Frisörläden und Bakermen: Deutschlandreise - 500 Beiträge pro Seite

[PresAbeL]

Nach zwei Wochen in der alten Heimat formieren sich die Bilder zu Motiven: eines davon ist die endlose Kette von Frisörläden und Bäckereien, die das Straßenbild städtischer Subzentern bestimmen: wer kauft die vielen Brötchen eigentlich? Etwa die vielen Lockenleger und Glatzenschneider, die nebenan frustriert auf Kunden warten? Ist dies das neue Konzept der Arbeitsagentur? Gründen sie eine Ich AG - Hauptsache es ist eine Bäckerei oder ein Frisörladen?

In Hannover Hbf nennt sich der Semmelshop Bakerman. Keine Ahnung, wo sie den Murks wieder her haben. Wenn es beim bakerman 2x klingelt ... dann freut sich auch der man von der agency.

Überhaupt der Aufschwung: jede Menge frisch geputzter teurer neuer Autos. Keine Ahnung, wer die bezahlt hat.

Immerhin, in Düsseldorf oder Bielefeld glänzen sie etwas heftiger. Mittelstand scheint aufgewacht, im Revier oder in Sachsen-Anhalt schieben sie noch genauso rezessiv Frust wie noch vor 4 Jahren. Umfrage bestätigt: Linksruck, weil der Aufschwung kommt nicht in den Taschen der kleinen Leute an.

In Berlin konjunkturunabhängige, unverschämte Regierungsprotzerei: Die Staatsquote von 50% weiß sich eben zu repräsentieren. Anyway, der Lehrter Bahnhof hat was. Galerie Lafayette: die Franzosen zeigen den Allemands, was eine Harke ist: alles glotzt, aber keiner kauft.

Ich habe mir vorgenommen, nicht über Amerika zu sprechen. jedenfalls nicht ernsthaft. Das war sogar am Samstagabend nicht zu Ende, als ein vollgesoffener Kollege unbedingt darauf bestand, mir seine höchst differenzierten Ansichten zu unterbreiten: Die Amis produzieren nur Schrott und Die Amis haben einen Polizeistaat. Ich sah nicht recht, was der Herr von mir erwartete. Er hatte doch schon alles klar gestellt.

Heute endlich mal wieder Sabinsen: irgendwie sah sie noch stewardessiger aus als ich sie in Erinnerung hatte. Meine Lieblingspolitiker Lafontaine und Trittihn keiften sich an. Dazwischen ein sabbernder Greis, der immer wieder einwarf, daß alle außer ihm keine Ahnung hätten. Ein Ex-Jusochef mit Glatzenansatz und ein verkniffener, um Amtshaltung bemühter Verteidigungsminister. Eigentlich waren sich alle einig: Deutsche Soldaten sind gut, amerikanische Soldaten und Taliban sind Scheiße. Immerhin äußerten alle Rundenteilnehmer tiefstes Verständnis für die Taliban. Ist doch etwas.

Es gibt ihn doch, den DB-Fortschritt: keine ICs mehr, dafür Regionalbahnen mit nur noch 20 Minuten Verspätung. Es lebe der NRW Billigtarif.

Anders als beim letzen Mal vor 1,5 Jahren versuche ich es nur noch positiv und versichere pausenlos, wie toll alles geworden sei in D. Dabei hat sich mein Heißhunger auf deutsche Wurst, deutsches Bier und - natürlich - deutsche Brötchen längst gelegt. Ich grinse trotzdem tapfer weiter. Aber Deutsche sind ja nun nie so richtig zufrieden und so fragen sie mich regelmäßig auch noch, ob ich Heimweh hätte. Ich beantworte also auch diese Frage wahrheitsgemäß mit Ja und lasse sie ihren Triumph geniessen.

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.167 von PresAbeL am 21.05.07 00:39:54

Du hast Heimweh?

[PresAbeL]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.175 von Kartenhai am 21.05.07 00:47:11

Richtig. Homesick.

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.180 von PresAbeL am 21.05.07 00:49:56

Wieso denn das? Hier gibst du dich oft so deutschlandkritisch, daß ich jetzt (fast) sprachlos bin.

[PresAbeL]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.184 von Kartenhai am 21.05.07 00:52:08

BTW: ich glaube nicht, daß das ein Ami mißverstehen würde ...

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.193 von PresAbeL am 21.05.07 01:00:08

Meinst du das so: Ein US-Amerikaner, der nach Deutschland auswandert, danach in US-Foren seinen Landsleuten erklärt, warum er froh ist, endlich weg zu sein und dann mit dem vollsten Verständnis aller seiner Landsleute bekennt, Heimweh zu haben? Da bin gleich nochmal sprachlos.

Zu deinem Freund Trittin: Ich würde die Wette wagen, daß der die selbe Metamorphose durchlebt wie der Schily. Nicht, daß er die Partei wechseln wird, aber die politische Ausrichtung. Der ist schon heftig in Richtung Mitte unterwegs und ehe er sich versieht, ist er übers Ziel hinausgeschossen und im rechten Lager angekommen.

[PresAbeL]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.206 von Kartenhai am 21.05.07 01:13:45

Trittin: Vergleich mit Schily ist interessant. Im Unterschied zu Trittin war Schily allerdings nie Kommunist. Schily käme es umgekehrt nie in den Sinn, ernsthaft zu behaupten, daß sich NATO-Truppen ohne Beteiligung der Amis auch nur einen Tag lang in Afghanistan halten könnten.

Da bricht eine Trottelrunde geleitet von einer Stewardess eine Stunde lang diverse Stäbe und schaffte es auch noch, einfach den Tod des Mullah Omar zu übergehen. Tschulligung, eine solche Packung Realitätsverweigerung hätte ich nu doch nich erwartet!

[PresAbeL]

Aber ich hätte da noch einen: Siemens holt sich einen neuen Chef und alle "Experten" tun so, als hätten sie ihn noch nie gesehen. Dabei ist der Mann Merck Vorstand und war es vorher bei GE. Und die versammelte deutsche Medienprovinzelite tut so, als handelte es sich bei dem um einen Mann aus dem 3. oder 4.Glied, nur weil er in Teutschland, im Land der Schrempps, Reuters, Pierers und Pischetsrieders noch keinen Vorstandsposten innehatte. Lächerlich!

[PresAbeL]

Und noch einen: heute erzählte mir jemand, daß sich die Idioten im Saarland gegen einen der wenigen Vorzüge wehren, den sie nun einmal haben: nämlich daß sie ziemlich gut Französisch können, weil sie es in der Schule lernen müssen und nun einmal grenznah plaziert sind. Ich glaube mein Schwein pfeift!

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.221 von PresAbeL am 21.05.07 01:35:24

Christiansen sehe ich aus diesem Grund schon seit Jahren nicht mehr. Ich habe die Nase voll von solchen Politikern wie Cohn-Bendit, Lafontaine oder Gysi (einer von denen ist ja fast immer dabei) oder von eitlen Schwätzern wie PSL. Wahrscheinlich werden wir demnächst den Geißler dort bewundern dürfen. Naja, ich nun nicht...

Der Trittin hat m. E. Blut geleckt, der will wieder Minister werden oder noch höher hinaus. Ich hab vor einiger Zeit irgendwo eine moderierte Diskussion zwischen ihm und dem Dirk Niebel (FDP) gelesen, das war hochinteressant, wie pragmatisch der Trittin sich dort gegeben hat. Der muß ja auf Rügen ganze Kreidefelsen abgenagt haben. Politik versaut eben den Charakter.

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.221 von PresAbeL am 21.05.07 01:35:24

BTW: Der Mullah Omar ist m. W. noch am Leben, der zuletzt Getötete war sein Militärchef, ein Vertrauter von ihm.

[Borger52]

...weißt du presabel, es ist diese oberflächlichkeit die dafür sorgt, dass du denkst du hättest alles richtig gemacht.
in einem aber gebe ich dir recht, wir deutschen jammern immer, wenn auch auf hohem niveau.

[PresAbeL]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.241 von Kartenhai am 21.05.07 02:02:58

Okay, den Einäugigen gibt's also noch. Nun, der Militärchef wäre immerhin auch eine Erwähnung wert gewesen.

Zur Läuterung fehlt dem Trittin noch ein Schritt. Dieser wird ihn möglicherweise zum offenbar stark vermissten Dienst-Audi zurückbringen. Wahrscheinlich setzt er auf "Jamaika" (auch eine unvergleichlich dämliche deutsche Erfindung). In einer solchen Koalition könnte er dann Joschka beerben.

Zunächst einmal wird aber der Linksruck Schlagzeilen machen und die die nächsten Wahlen bestimmen. Die deutsche Gesellschaft polarisiert sich in diesem Aufschwung in solche, die ihn nun mitbekommen und denen, die sich abgehängt fühlen. Diejenigen, die immer nach dem Mannah vom Staat blöken und ihre beschäftigungslose Zeit nicht genutzt haben, sich eingeninitiativ in Form zu bringen, sind jetzt die (völlig zurecht) Angeschmierten. Wie gesagt: ganze Landstriche sind inzwischen nach diesen Kriterien voneinander zu unterscheiden: Bremen, Sachsen-Anhalt, Saarland, Revier auf der einen, Bayern, BW, das Rheinland oder Ostwestfalen auf der anderen Seite.

Noch ein Phänomen: ich höre nur, daß Merkel einen guten Job macht. Vergleicht man ihre Arbeit mit den "Leistungen" in den 23 Jahren vor ihr, stimmt das sogar. Bloß wählen würde sie bzw. ihre Partei deswegen kaum keiner ...

[PresAbeL]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.959 von Borger52 am 21.05.07 09:01:17

Um mich geht es hier im Thread eigentlich weniger. Mit Sicherheit habe ich auch nicht alles richtig gemacht. Oberflächlichkeit ist in erster Linie im Auge des Betrachters. Ich glaube jedenfalls nicht, daß per Agentur geförderte Frisörläden und Bäckereien die Lösung bringen. Dieses Kartenhaus wird ganz schnell in sich zusammenfallen. Wie gesagt: Mittelstand und Know How Träger haben es kapiert: die sind jetzt schlank und rank und haben wieder Spaß am Geldverdienen. Der nach dem Staat um Umverteilung blökende Rest guckt in die Röhre und die Großunternehmen wahren ihre Fassade: wie oft hat die Siemens-Spitze gestern in ihrer 6-minütigen Pressekonferenz \"deutsch\" bzw. \"Deutschland\" gesagt?
Erfolgreiche \"deutsche\" Großunternehmen haben mit D inzwischen nur noch wenig zu tun wie ich: es verbindet eine leicht melancholisch eingefärbte Vergangenheit.

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.398.995 von PresAbeL am 21.05.07 09:04:06

Den Linksruck sehe ich noch nicht, das ist m. E. das typische mediale Aufbäumen nach dem non-event in Bremen. Die Leute lesen die Schlagzeilen (Linksruck in Bremen!) werden am nächsten Tag von Meinungsforschern angerufen und sagen brav ihren Spruch auf. Was 2009 passieren wird, hängt maßgeblich von der Entwicklung der Wirtschaft und der Politik der CDU ab. Übrigens halte ich die Fortsetzug der großen Koalition für gar nicht so unwahrscheinlich. Je stärker die Linkspartei wird, desto wahrscheinlicher wird so ein Ergebnis, weils dann weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb reicht. Protestwähler bekommen immer das, was sie verdienen, nämlich eine dicke Klatsche!

[PresAbeL]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.399.682 von Kartenhai am 21.05.07 09:53:08

Übrigens halte ich die Fortsetzug der großen Koalition für gar nicht so unwahrscheinlich. Je stärker die Linkspartei wird, desto wahrscheinlicher wird so ein Ergebnis, weils dann weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb reicht.

Du weißt selbst, daß so eine Aussage irgendwann an ihre rechnerischen Gernzen stößt.

Ich erinnere nur an die erste Grosse Koalition. Die endete im stärksten Linksruck der Nachkriegsgeschichte, an dessen Folgen iht noch ewig zu kauen haben werdet (ich erinnere nur an den damals eingestellten Beamtenberg, der jetzt langsam in Pension geht ...).

Noch etwas: zur Zeit ist die SPD doch restlos überflüssig. Klassische sozialdemokratische Positionen werden von der CSU und v.d. Leyen bedient, das Sozialneidgrakele erledigen Lafo und Konsorten.

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.400.394 von PresAbeL am 21.05.07 10:41:58

> "Noch etwas: zur Zeit ist die SPD doch restlos überflüssig. Klassische sozialdemokratische Positionen werden von der CSU und v.d. Leyen bedient, das Sozialneidgrakele erledigen Lafo und Konsorten."

Psst! Wenn das Connor erfährt, stürzt er sich vor lauter Gram aus dem Kellerfenster.

[PresAbeL]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.401.304 von Kartenhai am 21.05.07 11:45:18

Die Genossin ist doch längst auch zur SED übergelaufen ...

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.401.337 von PresAbeL am 21.05.07 11:48:11

Connor? Glaub ich nicht, Sozis sind doch völlig unflexibel.

[Blue Max]

#1

Wo eine Frisöse nur 3 Euro die Stunde verdient, gibt es halt viele solcher Läden...

[PresAbeL]

Noch zwei Randnotizen: gestern beim Getränkehandel hätte ich fast die Flucht ergriffen: keine Begrüßung, muffelige Abnahme der Pfandflaschen, annoncierte Biersorten nicht vorhanden. Ich komme nach Hause und werde gefragt, ob mir nicht auch aufgefallen wäre, wie freundlich man neuerdings dort bedient werde ...

Berlin: an jedem Zeitungsstand die jungeWelt! Ich konnte es einfach nicht glauben! Nun, die wird doch wohl ihre Abnehmer finden, oder? Linksruck in D etwa kein Thema?

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.416.680 von PresAbeL am 22.05.07 12:51:07

Bier kauft man im Supermarkt, geh zu Kaufland, das sind sie viel freundlicher als z. B. beim gewerkschaftsverseuchten Real (Metro-Konzern). Und was die Junge Welt in Berlin angeht, so leben eine Menge Leute in Berlin vom Geld anderer Leute, und wie man das richtig macht, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, erfährt man eben am besten dort. Was du aber unterschlagen hast: Allerlei türkische, arabische und russische Zeitungen sind hier viel häufiger zu sehen als die Junge Welt und die auch die Deutsche Nationalzeitung bekommst du auch fast überall. Wir sind eben offene Weltstadt! Arm aber nicht sexy, außer unser King Klausi natürlich.

[maeusefaenger]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.416.810 von Kartenhai am 22.05.07 12:59:50

Sind ja nur schlappe 50%, die in Berlin nicht arbeiten.

Der Ortsvorsteher ist's voll zufrieden, solange die Teilnehmer der MultiKultiSpässe ihn weiterhin wählen.

Arbeit ist in Berlin halt nicht so angesagt. Gottseidank ist der öD riesig, die erledigen, was unbedingt getan werden muß.....

[Kartenhai]

Antwort auf Beitrag Nr.: 29.417.179 von maeusefaenger am 22.05.07 13:25:33

Wenn die anderen zahlen, gehts doch, sieht man ja an Bremen. Und die hatten sogar noch extra Bundeshilfe, weil sie ihre Notlage angeblich nicht selbst verschuldet haben. Berlin ist ja damit beim BVerfG abgeschmiert. Also mir gefällts in Berlin, und ich werde nicht müde, die fleißigen Bayern, Schwaben und Hessen zu preisen, die klaglos in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Das lobe ich mir, das ist gelebte Solidarität der unionsregierten Südländer, so menschlich kann realer Sozialismus sein.