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    Das Grauen vom Amt - oder: "Alexander d.Gr. war doch König von Preußen!" - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 09.03.01 18:15:56 von
    neuester Beitrag 11.03.01 20:32:27 von
    Beiträge: 8
    ID: 356.563
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      schrieb am 09.03.01 18:15:56
      Beitrag Nr. 1 ()
      Heute gab´s mal wieder so´n richtig schönen Einblick in die Niederungen deutscher Amtsstuben. Dazu vorab vielleicht zunächst ´nen kleiner Auszug aus meinem Einkommenssteuerbescheid 1999 (naja, die haben halt etwas länger gebraucht - es sei ihnen gegönnt):


      "Die geltend gemachten Aufwendungen für Bücher wie ... [1] Banking and business, [2] Kataloge über Münzprägungen, [3] Alexander der Große konnten nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, da es sich nicht um typische Fachliteratur handelt bzw. ein konkreter Berufszusammenhang nicht gegeben ist." (drei Kommafehler habe ich übrigens nicht übernommen)

      Zur Erläuterung vielleich erst mal so viel:
      Zu [1]: Andreau, J.: Banking and Business in the Roman World, Cambridge Univ. Press, 1999
      Zu [2]: Burnett, A./ Amandry, M./ Ripollès, P. (Hrsgg.): Roman Provincial Coinage, British Museum Press, 1999
      Zu [3]: Högemann, P.: Alexander der Große und Arabien, Würzburg Univ. Diss., 1982 (Neudruck 1999)

      (Alles zusammen übrigens ca. 1800.-)

      Der Empfänger dieser Belehrungen über das Wesen "typischer Fachliteratur" ist seit ca. acht Jahren Universitätsdozent im Fachbereich Klassische Altertumskunde (Sonderbereich Numismatik) und hatte sich bisher eigentlich eingebildet, einen gewissen Einblick in den "Berufszusammenhang" genannter Titel mit seiner Tätigkeit zu besitzen. Nunja, also zunächst der Griff zum Telefon. Man kann ja mal nachfragen. -> Tja - und dann kam es, eines dieser unnachahmlichen Highlights im Umgang mit deutschen Finanzämtern - im Folgenden übrigens gewissermaßen frei nach Tacitus "sine ira et studio" der O-Ton meiner "Sach"bearbeiterin:

      Zu [1]: "Banking? Das hat doch was mit Banken zu tun. Die gibt´s doch erst seit 100 Jahren." (schade also - meine Habilitation ist demnach wertlos, die Dame im Finanzamt ist per Volkshochschulkurs besser informiert)

      Zu [2]: "Das ist doch keine Fachliteratur - irgendwelche Kataloge." (schon wieder schade also - das numismatische Referenzwerk schlechthin für die römische Provinzialprägung, auf welches die Fachwelt seit Jahren sehnsüchtigst gewartet hat und welches inzwischen jede gut sortierte universitäre Fachbibliothek ziert - ein schnöder Katalog! Ich sollte dies vielleicht mal in einer Rezension von mir geben!)

      Zu [3]: "Alexander der Große? Der lebte doch im Mittelalter, war König von Preußen oder so.... Das können Sie als Mitarbeiter eines Instituts für Antike nun wirklich nicht absetzten." (oh tempora, oh mores!!!!!)

      Es kommt aber noch besser: Eingereicht hatte ich auch die Kosten eines 14-tägigen internationalen archäologischen Forschungskolloquiums in Athen - als Altertumswissenschaftler hatte ich mir nun doch gewisse Hoffnungen auf eine steuerliche Absetzbarkeit gemacht. Dazu zunächst ein kurzer Auszug aus dem damaligen Programm:

      - Akropolis - Philopappos - Agora - Olympieion - Eleusis - Brauron - Kerameikos - Kephissia - epigraphisches Museum - usw. - 14 Tage Vorträge und Forschungen vor Ort (ein Nachmittag frei)

      Ich selber habe mich damals übrigens über drei Monate intensiv vorbereiten müssen und schließlich ebenfalls (zum Leidwesen aller Beteiligten) einen dieser schauerlichen Vorträge von mir gegeben...

      Nun gut...Dazu zunächst erst einmal wieder der Finanzamtsbescheid: "Verpflegungs- und Übernachtungskosten können nicht berücksichtigt werden, da anhand des Programms der touristische Eindruck der Reise nicht von untergeordneter Bedeutung ist...."

      Und jetzt der absolut spitzenmäßige Kommentar meiner "Sach"bearbeiterin - jaja, genau die mit dem Volkshochschulkurs: "Akropolis - klar kenn´ ich die. Da war ich auch mal, vor drei Jahren mit TUI. Tourismus, wie es in Ihrem Bescheid steht."

      Übrigens vielleicht noch ´ne kleine Ergänzung: Selbige "Sach"bearbeiterin hatte seinerzeit doch allen Ernstes zur gesamten Fachliteratur-Liste (v.a. engl., franz. u. ital. Titel) eine deutsche Übersetzung der jeweiligen Titel angefordert - u.a. auch so wahnsinnig komplizierte Sachen wie halt "Roman Provincial Coinage".

      Und jetzt die Preisfrage: Wieviel warme Luft im Hirn muß man sich eigentlich von diesem Verein bieten lassen????

      To be continued.......
      Avatar
      schrieb am 09.03.01 18:46:26
      Beitrag Nr. 2 ()
      @ Licinius

      Hallo,

      ...einfach köstlich, halt uns bitte weiter auf dem laufenden,
      vor allem, was die Dame noch so von sich gibt...*bg*
      Was sagte sie denn zu den übersetzten Buchtiteln ? Da hätte
      sie doch den Zusammenhang Bücher-Fachliteratur-Beruf leicht
      erkennen können, oder ? Ansonsten...nimms leicht, dagegen
      bist Du machtlos, glaube ich.

      Grinsegrüsse
      Michael
      Avatar
      schrieb am 09.03.01 20:19:14
      Beitrag Nr. 3 ()
      @ Licinus, Altertumskundler:
      Korrekt wäre Einkommensteuerbescheid, nicht Einkommenssteuerbescheid.
      Frag` mal die Dame vom Finanzamt!
      Avatar
      schrieb am 10.03.01 16:34:05
      Beitrag Nr. 4 ()
      Da wir uns ja in einem interaktiven Medium befinden, hier also die einmalige Chance, an einem Schreiben an eine unserer gutgeheizten Amtsstuben mitzuwirken. Verbesserungsvorschläge (und sei es auch nur der ebenso staubtrockene wie spießige Hinweis auf eine simple Dittographie) werden gerne angenommen. Also Leute, legt Euch ins Zeug.


      Sehr geehrte Damen und Herren!

      Hiermit lege ich - und zwar entschieden - Einspruch gegen meinen Steuerbescheid vom (xx.yy.zzzzz) ein.

      Grundsätzlich bin ich natürlich zunächst einmal angenehm überrascht, daß die Mitarbeiter eines deutschen Finanzamtes trotz ihrer geradezu sprichwörtlichen Überarbeitung doch noch die Muße zu finden scheinen, so ganz nebenbei ein wissenschaftliches Studium durchzuführen. Oder wie sonst soll ich die scharfsinnigen Ausführungen ihrer Mitarbeiterin Frau XY interpretieren, daß es sich bei Teilen der von mir angegebene Literatur "nicht um typische Fachliteratur handelt bzw. ein konkreter Berufszusammenhang nicht gegeben ist"?

      Daß man darüber freilich durchaus geteilter Meinung sein kann, möchte ich Ihnen an vielleicht nur drei Beispiele kurz darzulegen versuchen:

      1) Andreau, J.: Banking and Business in the Roman World, Cambridge Univ. Press., 1999.
      Hierbei handelt es sich um die neueste und zugleich fachkundigste Monographie zum römischen Kredit- und Bankenwesen der späten Republik und frühen Kaiserzeit, geschrieben von einem der führenden Wissenschaftler im Bereich der antiken Wirtschaftsgeschichte.

      2) Burnett,A./ Amandry, M./ Ripollès, P.: Roman Provincial Coinage, London University Press, 1998.
      Es ist dies der erste Band des Referenzwerkes zur römischen Provinzialnumismatik schlechthin, in mehr als fünfjahriger Arbeit von einem über zehnköpfigen Autorenteam internationaler Altertumskundler verfaßt und sehnsüchtigst von allen Fachnumismatikern der Welt erwartet.

      3) Högemann, P.: Alexander der Große und Arabien, Würzburg Univ. Diss., 1982
      Trotz der bekanntermaßen rasant schwindenden Allgemeinbildung in Deutschland erwarten Sie jetzt bitte nicht von mir eine Erklärung darüber, was Alexander der Große mit antiker Geschichte zu tun hat. Selbst ein einbändiger Brockhaus, der möglicherweise in mancher Amtsstube sein trauriges Dasein hinter einem nicht minder traurigen Gummibaum fristen sollte, wird darüber wohl eine entsprechende Auskunft erteilen können.

      Den altertumskundlichen Forscherdrang Ihrer Mitarbeiterin mithin in allen Ehren, aber es nun wirklich schon jenseits der Groteske, diese Titel als "nicht typische Fachliteratur" zu bezeichnen, die noch dazu in "keinem konkreten Berufszusammenhang" zu meiner Tätigkeit als Universitätsdozent des Fachbereiches Alte Geschichte/ Klassische Altertumskunde stehen sollen.

      Desweiteren schreibt Ihre Mitarbeiterin im Hinblick auf das von mir geltend gemachte (und durch das Deutsche Archäologische Institut in Athen organisierte) Forschungskolloquium, daß "anhand des Programms der touristische Eindruck der Reise nicht von untergeordneter Bedeutung ist...." Es mag sein, daß der betreffenden Dame angesichts solcher Signalworte wie "Athen", "Akropolis" und "Eleusis" (hoffentlich positive) Erinnerungen an ihren letzten Neckermann-Urlaub ins Gedächtnis gerufen wurden. Insofern hätte meine Steuererklärung bei ihr ja immerhin durchaus begrüßenswerte Effekte gehabt, was ihr ja auch gegönnt sein mag. Nur möchte ich Sie allein schon aufgrund meines beruflichen Selbstverständnisses auch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß sich eine Begutachtung der Restaurierungsarbeiten an der athener Akropolis durch ein internationales Forschungsteam nicht unwesentlich von den Urlaubserinnerungen Ihrer geschätzten Mitarbeiterin unterscheiden dürfte. Nur ein kleines Beispiel: Mehr als zehn Meter unterhalb des allgemeinhin als "Parthenon" bezeichneten Haupttempels auf der Akropolis wurden just durch das DAI/Athen neueste Grabungen durchgeführt, die u.a. zum Fund eines früharchaischen Heiligtums geführt haben. Meinen Sie allen Ernstes, eine wissenschaftliche Überprüfung der - im übrigen (glücklicherweise) öffentlich noch nicht zugänglichen - Grabungsarbeiten sei ein "touristisches" Unterfangen?

      Gleiches ließe sich übrigens für sämtliche anderen Programmpunkte meines damaligen Forschungsaufenthaltes in Athen sagen, wobei nur am Rande erwähnt sei, daß allein die wissenschaftlichen Vorbereitung mehr als drei Monate in Anspruch genommen haben. Eine durch Ihre reisefreudige Mitarbeiterin dieser Zusammenkunft attestierte "touristische" Natur wäre einzig und allein dem Nachmittag des XX.YY. 1999 anzudichten. Hinter sämtlichen anderen Programmpunkten verbergen sich außerordentlich arbeitsaufwendige Tätigkeiten, die ich Ihrer in Fragen der Altertumskunde ja so überaus versierten Mitarbeiterin auch gerne im Einzelnen darlegen kann.

      Bis dahin wäre es von meiner Seite allerdings wünschenswert, daß die betreffende Dame zur Kenntnis nimmt, daß wissenschaftliches Arbeiten mehr bedeutet als zwei Erinnerungsfotos vor der Akropolis zu schießen - und sei es auch nur zu dem einen einzigen Zweck, daß ihr nächster TUI-Reiseführer aufgrund eventuell sogar unserer Forschungen in der Lage ist, ihr im vielleicht alles entscheidenden Moment den Unterschied zwischen einer spätarchaischen Weihinschrift und einem neuzeitlichen Hinweisschild zur nächsten Damentoilette zu erklären. Damit wäre dann ja immerhin schon eine ganze Menge erreicht, und mehr darf man wohl realistischerweise auch kaum erwarten.

      In diesem Sinne und mit irritierten Grüßen
      Avatar
      schrieb am 10.03.01 17:17:26
      Beitrag Nr. 5 ()
      Licinius :laugh:
      Vielleicht solltest Du dem Schreiben noch ´ne GfN - Aktie beilegen, als Grundstock für die nächste Bildungsreise ;) mit dem ViVa-Jugend-Basketballkappenteam.
      Fehlerchen aus dem Text zu schnüffeln erspare ich mir (obwohl vorhanden :) ), wage aber die Prognose, dass Du nicht die erwartete Reaktion auf Deine wohlfeilen Formulierungen erhalten wirst. Dennoch ein schöner Versuch :) Gönne Dir einen schönen Chateau Migrän und mach´ Wochenend :)
      Gruß
      MM

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      Avatar
      schrieb am 10.03.01 18:36:19
      Beitrag Nr. 6 ()
      @licinius,
      Du musst auf jeden Fall Deine Buchbeschreibungen allgemeinverständlicher machen. Oder glaubst Du etwa angesichts Deiner bisherigen Erfahrungen, der durchschnittliche deutsche Finanzbeamte könne etwas mit dem Begriff "Provinzialnumismatik" anfangen. Er denkt dabei vermutlich an nackte Provinzler und irgendwelche Ferkeleien.
      Auch der Verweis auf die "frühe Kaiserzeit" ist eher problematisch, da die Finanzbeamtin durch regelmäßiges Studium des "Goldenen Blattes" genauestens informiert ist, daß Italien keinen König, geschweige denn einen Kaiser hat. Deshalb wird sie sich veralbert vorkommen und Deinen Einspruch ohne viel Federlesens verwerfen.

      Gruß
      kpk
      Avatar
      schrieb am 10.03.01 19:45:17
      Beitrag Nr. 7 ()
      @Licinius

      eine schöne und sicher der Wahrheit entsprechende Anmerkung
      zu unseren Finanzämtern.

      Aber ? Verlangst du da von einer einfachen Verwaltungsangestellten
      nicht ein wenig zu viel ?

      Könnte es sein, das ein persönliches Gespräch da eher wirken
      dürfte, vorlegen der "Corpi Delikti" eingeschloßen ?

      Die Ignoranz liegt ich "eurem" Fall sicher auf beiden
      Seiten !!

      Solltest du dich von deinen Standpunkt nicht herablassen können, dann
      sei dir die professionelle Hilfe eines Steuerberaters empfohlen.
      Der macht dann schon den Dolmetscher.

      HG
      Avatar
      schrieb am 11.03.01 20:32:27
      Beitrag Nr. 8 ()
      MinMacker:

      Gute Idee, nur muß ich leider befürchten, daß sich die Dame für eine GFN-Aktie mittlerweile wohl kaum mehr als eine Tageskarte auf dem Hauptbahnhof Bitterfeld wird leisten können - aber das hat dann ja wenigstens auch etwas mit Ruinen zu tun....

      kpk:

      Hahahah - daran habe ich gar nicht gedacht. Nur gut, daß ich nicht auch noch die entsprechende Fachliteratur aus dem Bereich Epigraphik hinzugenommen habe. Wer weiß, was die Liesel vom Amt als sicherlich eifrige Leserin einschlägiger Hausfrauenbelletristik mir dann im Hinblick auf vermeintliche Ferkeleien im Umgang mit den Überresten unseres (gräflichen) Hochadels unterstellen würde. (Puh, ich fürchte, ich habe den Kalauer zu Tode (über)strapaziert....)

      hangglider:

      Ein persönliches Gespräch würde ich ja durchaus gerne führen, nur (Du magst es glauben oder nicht) macht meine so reisefreudige Sachbearbeiterin gerade Urlaub, und bis sie sicherlich vollgesogen mit dem neuesten Forschungsstand "in Sachen Akropolis" zurückgekehrt sein wird, ist meine Einspruchsfrist bereits abgelaufen. Naja, und zu meinem taktischen Vorgehen stimme ich Dir natürlich (zähneknirschend zu). Nur: Wat mutt, dat mutt. Irgendwann ist meine Geduld halt einfach am Ende.


      In jedem Fall werde ich Euch aber auf dem laufenden halten.


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