Zukunft Europas
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“, heißt es in einem Gedicht Friedrich Schillers. Das bedarf Zeit. Zeit der Überlegung, der Argumentation und der Entscheidung. Am Freitag dieser Woche entscheiden
Bundestag und die Länder über zwei wichtige Gesetze, die die Ausgestaltung Europas und die Rolle der Nationalstaaten verändern werden. Keine schlechte Sache, möchte man meinen. Europa – auch mehr
Europa – ist eine gute Idee. Eine Idee des Wachstums, der Entwicklung und der Nachhaltigkeit für alle beteiligten Länder. Ein Europa des Vertrauens, der kulturellen Gemeinsamkeiten und
Unterschiede. Ein schnelles Durchdrücken von Entscheidungen und kurzfristiges Krisenmanagement ohne die Beteiligung der Bürger scheinen hier nicht ins Bild zu passen.
Ein demokratisches Europa kann nur auf demokratischen Prozessen aufbauen. Ein demokratisches Europa braucht demokratische Legitimation – einschließlich der Auseinandersetzung mit den Argumenten,
mit dem Pro und dem Kontra. Und dem Akzeptieren, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. In der gegenwärtigen Krise der Staats- und Bankenfinanzierung scheint die Zeit nicht gegeben zu sein. Doch:
Am Ende steht in den Köpfen weniger als mehr Europa.
Worum geht es am Freitag? Zwei Dinge stehen zur Disposition:
Zum einen der Fiskalpakt, mit dem wesentliche Budgetrechte des Parlamentes von nationaler Ebene auf europäische Ebene übertragen werden. Die strukturelle Kontrolle der Haushaltspolitik der
Euroländer beinhaltet auch die strukturelle Kontrolle der Haushaltspolitik Deutschlands durch die Euroländer – einschließlich auch für Deutschland verpflichtender Sparauflagen. Aber auch vice
versa.
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Zum zweiten der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), der als dauerhafter Rettungsschirm von und für die Länder der Währungsgemeinschaft installiert werden soll. Kritisiert wird hier vor allem,
dass es kein Austrittsrecht für ESM-Mitgliedsstaaten gibt. Zudem wird die Budgetsouveränität der Nationalstaaten an die Europäische Union abgetreten. Das ESM-Kapital und somit die Forderungen an
die einzelnen Euro-Länder kann unbegrenzt erhöht werden. Für die Nachforderung des Haftungskapitals reicht die einfache Mehrheit. Private Gläubiger werden nicht verpflichtet, sondern nur in
Ausnahmefällen beteiligt. Inzwischen werden unter anderem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und Frankreich auch direkte Hilfen aus dem europäischen Krisenfonds ESM für kriselnde Banken
gefordert – damit eine direkte Bankenfinanzierung durch die Steuerzahler.
Am Freitag wird gegen 20.00 Uhr mit dem Beginn der namentlichen Abstimmung im Bundestag gerechnet. Der Bundesrat tagt ab 21.00 Uhr in einer Sondersitzung zu ESM-Rettungsschirm und dem Fiskalpakt.
Mit einer Zweidrittelmehrheit bei beiden Abstimmungspunkten wird inzwischen gerechnet. Der Fiskalpakt soll Anfang 2013 in Kraft treten, der ESM am 1. Juli starten.
Europa-Referendum?
Inzwischen debattieren Politik und Verfassungsrechter über die Rechtmäßigkeit der Verlagerung von Kompetenzen auf die europäische Ebene und Notwendigkeit eines Volksentscheids. Entsprechende
Erwartungen wurden auch von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geweckt: "Wer ein starkes Europa will, muss bereit sein, Entscheidungen nach Brüssel abzugeben." Wenn dann "die Grenzen des
Grundgesetzes erreicht sind, dann sagt das Verfassungsgericht zu Recht: Man kann gern mehr Rechte nach Brüssel übertragen, aber darüber muss das deutsche Volk entscheiden," so Schäuble im Interview
mit dem „Spiegel“.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Wolfgang Bosbach warnte in der „Frankfurter Rundschau“ (Dienstag): „Wenn wir das Königsrecht des Parlaments, das Budgetrecht, europäischen
Institutionen überantworten, dann tangiert das unser Grundgesetz im Kern. Darüber könnten nicht allein Bundestag und Bundesrat entscheiden. Das ginge nicht ohne Zustimmung der Bevölkerung.“
Das Mitglied Finanzausschusses im Bundestag Frank Schäffler (FDP) kritisert: "Ich halte Fiskalpakt und ESM für verfassungswidrig, weil damit ohne eine Volksabstimmung der Weg in den europäischen
Superstaat durch die kalte Küche beschritten wird." Auch die Partei Die Linke sorgt sich um die Budgethoheit des Parlamentes: „Wenn der Bundestag nicht mehr umfassend über den Haushalt entscheiden
kann, dann steht die parlamentarische Demokratie als Ganzes zur Disposition,“ sagte Sahra Wagenknecht der „Passauer Neuen Presse“. Auch Wagenknecht halte eine Volksabstimmung für zwingend
erforderlich. „Alles andere wäre ein kalter Putsch gegen das Grundgesetz“, so die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken.
Allerdings widersprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die zunehmende Machtfülle der EU soll nicht durch eine schnelle Volksabstimmung abgesichert werden. Eventuelle verfassungsrechtliche
Risiken sollen jeweils durch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament bei der Abstimmung am Freitag ausgeschlossen werden.
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