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    Direktmandat für Grüne: Christian Ströbele - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 22.09.02 22:34:56 von
    neuester Beitrag 23.09.02 17:12:19 von
    Beiträge: 41
    ID: 636.919
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      schrieb am 22.09.02 22:34:56
      Beitrag Nr. 1 ()
      http://www.n-tv.de/3067620.html

      Sonntag, 22. September 2002
      Direktmandat für Grüne
      Porträt: Christian
      Ströbele


      Er hat es tatsächlich geschafft:
      Als erster Grünen-Politiker holte
      Christian Ströbele
      Hochrechnungen zufolge ein
      Direktmandat für seine Partei.

      Der 63-Jährige gewann den
      Berliner Wahlkreis Kreuzberg,
      Friedrichshain und Prenzlauer Berg Ost und sicherte sich aus
      eigener Kraft einen Platz im nächsten Bundestag, dem er nach dem
      Willen seiner Partei sonst wohl nicht mehr angehört hätte. Doch der
      erfahrene Kämpfer Ströbele ließ sich vom Votum seines
      Landesverbandes nicht schrecken - ebensowenig von einem
      Angreifer, der ihm im Wahlkampf-Schlussspurt mit einer Stange auf
      den Kopf schlug: Seinen Sieg musste Ströbele mit einer
      Gehirnerschütterung feiern.

      Noch im Januar schien die Bundestagswahl für Ströbele gelaufen.
      Für viele überraschend wurde das "Urgestein der Grünen" von
      seinem Landesverband auf einen der wenig aussichtsreichen
      Listenplätze verbannt. Aufgestellt wurde statt Ströbele der
      ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz - einer der wenigen
      profilierten Vertreter Ostdeutschland der Partei.

      Ströbele zeigte sich nach der Niederlage zunächst "tief enttäuscht
      und verletzt", galt er doch lange als einer der profiliertesten
      Vertreter des linken Parteiflügels. Insbesondere bei den Debatten
      über die Einsätze der Bundeswehr vertrat Ströbele konsequent die
      Position der Militärgegner und legte sich dabei auch immer wieder
      mit der Parteispitze an. Als US-Präsident George W. Bush im Mai
      nach Berlin kam und eine Rede im Bundestag hielt, verließ Ströbele
      demonstrativ den Saal. Darauf war er stolz. Darüber hinaus machte
      sich Ströbele auch als Experte im Parteispendenausschuss einen
      Namen und kümmerte sich auch um verprügelte
      Globalisierungskritiker in Genua. Der ehemalige RAF-Anwalt ist
      außerdem Fachmann in Fragen der Innenpolitik.

      Doch sich geschlagen zu geben, ist Ströbeles Sache nicht. Wenige
      Wochen nach der sensationellen Niederlage blies er schon wieder
      zum Angriff und ließ sich als Direktkandidat in seinem
      Heimatwahlkreis aufstellen. Mit seinem alten klapprigen Fahrrad
      oder in einem solarbetriebenen Elektromobil war er unermüdlich
      unterwegs. In dem Multi-Kulti-Bezirk Kreuzberg war der Mann mit
      den buschigen Augenbrauen, der 1980 die Alternative Liste
      mitgründete, ohnehin bekannt wie ein bunter Hund.

      Dies machte ihn offenbar auch angreifbar: Zwei Tage vor der
      Bundestagswahl wurde Ströbele auf offener Straße von einem
      Rechtsextremisten angegriffen und verletzt. Obwohl er einen
      heftigen Schlag auf den Kopf bekam, nahm der 63-Jährige zunächst
      selbst die Verfolgung des Angreifers auf. Dann aber musste
      Ströbele ins Krankenhaus - die Ärzte diagnostizierten eine
      Gehirnerschütterung. Der Sieg dürfte den Grünen aber über seine
      Kopfschmerzen hinwegtrösten.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 22:39:39
      Beitrag Nr. 2 ()
      GLÜCKWUNSCH !

      DEIN NEIN zu KRIEGEN hat viele Überzeugt !

      Weiter so ! :)
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 22:40:33
      Beitrag Nr. 3 ()
      er ist der einzige sieger der wahl. ich wähle kein grün, aber er hat`s verdient.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 22:41:10
      Beitrag Nr. 4 ()
      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,215198,00.h…

      Ströbele holt erstmals Direktmandat für Grünen

      Zum ersten Mal in der Geschichte der Partei zieht ein Kandidat der Grünen mit Direktmandat in den Bundestag ein: der
      Innenpolitiker Hans-Christian Ströbele - dem die eigene Partei einen sicheren Listenplatz versagte.



      Berlin - Der Grünen-Bundestagabgeordnete Hans-Christian Ströbele verpasste am Sonntagabend
      vermutlich den Beifall seines Lebens. Bei der Wahlparty der Grünen im Tempodrom in
      Berlin-Kreuzberg brachen rund 3000 Anhänger der Partei mehr als ein Dutzend Mal in Jubel aus. Der
      63-Jährige holte im Wahlbezirk Friedrichshain- Kreuzberg das erste Direktmandat in der Geschichte
      der Partei.

      Der 63-jährige Rechtsanwalt erreichte nach der Auszählung des größten Teils der abgegebenen
      Stimmen 31,5 Prozent. Sein härtester Konkurrent, Berlins SPD-Landesvize Andreas Matthae, lag mit
      knapp 30 Prozent auf dem zweiten Platz. Abgeschlagen auf dem dritten Platz erreichte die
      PDS-Kandidatin Bärbel Grygier 21 Prozent.

      Im Frühjahr war Ströbele bei seiner Kandidatur für den aussichtsreichen zweiten Platz der Berliner
      Landesliste gescheitert. Die Parteimitglieder stellten stattdessen den früheren DDR- Bürgerrechtler
      Werner Schulz auf. Ströbele entschied sich daraufhin, auf direktem Weg um seinen Wiedereinzug in
      den Bundestag zu kämpfen.

      Ströbele, Innenexperte seiner Partei und profiliertes Mitglied im
      CDU-Spenden-Untersuchungsausschuss, gilt als entschiedener Pazifist und Vertreter des linken
      Partei-Flügels. Im Bundestag sorgte er mehrfach für Aufsehen. Er sprach sich vehement gegen die
      Beteiligung Deutschlands am Afghanistan-Einsatz aus und verweigerte Bundeskanzler Gerhard
      Schröder (SPD) auch bei dessen Vertrauensfrage dazu die Gefolgschaft.

      An der Siegesfeier konnte Ströbele jedoch nicht teilnehmen. Am Freitag war er an seinem Wahlkampfstand von einem
      Rechtsradikalen angegriffen und verletzt worden. Deswegen blieb der Politiker am Wahlabend zu Hause.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 22:45:33
      Beitrag Nr. 5 ()

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      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:01:42
      Beitrag Nr. 6 ()
      Tja, jetzt hat die auf Stromlinienförmigkeit getrimmte EX-Friedenspartei DOCH wieder einen der mittlerweile exotischen SERIÖSEN Gründerväter im Boot.... :laugh:

      Dabei haben Joschka und Co. alles, aber auch wirklich ALLES getan, um hochintelligente und seriöse Querdenker wie Metzger und Ströbele zu entsorgen....

      Diese NAchricht ist die beste der Wahl.
      Sie zeigt, daß Unbeugsame Authentizität und Unterordnung persönlicher Belange unter die des Arbeitgebers "Wählerschaft" noch Wähler überzeugt.


      Ich bin regelrecht gerührt.

      Hier ein taz-Artikel und ein Spiegel-Artikel vom 9.9.02, die ich im Özdemir-Thread einstellte und die eine positive, neue Bedeutung bekommen:


      Das Lächeln des Außenseiters
      aus Berlin STEFAN REINECKE

      Sein Fahrrad ist schwarz, alt und hat kein Licht. An der Stange klebt ein zerfetzter Aufkleber: "Täglich eine linke, radikale Tageszeitung". Auf dem Gepäckträger klemmt ein lädierter Pappkarton mit seinem Notizbuch und Flugblättern, auf denen "Erststimme Christian Ströbele" steht. Manchmal, vor allem auf dem Kopfsteinpflaster im Osten, droht der Pappkarton mit Flugblättern und Notizbuch, dem A und O seiner Wahlkampflogistik, herunterzufallen. Dann schiebt Christian Ströbele ihn geduldig wieder zurecht. Immer wieder.

      Es ist ein warmer Sommerabend, viele sitzen hier, in der Simon-Dach-Straße in Berlin-Friedrichshain, draußen vor den Kneipen bei Pasta und Wein. Eher vorsichtig als zielstrebig steuert Ströbele einen Tisch an, sagt "Eine Empfehlung für den Kandidaten" und legt ein Flugblatt auf den Tisch. Missmutig und knapp, in der finsteren Erwartung eines bettelnden Romakindes oder eines Zeitungsverkäufers, schauen die Leute auf das Gedruckte. Dann heben sie den Kopf und lächeln. Dieses Lächeln sagt: Hey, vor mir steht das Fernsehen. Dieses TV-Wiedererkennungslächeln ist die Basis von Christian Ströbeles Wahlkampf. Und er lächelt zurück.

      Ströbele versucht das Unwahrscheinliche: Er will als erster Grüner per Direktmandat in den Bundestag einziehen, noch dazu in einem komplizierten Ost-West-Wahlkreis. Seine Konkurrenten von SPD und PDS haben mehr Geld, mehr Helfer, mehr Plakate. Und vielleicht auch mehr Wähler am 22. September. Denn er braucht 10 bis 15 Prozent mehr Stimmen als die Bündnisgrünen. Er braucht ein paar tausend PDS- und SPD-Wähler in Kreuzberg und Friedrichshain, die unbedingt wollen, dass er im nächsten Bundestag sitzt.

      Das ist der Plan. Es gibt zwei Hürden: Erstens: Wahrscheinlich existieren diese paar tausend Wähler nicht. Weil die PDS in den Umfragen unter 5 Prozent gerutscht ist und nun 3 Direktmandate braucht, die die 5-Prozent-Klausel außer Kraft setzen. Nur zwei Wahlkreise, Marzahn und Lichtenberg in Berlin, gelten für die PDS als sicher. Und Kreuzberg-Friedrichshain könnte der dritte sein.

      Und zweitens: Wenn es diese paar tausend doch gibt, wissen viele von ihnen nicht, was eine Erststimme ist.

      Deshalb ist Ströbele hier und setzt seine stärkste Waffe ein: dass man ihn kennt. So sieht er hunderte Male an diesem Abend, zigtausende Male in diesem Wahlkampf das Fernseh-Wiedererkennungslächeln auf den Gesichtern. Er drückt seine Flugblätter kichernden türkischen Frauen mit Kopftuch in die Hand, Pennern und eiligen Hausfrauen, wohl situierten Bürgern und muskelbepackten Männern im Jogginganzug mit schwarzem Mercedes.

      "Hau ab mit deiner Politik, geh zurück ins Fernsehen!", raunzt in Friedrichshain ein Arbeiter. Aber das ist die Ausnahme. Meistens hört er: "Machen Se weiter so." Oder: "Ich wähle Sie sowieso." Viele schätzen ihn. Weil sie ihn aus dem Fernsehen kennen. Und, das sagen manche, weil er nicht korrupt sei.

      "Ströbele, kommen Se ma her!", ruft ein alter Frontstadtberliner in Kreuzberg über das Trottoir und erklärt, warum der Bolschewismus an der Flutkatastrophe schuld ist. Ein Junge in Prenzlauer Berg klagt, in sehr langen zehn Minuten, dass er zu wenig Bafög bekommt. Ströbele erträgt das geduldig und routiniert. Dabei hat er eigentlich wenig Talent für diese Touren. Ströbele raucht nicht und trinkt keinen Alkohol. Er ist disziplinert, freundlich, aber nicht charmant, er spielt nicht mit der Situation, er hält sie durch. Manche, vor allem im Osten, sagen ironisch: "Wir kennen uns doch aus dem Fernsehen." Ströbele antwortet dann: "Da kann man so schlecht zurückgucken." Einige wollen ein Autogramm, dann sagt der Kandidat unwillig: "Das mache ich eigentlich nicht", und kritzelt eilig eine Unterschrift auf sein Foto.

      Vielleicht heißt, was Ströbele hier tut, Imagewerbung - aber es ist das falsche Wort. Ströbele will, dass die Leute wissen, dass sie ihn wählen können. Und dass er, wie in dem Flugbatt steht, für Frieden, gegen illegale Parteispenden und für mehr globale Gerechtigkeit ist. Mehr will er nicht.

      "Der Hund hat schöne Augen", sagt er am Kottbusser Damm in Kreuzberg zu einem jungen Mann, der stumm und ziemlich nichtwählerhaft von seiner Bierdose aufschaut. Es ist das einzige Kompliment, das er in fünf Stunden macht. Er kann sich nicht verkaufen, sich nicht anpreisen, sich nicht präsentieren.

      Ströbele war RAF-Verteidiger und Mitgründer der Berliner Alternativen Liste. Manche Medien zeichnen ihn gern als verbiesterten Ideologen, als ewigen Kreuzberger. Dieses Bild ist schief, doch es wird offenbar gebraucht. Je mehr die linken Grünen zerfielen, je mehr das 80er-Jahre-Kreuzberg zu einer Chiffre wurde, umso mehr wurde Ströbele zur medialen Metapher für beides. Vergessen wird, dass er Ende der 80er-Jahre realolike das rot-grüne Bündnis in Berlin schmiedete. In Kreuzberg hat er noch nie gewohnt.

      Er hat in seiner Politkarriere alle möglichen Auf und Abs erlebt. 1991 musste er als Sprecher der Grünen, wegen seiner Israel-Kritik während des Golfkrieges, zurücktreten. Jetzt ist er 63. Er hat seinen Beruf als Rechtsanwalt und braucht den Bundestag nicht unbedingt - am 23. September droht keine Sinnkrise, kein Absturz ins Nichts.

      Warum also will er auf Biegen und Brechen wieder ins Parlament? Warum 10-, 20-, 100-mal diese Tortur? Zumal er weiß, dass er ein kleines Wunder braucht, um sein Ziel zu erreichen.

      Darauf gibt es mindestens zwei Antworten. Eine hat mit dem Gefühl zu tun, dass ein Unrecht geschehen ist und dass nun etwas bewiesen werden muss. Im Februar hat ihn die grüne Basis, unter tatkräftiger Mithilfe der Realos, bei der Kandiatenkür abserviert. Nach der Abstimmung war er minutenlang stumm sitzen geblieben. Christian Ströbele kennt Niederlagen. Er hat als Anwalt Prozesse verloren und als Politiker viele Kämpfe. Er ist nicht leicht aus der Fassung zu bringen. Aber diese Niederlage machte ihn fassungslos. Danach hätte er fast aufgegeben.

      Denn er ist in der Fraktion doch erfolgreich gewesen. Im Kohl-Untersuchungsausschuss hatte er hartnäckig nachgefragt, war dafür mit regelmäßigen Fernsehauftritten belohnt worden. Und er hatte den Spagat geschafft: das linke Antikriegsgewissen zu bleiben, ohne die Regierung zu demolieren. Und ohne sich, wie die Ludger Volmers der Partei, in einen der Exlinken zu verwandeln, die, wenn überhaupt, mit Bonusmeilen in die Schlagzeilen kommen. So einen wie ihn brauchen die Grünen doch. Und er begreift nicht, dass sie das nicht begriffen.

      Deshalb macht er das. Weil er verletzt ist. Weil er zeigen will, dass es falsch war, ihn rauszuwerfen. Er will beweisen, dass die Realos irren, dass der starre Blick auf die Mitte eben nicht der Königsweg ist. Daher sein Trotz, daher der Wille, das Unwahrscheinliche zu probieren.
      Nur mit dem Osten, mit den Leuten, die ihn am 22. September wählen sollen, hat all das nicht viel zu tun.

      Es gibt noch eine andere Antwort. Sie war vor ein paar Wochen an einem Mittwochabend in Friedrichshain zu hören. Ströbele war beim Entwicklungspolitischen Stammtisch der Aktion Solidarische Welt eingeladen. Nach 10, 11 Stunden Parlamentsarbeit. Vor 30, 40 Leuten, vielen Grauhaarigen und ein paar jüngeren Attac-Sympathisanten.

      Rot-Grün, sagte er, hat die Entwicklungshilfe noch unter das Niveau der Kohl-Zeit gesenkt. Der arme Süden muss seine Märkte öffnen, der reiche Norden schottet sich ab. Auch daran hat Rot-Grün nichts geändert. Getan hat sich etwas bei der Entschuldung, und viele im Regierungslager setzen sich für die Tobin-Steuer ein. Das steht auf der Habenliste, wenig, aber immerhin.

      Er redete präzise, faktenkundig, differenziert. Ein Reformist, der an praktische Veränderung glaubt - nicht der graue Fundi, den manche Zeitungen aus ihm machen.

      Und Ströbele erzählte von Genua, wo er sich für Demonstranten eingesetzt hatte, die bei Protesten gegen den G-8-Gipfel verhaftet worden waren. Damals hat er zum ersten Mal Attac-Leute getroffen. "Die waren so wie wir Ende der 60er, damals, als wir gegen den Vietnamkrieg demonstrierten. Genau so ernst und heftig", sagt er. Und: "Sie kämpfen den gleichen Kampf gegen die wenigen, die vom Elend der anderen profitieren. Das war früher so, das ist noch immer so."

      Das klang ein bisschen zu pathetisch, auch altväterlich, wie eine schulterklopfende Belobigung von oben. Aber das ist der Kern seines Selbstverständnisses, es ist seine Rolle, der Grund, warum er seit Wochen in Friedrichshain durch die Plattenbauten läuft und Flugblätter verteilt. Er glaubt an das, was man früher die Dialektik von Bewegung und Parlament nannte. An das, was die grünen Karrieristen auf ihrem Marsch noch oben vergessen. In der Tat waren die Grünen lange taub für die Globalisierungskritiker, die doch nichts anderes wollten als die Partei vor kurzem noch selbst.


      "Der Druck von der Straße ist wichtig. Das darf nicht aufhören." Er sagt das oft, er meint es ernst.

      Am Ende der Tour, um halb elf Uhr nachts, steht er an der Greifswalder Straße in Ostberlin. Er war fünf Stunden unterwegs, ist 20 Kilometer Fahrrad gefahren und hat ein paar hundertmal "Eine Empfehlung für die Wahl" gesagt, am Ende manchmal nur noch "Für die Wahl". Auf der anderen Straßenseite ragt ein riesiger Plattenbaukomplex in die Nacht. "Da wohnen Tausende", sagt Ströbele. "Und es gibt Außenbriefkästen." Seine Augen leuchten. Außenbriefkästen - das bedeutet, er kann schnell, billig und effektiv Wahlwerbung verteilen. Christian Ströbele hat keine Chance. Aber er nutzt sie.

      taz Nr. 6848 vom 9.9.2002, Seite 5, 268 Zeilen (TAZ-Bericht), STEFAN REINECKE







      ZUKUNFT DER GRÜNEN INNENPOLITIK

      Hoffen auf das Ströbele-Wunder


      Von Matthias Gebauer

      Nach der Bundestagswahl werden die Grünen in Fragen der Innenpolitik auf prominente Vertreter verzichten müssen. Ein wichtiger Teil der grünen Identität könnte so verloren gehen. Kein Wunder also, dass sich so mancher an die Hoffnung auf ein Wunder bei der Direktwahl von Hans-Christian Ströbele klammert.

      Der Berliner Grüne Hans-Christian Ströbele gilt in seiner Partei als Störer, aber auch als kompetent in Sachen Innenpolitik



      Berlin - Manchmal sind es ganz profane Dinge, die eine gewisse Symbolik in sich haben. Am Freitagvormittag ist es ein solargetriebenes Gefährt, das auf dem Seitenstreifen vor dem Jacob-Kaiser-Gebäude im Berliner Regierungsviertel parkt. Grüne Werbesprüche und Motive sind auf dem Mobil zu sehen, doch auffallend ist vor allem der Slogan auf der Heckscheibe: "Erststimme für Ströbele!" ist dort zu lesen und regt eine Gruppe von Passanten zum kurzen Verweilen an. "Irgendwie ist der doch noch der letzte echte Grüne", sagt eine junge Touristin einer Studentengruppe aus Niedersachsen fast liebevoll. Wählen würde sie die Grünen als Partei deshalb jedoch nicht.
      Drinnen kämpfte derweil ein anderer Grüner mit dem Ströbele-Risiko. Ziemlich allein sitzt der Abgeordnete und innenpolitische Sprecher der Fraktion, Volker Beck, vor den Mikrophonen und redet über die grüne Innenpolitik. Vor allem freilich über deren Zukunft, wenn das rot-grüne Projekt weiter geht. Er fordert, dass die Geheimdienste endlich reformiert, transparenter und schlanker werden müssen. Beck mahnt einen Bundestagbeauftragten für die Geheimen an, den die Grünen in der nächsten Legislaturperiode einsetzen wollen. Weiter kündigt er an, dass die Sicherheitspakete von Otto Schily regelmäßig und genau überprüft werden sollen. Schließlich soll es endlich das von der SPD dieses Jahr verhinderte Informationsfreiheitsgesetz geben, mit dem die Bürger mehr Einblick in die Machenschaften der Verwaltung bekommen sollen.

      "Wir bieten nicht mit!"

      An markigen Worten lässt Volker Beck es bei der Presskonferenz nicht mangeln. "Die beiden großen Parteien mit Schily und Beckstein veranstalten gerade einen Look-alike-Kontest in Sachen scharfe Innenpolitik", liest er neudeutsch von seinem Manuskript ab, "in diesem Spiel bieten wir nicht mit." Fazit der Ausführungen: Die Grünen wollen sich vor der Bundestagswahl noch mal als Partei der Bürger- und Freiheitsrechte profilieren und in einer möglichen rot-grünen Fraktion weiter der Bremsklotz gegen einen zu hart agierenden Innenminister Otto Schily bleiben. "Wir haben noch eine Menge vor", so Beck am Ende der Veranstaltung.

      Der Abgeordnete Volker Beck steht in Sachen Innenpolitik nach dem 22. September ziemlich allein da


      Auf fachkundigen Beistand seines langjährigen Kollegen in Fragen der Innenpolitik, Hans-Christian Ströbele, muss Volker Beck an diesem Freitag verzichten, obwohl viele der Vorschläge aus der Feder Ströbeles kommen. Doch nicht nur am Freitag fehlt Ströbele. Denn so prominent der Berliner Kandidat als unermüdlicher Moral-Kämpfer gegen den Afghanistan-Einsatz oder als einzig erstzunehmender juristischer Widersacher des "roten Sheriffs" Otto Schily beim Thema Anti-Terror-Gesetze auch sein mag, in den Bundestag wird er vermutlich nicht mehr kommen. Die Grünen in Berlin haben dem ewigen Nörgler mit dem roten Schal um den Hals keinen der begehrten sicheren Listenplätze gegönnt, deshalb wird Ströbele sich ab dem 22. September vermutlich wieder als Anwalt verdingen. Zwar kämpft der Alt-68er noch unermüdlich mit einem Straßenwahlkampf und putzigen Comic-Plakaten gegen sein Ausscheiden, doch die Umfrageergebnisse aus seinem Wahlkreis lassen kaum noch Hoffnung zu.

      Ströbele, das Symbol der Grünen

      Für die Grünen könnte der Verlust Ströbeles ein echtes Image-Problem werden.
      Personell steht die Partei von Joschka Fischer in Fragen der Innenpolitik schlecht da: Neben dem unfreiwilligen Aussteiger Ströbele ist ja auch noch Cem Özdemir nach seinem plötzlichen Rücktritt von Bord der Innenpolitik gegangen. Auch Volker Beck gibt schnell zu, dass der Weggang von Ströbele eine schwer zu füllende Lücke reißt. "In unseren Gremien für Inneres war er immer der Einzige, auf dessen Vorlagen ich mich hundertprozentig verlassen konnte", erläutert Beck leicht wehleidig, "doch bis zur Wahl gebe ich die Hoffnung nicht auf." Schnell referiert der Bundestagsabgeordnete, dass mit der Niedersächsin Silke Stokar und dem Bayern Jerzy Montag vermutlich zwei neue Gesichter für die Innenpolitik der Grünen ins Plenum einziehen werden.


      Der Vorgang Ströbele ist so skurril wie die letzten vier Jahre der Grünen, die sich mit dem Wechsel von der Oppositions- auf die Regierungsbank, von der Neinsager- zur Mitendscheiderpartei, sehr schwer getan haben. Denn so viele Probleme der Alt-Linke Ströbele der Partei des Außenministers mit seinem Nein zum Krieg oder den ewigen Einwänden gegen das Sicherheitspaket von Otto Schily nach dem 11. September beim Regieren auch gebracht hat, so hat er doch immer auch die alte, pazifistische Seele der Grünen verkörpert.

      Fast immer druckreif

      Ströbele war auch öffentlich ein Aushängeschild. Der grauhaarige Fahrradfahrer mit der speckigen Ledertasche war präsent, wo immer es im Fernsehen oder in Zeitungen um Innen- oder Kriegspolitik ging, was ihm viele in der grünen Fraktion als Eitelkeit vorwarfen. Nüchtern gesehen lag es oft daran, dass Ströbele im Gegensatz zu seinen Kollegen Beck und Özdemir fast immer voll im Thema stand, die Akten gelesen hatte, und innerhalb von kurzen Gesprächen druckreife Zitate abgeben konnte. Auch im Spendenuntersuchungsausschuss über die Machenschaften von Kohl und Co. war Ströbele einer der ganz wenigen, die bis zum Ende in die über hundert Leitz-Ordner der Ermittler aus verschiedenen Ländern auch mal selbst hinein gesehen hatte.

      Am Ende jedoch passte Ströbele einfach nicht mehr zu den neuen Grünen der Realo-Fraktion um Joschka Fischer, Rezzo Schlauch und Kerstin Müller. Zu oft hatte er sich gegen die Regierung gestellt, für Angriffsflächen gesorgt und einfach genervt. Zu oft hatten sich wohl auch der Kanzler und sein Innenminister über den Störenfried geärgert, der in der Vergangenheit gemeinsam mit Schily auf der Verteidigerbank für die RAF-Terroristen gesessen hatte.


      Zukunft als Coach der Fraktion?

      Hans-Christian Ströbele selber will zu seiner Zukunft bis zum 22. September nichts sagen. "Ich kämpfe erst mal und dann entscheide ich", lautet seine Standardantwort auf solche Fragen. Auch über die Zukunft der grünen Innenpolitik will er nicht spekulieren oder sie gar bewerten. Ströbele ist keiner, der nachkartet. Sein Noch-Politkollege Volker Beck hat sich da schon mehr Gedanken gemacht. Zwar hofft auch er noch plakativ auf einen Wiedereinszug Ströbeles als Direktkandidat in Berlin. "Wenn es jedoch nicht klappt, muss ich ihn am 23. September dringend mal anrufen", sagt er. Vielleicht könne man den Juristen Ströbele ja noch als Berater der Fraktion gewinnen - ohne Entscheidungsgewalt versteht sich.

      spiegel.de
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:04:23
      Beitrag Nr. 7 ()


      einen Gruss mit herzlichen Glückwünschen an Huta - Hut ab sozusagen!





      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:08:49
      Beitrag Nr. 8 ()
      Respekt, Ströbele, Respekt
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:10:22
      Beitrag Nr. 9 ()
      Mein Respekt. Eine seltene Kombination :Idealist und Politiker !
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:13:53
      Beitrag Nr. 10 ()
      wenn ich ein paar Meter wohnen würde, hätte ich den guten Mann auch gewählt - aber nur Erststimme.

      Art
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:17:08
      Beitrag Nr. 11 ()
      Meinen Vorposter kann ich zwar nicht verstehen, aber dem Respekt schließe mich ich gerne an.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:18:45
      Beitrag Nr. 12 ()
      Guten Abend Deep Thought!

      Auf dem Seyfried-Plakat (www.seyfried-berlin.de) sind so ein paar Schilder zu sehen. U.A. heisst es auf einem "Ströbele wählen heisst Fischer quälen".

      Ich habe heute nicht viel ferngesehen - die Rede Joschka´s habe ich gesehen. Ich war gerührt, als er ausdrücklich Christian gratulierte und der Saal lange applaudierte. Joschka machte in diesem Moment einen ehrlich herzlichen Eindruck.

      Ich wünsch mir wieder viel mehr Fundis, dies gibt den Realos erst ihre Daseinsberechtigung!
      Danke für Deinen Artikel, danke für die lieben Worte Aller!
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:19:31
      Beitrag Nr. 13 ()
      das freut mich ausserordentlich :)

      herzlichen glückwunsch an christian ströbele
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:21:15
      Beitrag Nr. 14 ()
      na hier sind mal alle begeistert von diesem ströbele.

      will nur mal dran erinnern, daß seine friedensliebe nur zutage tritt, wenn rechte spinner und die amis unheil anrichten.

      gegen die vertreibungen, die massenmorde, die vergewaltigungslager der serben hat er nicht (laut) die stimme erhoben.

      menschenleben, menschenrechte, sind ihm völlig egal.
      es kommt ihm, wie den meisten linken, nur darauf an, wer menschenrechte verletzt - nicht daß sie verletzt werden.

      stöbele unterstützt mit seiner duldung von menschenrechtsverletzungen typen wie milosevic und saddam.

      wer handelt, übernimmt verantwortung. ströbele will höchstens reden. wenn das nichts nützt (wie bei milosevic), dann macht es ihm auch nichts aus, zu wissen wenn frauen zu hunderten und tausenden vergewaltigt werden, bis sie schwanger sind, usw.

      durch den blinden friendenspopulismus eines ströbele erfuhren abertausende unsagbares leid, weil er und seines gleichen die notwendigen schritte mit ihrem moralterror hinausgezögert haben.

      ströbele trägt enorme verantwortung für elend und leid in dieser welt. aber ihm geht es nur um die "reinheit" seines gewissens, und der aufrechterhaltung seiner feindbilder.

      außer in kreuzberg hätte es wohl kaum einen wahlkreis gegeben, in dem dieser fragwürdige ideologe gewählt worden wäre.

      es ist sehr gefährlich, wenn solche leute im bundestag sitzten.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:21:46
      Beitrag Nr. 15 ()
      # 11

      wohne nur ein paar Meter von der Bezirksgrenze Kreuzberg entfernt also im anderen Wahlbezirk...klaro ??

      Art
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:24:46
      Beitrag Nr. 16 ()
      Achja, da wird ´nem Alt68er richtig warm ums Herz.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:25:45
      Beitrag Nr. 17 ()
      Achja, da wird ´nem Alt68er richtig warm ums Herz.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:25:53
      Beitrag Nr. 18 ()
      Glückwunsch, daß es diesmal geklappt hat. 1998 war sein Wahlkreis Kreuzberg-Schöneberg eigentlich mehr auf Grün zugeschnitten, aber er ist knapp gescheitert. Sein Glück, daß Friedrichshain kein typischer Ostbezirk mehr ist.

      P.S.: Verkehrsminister wird Ströbele wohl nie werden, hab ihn schon ein paar mal mit dem Rad auf der falschen Strassenseite, bzw. auf dem Bürgersteig fahren sehen:D
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:26:28
      Beitrag Nr. 19 ()
      # 14

      tja Denali - mußt halt nur zum richtigen Zeitpunkt am richtigen ort sein...
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:34:51
      Beitrag Nr. 20 ()
      ach ja,

      stöbele,

      seine diffamierungen derer, die den menschen in jugoslawien wieder ihre heimat zurückgegeben haben,
      die die frauen aus den vergewaltigungslagern befreiten,
      die auch den serben die chance gaben, sich von einem großserbischen reich, wie es milosevic vorschwebte, zu befreien
      ......
      ......
      ......

      was hat ströbele je getan, um solches unrecht, wie z.b. in ex-jugo, zu verhindern ?

      ich meine, ganz konkret - mit taten, nicht mit leeren worten?

      GARNICHTS

      er ist ein feind der freiheit, der menschenrechte, der demokratie
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:38:32
      Beitrag Nr. 21 ()
      Leider gibt es nur wenige authentische Politiker wie Ströbele,die anderen Sesselpfurzer und Marionetten sollten sich an ihm ein Beispiel nehmen.Sie sind nur ihren Gewissen verantwortlch und nicht als Lakaien durchsichtiger Interessengruppen.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:41:09
      Beitrag Nr. 22 ()
      @Denali
      Wenn man #14 ernst nehmen würde, dürfte, wenn man die elende Geschichte des Christentums kennt, ein Christ nicht mal daran denken, in den Bundestag zu kommen. :(
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:49:25
      Beitrag Nr. 23 ()
      #22 adhick,

      da stimme ich dir zu. wer einen gott anbetet, der angeblich mal die ganze menschheit ersäuft haben soll, dem ist nicht mehr zu helfen.

      ändert aber nix. ströbele ist zutiefst verantwortungslos, ja gleichgültig gegenüber dem leid anderer.

      es geht im nur um sich selbst. übler typ.
      erstaunlich, daß das nur so wenige erkennen.
      Avatar
      schrieb am 22.09.02 23:52:02
      Beitrag Nr. 24 ()
      Hut ab vor dem Einsatz und allerherzlichsten Glückwunsch an Christian Ströbele !

      Der Mann hats verdient !!
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 00:03:47
      Beitrag Nr. 25 ()
      möchte christian ströbele ebenfalls gratulieren!
      endlich mal einer, der gegen den strom ins parlament kommt, durch persönlichen einsatz, durch authentizität.
      einer, der sich nicht so einfach gleichschalten lässt.
      leider eine ausnahme in der politischen landschaft, aber es macht mut...
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 00:53:29
      Beitrag Nr. 26 ()
      ntv, 22. September 2002

      Direktmandat für Grüne
      Christian Ströbele jubelt


      Er hat es tatsächlich geschafft: Als erster Grünen-Politiker holte Christian Ströbele Hochrechnungen zufolge ein Direktmandat für seine Partei.






      Der 63-Jährige gewann den Berliner Wahlkreis Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg Ost und sicherte sich aus eigener Kraft einen Platz im nächsten Bundestag, dem er nach dem Willen seiner Partei sonst wohl nicht mehr angehört hätte. Doch der erfahrene Kämpfer Ströbele ließ sich vom Votum seines Landesverbandes nicht schrecken - ebensowenig von einem Angreifer, der ihm im Wahlkampf-Schlussspurt mit einer Stange auf den Kopf schlug: Seinen Sieg musste Ströbele mit einer Gehirnerschütterung feiern.

      Noch im Januar schien die Bundestagswahl für Ströbele gelaufen. Für viele überraschend wurde das "Urgestein der Grünen" von seinem Landesverband auf einen der wenig aussichtsreichen Listenplätze verbannt. Aufgestellt wurde statt Ströbele der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz - einer der wenigen profilierten Vertreter Ostdeutschland der Partei.

      Ströbele zeigte sich nach der Niederlage zunächst "tief enttäuscht und verletzt", galt er doch lange als einer der profiliertesten Vertreter des linken Parteiflügels. Insbesondere bei den Debatten über die Einsätze der Bundeswehr vertrat Ströbele konsequent die Position der Militärgegner und legte sich dabei auch immer wieder mit der Parteispitze an. Als US-Präsident George W. Bush im Mai nach Berlin kam und eine Rede im Bundestag hielt, verließ Ströbele demonstrativ den Saal. Darauf war er stolz. Darüber hinaus machte sich Ströbele auch als Experte im Parteispendenausschuss einen Namen und kümmerte sich auch um verprügelte Globalisierungskritiker in Genua. Der ehemalige RAF-Anwalt ist außerdem Fachmann in Fragen der Innenpolitik.

      Doch sich geschlagen zu geben, ist Ströbeles Sache nicht. Wenige Wochen nach der sensationellen Niederlage blies er schon wieder zum Angriff und ließ sich als Direktkandidat in seinem Heimatwahlkreis aufstellen.
      Mit seinem alten klapprigen Fahrrad oder in einem solarbetriebenen Elektromobil war er unermüdlich unterwegs. In dem Multi-Kulti-Bezirk Kreuzberg war der Mann mit den buschigen Augenbrauen, der 1980 die Alternative Liste mitgründete, ohnehin bekannt wie ein bunter Hund.

      Dies machte ihn offenbar auch angreifbar: Zwei Tage vor der Bundestagswahl wurde Ströbele auf offener Straße von einem Rechtsextremisten angegriffen und verletzt. Obwohl er einen heftigen Schlag auf den Kopf bekam, nahm der 63-Jährige zunächst selbst die Verfolgung des Angreifers auf. Dann aber musste Ströbele ins Krankenhaus - die Ärzte diagnostizierten eine Gehirnerschütterung. Der Sieg dürfte den Grünen aber über seine Kopfschmerzen hinwegtrösten.
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 11:44:58
      Beitrag Nr. 27 ()
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13292/1.html

      Kreuzberg-Kleinbonum

      Mathias Bröckers   22.09.2002

      Ströbele holt erstes grünes Direktmandat der Geschichte

      Das Wahlplakat des Kandidaten Ströbele - ein Wimmelbild des Comiczeichners Gerhard Seyfried - hatte Aufsehen erregt, nicht nur in den Touristenshops Unter den Linden, wo es als "typisches" Berlinposter reißenden Absatz fand, sondern auch in der Bundeszentrale der Partei: "Ströbele wählen heißt Fischer quälen" war da klein, aber unübersehbar als Spruch einer bunten Seyfried-Demo zu lesen - und die Parteioberen waren "not amused". Spätestens seit Sonntagabend werden sie dem Querulanten in ihren Reihen aber nicht mehr böse sein - als erster Grüner der Geschichte holte Christian Ströbele in Kreuzberg-Friedrichshain ein Direktmandat.

      Die Partei hatte dem 63-jährigen Juristen und altgedienten Kämpen der Grünen einen sicheren Listenplatz versagt - zu hartnäckig hatte er in den vergangenen vier Jahren an einstigen grünen Prinzipen festgehalten und zum Beispiel in der Frage des Kosovo-Kriegs die Zustimmung verweigert. Da half auch nichts, dass er sich als Obmann im Untersuchungsausschuss der Kohl-Spenden einen Namen als aufrechter, unbestechlicher Politiker gemacht hatte - die Partei schickte ihn mit der Verweigerung eines sicheren Listenplatzes Anfang des Jahres in ein aussichtslos scheinendes Rennen.

      Bei der letzten Bundestagswahl war Ströbele im ehemaligen West-Berliner Bezirk Kreuzberg deutlich hinter dem SPD-Kandidaten gelandet, dieses Mal wurden ihm wegen der Zusammenlegung des Wahlkreises mit Friedrichshain - einer PDS-Hochburg - noch weniger Chancen eingeräumt. Doch mit 36,5 % hängte er den SPD-Mitbewerber, den stellvertretenden Landesvorsitzenden Andreas Mattae (31, 5% ), mit überraschend großem Vorsprung ab.

      Dass er sich, bei minimalem Budget, das populärste und poppigste Wahlplakat einfallen ließ - allein daran kann es nicht gelegen haben. Auch das dreirädrige Solarmobil und die politisch korrekte Hanfjeans, in die sich der Total-Abstinenzler Ströbele auf Wahlkampftour schwang, um in den Kneipen und Cafés des Szene-Bezirks seine Flyer zu verteilen, können den Ausschlag nicht gegeben haben. Vielleicht dann doch jener Mischung aus "Grundsätzen und Pragmatismus", die der große Vorsitzende Joschka Fischer in seiner Dankesrede bei der Wahlparty im Berliner Tempodrom als ausschlaggebendes Moment des grünen Erfolgs nannte.

      Ströbele selbst konnte an dem Fest nicht teilnehmen, nachdem ihm am Freitag ein Mitglied der rechtsradikalen Szene mit einer Eisenstange am Kopf verletzt hatte und er alle weiteren Termine absagen musste. Doch die Kopfschmerzen werden dem einstigen RAF-Strafverteidiger und Mitgründer der "taz" angesichts dieses Wählerzuspruchs rasch vergehen - angesichts des absehbaren knappen Vorsprungs für Rot-Grün wird sein Gewicht in der grünen Fraktion künftig noch steigen. Und so wie ich Ströbele seit über 20 Jahren kenne, wird er zu seinen Grundsätzen, die man früher außenpolitisch "Anti-Imperialismus" und innenpolitisch "Bürgerrechte" nannte, stehen - und dem Pragmatismus Joschka manche gequälte Sorgenfalte entlocken.

      Aber das ist gut so. Die Grünen haben den Zugewinn nicht nur ihrer Anpassungsfähigkeit, sondern auch ihrer Widerborstigkeit zu verdanken - und eben deshalb hat eine Mehrheit aus dem Zentrum der Hauptstadt diesen unbestechlichen Anwalt ins Parlament geschickt. Manchmal kann man sich als Kreuzberger eben doch noch wie in Kleinbonum fühlen...
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 11:47:18
      Beitrag Nr. 28 ()
      #25

      mit diesen Worten hättest Du auch Möllemann gratulieren können, wenn er sich so durchgesetzt hätte.
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 11:49:18
      Beitrag Nr. 29 ()
      Das Direktmandat für Ströbele setzt dem grünen Erfolg noch das "i-tüpfelchen" auf :) und beides freut mich ungemein.
      Ich bin zwar nicht immer mit Herrn Ströbele einer Meinung aber sein persönlicher Einsatz hat mich tief beeindruckt.
      Ströbele zählt für mich zu den authentischsten Politikern im BT (man vergleiche ihn nur mal mit solchen Gestalten wie Westerwelle und Pieper).
      Herzlichen Glückwunsch Christian!
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 11:50:35
      Beitrag Nr. 30 ()
      # 28

      stimmt - aber Möllemann hat eben vielen Deutschen einen Spiegel vorgehalten, in dem sie doch zu häßlich aussahen - und das zahlt sich anscheinend doch nicht aus. Zu hoch gepokert...

      Art
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 11:50:57
      Beitrag Nr. 31 ()
      Habe mich gestern auch gefreut als ich hörte das Ströbele das Direktmandat geschafft hat. Bin politisch zwar absolut nicht auf seiner Linie, fand es aber bewundernswert wie er dieser Linie treu geblieben ist und deshalb keinen Platz auf der Landesliste fand.

      Respekt vor diesem Einsatz und herzlichen Glückwunsch von einem CDU-Wähler.
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 12:02:51
      Beitrag Nr. 32 ()
      Bertel, freut einen dann doch so über Parteigrenzen hinweg obwohl auch sicher wieder ein Tag kommt, an dem ich mich fürchterlich über ihn Ärger.

      Und an dieser Stelle auch noch meine Anerkennung für euern Querdenker Heiner Geißler, schade daß er Schluß macht.
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 12:04:48
      Beitrag Nr. 33 ()
      #30 stimmt

      31 So haben die Grünen wenigstens weiterhin einen Vorzeige-Besseren-Menschen.
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 12:06:56
      Beitrag Nr. 34 ()
      Bertel73,
      freut mich, dass es auch Unionsanhänger gibt, die sich hier nicht ausschließlich in dunklen Ahnungen hinsichtlich der Zukunft Deutschlands ergehen sondern auch die Größe haben, eine Leistung als solche anzuerkennen.
      Wir haben sicher unterschiedliche Meinungen und politische Ansichten aber man muss sich nicht zerfleischen!
      Ich wünsch Dir einen schönen Tag!
      Gruß
      Huta
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 12:10:28
      Beitrag Nr. 35 ()
      # 33

      na den gönn ihnen doch...

      Art
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 12:12:52
      Beitrag Nr. 36 ()
      #32: Dem Dank an Heiner Geissler schliese ich mich an!
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 13:34:30
      Beitrag Nr. 37 ()
      Geissler war als CDU-Gs ein kleiner Goebbels.

      Er hat zu den dunkelsten Stunden des Deutschen PArlamentarismus beigetragen, er wurde erst zu einem klugen Staatsmann, als er von Kohl abgeschossen war.

      Leider reicht seine Selbstkritik auch in hohem Alter nicht, um sich das klarzumachen.
      In einer TV-Diskussion musste ein Moderator ihn erst wieder daran erinnern, daß die erste Sitzung des Ältestenrates in der geschichte Deutschlands, die sich mit Rügen im Bundestag beschäftigte, IHM galt.

      Wir erinnern uns an seine "Nazis erst durch SPD möglich"- entgleisung und vieles andere, was extrem unappetitlich war. Der MAnn war sich als CDU-Genaralsekretär für keine Sottise zu schade.

      Der schönt sich die Vergangenheit wie er will - trotzdem ist vieles, was er jetzt als Entmachteter sagt, JETZT richtig.

      Hätte er es nur 20 Jahre zuvor erkannt...:D

      Insofern ist der vergleich mit Geissler denkbar unangebracht.
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 13:43:24
      Beitrag Nr. 38 ()
      Ein revolutionärer Realo
      Arno Widmann

      Christian Ströbele ist kein bequemer Zeitgenosse. Die Gegner des 63-jährigen ersten direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der Grünen wissen das. Aber noch besser wissen das seine Freunde. Die gleiche Entschlossenheit, mit der er Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre keine Minute aus den Augen ließ, die gleiche Dickköpfigkeit, mit der er seit dreißig Jahren sommers wie winters in dicken Wollsocken und klappernden Gesundheitslatschen durch die Lande zieht, zeigt er auch, wenn seine politischen Freunde vom Pfad der Tugend abzuweichen drohen. Er, der "Waffen für El Salvador" sammelte, ohne zu wissen, auf wen sie gerichtet werden würden, weiß selbst die entlegensten Artikel einer Geschäftsordnung für sich und seine Vorhaben zu nutzen. Dann entwickelt er eine Liebe zum Detail, die an einem Freund großer, globaler Gesellschaftsentwürfe zunächst eher fremd erscheint.
      Aber Ströbele ist Rechtsanwalt und keiner weiß besser als er, dass auch die größten Auseinandersetzungen nur in lang andauernden Kleinkriegen gewonnen werden. Denen widmet er seine nie erlahmende Energie, seine Freund und Feind immer wieder überraschende Findigkeit. Er ist ein Guerillero im Dschungel des bürgerlichen Gesetzbuches. Das entbehrt nicht der Komik, aber sein Sinn dafür ist unterentwickelt. Seine Intelligenz ist die der kleinen Schritte, doch seine Liebe gehört der Revolution, dem Traum von einer gerechten Gesellschaft, in der keiner auf Kosten des anderen mächtig und reich wird. Das klingt nicht sehr konkret. Konkreter wird man es von ihm nicht - nicht mehr! - bekommen. Doch es ist konkret genug, um ihn gegen fast alles zu mobilisieren, womit er zu tun hat. Dabei hat Ströbele es fast immer verstanden, gerade so radikal zu sein, wie er es in der jeweiligen Situation sein konnte, ohne seine Stellung zu gefährden. So gesehen war Ströbele - was seine eigene Person anging - stets ein Realo.

      Es ist eine amüsante Pointe, dass ausgerechnet er - nach sieben Bundestagswahlen, an denen die Grünen teilgenommen haben - der erste direkt gewählte grüne Bundestagsabgeordnete ist. Diesen Sieg hat die Partei einem ihrer bekanntesten internen Kritiker zu verdanken, und er hat ihn dieser Partei zu verdanken. Hätte der Berliner Landesverband ihm nämlich einen Listenplatz gegeben, Christian Ströbele hätte nicht den Kampf um Kreuzberg/Friedrichshain aufgenommen. So aber wird er der mächtigste grüne Abgeordnete des neuen Bundestages sein. Ganz gleich welche Position man ihm in der Fraktion einräumen wird. Kein anderer grüner Abgeordneter weiß einen Wahlkreis hinter sich. Dem Berliner Landesverband ist die Entmachtung Ströbeles gründlich missglückt.

      Es ist nicht das erste Mal, dass er aus aussichtslos erscheinender Position erfolgreich agiert. Am vergangenen Freitag zum Beispiel hatte er an seinem Wahlstand zusammengeschlagen auf dem Boden gelegen, rappelte sich auf, rannte dem Täter nach und sorgte dafür, dass der rechtsradikale Schläger verhaftet wurde. So wünschen seine Wähler sich den Rächer der Enterbten, den Anwalt der kleinen Leute und so sieht Ströbele sich selbst am liebsten und gestehen wir es nur: wir auch.
      berlinerzeitung.de
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 13:43:34
      Beitrag Nr. 39 ()
      Danke für die Aufklärung! Die Zeit meiner politischen Wahrnehmung betrifft eher die NACH seiner Entmachtung und geschichliche Mängel gebe ich gerne zu.

      Anderes Thema:

      http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/windexde/KA2002020
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 14:38:49
      Beitrag Nr. 40 ()
      Hinweis auf die vergangenheit Geisslers:

      Willy Brandt,
      nach einem Gespräch als SPD-Vorsitzender mit der IPPNW:
      "Die SPD weist den grobschlächtigen Diffamierungs-Versuch des CDU-General-Sektretärs Geißler gegenüber der Ärzte-Organisation zurück. Geißler versucht seit Monaten die Bemühungen um eine zweite Phase der Entspannungs-Politik durch eine Anti-Amerikanismus-Kampagne aus dem Geist der 50er Jahre zu konterkarieren. Seitdem er spürt, dass er mit diesem Vorhaben selbst in der eigener Partei zu scheitern droht, schlägt er immer hektischer um sich, nun also auch gegen die Internationale Ärzte-Organisation. Wir bedauern, dass die Union es Herrn Geißler erlaubt, die Kampf-Begriffe des ersten Kalten Krieges auszugraben und damit einen neuen Kalten Krieg zu beginnen. Die SPD wird die krampfhafte Reideologisierung des Ost-West-Dialogs nicht hinnehmen.

      (IPPNW: Internationale Ärtzeorganisation der Achtziger gegen den Atomkrieg)


      "Der Pazifismus hat Auschwitz erst möglich gemacht", behauptete Heiner Geißler vor rund 30 Jahren im Bundestag.




      .
      Avatar
      schrieb am 23.09.02 17:12:19
      Beitrag Nr. 41 ()
      TV-Tip: Heute 20:15 genscher und Ströbele bei Maischberger!


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      Direktmandat für Grüne: Christian Ströbele