Showdown im Impfstoff-Rennen
BioNTech-Zulassung schon im November? Für die Aktie „wird die Luft nach oben dünner“
Wenig bringt die Börsenkurse derzeit so in Bewegung wie neue Wasserstandsmeldungen zu einem Corona-Impfstoff. Am Freitag war es Pfizer CEO Albert Bourla, der Anleger aufhorchen ließ. Ende Oktober stehe fest, ob der Impfstoff – den die US-Amerikaner gemeinsam mit der Mainzer Impfstoff-Hoffnung BioNTech entwickeln – tatsächlich wirkt. In der dritten November-Woche soll außerdem das Sicherheitsprofil des Impfstoffes feststehen. „Kurz darauf wird Pfizer in den USA eine Notzulassung beantragen“, schreibt Bourla in einem offenen Brief.
Nach monatelangen Warten auf den Corona-Impfstoff könnte es jetzt also schnell gehen. Die Reaktion folgte prompt: Die BioNTech-Aktie liegt am Freitagnachmittag im Frankfurter Handel knapp fünf Prozent im Plus. Während die Konkurrenz von AstraZeneca und Johnson&Johnson in den vergangenen Tagen ihre Impfstoff-Tests wegen Zwischenfällen pausieren mussten, drücken Pfizer und BioNTech aufs Tempo.
Klaus Brune, Leiter des Börsenressorts beim Platow-Verlag, zeigt sich im Gespräch mit wallstreet:online optimistisch – wenn auch noch unter Vorbehalt. „Wir dürfen gespannt sein und planen vorläufig gute Nachrichten ein – wohlwissend, dass es bei Wirkstoffkandidaten im Pharmabereich auch einmal sehr schnell zu platzenden Seifenblasen kommen kann.“ Doch man dürfe nicht vergessen, dass BioNTech nicht nur an einem, sondern insgesamt vier möglichen Covid-Wirkstoffen arbeitet.
Trotz der guten Nachrichten ist die Aktie kein Selbstläufer, betont Brune. „Die Luft nach oben wird dünner, sodass alte Hochs bei über 100 US-Dollar derzeit nur erreichbar erscheinen, wenn bei dem Impfstoff ein entscheidender Durchbruch vor der Konkurrenz kommt“, so der Experte. Denn für Investoren stelle sich auch die Frage, was nach dem Impfstoff-Rennen folgt. „Bleibt Corona ein Problem? Wird der Impfstoff – eventuell mit Anpassungen auf Mutationen des Virus – auch über 2021 hinaus ein Heilsbringer für BioNTech sein? Und was ist mit den anderen Forschungsbereichen? Gibt es da Fortschritte?“, so Brune.
Die richtige Arbeit geht nämlich erst los, wenn das Impfstoff-Rennen beendet ist. Die Produktionskapazitäten müssen hochgefahren, die Verteilung des Impfstoffes organisiert werden. Schon im September hatte BioNTech angekündigt, eine Fabrik des Schweizer Pharmariesen in Marburg zu übernehmen. Das Unternehmen will hier bis Ende 2021 jährlich bis zu 750 Millionen Dosen Impfstoff produzieren. Bis Ende dieses Jahres sollen 100 Millionen Dosen bereitstehen – für besonders gefährdete Zielgruppen. Diese würden wohlgemerkt aber nur für 50 Millionen Impfungen reichen, denn jede Impfung besteht aus zwei Teilen. BioNTech CEO Ugur Sahin sagte gegenüber dem Wallstreet Journal: „Es werden gigantische Mengen an Impfstoffdosen für die Menschen benötigt. Es ist eine große Aufgabe, die einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“
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Ob die BioNTech-Aktie derzeit ein Kauf ist? Für Platow-Experte Klaus Brune eine Frage der Risikobereitschaft. „Auf jetzigem Kenntnisstand sind wir vorsichtig und raten Anlegern nur zum Einstieg bei Rückschlägen. Wer ein bisschen was riskieren will und Angst hat, bei einer erfolgreichen Entwicklung nicht dabei zu sein, platziert vielleicht ein Abstauberlimit bei knapp über 85,00 US-Dollar. Da wären dann immerhin gut 10 Prozent Luft zu unserem derzeitigen Kursziel von 95,00 US-Dollar.“
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion