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    BGH: Verbraucherfreundliches Urteil in der Lebensversicherung - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 12.10.05 21:22:06 von
    neuester Beitrag 14.10.05 20:04:51 von
    Beiträge: 10
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      schrieb am 12.10.05 21:22:06
      Beitrag Nr. 1 ()
      HANDELSBLATT, Mittwoch, 12. Oktober 2005, 17:53 Uhr
      Urteil des Bundesgerichtshofs

      Lebensversicherer müssen einstecken

      Verbraucher, die Kapitallebensversicherungen vorzeitig kündigen, dürfen sich über mehr Geld freuen. Der Bundesgerichtshof hat die in den Vertragsklauseln versteckten hohen Abschlagszahlungen für unwirksam erklärt. Marktführer Allianz ist „überrascht“.

      Das Kleingedruckte ist für die Verbraucher zu undurchsichtig, urteilte der BGH. Foto: dpa

      HB KARLSRUHE. Die Klauseln benachteiligten den Verbraucher unangemessen, hieß es in der am Mittwoch verkündeten Entscheidung des BGH. Die Bestimmungen verstießen gegen das Transparenzgebot. Den Kunden werde verschleiert, dass sie bei vorzeitiger Vertragskündigung oder Beitragsfreistellung vor allem in den ersten Jahren hohe Verluste auf das eingezahlte Kapitals hinnehmen müssen.

      Aus den Beiträgen der ersten Jahre finanzieren die Versicherer die Vermittlungsprovisionen ihrer Vertreter. Deswegen erhalten die Versicherten bei einer raschen Kündigung ihre Einzahlungen nur mit hohen Abschlägen zurück.

      Der BGH gab den Versicherungskonzernen eine Formel vor, nach der künftig der Rückkaufswert berechnet werden muss. Die Ausschüttungen dürften einen „Mindestbetrag“ nicht unterschreiten, betonten die Richter. Stornogebühren seien verboten. (Az.: IV ZR 162/03).

      Ein Sprecher von Marktführer Allianz Leben sagte, die Versicherung sei überrascht, dass das Gericht in seinem Urteil einen Mindestbetrag eingeführt habe. Man habe deshalb noch nicht ausrechnen können, wie viele Verträge betroffen seien, also in wie vielen Fällen die Auszahlung unter dem vorm Gericht definierten Mindestbetrag gelegen habe.

      Das Gericht gab mit seinem Urteil damit drei Versicherten recht, die gegen die Allianz und die Provinzial Versicherung geklagt hatten. Sie verlangten Auskunft über die Höhe der Abschläge und Auszahlung ihrer vollen eingezahlten Beiträge. Die Vorinstanzen müssen in diesen Fällen nach den Vorgaben des BGH erneut entscheiden.

      Von der Entscheidung des Gerichts sind zwischen 1994 und Mai 2001 geschlossene Lebensversicherungsverträge betroffen. Der Bund der Versicherten schätzt ihre Zahl auf etwa 20 Millionen, der BGH auf 10 bis 15 Millionen.

      Der BGH hatte entsprechende Klauseln bereits 2001 für unwirksam erklärt. Die Versicherer ersetzten die weggefallenen durch neue. Über diese hatte der BGH jetzt zu entscheiden. Die neuen Klauseln seien genauso intransparent wie die alten, monierte der Klägervertreter in der Verhandlung am Mittwoch. Versicherer dürften nachträglich nicht einfach neue Klauseln in bestehende Verträge einfügen, wenn die alten wegen Unwirksamkeit wegfielen.

      Dieses Recht gestand der BGH den Versicherungskonzernen aber zu. Sie dürften weggefallene Klauseln ohne Zustimmung der Kunden ersetzen. Die neuen Bedingungen gälten dann rückwirkend. Zu ihrem Schutz könnten die Kunden die neuen Klauseln vor Gericht überprüfen lassen. Die alten Klauseln dürften jedoch nicht durch inhaltsgleiche Bestimmungen ersetzt werden, mahnte das Gericht. Dies sei in dem verhandelten Fall geschehen. Auch diese Regelungen fallen daher weg und müssten diesmal durch die Vorgaben des BGH ersetzt werden.
      http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1120541
      Avatar
      schrieb am 12.10.05 21:42:03
      Beitrag Nr. 2 ()
      was bedeutet dies für eine LV die letztes Jahr gekündigt wurde ??
      Avatar
      schrieb am 12.10.05 21:46:09
      Beitrag Nr. 3 ()
      BGH stärkt Rechte der Lebensversicherten

      12. Oktober 2005 Versicherte können bei einer vorzeitigen Kündigung ihrer Kapitallebensversicherung höhere Rückzahlungen verlangen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am Mittwoch in Karlsruhe, daß der Rückkaufswert in diesen Fällen nicht auf Null sinken darf, und erklärte anders lautende Vertragsklauseln für unwirksam.

      Der Richterspruch bezieht sich zwar aus prozeßrechtlichen Gründen nur auf Verträge, die zwischen 1994 und 2001 abgeschlossen wurden. Allerdings sind weitere Gerichtsverfahren anhängig, in denen es um jüngere Policen geht. Die Bundesrichter gaben den Versicherern zudem eine Formel mit auf den Weg, nach der der Rückkaufswert zu berechnen ist. Damit können auf die Branche Nachforderungen zukommen, die zumindest die Größenordung von mehreren hundert Millionen Euro erreichen.

      Ein „Mindestbetrag” muß bleiben
      Wer seine Lebensversicherung kündigt, kann künftig mehr verlangen

      Erfaßt werden von dem Urteil die Berechnung des Rückkaufwerts bei einer Kündigung, die Verrechnung der Abschlußkosten - insbesondere der Provisionen für die Vermittler - sowie die Abzüge bei Stornierungen und Beitragsfreistellungen. Die Ausschüttungen, die bislang bei einer Kündigung in den ersten Jahren durch die Kosten oft aufgefressen wurden, dürften einen "Mindestbetrag" nicht unterschreiten, entschied das Karlsruher Gericht.

      Dabei berief es sich auch auf die "verfassungsrechtlich geschützten Interessen" der Versicherten. Diese hatte auch das Bundesverfassungsgericht erst im vergangenen Juli unterstrichen, als es das Modell der Lebensversicherung zwar billigte, aber mehr Transparenz und Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Überschußbeteiligungen verlangte (siehe auch: FAZ.NET-Spezial zum BVG-Urteil über Lebensversicherungen).

      10 bis 15 Millionen betroffene Verträge

      Die nun entschiedenen Verfahren richteten sich gegen die Anbieter Allianz und Provinzial. Weil andere Lebensversicherer ähnliche Klauseln verwenden, rechnen die Bundesrichter mit 10 bis 15 Millionen betroffenen Verträgen. Zugrunde lagen Vertragsformulierungen, mit denen die Unternehmen mit Hilfe von Treuhändern einseitig alte Klauseln ersetzt hatten, die der BGH bereits vor vier Jahren wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot verworfen hatte.

      Dies sei unzulässig, urteilte das Gericht jetzt, weil mit einer "inhaltsgleichen Ersetzung von unwirksamen Klauseln" die gesetzlichen Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen unterlaufen würden. Danach darf es für das Unternehmen nicht ohne Nachteil bleiben, wenn Gerichte eine Klausel kippen.

      Für Versicherer kann Entscheidung kostspielig werden

      Die Versicherungsbranche zeigte sich am Mittwoch über das Urteil überrascht und beunruhigt. "Da kann einiges zusammenkommen", sagte Günter Bost vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Für die Kündigung noch laufender Verträge aus der Zeit zwischen 1994 und 2001 gibt es wohl keinen Anreiz durch das Urteil. Aber für schon gekündigte Verträge dürfte es eine Nachregulierungspflicht geben, befürchtet Bost.

      Das könnte kostspielig für die Versicherer werden. Denn in Deutschland werden viele Lebensversicherungsverträge schon in den ersten Jahren gekündigt. Nimmt man eine Stornoquote von 20 Prozent an, kämen bis zu 3 Millionen gekündigter Verträge für Nachzahlungen in Frage. "Das wird aus der Tasche der anderen Versicherten des Kollektivs bezahlt", kritisiert Bost die Entscheidung des Gerichts.

      Schlag gegen sogenannte Zillmerung

      Das Urteil wird in der Branche auch als weiterer Schlag gegen die sogenannte Zillmerung verstanden. Bei diesem Verfahren werden die Abschlußkosten, anders als zum Beispiel bei Fondssparplänen, in voller Höhe zu Beginn des Vertrags fällig.

      Bei den meist über mehrere Jahrzehnte laufenden Verträgen kommen so schon bei monatlichen Beiträgen von 100 Euro mehr als 2.000 Euro an sofort fälligen Kosten zusammen. Verbraucher, die vorzeitig kündigen, erleiden deshalb bisher hohe Verluste, was die Lebensversicherung zu einem unflexiblen Anlageprodukt gemacht hat. Das hat die Kritik der Verbraucherschützer geweckt und nun auch der höchsten deutschen Gerichte.

      Text: jja./ruh., F.A.Z., 13.10.2005
      Bildmaterial: F.A.Z., picture-alliance / dpa/dpaweb
      http://www.faz.net/s/Rub5CAECB7768E046A3976500B4D416A560/Doc…
      Avatar
      schrieb am 12.10.05 21:55:08
      Beitrag Nr. 4 ()
      Aber für schon gekündigte Verträge dürfte es eine Nachregulierungspflicht geben, befürchtet Bost.

      Danke für die Info
      Avatar
      schrieb am 12.10.05 22:03:10
      Beitrag Nr. 5 ()

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      schrieb am 12.10.05 22:12:47
      Beitrag Nr. 6 ()
      BGH stärkt Rechte der Versicherten
      Rückkaufswert von Lebenspolicen darf künftig nicht mehr bei Null liegen
      von Thomas Exner

      Berlin - Mit einem überraschenden Urteil hat jetzt auch der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte von Lebensversicherungskunden gestärkt. Laut der am gestrigen Mittwoch verkündeten Entscheidung darf der Rückkaufswert von Lebenspolicen bei vorzeitiger Kündigung durch den Versicherten nicht mehr auf Null sinken. Entsprechende Klauseln in den Versicherungsverträgen seien unwirksam, urteilten die Richter. Bereits Ende Juli hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß Inhaber von Lebensversicherungen mit mehr Transparenz bei ihren Verträgen und mit einer "angemessenen" Beteiligung am Vermögen und den stillen Reserven ihres Versicherers rechnen können.


      In der Vergangenheit gingen viele Versicherte, die ihre Police in den ersten Jahren nach Abschluß wieder kündigten, gänzlich leer aus, weil die Versicherer den Rückkaufswert mit den Vertragskosten - darunter auch der Abschlußprovision - verrechneten. Laut BGH sind von dem aktuellen Urteil (Az: IV ZR 162/03, 177/03 u. 245/03 vom 12. Oktober 2005) zehn bis 15 Mio. Kapitallebensversicherungen betroffen, die zwischen 1994 und 2001 abgeschlossen wurden.


      Hintergrund des Verfahrens ist ein BGH-Urteil vom 9. Mai 2001. Darin hatten die Richter die damals üblichen Klauseln zur beitragsfreien Versicherungssumme und zum Rückkaufwert, zur Verrechnung der Abschlußkosten und zum Stornoabzug für unwirksam erklärt - allerdings wegen Unverständlichkeit. Den Kunden sei nicht ausreichend deutlich gemacht worden, daß sie wegen der Kostenverrechnung bei einer Kündigung in den ersten Jahren der Laufzeit allenfalls mit geringen Ausschüttungen zu rechnen hätten. Nach dem damaligen Urteil kündigten zahlreiche Versicherte - darunter auch die drei Kläger in dem BGH-Verfahren - und machten einen höheren Rückkaufwert geltend. Inzwischen sind die Klauseln durch inhaltsgleiche, aber aus Sicht der Versicherungen verständlichere Bestimmungen ersetzt worden.


      Dies ist laut BGH zwar grundsätzlich möglich. In diesem Fall seien jedoch auch die neuen Klauseln zur Kostenverrechnung und zum Stornoabzug unwirksam, weil andernfalls die Verwendung der ursprünglich intransparenten und für die Kunden nachteiligen Bestimmungen für die Versicherung folgenlos bliebe. In einem "Interessenausgleich" zwischen Versicherern und Kunden kam der IV. Zivilsenat zu dem Ergebnis, daß der Rückkaufwert bei Kündigung nach kurzer Laufzeit jedenfalls nicht vollständig durch Kosten des Vertragsabschlusses kleingerechnet werden darf.


      Verbraucherschützer äußerten sich erfreut über die BGH-Entscheidung. Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der von der Stiftung Warentest herausgegebenen Zeitschrift "Finanztest" etwa bezeichnete das Urteil als Fortschritt. Die neue Berechnungsformel laufe darauf hinaus, daß Kunden bei vorzeitiger Kündigung mindestens knapp die Hälfte der eingezahlten Beträge zurückbekommen müßten.


      Versicherer zeigten sich unangenehm überrascht. Zwar seien die konkreten Auswirkungen des Richterspruches noch nicht zu benennen, erklärte Eckhard Marten, Sprecher des Marktführers Allianz Leben. "Wir befürchten aber, daß vertragstreue Kunden leiden werden." Denn den Versicherern steht nun möglicherweise eine Klagewelle ins Haus. Schließlich können Kunden, die im oben genannten Zeitraum eine Police abgeschlossen und dann vorzeitig wieder gekündigt haben, nun nachträglich versuchen, einen höheren als den gezahlten Rückkaufswert geltend zu machen. Das Urteil des BGH gilt nämlich rückwirkend. Gabriele Hoffmann, Sprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, erklärte, daß es nicht der richtige Weg sei, diejenigen, die vorzeitig aus Altersvorsorgeverträgen ausstiegen, zu bevorzugen und die übrigen Kunden dies bezahlen zu lassen.


      Zugleich werden die Versicherer aber auch ihre laufende Vertragspraxis überprüfen müssen. Möglich wäre beispielsweise eine Verteilung der Abschlußprovision auf mehrere Jahre, um den neuen Vorgaben des BGH zu genügen. Alternativ dazu wäre aber auch eine generelle Systemumstellung vorstellbar. Statt einer Einmalprovision beim Abschluß, könnten die Versicherungsvertreter künftig eine laufende Provision über die gesamte Vertragslaufzeit erhalten. Zumindest der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) könnte sich eine solche Lösung vorstellen. "Ich denke, daß wir dazu in absehbarer Zeit kommen werden", sagte BVK-Vizepräsident Ulrich Brock.


      Artikel erschienen am Do, 13. Oktober 2005

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      © WELT.de 1995 - 2005
      Avatar
      schrieb am 12.10.05 22:27:27
      Beitrag Nr. 7 ()
      Bundesgerichtshof
      Mitteilung der Pressestelle

      Nr. 138/2005

      Bundesgerichtshof entscheidet über Ersetzung unwirksamer

      Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen der kapital-

      bildenden Lebensversicherung im Treuhänder-

      verfahren nach § 172 VVG

      Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte durch zwei Urteile vom 9. Mai 2001 (BGHZ 147, 354 und 373) auf eine Verbandsklage des Bundes der Versicherten Klauseln in Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam. Es handelte sich um Klauseln über die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswerts, die Verrechnung von Abschlusskosten und einen Stornoabzug. Der BGH sah die im Transparenzmangel liegende unangemessene Benachteiligung darin, dass den Versicherungsnehmern die mit der Beitragsfreistellung und der Kündigung insbesondere in den ersten Jahren verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Nachteile nicht deutlich gemacht werden. Sie liegen darin, dass wegen der zunächst vollen Verrechnung der Sparanteile der Prämien mit den im Wesentlichen aus der Vermittlungsprovision bestehenden einmaligen Abschlusskosten ("Zillmerung") in den ersten Jahren keine oder allenfalls geringe Beträge zur Bildung einer beitragsfreien Versicherungssumme oder eines Rückkaufswerts vorhanden sind.

      Die von den Urteilen unmittelbar betroffenen Lebensversicherer ersetzten die für unwirksam erklärten Klauseln mit Zustimmung eines Treuhänders nach § 172 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) durch inhaltsgleiche, ihrer Meinung nach nunmehr transparent formulierte Klauseln. § 172 VVG wurde im Zuge der europarechtlich gebotenen Deregulierung des Versicherungsmarkts im Jahre 1994 in das Versicherungsvertragsgesetz eingefügt. Andere Lebensversicherungsunternehmen, deren Allgemeine Bedingungen gleichartige Klauseln enthielten, gingen ebenso vor. Insgesamt dürften davon 10 bis 15 Millionen Verträge betroffen sein, die zwischen Ende Juli 1994 und Mitte 2001 abgeschlossen worden sind.

      Zahlreiche Versicherungsnehmer haben die Urteile vom 9. Mai 2001 zum Anlass genommen, ihre Lebensversicherung zu kündigen und im Wege der Stufenklage den Rückkaufswert ohne Verrechnung mit Abschlusskosten und ohne Stornoabzug geltend zu machen. Sie sind unter anderem der Ansicht, das Verfahren der Klauselersetzung nach § 172 VVG sei nur auf reine Risikoversicherungen gemäß § 172 Abs. 1 VVG anwendbar, nicht jedoch auf die kapitalbildende Lebensversicherung. Jedenfalls komme eine Klauselersetzung bei bereits gekündigten Verträgen nicht mehr in Betracht. Keinesfalls sei es zulässig, eine wegen Intransparenz für unwirksam erklärte Klausel durch eine inhaltsgleiche zu ersetzen. Diese Fragen sind in Literatur und Rechtsprechung umstritten.

      Der Bundesgerichtshof hat über die Revision gegen drei landgerichtliche Berufungsurteile entschieden. Das Landgericht Hannover (VersR 2003, 1289) hat den beklagten Versicherer verurteilt, dem Versicherungsnehmer über die Höhe des Rückkaufswerts ohne Berücksichtigung von Abschlusskosten und ohne Stornoabzug Auskunft zu erteilen. Das Landgericht Aachen (VersR 2003, 1022) hat die Klage der Versicherungsnehmerin abgewiesen. Das Landgericht Hildesheim hat den beklagten Versicherer verurteilt, der Versicherungsnehmerin Auskunft über die Höhe des Rückkaufswerts ohne Berücksichtigung von Abschlusskosten zu erteilen. Seiner Ansicht nach ist es interessengerecht, die Abschlusskosten wie bei der "Riester-Rente" auf einen längeren Zeitraum zu verteilen (nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AltZertG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung mindestens 10 Jahre; so schon dieselbe Kammer des Landgerichts Hildesheim in einem anderen Urteil, VersR 2003, 1290). Die Landgerichte haben die Revision zugelassen.

      Der Bundesgerichtshof hat die Urteile der Landgerichte aufgehoben und wie folgt entschieden:

      1.

      § 172 Abs. 2 VVG ist auch auf die kapitalbildende Lebensversicherung anwendbar und nicht nur auf die Risikoversicherungen im Sinne von § 172 Abs. 1 VVG. Das Gesetz gibt den Lebensversicherungsunternehmen das Recht, bei allen Arten der Lebensversicherung ohne Zustimmung der Versicherungsnehmer unwirksame Bestimmungen in den Versicherungsbedingungen mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders durch neue Bestimmungen zu ersetzen, wenn zur Fortführung des Vertrages dessen Ergänzung notwendig ist. Die damit verbundene Einschränkung der durch das Grundgesetz gewährleisteten Vertragsfreiheit der Versicherungsnehmer ist nicht verfassungswidrig. Sie ist im Interesse der Rechtssicherheit und der nach § 11 Abs. 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) gebotenen Gleichbehandlung aller Versicherungsnehmer sachlich notwendig.

      2.

      Die verfassungsrechtlich geschützten Interessen derjenigen, die von der gesetzlichen Einschränkung der Vertragsfreiheit betroffen sind, müssen jedoch hinreichend gewahrt werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist dies dadurch sichergestellt, dass die neuen Klauseln sowohl im Individualprozess als auch im Verbandsprozess der uneingeschränkten richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Materiell ist dem Schutzbedürfnis der Versicherungsnehmer durch eine die Voraussetzungen und Wirkungen des § 172 Abs. 2 VVG präzisierende und einschränkende Auslegung Rechnung zu tragen.

      Die Ergänzung ist im Sinne von § 172 Abs. 2 VVG zur Fortführung des Vertrages notwendig, wenn durch die Unwirksamkeit der Bestimmung in den Versicherungsbedingungen eine Regelungslücke im Vertrag entsteht. Das ist der Fall, wenn die Unwirksamkeit die Leistungspflichten der Parteien betrifft. Da die Unwirksamkeit einer Klausel dazu führt, dass der Vertrag von Anfang an lückenhaft war, wirkt die lückenfüllende Vertragsergänzung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück. § 172 Abs. 2 VVG erfasst deshalb auch gekündigte und beitragsfrei gestellte Verträge.

      3.

      Die von den beklagten Versicherungsunternehmen mit Zustimmung eines Treuhänders vorgenommene Ersetzung der unwirksamen Klauseln durch (ihrer Meinung nach) transparent formulierte inhaltsgleiche Bestimmungen ist unwirksam.

      a)

      Für die unwirksame Vereinbarung von Abzügen bei Beitragsfreistellung und Kündigung (Stornoabzug) gibt es eine Regelung im Gesetz. Nach §§ 174 Abs. 4, 176 Abs. 4 VVG ist der Versicherer zu einem Abzug nur berechtigt, wenn er vereinbart ist. Ist die Vereinbarung wie hier unwirksam, besteht kein Anspruch auf einen Abzug.

      b)

      Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klauseln über die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswerts bei Kündigung und über die Verrechnung der Abschlusskosten unterläuft die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit nach § 9 Abs. 1 AGBG, jetzt § 307 Abs. 1 BGB und ist schon deshalb mit den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren. Bei inhaltsgleicher Ersetzung blieben der Verstoß gegen das Transparenzgebot folgenlos und die wegen Intransparenz unwirksamen Klauseln mit den verdeckten Nachteilen bei Kündigung und Beitragsfreistellung für den Versicherungsnehmer letztlich doch verbindlich.

      4.

      Da die Vertragsergänzung nach § 172 Abs. 2 VVG gescheitert ist, hatte der Senat im Wege der richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu entscheiden, ob und auf welche Art die einmaligen Abschlusskosten mit den Beiträgen zu verrechnen sind. Die danach vorzunehmende Interessenabwägung führt zu folgendem Ergebnis: Bei vorzeitiger Beendigung der Beitragszahlung bleibt jedenfalls die versprochene Leistung geschuldet; der vereinbarte Betrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswerts darf aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Dieser Mindestbetrag wird bestimmt durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals. Bereits erworbene Ansprüche aus einer vereinbarten Überschussbeteiligung werden dadurch nicht erhöht.

      Urteile vom 12. Oktober 2005

      IV ZR 162/03 - Amtsgericht Hannover – Entscheidung vom 12.11.2002 - 525 C 5344/02 ./. Landgericht Hannover – Entscheidung vom 12.6.2003 - 19 S 108/02

      IV ZR 177/03 - Amtsgericht Düren – Entscheidung vom 30.10.2002 - 45 C 214/02 ./. Landgericht Aachen – Entscheidung vom 10.7.2003 - 2 S 367/02

      IV ZR 245/03 -Amtsgericht Hildesheim – Entscheidung vom 28.4.2003 - 49 C 123/02 ./. Landgericht Hildesheim – Entscheidung vom 16.10.2003 - 1 S 54/03

      Karlsruhe, den 12. Oktober 2005

      Pressestelle des Bundesgerichtshof
      76125 Karlsruhe
      Telefon (0721) 159-5013
      Telefax (0721) 159-5501
      Avatar
      schrieb am 12.10.05 22:44:33
      Beitrag Nr. 8 ()
      Avatar
      schrieb am 14.10.05 20:01:25
      Beitrag Nr. 9 ()
      :O
      Avatar
      schrieb am 14.10.05 20:04:51
      Beitrag Nr. 10 ()
      [posting]18.251.130 von NATALY am 12.10.05 22:44:33[/posting]Hallo Nataly,

      wie verhält es sich denn im folgenden Fall:

      LV abgeschlossen 1999. Eingezahlt bis 2002 EUR 3.000,--. Kündigung wg. Arbeitslosigkeit. VS zahlt "großzügig" EUR 100,-- zurück.

      Kann der damalige VN von dem BGH-Urteil partizipieren, oder gilt das Urteil nur für Kläger???

      Hatte gestern Abend zufällig "Escher" (MDR) gesehen, da meinte eine "Versicherungsexpertin" sinngemäß, daß das Urteil auch rückwirkend anwendbar sei.

      Schon mal Danke für Deine Antwort.


      HaraldSM


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