mitarbeiter macht dann das Gleiche und trägt den Gesamtgewinn zum nächsten Zimmer, wo dann auch das gleiche passiert und so weiter...

      Wenn Sie dann den Gewinn von 10 Zimmern errechnen, können sie davon ausgehen, das sie mindesten 30 neue Mini-Jobber (Dschobber) a 0,99 Euro/Std einstellen werden, allein schon um den Gewinn abtransportieren zu können, öh öh.

      Oh blühende Landschaften werden kommen:laugh:
      Avatar
      schrieb am 26.07.06 08:56:04
      Beitrag Nr. 481 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 23.041.128 von Rhum56 am 25.07.06 16:12:57Der wird die Untenehmen schon entsprechend beraten, wie sie noch mehr Leute feuern können, die dann auch alle unter "seine" Gesetze fallen. :mad:
      Avatar
      schrieb am 26.07.06 11:09:48
      Beitrag Nr. 482 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 23.058.355 von Viva2 am 26.07.06 08:56:04Das traurige daran ist, das sowohl die Manager in den oberen Etagen, wie auch die Politiker total den Bezug zur Endstehung von Betrieben/Arbeitsplätzen verloren haben.

      Es ist eine Tragödie, wenn mna gezwungen ist, mit an zusehen, wie die reihenweise das Gegenteil veranstalten von dem, was notwendig wäre um Produktivität im Land zu halten.

      Heutzutage braucht es wirklich Nerven aus Stahlseilen, um hier was aufbauen/erhalten zu können. Davon kann ich selber ein Liedchen singen.

      Unternehmensberater kommen mir nicht mehr ins Haus, auch da hab ich genug erlebt.
      Avatar
      schrieb am 27.07.06 07:46:11
      !
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      Avatar
      schrieb am 27.07.06 07:49:10
      Beitrag Nr. 484 ()
      VW-Affäre
      "Die Prostituierte war für den Vorstand bestellt"
      Zwei Zeugen belasten in den Ermittlungen wegen Untreue-Verdachts den Ex-Personalchef von Volkswagen, Peter Hartz. Diesen Aussagen zufolge hat er auch eine Lustwohnung in Braunschweig besucht.
      Von Martin Lutz und Uwe Müller

      Berlin - In der VW-Affäre um Lustreisen und Sexpartys auf Konzernkosten gibt es neue Verdächtigungen gegen den früheren Personalvorstand Peter Hartz. Nach übereinstimmenden Aussagen zweier Zeugen soll eine Braunschweiger Wohnung, die ein VW-Personalmanager für Treffen mit Prostituierten angemietet hatte, auch von Hartz genutzt worden sein. Entsprechend geäußert haben sich Bernd Reich, Betriebsrat des Volkswagenwerks für Nutzfahrzeuge in Hannover, und eine Sachbearbeiterin der VW-Personalabteilung. Enthalten sind die Aussagen der Zeugen in der Ermittlungsakte der Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Die Akte liegt dieser Zeitung in Teilen vor.

      Reich hat gegenüber seinem Anwalt die bei der Staatsanwaltschaft vermerkte Aussage gemacht, daß sich Hartz in dem Zwei-Zimmer-Appartement an der Braunschweiger Kurt-Schumacher-Straße 18/19 gemeinsam mit der Prostituierten "Nina" aufgehalten haben soll. Die VW-Angestellte aus der Personalabteilung bestätigte dies bei ihrer Vernehmung im niedersächsischen Landeskriminalamt (LKA). Hartz habe das Domizil nach ihrer Kenntnis "einmal genutzt", sagte sie aus. Reich hatte unter anderem Prostituierte in die Wohnung chauffiert und Honorare übergeben. Die Sachbearbeiterin ließ die Unterkunft für die Sextreffen herrichten und unter anderem mit einem Vorrat an Champagner bestücken. "Mein Mandant hat Herrn Hartz eindeutig in der Wohnung gesehen. Die Prostituierte war für den Vorstand bestellt", sagte jedenfalls Reichs Anwalt Manfred Koch im Gespräch mit der WELT.

      Sollte sich herausstellen, daß Hartz Leistungen auf Konzernkosten in Anspruch genommen hat, droht ihm eine Anklage. Denn die Sexpartys und Lustreisen von VW-Managern und Betriebsräten waren keine Privatangelegenheiten, weil sie in großem Rahmen von dem Autohersteller finanziert wurden. Die Justiz prüft derzeit, ob Untreuedelikte vorliegen und ob Hartz auch wegen Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern angeklagt werden kann. Das Unternehmen hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft allein für das Braunschweiger Appartement mehr als 31 000 Euro aufgewendet - dabei sind die Dienste der dort tätigen Freudenmädchen noch nicht einmal inbegriffen.

      Hartz-Anwalt Egon Müller wollte zu Vorwürfen im Zusammenhang mit der Braunschweiger Wohnung keine Stellungnahme abgeben. Hartz bestreitet, Begünstigungen angeordnet zu haben. VW hatte er am 8. Juli 2005 seinen Rücktritt angeboten und den Konzern einen Monat später verlassen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn am 28. September vergangenen Jahres als Zeugen vernommen. Damals war er noch kein Beschuldigter. Seitdem hat der Top-Manager von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

      Die Anmietung der Braunschweiger Adresse wurde bei einem Arbeitsessen im Restaurant "Clichy" in Hannover vorbereitet. Reich sagte aus, er habe sich im Herbst 2002 mit dem Bordellbetreiber Rene G. und einem Hartz-Mitarbeiter getroffen. Der hatte Reich kontaktiert, weil dieser verwandtschaftliche Beziehungen in die Rotlichtszene hat. Nach einem weiteren Treffen seien er und der Hartz-Mitarbeiter in das "Sex World" in Hannover gefahren, so Reich. Dort verfolgte er nach eigenen Angaben nur die Auswahl von Prostituierten, etwa von "Nina" und "Lena". Liebesdienste habe er selbst aber nie in Anspruch genommen. Vier Mal, so der Betriebsrat laut Vermerk der Staatsanwaltschaft, habe er Prostituierte zu der Wohnung chauffiert, für die er neben anderen Personen einen Schlüssel besaß. Dort habe er auch das Honorar überreicht - angeblich 400 Euro pro Dame.

      Der Ermittlungsakte zufolge mietete der Hartz-Mitarbeiter das Appartement 2003 für ein Jahr an. Das unauffällige Hochhaus wurde ausgesucht, da Sexpartys in Hotels nahe deutschen VW-Standorten viel zu riskant erschienen, sagten Zeugen aus. In die aufwendig renovierte und abgedunkelte Unterkunft gelangten Gäste aus Wolfsburg diskret durch die Parkgarage. Von dort aus ging es mit einem Fahrstuhl unmittelbar vor die Wohnungstür im sechsten Stock.

      Die Sachbearbeiterin aus der VW-Personalabteilung hat gegenüber den Ermittlern ausgesagt, sie habe dafür sorgen müssen, daß die Wohnung für die Prostituiertentreffs adäquat ausgestattet wurde - etwa mit Bademänteln, Champagner und Obstkörben. Das Quartier sei nach den Sexpartys recht "unordentlich" hinterlassen worden, eine Putzfrau war mit den Aufräumarbeiten beauftragt. "Sie sagte sinngemäß: Meine Güte, was muß in der Wohnung abgegangen sein", gab die Sachbearbeiterin zu Protokoll. Die Angelegenheit habe sie in Gewissenskonflikte gebracht. Aus Angst um den Arbeitsplatz habe sie schließlich doch bei den Arrangements mitgewirkt.

      Laut einer weiteren Zeugenaussage ist die Wohnung nicht allein für Hartz, sondern auch für den ebenfalls zurückgetretenen VW-Konzernbetriebsratschef Klaus Volkert angemietet worden. Auch der einst so mächtige Arbeitnehmervertreter, einer von insgesamt 14 Beschuldigten in der VW-Affäre, belastet Hartz. Dem Arbeitsdirektor habe er "vorübergehend" einen Wohnungsschlüssel überlassen, heißt es in den Dokumenten der Staatsanwaltschaft. Das deckt sich mit den Aussagen der VW-Personalsachbearbeiterin. Volkert bestreitet jedoch, daß die Adresse "als eine Art ,Liebesnest"" unterhalten worden sei. Ursprünglich sollten dort "ausländische Gäste speziell für den Betriebsrat" beherbergt werden.

      Artikel erschienen am Do, 27. Juli 2006

      Artikel drucken
      < © WELT.de 1995 - 2006
      Avatar
      schrieb am 27.07.06 10:00:22
      Beitrag Nr. 485 ()
      Ich bitte darum, sich die wortwahl zu überlegen, wenn man den skandal um vw und peter hartz kommentiert. dieses forum ist kein ort, um menschen herabzuwürdigen oder um sexuelle fantasien auszudrücken.

      MODiva
      Avatar
      schrieb am 27.07.06 10:19:35
      Beitrag Nr. 486 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 23.109.814 von MODiva am 27.07.06 10:00:22Ja du hast recht, liebe Modiva, ich gehe in mich und fühle mich ganz klein, ich will nie mehr jemand herabwürdigen. Ich werde auch weiter brav "Lohnverzicht" üben, werde es klaglos schlucken, wenn ich für meine jahrelang bezahlten Zwangsabgaben ("Versicherungsbeiträge" :laugh: ) genau nichts mehr bekomme. Auch die Menschen, die mir dies zumuten, sind nur fehlbar, sind nicht perfekt, sie haben es sicher nur gut gemeint, ich werde mich also nie mehr darüber aufregen, nie mehr neidisch darauf sein, wenn sie von dem von den Arbeitern erwirtschafteten Gewinn ein hartes Leben voller drückender Verantwortung führenn sondern mich darum bemühen, erst einmal die Splitter in meinem eigenen Auge zu suchen.
      Avatar
      schrieb am 27.07.06 10:24:57
      Beitrag Nr. 487 ()
      cajadeahorros, was ist denn mit dir los? du bist überhaupt nicht betroffen. es geht um genau zwei user, die wohl wissen werden, dass sie gemeint sind. und über die Hartz-reformen darf sich jeder so viel beschweren wie er oder sie will. nur bitte nicht mit beleidigungen und sexuellen anspielungen.

      MODiva
      Avatar
      schrieb am 28.07.06 08:56:51
      Beitrag Nr. 488 ()
      Reallöhne in Deutschland sinken weiter


      Reallöhne sinken weiter (Foto: T-Online)
      Die Reallöhne in Deutschland werden 2006 nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung das dritte Jahr in Folge sinken. "Die Arbeitnehmer müssen in diesem Jahr eine Reallohnentwicklung von minus 0,7 Prozent hinnehmen", sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Stiftung dem "Hamburger Abendblatt".
      rgleich - Städte mit der größten Ausbildungsplatzdichte

      Inflation übersteigt den Zuwachs der Tariflöhne
      Die erwartete Inflation von mehr als zwei Prozent übersteige den Zuwachs der Tariflöhne von durchschnittlich 1,5 Prozent. Bereits 2005 waren die Reallöhne um 1,5 Prozent, 2004 um 1,1 Prozent gesunken.

      Kaufkraftverlust wird 2007 noch stärker
      "Viele Beschäftigte erhalten noch nicht einmal mehr die ausgehandelten Tariferhöhungen", sagte Schulten weiter. Um Arbeitsplätze zu sichern oder Produktionsstandorte in Deutschland zu halten, vereinbarten viele Arbeitgeber mit den Beschäftigten betriebliche Sonderregelungen und kürzten dabei zum Beispiel Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. "Oft werden Tariferhöhungen auch mit übertariflichen Leistungen verrechnet, so dass die Mitarbeiter dann keinen Cent zusätzlich in der Tasche haben." Angesichts der Mehrwertsteuererhöhung erwartet Schulten für 2007 einen weiteren Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer.
      http://www.t-online.de
      Avatar
      schrieb am 28.07.06 17:57:44
      Beitrag Nr. 489 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 23.145.289 von Viva2 am 28.07.06 08:56:51Haben die aber lange für gebraucht, um das zu kappieren.

      Die Schraube dreht sich immer weiter hoch, die Folgen immer die gleichen--->Kaufkraftschwund.

      Mit so einer Dummheitspolitik von Regierung und Gewerkschaften verlagert sich das ganze System zur Armut für die Masse.

      Nächstes Jahr stehen mindestens weitere 6% der Nettolöhne nicht mehr für Konsum zur Verfügung. 3% Mwst, 0,8% geschätze Kassenbeiträge, Der Fond noch nicht beziffert und die vielen anderen Schmerzmittelchen auch noch nicht
      Avatar
      schrieb am 29.07.06 10:25:42
      Beitrag Nr. 490 ()
      Reallöhne in Deutschland sinken weiter

      Die Reallöhne in Deutschland werden 2006 nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung das dritte Jahr in Folge sinken. "Die Arbeitnehmer müssen in diesem Jahr eine Reallohnentwicklung von minus 0,7 Prozent hinnehmen",
      sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Stiftung dem "Hamburger Abendblatt".


      Inflation übersteigt den Zuwachs der Tariflöhne
      Die erwartete Inflation von mehr als zwei Prozent übersteige den Zuwachs der Tariflöhne von durchschnittlich 1,5 Prozent. Bereits 2005 waren die Reallöhne um 1,5 Prozent, 2004 um 1,1 Prozent gesunken.

      Kaufkraftverlust wird 2007 noch stärker
      "Viele Beschäftigte erhalten noch nicht einmal mehr die ausgehandelten Tariferhöhungen", sagte Schulten weiter. Um Arbeitsplätze zu sichern oder Produktionsstandorte in Deutschland zu halten, vereinbarten viele Arbeitgeber mit den Beschäftigten betriebliche Sonderregelungen und kürzten dabei zum Beispiel Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. "Oft werden Tariferhöhungen auch mit übertariflichen Leistungen verrechnet, so dass die Mitarbeiter dann keinen Cent zusätzlich in der Tasche haben."

      Angesichts der Mehrwertsteuererhöhung erwartet Schulten für 2007 einen weiteren Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer.
      Avatar
      schrieb am 29.07.06 11:00:52
      Beitrag Nr. 491 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 23.198.515 von Deep Thought am 29.07.06 10:25:42#484=#482;)

      Ist zwar richtig, das die Kaufkraft sinkt. Nur die Prozente passen nicht zusammen. Aus Sicht der Tarifentwicklung und der Inflation lasse ich es noch stehen. Aber man muß die steuerliche Seite und all die anderen Änderungen berücksichtigen. Da sieht das Ganze dann erheblich gruseliger aus. Ich würde mindestens 6 % schätzen!
      Avatar
      schrieb am 29.07.06 11:32:36
      Beitrag Nr. 492 ()
      @ Rhum56

      Ja, das sehe ich auch so.
      Avatar
      schrieb am 22.08.06 09:19:57
      Beitrag Nr. 493 ()
      Verschärfung der Hartz-IV-Gesetze wirkt
      Dienstag 22. August 2006, 07:36 Uhr

      Erfurt (dpa) - Die verschärften Hartz-IV-Gesetze zeigen nach einem Zeitungsbericht Wirkung: Im Juli ging die Zahl der Bedarfsgemeinschaften erstmals seit Einführung der Arbeitsmarktreform zurück.

      Nach vorläufigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden im Juli bundesweit 111 640 Bedarfsgemeinschaften weniger gezählt, als im Vormonat - ein Rückgang um fast drei Prozent, berichtet die «Thüringer Allgemeine» (Dienstag). Die Zahl der Leistungsempfänger sank um 81 000.

      Jugendlichen unter 25 ist es seit April nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, durch Auszug aus dem elterlichen Haushalt eine eigene Bedarfsgemeinschaft zu gründen. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies im Juli zum ersten Mal gewirkt hat», sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) der Zeitung. Der bundesweite Rückgang entfalle fast vollständig (110 000) auf Single-Haushalte.

      Die Ausgaben des Bundes für das Arbeitslosengeld (ALG) II gingen im Juli (2,2 Milliarden Euro) leicht zurück, allerdings liegen sie immer noch knapp zehn Prozent über dem Vorjahr. Dass die im Haushalt 2006 eingestellten 24,4 Milliarden Euro für die Zahlungen an Langzeitarbeitslose ausreichen werden, ist unwahrscheinlich.
      Avatar
      schrieb am 22.08.06 09:59:50
      Beitrag Nr. 494 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 23.553.896 von Aktienkrieger am 22.08.06 09:19:57Bedarfsgemeinschaften ist einfach ein humoristischer Ausdruck.
      :laugh:
      Ähnlich Arbeitsmarktreform
      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 08.11.06 07:40:42
      !
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      Avatar
      schrieb am 16.11.06 07:24:07
      Beitrag Nr. 496 ()
      - 15. November 2006, 13:18
      URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,448587,00.html



      VW-AFFÄRE

      Staatsanwaltschaft klagt Hartz an

      Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Anklage wegen Untreue gegen den früheren VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz erhoben. Hartz soll im Zuge der VW-Affäre unter anderem jährlich sechsstellige Summen als Bonuszahlungen an Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert genehmigt haben.


      Braunschweig - Die Anklage der Braunschweiger Staatsanwaltschaft umfasst aber nicht allein den Tatbestand der schweren Untreue nach Paragraf 266. Dem früheren Personalvorstand des Autobauers werden zudem Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz und das Europäische Betriebsrätegesetz vorgeworfen.



      Ex-VW-Personalvorstand Hartz: strafrechtliche Verantwortung eingeräumt


      Der Anklage zufolge soll der ehemalige Personalvorstand über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 2,5 Millionen Euro veruntreut haben. Diese Summe ergibt sich vor allem aus Sonderbonuszahlungen, die er an den früheren VW-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert ausschütten ließ.

      Der gleiche Vorwurf wird gegen Hartz erhoben, weil er der Geliebten des Betriebsratschefs insgesamt 399 000 Euro überweisen ließ, obwohl kein schriftlicher Vertrag mit ihr vorlag. Dies erhöhe die Schadenssumme weiter ebenso wie Ausgaben für Privatflüge der Geliebten zu dem Treffen mit Volkert.

      Hartz hatte im Oktober eine "strafrechtliche Verantwortlichkeit" für Begünstigungen Volkerts eingeräumt.
      Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin bestätigt, dass die Ermittlungen zügiger als gedacht beendet werden könnten. Die Aussage könnte sich strafmildernd auswirken - Juristen halten eine Bewährungsstrafe für möglich.

      mik/dpa
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      schrieb am 16.11.06 10:21:15
      Beitrag Nr. 497 ()
      mir war von vornherein klar,das jemand der gesetze erfindet die nixtuern das geld in den allerwertesten blasen,dasselbe wohl auch in seinem unternehmen getan haben muss.
      ein bezug zur leistung kann so jemand nicht haben
      Avatar
      schrieb am 19.12.06 00:41:41
      !
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      Avatar
      schrieb am 19.12.06 02:23:52
      Beitrag Nr. 499 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 26.290.712 von Deep Thought am 19.12.06 00:41:41:laugh::laugh::laugh::D:D:D

      Jawoll!!
      Das Heer der Gewaschenen und Rasierten stürmt den Bundestag :laugh::laugh:

      Ich hätte da auch noch ein hübsches Lied zum mitsingen: :D

      Manches Lied hört ich einst
      in der Arbeiter Kreis
      Ach, es klang drin
      von Lust und von Schmerzen

      Wenn auch viel ich vergaß
      immer bleibt doch die Weis von der Arbeit
      mir treu in dem Herzen

      Hey, du Knüppelchen, du grünes
      Hey und will es nicht von selber gehen
      wir helfen
      wir helfen
      So gib ihm

      Aus der Großväter Mund
      hat vererbt bis auf heut
      sich das Lied von dem wackeren Knüppel

      Denn ein jeder greift gern
      wenn die Not ihn bedräut
      wohl nach ihm als dem sichersten Mittel

      Hey, du Knüppelchen, du grünes
      Hey und will es nicht von selber gehen
      wir helfen
      wir helfen
      So gib ihm

      Wenn der Bauer verreckt
      wie ein Bauer halt stirbt
      hinterläßt er dem Sohne ein Erbe

      Trag geduldig dein Los
      wie's ein Bauer erwirbt
      An den Knüppel denk auch wenn ich sterbe

      Hey, du Knüppelchen, du grünes
      Hey und will es nicht von selber gehen
      wir helfen
      wir helfen
      So gib ihm

      Doch es kommt einst der Tag
      wenn der Bauer erwacht
      reckt und streckt die gebundenen Glieder

      Und erschlägt seinen Feind
      der ihn elend gemacht
      mit dem Knüppel zu Boden darnieder

      [alte russische Volksweise]

      Avatar
      schrieb am 19.12.06 02:35:04
      Beitrag Nr. 500 ()
      Also,
      ich rechne mal kurz:
      Wenn jeder der Angestellten der Bundesanstalt für ARBEIT auch nur 10 Arbeitslose pro Monat rasiert und Ihnen die Haare schneidet (bei damen reicht vielleicht auch schon waschen und legen) , dann...

      haben wir innerhalb eines Jahres keine Arbeitslosen mehr!

      daher fordere ich vehement die Weiterqualifikation der Arbeitsagentur-Mitarbeiter zu FRisören und Friseusen!

      Bei dem geistigen Niveau, auf dem sich Beck bewegt, kann ich nur sagen: er auch bereits einer!

      Vorbei die zeit kniffliger Gesetzgebung, um die Lohnebenkosten in deutschland zu beseitigen und das Gesundheutssystem zu retten!

      Es reichen folgende gesetzgeberische Initiativen:

      verbot von Bartwuchs und ein tägliches Bad sowie ein mal monatlich eine Frisur!



      schnipp-schnapp!
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