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    Warum viele deutsche Städte so hässlich sind - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 01.06.08 12:04:07 von
    neuester Beitrag 05.06.08 13:36:07 von
    Beiträge: 24
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      schrieb am 01.06.08 12:04:07
      Beitrag Nr. 1 ()
      Architektur
      Warum viele deutsche Städte so hässlich sind
      Der Architekt Christoph Mäckler hat etwas gegen schreiende "Look-at-me-architecture". Er glaubt, dass es einen klaren Willen der Bürger zu architektonischer Qualität gibt – und verweist auf mehrere Bürgerentscheide. Mit WELT ONLINE spricht Mäckler über eine ideale Gestaltung von Städten und über Bausünden in Deutschland.




      Die Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin von Architekt Günter Behnisch ist architektonisch umstritten.

      Christoph Mäckler wurde 1951 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte in Darmstadt und Aachen. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der Architekt bekannt durch den Bau des Berliner Lindenkorsos Unter den Linden/ Ecke Friedrichstraße. Projekte in Frankfurt am Main sind die Rekonstruktion der Stadtbibliothek, die Kunsthalle Portikus auf der Maininsel, der Opernturm und das Flughafen-Terminal 3. Für Berlin entwarf er das Zoofenster-Hochhaus, in Leipzig die Marktgalerie. Er ist Mitglied der Internationalen Bauakademie Berlin. Seit 1998 ist Mäckler Ordentlicher Professor an der Universität Dortmund. Dort gründete er jüngst mit Kollegen das „Dortmunder Institut für Stadtbaukunst“ (DIS) an der Fakultät Bauwesen. Es widmet sich der Erforschung und Lehre der Kunst des Städtebaus.


      Architekt Christoph Mäckler

      WELT ONLINE: Mit einem neuen Institut wollen Sie die Gestaltung unserer Städte verbessern. Warum ist das so wichtig? Worin liegt der gesellschaftliche Wert eines schönen Stadtbildes?

      Christoph Mäckler: Es gibt Heimat. Sich wohlzufühlen an dem Ort, an dem man lebt – das ist heute mehr denn je der gesellschaftliche Wille, auch wenn dies noch nicht alle wahrnehmen wollen, vor allem nicht jene Planer, die uns in den letzten 30 Jahren mit immer neuen Theorien zur Stadt überhäuften, ohne dass sie dabei etwas zur gestalterischen Qualität der Stadt beigetragen hätten. Darüber hinaus gibt es einen starken Wunsch, die extreme Individualisierung der Architektur einzudämmen. Nehmen Sie die vielen Bürgerentscheide gegen Neubauten in München, in Dresden, in Regensburg, gegen ein gläsernes „Bauhaus“ am Aachener Dom. Es gibt einen klaren bürgerschaftlichen Willen zu einer architektonischen Qualität, die unsere alten europäischen Städte mit mehr Angemessenheit ergänzt als diese „Look-at-me-architecture“, die sie nur noch weiter zerstört. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass es in Frankfurt am Main sogar eine starke Bewegung gibt, die mittelalterliche Altstadt hinter dem Römer zu rekonstruieren, wird der Änderungswille deutlich. Das muss uns doch zu denken geben, denn es zeigt, dass hier die moderne Architektur offenbar versagt hat und an den Wünschen der Gesellschaft vorbei geplant wurde. Ein Platzraum muss entworfen werden wie ein Wohnraum, und die Fassaden des Platzes sind wie Wände dieses Wohnraumes. Nicht umsonst spricht man in Frankfurt vom Rathausplatz am Römer als der „guten Stubb'“.

      WELT ONLINE: Das klingt für Sie nicht spießig?
      Mäckler: Klar ist jedenfalls, dass Städte bis heute vor allem nach soziologischen, ökonomischen oder verkehrstechnischen Kriterien geplant werden. Dabei werden essenzielle gestalterische Fragen vernachlässigt. Gestaltung spielt in der Stadtplanung kaum eine Rolle, weil der Stadtplaner hiervon nichts versteht. Die Gestaltung eines Platzraumes findet heute – wenn überhaupt – nur in Platzbelägen, Bänken und Beleuchtungskörpern statt. Was den Platz charakterisiert, sind aber die Fassaden, und die überlassen die Planer dem individuellen Geschmack des Architekten. Und der plant lediglich das einzelne Haus – meist ohne Rücksicht auf das Ensemble. Für den Bürger zählt am Ende aber nur die Gestaltung des Gesamtplatzes, seiner Fassaden, seiner Proportion. Er will sich wohlfühlen, im Platzraum wie im Wohnraum. Es gibt nicht einen einzigen modernen Platz der letzten 100 Jahre, bei dem der Bürger sagen könnte: Hier fühle ich mich wohl. Die alten Plätze dagegen funktionieren sogar, wenn dort Häuser aus ganz verschiedenen Epochen stehen.


      Als gelungen gilt dagegen der direkt an die Akademie anschließende Bau von Frank Gehry: Hier residiert die DG Bank.


      WELT ONLINE: Früher gelang dies auch, weil der Herrscher dekretieren konnte, was gebaut wird. Wie soll das heute gehen?

      Mäckler: Das ist doch das übliche Argument, mit dem Gestaltfragen oder gar Gestaltungssatzungen abgebürstet werden: Die Planer lächeln darüber, weil das diktatorisch sei und nicht in eine Demokratie passe. Aber früher haben auch nicht immer nur die Herrscher dekretiert. Die norditalienischen Städte zum Beispiel waren ja demokratische Kommunen. Heute haben wir Bürgermeister und Stadtparlamente, aber diese sind völlig hilflos, weil ihnen entweder nur ideologisch denkende Architekten oder wortgewaltige Planer ohne architektonisches und städtebauliches Wissen zur Verfügung stehen. Genau genommen kann man es genau andersrum formulieren: Jeder Architekt, der an irgendeine Stelle sein aufregendes medienwirksames Häufchen stellt, handelt eigennützig, ja geradezu diktatorisch, statt an das Gemeinwohl zu denken. Nehmen Sie Günter Behnischs gläserne Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin – was für ein Egotrip innerhalb der einheitlichen Platzgestaltung! Die Gestaltungssatzung war hier eine politische Vorgabe des Senats, und der wird von den Bürgern gewählt. Sie müsste auch für Behnisch gelten.

      Die im Bau befindliche Waldschlösschenbrücke in Dresden bleibt weiterhin umstritten.


      WELT ONLINE: Was wollen Sie an Ihrem Institut für Stadtbaukunst genau erforschen?
      Mäckler: Ich habe mit meinem Kollegen Wolfgang Sonne an der Technischen Universität Dortmund dieses Institut gegründet, um gemeinsam mit dem ehemaligen Planungsdezernenten der Stadt Dortmund, Bernd Reiff, und dem ehemaligen Berliner Senatsbaudirektor Hans Stimmann als Honorarprofessor Themen der Stadtgestalt unter Einbeziehung aller zum Städtebau gehörigen Disziplinen zu bearbeiten. Anders als bisher liegt der Schwerpunkt auf dem architektonischen Bild der Stadt und ihrer Geschichte. Wir forschen zum Beispiel zum Thema Gestaltungssatzung als einem möglichen Instrument der Stadtgestalt. Dazu muss man wissen, dass unsere Städte über viele Jahrhunderte solche Satzungen hatten. Auch die toskanischen Städte, deren Schönheit wir heute bewundern und von denen wir glauben, sie seien irgendwie natürlich „gewachsen“, hatten über Stadtstatuten ganz klar definierte Vorgaben, bis hin zur Größe des Pflastersteins. Da gab es eine Bürgerschaft, die es sich zum Grundsatz machte, dass an repräsentativen Plätzen und Straßen in einer bestimmten Art gebaut werden musste. Es gibt Berichte von Häusern, die 40 Zentimeter in den Straßenraum ragten, und daher über die ganze Höhe abgetragen wurden, um dann zurückgesetzt wieder errichtet zu werden. Auch Frankfurt am Main hatte im 19. Jahrhundert über 80 Jahre eine Satzung, nach der klassizistisch gebaut werden musste, also keine Erker, keine Mansarddächer, genaue Farbfestlegungen. Frankfurt hatte daher bis zu seiner Zerstörung einen wunderbaren klassizistischen Mainprospekt.

      Die Münchner Bürger entschieden sich gegen Hochhäuser im Stadtzentrum. Höher als die Frauenkiche darf kein Gebäude werden.

      WELT ONLINE: Sie haben Ihre Karriere einst mit dem Siegerentwurf für die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin gewonnen, ein ziemlich wilder Entwurf. Wie konnten Sie sich bis heute so verändern?
      Mäckler: Als ich den Wettbewerb gewann, war ich ein sehr junger Architekt. Wir wollten damals den öden Funktionalismus der Siebzigerjahre überwinden.

      Der Architekt Christoph Mäckler mag das Erscheinungsbild der Stadt Regensburg

      WELT ONLINE: Sie haben es als junger Architekt genossen, alles machen zu können. Warum wollen Sie den Architekten heute diesen Spaß nehmen?
      Mäckler: Ich denke nicht so Schwarz-Weiß, wie Sie es suggerieren. Der Ort ist das Ausschlaggebende. Wenn man ein Bauwerk für einen Park entwirft, kann das ruhig eine wilde Skulptur sein, das ist für mich völlig akzeptabel. Aber es kann nicht sein, dass wir unsere Städte mit solchen Skulpturen zerstören. Ich sehe das auch gar nicht rückwärtsgewandt. Man muss vom Ort ausgehen und darauf aufbauend eine Architektur entwickeln, die dazu passt. Ich baue doch in Hamburg anders als in München und anders als in Stuttgart oder Heidelberg. Es ist wesentlich leichter, in intakte Städte irgendein verrücktes gefaltetes Glasgebäude hineinzustellen, als Gebäude bautypologisch am Ort festzumachen, ohne dabei Retro-Architektur zu produzieren. Das ist die größte Herausforderung überhaupt. Aber das wird an den Architektur-Hochschulen kaum gelehrt. Hier werden kleine Stars herangezogen, denen man die neuesten Moden beibringt, ohne die Grundlagen der Baugeschichte zu vermitteln: die Grammatik der Stadt.

      Der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche ist geglückt

      WELT ONLINE: Für viele ist diese Bauauffassung ein Zeichen von Fortschrittsmüdigkeit und gesellschaftlichem Konservatismus.

      Mäckler: Ganz im Gegenteil. Es ist für mich der größte Fortschritt überhaupt, wenn es uns gelänge, in dieser Ich-bezogenen Gesellschaft wieder etwas Gemeinsames zu kreieren. Stellen Sie sich vor, es würde uns wieder gelingen, statt der üblichen Ansammlung von Einzelhäusern einen klar gestalteten, gut proportionierten schönen Platz zu bauen, an den man gerne kommt, wo man sich gerne aufhält. Der könnte auch komplett aus Glas sein. Man muss über Glashäuser in Zeiten der Klimaveränderung nicht diskutieren – deren Ökobilanz ist meist schlecht, und gemütlich wäre das auch nicht. Aber als formale Idee ginge es auch in Glas, eine solche Einheitlichkeit würde eindruckvoll sein. Es ist ein Kraftakt, in städtebaulichen Ensembles zu denken und zu bauen. Das ist Fortschritt!

      Die Aachener kippten im Bürgerentscheid das umstrittene Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum "Bauhaus Europa".

      WELT ONLINE: Berlin hat nach dem Fall der Mauer versucht, eine gewisse Einheitlichkeit des Stadtbildes durchzusetzen. Ist das gelungen?
      Mäckler: Das ist hervorragend gelungen. Dabei rede ich nicht dem langjährigen Senatsbaudirektor Hans Stimmann das Wort. Stellen Sie sich doch einfach vor, man hätte den Architekten in Berlin freie Hand gelassen. Es wäre ein Chaos entstanden. Heute sehe ich allerdings deutlicher als damals: Die Architektur war einfach noch nicht reif. Als ich den Wettbewerb für den Lindencorso an der Straße Unter den Linden gewann, hatte ich – wie so viele Architekten – keine Erfahrung mit Steinfassaden. Ich bin durch das ehemalige Ost-Berlin gelaufen und habe mir alte Häuser angesehen und versucht, den Umgang mit Stein an diesen Gebäuden zu studieren. Steinfassaden wurden in der Zeit nach dem Mauerfall ausschließlich als demonstrativ vorgehängte Plattenverkleidung aus poliertem Material mit Kreuzfuge konzipiert. Wir mussten erst lernen, wie man Steinfassaden entwirft. Die Lindencorso-Fassade war zu dieser Zeit in Berlin mit ihren Kanneluren, den Ecksteinen und der massiven Aufmauerung in den beiden unteren Geschossen die erste Steinfassade überhaupt, die man als solche bezeichnen konnte. Und sie brachte mir bei einigen Kollegen den Vorwurf ein, ich hätte eine „faschistische Fassade“ entworfen.

      Die Rekontruktion des Berliner Stadtschlosses ist umstritten

      WELT ONLINE: Haben Sie sich mit einem Entwurf am Berliner Schloss-Wettbewerb beteiligt? Mäckler: Dies ist ein anonymer Wettbewerb.

      WELT ONLINE: Was ist die größte Herausforderung bei dieser Bauaufgabe?
      Mäckler: Sich mit der Geschichte dieses Ortes auseinanderzusetzen!

      WELT ONLINE: Haben Sie Verständnis, dass Kollegen nicht mitmachen wegen der Vorgaben, dass die barocken Fassaden Schlüters rekonstruiert werden müssen?
      Mäckler: Ich verstehe es – denn den meisten Architekten fehlt die Ausbildung, um sich mit einer solchen Bauaufgabe zu beschäftigen. Oder sie sind schlichtweg ignorant, weil sie meinen, sie müssten sich nicht mit allen Aufgaben auseinandersetzen. Aber Architekten, die sich nicht mit der Baugeschichte auseinandersetzen, sind nicht wirklich ernst zu nehmen. Und dann gibt es natürlich diejenigen, die das aus ideologischen Gründen ablehnen, das sind die Allerschlimmsten. Aber dass es heute so wenige Architekten gibt, die sich auf solche Herausforderungen einlassen, liegt auch an der Medienlandschaft. Behutsame Entwürfe sind schwerer zu „verkaufen“ als das Spektakuläre. Unsere Mediengesellschaft kann das Selbstverständliche und Angemessene nicht gebrauchen, sie verlangt immer nach dem Ausgefallenen und Extravaganten. Es ist wie ein Gift, mit dem wir die Kultur unserer europäischen Stadt zerstören.

      "Portikus" auf der Alten Maininsel in Frankfurt


      Sein Modell des "Zoofensters" in Berlin.


      http://www.welt.de/kultur/article2051644/Warum_viele_deutsch…
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 12:11:45
      Beitrag Nr. 2 ()
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 13:29:54
      Beitrag Nr. 3 ()
      Warum viele deutsche Städte so häßlich sind??? - Wegen ihren Bewohnern! :D (Hallo Dortmund!)
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 13:34:28
      Beitrag Nr. 4 ()
      Solange an den Hochschulen ausschließlich der Bauhaus-Stil gelehrt wird, werden die deutschen Städte häßlich bleiben.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 13:41:20
      Beitrag Nr. 5 ()
      Der Witz ist ja, dass die Architekten dieses gruslige Zeugs entwerfen -und sich nach der Arbeit dann wieder in die Privatwohnung/Haus zurückziehen. Das ist dann sehr oft eine alte Villa aus der Jahrhundertwende (und zwar nicht die von 1999/2000).

      Hallo, ihr Murkser! Einfach mal drüber nachdenken!

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      schrieb am 01.06.08 14:26:47
      Beitrag Nr. 6 ()
      Vielleicht wurde auch einfach nur zu viele alte Bausubstanz im Weltkrieg zerstört. :confused:
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 16:39:17
      Beitrag Nr. 7 ()



      Ich kann nicht verstehen wie man etwas gegen Hochhäuser haben kann.
      Die Mischung zwischen Alt und Neu macht eine Stadt erst schön, sonst kann man ja auch ins Museum gehen.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 17:51:28
      Beitrag Nr. 8 ()
      1. der Herr Architekt muss erst einmal für seine Arbeit und sein Institut trommeln, den trommeln gehört zum Geschäft.
      2. jede Stadt hat ihre (architektonische, kulturelle und geschichtliche) Entwicklung.
      Ganz klar, dass es da gute und schlechte Beispiele gibt.
      3. sind unsere Städte denn wirklich so unschön?
      Man muss nicht alles schlecht machen, nur weil man meint, es besser machen zu können/wollen. (wer zahlt's??)
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 17:52:33
      Beitrag Nr. 9 ()
      es wird genauso einen "großen" Architekten geben, der genau das
      Gegenteil von Herrn Mäckler behauptet.
      :D
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 19:19:41
      Beitrag Nr. 10 ()
      WARUM in deutschen Städten seit 100 Jahren (m.E. seit 1918) fast nur noch hässliches Zeug gebaut wird, sagt der Artikel allerdings nicht so deutlich.
      Ich habe da meine eigene Theorie (siehe unten).

      Aber zunächst einmal:
      Es gibt fast keine nach 1918 erbauten Gebäude, die mir gefallen.
      -keine schönen/detailfreudigen/kreativen Steinfassaden mit Ornamenten und Figuren mehr, keine Fenster mit Rundbögen mehr, kein Stuck mehr in den Räumen an den Decken. Keine klassizistischen Villen mehr, kein Fachwerk mehr mit diesen schönen urigen Balken. Keine schönen Ziegelsteinfassaden mehr (und wenn, dann ohne Ornamente oder Absätze, sondern völlig glatt und kalt). Fast nur noch Stahl, Beton, Glas.

      Das sieht vielleich von weitem cool aus, aber wohnen wollen doch alle in den Altbauten mit den hohen Räumen, dem Stuck und den schönen Fassaden.
      Diese sanierten Altbau-Wohnungen sind folgerichtig auch fast immer teurer pro qm als Bauten nach 1918.

      Die "Schlange" auf dem Moabiter Werder in Berlin sieht z.B. von weitem ebenfalls "cool" aus. Diese Wohnanlage wurde für die Abgeordneten des Dt. Bundestages gebaut, damit diese es nicht so weit zum Reichstag etc. haben.
      Eingezogen sind sie letztendlich in die schönen Altbauten im Prenzlauer Berg, Charlottenburg etc..
      "Die Schlange" wird inzwischen (jedenfalls laut dem Sprecher auf dem Stadtrundfahrt-Schiff, von dem aus ich mir die Misere betrachtet hatte) zum Großteil als Sozialwohnungen vermietet, um überhaupt Mieter dort hin zu bekommen.
      Wie viele Millionen an Steuergeldern das Bauwerk genau gekostet hatte, habe ich mir nicht gemerkt. zig Millionen jedenfalls.

      Das ist die "Schlange":

      http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.stadtentwic…


      Warum wird meiner Meinung nach seit 1918 nur noch Schrott gebaut?
      -Weil mE in einer zentralen Demokratie die Herrscher keine persönliche Beziehung mehr zu den Orten und Gemeinden haben, über die sie herrschen. Vor allem haben die Leute, denen der Grund und Boden in den Gemeinden gehört bzw. -die Alteingesessenen dort nix mehr zu melden in Bezug auf Fragen wie: soll bei uns im Kiez ein Wolkenkratzer gebaut werden? -eine Moschee? -ein Asylantenheim? -Sozialbauten im sowjetischen Stil?
      Besitzer von Mietshäusern müssen gar Quoten einhalten, wieviel Prozent der Wohnungen als Sozialwohnungen vermietet werden müssen.

      Wenn im Gegenzug die Alteingesessenen z.B. lokal-demokratisch Quoten festlegen würden, wieviele Türken/Araber in einem Kiez leben dürfen etc., wäre das Geschrei der Herrscher groß.
      -Diese müssen schließlich nicht in diesen, von ihnen sozial beglückten, Kiezen leben, sondern suchen sich lieber Wohungen in schönen Altbauvierteln mit einigermaßen homogener, sympatischer Anwohner-Struktur (Berlin-Prenzlauer Berg z.B.).

      Langer Rede kurzer Sinn: Städte sind schön, wenn die Bewohner lokal über die Architektur entscheiden dürfen bzw. -wer dort hinziehen/Immobilien kaufen darf und -wer nicht.
      Das hat in der Monarchie, vor 1918, offensichtlich funktioniert -vermutlich, weil es damals noch keine ideologisch geleiteten Sozialbeglücker gab und -die lokalen Grundeigentümer noch über ihren Kiez entscheiden durften.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 19:47:23
      Beitrag Nr. 11 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.672 von knudolf am 01.06.08 19:19:41Schau Dir mal die Grundrisse der Städte von 1918 an.
      Kann es sein, dass Du übersiehst, dass manche Städte inzwischen
      um mehrere 100 % Ausdehnung erfahren haben.
      Da ist nix mehr mit Altbau-Bestand.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 19:56:24
      Beitrag Nr. 12 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.762 von Heinz01 am 01.06.08 19:47:23Nur weil sich Städte ausdehnen, heißt das doch nicht, dass man nur noch hässliche Häuser bauen muss...

      Du hast mich möglicherweise missverstanden.
      Es geht mir nicht in 1. Linie um den Altbau-Bestand, sondern darum, dass es keine schönen Neubauten mehr gibt, in denen sich menschliche Wesen wohlfühlen können.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 20:36:17
      Beitrag Nr. 13 ()
      Wer einmal in einer Bauhausvilla mit den hellen, lichtdurchfluteten Räumen gewohnt hat, den zieht es wahrlich nicht mehr in die alten Zuckerbäckerhäuser. Echte Bauhaushäuser mit ihrer klaren Formensprache befreien den Geist ihrer Bewohner, während überladene Ornamentik das Hirn zukleistert. Und Fachwerkgemütlichkeit ist doch nur was für Leute, die gerne geduckt durchs Leben schreiten.

      Nichtsdestotrotz ist es richtig, dass das vor allem die meisten Neubau- und Gewerbegebiete, ästhetisch gesehen, ziemlich daneben sind. Es ist halt wie mit allem, wirklich Gutes ist eben (meist) nicht billig zu haben.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 20:44:29
      Beitrag Nr. 14 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.899 von new_kid_in_town am 01.06.08 20:36:17Ich habe nichts gegen Hochhäuser und schon gar nichts gegen Bauhaus. Die Archtitekten in der Nachfolge des Bauhauses haben aber irgendwann aufgehört, ihre Objekte durchzugestalten und sich damit begnügt, weiße Würfel übereinanderzustapeln.
      Bei Hochhäusern geht die Diskussion meistens nur um die Sockelgeschosse, und die "Landmarkqualität" je nachdem wie groß das Ego des Investors ist.
      An FFM kann man sehr schön sehen, wie das Zusammenstellen von Glasklötzen die traditionellen Maßstäbe sprengt. Übriggebliebene Gründerzeitgebäude wirken wie vergessenes Spielzeug inmitten der Kolosse.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 20:56:59
      Beitrag Nr. 15 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.923 von Blanchefort am 01.06.08 20:44:29Das sehe ich etwas anders. Man schaue sich nur mal Dubai etc. an. FFM hat durchaus einen architekonischen Reiz, was wollte man nach 1945 auch anders machen, dafür ist es teilweise gelungen und es wird zunehmend besser. Das hat schon was, mit den Hochhäusern bei Nacht. Städte sind keine Museen, sondern entwickeln sich, dafür muss auch alter Krams weichen, das war schon immer so. Jede Epoche setzt ihre Akzente und ich finde etwa Paris mit seinem Festhalten an Haussmann als eine nette und liebenswerte Anakronie. London macht das besser, Berlin macht das gar nicht, da haben wie die angesprochenen Klötzchen. Das einzige was an Berlin (mit Milliarden an investiertem Kapital) überzeugt, ist Fosters Reichstagskuppel. Der Rest ist zweitklassig.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 21:10:56
      Beitrag Nr. 16 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.944 von derbewunderer am 01.06.08 20:56:59Hausmann hat seinerzeit auch alles abgeräumt, um Platz zu schaffen, und um Barrikadenbau unmöglich zu machen.
      Neues heißt nicht, daß Qualität vergangener Zeiten zerstört werden muß. Interessant ist doch, daß die neuen Städte, alle gleich aussehen, als ob der gloobalen Gesellschaft nur noch in den Sinn käme, überall das immergleiche übereinanderzutürmen.
      Warum hat dann die mittelalterliche europäische Stadt eine immergültige Qualität und den Reiz, dem Millionen Touristen erliegen? Warum fühlen sich Menschen meist bei einem bestimmten Maßstab zuhause? Warum fahren Menschen lieber nach Erfurt als nach Dortmund? Deutsche Städte sehen oft mistig aus weil:

      - nach '45 oftmals versucht wurde, die ganze deutsche Geschichte zu sprengen
      - Die Notwendigkeit des Wiederaufbaus und der Wohlstandsfuror der 60er Jahre zu einer Verwahrlosung der Städteplanung geführt hat, die in der Monstrosität der Trabantenstädte der 70er Jahre gipfelte.
      - Heutige Investorenarchitektur meist nur einseitige Interessen verbaut. Renditearchitektur beschränkt sich auf das Notwendige und orientiert sich meist an der minimalen Anforderung der Vermietbarkeit.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 21:23:27
      Beitrag Nr. 17 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.999 von Blanchefort am 01.06.08 21:10:56Nunja, seinen wir fair. derbwunderer schreibt aus FFM Bornheim, es gibt dort viele Fachwerhäuser und wilhelmische Bauten. Sachsenhausen ist auch weitgehend intakt. derbewunderer will z.B. aber auch die Römerstadt in Frankfurt nicht vermiesen. Eine Schande ist aber aber das Viertel um den Römer. Der Neue Heimat Mist der 50er bleibt stehen, dabei werden gleichzeitg Baudenkmäler abegerissen. Insgesamt wird es aber besser, dauert aber aber z.B. der Ostbahnhof in FFM ist ein Debakel und eine Schande für die Stadt und da hast du Recht mit den Abrissphantasien, der war fast unzerstört und wurde nach dem Krieg weggesprengt, unglaublich. Das gilt natürlich z.B. auch für das Berliner Schloss. Schamlos, in Ost wie West.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 21:51:13
      Beitrag Nr. 18 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.999 von Blanchefort am 01.06.08 21:10:56- Heutige Investorenarchitektur meist nur einseitige Interessen verbaut. Renditearchitektur beschränkt sich auf das Notwendige und orientiert sich meist an der minimalen Anforderung der Vermietbarkeit.

      Wobei die Bauherren sicherlich auch schon von 1918 Rendite erzielen wollten.
      Trotzdem haben sie keine Bau(haus)klötzer hingestellt.
      Warum nicht? Ich weiß es nicht.

      Und wie gesagt: die sanierten, verschnörkelten, verstuckten Altbau-Wohnungen lassen sich meist teurer verkaufen, als Bauhaus-Wohnungen mit ihrem "klaren Stil" (zitat new_kid_in_town).
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 22:24:25
      Beitrag Nr. 19 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.213.899 von new_kid_in_town am 01.06.08 20:36:17Wer einmal in einer Bauhausvilla mit den hellen, lichtdurchfluteten Räumen gewohnt hat, den zieht es wahrlich nicht mehr in die alten Zuckerbäckerhäuser. Echte Bauhaushäuser mit ihrer klaren Formensprache befreien den Geist ihrer Bewohner, während überladene Ornamentik das Hirn zukleistert. Und Fachwerkgemütlichkeit ist doch nur was für Leute, die gerne geduckt durchs Leben schreiten.

      Wer einmal in einem Renaissance-Landhaus der Toskana mit seinen lichtdurchfluteten Räumen, seinem rustikalen Charme, dezent herrschaftlichen Wohlstand ausstrahlend, erbaut aus massiven Holzbalken und Naturstein, gewohnt hat, den zieht es wahrlich nicht mehr in kalte, seelenlose Glas-Beton-Stahl-Konstruktionen.
      Bauhaus-Sterilität ist doch nur etwas für "neue Menschen". -Technokraten, Rädchen im System/ideologisierte Roboter, die als Kinder nie auf Bäume geklettert sind, die ihre genetische Herkunft als Jäger und Bauern sowie überhaupt ihre Gefühle und Wünsche verdrängen. ;)

      Anbei ein paar schöne Fotos:
















      Hier noch ein paar Impressionen aus dem Frankenberger Viertel in Aachen (hauptsächlich Jugendstil, Neo-Renaissance, Neo-Klassizismus, Historismus):
      http://www.frankenberger-viertel.de/Geschichte/Grunderzeit/g…

      Villa Wolf in Heidelberg:
      http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/math/zit…
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 22:26:35
      Beitrag Nr. 20 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.214.137 von knudolf am 01.06.08 21:51:13Die damalige Archiktektur unter dem Kaiser war sicherlich extrem gut. Man hat es bei hohem Bevölkerungswachstum hinbekommen, exzellente Qualität und ganze Viertel zu bauen. Insofern, Chapeau.

      Diese Viertel sind auch heute auch noch lebensfreundlich, vielleicht dachte man weniger an Architektur als Kunst, sondern war etwas bodennäher als van der Rohe oder Gropius. Es stimmt, die Jungs waren damals wirklich gut und wurden leider vergessen.

      Das Problem trat aber schon nach dem ersten Weltkrieg auf, bestimmte Architekten (z.B. Speer) fühlten sich zu grossen Künstlern berufen, der Mensch wurde übersehen. Gut, also eine späte Würdigung der wilhelmischen Stadtplanung und Architekur in der Wohlfühlgefühl aufkam. Trotzdem ist es wichtig, auch den Zeitgeist z.B. der 70er Jahre zu akzeptieren. Damals dachte man anders und es wäre schlimm, alles gnadenlos wegzubaggern.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 22:41:18
      Beitrag Nr. 21 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.214.251 von knudolf am 01.06.08 22:24:25Leichte Kritik,

      ich denke, dass diese Villen gerade nicht Highlights der Architektur um 1900 waren. Viel zu historisiend, englischer Stil und Burg.
      Das typische Highlight war die wilhelminische Stadtplanung mit den Bürgerhäusern in der Stadt, sher weiträumig und massiv gebaut, hohe Decken, schöne Viertelanlagen mit kleinen Plätzen, das ist der Altbaubestand von dem D heute so träumt, wirklich sehr gut gemacht. Auch 08/15, aber wirkt nicht so.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 22:48:04
      Beitrag Nr. 22 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.214.305 von derbewunderer am 01.06.08 22:41:18Das mag sein. Historisierend finde ich aber eigentlich nicht verkehrt, sofern alle Bauteile auch eine Funktion haben. Kleine Wachtürmchen, in die keine Menschen hineinpassen (gesehen in Potsdam; erbaut unter Friedrich dem Großen), finde ich z.B. ebenfalls kitschig.

      Google-Bildersuche gibt übrigens leider unter "wilhelminische Bürgerhäuser" nicht allzu viel her.
      Avatar
      schrieb am 01.06.08 23:02:47
      Beitrag Nr. 23 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.214.325 von knudolf am 01.06.08 22:48:04Das Problem ist heute, es gibt keinen Stil, es geht um Selbstverwirklichung, es werden Denkmäler gebaut (alles so nicht schlecht), aber nicht geschlossen als Ensemble. Besser man lasse einen Architekten machen, entweder Murks oder es wird was.
      Avatar
      schrieb am 05.06.08 13:36:07
      Beitrag Nr. 24 ()
      Kampf um die Skyline
      Von Ulrike Knöfel, Frank Hornig und Bernhard Zand

      In Asien, Russland und am Golf wird wie im Rausch gebaut. Dagegen fehlt in etablierten Metropolen wie London oder New York das Geld für architektonische Höhenflüge - nicht nur wegen der Finanzkrise. Werden die westlichen Stadtbilder bald veralten? Entwickelt sich Europa sogar zum großen Museumsdorf?


      Ein Jahrhundert lang war New York die Metropole der Wolkenkratzer, die vertikale Stadt schlechthin. Immer schneller, risikofreudiger, mondäner wuchs sie in den Himmel. Ein Höhenrausch aus Stein, Stahl, Glas. Scheinbar uneinholbar.



      Schweger-Entwurf für Dubai: Symbole für den Adrenalinspiegel der Wirtschaft

      Von einer "Besiedlung der Lüfte" schwärmte der junge niederländische Architekt Rem Koolhaas in seinem 1978 veröffentlichten legendären Buch "Delirious New York" über die City der Skyscraper, die Magie dieses Molochs.

      Auch die Anschläge auf das World Trade Center 2001 ließen den mittlerweile weltberühmten Architekten Koolhaas nicht am Hochhaus als Erfolgsmodell zweifeln. Trotz der Katastrophe sei es "so ungefähr der einzige Gebäudetyp, der den Sprung ins 21. Jahrhundert geschafft hat".



      Zum Himmel hoch da will ich hin: Der Burj Dubai Tower in Dubai, Vereinigte Arabische Emirate. Das Gebäude wurde vom Chicagoer Architekturbüro Skidmore, Owings and Merrill entworfen
      Tatsächlich hat die Turmarchitektur als Prestigesymbol überdauert. Die Imposanz einer Skyline gilt als der Gradmesser für die Prosperität einer Stadt: Hochhäuser geben dem Aufschwung eine Form, zeigen den Adrenalinspiegel der Wirtschaft an.

      Genau das ist allerdings aus westlicher Sicht inzwischen das Problem. Denn die ökonomisch starken Megacitys wie Peking, Shanghai oder Dubai, wo extravagante Wolkenkratzer wie im Akkord entstehen, lassen Städte wie New York - trotz aller Versuche der Modernisierung - schon längst furchtbar alt aussehen. Auch in Europa zeichnet sich eine Entwicklung ab, die den Osten moderner wirken lässt als den Westen. Städte wie Istanbul und Moskau sind dynamischer, auch skrupelloser als London, Paris oder Mailand.

      Noch nie waren so viele Hochhäuser in Planung, doch die meisten Wohlstands-Obelisken werden in den gegenwärtigen Boomregionen installiert, wo oft auch ganze Städte aus dem Nichts entstehen.

      Der Westen schaut dieser geradezu babylonischen Megalomanie neidisch zu - und wird wegen der anhaltenden Turbulenzen an seinen Finanzmärkten gerade noch kleinlauter. Denn der massive Einbruch des amerikanischen Kreditgeschäfts, der in vielen Ländern stark nachvibriert, lässt im Moment viele architektonische und urbanistische Großprojekte scheitern.


      Blick auf eine Megacity: So schaut man aus dem "Burj Dubai" auf die Skyline der Metropole (Computergrafik)



      Der nun schon über hundert Jahre andauernde Kampf um die Skyline geht in eine neue Runde, und die Sieger scheinen festzustehen: der Nahe und der Ferne Osten.
      Simultan zur Verschiebung der Wirtschaftskraft gen Osten bildet sich in Architektur und Städtebau eine neue Weltordnung heraus. Eine, in der Kasachstan und Katar ästhetisch dominanter sein könnten als Europa oder die USA. Es ist ein Clash der Baukulturen. Oft genug, und das ist die Ironie dieser Entwicklung, sind es westliche Stararchitekten, die sich im Auftrag der neureichen Regierungen und Immobilientycoons so austoben dürfen, wie es in ihrer Heimat derzeit undenkbar wäre.

      Ein kantiger, kolossaler Triumphbogenbau? Wurde vom Niederländer Koolhaas eben in Peking vollendet, jetzt zieht das chinesische Staatsfernsehen ein.

      Eine Eisberglandschaft, bestehend aus asymmetrisch geformten Hochhäusern? Hat der Amerikaner Steven Holl für die chinesische Stadt Chengdu entworfen.
      Eine Pyramide für die kasachische Hauptstadt Astana und eine zweite für Moskau, dort 450 Meter hoch? Liefert Londons Vorzeigearchitekt Lord Norman Foster. Das dazugehörige Moskauer Viertel Crystal Island gestaltet er mit. Es sei, sagt er, das "ehrgeizigste Bauprojekt der Welt".


      Eine Megacity feiert sich selbst: Indische Arbeiter montieren Werbung an den Emirate Towers in Dubai


      Der Größenwahn dieser Gründerzeit-Euphorie fordert mehr als schlichte Höhe. 400, 500, 600 Meter - darum allein geht es nicht. Heute sind spektakuläre Konturen gefragt, glitzernde Oberflächen: eine Exzentrik, die weithin auffällt. Lauter Wow-Effekte in der Form von Lilien, Harfen, Pokalen, Zelten, was auch immer.
      Dem Hamburger Architekten Volkwin Marg, mit seinem Kollegen Meinhard von Gerkan in China gut im Geschäft, gefällt diese Tendenz zum bildhaften Bauen nicht. Er sagt, ihm fehle bei den "iconic buildings" die gesellschaftliche Bedeutung.

      Gar von "abstrusen, grauenhaften Blüten der skulpturalen Architektur" spricht Peter Schweger, ein weiterer Baumeister aus Hamburg. Er beobachtet bereits Rückkopplungen auf die westliche Bauästhetik, wo "Gebäude auch schon wie Reklameprodukte gestaltet werden, die sich aggressiv vermarkten lassen müssen".

      Seine eigenen Hochhausentwürfe, etwa die verspiegelten Twin Towers für Moskau, bezeichnet er als rational.
      Der Investor dieser Zwillingsbauten ist Russe, ebenso wie der kooperierende Architekt, die meisten Bauarbeiter stammen aus China. Der größere Turm wird mit über 500 Meter Höhe (inklusive sogenannter Panorama-Nadel) als eines der höchsten Gebäude Europas in die Geschichte eingehen. Jedenfalls kurzfristig.

      Gerade hat Schweger einen Vertrag für einen neuen Moskauer Business-Park unterschrieben. Dort lässt er 400.000 Quadratmeter Fläche entstehen, was fast bescheiden anmutet. In der russischen Hauptstadt würden neue Flächen in einer Größenordnung geschaffen, "die kann man eigentlich gar nicht kapieren".

      In Russland, so kritisiert er, seien "viele Gebäude technologisch zehn Jahre hinter dem westlichen Standard zurück, Fragen zum Energiehaushalt interessieren die Bauherren nicht". Diese Ignoranz hat auch er schon zu spüren bekommen: Als Architekt könne man da Vorschläge machen, "aber Sie haben dann keinen Einfluss mehr".


      Hamburgs Hafencity (3-D-Ansicht von Google Earth): Urbanistische Großtaten wie diese sind in Europa selten geworden


      Es gibt noch andere gute Gründe, an der hektischen Betonierung der Welt Kritik zu üben, ästhetische, ökologische, ethische. Nur wenige Investoren und Architekten haben dafür Gehör. Sie wollen sich verewigen, wollen ihre Türme wachsen sehen.
      Auf China, sagt Schweger, habe er keine Lust. "Zu brutal." In Dubai errichtet er dagegen eine Ansammlung von Hochhäusern. Der liebliche Titel: "Dubai Pearl".

      Dieses Emirat ist das gelobte Land der Immobilienspekulanten. Die Hälfte aller Baukräne der Welt, wird gesagt, steht in Dubai, dem aufregendsten Beispiel für die hochtourige Stadtverdichtung. Wird wenigstens hier Architekturgeschichte geschrieben?

      Dubai: zwei Halbinseln im Westen, ein älteres Stadtviertel im Osten, dazwischen eine kilometerlange Zeile von Wolkenkratzern, die einem dann doch bekannt vorkommen. Hier der Campanile vom Markusplatz in Venedig, dort die Silberbögen des New Yorker Chrysler Building.
      An den Autobahnen, die die Wüste zerschneiden, stehen riesige Werbeschilder, die den nächsten urbanen Visionen Namen geben: Arabian Ranches, Emirates Hills, Springs, Meadows, The Old Town. Wenn das nicht die Sprache Amerikas ist.

      "Fast alles hier ist mit Ölgeld bezahlt - aber nicht mit unserem eigenen", sagt ein Mitarbeiter des Herrschers von Dubai. Das Emirat hat nicht mehr als ein paar Pfützen Erdöl übrig, nur vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung stammen aus dem Ölgeschäft. Dafür hat es ein Immobilienfeuerwerk entfacht, das viele Milliarden anlockt, die früher nach New York geflossen wären. Wie eilig die Investoren es haben, hier zu investieren, lässt sich auf den vielen Immobilienmessen beobachten: "Cityscape Dubai", "Cityscape Abu Dhabi", "The Property Shopper".
      Radikal anders dagegen das Bild im Westen. Für die USA scheint momentan zu gelten: Je glamouröser die Utopie, desto fixer wird der Rückwärtsgang eingeschaltet.

      Bis vor kurzem war es relativ unkompliziert, selbst an Milliardenbeträge zu gelangen. "Wenn ich oder irgendjemand anderes Geld brauchte, rief man kurz die Bank an, und die schickten einen Wagen mit Bargeld vorbei", sagt Amerikas prominentester Immobilienzar, Donald Trump: "Es war sehr, sehr viel Geld unterwegs."
      So lief es bis zur großen Finanzkrise. Ausgelöst worden war sie 2007 in den USA durch den überhitzten Handel mit Krediten, die Privatleute für den Kauf von Häusern und Wohnungen aufgenommen hatten. Seither knausern die Banken: Dass sie jetzt nur noch schwer ans Geld kommt - daran ist die Immobilienbranche im Grunde selbst schuld. Aus der Rausch.


      Stadtansicht von Astana: Eine neue Weltordnung der Architektur, in der Kasachstan und Katar ästhetisch dominieren


      Ein prominentes Opfer der Kreditkrise ist ein Hotel- und Casinokomplex namens Cosmopolitan Resort Casino in Las Vegas. Der Rohbau der zwei jeweils 180 Meter hohen Wolkenkratzer steht. Für die Lobby hatte der Bauherr Ian Bruce Eichner neun Meter große Roboter bestellt, die auf überdimensionierten Gitarren den Song "Disco Inferno" spielen sollten.
      Das Projekt befindet sich auf dem Weg zur Zwangsvollstreckung, meldete kürzlich das "Wall Street Journal", allein die Deutsche Bank sei in Gefahr, etwa eine Milliarde Dollar zu verlieren.

      Ein anderes Beispiel, in Los Angeles: Mehrmals wurde der Baubeginn für das "Grand Avenue Project" verschoben. Das Ensemble aus Hotel-, Apartment- und Shopping-Klötzen sollte Downtown Los Angeles wiederbeleben und würde drei Milliarden Dollar kosten. Frank O. Gehry hat es entworfen, einer der Großen der US-Architekturszene, bekannt dafür, Gebäude schick schillern zu lassen.

      Erst sollten die Arbeiten im vorigen Dezember starten, inzwischen spricht man vom kommenden Februar. Die Immobilienkrise sei schuld, teilten die Entwickler von Related Cos mit. Schon bald hatte Kaliforniens größter Pensionsfonds Calpers das Weite gesucht. Nun hoffen die Entwickler auf Geduld bei ihrem neuen Großaktionär: der königlichen Familie von Dubai.

      Schwierigkeiten bereitet auch ein anderes Veredelungsunternehmen Gehrys. Im New Yorker Stadtteil Brooklyn soll er eine Industriebrache in eine Architekturperle mit Mischnutzung verwandeln. Das Kostenvolumen für die "Atlantic Yards": vier Milliarden Dollar. Bürgermeister Michael Bloomberg lobte die "kolossale Leistung eines der weltbesten Architekten". Doch die Nachfrage hält sich in Grenzen. Den größten Turm der Anlage musste Gehry stutzen. Mehrere Gebäude, erklären die Entwickler, würden vorerst nicht gebaut.



      Der moderne Architekt ist zum Wandergesellen geworden - so wie der Niederländer Rem Koolhaas. Der architektonische Globetrotter stellt gerade den CCTV-Bau in Peking fertig - Hauptsitz des chinesischen Staatsfernsehens. Eine Triumpharchitektur, die auch New York alt aussehen lässt


      Überhaupt New York. Für die Immobilien-Freaks ist es nach wie vor die "ultimative amerikanische 24-Stunden-Stadt", die die globale Elite anzieht. Doch es bedarf einiger Anstrengungen, ständiger Aktualisierungen, damit das auch so bleibt. Wo sonst, wenn nicht hier, reagiert man allergisch auf jede Art von Stillstand.

      Der Bürgermeister wollte daher auch Manhattan, also das Herz der Stadt, erneuern, und zwar insbesondere die West Side. Dazu würde er gern einen modernen Bahnhof bauen, dafür unter anderem die bekannte Arena Madison Square Garden abreißen lassen. Nun weiß er nicht mehr, wie er die veranschlagten 14 Milliarden Dollar aufbringen soll.
      Geplant war dort außerdem die ehrgeizige Expansion des Messeareals Javits Convention Center. Jetzt fällt die Erweiterung sehr viel bescheidener aus.
      Blamabel verlief zuletzt die Suche nach einem Investor für den neuen Businessdistrikt "Hudson Yards", ein Vorhaben, das selbst die abgehärteten New Yorker als "Gigantismus" bezeichnen.

      Der Immobilienkonzern Tishman Speyer wollte es mit dem deutsch-amerikanischen Hochhausarchitekten Helmut Jahn realisieren - und stieg überraschend aus. Nun darf Related Cos die historische Chance ergreifen. Es kann Monate dauern, bis auch nur die Verträge ausgearbeitet sind: eine Hängepartie nach der anderen, und das in einer Stadt, die doch traditionell kein Limit zu kennen scheint.

      Und Europa? Muss sich die alte Welt daran gewöhnen, zum Museumsdorf zu werden, pittoresk zwar, aber ohne Chance, mit der Wachstums-Ikonografie anderer Kontinente mithalten zu können?
      Laut einer Studie des Urban Land Institute in Washington ist auch hier so mancher große Deal, der gerade noch in der Pipeline war, "klinisch tot".

      Vielleicht ist es ein Trost, wenn der Italiener Vittorio Lampugnani, der in Mailand als Architekt arbeitet und in Zürich als Architekturtheoretiker lehrt, betont: Er zweifle daran, dass Städte wie Shanghai langfristig attraktiv blieben; die europäischen Metropolen aber böten mit ihren "historischen Ablagerungen die Art von Lebensqualität, die in Zukunft gefragt sein wird". Nachhaltige Stadtbilder nennt er das.


      Hotelrohbau in Las Vegas: Luxusvision vor der Pleite

      Natürlich driftet da etwas auseinander. Lampugnani sagt, es sei schon wahr, dass der Nachwuchs, der sich auf den Weg nach Asien mache, quasi gleich Wolkenkratzer baue, während die Absolventen, die in Europa blieben, als Erstlingswerk ein Häuschen für die Eltern entwerfen dürften.



      LWW-Entwurf "Tripoli Greens" für Libyen: Flair der Arabesken

      Aber gut, Europa hat immerhin Flair. "Wenn Europa mit seinem Erbe intelligent umgeht, kann das eine riesige Chance sein, nicht nur für die Lebensqualität und die Kultur, sondern auch für die Wirtschaft", meint Lampugnani.
      Die Wirtschaft aber erweist sich als die Bremse. Der Interessenverband spanischer Baukonzerne schätzt, die Zahl neuer Projekte werde 2008 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 70 Prozent sinken.


      Sinnbild für Chinas Bauboom: Ein Arbeiter vor dem Olympia-Stadion von Herzog & De Meuron

      Viele europäische Städte wollen gar nicht zu Freiluftmuseen werden, London etwa als der wichtigste europäische Finanzplatz würde seine viktorianische Pracht gern durch ein paar weitere futuristische Wahrzeichen auffrischen.
      Als Norman Foster Anfang des Jahrtausends einen bombastischen, eiförmigen Tower mitten in die alte City setzte, war das der Startschuss zu einer Modernisierungswelle. Bis auf Prinz Charles, der Wolkenkratzer als Eiterbeulen bezeichnet, nahmen die Londoner das Auftrumpfen der Skyline mit Humor: Im Volksmund hieß Fosters Hochhaus sofort "Erotische Gurke".

      Mindestens 20 weitere Türme sollen in den kommenden Jahren errichtet werden, mit ihnen will sich London energisch ins 21. Jahrhundert hineinbauen. Noch aber ragt da wenig in den Himmel, immerhin gibt es bereits Spitznamen. "Käsereibe" heißt ein Hochhausprojekt, "Glasscherbe" ein anderes, dann wären da noch "Hals über Kopf", "Boomerang" und "Walkie Talkie".
      Doch selbst in London, wo die Preise lange nur eine Richtung kannten, nämlich steil aufwärts, gebe der Markt nach, hadert die Immobilienbranche. 2008 wird das Investitionsvolumen wohl um 30 bis 40 Prozent zurückgehen. Einen solchen "slowdown" ist man hier nicht mehr gewohnt.


      Sir Norman Foster auf seiner Millennium Bridge. Die Zeiten, da er in London Großprojekte wie diese Brücke oder auch...

      Inzwischen gelten fast alle Großvorhaben in London als hoch spekulativ. Und was aus dem ohnehin umstrittenen "Walkie Talkie" wird? Der Investor schweigt.
      Natürlich: Wenn, wie prognostiziert, in Großbritannien während der nächsten fünf Jahre 40 Prozent weniger Einkaufszentren entstehen als vorgesehen, wird das bei Architekturfans keine Trauer auslösen. Shopping Malls erweisen sich selten als ästhetische Glanzlichter.

      Aber es ist eben auch Ambitioniertes betroffen. Die Britin Zaha Hadid sollte für eine Londoner Architekturstiftung eine neue Unterkunft bauen. Wegen "ökonomischer Nervosität" wurde davon Abstand genommen. Wenn die Börsenkurse fallen, nimmt die Spendenbereitschaft ab, und auf private Förderer ist die Stiftung angewiesen. Hadid bekundet, enttäuscht zu sein. Dafür plant sie, unter anderem, in Dubai und Warschau. Der moderne Architekt ist zum Wandergesellen geworden. Wie ein mittelalterlicher Künstler zieht er dorthin, wo es Arbeit gibt. Einst führte die Route von Hof zu Hof, heute führt sie von Kontinent zu Kontinent.


      ...die "London Gherkin", den Hauptsitz der Swiss Re, bauen konnte, sind vorerst vorbei. Selbst in London gibt der Markt nach.

      In Deutschland herrscht die größte Architektendichte Europas - 121.000 -, und obwohl das Land zu den stabilen Märkten gehört, bilden urbanistische Großtaten wie die Hamburger Hafencity eher die Ausnahme. Die Architekten ärgert es, dass selten sogenannte offene Wettbewerbe ausgeschrieben werden, an denen sich jeder beteiligen darf. Die Chancen für die junge Avantgarde, sich zu beweisen, sind klein.

      Jede noch so diskret gehandhabte Stornierung fällt doch auf. BMW etwa wollte ein neues "Designhaus" errichten, wird nun aber andere Projekte "priorisieren".

      Es ist erst ein Jahr her, dass in Potsdam eigens eine Bundesstiftung Baukultur gegründet wurde - die das Mittelmaß hiesiger Architektur angreift. Die deutsche Regel sei leider schon lange so, "dass die Bauherren alles haben wollen, aber das nur zur Hälfte des Preises", beschwert sich Michael Braum, Präsident der Stiftung.

      Verlockend erscheint die Ferne, wo im großen Maßstab gedacht wird.

      Das Berliner Büro Léon, Wohlhage, Wernik (LWW) sorgte 2007 für Aufsehen, weil es gegen prominente Mitstreiter den Wettbewerb für das neue Regierungsviertel in Tripolis gewann. "Tripoli Greens" haben die Architekten ihren Entwurf genannt, der arabeske Minarette mit Parkflair kombiniert. Noch ist der Baubeginn nicht in Sicht, die Architektin Hilde Léon spricht von einer Warteschleife.

      Generell hält sie es für richtig, dort tätig zu werden, wo qualitätsvolle Architektur gefragt sei. "Einige Länder haben nun einmal großen Nachholbedarf." Dass man sich dabei, wie im Falle Libyen, auch mit umstrittenen Regimen einlässt, scheint sie nicht weiter zu stören.
      Léon hat schon den nächsten Markt im Blickfeld. Es sei eine Frage der Zeit, bis ganz Afrika "das nächste große Thema ist". "Groß" ist in diesem Zusammenhang untertrieben. Welch eine paradiesische Vorstellung für Architekten: so viel unbebaute Weite für das, was Friedrich Nietzsche die "Macht-Beredsamkeit" repräsentativer Architektur genannt hat.




      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,557176-3,00.html


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