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     4006  1 Kommentar Starker Euro wird Anpassung der EZB-Geldpolitik verzögern

    Es wird wieder analysiert, argumentiert und spekuliert. Kein Wunder nachdem das Sitzungsprotokoll des letzten EZB-Treffens die Absicht zum Ausdruck gebracht hat, dass die Geldpolitik Anfang dieses Jahres auf dem Prüfstand steht.

    Vor allem die sogenannte «forward guidance» also die Erwartungssteuerung soll verändert werden. Dabei soll ein stärkeres Gewicht auf die zukünftige Zinsentwicklung gelegt werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Anleihekäufe ein Auslaufmodell sind. Kein Wunder, schliesslich gibt es kaum mehr Anleihen, die die EZB gemäss ihren eignen Regeln noch kaufen kann. Die bis September beschlossenen Käufe dürften daher entweder dann auslaufen oder im Dezember, falls die EZB zur Vermeidung von Marktverwerfungen mit sukzessiv fallenden Kaufvolumina noch ein paar Monate länger aktiv bleiben möchte. Dies würde die Erwartung einer Zinswende noch etwas hinauszögern. Eine ihrer Festlegungen steht nämlich nicht auf dem Prüfstand: Es soll keine Zinserhöhungen geben solange Anleihekäufe durchgeführt werden. Bislang hat die EZB sogar darauf hingewiesen, dass Zinserhöhungen erst mit einem deutlichen zeitlichen Abstand zum Ende der Anleihekäufe erfolgen werden. Welche Zeitspanne damit gemeint ist, liess sie bewusst offen. Dies zu klären, dürfte ein Ansatz bei der Rekalibrierung ihrer Erwartungssteuerung sein. Wir rechnen erst im 2. Quartal 2019 mit einer Zinserhöhung.

    Bezüglich der zeitlichen Terminwahl der zu erwartenden Änderungen der Geldpolitik liefert das Sitzungsprotokoll der EZB einen weiteren wichtigen Hinweis: Sie soll so graduell erfolgen, dass es zu keinen abrupten Entwicklungen der Finanzierungsbedingungen gibt – d.h. Marktzinsen und Wechselkurs sollen nicht zu stark und schnell ansteigen. Ein graduelles Vorgehen dürfte Veränderungen der Geldpolitik beim Treffen an diesem Donnerstag ausschliessen. Es käme zu schnell und abgesehen von dem letzten Sitzungsprotokoll ohne grosse Vorwarnung und Diskussion. Diese ist nun für die Pressekonferenz zu erwarten, bei der Draghi um weitere Hinweise bezüglich möglicher Änderungen der Geldpolitik kaum herumkommt. Je nach Entwicklung der ökonomischen Indikatoren, der Marktzinsen und des Wechselkurses dürfte die tatsächliche Anpassung der Erwartungssteuerung dann bei der folgenden Sitzung am 8. März oder sogar erst im April erfolgen. Wohlgemerkt – es geht noch nicht einmal um konkrete Zinserhöhungen, lediglich um die Steuerung, was an den Finanzmärken für die nächsten Jahre eingepreist wird. Bei einem so vorsichtigen Vorgehen der EZB sollte die Volatilität an den Anleihemärkten auch dieses Jahr gering bleiben. Höhere Renditen sollten daher mit einer steileren Zinskurve einhergehen. Es lohnt sich daher ein Blick auf die Inflationsperspektiven.

    Zunächst lässt sich feststellen, dass Deflation schon lange keine Gefahr mehr darstellt. Ein wichtiges Argument für die Anleihekäufe fällt also weg. Mit einer Inflationsrate von zuletzt 1,4% bzw. einer Kernrate von 0,9% bleibt der Preisdruck aber ebenfalls noch gering. Durch den letzten Ölpreisanstieg von rund 7% seit dem Dezembertreffen der EZB kommt etwas zusätzlicher Druck hinzu. Gleichzeitig hat der Euro handelsgewichtet aber auch um 1% zugelegt, im 12-Monatsvergleich sogar um 6%. Dies wird mittelfristig den Anstieg der Kerninflationsrate etwas abschwächen. Gering bleibt auch der von der Lohnseite herrührende Preisdruck. Zwar ist seit 2016 ein gewisser Aufwärtstrend erkennbar, er bleibt aber bislang sehr schwach. Dies könnte sich zukünftig langsam ändern. Immerhin ist die Arbeitslosenquote in Euroland seit ihrem Höhepunkt 2013 von 12,1% auf 8,7% gefallen – allein in den letzten 12 Monaten um über einen Prozentpunkt. Sie bleibt aber weiterhin höher als das Vorkrisenniveau von 7,3%. Vor allem die Jugendarbeitslosenquote von 18,2% ist immer noch zu hoch. Auch mahnen die Erfahrungen anderer Länder zur Vorsicht. Der Lohndruck blieb bislang auch in Ländern wie den USA, UK und Japan gering, in denen aktuell Vollbeschäftigung herrscht.

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    Die EZB dürfte am Donnerstag verhaltenen Optimismus und eine begrenzte Handlungs-bereitschaft zeigen. Der stärkere Euro und die moderate Lohnentwicklung dürften sie bremsen, während die guten Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten in der Währungsunion sowie das robuste internationale Wirtschaftsumfeld eine baldige Straffung der Geldpolitik nahelegen. Angesichts der heterogenen Perspektiven der einzelnen EZB-Ratsmitglieder dürfte die Beobachtung der europäischen Geldpolitik wieder etwas spannender werden. Schnelle Änderungen sind allerdings auch nicht zu erwarten.




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    Dr. Karsten Junius
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    Dr. Karsten Junius ist seit dem 1. April 2014 Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin AG und hat die Leitung des Economic Research inne. Bevor er zur Bank J. Safra Sarasin stiess, war Dr. Junius beim Internationalen Währungsfonds als „Principal Economist“ tätig. In vorgängigen Positionen arbeitete er als Leiter Kapitalmarkt- und Immobilien Research bei Deka Bank und als Ökonom bei Metzler Asset Management GmbH. Davor war er Ökonom am Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel. Dr. Karsten Junius ist CFA Charterholder und doktorierte in Volkswirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel.
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    Verfasst von Dr. Karsten Junius
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