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    Definiere: `Satire`! - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 04.04.01 17:58:28 von
    neuester Beitrag 11.08.04 17:23:47 von
    Beiträge: 133
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      Avatar
      schrieb am 04.04.01 17:58:28
      Beitrag Nr. 1 ()
      Vor kurzem habe ich ein verkürztes Tucholsky-Zitat in einem Posting von `jem` gelesen und da hatte ich doch den Einfall, mich in eine Diskussion anhand von Beispielen zu stürzen, weil ich mit Tucholskys `Alles.` dann doch nicht völlig einverstanden war, weil es zu häufig mißverstanden wird.
      Ich finde nämlich auch, es täte diesem Board mal ganz gut, sich über Satire und Humor zu informieren - natürlich ganz ernsthaft! ;)
      Ich fange mal mit dem von `jem` genannten Text von Kurt Tucholsky an, auf den gleich noch einiges folgen könnte:
      Was darf Satire?

      Wenn einer bei uns einen guten Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf
      dem Sofa und nimmt übel.
      Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: "Nein!" Eine
      Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die
      Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte
      Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.
      Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der
      Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein
      gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.

      Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie
      ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.
      Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen
      kämpft, verdient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte
      Fauchen, mit dem hierzulande diese Kunst abgetan wird.
      Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte
      mit dem Darstellenden. Wenn ich die Folgen der Trunksucht aufzeigen will,
      also dieses Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen
      Bibelsprüchen, sondern ich werde es am wirksamsten durch die packende
      Darstellung eines Mannes tun, der hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den
      Vorhang auf, der schonend über dieFäulnis gebreitet war, und sage: "Seht!"
      - In Deutschland nennt man dergleichen "Kraßheit". Aber Trunksucht ist ein
      böses Ding, sie schädigt das Volk, und nur schonungslose Wahrheit kann da
      helfen. Und so ist das damals mit dem Weberelend gewesen, und mit der
      Prostitution ist es noch heute so.
      Der Einfluß Krähwinkels hat die deutsche Satire in ihren so dürftigen
      Grenzen gehalten. Große Themen scheiden nahezu völlig aus. Der einzige
      "Simplicissimus" hat damals, als er noch die große, rote Bulldogge
      rechtens imWappen führte, an all die deutschen Heiligtümer zu rühren
      gewagt: an den prügelnden Unteroffizier, an den stockfleckigen Bürokraten,
      an den Rohrstockpauker und an das Straßenmädchen, an den fettherzigen
      Unternehmer und an den näselnden Offizier. Nun kann man gewiß über all
      diese Themen denken wie man mag, und es ist jedem unbenommen, einen
      Angriff für ungerechtfertigt und einen anderen für übertrieben zu halten,
      aber die Berechtigung eines ehrlichen Mannes, die Zeit zu peitschen, darf
      nicht mit dicken Worten zunichte gemacht werden.
      Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten
      Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher
      wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es
      leiden die Gerechten mit den Ungerechten.
      Aber nun sitzt zutiefst im Deutschen die leidige angewohnheit, nicht in
      Individuen, sondern in Ständen, in Korporationen zu denken und
      aufzutreten, und wehe, wenn du einer dieser zu nahe trittst. Warum sind
      unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so
      mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das
      ganze Land bedrpückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.
      Nicht einmal dem Landesfeind gegenüber hat sich die deutsche Satire
      herausgetraut. Wir sollten gewiß nicht den scheußlichen unter den
      französischen Kriegskarikaturen nacheifern, aber welche Kraft lag in
      denen, welche elementare Wut, welcher Wurf und welche Wirkung! Freilich:
      sie scheuten vor gar nichts zurück. Daneben hingen unsere bescheidenen
      Rechentafeln über U-Boot-Zahlen, taten niemandem etwas zuleide und wurden
      von keinem Menschen gelesen.
      Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle - Volksschullehrer und
      Kaufleute und Professoren und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte
      und Frauen und Volksbeauftragte - wir alle haben Fehler und komische
      Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer
      gleich aufbegehren ("Schlächtermeister, wahret eure heiligsten Güter!"),
      wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann
      er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter Mann und kein
      rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er mag
      sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag widerschlagen - aber er
      wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im
      öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen.
      So aber schwillt ständiger Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsch Satiriker
      tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen
      einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf Dauer
      etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut
      hat, der hat auch einen reinen Teint.
      Was darf die Satire?
      Alles.
      1919
      Avatar
      schrieb am 04.04.01 18:10:07
      Beitrag Nr. 2 ()
      Fortsetzung:
      "Was darf Satire ?". So heißt der 1919 erschienene "Schnipsel" von Tucholsky.
      In diesem Text setzt er sich ausführlich mit dem Begriff "Satire" auseinander. Er beschreibt, was Satire ist, und welche Ziele sie verfolgt. Er kam zu dem Schluß, daß die
      Satire in Deutschland ein noch viel zu schlechtes Ansehen hat, daß das deutsche Volk mit Satire nicht umgehen könne und das die Nachbarländer schon viel "verwachsener"
      mit der Satire sind, was z.B. Propagandaplakate in Frankreich deutlich machen.
      Zum Schluß des Textes stellt Tucholsky noch einmal die Frage "Was darf Satire ?" und liefert gleich die Antwort: Alles !

      Doch 1932 "erweiterte" er seinen 1919 erschienenen Text "Was darf Satire ?". Er schrieb nun, daß auch Satire ihre Grenzen habe und zwar nach oben hin beim Buddha und
      nach unten hin bei den faschistischen Mächten in Deutschland, da man, so Tucholsky wörtlich, "mit Satire gar nicht so tief schießen kann".

      Zum Thema Satire gab es 1928 auch eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 05.06.1928, die besagt, daß Satire eine starke Übertreibung des Inhaltes darstellt. Die Satire
      muß aber als solche zu erkennen sein, d.h. ein Leser oder Beschauer muß den tatsächlichen Inhalt der Satire erkennen können. Das Gericht entschied auch, daß eine Satire
      keine strafbare Handlung darstellt. Um herauszufinden, ob ein Text eine strafbare Handlung, im besonderen eine Beleidigung enthält, muß zuerst der satirische Text entfernt
      werden, damit dann der "Rohtext" beurteilt werden kann.

      Eine der beispielhaften Fragen, die sich für mich daraus ergibt und die ich an Euch weiterreichen möchte, beruht auf folgender Geschichte:
      Ich fand beispielsweise schon immer Mel Brooks` Filme über die absurden Seiten des Zweiten Weltkriegs oder sogar des Holocaust hinreißend, wie z.B. `Frühling für Hitler` (`Springtime for Hitler`), aber auch er selbst sagte, er habe Juden getroffen, die selbst Opfer in Auschwitz waren und diesen Film absolut nicht komisch fanden; Mel Brooks sogar fragten, ob er ihr Leid verhöhnen wollte. Mel Brooks konnte darauf nur antworten, daß er eigentlich nur zeigen konnte/ wollte, daß man mit Humor auch Mächtige lächerlich machen kann und wenn mehr Menschen Hitler so lächerlich gefunden hätten wie er ihn darstellte, dann hätte die Welt wohl anders ausgesehen.
      Wo wäre anhand dieses letzten Beispiels für Euch eine Grenze von Satiren im allgemeinen und hier im Board?
      Bye, Auryn
      Avatar
      schrieb am 04.04.01 18:44:19
      Beitrag Nr. 3 ()
      34 Leser und keine Meinung zu meiner Frage? :confused:
      Na gut, dann noch `ne Frage: Findet Ihr folgende Definitionen des Duden-Fremdwörterbuchs nicht ein bißchen überholt, da es doch inzwischen in Deutschland auch `Aktionskünstler` der Satire gibt, wie z.B. gute Kabarettisten (Dieter Hildebrandt) oder Harald Schmidt (ein Fall für sich...)?
      SATIRE (lat.: `buntgemischte Früchteschale`), die;
      1. ironisch-witzige literarische oder künstlerische Darstellung menschlicher Schwächen oder Laster
      2. (ohne Plural) Literaturgattung, die durch Übertreibung, Ironie und Spott an Personen oder Zuständen Kritik üben möchte.
      Avatar
      schrieb am 04.04.01 19:07:51
      Beitrag Nr. 4 ()
      auryn, jetzt hatte ich so ne schöne antwort geschrieben und alles ist futsch, hat nicht funktioniert....
      also kürzer:
      an board wird ironie oft nicht verstanden, weil die stile so schnell gewechselt werden wie im gespräch. das ist nicht wie zu tucholsky`s zeiten, wo er wohl eher an ganze essays etc. dachte.
      wenn man dann die stimme nicht hört, das gesicht nicht sieht, sich verzerrend zur faxe etc. - es gibt halt deswegen dauernd missverständnisse.
      vielleicht sollte ein tag oder ein smily für `ironie` geschaffen werden.
      und dann könnten wir über die grenzen reden, lol
      Avatar
      schrieb am 04.04.01 19:27:13
      Beitrag Nr. 5 ()
      Wie immer haben wir die Schwierigkeiten mit Definitionen und Grenzen.

      Spöttische, ironische Auseinandersetzung mit menschlichen Schwächen ist ja ok, aber es sollte nicht beleidigend sein und den guten Geschmack nicht verletzen: Doch genau diese Grenzen zu definieren ist extrem schwierig.

      Die Zeitschrift "Titanic" kann sicherlich ein Lied davon singen! Hier wurden ja Gerichtsverfahren gegen Beiträge über Kohl oder den Papst angestrengt, weil das einigen "entschieden zu weit ging".

      Z.B: nehme ich es manchem Katholiken ab, dass er sich durch herabsetzende Beiträge über den Papst beleidigt und in seiner Menschwürde verletzt sieht, der nächst schmunzelt und der dritte lacht sich tot!

      Ich möchte die Grenzen nicht festlegen, nur, dass Satire alles darf, dem widerspreche ich!

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      schrieb am 04.04.01 19:29:09
      Beitrag Nr. 6 ()
      @ meau
      stimmt - viel zu viele missverständnisse. mimik hin, gestik her. satire zu verstehen erfordert darüber hinaus eine gewisse weltkenntnis. ich erinnere mich gut an einen urlaub im bayerischen wald vor vielen jahren. die gastleute, ein herzensgutes, sehr bemühtes bauernpaar, fragten wir an einem verregneten abend - es hat eigentlich ununterbrochen geregnet, acht tage lang :cry:, ob wir uns dieter hildebrandts scheibenwischer ansehen dürften. wir wurden in die gute stube gebeten und wußten wirklich nicht, worüber wir uns mehr amüsieren sollten: über die kommentare der beiden, die alles bierernst nahmen, oder über die einfälle, die uns der scheibenwischer präsentierte. und zu lachen trauten wir uns auch nicht, die beiden waren zu nett, als dass wir sie hätten kränken wollen. ironie des schicksals :laugh:

      gruss antigone
      Avatar
      schrieb am 04.04.01 20:11:48
      Beitrag Nr. 7 ()
      Was die Boardsatire hier anlangt, ist das so ne Sache. Satire macht doch auch immer so eine Art zwischenmenschliche Beziehung aus, dass heisst der Verulkte (wenn es personenbezogen ist), ist erst dann in der Lage, Satire als solche wahrzunehmen, wenn er auch das Visuelle und Tonale dieser Beziehung erlebt.

      So etwas gestaltet sich aber in einem textverfassten Board etwas schwierig um nicht zu sagen, es ist unmöglich. Das ist dann der Grund, warum es oft zu Missverständnissen kommt. Wie heisst es doch so schön u. treffend: Der Ton macht die Musik!

      Gruß
      Glückspfennig
      Avatar
      schrieb am 05.04.01 09:35:33
      Beitrag Nr. 8 ()
      Satire kommt normalerweise als Artikel daher, bei dem man eine gute Chance hat, das Satirische zu erkennen. Hier im Board sind viele Beiträge einfach Gesprächsteile, so daß es viel schwieriger ist zu erkennen, ob eine Satire gemeint ist. Es gibt ja hier einige Psychopathen, die meinen ihren Unfug ernst. Daher muß man im Board besonders sorgfältig Satire so anfertigen, daß sie als solche erkennbar ist. Manche, die hier "Satiren" schreiben, verstehen das nicht, und überfordern die übrigen Nutzer. Gegen solche Satire darf sich das Board zur Wehr setzen, auch wenn der gleiche Beitrag z.B. in der Titanic abgedruckt, als Satire akzeptabel wäre.
      Avatar
      schrieb am 10.03.02 00:08:53
      Beitrag Nr. 9 ()
      @auryn,
      möchte hier keinen kalten kaffee aufwärmen:
      ich finde das dieser thread auch heute noch aktuell ist.
      man könnte auch sagen: aus gegebenen ....
      Avatar
      schrieb am 15.04.03 13:47:50
      Beitrag Nr. 10 ()
      Ich versuche mich übrigens gerade an einem Satire-Thread im Politik-Bereich, weil ich finde, daß diese Zeit geradezu nach Satire schreit:
      In Thread: Am deutsch-amerikanischen Wesen könnte die Welt genesen... (Real-Satiren) habe ich mal damit angefangen:

      Am deutsch-amerikanischen Wesen könnte die Welt genesen
      ...oder vielleicht könnte auch der Krieg wieder genesen?

      (Warnung: Zunächst eine rabenschwarze und bitter-bösartige Satire, die u.a. auf Mitschriften von verschiedenen Kabarett-Sitzungen aus den "Scheibenwischer" - Sendungen der vergangenen 10 Jahre beruhen aber besonders auf den Sendungen "Scheibenwischer" vom 10.04., ARD, 21 Uhr - und der Dokumentation "Tagebuch eines Krieges", ZDF, 13.04., 18.30 Uhr - beruht! Mein besonderer Dank an Dieter Hildebrandt, Georg Schramm sowie Wolf von Lojewski.
      Danach folgen in unregelmäßigen Abständen einige weitere Satiren anderer Schriftsteller und Kabarettisten.)

      Nun ist gerade mal wieder Krieg (gewesen?) und wir Deutsche sollten in der Beurteilung solcher "Events" aufgrund unserer Geschichte eigentlich Experten geworden sein. Leider ist es wie immer bei den Deutschen: Das Gegenteil der Mehrheitsmeinung könnte richtiger sein, weil die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte ein gestörtes Verhältnis zu diesem großen Menschheitshobby namens Krieg haben.
      Es ist allerdings auch kein Wunder, daß die Deutschen ein gestörtes Verhältnis zu Kriegen im allgemeinen und den Kriegen der Amerikaner im besonderen entwickelt haben.
      Da führten diese schrecklichen Amerikaner doch tatsächlich schon wieder einen Krieg! Was sind das nur für Menschen? Wo kommen diese schrecklichen amerikanischen Unmenschen überhaupt her?
      Nun ja, vielleicht sollte man darüber denn doch nicht so ausführlich nachdenken.
      Die Antwort könnte peinlich sein, denn zum einen fing es in den USA mit religiös-politischen Flüchtlingen wie den Puritanern an. Dann kamen Wirtschafts-Flüchtlinge, die von professionellen Schleppern wie Hapag-Lloyd außer (deutschen) Landes gebracht wurden, weil diese überschüssigen Mäuler an deutschen und anderen Gabentischen nicht sehr beliebt waren, wenn sie arm oder wie beispielsweise Hutterer oder "Amishe" religös abgedreht waren.
      Zum anderen könnte die Antwort auch zusätzlich peinlich sein, weil im 20. Jahrhundert Amerikaner (und Briten) zweimal in Massen in Deutschland zu Besuch waren. Beim letzten Mal brachten sie reichlich Unordnung in Form malerischer Ruinen in die deutschen Stadtbilder, aber ingesamt doch sehr positive Veränderungen in das politische Leben der Deutschen. Tja, und wer bei der Befreiung von Bergen-Belsen und Buchenwald wohl mehr Moral im Tornister und im Rucksack dabeihatte, dürfte ja wohl klar sein, oder?
      Dummerweise brachten Jahrzehnte vorher die deutschen Emigranten in die USA aber nach ihrer Ausbeutung oft ihre landestypischen Tugenden mit ins "Amiland":

      Da bauten sie erstmal fleißig auf Empfehlung von Einstein und Meitner Atombomben wie der Oppenheimer (Warum nur? Warum?), waren arrogant wie Kissinger, Weinberger und Rumsfeld und hatten dann frecherweise auch noch Generäle mit so ulkigen Namen wie Eisenhower und Schwarzkopf.

      Es ist einfach unglaublich und völlig unverständlich, daß diese Namen so vertraut klingen und absolut unbegreiflich, wo solche Leute nur herkommen, nicht? Dabei sind wir Deutsche doch das friedliebendste Volk, das man sich in der Geschichte nur vorstellen kann! Sicher, es gab da einige kleine Ausrutscher mit preußischen Tugenden wie Militarismus und Obrigkeitsliebe, die ein unfreundlicher Herr Hitler so ausgenutzt hat, daß ihn heute noch manche in einem Atemzug mit Dschinghis Khan nennen. Aber immerhin ging dmit zeitgleich ja auch Preußen unter, so daß wir keinen Grund haben, absolut alle Kriege nicht mehr unter pazifistischen Gesichtspunkten zu verdammen.
      Insbesondere seit 1989 glaubten wir mehrheitlich pazifistischen Deutschen an eine "Friedensdividende", da wir unsere zwei 1949 "endgültig" geschiedenen Staaten wieder in übergroßer Liebe vereinigen konnten, was zum Glück unblutig verlaufen ist - zumindest bis jetzt; toi-toi-toi.
      Nach 1989 hatten die Deutschen das Glück, nur noch Lachnummern als Verteidigungsminister zu haben, was dem Begriff des Krieges etwas operettenhaftes gab und ihm die Tragik nahm.
      Davor gab es für die meisten heute lebenden Deutschen nur den sogenannten "Kalten Krieg", der für deutsche Pazifisten die friedfertigste Zeit ihres Lebens überhaupt war. Sicher, es gab da ein paar totalitäre Diktaturen in Osteuropa unter der hegemonialen Herrschaft einer gewissen Sowjetunion, aber die konnte man kaum für längere Zeit besuchen und so konnte diese angebliche Unterdrückung mit Zwangsarbeitslagern und einem angeblichen "Archipel GULag" dort ja auch nur eine Erfindung des bösen, bösen US-CIA sein, der die Welt mit Hollywood-Filmen und Coca Cola zu unterdrücken versuchte. Nebenbei wurde man mit Werbung für Katzenfutter und sonstigen Konsumterror von den amerikanischen Usurpatoren eingelullt, so daß nur recht wenige linke oder rechte "Freiheitskämpfer" von der "leicht" fehlgeleiteten "Roten Armee Fraktion" oder den "Wiking-Wehrsportgruppen" auf Dauer rekrutiert werden konnten.
      Aus diesem schönen friedlich-eingelullten Traum wurden die Deutschen und ihre Pazifisten erst brutal erweckt, als dieser komische "Ostblock" nach seiner kleinen "Überrüstung" wirtschaftlich zusammenbrach, und die Satellitenstaaten der ehemaligen Sowjetunion durch ihre "Fluchttendenzen" zeigten, daß sie bislang nur mit roher Gewalt zum Verbleib im Block gezwungen worden waren. Als dann auch noch ein gewisser Herr Milosevic in Jugoslawien mit seiner Armee demonstrierte, wie er sich den weiteren Zusammenhalt seines Staates vorstellte, waren die Westeuropäer in ihrem ruhigen Reichtum gar baß erstaunt, daß es doch tatsächlich vor ihren Villentüren noch Leute geben könne, die aus einer Diktatur mit Gewalt zu fliehen bereit waren, um ihre eigenen Kleinstaaten zu gründen. Um dies zu verhindern, sandten sie den Ministerpräsidenten von Luxemburg nach Slowenien und Kroatien, damit dieser dort jenen Amtskollegen erklären konnte, daß so kleine Staaten wie Luxemburg wegen ihrer Armut in einem zukünftigen Europa nicht überlebensfähig seien. Leider wirkte er damit nicht so recht überzeugend, so daß die Deutschen wie die meisten anderen Europäer mehr als 5 Jahre einem blutigen Gemetzel ziemlich tatenlos zusahen und es nur durch die Drohung aufzuhalten versuchten, daß man als Serbe nicht in die EU kommen könne, wenn man gewohnheitsmäßig nach dem Grundsatz verfahre: "Nur ein toter Nachbar ist ein guter Nachbar!" Die UN-Blauhelme bewiesen ihre besondere Leistungsfähigkeit bei der Friedenssicherung, als sie von serbischen Freischärlern zum Schutz vor NATO-Luftangriffen an Brückenpfeiler gekettet wurden, aber das wollen wir ja gar nicht mehr wissen.
      Lustig war immerhin, daß die Blauhelme bei den bosnisch-serbisch-kroatischen Kriegern "die Schlümpfe" genannt wurden und die OSZE-Beobachter wegen ihrer weißen Uniformen und Fahrzeuge als "Eisverkäufer" bezeichnet wurden. Man kann sich richtig gut vorstellen, wie im Juli 1995 der Dialog von Karadzic mit seinem General Mladic ausgesehen hat, als es um Srebrenica ging: "- Was machen wir eigentlich, Herr Mladic, wenn die UNO uns angreifen will, weil wir da neulich 8.000 unbewaffnete Moslem-Männer abgemurkst haben? - Keine Panik, Herr Karadzic, im Notfall ketten wir einfach wieder ein paar Schlümpfe an die Brückenpfeiler und Raketensilos und schon können wir eine weitere Stadt einnehmen! Herr Akashi von der UNO wird schon irgendwann in Rente gehen."

      Man nahm damals eben so kleine Massenmorde in Europa noch nicht so tragisch wie heute, was sich auch daran erkennen ließ, dass in einem kleinen, wohlbekannten Land in derselben Woche des Massakers von Srebrenica die Regierung darüber eine hitzige und eilends einberufene Debatte führte, ob der neue Bundestag in Berlin runde oder ovale Sitzreihen eingebaut bekommen sollte, weil dies für die Demokratie von höchster Bedeutung war.
      Schade für Jugoslawien, daß es damals aber auch einen US-Präsidenten namens Clinton gab, dem nicht nur immer wieder die Hose, sondern auch der Kragen platzen konnte.
      Nachdem schließlich auch dieser Clinton die Geduld verloren hatte, sandte er zusammen mit Briten, Deutschen und Franzosen seine Kampfflugzeuge und beendete erst den Krieg in Bosnien in drei Tagen und später den im Kosovo in 6 Wochen. Damals gab`s übrigens auch keine völkerrechtliche Legitmation für den Krieg gegen serbische Truppen, aber "Verhinderung von Vertreibung und Völkermord" schien damals als als moralische Legitimation für den Krieg völlig auszureichen. Das waren noch komische Zeiten damals im Jahr 1995 ff und später bei unserer Kriegsbeteiligung im Kosovo, nicht?
      Da hatten die Deutschen eigentlich auch ihr erstes großes "Nachkriegs-Kriegs-Problem", denn "Verhinderung von Massenmord" und "Einführung der Menschenrechte" als "Kriegsgrund" ist für uns Deutsche doch sehr ungewohnt.
      Die Lehre des Zweiten Weltkriegs war für deutsche Pazifisten das Ausleben von "militant-antiamerikanischer Humanität" als Beweis einer "tätigen Reue" für den Massenmord ihrer Väter und Großväter an 6 Millionen Juden und vielleicht noch an 25 Millionen Anderen (Russen, Polen, etc.).
      Es ist klar, daß die Kriege der USA da manchmal aus dem Rahmen des Erlaubten fallen mußten, weshalb die USA auch dann gerne in der Terminologie der Friedensbewegten wie bei den Kommunisten der "imperialistische Klassenfeind" bleiben mußten, selbst dann, wenn ihre Motive wie in Bosnien und Kosovo mal zufällig gerade nicht mit "imperialistischer Ölsuche" verbunden sein konnten. Die USA mußten nun mal das "Reich des imperialistischen Bösen" sein und damit basta!
      In Afghanistan wurden dann nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 die Hauptbasen des hierfür verantwortlichen Herrn Osama bin Laden und seiner "Al-Kaida-Organisation" eindeutig identifiziert; bestätigt vom pakistanischen Geheimdienst, der dort die sie schützenden Taliban-Herrscher früher mit Hilfe des CIA freundlicherweise maßgeblich gegen die Sowjettruppen u.a. unterstützt hatte. Daß die Unterstützung religiöer Fanatiker gegen kommunistisch-ideologische Berufsatheisten wohl ein kleiner Fehler beider Helfer war, hatte sich damit erwiesen. Doch daß vorher die Sowjetunion mal das Land Afghanistan besetzt und mit Krieg überzogen hatte, um ihren Machtbereich über Zentralasien bis zum Indischen Ozean hin auszudehnen, das fehlte komischerweise in den Argumentationsketten der Gegner eines Krieges in Afghanistan (z.B. PDS, die aber nichts gegen die Sowjettruppen in Afghanistan hatte, als es noch das Jahr 1980 war und sie noch SED hieß), die wieder einmal lediglich die Hegemonie der USA als Kriegsgrund in Afghanistan vertreten sahen.
      In jedem Fall beteiligte sich Deutschland nach dem Kosovo-Krieg ein zweites Mal an einem von den USA initiierten Kampfeinsatz. Afghanistan war von den Kriegsmotiven her ja auch wirklich ein idealer Kriegsgegner: Die Regierung bestand eindeutig aus fanatisch-religiösen Spinnern, unter deren Herrschaft Frauen einen Sack über dem Kopf tragen und Schwule gesteinigt werden mußten.
      [Es war zwar auch dem Verfasser nicht so ganz ersichtlich, wieso mit unserem deutschen Kriegseinsatz auf Dauer auch "am Hindukusch die innere Sicherheit Deutschlands verteidigt wird" (Zitat: Verteidigungsminister Peter Struck), aber so lange der Krieg im wesentlichen für Deutsche und Militärpost-Philatelisten ohne Verluste zu führen war, sollte es ihm recht sein.]
      Der Krieg im Irak war jedoch etwas anderes und die Deutschen ließen sich dementsprechend mal wieder von ihrer Neigung zur romantischen Emotionalität des 19. Jahrhunderts überrumpeln. Gegen völlig verrückte religiöse Fanatiker konnte man sich ja schon mal an einem Krieg beteiligen, aber einen kaltblütigen Diktator mit riesengroßer Privatarmee anzugreifen, der schon mal gelegentlich andere Länder überfällt, das war doch schon etwas anderes. Das erinnerte Deutsche vielleicht doch zu sehr an die eigene Geschichte mit einem gewissen Herrn A.H. und daran wollte man denn doch nicht zu sehr erinnert werden. Man wollte sich daher besser wie üblich aus allem heraus halten. Die östlichen Nachbarn Deutschlands erinnerten sich jedoch auch gerade daran, daß so ein Herr A.H. sie mal überfallen hatte und genau aus diesem Grund wollten sie dann vielleicht doch eher mitmachen. Früher waren sie mal die ausgebeuteten Sklaven der Herren Hitler und Stalin und wenn man jetzt zu gut bezahlten Vasallen der USA werden konnte, dann war dies allemal eine Riesenkarriere. Nur die USA hatten nie einen Hehl daraus gemacht, daß sie die früheren Ostblock-Diktatoren alle gerne losgeworden wären und deshalb respektierten die Völker des früheren Ostblocks sie mehr als die Wischi-Waschi-Europäer, die jahrelang tatenlos einem Gemetzel in Jugoslawien
      zugesehen hatten, in dem die Ideen Hitlers von Vertreibung und Völkermord jeden Tag aufs Neue schöne Triumphe feiern konnten, wie Marek Edelman, ein polnischer Überlebender des Warschauer Aufstands, es 1995 im polnischen Parlament ausdrückte.
      Aber kommen wir doch mal zur Darstellung des Irak-Krieges in den deutschen Medien. Zeitgleich zu "Bagdad sucht den Superstar" mit Saddam Hussein in der Hauptrolle lief eine ähnliche Sendung im deutschen Privatfernsehen, die anfangs noch höhereEinschaltquoten hatte. Dann aber kam immer öfter Peter Scholl-Latour, einer der ganz Großen im deutschen Talk-Show-Geschäft .
      Und siehe, er sagte in den letzten Wochen öfters, daß der große Unterschied zwischen den Moslems und unserer westlich- materialistischen Kultur der sei, daß die Moslems Glauben besäßen, wir nicht. Dies mache die Moslems stark und uns schwach. Nun können wir Deutsche aber nicht wegen dieser PSL-Aussage/Erkenntnis einfach wieder in die Kirchen eintreten. Wir sind doch gerade erst ausgetreten - gerade wegen des vielen Unrechts in der Welt und des Eiligen Vaters Jot-Pe-Zwo, der der Ansicht ist, daß Kinderreichtum erstmal immer ein Segen ist, auch in Afrika, selbst wenn sie später vielleicht verhungern müssen. [Und überhaupt: Wozu brauchen beispielsweise die Grünen überhaupt noch die Kirche? Der Durchschnittsdeutsche war doch schon in den letzten 50 Jahren nur dreimal im Leben für sich selbst in der Kirche; a) bei der Taufe, b) bei der Hochzeit und c) bei der Beerdigung. Fall a) hat sich erledigt, seit die DDR bewiesen hat, daß man ganz prima auch ohne Taufe Sahra Wagenknecht heißen und das "h" falsch in den Paß eintraken kann. Fall b) kann weltlich und standesamtlich genauso schön geregelt werden. Fall c) hat sich besonders für umweltbewußte Grüne sowieso erledigt, da diese nicht mehr bestattet, sondern kompostiert werden wollen. ]
      Aber egal, auch in religiöser Hinsicht ist für uns nach den Worten von Peter Scholl-Latour die Existenz der USA vielleicht ein Glück, denn nach seinen Worten sind sie allein die letzte christliche Nation, die mit felsenfestem (Irr-?)Glauben an ihren göttlichen Auftrag zur Errettung der Welt in einen Krieg ziehen kann. Hoppala, sind sie dann aber nicht vielleicht in Gefahr, genauso "messianisch-doktrinär" zu sein wie die gläubigen Gotteskrieger? Nun ja, mit dieser Frage sollten wir Deutsche uns vielleicht auch nicht allzu ausführlich beschäftigen, denn "wir" glaubten auch einmal an jemanden, der sich von der "Vorsehung" dazu berufen fühlte, ganz Europa im Deutschen Reich einzugemeinden.
      Widmen wir uns daher besser wieder den Medienberichten der letzten Wochen. Fanden Sie`s gelegentlich auch so zwiespältig und schizophren? Diese "embedded correspondents" waren schon im Frühstücksfernsehen immer live dabei und machten das TV-Erlebnis total. Endlich ein Krieg für die ganze Familie, bei dem man immer zuschalten konnte! Dabei gibt`s Kriege, bei denen kann man nur wegsehen. Da läuft doch noch so einer im Kongo oder auch in Tschetschenien, wo es vielleicht bisher zwanzigmal mehr Tote gab als bisher im Irak, aber da gibt`s halt keine "embedded correspondents" mit diesem geilen Motto: "Wo immer auch das Schicksal sinnlos waltet, wir sind live dazugeschaltet!"
      Von den "embedded corespondents" könnten die Russen echt noch was lernen, aber die haben ja sogar die Beobachter von OSZE und Europarat aus Sicherheitsgründen des Landes verwiesen.
      Naja, es war aber trotzdem schön, daß der russische Präsident Putin am Freitag, dem 11.04. den Schröder und den Chirac bei sich empfangen hat, damit sie sich gemeinsam Sorgen um das Menschenrecht und die Opfer im Irak machen können, weil die ja für die Zukunft der Welt viel wichtiger sind als die Tschetschenen; weil`s da nämlich im Irak noch so viel Öl gibt, während man auf die Tschetschenen ja eigentlich verzichten kann, weil`s da kein Öl gibt und das Land jetzt ja sowieso so unzivilisiert aussieht, daß die Russen es gerne behalten können. Außerdem haben sich ja neulich in einer absolut unbeobachteten freien Wahl über 95 Prozent aller Tschtschenen spontan für den Verbleib in der Russischen Föderation ausgesprochen, weil die anfangs lästigen 150.000 separatistischen Querulanten inzwischen tot sein dürften.
      Besonders in Polen gab es zum Gipfeltreffen der Achse Paris-Bonn-Berlin in Zeitungen wie der Gazeta Wyborcza bissige Kommentare solcher Art, daß "es doch sehr interessant sei, wie die EU-"Motoren" Frankreich und Deutschland sich über einen Krieg der USA gegen einen Diktator aufregten, während der viel verlustreichere Krieg eines befreundeten Pseudo-Demokraten namens Putin großzügig aus der eigenen Wahrnehmung ausgeblendet werde." In noch bissigeren Leserbriefen hieß es, Polen habe sehr gut daran getan, mit den USA eine Gegen-Achse Washington-London-Warschau-Prag-Budapest-Bukarest zu bilden, die die andere Achse vertikal durchkreuze. Wenn man eine ähnliche Bündnis-Entscheidung schon 1939 gegen Deutsche und Russen hätte treffen können, dann wären Orte wie Auschwitz oder Katyn vielleicht nie so berühmt geworden. Autsch, das hat uns Deutschen aber weh getan, falls wir es gehört haben. Aber so ist nun mal unsere Geschichte mit den Polen: Da haben Deutsche und Russen "ihre" Polen irgendwann mal zufällig zu Hunderttausenden massakriert und 60 Jahre später zeigen die Polen uns dann völlig grundlos, daß sie uns unsere Massenmorde immer noch nachtragen. Ja, so sind nun mal die Völker im Osten gegenüber uns armen Deutschen: Nachtragend und stichelnd, wenn wir unsere Geschichte mal gerade nicht so griffbereit im Oberstübchen haben.

      Aber zurück zum Irak:
      Einerseits rechneten die Deutschen mit einem langen Krieg (wie in Tschetschenien?), andererseits kam die Berichterstattung darüber den Deutschen in den Umfragen nach drei Wochen schon "ermüdend" und "langweilig" vor. Tja, das ist eben die Ungeduld der MTV-Generation, der ein Werbespot schon nach 30 Sekunden langweilig werden kann. Wie haben das nur unsere Großeltern unter Hitler fast 7 Jahre lang aushalten können?
      Haben Sie eigentlich auch die Hobby-Regisseure und Kleindarsteller des Irak so genossen wie ich?: "Faszinierend" war schon mal die alles überwältigende Feuerkraft der US-Soldaten, die im Sandsturm nicht genau identifizieren konnten, ob sie gerade einen Konvoi der irakischen "Republikanischen Garden" oder nur eine Nachschubeinheit der Briten (oder wahlweise sonstige Verbündete oder Journalisten) ausradiert hatten.
      Ja, die "intelligenten Waffen" von heute scheinen tatsächlich um ein Vielfaches intelligenter geworden zu sein als die Leute, die sich ihrer bedienen. (Ein paar Sachen hat aber noch niemand gesehen: Beispielsweise, wie es vorher oder nachher aussah, wenn eine spezielle Cruise Missile mit Kassettenbombenbestückung ihre kleinen ?Bomblets? über einer irakischen Militärkolonne mit Mannschaftswagen abgeworfen hat, aber vielleicht sollten wir das besser nicht kritisieren, denn solche Bilder können vom ruhigen Schlafen abhalten. Ebenso die leuchtspur-ummantelte kleine Urankern-Munition der A-10-?Warthog? Panzerbrecher-Flugzeuge. Nur 2,5 cm Durchmesser, aber fliegen durch jede Panzerung wie durch Butter durch, weil der Urankern das schwerste Metall ist, das jemals aus einer Maschinenkanone verschossen wurde. Strahlt zwar ein bisschen, ist aber ungefährlich, wenn man ihm 1000 Jahre nicht in die Nähe kommt. Andererseits gewinnt man damit natürlich schneller Kriege gegen blutrünstige Diktatoren als vor 60 Jahren und darum geht?s ja schließlich.)
      Das alles war aber noch gar nichts gegen die Medien-Bilder von der Gegenseite!: Die tapferen irakischen Feierabend-Soldaten älteren Semesters, die mit einläufigen Schrotflinten die raketenbestückten Hochtechnologie-Helikopter des verhaßten US-Feindes vom Typ Apache vom Himmel schossen! Oder: Hysterische Iraker, die ins Tigris-Wasser schossen und das Schilf am Tigris-Ufer niederbrannten, um nicht vorhandene US-Piloten auszuräuchern, die aus ihrem Flugzeug mit dem Fallschirm direkt in den Fluß untergetaucht waren! Oder: Saddam Husseins Jubel-Double, das sich in scheinbar aussichtsloser Lage zur allgemeinen Erbauung der begeisterten Bevölkerung ohne größere Zahl an Leibwächtern präsentierte, während "ES" früher nur mit mindestens 25 Leibwächtern auf einem Balkon Flinten abfeuerte! (Hatte Saddam eigentlich auch ?Stunt-Doubles? für den Krieg?)
      Gaaanz besonders "toll" auch der Vater aller irakischen Propagandaminister Mohammed Said al-Sahhaf mit seinen Super-Gags. Ein echter "Brüller" war auch der Satz, der am 7. April 2003 (Montag) noch die Rückeroberung des "Saddam International Airport" ankündigte. Am nächsten Tag dann erklärte Sahhaf, man hätte die US-Truppen dort in eine Falle gelockt, aus der sie sich nicht mehr befreien könnten, so daß die Amerikaner aus Verzweiflung in ihren Panzern Selbstmord begehen würden. An diesem denkwürdigen 8. April (Dienstag) erklärte er noch vor dem "Palestine-Hotel", die Niederlage der USA und ihrer Knechte sei unausweichlich und Allah werde die US-Truppen durch die Hände der Iraker in die Hölle werfen. Am 9. April (Mittwoch) tauchten dann vor demselben Hotel relativ lockere und gut gelaunte US-Soldaten auf, die den Journalisten informative Interviews gaben - anstelle des irakischen Informationsministers, der aus unbekannten Gründen seit diesem Tag leider verhindert und nicht mehr gesehen ward. Die Pressekonferenzen des irakischen Informationsministers bleiben in der Menschheitsgeschichte sicherlich ein fabelhaftes Beispiel für die Science-Fiction-Realität nebeneinander existierender Parallelwelten, die sich gegenseitig ausschließen und bei gleichzeitigem Aufeinandertreffen sicherlich genauso miteinander reagieren würden wie Materie und Anti-Materie: BUMM !
      Überhaupt komisch waren auch diese Tausenden Iraker, die immer vor den Kameras der Welt gerufen hatten: Unser Herz, unser Blut und unsere Seele opfern wir für Saddamn, den wir lieben!
      Also in Bagdad war die Liebe über Nacht offenkundig vorbei, als die Amerikaner einmarschierten. Immerhin waren sie immer noch "Feuer und Flamme" für Saddam und seine Ministerien. Seltsam, aber Verhaltensforscher werden uns vermutlich bald deuten können, wieso jahrzehntelang unterdrückte Iraker plötzlich zu rauschhaften Plünderern und Saddam-Hassern werden können.
      Glauben Sie eigentlich, daß sich jetzt die Demokratie in dieser Region schneller ausbreiten wird als die SARS-Lungenseuche? Nein? Kann man angesichts der Nachbarn und der Bilder von dort schon verstehen.
      Andererseits: Warum nicht? Nur, weil man die Demokratie nicht herbeibomben kann? Aber 1945 in Deutschland scheint`s doch auch geklappt zu haben und damals haben den Amerikanern nicht mal halb so viele Leute zugejubelt zu haben wie am 8.April in Bagdad. Oder glauben Sie jetzt plötzlich dem irakischen Jubel weniger als vorher? Fragen über Fragen...
      Tja, was gab`s sonst noch?
      Ach ja, dann gab es natürlich auch noch eine heldenhafte irakische Armee, die ihre Panzer grundsätzlich eingräbt und zu immobilen Gschützen macht; erst in Bagdads letzten Tagen auf den Gedanken kommt, Brücken zur Behinderung des Feindes zu sprengen und all ihre Flughäfen intakt läßt, um ihre überlegene Kampfkraft gegenüber den schwächlichen und feigen US-Truppen zu beweisen und sich auf Wunsch ihres genialen Führers zu Tausenden abschlachten läßt! Das zeugt von der wahren Opferbereitschaft und Genialität von Saddam Hussein, der wie Stalin seine fähigsten Offiziere schon vor dem Krieg selbst als größte Gefahr betrachtete und abmurksen ließ. Ein Saddam Hussein, der völlig zu Recht schon vor 12 Jahren in einem Interview mit Ulrich Kienzle sagte: Die USA können sich Zehntausende von Toten in einem Krieg nicht mehr leisten; ich (=Saddam!) schon! Das ist ihre Schwäche und unsere Stärke!
      Nun, es ist kein Wunder, daß die friedliebenden Europäer gegenüber einem so mutigen und tapferen Mann zögerlicher sind und lieber weiter Handelsverträge abgeschlossen hätten, während sich die hinterhältigen Amerikaner lieber auf ihre Militär-Technik verlassen haben, wobei wir Deutsche im übrigen sehr stolz sein können, weil Deutschland der Hauptlieferant für die erfolgreichen Nachtsichtgeräte und Infrarot-Restlichtaufheller in US-Panzern und Helikoptern ist. Darauf können wir mindestens ebenso stolz sein wie auf die vielen erfolgreichen Chemie-Fabriken für die Herstellung von Insektiziden, die Deutschland zwischen 1975 und 1980 an den Irak geliefert hat.
      Wir werden alle hoffentlich noch die germanophile Freude erleben können, die unsere Entwicklungshilfe, unsere Erfindungen und Hochtechnologie-Produkte in der Welt ausgelöst haben und immer wieder auslösen werden.
      Ganz "toll" waren ja auch die Umfrage-Ergebnisse verschiedenster europäischer Zeitungen: Die Deutschen waren mehrheitlich gegen den Krieg, aber dafür, daß die USA und GB den Krieg gewinnen, während die Franzosen sowohl gegen den Krieg als auch gegen einen Sieg der USA und GB im Irak waren.
      (Darf man daraus einen höheren statistisch-demographischen Sympathiewert für Saddam als für Dabbelju ableiten oder einen geringeren Intelligenzquotienten bei den Befragten?)
      Sowohl Franzosen als auch Deutsche hielten es noch am 1. April mehrheitlich für möglich, daß der Krieg sehr lange dauern wird und die USA und GB den Krieg auch verlieren können. (Naja, vielleicht war`s auch nur ein Aprilscherz, nicht?)
      Wir dürfen daraus folgendes schlußfolgern:
      1. Deutsche und Franzosen haben gemeinsam, daß die Mehrheit ihrer Völker nicht mehr die blasseste Ahnung von moderner Kriegführung haben (naja, im Prinzip ganz schön so), denn es ist durchaus möglich, daß USA und GB den Frieden nach dem Krieg verlieren, aber es ist bei ihrer technischen Überlegenheit schlichtweg unmöglich gewesen, daß sie den Krieg selbst verlieren.
      2. Deutsche und Franzosen waren bei ihren beliebten Friedensdemos wieder einmal auf demjenigen Auge blind, welches eigentlich sehen können sollte, daß Diktatoren fremder Länder nur bei der Minderheit ihrer Hofschranzen und Stiefellecker beliebt sind, während ihr eigenes Volk in Angst davor lebt, nachts von der Geheimpolizei abgeholt zu werden. (Haben Sie übrigens schon diese interessanten TV-Bilder aus dem Gefängnis der Bagdader Geheimpolizei gesehen? Architektonisch recht interessant, daß sich der Galgenbalken mit den Fleischerhaken direkt im Gebäude vor den Gitter-Zellen der übrigen Gefangenen befand, so daß alle übrigen Gefangenen auch bei allen Hinrichtungen zusehen konnten, selbst wenn sie nicht wollten.)
      In einem Krieg bricht aber normalerweise ein solches System schneller zusammen, als jeder Friedensbewegte in einer Demokratie es sich vorzustellen vermag, besonders wenn es schon 30 Jahre lang eine Diktatur gab und die Leute wissen, wie man auch ohne Diktatur in anderen Ländern leben kann.
      Daß die Deutschen erst vor 13 Jahren erleben konnten, daß über Nacht die DDR-Diktatur sang- und klanglos aus der Geschichte verschwand und sie dennoch einen langen Krieg im Irak für möglich hielten, daß sie mehrheitlich scheinbar größere Sympathien für die angegriffene Diktatur als für die angreifende Demokratie entwickelt zu haben schienen, das könnte uns aber vielleicht unter Berücksichtigung aller Imponderabilien irgenwann mal die größeren Sorgen bereiten.
      Aber es bleibt in jedem Fall schön zu wissen, daß alle, absolut alle Industrienationen der Welt immer wieder gerne mit Saddam Husseins Regime gehandelt haben und er von allen Erdöl-Kontrakten immer 10 Prozent Provision erhielt. Die Geschäftsverhandlungen mit so vertrauenswürdigen Gschäftspartnern werden auch in Zukunft immer Vorrang vor allen Bedenken haben. Oder?
      Avatar
      schrieb am 15.04.03 15:45:40
      Beitrag Nr. 11 ()
      @antigone ...nicht nur im bayrischen Wald passiert Dir
      so etwas...im Westfälischen/Ostwestälischen ist man
      nicht minder aufgeschlossen gegenüber (politischer)Satire.....,
      Viele verstehen nur den Humor mit dem Vorschlaghammer....
      deshalb funktionieren dort auch solche Humorbomben wie Fips Assmusen so gut (würg).
      und Frauen sind da besondere Überzeugungstäter. Die haben dann weder den einen , noch den anderen Humor....
      Bisher wurde ich immer nur von Frauen aufgefordert nen
      Witz zu erklären ( weiss doch jeder, dass das nicht geht),
      Auf den geklammerten Einwand hin wurd´s dann noch ungemütlicher.,...(Einwand ->"..ich weiss nicht , wie man
      über ...... lachen kann, das find ich gar nicht witzig!!!)
      wobei das dann doch schon wieder zu nem Lacher führen kann. Kenne Leute ( wieder Frauen ) , die den Kalkhofe deswegen nicht mögen, weil er ( Dieter Bohlen & Co, Kelly-family...) aufs Korn nimmt, das ihnen lieb und teuer ist.
      Vielleicht fehlt bei vielen Menschen nen gewisses Mass an
      Abstraktionsvermögen von sich selbst....
      Avatar
      schrieb am 17.04.03 12:12:10
      Beitrag Nr. 12 ()
      Mutig?

      "Ja, die Nachtigall!
      Auch vor Seiner Durchlaucht singt sie das gleiche Lied!"

      (Kobayashi Issa (1763-1827)
      Avatar
      schrieb am 17.04.03 12:14:53
      Beitrag Nr. 13 ()
      Definiere Satire!

      "In der Klause mein sind die Mücken klein und still -
      andres hab` ich nicht."

      (Matsuo Basho 1643-1694)
      Avatar
      schrieb am 17.04.03 16:46:59
      Beitrag Nr. 14 ()
      ...war das der stadtbekannte Karatehauer, der immer mit Stäbchen ass...?
      Nachdem er den schlauen Spruch gemacht hatte... (am Ende von 1693), begann er Harakirie... (Am Anfang von 1694), um die Wichtigkeit seines Humor-Textes zu unterstreichen....(das ist fortgeschrittene Satire) - sie darf ja , dem Himmel sei Dank, ALLES...
      Ja (nick, nick), die Humoristen-Philosophen des Fernen Osten - DIE HATTEN SCHON WAS...:D
      Avatar
      schrieb am 17.04.03 17:19:31
      Beitrag Nr. 15 ()
      Für weitere Nachfragen darf übrigens nochmals auf Posting # 2 verwiesen werden:
      Doch 1932 "erweiterte" er [Tucholsky] seinen 1919 erschienenen Text "Was darf Satire ?". Er schrieb nun, daß auch Satire ihre Grenzen habe und zwar nach oben hin beim Buddha und
      nach unten hin bei den faschistischen Mächten in Deutschland, da man, so Tucholsky wörtlich, "mit Satire gar nicht so tief schießen kann".

      Zum Thema Satire gab es 1928 auch eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 05.06.1928, die besagt, daß Satire eine starke Übertreibung des Inhaltes darstellt. Die Satire
      muß aber als solche zu erkennen sein, d.h. ein Leser oder Beschauer muß den tatsächlichen Inhalt der Satire erkennen können. Das Gericht entschied auch, daß eine Satire
      keine strafbare Handlung darstellt. Um herauszufinden, ob ein Text eine strafbare Handlung, im besonderen eine Beleidigung enthält, muß zuerst der satirische Text entfernt
      werden, damit dann der "Rohtext" beurteilt werden kann.
      ...
      Ich fand beispielsweise schon immer Mel Brooks` Filme über die absurden Seiten des Zweiten Weltkriegs oder sogar des Holocaust hinreißend, wie z.B. `Frühling für Hitler` (`Springtime for Hitler`), aber auch er selbst sagte, er habe Juden getroffen, die selbst Opfer in Auschwitz waren und diesen Film absolut nicht komisch fanden; Mel Brooks sogar fragten, ob er ihr Leid verhöhnen wollte. Mel Brooks konnte darauf nur antworten, daß er eigentlich nur zeigen konnte/ wollte, daß man mit Humor auch Mächtige lächerlich machen kann und wenn mehr Menschen Hitler so lächerlich gefunden hätten wie er ihn darstellte, dann hätte die Welt wohl anders ausgesehen.
      Avatar
      schrieb am 17.04.03 21:00:32
      Beitrag Nr. 16 ()
      ...die vonner Pardon konnten ein Lied davon singen, was
      Satire (nicht)darf. 1963 veröffentlichten sie ein Bild ,
      in dem ein Teufel ( Das Symbol für Pardon ) im Führerstand einer Strassenbahn stand. Der Stromabnehmer der Strassenbahn wurde als aufgeklapptes Rasiermesser gezeichnet, das zu den Hoch-Stromkabeln führte....that´s it...Die katholische Kirche hatte sich masslos darüber aufgeregt und ein Verbot der Rest-Ausgabe bewirkt...
      Das war 1963 (Beatles waren schon inner Hitparade) und
      die Relativitätstheorie (spezielle) war auch schon 60 Jahre alt...Man sieht, man kann nicht wachsam genug sein gegenüber "gutgemeinten" ( das ist doch geschmacklos...) Satireverboten...In Deutschland ist das satirische Eis noch dünn auf dem wir gehen...:cry:
      Avatar
      schrieb am 17.04.03 21:44:04
      Beitrag Nr. 17 ()
      Avatar
      schrieb am 25.04.03 15:36:30
      Beitrag Nr. 18 ()
      Auryn,

      Meine Wenigkeit meint: Satire sollte sich nicht mit dem Leid auseinandersetzen - Satire ist eine intellektuelle Variante des Spotts; Leid sollte nicht Ziel von Spott sein. Der von dir genannte Film ist insofern wirklich zu tadeln. "Etwas aufzeigen zu wollen" halte ich für den Versuch einer Rechtfertigung - auch für das "Aufzeigen" gibt es ein Spektrum angemessener Mittel.
      Avatar
      schrieb am 25.04.03 20:31:49
      Beitrag Nr. 19 ()
      ...Dein Bruder, der Wilhelm hat aber so ziemlich genau aus dem, was Du kritisiertst seinen (unseren) Humor gezogen.
      Max und Moritz, die zermahlen werden...
      Lehrer Lempel, dem die mit Schwarzpulver gefüllte Pfeife
      um die Ohren fliegt. Die fromme Helene, die mit Bruder Jochen vom Teufel Teufel in die Hölle herabzogen werden...
      Wenn man bei Humor schon mit irgendeiner Einschränkung
      herangeht, dann hat man schon keinen mehr.
      Ich weiss, der Humor von Fips Asmussen ist zum Erbrechen...
      aber sieh Dir mal die Kunst an ( Theater, besonders das
      moderne oder Bilder... da ist auch nicht alles Gold was glänzt) naja, die Kunst von Otto Muel bietet ja auch
      etwas Angriffsfläche darüber was Kunst dürfen darf...?:D
      Avatar
      schrieb am 25.04.03 23:48:15
      Beitrag Nr. 20 ()
      Wolaufensie,

      ich meinte natürlich echtes Leid, nicht Buschs schwarzen Humor, beispielsweise halte ich Selbstmordattentate nicht für satirefähig oder Tretminenopfer oder verhungernde Kinder ... klar?
      Avatar
      schrieb am 26.04.03 07:04:25
      Beitrag Nr. 21 ()
      ...na - irgendwoher bezog Wilhelm Busch auch seine Vorlage...er machte auch Witze über Krüppel ( in "Fromme Helene" )...und brennende Katzen ( auch "Fromme Helene" , ...maunz was ist die Hitze gross)
      Du verschiebst die von Dir gesehene Verantwortung ( ich sehe es anders) nur um eine Ebene...
      Kann mir nicht vorstellen, dass W.Busch sich diese Spässe
      ohne Vorlage ausgedacht hat...:D
      Avatar
      schrieb am 05.05.03 09:38:12
      Beitrag Nr. 22 ()
      Tja, aus dem vorangegangenen Dialog kann man schon sehen, daß die Sache mit der "humoristisch gerade noch verdaulichen Satire" ziemlich schwierig ist.
      Manchmal hängt es auch sehr von der persönlichen Einstellung oder den manchmal zum Glück "ziemlich einzigartigen Erlebnissen" mancher Menschen ab, was man "komisch" finden kann.
      Vor ca. 10 Jahren habe ich mal ein außergewöhnliches Interview mit Ephraim Kishon - der übrigens der meistverkaufte literarische Satiriker im deutschen Sprachraum ist - im deutschen Fernsehen erlebt, in dem er gefragt wurde, wie er denn eigentlich auf den Gedanken kam, Satiren zu schreiben.

      Da wurde er sehr ernst und sagte, er habe zwischen 1938 und 1946 in seinem Geburtsland Ungarn so völlig verrückte Dinge mit scheinbar normalen Menschen erlebt, daß er eigentlich nur die Wahl hatte, wahnsinnig oder Satiriker zu werden.
      Ein paar Zuschauer haben gelacht, aber er meinte mit einem bösen Lächeln:
      "Nein, ich meine das jetzt wirklich ernst! Ich bin nämlich ein Budapester Jude gewesen, der bewußt versucht hat, Insasse in einem deutschen Konzentrationslager zu werden! Das war mein erstes wahnsinniges Erlebnis. Zuerst war ich nämlich durch die ungarische Rassengesetzgebung in ein ungarisches Konzentrationslager gekommen, in dem wir Juden wirklich gehaßt worden sind. Täglich wurden die Häftlinge gequält, geschlagen und ohne Essen zur Arbeit gezwungen. Sehr viele wurden einfach totgeschlagen. Daneben lag aber ein deutsches Deportations- und Konzentrationslager, in dem die deutschen Wachsoldaten ganz "professionell" ihre "Arbeit" taten. Die deutschen Soldaten in diesem Lager waren keine "Antisemiten", die die Juden aus irgendwelchen Gründen haßten, sondern sie sahen sie einfach nur als irgendwelche "Untermenschen" an, die aus vielleicht "pseudowissenschaftlichen Gründen" wie "Schädlinge" in Lagern zu halten, später abzutransportieren und erst später in Auschwitz wie Insekten zu vernichten seien. Die deutschen Wachsoldaten dort verhielten sich den Juden gegenüber völlig indifferent. Manche sagten es sogar, daß sie persönlich absolut nichts gegen die Juden hätten, sie aber hier ihre Pflicht für "Volk und Führer" zu tun hätten. Also "ganz normale Leute bei der Aufsicht im deutschen Konzentrationslager".
      Da wollte ich natürlich eher in das deutsche KZ als im ungarischen zu bleiben, wo ich jederzeit umgebracht werden konnte. Es gelang mir tatsächlich mit einigen Tricks und meinem arischen Aussehen - als ich jung war, war ich noch richtig blond und sah aus wie der junge Heydrich - in das deutsche KZ verlegt zu werden, von wo aus ich später fliehen konnte. Dann versteckte ich mich bis zum Kriegsende bei Freunden in Budapest und Umgebung. Das zweite wahnsinnige Erlebnis war dann die Befreiung Budapests durch die sowjetische Rote Armee. Nachdem die Sowjets nämlich schon zwei Tage die Stadt kontrollierten, bekamen sie aus Moskau den Befehl, "faschistische Gefangene" für eine Siegesparade in die Ukaine zu bringen. Da sie aber schon fast alle Faschisten vorher in den Kämpfen und bei anderen Gelegenheiten umgebracht hatten, nahmen die Sowjets dann einfach Passanten von der Straße gefangen.
      Na, und wer lief nach zwei Tagen sowjetischer Herrschaft in Budapest noch auf der Straße rum? Ungarische Kommunisten und Juden. So kam ich dann in sowjetische Kriegsgefangenschaft und sollte als "jüdischer Faschist" vermutlich in einem sowjetischen Triumphzug in Moskau mitmarschieren. Ich hatte damals fast noch mehr Angst vor meinen irrationalen sowjetischen Befreiern als vor meinen deutschen Antisemiten!
      Auf dem Weg zum nächsten nicht zerstörten Bahnhof mußten wir -zig Kilometer laufen und schließlich in einem halb zerstörten Bauernhof Rast machen. Ich saß dort in einer ziemlich dunklen Ecke und das Leben machte mir keinen Spaß mehr. Als dann der Befehl der russischen Bewachungssoldaten zum Weitermarsch kam und alle anderen aufstanden, blieb ich einfach in meiner dunklen Ecke sitzen und wollte mich erschießen lassen. Die Wachsoldaten zählten aber auch nicht mehr ihre Gefangenen nach, weil sie inzwischen auch schon gehört hatten, daß sie nicht gerade die Faschisten verhaftet hatten. Sie übersahen mich daher einfach. Die anderen standen alle auf und marschierten weiter zum Triumphzug nach Moskau, während ich einfach sitzen blieb. Da dachte ich mir: Jetzt werde ich entweder wahnsinnig oder irgendwann mal über den Wahnsinn der Menschen Geschichten schreiben.
      Naja, sie sehen ja, was ich später so gemacht habe..."
      Avatar
      schrieb am 05.05.03 12:54:17
      Beitrag Nr. 23 ()
      Tatkräftigere Personen können in so einem Fall Terroristen werden. - Hab ich mich jetzt wieder in die Nesseln gesetzt? Vielleicht muß man eine solche Aussage satirisch verbrämen, damit man keine Prügel bezieht. :D
      Avatar
      schrieb am 05.05.03 16:09:28
      Beitrag Nr. 24 ()
      Hat die Vorstellung vom "Verbalterroristen" Kishon nun alle vergrätzt? :look: Ein Terrorist ist ein Entsetzensverbreiter, und ein Satiriker ist ein Verbreiter getarnten Entsetzens. Nun? :D
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 12:53:34
      Beitrag Nr. 25 ()
      @ Mirabellchen:
      Nö, man kann zumindest mich kaum vergrätzen und wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich hier noch mehr schreiben. So geht`s nur alle paar Tage mal.
      Kennst Du eigentlich aus der dtv-"Kishonsammlung" das Buch "Pardon, wir haben gewonnen!" ?
      Wenn ich mich nicht irre, habe ich mir das mal vor einigen Jahren "reingezogen" und war ziemlich erstaunt über die "militaristischen" Satiren Kishons darin, die aus der Zeit des Sechstage-Krieges 1967 stammten. Vieles würde man heute daran wohl nicht mehr so komisch finden, aber wenn jemand das eigene Leben zum wiederholten Male bedroht sieht, dann ist auch ein Satiriker manchmal kaum noch zu bremsen.

      Übrigens würde ich auch den Film "Das Leben ist schön" von und mit Roberto Benigni zu einer der gelungensten filmischen Satiren rechnen, die es je gab. Alleine schon die Ideen in diesem Film finde ich so absurd-genial, daß ich beim ersten Lesen des Film-Inhalts nicht wußte, ob ich vor Lachen schreien oder vor Bestürzung über diese Einfälle atemlos auf die ersten Kritiken warten sollte. Jedem mußte klar sein, daß dieser Film ein unglaubliches Risiko für alle Beteiligten in sich barg.
      Dann aber fanden einfach alle, die den Film gesehen hatten, ihn einfach nur noch "hinreißend" und "genial" und ich wußte, daß noch "einige andere" so einen Geschmack für absurden Humor wie ich hatte.
      ;)
      Zur Erinnerung habe ich in der folgenden Kurzfassung die Stellen, die mir am besten gefielen, hervorgehoben:

      Roberto Benigni: Das Leben ist schön


      Inhalt:
      1938 zieht der unbekümmerte, lebensfrohe Tolpatsch Guido Orefice (Roberto Benigni) vom Land in die Stadt und träumt von einer eigenen Buchhandlung in Arezzo. Zunächst verdient er seinen Lebensunterhalt als Kellner. In einer Schule, wo man ihn mit dem Schulinspektor verwechselt, veralbert er die neuen Rassengesetze. Guido verliebt sich in die aus einer besseren Familie stammende Lehrerin Dora (Nicoletta Braschi) und gewinnt sie für sich, obwohl sie mit einem einflussreichen Mussolini-Sympathisanten verlobt ist. Guido und Dora heiraten und zeugen einen Sohn: Giosué. Auch der Traum von einer Buchhandlung geht in Erfüllung.Im Herbst 1943 zerstören die in Italien einmarschierten Deutschen das Familienglück. Guido hat jüdische Vorfahren. Als er und sein fünfjähriger Sohn (Giorgio Cantarini) in ein Konzentrationslager gebracht werden, schließt sich auch Dora ungeachtet ihrer italienischen Herkunft dem Transport an. Um Giosué vor der drohenden Vernichtung zu schützen und ihm den Schrecken zu ersparen, tut Guido so, als handele es sich um ein wochenlanges Spiel auf einem riesigen Abenteuerspielplatz. Dazu gehöre auch, dass Horrorgeschichten erzählt werden und die SS-Männer die Gefangenen schikanieren. Wer sich davon nicht beeindrucken lasse, dem Hunger standhalte und sich im entscheidenden Augenblick erfolgreich verstecke, erhalte Punkte gutgeschrieben. Ein Panzer sei der Preis für den Sieger. Obwohl sie die Teilnahmegebühr bezahlt hatten, habe man sie zuerst nicht mitmachen lassen wollen, behauptet Guido, aber es sei ihm dann doch gelungen, die Verantwortlichen zu überreden. Die Teilnehmernummer trage er jetzt als Tätowierung auf dem Unterarm; da könne er sie nicht verlieren. Wenn Guido nach unmenschlichen Strapazen abends in die Baracke zurückkehrt, denkt er sich unermüdlich immer neue aberwitzige Erklärungen aus, und es gelingt ihm, die Fiktion aufrechtzuerhalten.Die Amerikaner rücken an; das Konzentrationslager wird geräumt. Guido schickt seinen Sohn zu einer Blechkiste. Darin soll er sich verstecken und erst wieder herausklettern, wenn alles still ist. Durch einen Spalt beobachtet Giosué, wie sein Vater abgeführt wird. Guido zwinkert seinem Sohn scheinbar aufgekratzt zu und hüpft, als handele es sich um einen besonders lustigen Teil des großen Spiels. So entgeht es Giosué, dass sein Vater hinter der nächsten Ecke erschossen wird.Als nichts mehr zu hören ist, wagt sich Giosué aus seinem Versteck. Da kommt der erste amerikanische Panzer auf ihn zu. Er ist offenbar der Sieger des Spiels, wie es der Vater von Anfang an versprochen hatte. Bald darauf findet Giosué auch die Mutter wieder und jubelt: "Mama, wir haben gewonnen!"
      Kommentar:Wie Charlie Chaplin in "Der große Diktator" macht Roberto Benigni die nationalsozialistische Herrschaft in einer surrealen Tragikomödie mit Slapstick-Elementen lächerlich. Dabei wird die Absurdität dieses Schreckensregimes um so deutlicher. Auch wenn man beim Zuschauen immer wieder lacht, handelt es sich bei "Das Leben ist schön" um einen erschütternden Film, und in keiner Minute vergisst man das Grauen hinter der Clownerie.
      "Das Leben ist schön" erhielt den Jewish Experience Award und wurde 1998 außerdem mit dem Europäischen Filmpreis sowie dem Großen Preis der Jury der Filmfestspiele in Cannes ausgezeichnet. "Oscars" gab es in den Sparten bester Auslandsfilm, Hauptdarsteller (Roberto Benigni) und Musik (Nicola Piovani). Nominiert hatte man auch Film, Regie, Drehbuch und Schnitt.
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      schrieb am 07.05.03 13:06:35
      Beitrag Nr. 26 ()
      Auryn,
      ich halte das nicht für eine Satire, sondern für realistisch. Ich glaube, daß Eltern tatsächlich versuchen würden, ihrem Kind den tödlichen Ernst zu verheimlichen. Ich sehe darin auch keinerlei Komik, auch wenn einzelne Elemente komisch aufgebaut sein mögen. Mich würde die Liebe der Eltern zu ihrem Kind tiefinnerlich berühren.
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      schrieb am 07.05.03 13:13:46
      Beitrag Nr. 27 ()
      @ Mirabellchen:
      Eine Satire muß doch aber nicht zwangsläufig "unrealistisch" sein. Man braucht doch manchmal nur ein reales Ereignis zu nehmen und in einem absurd-komischen Zusammenhang darzustellen und hat ebenfalls eine Satire, die in ihrer "realen Absurdität" dann erst "komisch" wirkt. Das ist dann auch eine Satire.
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      schrieb am 07.05.03 13:37:55
      Beitrag Nr. 28 ()
      Nehmen wir ein weiteres Beispiel dafür, wie abhängig das Verständnis für Humor auch von der Zeitgeschichte und der Distanz der "Rezipienten" dazu sein kann.
      Der Spitzenfilm "Eins, zwei , drei" von Billy Wilder wurde kurz vor dem Berliner Mauerbau begonnen und fast zeitgleich mit der Berliner Mauer beendet. Kein Mensch in Deutschland fand den Film damals "komisch".
      Heute ist der Film in Programmkinos und bei Wiederholungen im Fernsehen ein "intellektueller Riesenbrüller", den sich Studenten wochenlang vorher gegenseitig empfehlen.
      Damals im Jahre 1961 jedoch wurden fast zeitgleich normale Menschen, die nur von Deutschland nach Deutschland wollten, an der Mauer wie Kaninchen abgeschossen und niemand konnte zeitgleich eine Satire über Kapitalismus und Kommunismus wie diese "komisch" finden:


      Mitten im "Kalten Krieg", ausgerechnet im Jahr des Baus der Berliner Mauer - für die einen ein angeblich "antifaschistischer Schutzwall", für die anderen Ausgeburt des Totalitarismus - drehte Billy Wilder eine turboschnelle Komödie, bei dem alle, auf beiden Seiten der Mauer, ihr verdientes Fett wegbekommen. Kein Wunder, dass der Film - der Mauerbau platzte mitten in die Dreharbeiten hinein - vom Publikum abgelehnt und erst viel später zum Kultfilm wurde.

      Coca-Cola-Filialchef für Westberlin MacNamara (James Cagney) ist ein pfiffiger Geschäftsmann mit zukunftsweisenden Ideen: Warum sollte es unmöglich sein, das im Westen so beliebte Gesöff nicht hinter den eisernen Vorhang zu exportieren? Gesagt, aber noch nicht getan. Denn vorerst steht er erst in Verhandlungen mit den Mitgliedern der sowjetischen Handelskommission und (jedenfalls äußerlich) strammen und hundertfünfzigprozentigen Kommunisten Peripetchikoff (Leon Askin), Borodenko (Ralf Wolter) und Mishkin (Peter Capell). Zur Seite stehen MacNamara die blonde Sekretärin Ingeborg (Lieselotte Pulver), der ewig und drei Tage salutierende Fahrer Fritz (Karl Lieffen) und der schmierige Assistent Schlemmer (Hanns Lothar). Doch da taucht das lebenslustige Töchterchen des Konzernchefs Hazeltine (Howard St. John), Scarlett (Pamela Tiffin), anlässlich eines Europa-Trips in Berlin auf. Und nun ist für MacNamara höchste Aufmerksamkeit geboten. Denn Scarlett ist hinter Männern her und Papa hat MacNamara den ehrenvollen, aber äußerst mühsamen Auftrag erteilt, auf Scarlett aufzupassen. Anfangs gelingt ihm dies ja noch ganz gut. Doch dann verliebt sich die Kleine ausgerechnet in Otto Ludwig Piffl (Horst Buchholz), einen sehr gut aussehenden, doch strammen Jungkommunisten aus dem Ostteil der Stadt. MacNamara versucht alles, um diese Verbindung zu verhindern, doch dann erfährt er, dass Scarlett und Otto heimlich geheiratet haben. MacNamaras Einfallsreichtum ist gefragt. Mit einer List will er dafür sorgen, dass die Ehe annulliert wird. Doch zu allem Überfluss ist die junge Lady auch noch schwanger. Und so muss MacNamara dafür sorgen, dass Otto vor dem Eintreffen von Mr. und Mrs. Hazeltine in Berlin aus den Klauen der ostdeutschen Behörden befreit und vor allem eine westliche Gesinnung zuteil wird ...

      Wilder entfacht in dieser Komödie ein wahres Feuerwerk von Humor und satirischen Einlagen gen Ost wie gen West, wie man es selten zu sehen bekommt. Die Dialoge schäumen vor Wortwitz und bissigen Bemerkungen gegen die Deutschen diesseits und jenseits des iron curtain, aber ebenso gegen die Geschäftstüchtigkeit der Amerikaner, für deren Erfolge jedes Mittel recht zu sein scheint. Um nur ein paar Beispiele zu zitieren:

      Schlemmer: Die Herren Kommunisten sind eingetroffen.
      MacNamara: Sollen reinkommen! [...]
      Peripetchikoff: Also Genossen, was sollen wir jetzt machen? Er hat es, wir wollen es. Sollen wir annehmen seinen erpresserischen kapitalistischen Handel?
      Mishkin: Wir abstimmen.
      Peripetchikoff: Ich stimme ja.
      Mishkin: Ich stimme ja.
      Peripetchikoff: Also zwei von drei. Handel in Ordnung!
      Borodenko: Genossen, bevor ihr macht Dummheit, ich muss warnen. Ich bin nicht Mitglied von Handelskommission, ich bin Geheimagent mit Auftrag, Euch zu überwachen.
      Mishkin: In dem Fall ich stimme nein. Handel ist aus.
      Borodenko: Aber ich sage ja!
      Peripetchikoff: Wieder zwei von drei. Handel in Ordnung.

      Oder:
      Otto: Sind denn alle Menschen in der Welt korrupt?
      Peripetchikoff: Ich kenne nicht alle Menschen.

      Oder:
      MacNamara (der allen Deutschen den Nazismus-Vorwurf macht, nicht weil er Antifaschist ist, sondern um sie gefügig zu machen): Na also, unter uns Schlemmer, was haben sie während des Krieges gemacht?
      Schlemmer: Ich war in der Untergrund ? the underground.
      MacNamara: Widerstandskämpfer?
      Schlemmer: Nein, nein ? Schaffner. In der Untergrund, in der U-Bahn.
      MacNamara: Und natürlich waren sie kein Nazi und waren nie für Adolf.
      Schlemmer: Welchen Adolf?

      Und noch einen:
      MacNamara: Ein Teil der östlichen Volkspolizisten war bösartig und unwillig. Dafür waren andere unartig und böswillig.

      Doch die Feinheiten des Wilderschen Humors, der die kleinen und großen Schwächen der Deutschen auf beiden Seiten und die Geschäftspraktiken amerikanischer Multis ordentlich auf die Schippe nahm, fiel in der Konfrontation des kalten Krieges wohl niemandem sonderlich auf. Die bundesrepublikanische Presse war teilweise entsetzt, warf Wilder Attacken gegen die gewünschte Wiedervereinigung vor und einiges mehr. Heute kann nichts mehr darüber hinwegtäuschen, dass in "One, Two, Three" die Flachheit, Überzogenheit und auch Lächerlichkeit der Ideologien und der sich entsprechend verhaltenden Figuren des cold war auf beiden Seiten treffend in Szene gesetzt wurden.

      James Cagney, der alte Haudegen aus den Krimis der 40er Jahre, ist hier in seiner letzten Hauptrolle zu sehen. Cagney kennt keine Pause beim Rennen durch den west-östlichen Parcours, rast an der Grenze zur völligen Erschöpfung durch den Film von A bis Z. Horst Buchholz überzeichnet den strammen Kommunisten derart grandios, dass er einem irgendwie schon wieder leid tun kann. Doch Buchholz lässt hinter der ganzen Worthülsenakrobatik des Marxismus-Leninismus durch die Überzogenheit der Darstellung den Menschen durchscheinen, der sich verliebt hat. Die übrige Besetzung des Films - u.a. der fast schon vergessene, hochbegabte, leider viel zu früh verstorbene Hanns Lothar (aus der Schauspielerfamilie Neutze), Lilo Pulver als reizvolle Sekretärin mit Strip-Einlage, Leon Askin als verschmitzter Handels-Kommunist oder Karl Lieffen (bekannt u.a. aus "Tadellöser & Wolf" ) als devoter, äußerst komödiantischer Chauffeur, nicht zu vergessen Pamela Tiffin als wilde Unternehmer-Göre - ergänzen das Wildersche Feuerwerk hervorragend.

      "One, Two, Three" ist nicht nur ein Muss für Wilder-Fans. Man wird durch Witze, die Schlag auf Schlag kommen, frech, ungestüm und rücksichtslos sind, förmlich überrollt, kommt aus dem Staunen und Lachen kaum heraus. Übrigens hat Wilder in diesem Film seinen Hass auf Rock`n Roll auch noch untergebracht: in einer Folterszene mit dem damaligen Hit "Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini" (der deutsche Schlager hieß: "Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strand-Bikini" ), vorgetragen von einer lächerlichen Popstar-Figur namens Choo Choo.
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      schrieb am 07.05.03 13:54:36
      Beitrag Nr. 29 ()
      #27 Auryn,

      ich halte es nicht mal für absurd, aus der damaligen Zeitperspektive betrachtet. Deshalb berührt es mich überhaupt, und deshalb könnte ich nicht mal über das "Komische" darin lachen.

      Um zu verdeutlichen, was ich meine: Anne Frank, ich nenne sie jetzt provozierenderweise mal ein "allgemein anerkanntes Opfer des Naziregimes", mußte sich mit ihrer Familie in bzw. hinter einem Schrank verstecken. Das ist eigentlich komisch, aber aus damaliger Sicht überhaupt nicht. Das Tagebuch, das sie unbefangen bis einfältig schrieb, zeigt die bittere Realität auf und ebenso die banalen Sorgen Jugendlicher bis hin zu der Bemerkung über das Einsetzen ihrer Periode und daß sie wisse, wie wichtig es sei, daß man sie hat.
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 13:57:50
      Beitrag Nr. 30 ()
      Du hast sehr recht mit deinem Beispiel der Mauer. Werden wir, d. h. "die Menschen" (ein absurder Ausdruck, denn wir sind nicht Gott, ich sage also lieber: "wir Menschen" ) eines Tages komisch finden, daß man zwischen zwei Teilen eines Landes eine Mauer baut und jeden erschießt, der darüberklettert? Und wird man glauben, wenn irgendjemand sagt, das sei tatsächlich wahr gewesen?
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 14:01:20
      Beitrag Nr. 31 ()
      Im übrigen mag ich solche Filme nicht. Sie unterhalten mich überhaupt nicht. Es gibt wenige Filme, die ich "liebe", das war Johannes Schaafs "Traumstadt", das ist "Manche mögen`s heiß" (ich würde mich aber nicht als Wilder-Fan bezeichnen; im Grunde liebe ich an dem Film am meisten die Komik von Jack Lemon), im TV versäume ich keinen Flugzeug-Katastrophen-Film (sie machen mir keine Angst, ich fliege sehr gern).
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 14:01:24
      Beitrag Nr. 32 ()
      @ Mirabellchen:
      Ja, aus der damaligen Perspektive betrachtet, hast Du wohl recht. Allerdings würde ich sagen, daß Benigni geschickt die heutige mit der damaligen Perspektive vermischte. Ich kann mir beispielsweise nur schwer vorstellen, daß damals viele Eltern auf den Gedanken gekommen wären, ihren Kindern einen "Abenteuerspielplatz" mit "Punktebewertung" vorzugaukeln, weil es damals noch nicht unsere - ach so tolle - "Spaßgesellschaft" mit "Extremsportarten" und "extremen Selbsterfahrungspielchen" gegeben hat. Ich könnte wetten, daß um 1945 kein Mensch in der Welt (oder besser in Europa!?) einen Film wie "The Game" mit Michael Douglas auch nur ansatzweise verstanden hätte.
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 14:03:47
      Beitrag Nr. 33 ()
      P.S.: # 32 bezog sich natürlich auf # 29, weil Du schneller schreibst, als mein PC anzuzeigen bereit zu sein scheint.
      Moment; ich muß mal lesen, was danach kam...
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 14:24:31
      Beitrag Nr. 34 ()
      @ Mirabellchen:
      Hm, aus Deinen Postings # 31 und # 30 würde ich mal "schließen mögen", daß Du den Film "Eins, zwei, drei" noch nicht gesehen hast, denn "die Mauer" selbst kommt in dem Film noch gar nicht vor, weil es sie bei Drehbeginn noch nicht gab. Es kommt auch niemand in diesem Film ums Leben, aber die Ironisierung von "Kapitalismus" und "Kommunismus" und der Sarkasmus der Witze über beide machten diesen Film wirklich einzigartig.
      Der eigentliche Witz an diesem Film ist für mich, daß Billy Wilder seiner Zeit wirklich sehr weit voraus war, indem er weltanschauliche Unterschiede in ironischer Form darstellte und deren Protagonisten lächerlich machte, während zeitgleich noch Millionen Menschen für jene zu kämpfen und zu sterben bereit waren oder andererseits deswegen Menschen millionenfach zu Opfern wurden. Da werden nicht die Opfer auf den Arm genommen, sondern die Täter und die die ihnen zu folgen aus verschiedensten Gründen bereit waren.
      In der Art und Weise, wie in dem Film in deutscher Sprache zusätzlich Wortspiele betrieben werden (Billy Wilder sprach noch fließend deutsch), ist er für seine Zeit wirklich einzigartig und ich kenne heute niemanden - wirklich absolut niemanden - der diesen Film in den letzten 10 Jahren erstmals gesehen und dabei nicht gelacht hat, bis er Tränen in den Augen stehen hatte. Und ich kenne wirklich ca. 30 Studenten; gemischt aus Deutschland, Frankreich und Polen (!), die sich bei diesem Film in Grund und Boden gelacht haben.
      Insofern ist dieser Film wirklich großartige satirische Unterhaltung, der heute sogar besonders von Osteuropäern geschätzt wird.
      Ich kann ihn wirklich nur weiter empfehlen.
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 14:32:43
      Beitrag Nr. 35 ()
      Ups, jetzt habe ich mich wieder fast verplaudert. Tut mir leid, aber ich muß für heute weg. Tschüß,
      Auryn ;)
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 17:21:53
      Beitrag Nr. 36 ()
      In der Tat habe ich den Film nicht gesehen. Werde ich auch nicht tun; könnte sein, daß ich darüber NICHT lachen kann. Mein Gemüt hat immer noch keine Hornhaut. :(
      Avatar
      schrieb am 07.05.03 20:34:28
      Beitrag Nr. 37 ()
      Und damit ich nicht als total humorlos dastehe, gebe ich noch folgende ergänzende Erklärung:
      Lachen kann ich nur, wenn ich heiter bin. Ich kann aber nicht heiter sein angesichts von Leid und Not, selbst wenn diese sich "lustig" präsentieren.
      Ich könnte folglich auch nicht in einem Land wie Indien leben, zumal ich mich außerstande sehe, gravierende Mißstände mit der eher selbstgerechten Ausrede religiösen Fatalismus` hinzunehmen.
      Avatar
      schrieb am 08.05.03 08:13:31
      Beitrag Nr. 38 ()
      Im übrigen bin ich der Ansicht, daß dem Satiriker weniger daran gelegen ist, sein Publikum zum lachen als zum denken bzw. nachempfinden anzuregen. "Betroffenheit" zu erzeugen dürfte das eigentliche Anliegen eines schwerwiegenden Themen verpflichteten Satirikers sein.

      Der Anreiz des "Humors" schafft eine persönliche Reaktion, die von Neutralität entfernt, zu abstrahierende Alltagsprobleme schaffen persönliches Betroffensein. Retrospektive Satiren sind wiederum bereits eine Form des Verarbeitens seitens des Satirikers. Man muß hinterfragen, ob der Autor selbst betroffen ist ... :D
      Avatar
      schrieb am 10.05.03 11:48:32
      Beitrag Nr. 39 ()
      @ Mirabellchen:
      Zu Posting # 36 muß ich Dir sagen, daß ich Deinen Entschluß, den Film "Eins, zwei, drei" absichtlich NICHT sehen zu wollen, weil Du darüber möglicherweise nicht lachen können würdest, nur mit dem allergrößten Bedauern zur Kenntnis nehmen kann, weil er mich sehr an einen Schulfreund von 1982 erinnert, der damals absichtlich NICHT "Der Name der Rose" von Umberto Eco gelesen hat, weil er lange Zeit dachte, daß das eine typische Bestseller-Love-Story wäre, in der nur der übliche "schmalztriefende Schnulzenkram" ins Mittelalter verlegt worden wäre.
      So etwas nennt doch die Wissenschaft (v.a. in VWL/BWL) "den Trugschluß der Verallgemeinerung", oder?
      Oder wie mit anderen Worten eine "philosophisch abgedriftete Pop-Band" einst über "The Look Of Love" sang: "If you judge a book by the cover, then you judge the look by the lover!"
      ;)
      Zu Posting # 38 würde ich zustimmen, wenn ich nicht auch ein großer Fan von Ephraim Kishon wäre, der auch großartige Satiren über ganz alltägliche Absurditäts-Komik im Umgang mit Behörden oder eigene Gebrechen geschrieben hat.
      Eine Satire kann auch einfach nur Spaß machen und oft finde ich auch die Satiren großartig, die sich nur mit alltäglichen eigenen Problemen beschäftigen und in denen viel Selbstironie zu finden ist.
      Von Bill Cosby gibt`s beispielsweise in den USA auch Satiren in Buchform, die ich "hübsch" finde. In denen schreibt er über sein zunehmendes Alter etwa in der Form, daß er sich das erste Mal "alt fühlte, als ich mir die Schnürsenkel zuband und überlegte, was ich noch machen könnte, wenn ich schon mal hier unten bin."
      Bei diesem Beispiel ist der Mann durch seine Satire zwar selbst betroffen, aber indem er die Lage ironisiert, erscheint sie ihm und dem Leser auch gleich ein bißchen harmloser. Auch eine Satire kann allgemein zwei Seiten haben: Sie kann einerseits betroffen machen und andererseits die alltäglich mißliche Lage auch "verharmlosen" und dadurch erträglicher gestalten.
      Ein Satiriker muß nicht zwangsläufig "betroffen machen wollen", wenn das auch durchaus die Absicht der meisten zu sein scheint, er kann auch einfach durch "Übertreibungs-Unterhaltung" zu erklären oder zu helfen versuchen.
      Avatar
      schrieb am 10.05.03 12:22:36
      Beitrag Nr. 40 ()
      @ Mirabellchen:
      Mich würde eigentlich auch noch interessieren, wie Du diese "Kurzsatire" beurteilst, denn die hätte eigentlich auch schon in "Eins, zwei, drei" vorkommen können...
      ;)
      Angeblich plante das DVU-Zentralorgan der "Nationalzeitung" von Dr. Gerhard Frey zum 60. Jahrestag der Goebbels-Rede im Berliner Sportpalast am 18. Februar 2003 eine Gegendarstellung in etwa der folgenden Art, die allerdings aus unbekannten Gründen dann doch nicht veröffentlicht wurde:

      Die "Wahrheit" über die Goebbelsrede im Sportpalast

      Die jüdisch-amerikanisch-zionistisch-bolschewistische Pressekampagne gegen Deutschland behauptet immer wieder, daß das deutsche Volk dazu neige, zeitweise zu fanatisierten "Ja-Rufern" zu werden. Als Beispiel wird immer wieder gerne auf die berühmte Rede von Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 verwiesen, in der Goebbels im Berliner Sportpalast die Zuhörer-Massen fragte: "Wollt Ihr den totalen Krieg?"
      Die Antwort war angeblich ein laut und begeistert gebrülltes "Jaaaaa!". Das ist jedoch eine Lügenlegende!
      Ein DVU-nahes Forschungsinstitut gab in den letzten Jahrzehnten Hunderte von DM und später noch -zig von diesen widerwärtigen EUROs zur Erforschung dieser ekligen Lügengeschichte aus und konnte nun endlich aufgrund von Tonbandmitschnitten und Lehrlingsaussagen aus dem damaligen Fernmeldeamt eindeutig beweisen, daß die große Mehrheit des anwesenden großdeutschen Publikums damals nicht etwa "Jaaaa!" brüllte.

      Nein, die Menschen riefen in Wahrheit ganz leise und verzweifelnd "Tjaah???", aber in diesem riesigen Raum mit seinem Echo klang das dann eben ganz anders!
      Avatar
      schrieb am 11.05.03 23:43:25
      Beitrag Nr. 41 ()
      #39

      Auryn, du schätzt mich falsch ein ... Ich sehe solche Filme nicht, weil sie mir zu nahe gehen. Meine arg lädierte Seele bedarf der Schonung - wie gesagt, sie hat keine Hornhaut entwickelt und ist daher anfällig. Im übrigen, ganz allgemein gesprochen, lese ich lieber. Mein ausgeprägt bildhaftes Vorstellungsvermögen läßt dabei ohnehin so eine Art Film ablaufen, ich brauche dazu keine Leinwandbilder. Glücklicherweise laufen meine "Eigenproduktionen" nicht unwillkürlich ab ... will sagen, ich neige nicht etwa zu Halluzinationen :D Hin und wieder, aber sehr, sehr selten, lasse ich mich mal von "Fremdproduktionen" gefangennehmen. - Was nicht bedeutete, daß ich mich dem TV-Terror entzöge - wie gesagt, ich versäume keinen Flugzeugkatastrophenfilm, mag schauerlichsten Horror, Psycho und all dergleichen, letztlich immer auf der Suche nach was wirklich Neuem. :yawn: Gibt`s leider selten. Außer in den Nachrichten, und selbst die wiederholen sich.
      Womit ich mich gern auseinandersetze, ist echte Phantasie anderer, sind "phantastische" Filme, allerdings nicht die für Kinder gemachte. Phantasieleistung, Utopien, zuvor Ungedachtes faszinieren mich. Damit meine ich nur bedingt Science Fiction, die standardgemäß mit Horrorszenarien arbeitet und eigentlich meist einfallslos ist. Aus dem Horrorbereich hat mich "Die Fliege" sehr beeindruckt. Diesen Film fand ich so gut, daß ich ihn nur 1x gesehen habe, weil ich ihn mir nahezu minuziös gemerkt habe. Mehrfach sehe ich Filme nur dann, wenn ich mich an Einzelheiten der Handlung, der Darstellung usw. ergötzen kann, wie z. B. "Manche mögen`s heiß". Diesen Film sehe ich jedesmal, wenn er im Programm ist, außerdem habe ich ihn aufgezeichnet.
      Wie findest du eigentlich Karl Valentin?
      Avatar
      schrieb am 11.05.03 23:52:15
      Beitrag Nr. 42 ()
      #40

      Wie ich das finde?
      Ich finde es ein bißchen hilflos "Humor heischend", wie das meiste, das ich mit Nazi-Phänomenen auseinandersetzt. Im Grunde läßt sich das Erschrecken darüber wohl gar nicht verarbeiten, auch nicht mittels Satire. Wahrscheinlich muß man das von dir gewählte Beispiel im Zusammenhang sehen. Solitär gibt es eigentlich nichts her. Da finde ich eigentlich in gewissen Paradoxien des 3. Reichs eine Art von "unfreiwilliger Satire". So den ausgeprägten Rassismus und zugleich die Verehrung von Leni Riefenstahls Bildern schöner Negerkörper. Noch extremer ist die Paradoxie der Schaffung des Begriffs vom "Herrenmenschen" und die Kenntnisnahme von Personen wie Göring oder Goebbels sowie Hitler selbst. Man könnte das komisch finden, wäre das Umfeld, in das diese Beobachtungen integriert sind, nicht so mörderisch. Ich habe Schwierigkeiten, mich über derlei Details lustig machen zu können, auch wenn ich die unfreiwillige Komik erkenne.
      Avatar
      schrieb am 11.05.03 23:54:10
      Beitrag Nr. 43 ()
      Korrektur zu #42:
      muß heißen "das sich mit Nazi-Phänomenen ........"
      Avatar
      schrieb am 12.05.03 00:01:28
      Beitrag Nr. 44 ()
      Karl Valentin
      1882 München – 1948 München. An allen aufgeführten Zitaten aus Dialogen ist auch Liesl Karlstadt beteiligt.
      --------------------------------------------------------------------------------

      Korbinian Nasenlöchler "Die vier Jahreszeiten", Ein Lied für Bariton


      “Wie herrlich ist`s doch im Frühling!
      Im Frühling, da ist`s mir so wohl.
      Oh wäre es immer nur Frühling,
      Im Frühling, da fühl ich mir wohl.
      Der Frühling, der hat so was Eignes,
      Der Frühling besitzet die Kraft
      Oh bliebe es immer nur Frühling
      Der Frühling gibt Mut uns und Kraft!”
      (Für Sommer, Herbst und Winter ist dieselbe Strophe durch Einsetzung der Jahreszeit vorzutragen.)
      Nachdem Korbinian Nasenlöchler drei Strophen durchdekliniert hat und bis zum Winter kommt, wird er vom Publikum ausgepfiffen und muß seinen Liedvortrag abbrechen; sein Kommentar: “Und gerade der Winter wäre so interessant gewesen!” –
      Avatar
      schrieb am 12.05.03 00:04:07
      Beitrag Nr. 45 ()
      Und:

      "Der Holocaust begann nicht mit den Gaskammern, sondern mit Worten."
      Irwin Cotler, kanadischer Menschenrechtsaktivist, Süddeutsche Zeitung, 30.1.2001, S.7
      Avatar
      schrieb am 12.05.03 00:26:38
      Beitrag Nr. 46 ()
      Um kopfschüttelnden Mitlesern das Offensichtliche zu erläutern, sei noch gesagt, daß Satire offenbar etliche Gesichter hat, so zum Beispiel die heitere leichte Situationskomik des Alltags, die ätzende Analyse der Politik, die Dar- und Klarlegung von Historie. Die erste Form ist lustig, die zweite kann es sei, zumindest erheitert sie in der Regel, die dritte muß nicht unbedingt zum Lachen anregen. Wenn man die Definition des Duden für Satire zugrundelegt, gehört die dritte hier genannte Variante nur bedingt überhaupt zur Satire:
      "iron.-witzige literar. od. künstl. Darstellung menschlicher Schwächen und Laster".

      Schöne Woche.
      Mirabellchen (:D)
      Avatar
      schrieb am 12.05.03 09:15:29
      Beitrag Nr. 47 ()
      Apropos ......

      Wann wird Satire Sarkasmus oder Zynismus? :(
      Avatar
      schrieb am 12.05.03 09:21:27
      Beitrag Nr. 48 ()
      Und das




      ist eine Karikatur ... :D
      Avatar
      schrieb am 12.05.03 11:34:30
      Beitrag Nr. 49 ()
      Warum hat Hitler Eva Braun nicht geheiratet? - Er konnte keinen Ariernachweis erbringen. :D
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 10:26:03
      Beitrag Nr. 50 ()
      Das ist ja auch kein Wunder, wenn man so blond wie Hitler, so hart wie seine Eva oder so flink wie Göring war...

      Aber, Mirabellchen, wo wir gerade das Jubiläum des 50. Postings begehen, muß ich doch nochmal die "Intelligenzbestie" heraushängen lassen und Deine Definition weiter unten ein bißchen ergänzen, weil gerade ein paar interessante Büchlein um mich herumliegen und ich gerade ein wenig Zeit habe...
      ;)
      Weitere Definitionen folgen gleich...
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 10:31:43
      Beitrag Nr. 51 ()
      Na gut, ich mach` derweilen noch etwas Gymnastik ... :D
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 10:34:41
      Beitrag Nr. 52 ()
      Definitionen zum Bereich SATIRE:

      Ergänzungen aus dem "DUDEN-Fremdwörterbuch" zur bereits von "Mirabellchen" in Posting # 46 gebrachten Definition von "Satire":
      "Satire" ist (auch) eine Literaturgattung, die durch Übertreibung, Ironie und Spott an Personen oder Zuständen Kritik üben möchte.

      Sarkasmus
      ist a) beißender Spott; b) bissig-spöttische Äußerung oder Bemerkung.

      Ironie ist a) feinerer, verdeckter Spott, mit dem man etwas dadurch zu treffen sucht, daß man es unter dem augenfälligen Schein der eigenen Billigung lächerlich macht;
      b) eine paradoxe Konstellation, die einem als frivoles Spiel einer höheren Macht erscheint, z.B. eine "Ironie des Schicksals".


      Die Zynismus-Definition erfordert einen längeren Rückblick und bekommt ein gesondertes Posting von mir...
      ;)
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      schrieb am 13.05.03 11:00:03
      Beitrag Nr. 53 ()
      Der Zynismus hat eine höchst interessante Vorgeschichte, die mit Sokrates beginnt ...

      (- Neeiiin, nicht der brasilianische Fußballspieler Socrates! Ich meine den antiken Philosophen Sokrates!!!)

      Der immer arm und selbstgenügsam lebende griechische Philosoph Sokrates verfolgte bei seinen philosophischen Fragen das Ziel, scheinbar selbstsichere Gesprächspartner nach den vermeintlichen Selbstverständlichkeiten zu befragen und schließlich mit genau gezielten Fragen so zu verwirren und demoralisieren, bis den Befragten deutlich wurde, daß ihre Annahmen in Wirklichkeit nur eine mildere Form der Ignoranz darstellten. Das Prinzip dieser angeleiteten Selbstzerstörung wurde als "sokratische Ironie" bekannt.
      (Für Nicht-Eingeweihte: Es wird übrigens in neuerer Zeit leicht abgewandelt besonders in den "Columbo"-Krimis mit Peter Falk in der gleichnamigen Hauptrolle verwendet!
      Für Eingeweihte: Ein besonderes Beispiel für ein Eigentor in "sokratischer Ironie" lieferte vor einigen Jahren der alte und vermutlich bald neue argentinische Präsident Carlos Menem, als er auf die Frage, warum er früher "Altgriechisch" gelernt habe, antwortete: "Damit ich Sokrates` Bücher im Original lesen konnte!"
      Dazu der allgemeine Philosophenkommentar: Wuahaha!)
      Einer der Schüler von Sokrates - Anisthenes - begründete die philosophische Schule der "Kyniker", die die Ansicht vertraten, ein Mensch könne sich nur dann wirklich "reich und glücklich" fühlen, wenn er seine Bedürfnisse vollkommen kontrolliere und er sich in dieser Welt nicht von Krankheiten, Leiden oder Tod bekümmern ließe - auch solle er sich nicht vom Kummer über die Leiden anderer allzu sehr quälen lassen. Berühmtester Vertreter des "Kynismus" war wohl der "Penner-Philosoph" Diogenes, der in einer Tonne lebte und nur dann grantig wurde, wenn ihm jemand in der Sonne stand.
      (Klar doch: In einer antiken Gesellschaft, in der fast alle schwere oder "technische Arbeit" von Sklaven geleistet wurde, konnte man ja auch nicht allzu zarte Rücksicht und Kummer für die Sklaven erwarten, sonst wäre die Wirtschaft zusammengebrochen!) Es ist meines Wissens nicht ganz klar, ob die Bezeichnung "Kyniker" von Anhängern oder Gegnern dieser Weltanschauung herrührt, denn sie entstammt der Bezeichnung "Kynos" (gr. = Hund), weil die radikalsten Anhänger des Anisthenes offensichtlich so selbstgenügsam und ungerührt leben wollten "wie Hunde".
      Bis in unsere Zeit blieb in den Begriffen "zynisch" und "Zynismus" dann nur noch diese eingeschränkte Bedeutung des ursprünglichen "Kynismus" übrig:
      Gefühllosigkeit gegenüber dem Leiden anderer.


      Zynischer Humor in der Moderne hat jedoch viele verschiedeneAspekte, auf die auch noch gleich mit Hilfe eines Buchauszugs eingegangen wird...
      ;)
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      schrieb am 13.05.03 11:00:36
      Beitrag Nr. 54 ()
      kleine Info vorab aus dem Rechtschreib-Duden (sollte jeder haben):

      Zynismus: Gemeinheit, Schamlosigkeit, Frechheit.
      (etwas dürftig freilich; übrigens: das altgriech. Wort kynos heißt "Hund", das Gebiet außerhalb Athens, sozusagen "vor den Mauern" in der Nähe des Friedhofs hieß "Kynosarges" (eigentlich war das eine Schule) - vielleicht kommt daher der Begriff "wo der Hund begraben liegt"??

      Nicht aus dem Rechtschreib-Duden:
      Der Begriff "Kyniker" bezeichnet übrigens die Anhänger einer antiken griechischen Philosophenschule, die absolute Bedürfnislosigkeit lehrte (mein Hund ist freilich gar nicht bedürfnislos). Die m. E. wesentliche Aussage: Bedürfnislosigkeit sichert Unabhängigkeit. Die Bedürfnislosigkeit der K. schloß Ablehnung von Kultur, Familie - wie überhaupt jeder Bindung, Sitte ein. Beispiel für die kynische Grundhaltung: der Verzicht darauf, beim Trinken aus dem Brunnen ein Trinkgefäß zu benutzen, weil man auch mit der Hand schöpfen und daraus trinken kann.

      Hab ich jetzt vorgegriffen? Wohl kaum, da du dich sicherlich eher mit den Inhalten des Begriffs im neuzeitlichen Sinne auseinandersetzen wirst.
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      schrieb am 13.05.03 11:09:20
      Beitrag Nr. 55 ()
      Zynismus?

      "Was liegt schon an Schmach, wenn das Geld ist gerettet -"

      (Juvenal, Satiren; 1. Buch, 1. Satire)
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      schrieb am 13.05.03 11:09:55
      Beitrag Nr. 56 ()
      Über die Satire und den Zynismus könnte man meiner Meinung nach Ähnliches oder sogar dasselbe sagen wie über den "zynischen Witz", wobei man diesen nicht mit dem oft reichlich primitiven "sick humor" verwechseln sollte. Über den "zynischen Witz" fand ich diese sehr interessante Passage in dem Buch "Der Witzableiter" (dtv-Ausgabe 1991; S. 256ff) von dem Theologen und Redakteur Eike Christian Hirsch, wobei ich die üblichen Fehler des "Einscannens" wie z.B. die "überzähligen Fragezeichen" zu entschludigen bitte:
      Vom Lachen sagt der Anthropologe Helmuth Plessner, es sei "eine Reaktion auf eine Lage, auf die es keine andere Antwort gibt". Lachen sei eine Reaktion, die "zugleich Selbstbehauptung und Selbstpreisgabe verrät", wobei ich hinzufügen möchte, dass die Selbstbehauptung doch den Schluß bildet und das letzte Wort behält.
      Von einem ungewöhnlichen Lachen berichtet auch Peter Sloterdijk; es gab den Anstoß zu seiner "Kritik der zynischen Vernunft", in der er den ursprünglichen »Kynismus« hochhält (den er mit »K« schreibt) und den verwerflichen Zynismus kritisiert.
      In einem Fernsehinterview habe Hannah Arendt von ihrer Arbeit beim Jerusalemer Prozeß gegen Eichmann berichtet. »Man muß gehört haben, wie diese Frau versicherte, sie sei beim Studium der viele tausend Seiten umfassenden Vernehmungsprotokolle immer wieder in lautes Gelächter ausgebrochen, das der komischen Dummheit galt, die über Leben und Tod unzähliger Menschen ihre Gewalt ausübte. Es war in Hannah Arendts selbstbewußtem Geständnis etwas Frivoles und im präzisen Sinn des Wortes Kynisches, das sich nach der ersten Verblüffung als befreiender und souveräner Ausdruck der Wahrheit erwies. Als dann Frau Arendt als Zugabe sogar noch die Bemerkung fallenließ, ihr habe das Exil auch öfter Spaß gemacht, denn man sei jung gewesen und das Improvisieren im ungewissen habe ja seinen eigenen Reiz, mußte ich auch lachen, und mit diesem Lachen begann >es< an diesem Buch zu schreiben« (II, 447, Anm.). Sloterdijk hat als Zuhörer offenbar die Schicksalsüberlegenheit der Philosophin als so befreiend empfunden, daß sich auch seine eigene Bedrückung im lauten Lachen lösen konnte. In einem solchen Fall ist Lachen nicht nur ein äußeres Zeichen des Triumphes, sondern selbst noch an diesem Triumph beteiligt: Lachen ist die Schlußphase im Prozeß der Befreiung durch Komik.

      Beim Witz und beim Lachen denkt man gewöhnlich an verspielte Albernheit, obwohl es doch oft genug um verdrängte Angst, ja um Leiden geht. »Vielleicht weiß ich am besten, warum der Mensch allem lacht: Er leidet so tief, daß er das Lachen erfinden mußte«, sagt Friedrich Nietzsche. Man lacht manchmal unter Tränen. Witze, die das Unheimliche vorführen, können nur eine Andeutung davon geben, obwohl es auch hier schauerlich genug zugehen kann.

      Kurz vor Weihnachten. Es hat Neuschnee gegeben. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst vor der Kellertür keine Schneemänner bauen! schimpft die Mutter. .Wie komme ich jetzt in den Keller?« - »Aber ich hab keine Schneemänner gebaut, Mutter!<< - »So, und was ist das da?« - »Der ist bestimmt nicht von mir!« - O Gott - dann haben wir Opa gestern im Garten vergessen.«

      Auflehnung gegen den Überbau

      Zynismus kann zum Lieblingswitz werden

      »Mutti<<, sagt Kai-Christian, nachdem er im Fernsehen einen Boxkampf miterlebt hat, »von denen können Papi und du noch was lernen. Die geben sich hinterher wenigstens die Hand. Kai-Christians Bemerkung mag als naiv erscheinen, der Witz jedoch ist zynisch, weil er gefühlskalt über die Tugend der Gatten- und Elternliebe hinweggeht. Dem Zynismus ist nichts mehr heilig; wobei es auf das gleiche hinausläuft, ob die zynische Bemerkung aus kaltem Herzen kommt oder nur dazu dienen soll, die Tränen zu verscheuchen, wie Grotjahn das bei Reportern und Krankenwagenfahrern beobachtet hat. Das kann einem die Sprache verschlagen. Nach einem Verzweiflungsschrei sagt die Ehefrau: »Ich kann nicht mehr! Ich gehe ins Wasser. Und den Hund nehme ich mit!« - »Kommt überhaupt nicht in Frage«, sagt ihr Mann, »der Hund bleibt hier!

      Diese Rohen trifft den Hörer. Ein Quentchen Zynismus aber steckt wohl in jedem Witz, sofern jeder Witz etwas, was sakrosankt ist, nicht ernst nimmt. »Ohne Zynismus kann es im Komischen gar nicht abgehen«, meint Friedrich Theodor Vischer, »alle Humoristen sind nach einer Seite Zyniker gewesen« (i73). Sich an Tabus vergreifen, Gefühle nicht respektieren, seinen Mitmenschen die Achtung versagen, das ist es, was der Witzbold tut. Manchmal wird der Held des Witzes jedoch den Zynismus halb unschuldig vorbringen, wie in diesem Fall. Im Herbst ist Vinzenz mit der Schule fertig, und darum berät die Mutter mit dem Lehrer seine weitere Ausbildung. Der Lehrerfragt: »Für was hat der Bub denn eine besondere Vorliebe?K - »Die Tiere mag er so arg gern, sagt die Mutter nachdenklich, »wir haben gedacht, am Ende wär` Metzger was - oder?<<

      Nicht die Witze seien zynisch, meint Peter Sloterdijk, nein umgekehrt, sie machten sich über die »Kardinalzynismen« wie etwa Militär, Politik, Sexualität oder Religion lustig und hätten darin einen moralischen Sinn. Die Witze funktionierten im kollektiven Bewußtsein wie ein Drainagesystem,als »ein allgemein akzeptierter regulativer Mini-Amoralismus, der klug davon ausgeht, daß es gesund ist, sich über das lustig zu machen, was über unsere Empörungskapazitäten hinausgeht«. Amoralismus im Dienste einer besseren Moral; Lachen, wo man sich nicht mehr empören kann -das scheint mir eine richtige Deutung mancher zynischen Witze. Im folgenden Witz höre ich einen ohnmächtigen Protest gegen den vorgeführten Zynismus heraus. >>Warum weinst du denn, mein Junge?« fragt die Sommerfrischlerin. .Papa hat alle fünf Kätzchen von unserer Muschi ersäuft!« - »Schrecklich, schrecklich?, seufzt die Dame,nicht jeder hat so ein gutes Herz wie du.« - Und nicht ein einziges«,bringt der Junge schluchzend vor, .durfte ich ersäufen!«

      Es gibt freilich auch den Zynismus als Auflehnung gegen eine fraglich gewordene Moral. Diesen Gedanken finden wir ausgerechnet bei dem katholischen Moraltheologen Werner Lauer, der mit einem gewissen Respekt - wenn ich richtig verstanden habe -ein Wort von Oscar Wilde über die unendliche Güte des Allmächtigen zitiert: »Erkennt man denn nicht, daß Missionare die gottgesandte Nahrung für Kannibalen sind?« Zynismus könne auch heißen, Werte wie das Gute, Wahre, Schöne lächerlich zu machen, meint Lauer, die man heute ohnehin nur noch ironisch zitieren könne. Ernennt Heinrich Heines Ausspruch als Beispiel: »Apfeltörtchen waren nämlich damals meine Passion -jetzt ist es Liebe, Wahrheit, Freiheit und Krebssuppe...« (ebd.) Ebenfalls aufbegehrend gegen die überkommene Vorschrift schreibt Theodor Reik in seinem Aufsatz über den zynischen Witz: »Moral ist der Stock, der uns zum Krüppel schlägt. Dann dient er uns als Krücke« , ein Aphorismus, der selbst zynisch ist. Der zynische Witz habe einen psychotherapeutischen Wert, meint Reik weiter, da er »zu den gelungenen Abzugsquellen jener Regungen gehört, welche in ihrer Stauung zum Verbrechen, zur Neurose und zu Wahnbildungen führen müßten« .

      Die Geliebte des kaiserlichen Leutnants schluchzt: »Es war der schrecklichste Augenblick meines Lebens, Otto, als ich deinen Trennungsbrief bekam. Ich wollte mich erschießen, aber ich hatte kein Geld, mir einen Revolver zu kaufen.« Darauf er: »Aber Liebste, hättest du nur ein Wort gesagt . . . «

      Die zynische Kälte des Leutnants hat es mir angetan. Aber ich weiß, daß ich mich mit meiner Begeisterung nur schützen will, weil mich nämlich Zynismen besonders verletzen. Schon Horaz sagte: »Warum lachst du? Ändere die Namen, und schon handelt die Geschichte von dir.« In diesem Sinne müßte ich wohl einsehen, daß ich mich in der gekränkten Geliebten wiederfinde und nur lache, um nicht mit getroffen zu sein. »Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter«, schreibt Goethe, »als durch das, was sie lächerlich finden.«

      Der Lieblingswitz ist ein Spiegel zur Selbsterkenntnis. Auch der Junge mit dem folgenden Witz rührt mich: Der kleine Patrick kommt mit einem blauen Auge aus der Schule. .Einer von den Großen aus unserer Klasse war das«, klagt er. Morgen bringst du ihm eine Tafel Schokolade mit«, meint die Mutter, dann werdet ihr bestimmt Freunde. « Am nächsten Tag kommt Patrick mit einem zweiten blauen Auge nach Hause. .Das war wieder der große Junge«, sagt er, » er mag keine Schokolade.« Das ist zwar nicht genau mein Lieblingswitz, aber ich hätte auch den nennen können, wenn ich auf der Couch eines Therapeuten nach meinem Lieblingswitz gefragt worden wäre.

      Einer der frühen Schüler Freuds, der Amerikaner Abraham A. Brill, der Freuds Buch über den Witz übersetzt und für die zweite Auflage bereichert hat, veröffentlichte im Jahre 1940 selbst eine Arbeit über den Humor. Darin berichtet er, es sei ihm zur Gewohnheit geworden, seine Patienten nach ihrem Lieblingswitz zu fragen. Von einem jüngeren Wissenschaftler hörte er diesen: Der zerstreute Professor stellt sich ans Klobecken, knöpft seine Weste auf, zieht die Krawatte heraus und pinkelt in die Hose. Damit habe der Patient, meint Brill, seinen eigenen Vater verspottet, unter dessen Dominanz er litt. Der Vater hatte ihn früher getadelt, wenn er in die Hose gemacht hatte. Außerdem symbolisiere die Krawatte hier den größten Wunsch des Sohnes, der einen Komplex wegen seines zu kleinen Penis gehabt habe. Seine Erfahrungen faßt Brill so zusammen: »Die Lieblingswitze meiner Patienten ließen einige Saiten ihres Unbewußten anklingen. Sie paßten zu ihrem Kampf und verschafften ihnen eine gewisse Lust, indem sie ihnen halfen, ihre Schwierigkeiten auf die leichte Schulter zu nehmen«. Damit bestätigt sich, was wir immer vermutet haben, daß nämlich dort, wo ein Mensch lachen muß, eines seiner Probleme verborgen liegt. Das Ergebnis ist hier nur auf einem anderen Wege gefunden worden. Erst war dem Analytiker das Problem bekannt und dann der Witz, den dieser Patient komisch findet; nun konnte der Analytiker prüfen, -ob der Witz etwas mit dem psychischen Problem des Patienten zu tun hat. Offenbar ließ sich das nachweisen.

      Ich bleibe weiter bei dem Thema »Lieblingswitz«, auch wenn das meine Systematik durcheinanderbringt. Denn eigentlich wollte ich Ihnen ja in diesem Kapitel zynische Witze vorstellen. Von diesem Vorsatz muß ich nun, einmal auf das Thema »Lieblingswitz« gekommen, abweichen, denn die Lieblingswitze verschiedener Menschen gehören natürlich zu unterschiedlichen Kategorien.

      Fünfzehn Jahre nach Brill veröffentlichte ein anderer amerikanischer Therapeut, Israel Zwerling, ohne von Brill etwas zu wissen, ebenfalls eine Studie über den Lieblingswitz in der Therapie. Auch er kam zu dem Schluß, daß »genau die Themen, die den Patienten am meisten Angst machten, auch die Themen ihrer bevorzugten Witze waren« (m2). Eine Patientin hatte ihm diesen erzählt: Ein Mann wird gefragt:Wer war denn die Dame, mit der ich Sie gestern abend gesehen habe?K Und er antwortet: »Das war keine Dame, das war meine Frau. Nachdem sie diesen Witz erzählt hatte, habe die Patientin angefangen zu weinen und gesagt, die früheste Erinnerung an ihre Mutter sei der Anblick gewesen, wie sie das Klo geputzt habe. Sie selbst wolle niemals so erniedrigt werden wie ihre Mutter. Offenbar war das, was der Witz sagte, genau das, was die Patientin am meisten fürchtete.

      Auch Gershon Legman, der über den unanständigen Witz ein Buch geschrieben hat, meint, der Lieblingswitz könne »das tiefste Problem« eines Menschen verraten, weil der Witzerzähler unbewußt um Verständnis dafür werbe Auch Legman weiß wiederum nichts von seinen Vorgängern Brill und Zwerling - es ist überhaupt erstaunlich, wieviel über die Witztheorie publiziert wird, ohne daß jemand seine Vorgänger kennt. Legman nennt es eine »Faustregel«, die sich »axiomatisch behaupten« lasse, daß der Lieblingswitz ein Schlüssel zum Charakter eines Menschen sei (ZO). Er bringt das Beispiel einer Engländerin, die im Zweiten Weltkrieg ein Bein verloren hatte und daran litt, daß »ihr erotisches Image in ihren eigenen Augen zerstört« war. Sie wurde dennoch von ? perversen? - Männern angesprochen. Als man sie in Gesellschaft drängte, einen Witz beizusteuern, fiel ihr nur dieser ein: .Jeder kann sich irren?, sagte der Igel und kletterte von der Haarbürste. Diese Frau hat, das darf man mit Legman vermuten, ihr Trauma unbeabsichtigt genannt wie bei »der Inszenierung einer selbstentlarvenden Scharade« (Zr).

      Auf wieder andere Weise hat schon Freud den Zusammenhang von persönlichem Problem und Lachenmüssen erkannt. Es geht dabei nicht um Witze. Offenbar kann auch erst die Einsicht kommen und dann das Lachen. Freud schreibt: »Viele meiner neurotischen, in psychoanalytischer Behandlung stehenden Patienten pflegen regelmäßig durch ein Lachen zu bezeugen, daß es gelungen ist, ihrer bewußten Wahrnehmung das verhüllte Unbewußte getreulich zu zeigen, und sie lachen auch dann, wenn der Inhalt des Enthüllten es keineswegs rechtfertigen würde«. Man könnte also sagen: Wo ein Lachen ist, ist auch die Erkenntnis eines psychischen Problems; und wo ein psychisches Problem erkannt wird, ist auch ein Lachen.

      Ein deutscher Professor, der sich mit Witzen, nicht aber mit der Psychoanalyse auskennt, erzählte in der Zeit nach den Studentenunruhen keinen Witz so oft wie diesen: Auf dem WC der Uni trifft ein Student seinen Professor und sagt zu ihm: »Endlich kann ich mir Ihnen gegenüber mal was herausnehmen.« Aber der Professor erwidert: .>Machen Sie sich keine Illusionen, Sie werden auch diesmal den kürzeren ziehen. Dieser Witz, das darf man vermuten, führt nicht nur die Wunschvorstellung des Herrn Professors unverhüllt vor, sondern auch seine Angst davor, nicht Sieger zu sein.

      Die Frage nach dem Lieblingswitz ist wahrscheinlich nicht nur ein diagnostisches, sondern auch ein therapeutisches Instrument. Israel Zwerling jedenfalls hat festgestellt, allen seinen Patienten hätte ihr Lieblingswitz, nachdem er durchgearbeitet worden sei, geholfen, mit der Angst fertigzuwerden (m3). Immerhin zeigt doch die Wahl des Witzes, daß der Patient bereit ist, sein Problem auch lächerlich zu finden. »Wenn der Neurotiker lernt, über sich selbst zu lachen, ist er auf dem Wege zur Selbständigkeit, vielleicht sogar zur Heilung«, sagt Gordon W Allport, auf den sich Victor Frankl mit seiner Forderung beruft: »Der Patient soll lernen, der Angst ins Gesicht zu sehen, ja ihr ins Gesicht zu lachen«. Dieses Lachen erlaube es dem Patienten, sich von seinen neurotischen Symptomen zu distanzieren (ebd.). Ähnlich sagt es der Analytiker Heinz Kohut: Wenn sich der Patient gegen Ende der Therapie selbst mit Humor sehen könne, so sei das, »als ob die Sonne unerwartet durch die Wolken bräche«, denn die Fähigkeit zu echtem Humor sei ein Zeichen dafür, daß die Fixierungen umgewandelt seien (364).

      Umgekehrt kann es ein Zeichen von Fixierung und Verengung sein, wenn jemand einen Witz nicht verstehen kann. Vielleicht begreift er ihn nicht, weil der Witz ihm zu nahe tritt. Das ist Jacob Levine aufgefallen, als er Testpersonen Witzzeichnungen vorlegte. Manche waren für einige der Zeichnungen wie blind. Dem Dekan einer Universität wurde ein Cartoon gezeigt, auf dem ein Angestellter den Kasten mit betrieblichen Verbesserungsvorschlägen öffnet und eine Flasche findet, die die Aufschrift »Gift« trägt. Der Dekan verstand die Zeichnung nicht, selbst die stark hervortretende Aufschrift »Gift« mußte ihm erst gezeigt werden. Auch nachdem er die Pointe verstanden hatte - es war der anonyme Vorschlag, der Chef solle Gift nehmen -, fand der Dekan die Sache überhaupt nicht komisch. Eine mögliche Erklärung für dieses Versagen sieht Levine darin, daß der Dekan große Schwierigkeiten hatte, seinen Fachbereich zu leiten (34). Also kann auch das Nichtverstehen manchmal aufschlußreich sein.

      Ich möchte jetzt gern zum Thema »zynischer Witz« zurückkehren und ein Beispiel finden, das zugleich zeigt, wie jemand sein eigenes Problem erkennt. Vielleicht hilft mir diese berühmte jüdische Geschichte aus der Klemme, deren Held zynisch ist, doch irgendwie auch sich selbst kennt. Ein sehr armer Jude kommt zum Kommerzienrat. Herr Baron, ich bin schwer herzleidend, meine Frau ist gelähmt, mein Sohn ist von der Pferdebahn überfahren worden, meine Tochter ist lungenkrank, meine alte Mutter ist...? Da klingelt der Kommerzienrat mit der Schelle und sagt zum eintretenden Kammerdiener: »Joo-han, schmeißen Se ihn raus, er zerbrecht mer?s Herz!«
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 12:17:56
      Beitrag Nr. 57 ()
      Wo wir jetzt schon unisono über die Kyniker geredet haben, will ich zuerst noch ein Zitat des Römers Juvenal (Zeitgenosse Hadrians?) loswerden:

      "Doch du bist sonst nichts als Kekrops Sproß, dem Rumpf einer Hermessäule sehr ähnlich: denn vor diesr hast nichts du voraus, als daß jene wohl ganz aus Marmor ist, während du ein lebendes Bildnis bloß bist. Doch sage mir, Teurersproß: Wer hält vernunftloses Tier für edel, es sei denn ein tapfres? Man lobt das geflügelte Roß noch, dem für seine Behendigkeit meist die Palme erglüht, dem "Sieg" jauchzt im Zirkus das Volk mit heiseren Kehlen; denn edel ist ein Tier, wo immer es weidet, nur dann, wenn im Lauf es andern voraus in der Rennbahn als erstes Staub wirbelnd leuchtet. Aber wohlfeiles Vieh ist auch Coryphäus Geschlecht und das des Hirpinus, wenn selten der Sieg auf ihr Joch sich gesetzt hat; da gibt nichts man auf Ahnen, nichts zählen die Schatten der Toten; wechseln müssen die Herren sie für niedrigen Preis, an den Karren ziehen im Joch mit zerschundenem Hals, wenn langsam die Enkel, wert bloß, die Mühle zu drehn, geworden. Dreum leist was Besondres, daß wir dich bewundern, nicht deinen Besitz bloß, damit ich`s einmeißeln kann in die Inschrift noch neben die ehrwürdgen Namen, gern stets verliehen von uns an jene, die alles dir gaben."

      (3. Buch, 8. Satire, Verse 52ff)
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 12:34:34
      Beitrag Nr. 58 ()
      Mir scheint fast, daß die Anfeindungen des Witzes, die du da auflistest, dazu dienen sollen, mich in die Rolle des Verteidigers von Witzen zu drängen. Nun denn, sei`s drum.
      Fangen wir mit dem Lachen an: da gibt es ganz unterschiedliche Tonfälle, und ich denke, daß Hannah Ahrend wohl eher kurz und bitter aufgelacht als heiter gezwitschert haben dürfte. Aber darf man denn überhaupt noch lachen, oder muß man fürchten, von psycholysesüchtigen Mitmenschen sofort seelisch entblättert zu werden?

      "Lache den Krummfuß aus der Gerade, den Mohren der Weiße, wer ertrüg` es, wenn just die Gracchen den Aufuhr beklagten?" (auch von Juvenal - 2. Satire -, wo wir gerade dabei sind :D )

      Eigenartig, daß man für`s Lachen auf alle Fälle einen Anlaß oder Anreiz braucht. Ich kenne wirklich niemanden, der einfach lacht, weil ihm danach zumute ist. Vielleicht der Säugling ... :)
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 12:37:54
      Beitrag Nr. 59 ()
      Interessant, aber wen genau und in welchem Zusammenhang hat Juvenal eigentlich angesprochen?
      Die Menschen allgemein oder jemand bestimmtes?
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 12:47:27
      Beitrag Nr. 60 ()
      @ Mirabellchen:
      Komisch, ich könnte schwören, um 12.35 war Dein Posting # 58 noch nicht bei mir zu sehen.
      Egal, Posting # 59 bezog sich natürlich auf Dein Posting # 57.
      Zu Deinem Posting # 58:
      Nicht doch, aber keineswegs möchte ich Dich zu etwas drängen! Auch Dein Bestreben, meiner Empfehlung für den Billy Wilder - Film "Eins, zwei drei" nicht zu folgen, ist mir ja eigentlich sowas von "wurscht"!
      ;)
      Es ist aber tatsächlich so, daß die Vorlieben bestimmter Menschen oder sogar Völker für bestimmte Witze tatsächlich auch unterbewußt ihre größte Furcht repräsentieren können.
      Die "Witze-Psychos" unter den Freudianern sind beispielsweise überzeugt, daß deutschsprachige Völker im Vergleich mit anderen Europäern allgemein in ihrer Geschichte außergewöhnlich gerne Witze mit und über "Schmutz" und "Verunreinigungen" gemacht haben, weil sie sich davor unbewußt am meisten gefürchtet haben - vielleicht aufgrund von Pest-Epidemien im Dreißigjährigen Krieg etc.
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 12:49:16
      Beitrag Nr. 61 ()
      wenn ich das wüßte, wär` ich klüger. Die 1. Satire fängt an mit "Immerzu soll ich nur Zuhörer sein?" - Ich denke, die Anrede meint zunächst und an sich bzw. scheinbar den "geneigten Leser". In der zitierten Stelle freilich wird offenbar eine definierbare Person angesprochen, weil bestimmte nicht allgemeingültige Eigenschaften dieser Person genannt sind, die jedoch auch nichts weiter sein können als ein Beispiel. Wahrscheinlich gibt es Literatur hierüber. In einem sehr kurzen Abriß (Kroh: Lexikon der antiken Autoren) heißt es hierzu: "I. selbst spricht als Vertreter eines in bescheidenen Verhältnissen lebenden Mittelstandes, der hier wohlbegründet Anklage erhebt, nicht gegen bestimmte Zeitgenossen (er nennt nie Namen lebender Personen), sondern gegen menschliche Schwäche und Bosheit, gegen Hochmut und Dünkel, gegen Großstadtgefahren und Lasterhaftigkeit. Mit dem Pathos der Verachtung bricht er den Stab über diese entartete Generation; Reform oder pädagogische Bestrebungen lagen ihm fern; seine Stärke war die anprangernde Schilderung der von ihm beklagten Zustände."
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 12:54:15
      Beitrag Nr. 62 ()
      #60

      wenn aber doch, dann dräng` halt. Es ist ein ganz guter Standpunkt, gelegentlich den Standpunkt zu wechseln, um sich mit der möglichen Gedankenwelt des den anderen Standpunkt Innehabenden vertraut zu machen. Man macht sowas als Schüler beim Aufsatzschreiben - These und Gegenthese, und man muß für beide Standpunkte Argumente finden.
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:15:33
      Beitrag Nr. 63 ()
      Na gut, wenn ich "drängen" darf:
      Ich fand Dein Posting # 41 recht interessant, weil ich gerne wüßte, ob Du mir eine "tiefenpsychologische Erklärung" dafür geben kannst, daß gerade Frauen so gerne Horror-Romane lesen (und auch erfinden, wie z.B. Frankenstein, oder?)
      Ich persönlich bevorzuge "Komödien" und "satirische Behandlung" jedes nur denkbaren Themas wie auch den Film "Liebe auf den ersten Biß" mit George Hamilton als Dracula. Den Film fand ich sogar besonders toll, weil da gleich mehrere Aspekte nach meinem Geschmack am Anfang mit reinspielen. So wird der wohlerzogene Graf Dracula zu Beginn von rumänischen Kommunisten aus seinem Adelsschloß vertrieben, weil das in ein Trainingslager für rumänische Weltklasse-Turnerinnen vom Typ der Nadia Comaneci umgewandelt werden soll. Und die Leute am Anfang sprechen sogar tatsächlich richtiges Rumänisch! Ich hätte mich wegschmeißen können vor Lachen in diesem Film.
      Und nimm es mir bitte nicht übel, aber solche Satiren über Horrorfilme oder halbwegs witzig gemachte Filme wie "Scary Movie" sind die einzigen Horrorfilme, die ich eigentlich nicht als vertane Zeit betrachte, weil ich mich viel lieber amüsiere als grusele.
      Von daher bin ich immer noch ziemlich verständnislos, wenn ich Deine Ablehnung von "Eins, zwei, drei" betrachte, denn das kommt mir immer noch wie ein "Trugschluß der Verallgemeinerung" vor: Du hast offensichtlich etwas gegen das ganze Genre der satirischen Filme mit Bezug zur Zeitgeschichte. Aber das ist auf den einzelnen Film bezogen für mich so als würde ich sagen: "O.K., ich halte nichts vom Fußball, weil ich fünf Spiele von Hintertupfingen gegen Vordertupfingen gesehen habe. Das war langweilig und deshalb werde ich mich auch nicht das Länderspiel Brasilien gegen Deutschland ansehen, weil das bestimmt genauso langweilig werden wird."
      Klingt irgendwie nicht sehr logisch, oder?
      ;)
      P.S.: Ach ja, Deine Frage zu Karl Valentin. O.K., ich finde seine Wortverdrehereien und Wortspiele auch heute noch ganz toll, aber aus heutiger Sicht sind seine Filme für mich manchmal etwas langatmig und wegen fehlender "action" etwas nervig gewesen.
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:17:26
      Beitrag Nr. 64 ()
      Über das folgende kann man durchaus lachen, ich glaube aber, daß es eher ernst gemeint ist.

      "Die Stoiker träumen von vielen Schlußfolgerungen, die eines Beweises nicht bedürfen, tragen aber vornehmlich die folgenden fünf vor, auf die sichalle übrigen Schlußfolgerungen, wie es scheint, zurückführen lassen. Das erste (Argument) folgert aus einer Implikation und ihrem Vordersatz den Nachsatz, z.B. "Wenn es Tag ist, ist es hell; nun ist es Tag, also ist es hell". Das zweite zieht aus einer Implikation und dem kontradiktorischen Gegensatz ihres Vordersatzes die Schlußfolgerungf: "Wenn es Tag ist, ist es hell; nun ist es aber nicht hell; also ist nicht Tag". Das dritte erschließt aus einer negativen Konjunktion und einem der Konjunktionsglieder den kontradiktorischen Gegensatz des übrigen Gliedes: "Es ist nicht Tag und Nacht (zugleich), nun ist es Tag, also ist es nicht Nacht": Das vierte schlußfolgert aus einer Disjunktion und einem der glieder dieser Disjunktion den kontradiktorischen Gegensatz des verbleibenden Disjunktionsgliedes, z. B.: "Entweder es ist Tag, oder aber es ist Nacht; Es ist aber Tag; also ist nicht Nacht". Das fünfte leitet aus einer Disjunktion und dem kontradiktorischen Gegensatz eines der Disjunktionsglieder das übrige Glied, z. B.: "Entweder ist Tag, oder es ist Nacht; nun ist aber Nacht; also ist nicht Tag." (Die Stoa, hg. von W. Weinkauf, S. 103)

      Ein Vertreter der Stoa (gilt als ihr "Vollender" ) ist Chrysipp.

      Älter als Chrysipp (3. Jh. BC) ist Menander (4./3. Jh. BC):
      "Du, Koch, ich weiß wahrhaftig nicht, weshalb du noch ein Messer trägst. Vermagst du`s doch, mit deinem Schwatzen alles kleinzuhacken." (Onesimos in Das Schiedsgericht I.1.)

      Ergebnis dieser Betrachtung ist die Frage, ob Satire per se eine solche ist - also auch unfreiwillig - oder ob Absicht zur Satire gegeben sein muß?
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:20:14
      Beitrag Nr. 65 ()
      Arrgh! Meine Lieblingswitze müssen psychologisch betrachtet wohl "Fehler- und Auslassungswitze" sein, weil mir immer wieder so etwas an Fehlern passiert:
      ... werde ich MIR (nicht "mich" ) auch nicht ... ansehen....
      Grr!
      :(
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:30:20
      Beitrag Nr. 66 ()
      Zu Posting # 64:
      Ich glaube - wie schon mal erwähnt - daß ein reales Ereignis in einen anderen Zusammenhang gebracht werden kann und dann dort "absurd-komisch" wirkt und somit dort zur Satire wird.
      Von daher muß eine Satire meiner Meinung nach nicht "beabsichtigt" sein.
      Es geht sogar andersherum: Eine absurde, satirisch gemeinte Mitteilung wird als Realität betrachtet. Dann wird`s aber schnell menschenverachtend grausam und das unten zitierte Buch bringt in seinen Fußnoten auf Seite 336 ein Beispiel: "1933 berichtete das Berliner Tageblatt, jemand hätte den sarkastischen Vorschlag gemacht, an einer besonders gefährlichen Kurve das Schild aufzustellen: `Achtung Todeskurve! Juden 120 Stundenkilometer!`
      Was als absurd-ironischer Vorschlag gedacht war, wurde jedoch von der zuständigen Straßenbehörde in jener Zeit als ernstgemeinter Vorschlag behandelt und bürokratisch auf "Verwirklichungsmöglichkeit" hin geprüft!
      Unglaublich aus unserer heutigen Sicht, nicht?
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:37:51
      Beitrag Nr. 67 ()
      So, und jetzt ganz der Reihe nach: #63

      Ich weiß gar nicht, ob Frauen so gerne Horror-Romane lesen/schreiben (Draculas Autor Bram Stoker war wohl maskulin?); mir erzählte eine Freundin, die während ihrer Schwangerschaft "Rosemarys Baby" sah, daß sie sich furchtbar gegraust habe (welche Reaktion sie mit Sicherheit nicht gesucht hatte). Ich persönlich mag "Horror" deshalb, weil mich "Liebe" langweilt und Krimis oft sowieso unglaubwürdig sind. Ich persönlich suche bei "Horror" u. Verwandtem nicht den "Grusel", denn mich gruselt`s dabei nicht (was mich gruselt, ist eher das Nachdenken über z. B. die Ursachen Kinderschändung). Der einzige Film, bei dessen erstmaligem Sehen es mich wirklich gegruselt hat, waren Hitchcocks "Vögel".

      .
      Von daher bin ich immer noch ziemlich verständnislos, wenn ich Deine Ablehnung von "Eins, zwei, drei" betrachte, denn das kommt mir immer noch wie ein "Trugschluß der Verallgemeinerung" vor: Du hast offensichtlich etwas gegen das ganze Genre der satirischen Filme mit Bezug zur Zeitgeschichte. Aber das ist auf den einzelnen Film bezogen für mich so als würde ich sagen: "O.K., ich halte nichts vom Fußball, weil ich fünf Spiele von Hintertupfingen gegen Vordertupfingen gesehen habe. Das war langweilig und deshalb werde ich mich auch nicht das Länderspiel Brasilien gegen Deutschland ansehen, weil das bestimmt genauso langweilig werden wird."


      Ich dachte, ich hätt`s schon ganz klar gesagt: Speziell das von dir beschriebene Szenario dieses Films lehne ich zwar nicht ab, möchte ich mir aber nicht antun, weil ich weiß, daß es mir sehr nahegehen wird, und solche Emotionen meide ich. Das ist emotional und braucht also nicht logisch zu sein, ist aber wiederum durchaus logisch, wenn du einfach mal vorausschickst, daß ich es vermeide, meine Seele zu malträtieren. Damit ist nichts gegen das Filmgenre im allgemeinen und nicht einmal etwas gegen diesen Film im besonderen gesagt. Meine Vorausreaktion geht ganz individuell und möglicherweise singulär von mir aus!

      Karl Valentin ist zweifelsfrei ein wenig veraltet. Aber für Österreich sicher noch ganz aktuell. Wesentlich die Betrachtung, ob es Semmelknödel oder Semmelnknödeln heißen müßte.

      :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:49:49
      Beitrag Nr. 68 ()
      Kommen wir noch einmal zurück auf die Kyniker, Juvenal und die Stoiker - unweigerlich kommen wir auch auf die Vorsokratiker, die also den Kynikern weit voraufgehen. Von Progaroas (5. Jh. BC), zählt zu den Sophisten, stammt: "Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden `als welche, die sind`, der nicht seienden `als welche, die nicht sind`." Womit er sich gegen den Eleaten Parmenides richtete, der sich, wie auch Gorgias, mit dem Seienden und dem Nichtseienden befaßte (wohl ein zentrales Thema der Vorsokratiker), Gorgias schrieb über "das Seiende in seinem Aufschluß als Seiendes" wie auch über "das Nichtseiende in seinem Aufschluß als nicht Seiendes". Kann/muß/soll man das ernst nehmen? Kann man sich damit auseinandersetzen, oder versagt der Verstand angesichts des Unverständlichen und verrät uns so, daß wir in Satire "ausweichen", wenn wir außerstande sind, etwas ernsthaft zu behandeln, weil es uns nicht ernstzunehmen erscheint?

      Sei`s drum. Oder auch nicht.
      :D
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:49:53
      Beitrag Nr. 69 ()
      Zu Posting # 67:
      Ich dachte eigentlich auch mehr an Mary Shelley und ihren Frankenstein als an Bram Stokers Dracula.
      Aber ich habe mal eine Buchhandels-Statistik gesehen, wonach viel mehr Frauen Horror-Romane kaufen und lesen als Männer.
      Ich habe nur nie so ganz verstanden, wieso.

      Und dann gehen wir doch zur "Anti-Aversions-Therapie" mal ins Detail:
      ;)
      Was genau geht dir bei solchen Dialogen emotional sehr nahe?:
      Schlemmer: Die Herren Kommunisten sind eingetroffen.
      MacNamara: Sollen reinkommen! [...]
      Peripetchikoff: Also Genossen, was sollen wir jetzt machen? Er hat es, wir wollen es. Sollen wir annehmen seinen erpresserischen kapitalistischen Handel?
      Mishkin: Wir abstimmen.
      Peripetchikoff: Ich stimme ja.
      Mishkin: Ich stimme ja.
      Peripetchikoff: Also zwei von drei. Handel in Ordnung!
      Borodenko: Genossen, bevor ihr macht Dummheit, ich muss warnen. Ich bin nicht Mitglied von Handelskommission, ich bin Geheimagent mit Auftrag, Euch zu überwachen.
      Mishkin: In dem Fall ich stimme nein. Handel ist aus.
      Borodenko: Aber ich sage ja!
      Peripetchikoff: Wieder zwei von drei. Handel in Ordnung.

      Oder:
      Otto: Sind denn alle Menschen in der Welt korrupt?
      Peripetchikoff: Ich kenne nicht alle Menschen.

      Oder:
      MacNamara (der allen Deutschen den Nazismus-Vorwurf macht, nicht weil er Antifaschist ist, sondern um sie gefügig zu machen):
      Na also, unter uns, Schlemmer, was haben Sie während des Krieges gemacht?
      Schlemmer: Ich war in der Untergrund ... äh, the underground.
      MacNamara: Widerstandskämpfer?
      Schlemmer: Nein, nein! Schaffner. In der Untergrund, in der U-Bahn.
      MacNamara: Und natürlich waren sie kein Nazi und waren nie für Adolf.
      Schlemmer: Welchen Adolf?

      Und noch einen:
      MacNamara: Ein Teil der östlichen Volkspolizisten war bösartig und unwillig. Dafür waren andere unartig und böswillig.
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:56:32
      Beitrag Nr. 70 ()
      #66

      Man spricht aber eigentlich nur von "unfreiwilliger Komik".
      Satire erkennen: solange es sich nur um Verbalien handelt, sind die Folgen davon, daß man etwas als beabsichtigte oder unfreiwillige Satire erkennt, zunächst unschädlich. (Außer in einer Diktatur, wenn Kritik, satirisch verpackt oder nicht, grundsätzlich nicht geduldet und der Kritikübende allein schon für verbale Äußerungen "drakonisch" bestraft wird.)

      "Unglaublich" kann man das in 66 geschilderte finden, wenn man entweder in einem mental gesunden Staats- und Gemeinwesen lebt oder wenn man blind ist für die aktuell präsenten Unglaublichkeiten.
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 13:58:45
      Beitrag Nr. 71 ()
      Zu Posting #68:
      Ich habe leider nie so richtig gnadenlos Philosophie studiert, so daß mir nie völlig klar geworden ist, was genau "Seiendes" ist. Man könnte da mit dem Gegensatz zwischen Hyle ("Stoff, Form" ) und Logos ("ordnender Geist"/ Gott / Götter) ansetzen. Der Mensch ist nach einigen griechischen Philosophen sowohl der einen wie auch der anderen Kategorie zuzuordnen. Ich vermute, daß damit oder so ähnlich auch das "Seiende" betrachtet werden kann. Ein Mensch könnte in Teilen sowohl als "seiend" als auch als "nicht-seiend" betrachtet werden.
      Was genau aber das eine oder andere sein soll, habe ich nie so ganz kapiert.
      So etwas ähnliches gibt`s ja auch gerade in der "Unschärferelation" der kleinsten Elementarteilchen wie den Quarks. Sie könnten zeitweilig sowohl Materie als auch Energie wie das Licht sein. Wenn sie aber beides gleichzeitig sein können, dann müßten sie sich zeitweilig auch an zwei verschiedenen "Orten" gleichzeitig aufhalten können.
      Aber so ganz hat das wohl auch noch niemand verstanden. Obwohl ich manchmal gerne an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig wäre...
      ;)
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:02:21
      Beitrag Nr. 72 ()
      #69


      Frankenstein: Ist doch ganz einfach: Sie schenken die Horrorromane ihren Männern und Freunden ...

      Film: Würdest du Schwarzwälder Kirschtorte essen, wenn du zwar Kirschen, aber keine Sahne magst? Ich meine gar nicht einzelne Verbalhumoresken. Zu dumm, daß ich noch nicht schwerhörig bin und mein Hörgerät nur von Fall zu Fall aufsetzen könnte ...
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:08:14
      Beitrag Nr. 73 ()
      Das Seiende ist das Existente, das Nichtseiende das jeweilige Gegenstück. Man könnte es mathematisch mit der non-Funktion erklären. Oder mit der Tag-Nacht-Ausschluß-Theorie (s. oben): Wenn Tag, dann nicht-Nacht und umgekehrt. Dieses Beispiel bezieht allerdings die Zeit mit ein: das Seiende ist dabei das jetzt-Seiende.
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:14:47
      Beitrag Nr. 74 ()
      Aus dem dtv-Atlas zur Philosophie (ISBN 3-423-03229-4):

      Die Lehre des Parmenides von der Einheit des Seins: Das Seiende zeichnet sich aus durch die attribute "unentstanden, unvergänglich, ganzheitlich, unbeweglich, zeitlos, eines, kontinuierlich." Die Existenz von Nicht-Sein dagegen wird bestritten, daher der grundlegende Satz: "Das Seiende ist; dasNicht-Seiende ist nicht."
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:27:26
      Beitrag Nr. 75 ()
      Ad Posting # 72: Aber klar würde ich die Schwarzwälder Kirschtorte essen. Ich bin "Schwarzwälder Kirschtorten Epikuräer"! Ich würde das Ding schichtweise auseinandernehmen und den Sahneteil irgendwie meiner Mutter und sonstigen Verwandten andrehen. Bei Torte bin ich rücksichtslos und grausam!

      ad Postings # 73 & 74:
      Wenn ich unter Vollnarkose bin, ist dann mein bewußter Verstand nach diesen Definitionen "seiend" oder "nicht-seiend"?
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:28:29
      Beitrag Nr. 76 ()
      Aus derselben Quelle:

      "Aber dasselbe ist Denken und Sein." Woraus zu folgern wäre, daß Nicht-Denken Nicht-Sein ist. Was nur dann stimmt, wenn jedwedem Existenten Denkvermögen zugesprochen wird. Kommen wir nochmal auf Chrysipp:

      Der Hundesyllogismus (Hg Weinkauf, Die Stoa):
      Nach Chrysipp, der doch am wenigsten für die vernunftlosen Tiere Verständnis hatte, nutzt sogar der Hund die vielgepriesene Dialektik. Jedenfalls behauptet unser Philosoph, der Hund arbeite mit dem fünften mehrgliedrigen Unbeweisbaren. Wenn er an einen Dreiweg komme und dort mit seinem Spürsinn die beiden Wege überprüft habe,d ie das Wild nicht gelaufen sei, laufe er sofort, ohne weiter zu spüren, den dritten Weg entlang. Denn der Hund bilde, so erklärt der alte Philosoph, folgenden Schluß: "Entweder lief das Wild her, da oder dort durch; nun ist es aber nicht hier und auch nicht dort entlanggelaufen; also hat es den dritten Weg genommen."

      Unterstellen wir Parmenides ein "Ich denke, also bin ich", so ist, wer/was denkt, auf alle Fälle existent. Nicht unbedingt aber muß was existent ist, auch denken. Das ist eben das Problem mit den Vorsokratikern, daß man mit Logik und Mathematik hier nicht weiterkommt. Wir müssen uns also an die Aussage an sich halten. Ob sie wahr ist, können wir nur feststellen, indem wir Beispiele finden, weil eben die beidseitige Negation wie auch der Umkehrschluß möglicherweise nicht funktionieren. Wenn jedoch etwas "dasselbe" ist, so ist es umkehrbar und nicht nur Implikation.

      Wenn ich an dieser Stelle hier aufgebe und mich auch nicht auf die wortreichen Elaborate zahlreicher Philosophen und Dozenten, die es alle eben auch nicht verstanden haben, einlasse, so mit dem provokativen Seufzer: Da hat einer einmal einen Ausspruch getan, und hunderte von Jahren später meint man, dieser Satz müsse das Nonplusultra geistiger Erkenntnis sein!
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:34:47
      Beitrag Nr. 77 ()
      Dem zufolge könnte mein Bewußtsein unter Vollnarkose also sowohl "seiend" als auch "nicht-seiend" sein, wenn ich es (un)richtig verstanden habe!? Hm, das habe ich befürchtet. Kennst Du eigentlich die "Hameroff-Penrose-Theorie" zum Bewußtsein in Ansätzen?
      (Siehe dazu meinen gerade hervorgekramten Thread über das "Theodizee-Problem" und dessen letztes Posting. Aah, ich liebe es manchmal, wenn ich mich selbst zitieren kann! ;) )
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:43:25
      Beitrag Nr. 78 ()
      Ups, ich fürchte, ich muß für heute mal wieder weg.
      Tschüß,
      Auryn
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 14:50:19
      Beitrag Nr. 79 ()
      Nach diesem ebenso bösen wie hilflosen Einwurf aber nochmal zur Sache.

      Taureck definierte in einer Vorlesung das Problem folgendermaßen:

      WAS NICHT IST, KANN NICHT GEDACHT WERDEN.

      (Das ist eine Form der beidseitigen Negierung, zurechtgeschliffen in eine auf den Menschen bezogene Form, von der man aber eigentlich nicht zwingend ausgehen muß. Leider ist Parmenides ja nur fragmentarisch erhalten, so daß wir eigentlich fast nur die Aussage als Schlußfolgerung oder einer Erklärung vorangehend haben.)

      Andere Ansätze:

      Dasselbe ist Denken und Sein > Dasselbe (was existiert) kann gedacht werden.

      (Ich bezweifle, daß der griechische Text diese verrenkte Übersetzung zuläßt.)

      Dies alles bezieht sich auf Fragment I des P. Es gibt aber auch noch Fragment III, welches da lautet: "Dasselbe ist zu gewahren und zu sein."

      Wenn Parmenides in seinem Werk mehrere "Dasselbe" behandelt, so müßten diese sich immerhin voneinander unterscheiden. In III geht es aber wieder um das "sein" - eigentlich ein Verb, als Seiendes substantiviertes Präsens-Partizip. Muß man nun folgern, daß denken und gewahren dasselbe seien, weil sie beide ins "Sein" münden? Oder will Parmenides das "Sein" definieren, indem er alles, was eine nicht negierende Entsprechung zu diesem hat, auflistet? Buchheim (Die Vorsokratiker): "Die eigentliche Schwierigkeit des Gedankens von Parmenides ist immer die, daß die Asymmetrie gewahrt bleibt und keine Parallelisierung oder korrespondierende Gleichberechtigung von "seiend" und "nichtseiend" für die Gewahrung des Nous einreißchen darf. Es reicht also nicht zu sagen: Das Seiende ist - seiend, und so wird es gewahrt durch de3n Nous, während das Nichtseiende nichtseiend ist und sntsprechend auch als nichtseiend vom Nous vermerkt wird. Ebensowenig genügt es zu sagen: Das Nichts ist eben nicht; sondern man muß begreifen, wie und warum es dem Nous derart verweigert bleibt, daß er allein in der Beanspruchung durch das Seiende steht. Das ist aber nur von daher begreiflich, daß zu sein schon die dem Nous geeignete Aufgeschlossenheit mitbringt, also jenes hos von hos estin aus sich selbst bereits besitzt. Hingegen geht dieser Charakter von Aufgeschlossenheit dem Nichtseienden gerade ab, somit läuft es dem Nous zuwider und vermag ihm nicht einmal als nichtseiend gefügig zu werden." (S. 121)
      An einer späteren Stelle des Gedichts (aha!!!) bekräftigt Parmenides dies nochmals mit aller Deutlichkeit: "Dasselbe ist zu gewahren und auch das, weshalb ein Gewahren insgesamt ist. Denn nicht ohne das Seiende, in dem es bestätigt ist, wirst du das (Es-)Gewahren finden." (Fragm. 8,34-36)" (S. 122)
      Vielleicht alles nur ein Problem des Versmaßes ....??????
      :D
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 15:31:04
      Beitrag Nr. 80 ()
      Um zu sehen, wohin sich das dumme Lied des Parmenides entwickelt hat, müssen wir uns noch die Atomisten zur Brust nehmen. Ich zitiere aus Reclams Griechische Atomisten, Hg. Jürß e.a.:

      "Mit methodischer Strenge haben Leukippos und Demokrit aufgrund einer einheitlichen Lehre über alle Erscheinungen geurteilt, wobei sie den Ausgangspunkt entsprechend der Natur nahmen, so wie sie ist. Einige der alten Philosophen waren nämlich der Meinung gewesen, daß das Seiende mit Notwendigkeit eines und unbewegt sei. Das Leere nämlich sei nichtseiend, Bewegung aber unmöglich, wenn es nicht ein (vom Seienden) abgesondertes Leeres gebe. Desgleichen könne es nicht Vieles geben, wenn nichts sei, was das Viele voneinander trenne. (Aristoteles, Über Entstehen und Vergehen 1,8)"

      "Leukippos und Demokrit behaupten, daß aus unteilbaren Körpern das übrige zusammengesetzt sei; diese (Körper) aber seien unendlich an Zahl und Gestalt. Sie selber aber (die übrigen Dinge) unterschieden sich voneinander (durch die Atome), aus denen sie beständen, und durch deren Lage und Anordnung. (Aristoteles, Über Entstehen und Vergehen 1,1)"

      Demokrit sagt: Wenn in engem leerem Raum viele kleine Körper sind - er nennt sie Atome -, so ergibt das Wind. Umgekehrt sei das Verhalten der Luft ruhig und friedlich, wenn in viel leerem Raum nur wenig Körper sind. Denn so wie man auf Markt oder Straße ohne Beläastigung umherwandern kann, solange der Besuch gering ist, während ein Kampf der einen gegen die anderen einsetzt, sobald auf engem Raum eine Volksmenge zusammenströmt: ebenso ist es in dem uns umgebenden Raum unvermeidlich, daß, wenn viele Körper einen winzigen Raum gefüllt haben, die einen auf die anderen treffen, sie stoßen und zurückgestoßen werden, sich verflechten und verdichten. Daraus entsteht Wind, wenn nämlich diejenigen Körper, die in Kampf miteinander geraten waren, sich neigen und nach langem und unentschiedenem Hinundherschwanken nach unten senken. Wenn hingegen in einem großen, weitläufigen Raum nur wenige Körper enthalten sind, können sie Stöße weder austeilen noch empfangen. (Seneca, Naturuntersuchungen 5,2)."

      Ist die Wissenschaft eigentlich mittlerweile wesentlich weiter gekommen? :D
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 16:15:21
      Beitrag Nr. 81 ()
      Für eine klitzekleine Frage an Dich als "Parmenides-Experten" muß doch noch ein bißchen Zeit sein, aber für das nächste Posting reicht`s bestimmt nicht mehr:
      Stimmt eigentlich aus Deiner Sicht, was ich in Posting # 10 von der Bibel-Version 2.0 geschrieben hatte, oder hast Du etwas anderes in Deinen Büchern dazu gefunden?:
      (Dann hätte sich nämlich die Wissenschaft zumindest in Physik tatsächlich gar nicht mal so wahnsinnig weit von Parmenides entfernt.)

      Schon in der Antike fragte der Philosoph Parmenides: "Welche Notwendigkeit hätte das Seiende veranlassen können, aus dem Nichts zu entstehen?"
      Und was war mit der Zeit? In einem "Schwarzen Loch" existiert nach Meinung der heutigen Astronomie vermutlich gar keine Zeit. War der Urknall ein "Weißes Loch", das auch die Zeit in Gang setzte? War vorher nur "Nicht-Zeit"?
      Parmenides hatte auf philosophischem Weg eine Antwort, einen ganz eigenen Schöpfungsmythos "gefunden", welcher der modernen Astronomie ähnelt: Am Anfang aller Welten war nur "EINS", "das Eine" und daraus entstand ein unvorstellbar mächtiger "gedanklicher Wille", der "das Eine" teilte, das bis dahin keinen Raum brauchte, und damit Raum und Bewegung schuf und damit die Zeit, denn Bewegung im Raum ist nur in der Zeit möglich. Nach Meinung der antiken Schüler des Parmenides ruht diese Zeit innerhalb der Ewigkeit und der Wille, der sie entstehen ließ, steht "quer" zu ihr und er kann diese Zeit beeinflussen, denn er überblickt alle Zeit. Denn die Ewigkeit, in der sich "das Eine" befindet, ist nicht nur "Nicht-Zeit", sondern etwas ganz anderes; sie ist eine andere Dimension, aus der die Zeit wie eine Blume der Ewigkeit blüht. (Echt hübsches Bild! Nicht?)
      Und "das Eine" konnten die Jünger des Parmenides, wenn sie es wollten, auch als "Gott" bezeichnen.
      Bezogen auf die drei monotheistischen Weltreligionen ist nun natürlich interessant, dass sich bewahrheitende Prophezeihungen immer als Beweis für die göttliche Berufung eines Propheten betrachtet wurden, denn ein "historisches" Ereignis, das von einem Propheten im voraus beschrieben wurde, konnte natürlich nur von jemandem gekannt werden, der mit dem "Herrn der Zeit" in engem Kontakt stand.
      So kann man aus heutiger Sicht sagen, dass zutreffende Prophezeihungen, die Zeit und der Zufall in einer engen Beziehung miteinander stehen müssen.
      Aber wie gesichert sind überhaupt die Axiome, auf denen unsere wissenschaftliche Logik in Bezug auf die Schöpfung der Welt oder in Bezug auf "den Zufall" ihrer Schöpfung beruht?
      Was den Unterschied zwischen dem modernen wissenschaftlichen Mythos vom Urknall und früheren Schöpfungsmythen der Menschheitsgeschichte betrifft, so besteht er lediglich darin, dass sich die Naturwissenschaft immer wieder selbst in Frage stellt und dass wir zur Beobachtung unserer Vorstellungen Experimente durchführen. Leider entzieht sich der Urknall durch seine räumlich-zeitliche Ferne bislang den meisten Experimenten. Ebenso entziehen sich die meisten Experimente zum Thema Zufall einer genaueren Untersuchung, da das Kennzeichen "zufälliger Ereignisse" innerhalb der Menschheitsgeschichte meist ihre experimentelle Unwiederholbarkeit aus menschlicher Sicht ist.
      Von daher könnte man den "Zufall" des Urknalls und die Entstehung der Welt genauso "logisch" begründen wie einen Schöpfungsmythos, nachdem alle Welten von einem riesigen Wesen ausgeniest worden sind. (Douglas Adams sah in einem solchen Mythos natürlich die größte begründete Furcht der Gläubigen vor der Ankunft des "großen weißen Papiertaschentuchs"!)
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 17:50:18
      Beitrag Nr. 82 ()
      oje ... Also, Parmenides-Experte hört sich gut an. Dabei habe ich mich bloß mal kurz damit befaßt. Ich will deine Frage jetzt nicht auf die Schnelle abhandeln, wie ich das nun schon kenne, wird`s immer etwas länger. Mach` ich also heute abend. Bis dann oder so.
      Mirabellchen :)
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 18:57:34
      Beitrag Nr. 83 ()
      Versuch einer Antwort:

      Zum Urknall:
      Soweit ich weiß, pulsiert das Weltall, d. h. der Urknall zerstreute eine vorhandene Materiemasse, das Weltall begann sich auszudehnen. Irgendwann wird sich der Prozeß umkehren, d. h. die Materie sich auch wieder ballen usw. (Neueste Berichte über sog. Killersterne, sozusagen wandernde Schwarze Löcher, lassen uns wissen, daß diese problemlos unseren Planetenring fressen würden.) Auf alle Fälle bedeutet diese Theorie, daß Masse vorhanden ist. Woher? Null Schimmer von nix. Vielleicht die Kegelkugel vom Lieben Gott. :D

      Zu Parmenides:
      Wer sagt, daß das Seiende aus dem Nichts entstanden ist? Eine Art von Erklärung könnte der Hinweis auf den biologischen Schöpfungsakt sein ... ein winzig kleines Spermchen trifft auf ein Ei, und es entsteht ein Mensch von schließlich beträchtlichem Umfang :D und Gewicht :mad: .Der sich wiederum fortpflanzt und ganze Völkerschaften zeugt. Nach den Gesetzen der Physik bleibt ja alles gleich, es verlagert sich allenfalls, d. h. der Mensch muß all sein Gewicht aus anderen Materialien schaffen, Nahrung z. B., die heranwächst, dafür Wasser, Mineralstoffe und Erde verbraucht (und nach Absterben wieder Erde schafft). Wir wissen aber auch aus der Genetik, daß das Wachstum des Menschen festgelegt ist. Egal wie viel Nahrung jemand zu sich nimmt: gehört er einer kleinwüchsigen Rasse an, wird er kleinwüchsig bleiben. Ja, und woher kam das Spermchen? Usw. usw. Setzen wir diese Überlegung in eine Gesetzmäßigkeit um und übertragen diese wieder auf unser Weltallproblem, so müssen wir annehmen, daß Zeugung, Wachstum, Sterben im Wechsel auch hier erfolgen oder sich auch überlagern können. Interessant hierbei: die Zahl der Menschen auf der Erde nimmt zu, aber meines Wissens wird die Masse der Erde nicht weniger. Wie das?? Unappetitlicherweise könnte man annehmen, daß der Mensch für von der Erde stammende Masse nur als Katalysator dient ... als eine Art gigantischer Kompostwurm ...

      Parmenides begeht eine für die Vorsokratiker bezeichnende Unlogik: er unterscheidet zwar das Seiende und das Nichtseiende und vergleicht sie, setzt aber voraus, daß am Uranfang nur eines von beiden vorhanden gewesen sein müsse, und zwar das Nichtseiende. Warum? Daß etwas „entstanden“ sein müsse – und damit auch an ein Zeitkontinuum gebunden – ist Menschendenken. <Der menschliche Geist, so B. Taureck in „Philosophie und Metaphilosophie“ ist aber naturaliter weder metaphysisch noch nicht-metaphysisch. ... weil es den menschlichen Geist nur als ein gigantisches, individuelles Totum oder als real existierendes Genus (d. h. nur nominalistisch oder realistisch) geben könnte, d. h. man stünde schon auf dem Boden metaphysischer Annahmen, wenn man sich derartige Fragen wie der von der Natur des Geistes stellen würde. ... Es werde immer sinnvoll sein, die Frage zu stellen, was das Sein sei(G. Martin) ... Auf diese Weise wird die Aristotelische Frage „Was ist das Seiende?“ aus ihrem metaphysischen Beantwortungskontext in etwas anderes verformt. Metyphysik wird Aporektik. Für Aristoteles besagte „Aporetik“: Philosophiert man so wie meine Vorgänger, dann gerät man in Schwierigkeiten, die man wohl erzeugen, aber nicht mehr selber lösen kann. „Aporetik“ im Sinne Martins meint: die Fragen, die sich in metaphysischer Form aufdrängen, sind aufgegeben, aber nicht auflösbar.>

      Zur Evolution:
      Das ist alles keine konkrete Antwort, und deshalb nannte ich es einen Versuch. Ich befrage jetzt einmal Max Delbrück, einen von mir bevorzugten Philosophen, der eigentlich Physiker ist. (Max Delbrück: Wahrheit und Wirklichkeit)
      <Die derzeit akzeptierte Auffassung von der Schöpfung des Universums ergibt sich aus der Beobachtung, daß die Frequenzen des Lichtes, das uns aus fernen Spiralnebeln erreicht, von höheren .. zu tieferen .. hin verschoben sind. Diese Rotverschiebung wird durch den Doppler-Effekt interpretiert ... Mit anderen Worten, die Rotverschiebung entsteht dadurch, daß sich die Spiralnebel ... von uns wegbewegen ... Die Gtatsache, daß die Fluchtgeschwindigkeit proportional zur Entfernung ansteigt, bedeutet, daß sich das Universum ausdehnt ... Bliebe seine Größe dagegen kosntant, dann müsste die Geschwindigkeit des Zurückweichens mit zunehmender Entfernung abnehmen. Wenn man nun davon ausgeht, daß das expandierende Universum als Produkt mit einem sehr kleinen Volumen angefangen hat, einer Explosion, und wenn man rückwärts in der zeit extrapoliert, kann man den Zeitpunkt abeschätzen, in dem der Anfang des Universums liegt. Dieser Anfang .... fand vor ungefähr 10 – 20 Milliarden Jahren satt. ... scheint das Universum homogen und isotrop zu sein. In welche Richtung man auch immer schaut, die Dichte der Materie bleibt gleich. ... Zur Zeit des Urknalls herrschten bei ungeheurer Dichte im Universum extrem hohe Temperaturen, so daß sich materie und Strahlung im thermischen Gleichgewicht befanden. Während der Expansion, die mit dem Urknall begann, ging dieses dynamische Gleichgewicht verloren, als die Dichte er Strahlung unter einen gewissen kritischen Wert absank. Von diesem Moment an begannen Materie und Strahlung getrennt zu expandieren, ohne sich noch weiter ineinander umzuwandeln.>

      Ende des ersten Teils des Versuchs einer Antwort
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 20:50:05
      Beitrag Nr. 84 ()
      Teil 2:

      Zunächst weiter Delbrück.
      "Die Evolution des Universums ist nur partiell deterministisch, d. h. sie kann nur zum Teil durch Gesetze erklärt werden, bei denen sich aus einer angegebenen Menge von Anfangsbedingungen ein Endzustand entwickelt. Das Universum hat ebenso eine indeterministische oder zufallsabhängige, stochastische Komponente, die den Kräften der Gravitation zugeschrieben werden kann, denen das ursprüngliche Gas unterworfen ist und die vorhandene infinitesimale Fluktuationen in der lokalen Dichte der Materie extrem verstärken können. (im stochastischen Fall können sich aus gegebenen Anfangsbedingungen mehrere Endzustände entwickeln.) ... Solch eine Unbestimmtheit durch Verstärkung kleiner Fluktuationen bemerkt man auch bei den Prozessen, die die organische Evolution betreffen. ... Die Zukunft des Universums ist in gleicher Weise indeterminiert. Vielleicht gibt es genügend Materie im Universum, so daß deren Gravitation die gegenwärtige Expansion, welche die explosiven Kräfte des Urknalls geschaffen haben, konstant verlangsamen kann. In diesem Fall käme die Ausdehnung zu ihrem Ende, doch nur, um von einer Kontraktion, einer Implosion, abgelöst zu werden. Das Ergebnis wäre ein „Big Crunch“, dem vielleicht erneut ein Urknall ... folgen würde. Die gegenwärtig besten Schätzungen deuten jedoch an, daß zu wenig Materie für einen „Big Crunch“ vorhanden ist; wenn dies stimmt, kann das Universum fortfahren, sich immer weiter auszudehnen.“

      Daraus entnehmen wir, daß am „Anfang“ Materie – wohl gasförmig – vorhanden war. Woher? Um diese Frage beantworten zu können, müssten wir wissen, was sich außerhalb des Universums befindet. Das ist nicht erforschbar. Man könnte an eine beliebige Anzahl weiterer Universen denken; diese müssten, wenn sich alle zugleich ausdehnen, irgendwann aufeinanderprallen, evtl. verschmelzen bzw. ineinander übergehen zu einem Ultrauniversum. Wenn sich aber nur einige im Zustand der Ausdehnung, andere zugleich im Zustand der Kontraktion befinden, so könnten sie einander ausweichen. Diese Überlegungen beantworten aber alle nicht unsere ursprüngliche Frage nach dem Woher der ersten Materie. Da wir es nicht mittels Wissen ergründen können, versuchen wir eine Art von Metalogik: Wenn ein Universum ein sich zwar ausdehnendes, aber eigentlich „abgeschlossenes“ System ist, so können Massezuwächse von außen, d. h. von anderen Universen gekommen sein. Nehmen wir dies an, so transferieren wir die Frage nur bzw. weiten sie aus auf die Frage, woher denn Materie in evtl. mehreren Universen gekommen sein mag außer durch permanenten Austausch zwischen diesen. Gehen wir von der Einzigartigkeit unseres Universums aus, muß die Materie, die sich darin befindet, in ihm selbst entstanden oder „schon immer“ dagewesen sein. Da wir aber „den Anfang aller Dinge“ weder bestimmen noch beschreiben können, müssen wir feststellen, daß wir nicht es nicht wissen. Da ist und bleibt unser Geist beschränkt, selbst das Essen von Äpfeln bringt keine Erkenntnisse. Ob etwas „nichts“ oder „Materie“ ist, ist schließlich auch eine Frage der Definition. Wir würden einen Raum stets als „leer“ bezeichnen, wenn keine sichtbare Materie darin ist. Ein Universum mit wohltemperiertem farblosem Gas darin wäre also für einen „Betrachter von außen“ auch „leer“. Und können wir eigentlich sicher sein, daß es außer den uns bekannten Aggregatzuständen von Materie keine weiteren gibt?

      Um auf Parmenides zurückzukommen: sein Wort ist nicht Gesetz (und selbst Gesetze haben nicht uneingeschränkt Gültigkeit). Ich erinnere nur an die auch aus der griechischen Philosophie stammende Idee von „Sphärenklängen“. Bisher hat aber meines Wissens noch kein Raumfahrer im All Töne feststellen können. Vielleicht hat man nur verabsäumt, Messgeräte für sämtliche möglichen Frequenzen mitzunehmen? Oder habe ich hier evtl. eine Wissenslücke? Letztlich ist die logische Folgerung, die wissenschaftliche Analyse oder die Hypothese ebenso in Frage zu stellen wie der teils "unlogische" Ideenreichtum früher Philosophen, deren einige erstaunliche Wahrheiten vorweggenommen haben.

      A. Tarski schreibt über die logische Folgerung (in Logischer Rationalismus von D. Pearce und J. Woleriski, beide Hrsg.):

      „... Die von R. Carnap vorgeschlagene Definition lässt sich folgendermaßen wiedergeben: Die Aussage X folgt logisch aus den Aussagen der Klasse K dann und nur dann, wenn die Klasse, die aus allen Aussagen der Klasse K und aus der Negation der Aussage X besteht, kontradiktorisch ist....“

      Alles klar? :confused:
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      schrieb am 13.05.03 22:37:40
      Beitrag Nr. 85 ()
      Aus dem Wissenschaft-Online Nachrichten-Archiv:


      30.04.2002
      Ein Urknall ist ganz normal
      Das kosmologische Standardmodell ist in Gefahr. Zwei Forscher postulieren membranartige Paralleluniversen, die sich ab und an berühren und so in steter Folge neue Universen produzieren. Ganz nebenbei erklärt das neue Modell auch dunkle Energie und dunkle Materie.
      In Wahrheit nehmen wir mit den vier bekannten Dimensionen in Raum und Zeit nur einen Teil der alles in allem elf-dimensionalen Raumzeit wahr. Unsere vier-dimensionale Welt bewegt sich auf Membranen - oder abgekürzt branes - entlang der übrigen Dimensionen, die in sehr kleinen wie in sehr großen Maßstäben verborgen liegen.
      Es ist in der Tat nicht ganz einfach, die Gedanken von Paul Steinhardt von der Princeton University und Neil Turok von der University of Cambridge in einfache Worte zu fassen, dabei rütteln die Forscher mit ihrem zyklischen Modell der Kosmologie an dem lange bewährten, wenngleich nicht lückenlosen Standardmodell.
      So fehlte bislang die Möglichkeit, in die Zeit vor dem Urknall zu schauen, dieser Singularität, als Raum und Zeit eins waren. In dem Modell von Steinhardt und Turok leben wir in einer vier-dimensionalen Membrane, zu der es ein spiegelbildliches Gegenstück gibt - ein Paralleluniversum.
      Die Forscher postulieren nun, dass diese branes regelmäßig kollidieren - zum letzten Mal geschah dies vor 13 oder 14 Milliarden Jahren. Genau wie infolge des Urknalls, hätte die Kollision beider Welten alle Strahlung und Materie des von uns zu beobachtenden Universums hervorgebracht. Danach entfernten sich die branes voneinander und dehnten sich über viele Milliarden Jahre lang aus - genauso, wie wir es heute beobachten.
      Doch beide branes sind über eine unsichtbare Kraft in der fünften Dimension miteinander verbunden. Mit zunehmender Expansion gewinnt sie schließlich die Überhand und zieht die Membranen erneut zueinander - bis diese sich erneut berühren und zwei neue Universen entstehen. Die Singularität bedeutete dann lediglich das kurzzeitige Verschwinden dieser fünften Dimension während der Kollision. Der Urknall wäre nicht Ursprung von Zeit und Raum, sondern ein Teil davon.
      Den besonderen Reiz bekommt dieses "ekpyrotische" Modell von Steinhardt und Turok, in dem aus einem big bang unzählige big splashes werden, denn die Materie beider Welten kann miteinander wechselwirken. Die geheimnisvolle und unsichtbare dunkle Materie, die für das Rotationsverhalten von Galaxien verantwortlich ist, könnte so Folge der Gravition aus dem Paralleluniversum sein.
      Auch die dunkle Energie, jene abstoßende Kraft, mit der die beschleunigte Expansion des Weltalls begründet wird, lässt sich mithilfe des kosmologischen Standardmodells nicht erklären. Im ekpyrotischen Modell indes ist sie für die abnehmende Entropie des sich ausdehenden Universums notwendig.
      "Vielleicht erwartet uns bei näherer Betrachung auf höherem mathematischem Niveau ja die totale Niederlage", meint Neil Turok. "Philosophisch gesehen ist das Modell jedoch ziemlich attraktiv, und ich bin mir sicher, dass es eine ganze Weile überdauern wird". Andrei Linde von der Stanford University hält davon wenig, er glaubt, dass sich dafür eigentlich niemand interessiert - abgesehen einmal von den Journalisten.
      Joachim Schüring
      Quellen:
      Science Now
      Nature Science Update
      Science 10.1126/science.1070462 (25. April 2002)
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 22:45:59
      Beitrag Nr. 86 ()
      Wenn ich mal meine Phantasie bemühe ... kommt meistens dabei etwas heraus, was ich dann irgendwo in wissenschaftlichen Meldungen wiederfinde. Offenbar ist meine Phantasie weniger phantastisch als realitätsbezogen.

      Wenn ich sie trotzdem mal bemühe, so meine ich:

      Gehen wir einmal aus vom Atommodell. Ein Kern, um den Partikel kreisen. Das gleiche finden wir im Weltall in Gestalt der Himmelskörper mit Monden und bei den Sonnen mit ihren Planeten. Dieses Prinzip, das dem Auseinanderstreben entgegenwirkt und immerhin diese "kleinen" Systeme als Einheit zusammenhält, scheint ein grundlegendes zu sein. Wir dürfen also wagen, es auf größere Systeme zu übertragen. Demzufolge müßten wir im Universum nach einem Zentralorgan suchen. Es muß nicht leuchten, wir müssen es nicht sehen können. Es muß auch vielleicht gar nicht innerhalb unseres Universums liegen. Was aber außen ist - und auch außerhalb möglicher weiterer Universen - müßte eigentlich noch leerer sein als die Universen. Innerhalb einer solchen Leere würden Universen durch ihre Inhaltsmassen in Beziehung zueinander treten, diese Beziehung dürfte sich ähnlich gestalten wie die von Räumen mit nicht starrer Eingrenzung im allgemeinen. - Irgendwie komme ich mir jetzt klein vor. :cry:
      Avatar
      schrieb am 13.05.03 22:50:05
      Beitrag Nr. 87 ()
      18.03.2002
      Prüfung bestanden
      Das kosmologische Standardmodell lässt sich nicht erschüttern. Jetzt wiesen Forscher nach, dass sich die Schwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung auch in der Zahl erkennbarer Galaxien widerspiegelt. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Hintergrundstrahlung das "Echo des Urknalls" ist.
      Die kosmische Hintergrundstrahlung ist der wichtigste Parameter im kosmologischen Standardmodell zu Ursprung und Wesen des Universums. Auch wenn sie erst 300 000 Jahre nach dem Big Bang entstand - als sich Atomkerne und Elektronen zu Atomen verbanden -, wird sie gemeinhin als "Echo des Urknalls" bezeichnet. Sie ist Ausdruck der Gleichmäßigkeit und Richtungsunabhängigkeit der physikalischen und geometrischen Parameter im Kosmos.
      Abgesehen von einer generellen und gleichmäßigen Krümmung gibt es demnach keine räumlichen Strukturen. Das Universum ist als Ganzes in jeder Hinsicht homogen und isotrop, jedwede Veränderungen sind nicht räumlicher sondern allein zeitlicher Natur. Jedenfalls gilt dies, wenn der Maßstab ausreichend groß gewählt wird, so um die 1010 Lichtjahre nämlich.
      Doch bei der Messung jener Hintergrundstrahlung stellte sich heraus, dass sie eben doch nicht vollkommen isotrop ist, dass ihre Temperatur in der einen Richtung höher ist als in der anderen. Der Grund für die winzigen Schwankungen der 2,7 Kelvin ist die relative Bewegung von Erde und Milchstraße im Universum. Aufgrund des Doppler-Effekts erscheint sie in Bewegungsrichtung um 0,1 Prozent wärmer und in der entgegengesetzten Richtung entsprechend kühler.
      Allerdings gibt es auch andere Stimmen, die sagen, dass die beobachtete Anisotropie auch Ausdruck einer tatsächlich existierenden Richtungsabhängigkeit sein könne, das Universum also als ganzes ein Dipol ist. Oder noch schlimmer: Die kosmische Hintergrundstrahlung sei womöglich überhaupt keine kosmische Eigenschaft, sondern ein lokales Phänomen. Kurzum, an dem homogenen und isotropen Standardmodell - der so genannten Robertson-Walker-Metrik - wird noch immer gerüttelt.
      Wenn die kosmische Hintergrundstrahlung in der Tat vom Urknall zeugt, dann muss sie wenigstens zwei Prüfungen überstehen. Erstens: Da sie infolge der Expansion des Universums abkühlte, muss ihre Temperatur in großer Entfernung zunehmen - denn der Blick in die Ferne ist ja immer auch ein Blick zurück in die Vergangenheit. Tatsächlich zeugen intergalaktische Moleküle von der Wirkung der ursprünglich bis zu 3000 Kelvin heißen Strahlung: Test bestanden!
      Zweitens: Ist die kosmische Hintergrundstrahlung isotrop, so muss sich die gleiche Richtungsabhängigkeit auch in der Dichte der Galaxien, Radioquellen und Quasare widerspiegeln. Denn die Milchstraße - und mit ihr die Erde - bewegt sich ja in der einen Richtung auf derlei Objekte zu und in der anderen von ihnen weg. Die Folge ist, dass schwach leuchtende Quellen in Bewegungsrichtung überhaupt erst sichtbar werden, während gerade sichtbare Objekte in unserem Rücken nicht mehr wahrzunehmen sind. "Vor uns" müssten wir also mehr sehen als "hinter uns". Wäre dem nicht so, könnte das Standardmodell begraben werden.
      Und auch diesen Test bestand die kosmische Hintergrundstrahlung mit Bravour. Chris Blake und Jasper Wall von der University of Oxford hatten die Kartierungen ferner Radioquellen durch das Very Large Array in New Mexico ausgewertet, einer extrem hochauflösenden, Y-förmigen Anordnung von 27, jeweils 25 Meter durchmessenden Radioantennen.
      In der Verteilung kosmischer Objekte offenbarte sich tatsächlich die gleiche Anisotropie wie in der Hintergrundstrahlung. Sie hatte die gleiche Richtung und ziemlich genau die erwartete Größenordnung. Das universelle Modell hat also weiterhin Bestand: Die kosmische Hintergrundstrahlung ist kein lokales Phänomen, sie ist tatsächlich das "Echo des Urknalls".
      Joachim Schüring
      Quellen:
      Nature 416: 132-133 (2002)
      Nature 416: 150-152 (2002)
      Avatar
      schrieb am 14.05.03 08:14:39
      Beitrag Nr. 88 ()
      Sind wir Nachfahren von Quarks?

      <Big Bang Cosmology Primer
      By Paul Shestople, 12/24/97
      Our understanding of the Universe has greatly increased over the past few decades. The current model of how the Universe formed is known as the Big Bang theory. This article discusses the highlights of that theory.

      Our Universe
      Two and a half models
      The steady state theory of cosmology claims that the Universe simply exists without changing with time. This theory presents many physical as well as philosophical difficulties. Evidence suggests that the Universe is expanding. While there are ways to explain expansion in a steady state universe, few astrophysicists believe this theory, because there is little evidence to support it. As the first widely held theory about the Universe it is included here for historical completeness.

      The big bang theory states that at some time in the distant past there was nothing. A process known as vacuum fluctuation created what astrophysicists call a singularity. From that singularity, which was about the size of a dime, our Universe was born.

      It is hard to imagine the very beginning of the Universe. Physical laws as we know them did not exist due to the presence of incredibly large amounts of energy, in the form of photons. Some of the photons became quarks, and then the quarks formed neutrons and protons. Eventually huge numbers of Hydrogen, Helium and Lithium nuclei formed. The process of forming all these nuclei is called big bang nucleosynthesis. Theoretical predictions about the amounts and types of elements formed during the big bang have been made and seem to agree with observation. Furthermore, the cosmic microwave background (CMB), a theoretical prediction about photons left over from the big bang, was discovered in the 1960`s and mapped out by a team at Berkeley in the early 1990`s.


      The Cosmic Microwave Background

      After some period of time following the big bang, gravity condensed clumps of matter together. The clumps were gravitationally pulled towards other clumps and eventually formed galaxies. It is extremely difficult to model how this clumping may have occurred, but most models agree that it occurred faster than it should have. A possible explanation is that right after the big bang the Universe began a period of exaggerated outward expansion, with particles flying outward faster than the current speed of light. This explanation is known as inflation theory, and has widespread advocacy within the astrophysics community because it reconciles theory with observation. It should be noted, however, that inflation theory is not directly verifiable.

      Whether you believe inflation theory or not, galaxies did form. And since they formed from matter that was moving rapidly, they also move rapidly. Due to a phenomenon called doppler shifting, the wavelength emitted by something moving away from us is shifted to a lower frequency, and the wavelength of something moving towards us is shifted to a higher frequency. A good example of this is the sound of a fire truck siren as it drives by; the pitch of the siren is higher as the fire truck moves towards you, and lower as it moves away from you. Although this example illustrates the effect for sound waves, the same effect occurs for all wavelengths (incuding light), the result being that visible wavelengths emitted by objects moving away from us are shifted towards the red part of the visible spectrum, or redshifted. And the faster they move away from us, the more they are redshifted. Thus, redshift is a reasonable way to measure the speed of an object (this, by the way, is the principal by which radar guns measure the speed of a car or baseball). Here`s the point: When we observe the redshift of galaxies outside our local group, every galaxy appears to be moving away from us. We are therefore lead to the conclusion that our Universe is expanding. This is called hubble expansion, after Edwin Hubble, who discovered the phenomenon in 1929.

      Here`s a subtle point that you may have wondered about: If we look out into the Universe and every galaxy we see is moving away from us, doesn`t that mean that we are at the center of the Universe? The obvious answer seems to be `yes`, but actually the answer is `no`. Hopefully the following analogy will explain why. Image a loaf of raisin bread baking in the oven. As the bread bakes it gets bigger, and every raisin moves away from every other raisin. Now imagine that you are sitting on one of the raisins (ignore the heat of the oven). All the other raisins are moving away from you, so you might conclude that you are at the center of the loaf of bread. But if you were on a different raisin you would also see every raisin moving away from you and would also conclude that you are at the center of the loaf. The same thing is happening in the Universe. No matter where you are in the Universe, every galaxy you see is moving away from you. That`s why astrophysicists say that you shouldn`t talk about the center of the Universe; there really is no center of the Universe.

      The oscillatory Universe model claims that the Universe started with a big bang, and that it is currently expanding. Eventually, however, the expansion will slow, stop, and then the Universe will begin to contract. The contraction will continue until all of the mass of the Universe is contained in a singularity, a process known as the big crunch. The singularity then undergoes a big bang, and the process begins afresh. Although we shall discuss reasons why this is probably not the case, it does explain what happened before the big bang.

      Top three reasons to believe big bang cosmology
      Big Bang Nucleosynthesis
      Cosmic Microwave Background
      Hubble Expansion
      Current Big Questions in Cosmology
      Is the Universe Closed?
      The question of whether the Universe will collapse in a big crunch or continue expanding forever hinges on knowing the density of the Universe. Density is defined as mass divided by volume. One can measure the density of the universe by observing the local group of galaxies and assuming that the Universe is all the same. One can also calculate the density required such that the Universe will eventually stop expanding. That density is called the critical density, and the ratio of the observed density to the critical density is given by the Greek letter omega. If omega is less than one the Universe will continue expanding until it is so large that it dies a cold death. If omega equals one the Universe will eventually stop expanding but will not collapse. In this case the Universe will also die a cold static death. But, if omega is greater than one, then the Universe is doomed to collapse under it`s own gravitational mass, and will die a hot, fiery death in a big crunch. But don`t worry, the ultimate fate of the Universe is atleast ten billion years away.

      Omega (Density Ratio) Fate of the Universe
      Less than One Open; Eternal Expansion, Cold Death
      One Flat; Cold Static Death
      Greater than One Closed; Big Crunch, Hot Death

      For theoretical reasons, cosmologists believe that omega = 1. Unfortunately, attempts to measure omega yield results of about 0.1.

      What is the Universe made from?
      When astrophysicist Vera Ruban looked at Galaxies, she noticed a curious problem. She expected that the outer parts of a galaxy would move slower than the inner parts. But she found that this is not the case. The rotation curves of galaxies (a graph of the radius of a galaxy versus rotational speed) is flat, meaning that the outer parts move at the same speed as the inner parts. Large amounts of mass would account for the unexpected speed, but we don`t see the mass that should be there.


      To aid your understanding of this, think of how planets revolve around the Sun in our solar system. Mercury (the closest planet to the Sun) zips around the Sun in 88 days, but it takes the furthest planet, Pluto, 248 years to orbit the Sun. If there were a solid sphere of mass between the Sun and Pluto, than Pluto`s orbital period would be the same as Mercury`s. No one is suggesting that galaxies are actually solid spheres of matter, but there must be more mass in these galaxies then we can see. Because we can`t see it, the mass is called dark matter.

      Dark matter may account for up to 90% of the Universe`s total mass. Bernard Sadoulet, who leads a search for dark matter at theCenter for Particle Astrophysics has stated that "Not only can we not see what most of the Universe is made of, we aren`t even made of what most of the Universe is made of!" What did he mean by this? Scientists tend to categorize everything and matter is no different. The matter you are familiar with, matter composed of neutrons and protons, is called baryonic matter. Non-baryonic matter also exists, but is generally difficult to detect. Professor Sadoulet`s experiment is looking for exotic, non-baryonic particles called WIMPs. WIMP stands for Weakly Interacting Massive Particle. There is a great deal of theoretical work which suggests that WIMPs exist and probably account for a large fraction of dark matter.

      If you don`t believe that WIMPs exist, you aren`t alone. But some sort of exotic non-baryonic dark matter is required for omega = 1. Big bang nucleosynthesis limits the total number of baryons to be a fraction of the Universes total mass. And since there are compelling reasons to believe big bang nucleosythesis, and also that omega = 1, one is led to the conclusion that there must be exotic non-baryonic dark matter. Note the use of the word exotic. Neutrinos are another type of non-baryonic particle, but are not considered exotic. Neutrinos do exist, in huge numbers, but all known neutrinos have zero mass. The search continues for neutrinos with mass, but a massive neutrino is unlikely to completely account for the flat nature of galactic rotation curves. Hence, an exotic class of non-baryonic dark matter particle must exist if WIMPs do not.

      There are several candidates for baryonic dark matter. MACHOs (Massive Compact Halo Objects) are objects about the size of Jupiter. Jupiter is quite massive, but like all planets, does not emit any light of its own; it only reflects sunlight. Although we can see Jupiter quite well from Earth, chances are that someone looking at our solar system from any far distance would not be able to see Jupiter. So, it is reasonable to assume that there are Jupiter-sized objects in other solar systems that we cannot see. By a technique known as micro-lensing, several MACHOs have already been found. VMOs (Very Massive Objects) are about 100 times more massive than our Sun, which makes them very heavy indeed. They are likely to be found in the form of black holes. By the way, in case you`re wondering whether the existence of many Earth-sized objects might account for all the dark matter, bear in mind that Jupiter is roughly 300 times more massive than Earth. Thus you would need so many Earth-sized objects that the galaxy would be littered with them.

      A Golden Age for Cosmology
      These are exciting times for cosmologists. New telescopes, space missions, and experiments are generating data at an awesome rate, and new experiments are going online almost daily. The early part of the twenty-first century promises to be an amazing time for astrophysicists. And hopefully, we`ll find answers to some of the big questions.


      Contact: cfpaedu@physics.berkeley.edu
      Avatar
      schrieb am 14.05.03 08:27:00
      Beitrag Nr. 89 ()
      <KOSMOLOGIE
      Ist das Universum ringförmig?
      von Rainer Kayser
      14. März 2003

      Unser Kosmos ist möglicherweise erheblich kleiner als bislang vermutet - und zudem ringförmig. Das behaupten zumindest drei amerikanische Kosmologen, die die von dem Satelliten WMAP gemessene kosmische Hintergrundstrahlung einer neuen Analyse unterzogen haben. Danach ist unser Kosmos weder unendlich, noch in alle Richtungen gleich groß ist.

      "Es gibt Hinweise in diesen Daten, dass, wenn man eine Reise in Richtung des Sternbilds Jungfrau unternehmen würde, man aus der entgegengesetzten Richtung kommend zur Erde zurückkehren würde", erläutert Max Tegmark von der University of Pennsylvania in Philadelphia diesen Befund gegenüber der New York Times. Denn die Daten deuten seiner Ansicht nach darauf hin, dass der Kosmos wie ein Ring geformt ist. Letztlich würde bei einer solchen Form jeder Reiseweg zum Ausgangsort zurückführen. In Richtung Jungfrau wäre dieser Weg jedoch am kürzesten, so Texmark.

      Die kosmische Hintergrundstrahlung ist eine Art Echo des Urknalls. Vor wenigen Wochen erst hatte die NASA die spektakulären Daten des WMAP-Satelliten veröffentlicht (astronews.com berichtete). Dieses "Baby-Foto des Universums" zeigt, wie unser Kosmos unmittelbar nach dem Urknall aussah. Die WMAP-Daten bestätigten jedoch nicht nur das Standardbild der Kosmologen vom Urknall. Texmark weist darauf hin, dass die Daten auch einen mysteriösen "Cut-Off" zeigen: Es gibt offenbar keine Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung oberhalb einer Winkelskala von 60 Grad. Dies deutet nach Auffassung des Forschers auf eine endliche Ausdehnung des Kosmos hin - wie bei einer Gitarrensaite, die auch keine Schwingungen aufweisen kann, die größer sind als ihre Länge.

      Die jetzt veröffentlichte neue Analyse der WMAP-Daten zeige zudem, so Texmark, dass sich die größten Schwankungen entlang einer Linie am Himmel konzentrieren. Dies könnte einfach eine statistische Schwankung sein - oder ein Zeichen dafür, dass der Kosmos nicht in alle Richtungen gleich groß, sondern eben ringförmig ist.>


      Vielleicht sollten wir jetzt zu Parmenides zurückkehren?:D
      Avatar
      schrieb am 14.05.03 14:51:25
      Beitrag Nr. 90 ()
      Aääeeee-äääh!?? Vielen Dank für die Postings, aber ... äh ...
      da brauche ich aber mindestens bis morgen, um auf alles das mit halbwegs klug aussehenden Formulierungen einzugehen, weil ich heute durch das Wetter (Blitz, Hagel, Donner) elektrisch und mental eingeschränkt wurde ... .
      Wo soll ich denn heute noch die Zeit hernehmen? Bis morgen dann erst mal: Tschüß,
      Auryn
      P.S.: Mirabellchen, kennen wir uns unter anderem Pseudonym schon? Irgendwie kommt mir Dein Wissensdurst für Fachliteratur bekannt vor...
      ;)
      Avatar
      schrieb am 14.05.03 16:02:24
      Beitrag Nr. 91 ()
      Laß dir Zeit; ich hoffe, du genießt es, ich habe einige ganz exquisite Lektüre hervorgesucht ... :) Was meine vormaligen IDs angeht, so darfst du raten. Auf eine müßtest du kommen. (:D) Übrigens war im vorletzten (?) Spektrum Dossier eine Abhandlung über Gott und die Wissenschaftler. Ich werde demnächst mal kurz (versprochen: kurz) darauf eingehen. :D
      Avatar
      schrieb am 14.05.03 16:04:38
      Beitrag Nr. 92 ()
      Bevor ich vergesse es zu erwähnen ... die einkopierten Texte stammen aus dem wissenschaft-online Nachrichten-Archiv (auf CD).
      Avatar
      schrieb am 14.05.03 16:12:45
      Beitrag Nr. 93 ()
      Wobei ich mich wieder einmal frage, ob das Einkopieren von Texten hier in den w:o-Chat eine Reproduktion im urheberrechtlichen Sinne ist. Wenn ja, verspreche ich auch, es nicht wieder zu tun - aber ob ich es abschreibe oder kürze oder zitiere oder gleich kopiere, ist m. E. ziemlich egal, beim Kopieren wird jedenfalls nichts inhaltlich entstellt ... Falls es interessiert: Die CD umfaßt Texte aus wissenschaftlichen Bereichen (u. a. Physik, Medizin) von 1997 bis 2002. Ich vermute, daß sie in Bibliotheken entleihbar ist.
      Avatar
      schrieb am 15.05.03 09:14:23
      Beitrag Nr. 94 ()
      Wissenschaft und Relgion
      Müssen Naturwissenschaftler Atheisten sein?
      Diskussion zwischen Philosoph Kanitscheider und Theologe Lüke in Spektrum der Wissenschaft Dossier 2/2002

      Die Antwort (kurz, wie versprochen):

      Religion, d. h. die Lehre von Gott oder einem göttlichen Prinzip bzw. einer höchsten Idee, ist unwissenschaftlich, weil sie die Möglichkeit des Irrtums und dessen Korrektur ausschließt.

      2 Zitate:
      Lüke: "Ihr (Kanitscheiders) Naturalismus oder der von Ihnen erwähnte kritische Rationalismus müssen den Wahrheitsbegrif voraussetzen, um auch nur den kleinsten Denkschritt leisten zu können."
      Kanitscheider: "Die Verteilung von Wahrheitswerten auf bestimmte Sätze als wahr/falsch, gilt für theologische Sätze nicht? ... was behauptet die Theologie eigentlich? Sie verliert dann ja ihren Aussagebereich, nämlich Gott. ... Ist es eine logische Unmöglichkeit, etwas über Gott zu wissen, oder ist es nur praktisch unmöglich?"

      Ich gehe demnächst noch etwas ausführlicher auf die Diskussion ein.
      Avatar
      schrieb am 15.05.03 12:54:27
      Beitrag Nr. 95 ()
      "Demnächst" ist jetzt:

      Standpunkte:
      L: Der Naturalismus (K: der davon ausgeht, daß diese Welt, so wie wir sie feststellen, alles ist, was es gibt) hat metaphysische Voraussetzungen, die er selber nicht reflektieren kann. Sie wollen Ihren Naturalismus gern transzendenzresistent machen, aber die hinzugezogene Naturwissenschaft liefert schon infolge ihrer Ergebnisoffenheit nicht das Immunisierungsmaterial.
      K: Ich akzeptiere nicht, daß der Naturalismus eine metaphysische Position ist. Er verwendet nur soviel Ontologie wie unbedingt notwendig ist zum Verstehen des Gesetzesnetzes der Natur.

      Argumente:
      L: Zitat Th. v. Aquin: “Von Gott können wir nicht sagen, was er ist, sondern nur, was er nicht ist“. Gott ist kein Objekt, dem ich definitorisch zu Leibe rücken kann. In Bezug auf ihn hat die Sprache keinen Beweis, sondern nur einen Hinweischarakter. Die Theologie kennt 3 Versuche, von Gott zu sprechen: Es wird ein Attribut gewählt und mit einem Qualifikator ausgestattet (gütig – allgütig); die negierende Gegenüberstellung zum Menschen (endlich – unendlich); Analogien (Gott ist wie ein Vater). Diese Versuche bringen existentielle Erfahrungen der Menschen andeutungsweise zur Sprache. Damit ist die Forderung des 4. Laterankonzils von 1215 erfüllt, demzufolge alle Aussagen über Gott ihm unähnlicher sind als ähnlich. (Anm.: Sind die Aussagen Jesu über sich und Gottvater inbegriffen, so entfernt sich Jesus von Gott. Er wäre ihm demnach eher unähnlich als ähnlich. Die Aussage, Gott habe den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen, hätte also einen gegenteiligen Inhalt.)
      Sie versuchen, Gott in einem ihn umgreifenden Funktionskontext anzusiedeln, ihn auf eine pure Nutzenfunktion zu reduzieren. Eine solche, die den Gottesbegriff erschöpfend beschriebe, ist jedoch nicht angebbar. In dem Sinne ist Gott unnütz.
      K: Er hat eine Erklärungsfunktion. Er muß irgendetwas in dieser Welt erklären, das man sonst nicht erklären kann.
      Zitat E. O. Wilsons Erklärungen für die Entstehung der religio, der Bindung an ein höheres Wesen. Es ging um die Stärkung der sozialen Bindung einer Gruppe zur Sicherung des Überlebens. Nur aus diesem Grund ist die Entstehung von Religionen ein so universelles Phänomen. Die Erklärung liefern Biologen und Sozialsychologen: Die Entstehung der Religionen ging mit dem überlegen einher. Sie muß nicht auf eine externe Wirkung zurückgeführt werden.
      L: Ich bestreite, daß die Entstehung von Religion nur darauf zurückzuführen ist.
      K: Derjenige, der einen höheren ontologischen Behauptungsanspruch vertritt, trägt immer auch die Last der Begründung.
      L: Ich kann die Beweislast ebenso gut auf Ihre Schultern hieven; denn ich halte nur etwas für möglich; Sie hingegen bestreiten es kategorisch. Aus Erfahrungen, die sich mit endlichen Objekten beschäftigen und aus der Tatsache, daß alle Objekte, die Sie wahrnehmen, endlich sind, schließen Sie, daß es das, was eine andere Tradition „unendlich“ genannt hat, nicht geben könne.
      K: Ich schließe keineswegs aus, daß es Unendliches nicht geben kann. Der Knackpunkt ist vielmehr methodischer Natur: Derjenige, der die Existenz von etwas propagiert, hat immer die Begründungslast, und nicht der andere die Widerlegungslast.
      Wie schafft Herr Lüke den Sprung von der Existenz eines Transzendenzbewusstseins zur Existenz der Transzendenz?
      L: Das Transzendenzbewußtsein des Menschen entstand in Auseinandersetzung mit der Realität, die wir Transzendenz nennen.
      K: Wenn Sie über die Funktionalität der Religionen hinaus in den metaphysischen Bereich gehen und annehmen, alle Funktionalität werde durch ein dahinter stehendes höheres Wesen verursacht, dann kommen Sie in Konflikt mit allen jenen Religionen, die gar keinen Gottesbegriff kennen. In vielen Religionen finden Sie eine höchste Idee, die sich kaum personalisieren lässt, und dennoch tut z. B. der Buddhismus in punkto Funktionalität genauso seine Pflicht wie der Theismus.
      L: Er erfüllt diese Pflicht völlig anders und geht ebenso wenig in einer rückstandslos erklärbaren Funktionalität auf wie die jüdisch-christlich-muslimische Religion.
      K: Der Buddhismus ist eine atheistische Religion. Er kennt keine Transzendenz.
      L: Der Buddhismus kennt ein Nirwana, ein Nichts, das sich der Naturwissenschaft und dem Naturalismus entzieht.
      K: Das ist keine Transzendenz. Das ist das Erlöschen der Personalität.
      L: Mit Transzenden braucht man kein bestimmtes Gottesbild zu verbinden. Selbstverständlich hat der Buddhist eine Kategorie von Transzendenz.

      Die Diskussion:
      K: Ich sehe einen Gegensatz auf metathoretischer Ebene, weil ja zumindest von der katholischen Theologie bestimmten Bereichen das Prinzip der Unfehlbarkeit zugesprochen wird. Die Theologie arbeitet zum Teil also mit einer Basis, die im Grunde nicht angegriffen werden kann. In den Basiswissenschaften sind auch die Basissätze dagegen prinzipiell revidierbar. Das Prinzip der Unfehlbarkeit verhindert einen gemeinsamen Wissenschaftsbegriff. Von den Kirchenvätern ist ganz klar festgehalten worden, daß die Schrift einen anderen Wissensstatus hat als jegliche Erkenntnis über die Beschaffenheit der Welt.
      L: Sie können zwischen bestimmten Gottesvorstellungen, im Alten wie im Neuen Testament, auch Widersprüche finden. Kein Exeget sieht das als einen in sich geschlossenen Block an. Eine ganze andere Frage ist, wie ich mit den Schriften umgehe.
      K: Aber nehmen wir einmal das als authentisch Akzeptierte und untersuchen es auf die Geltung: Hier liegt ein fundamentaler Unterschied vor: In der Philosophie haben wir immer die Möglichkeit, einen Satz, etwa von Platon, als falsch zu erkennen und ihn daher einfach zu verwerfen. In der Theologie aber gilt das für die „offenbarten“ Schriften nicht.
      L: Die Wissenschaftlichkeit liegt in der Frage des methodischen Umgangs mit den verschiedenen Texten.
      K: Sie weichen der Geltungsfrage aus. Es dreht sich schlicht um wahr oder falsch. Bei einer Aussage kann ich immer die Frage stellen, ob sie korrekt oder inkorrekt ist, ob sie in Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung mit dem Gegenstand etwas behauptet.
      Und da ist meine Frage, ob Sie die Satzklasse der religiösen Basisaussagen, alle diese grundlegenden Behauptungen, die ja sprachlich formuliert werden, in einem revidierbaren Sinne verstehen. Derart daß man auch einen Irrtum zugeben könnte. So etwas ist in der Philosophie immer möglich. (Anm.: Demzufolge ist die Philosophie eine Wissenschaft.)
      L: Die Wahrheitsfrage lässt sich mit der Gottesfrage verbinden. Ihr Naturalismus oder der von Ihnen erwähnte kritische Rationalismus müssen den Wahrheitsbegriff voraussetzen, um auch nur den kleinsten Denkschritt leisten zu können. Ob der Satz, es gebe die Wahrheit, wahr ist, können Sie nur unter Voraussetzung der Wahrheit entscheiden. Auf dieser Ebene würden Theologen den Gottesbegriff ansetzen, wenn sie sagen, Gott ist die Wahrheit. Er ist dann das, was ich nicht mehr mit den Alternativen wahr und falsch untersuchen kann, weil es diese Kriterien erst generiert.
      K: Dieser Satz ist nicht vestehbar. Gott kann nicht die Wahrheit sein, weil die Wahrheit die Übereinstimmung eines Satzes mit einer Faktizität ist.
      L: Das ist eine Definition von „Wahrheit“, und Sie können diese Definition auch nur aus dem Grund aufstellen, weil Ihnen „Wahrheit“ schon von vornherein als regulative Idee zur Verfügung steht.
      K: Zu behaupten, Gott sei die Wahrheit ist eine logische Konfusion. „Wahr“ kann nur ein Satz ÜBER Gott sein. Das ist eine Sache der Logik. Würden Sie die Anwendbarkeit der normalen zweiwertigen aristotelischen Logik für theologische Schlüsselaussagen aufrecht halten; Die Auferstehung – fand sie statt, oder fand sie nicht statt?
      L: Als Christ, Sie lechzen offenbar nach Bekenntnissen, sage ich, ich halte den Gedanken an Auferstehung für glaubwürdig, ohne Ihnen hier das Wie extemporieren zu können.
      K: Also nehmen Sie tatsächlich den theologischen Kontext von der Logik aus? Theologie im Sinne des Sprechens von Gott - denn das heißt doch „Theologie“ - unterliegt in Ihren Augen nicht der aristotelischen Logik? Die Verteilung von Wahrheitswerten auf bestimmte Sätze als wahr/falsch, gilt sie für theologische Sätze nicht? Wenn Sie das akzeptieren, dann frage ich mich, was behauptet die Theologie eigentlich? Sie verliert dann ja ihren Aussagebereich, nämlich Gott.
      Ist es eine logische Unmöglichkeit, etwas über Gott zu wissen, oder ist es nur praktisch unmöglich?
      L: Es ist mit der Reichweite unserer Logik, die immer eine endliche und sprachlich vermittelte ist, unmöglich, ein umfassendes Wissen über Gott zu erreichen.
      K: Dann haben wir aber doch wenigstens ein Teilwissen. Worin besteht es?
      L: Es äußert sich in einer Form existenzieller Erfahrung. Zitat Wittgenstein: Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische.

      Der Konsens:
      L: Ich denke, man kann mit intellektueller Redlichkeit Theist, Agnostiker oder Atheist sein, weil jede dieser Positionen mit Grundentscheidungen zu tun hat, die mehr als nur ein intellektuelles Resümee sind.
      K: Die Existenzhypothese Gottes ist eine Behauptung, für die zunächst einmal gar nichts spricht.
      Und in dieser Situation verhalte ich mich wie in allen vergleichbaren Fällen von Existenzbehauptungen. Solange nichts positiv für die Existenz spricht, bleibe ich negativ entschieden, und das bedeutet in bezug auf die Gottesfrage, ich bin besser atheistisch eingestellt als agnostisch. (Anm.: K. schließt wohl in Anwendung der aristotelischen zweiwertigen Logik den Standpunkt NEUTRAL aus.)

      Der Dissens:
      K: Die supernaturalistische Annahme, daß alle konkreten Systeme des Universums in einem umgreifenden Rahmen eingebettet sind, ist das Fragliche der metaphysischen Diskussion. Nichts spricht für eine solche Vermutung.
      Avatar
      schrieb am 15.05.03 13:29:02
      Beitrag Nr. 96 ()
      Was entnehmen wir unter anderem daraus? Daß das begehrte Zugeständnis von Wissenschaftlichkeit von der Methodik abhängig gemacht wird. Daraus folgt, daß man übersinnliche Phänomene grundsätzlich nie wissenschaftlich untersuchen könnte, denn wissenschaftliche Methoden unterliegen Einschränkungen, die Sensibilisierungen jeglicher Art ausschließen.

      Was fragen wir uns daraufhin: Wem ist es und warum so wichtig, als "wissenschaftlich" anerkannt zu werden? Ist darin eine gewisse Eitelkeit zu sehen oder Unsicherheit oder die Abwehr von Kritikastern? Weicht der Tadel der Anwendung falscher Methodik nicht der Diskussion um die Sache selbst aus?

      Sollte man sich souverän über den Anspruch nach "Wissenschaftlichkeit" hinwegsetzen?

      Nicht stereotype Fragestellungen oder vorgegebene Denkmuster sind ausschließliche Grundlagen für die Verwertbarkeit von Erkenntnissen. Die Weigerung der Zurkenntnisnahme von nicht erklärlichen Phänomenen ist keineswegs "wissenschaftlich", sondern eher blind. Phänomene wie "Begabung" sind kaum entschlüsselbar, dennoch nicht zu leugnen. Verständlich der Wunsch, alles erkennbar, nachvollziehbar, erlernbar zu machen. Letztlich eine Spielart des Nichtwahrhabenwollens von Qualitäten außerhalb der eigenen ...?

      Sehen wir Wissenschaft als Instrumentarium, das sich - wie mehrfach erklärt wurde - der Anzweifelbarkeit stellt. So gesehen können wir gar nicht definieren, was "wissenschaftlich" ist, denn es ist selbst in seinen Grundsätzen wandelbar.
      Avatar
      schrieb am 15.05.03 13:58:00
      Beitrag Nr. 97 ()
      Die Tranzendenz:


      das Überschreiten der Grenzen der Erfahrung, des Bewußtseins, überhaupt des Diesseits

      (aus dem Fremdwörterduden)
      Avatar
      schrieb am 15.05.03 15:27:12
      Beitrag Nr. 98 ()
      Anscheinend zusammenhangloser Nachtrag:

      >Karl Jaspers (1883 - 1969)
      Der deutsche Philosoph, Arzt und Psychiater Karl Jaspers studierte ab 1903 in Berlin, Göttingen und Heidelberg Medizin. Er promovierte 1909 mit der Dissertation Heimweh und Verbrechen. Von 1908 bis 1915 arbeitete Jaspers beim Hirnhistologen Nissl an der psychatrischen Klinik in Heidelberg.
      Jaspers arbeitete zu theoretischen Fragen der Psychopathologie und habilitierte sich 1913 bei Windelband im Fach Psychologie.

      1919 erschien Jaspers Pychologie der Weltanschauungen, die als grüheste Schrift des Existentialismus gilt.

      1922 wurde Jaspers trotz des Widerstandes von Rickert Professor der Philosophie in Heidelberg.

      1932 erschien Jaspers dreibändiges Hauptwerk, die Philosophie.

      Unter der Naziherrschaft war Jaspers starken Repressalien ausgesetzt, so durfte er ab 1937 nicht mehr lehren und ab 1938 auch nicht mehr publizieren.

      Nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus wirkte Jaspers zunächst wieder in Heidelberg. Ab 1948 arbeitete er als Professor für Philosophie in Basel.

      Jaspers bestimmt die Philosophie in Abgrenzung zu Wissenschaft, Kunst und Religion. Die Wissenschaft erhebt etwas zum Gegenstand ihrer Untersuchung, indem sie nach dessen allgemeinen Merkmalen fragt. Die Philosophie interessiert sich dagegen für die Grenzsituationen (wie Kampf, Schuld und Tod), durch die sich der einzelne Mensch als einmaliges, selbständiges Individuum erfährt.

      In der Kunst ist dem einzelnen zwar ein unmittelbares Erlebnis von Schönheit möglich, aber ohne jene echte Entscheidung, nach der die Philosophie strebt. Die Religion schließlich erhebt den Anspruch, mittels theologischer Dogmatik und den Formen des Kultus das einzig wirkliche Verhältnis zum Absoluten herzustellen. Die Philosophie hält dagegen viele Zugänge zum Absoluten für möglich.

      Eine allgemeine Definition des Worts Existenz gibt es nach Jaspers nicht. Die philosophische Existenzerhellung darf sich nicht wissenschaftlich allgemeingültiger Aussagen bedienen.

      Die Philosophie arbeitet mit paradoxen Formulierungen und existentiellen Zeichen (Existenz, Freiheit usw.).

      Nach Jaspers soll jeder Mensch seine eigene Existenz in existentieller Kommunikation mit anderen Menschen entwickeln. Diese Entwicklung ist nie abgeschlossen, sondern jeden Augenblick zu wiederholen - sie ist Ausdruck der Geschichtlichkeit der Existenz.>

      (philosophenlexikon.de)
      Avatar
      schrieb am 15.05.03 15:32:15
      Beitrag Nr. 99 ()
      <4. „Philosophische Logik“

      „Wirklichkeit“ wird jetzt („Von der Wahrheit“ ) vielfach mit Sein und Wahrheit verglichen, aber nicht, um denSinn zu präzieren, sondern nur, um das „in der Tat Unüberschreitbare“ (S.35) bewußt zu machen, denn es „entschwindet uns die Wirklichkeit, wenn wir sie wissen wollen“ (S.31). Statt dessen entwickelt Jaspers ein sogenanntes „Grundwissen“ (seit 1932 „Vernunft und Existenz“ ), das von nun an in allen seinen Veröffentlichungen als verbindliche Verständigungsgrundlage - meist explizit - vorausgesetzt wird. Es handelt sich um das Wissen, wie das Sein für uns immer ist, also der Idee nach um Transzendentalwissen.(Kant). Jaspers expliziert unhintergehbare Seinsweisen und nennt das Sein aller Seinsweisen das „Umgreifende“..Als unbedingter Ausgangspunkt dient ihm dabei ,wie Kant , die sogenannteSubjekt-Objekt-Spaltung unseres Erkennens. Seinsanalyse ist ihm Erhellung der Subjekt-Objekt-Spaltung.

      Hegel, Heidegger und viele andere haben - gegen Kant und damit auch Jaspers - diesen Ausgangspunkt als voraussetzungsvoll grundsätzlich zu hinterfragen gesucht. Und es ist klar, daß sich Bedingungen der Möglichkeit denken lassen, die dem objektivierenden Erkenntnisprozeß konstitutiv vorausliegen. Im Folgenden läßt sich dies an den von Jaspers explizierten vier Schritten andeuten. („Von der Wahrheit“, 47ff und am anschaulichsten „Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung“, S.111ff).

      1. Schritt

      Trennung von Subjekt und Objekt als Letztgegebenheit überhaupt. - Aber: Subjekt und Objekt sind schon etwas Wirkliches. Damit das Subjekt ein Objekt haben kann, muß schon Welt existieren, und damit das Subjekt sich auf ein Objekt beziehen kann, muß zeitliche Wirklichkeit vorausgesetzt werden.

      2. Schritt

      Das Objekt zeigt sich als die Welt, dasSubjekt als Dasein, Bewußtsein überhaupt und Geist zugleich. - Aber: Wie kommt das Objekt zur Welt? Und Dasein, Bewußtsein überhaupt und Geist sind nicht nur subjektiv, sondern auch intersubjektiv. Wie kommt Bewußtsein überhaupt zum Einzelbewußtsein?

      3. Schritt.

      Im Ergreifen der Freiheit wird Subjektivität zur Existenz, Objektivität zur ermöglichten Transzendenz. - Aber:
      Existenz und Transzendenz sind als Seinsweisen nur Möglichkeiten, keine Bedingungen der Möglichkeit.

      4. Schritt

      Die verbindende Vernunft denkt das Umgreifende als die Einheit von sieben gleichwertigen Weisen (Welt, Dasein, Bewußtsein überhaupt, Geist, Existenz, Transzendenz und Vernunft). - Aber: Faktisch sind die Weisen nur phänomal beschrieben, nicht analytisch zwingend abgeleitet, sie liegen nicht auf derselben transzendentalen Geltungsebene. So bedingt also die Prämissen des Ganzen sind, so kritisierbar die Teile!

      5. Resultat

      Tragisch: Wie kein zweiter im 20. Jahrhundert hat Jaspers Wirklichkeit umfassend weit gedacht, ohne doch den Begriff analytisch klären zu können. Wenn im Nachlaß zur Phil. Logik kaum noch vom Umgreifenden, viel mehr von Wirklichkeit die Rede ist („Gehen wir aus von den Weisen des Umgreifenden, so ist Wirklichkeit das Sein selbst in der Transzendenz“ (Bd. I S.90), so doch auch immer noch, wie Heinrich Rickert oder Nicolai Hartmann, vom Unwirklichen (S.84), als gäbe dies einen widerspruchsfreien Sinn.

      Logische Klärung ist mit vorwiegender phänomenaler Zugangsweise nicht möglich. So ist der späte Jaspers in einer anderen Weise gescheitert als seine frühe sogenannte Philosophie des Scheiterns es nahelegt: „Es gibt praktisch nur eine Front von Ablehnung“ (W.Schneiders, Karl Jaspers in der Kritik,S.262 ). Das gilt selbst für seine engsten Gesprächspartner . Am 29.4.66 schreibt er Hannah Arendt über sein Grundwissen wie über etwas ihr Unbekanntes:“.Niemand reagierte auf diese Gedanken...Bin ich einem Spleen verfallen?“>


      (www.wirklich.de/jaspers.htm)
      Avatar
      schrieb am 15.05.03 15:38:17
      Beitrag Nr. 100 ()
      Kurz für jene, die lang nicht mögen:

      "In den Wissenschaften wird alles Sein auf Objektsein reduziert, d. h. auf von außen Erforschbares. Damit kann ich aber das Sein, das ich selbst bin, nicht begreifen, weil ich von mir selbst nur von innen wissen kann, im Innewerden meiner eigenen Möglichkeiten." (Jaspers, Philosophie 1932)

      "Transzendenz wird von Jaspers auch bezeichnet als das Umgreifende des Umgreifenden, als der Urgrund allen Seins. Sie ist erfahrbar nur von der Existenz durch die Chiffren (Symbole), die die Sprache der Transzendenz in der Immanenz sind. Im Lesen der Chiffren (zu solchen kann alles werden, z. B. Natur, Geschichte, das Scheitern) wird die Immanenz transparent auf Transzendenz hin." (Jaspers, Von der Wahrheit 1947)

      (Kunzmann/Burkhard/Wiedmann, dtv-Atlas zur Philosophie 1992, 199)
      Avatar
      schrieb am 16.05.03 17:49:13
      Beitrag Nr. 101 ()
      Sag, Mirabellchen, könntest Du auf meine Wenigkeit als Repräsentanten der arbeitsüberlasteten Bevölkerung nicht ein bißchen Rücksicht nehmen und eine kleine Pause einlegen, bis ich wieder etwas mehr Zeit habe?
      ;)
      Ich brauche jetzt mindestens bis morgen, wenn nicht bis Montag, um meine Vorhaben plus die Lektüre Deiner Postings zu bearbeiten. (Seufz!)
      Avatar
      schrieb am 16.05.03 22:48:07
      Beitrag Nr. 102 ()
      Aber natürlich! Du brauchst auch gar nicht zu antworten. Schließlich waren meine Postings schon eine Antwort. (Man muß ja nicht immer das letzte Wort haben müssen! ;) ) Schönes Wochenende oder gute Woche, je nach Lesedatum.

      Mirabellchen, sich ein wenig Sonne gönnend, um nicht grün zu bleiben. :D :)
      Avatar
      schrieb am 21.05.03 10:30:47
      Beitrag Nr. 103 ()
      Doch, doch, ich werde schon noch irgendwann antworten, aber übers Wochenende habe ich erst mal wieder eine mittlere Tonsillitis gehabt und mit ihr im Bett gelegen. Pfui! (Großer Seufzer!)
      ;)
      Avatar
      schrieb am 21.05.03 10:38:49
      Beitrag Nr. 104 ()
      Wenn dir die Tonsillitis (die mittlere - hattest du auch was mit den beiden anderen? So im Sinne von Lea und Rachel?) wichtiger ist als ich!
      Avatar
      schrieb am 21.05.03 11:09:08
      Beitrag Nr. 105 ()
      Aber mein liebstes Mirabellchen!
      Natürlich wollte ich Dich nicht vernachlässigen! Es ist nur so, daß diese ausländische Tonsillitis in einer dunklen Uni-Ecke einfach so über mich herfiel und ich bin doch nur noch ein von ständigen Krankheiten geschwächtes Männchen, das sich kaum noch zu wehren in der Lage ist. Und ich hatte wirklich nichts mit Lea oder Rachel! Glaube mir doch bitte, mein liebstes Mirabellchen! Seufz! Ich weiß doch noch nicht einmal, ob diese elende Tonsillitis aus Griechenland kam, so wenig hatte ich mit ihr im Sinn!
      Avatar
      schrieb am 21.05.03 11:43:20
      Beitrag Nr. 106 ()
      Auryn, dein aufkeimender Ausländerhaß erschreckt mich! Ich bin nämlich auch nicht von hier ...
      Avatar
      schrieb am 21.05.03 12:34:55
      Beitrag Nr. 107 ()
      Ich hab dich doch jetzt nicht etwa mit dieser Bemerkung vergrätzt?

      Avatar
      schrieb am 24.05.03 12:47:29
      Beitrag Nr. 108 ()
      Aber keineswegs, Mirabellchen! Keine Sorge! (Ich habe nur immer weniger Zeit, als ich denke!)
      Es war mit der Tonsillitis nur so, daß mein Unterbewußtsein schon immer jede landestypische Namens-Endung dem betreffenden Land zuordnete und Costa Cordalis ist ja auch Grieche wie beispielsweise Kostas Simitis. Meine Antipathie richtete sich auch lediglich gegen diese eine Tonsillitis und nicht etwa gegen mögliche Landsleute ihrer Wenigkeit. Der Vorwurf des Ausländerhasses beruht daher in meinem Falle auf einem unglücklichen Mißverständnis und ist schon aus dem Grunde verfehlt, weil ich selbst nicht von hier bin. Ich habe auch nichts gegen andere Leute, die wie ich ebenfalls nicht von hier sind. Es ist nur so, daß tatsächlich oft die Namens-Endungen die Herkunft einer Person vermuten lassen, auf die sich fälschlicherweise die Antipathie ausweiten kann, was in meinem Fall jedoch nicht derselbe ist.
      ;)
      Beispielsweise sind auch schon in frühen intellektuellen Publikationen des westlichen Auslands Namen wie Vercingetorix, Asterix und Obelix ganz eindeutig gallischen Ursprungs, während Orts-Namen wie Herculaneum, Linoleum, Hauteuchdrum und Hintenrum eindeutig aus dem Römischen Imperium derselben Epoche stammen müssen und aus bekannten Gründen zur Zeit des Julius Cäsar die Antipathie der Gallier auf sich zogen.
      Avatar
      schrieb am 24.05.03 13:28:38
      Beitrag Nr. 109 ()
      Auryn, deine Bemerkung bezüglich des Suffix` ist sehr wichtig; kann man ihr doch entnehmen, daß das rätselhafte Atlantis im griechischen Raum zu suchen sein muß ... ;)
      Ich für meine Person und Wenigkeit bin dann ja wohl Japaner oder Chinese, bzw. -in. Man erfährt doch selbst über sich selbst immer wieder Neues! Nun, so rate ich dir denn, von jener Tonsillitis ernsthaft Abstand zu nehmen und dich Wesentlicherem (auch WO ist letztlich unwesentlich) zuzuwenden!

      Mira-Bell-Chen (zu deutsch: Siehe! ein kleiner Hund :D ) , die Weise.
      Avatar
      schrieb am 24.05.03 13:30:00
      Beitrag Nr. 110 ()
      Oh pardon, natürlich ist WO das Wesentlichsteste im Leben eines IT-Users! *Kotau, Kotau* :cool:
      Avatar
      schrieb am 24.05.03 15:11:17
      Beitrag Nr. 111 ()
      Was (#109, sofern kein Posting verschwindet) nicht heißt, daß ich nicht gern von dir höre - ich nehme dir aber nicht übel, wenn ich nichts höre.
      Mirabellchen :)
      Avatar
      schrieb am 26.05.03 10:35:46
      Beitrag Nr. 112 ()
      Hm, ich fürchte langsam, daß ich überhaupt nicht mehr auf alle interessanten Dinge in diesem Thread eingehen können werde, zu denen mir schon etwas einfiel.
      Immerhin muß ich doch noch darauf hinweisen, daß diese Auryn`sche Verallgemeinerung der reziproken, etymologischen Deutung eines Suffix` zwar auf Erfahrungswerten beruht, aber wissenschaftlich noch nicht gesichert ist. In anderen Sprachen können durchaus ähnliche Worte auftauchen, so daß auch hier der Trugschluß der Verallgemeinerung zuschlagen könnte.
      Übrigens bin ich von der chinesischen Herkunftsdeutung des `kleinen` "Mira-Bell-Chen" begeistert, sogar mein Name bedeutet insgesamt betrachtet etwas nicht-großes, eigentlich sogar "etwas besonders kleines, aber dennoch Kriegerisches" im germanischen Ursprung.
      ;)
      Auweia! Vielleicht stimmt das doch irgendwie mit dem angeblichen:
      "Nomen est Omen!"

      P.S.: Ich suche gerade mal wieder Hilfe in Bezug auf mein Buchprojekt und werde dazu gleich mal wieder einen meiner alten Threads zum Thema Zufall hervorkramen. Vielleicht fällt Dir in Deiner Eigenschaft als polyglotter Kosmopolit dazu etwas ein, was mir helfen könnte. Vorläufig muß ich mich gleich wieder aus dem Internet subtrahieren.
      Avatar
      schrieb am 27.05.03 08:43:10
      Beitrag Nr. 113 ()
      Wow, dann haben wir ja allerhand gemeinsam ... :)
      Avatar
      schrieb am 02.10.03 13:51:57
      Beitrag Nr. 114 ()
      Ach ja, das hätte ich beinahe vergessen:
      Heute abend kann "mein geschätztes Publikum" den Mann im Fernsehen genießen, von dem ein großer Teil des ersten Postings in Thread: Am deutsch-amerikanischen Wesen könnte die Welt genesen... (Real-Satiren) stammt.
      In Dieter Hildebrandts vermutlich endgültig letztem "Scheibenwischer" treten seine liebsten Gäste auf und mein persönlicher Favorit ist Georg Schramm - der im übrigen meist als protestantischer Preuße mit schwarzer Prothesen-Hand auftritt.
      Falls man einen Fernseher besitzt (und falls man nicht in Bayern beheimatet ist, sobald sich Bayern bei Hildebrandts Auftritt vielleicht mal wieder aus dem deutschen ARD-Verbund ausblendet), sollte man sich diese Sendung nicht entgehen lassen:
      http://www.daserste.de/programm/tvtipp.asp?datum=02.10.2003
      Avatar
      schrieb am 02.10.03 15:27:38
      Beitrag Nr. 115 ()
      Man bemerke das ebenso distanzierende wie eindringliche falls man ...! :)
      Avatar
      schrieb am 14.10.03 12:47:21
      Beitrag Nr. 116 ()
      Hm, ich möchte mich natürlich so schnell wie möglich dafür entschuldigen, daß ich eine gewisse Distanz auszustrahlen versuche, aber das ist eine Berufskrankheit, die ich immer wieder versehentlich in Internet-Diskussionen hineintrage, obwohl ich weiß, daß im Internet ganz persönliche Angriffe bevorzugt Beachtung finden.
      Immerhin kenne ich tatsächlich drei berufstätige Hochschulabsolventen (darunter zwei Frauen, so daß ich vielleicht doch eher "frau" als "man" geschrieben hätte), die keinen Fernseher besitzen und das fehlende Etwas durch verstärkte Besuche im Kino und Theater zu kompensieren versuchen.
      Ich selbst versuche so oft wie möglich "distanziert zu schreiben", nachdem ein Professor mir die folgende "güldene Politologen-Weisheit" verkündete:
      "Der kluge Politologe steht links von der Rechten, rechts von der Linken und mindestens 2 komma 5 Meter vor der Fernsehkamera!"
      ;)
      Avatar
      schrieb am 14.10.03 14:20:35
      Beitrag Nr. 117 ()
      ....könnte es sein, dass gerade in der Politologie
      die eine oder andere Weisheit neu Einzug gehalten hat,
      und auch den Profs in den einschlägigen Fachbereichen
      plötzlich der Erwerb von Zusatzqualifikationen nahegelegt
      wird, an die sie (komischerweise) all die Zeiten über nicht daran gedacht haben...?



      ................
      Avatar
      schrieb am 14.10.03 15:02:46
      Beitrag Nr. 118 ()
      Hm, das wäre schon möglich.
      Aber anderes Thema:
      Gab es da nicht mal einen im nachhinein "unglaublichen" SF-Film von und mit Sylvester Stallone, der um das Jahr 2100 spielte und in dem die US-Präsidentschaft von Arnie "vorhergesagt" worden war?
      Ich erinnere mich noch dunkel an eine Frage von Stallone, wo er ein Archiv aus dem Jahr 1999 sucht und man ihm sagt, er fände es in der "Arnold-Schwarzenegger-Bibliothek".
      Entsetzte Frage von Stallone: "Wie heißt die Bibliothek? Arnold- wie? Doch nicht etwa nach dem Bodybuilder und Schauspieler?"
      "Doch. Er war von 2008 bis 2020 auch Präsident der USA!"
      "Aber das ist doch völlig unmöglich. Man kann nicht dreimal Präsident werden!"
      "Eigentlich nicht. Aber Präsident Schwarzenegger war so unvorstellbar beliebt, daß für ihn die Verfassung geändert wurde. Viele Bibliotheken in den USA wurden nach ihm benannt, weil er so viel für die Bildung und Kultur der USA geleistet hatte!"
      An dieser Stelle des Films ist dann Sylvester Stallone zu sehen, der seinen Kopf in tiefer Verzweiflung gegen die Wand schlägt.
      ;)
      Avatar
      schrieb am 14.10.03 15:15:07
      Beitrag Nr. 119 ()
      #116 ... man darf daraus entnehmen, daß ein Politologe auf alle Fälle immer steht ... :)
      Avatar
      schrieb am 14.10.03 15:16:14
      Beitrag Nr. 120 ()
      #118 ... man gebe dem armen Silvester eine Wand! :cool:
      Avatar
      schrieb am 16.10.03 12:25:10
      Beitrag Nr. 121 ()
      @ SleepingBeauty:
      Sylvester Stallone hatte in dem Film doch schon eine Wand.
      Seit ich den Film gesehen haben muß, frage ich mich, wie ich in meiner Eigenschaft als intellektueller "Agademieker" eigentlich dazu kam. Ich würde mir sonst natürlich nie einen Krawall-Komödien-Film mit einem Titel wie "Demolition Man" ansehen, aber ich vermute, daß ich eines Abends durch die Programme "gezappt" bin (aah, ich liebe dieses Neudeutsch!) und versehentlich dabei hängen geblieben bin, wie Sandra Bullock versucht, Sylvester Stallone zum "berührungslosen Sex" zu überreden. Wegen meines Hangs zu kontemplativer Meditation fühlte ich mich davon natürlich angesprochen und blieb bei diesem Film bis zum bitteren Ende hängen.
      Wie kam ich jetzt eigentlich zum Thema "Sex"?
      Ach ja, Arnold Schwarzeneggers Erwähnung im!
      Jedenfalls hatte der Film einige Scherzle in der Handlung, die mich damals schon begeistert hatten. Eigentlich fängt alles wie üblich an. Sylvester rettet als Polizist gleich zu Beginn die Welt vor einem bösen Bösewicht, verarbeitet dabei aber einen großen Teil Kaliforniens zu Sägemehl und wird dafür ähnlich hart bestraft wie der Bösewicht. Beide werden nämlich 70 Jahre lang eingefroren (ganz neue SF-Bestrafung im Kalifornien dieses Films) und etwas früher in einem glücklichen Zukunfts-Kalifornien wieder aufgeweckt, das doch sehr an Huxleys schöne neue Welt erinnert. Dort hat ein Politiker schon den Bösewicht wieder erweckt, um mit ihm schneller Präsident o.ä. zu werden, aber der Bösewicht ist außer Kontrolle geraten und jetzt muß der Demolierungsexperte Stallone auch wieder ran, um den Bösewicht Wesley Snipes wieder einzufangen.
      Dabei erfährt Stallone, daß die "Schwarzenegger-Bibliothek" nach unserem Arnold benannt worden ist, der als Gouverneur von Kalifornien so beliebt war, daß für ihn die Verfassung geändert wurde und er auch als Ausländer Präsident der USA werden konnte. Als Präsident war er noch beliebter, so daß die US-Verfassung noch mal geändert wurde, damit er mehr als zwei Amtsperioden Präsident bleiben konnte.
      Wenn ich mich richtig erinnere, war er im Film Präsident von 2008 bis 2020 oder von 2012 bis 2024.
      Habt Ihr auch schon solche Angst vor der Zukunft wie ich?
      Avatar
      schrieb am 16.10.03 12:27:03
      Beitrag Nr. 122 ()
      Ach ja, es handelt sich um diesen Film:
      http://www.actionlex.de/films/demoliti.html
      Avatar
      schrieb am 16.10.03 12:39:20
      Beitrag Nr. 123 ()
      ...hey Mann,..kontemplativ,...die Sendung kuck ich mir
      auch immer an..., die kommt doch immer Mittags...
      Kontemplativ am Mittag...oder so..., mit
      kontemplativen Ossis...?..:rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 16.10.03 12:46:26
      Beitrag Nr. 124 ()
      Nee, Mann, neee. Da verwechselste was, gloobe icke.
      Det muß "Eksplosiv" oda "Eksklusiv" sein, aba doch nich "Kontemblatif"!
      Bring mir nich durcheinanda!
      Avatar
      schrieb am 16.10.03 13:46:01
      Beitrag Nr. 125 ()
      #121 Auryn,

      klar daß dich der Film beeindruckt hat. Ich schätze Stallone auch sehr ... :D Und Angst vor der Zukunft? Ach, i wo, Arnie wird`s schon richten, der ist gut bei Kräften und schafft mühelos mehrere Praktikantinnen ... Allerdings ist seine Mary nicht Hillary, aber sie will ja vielleicht auch gar nicht selbst in die Politik gehen. Hillary Clinton hat mich übrigens mit der Souveränität und Grandezza, mit der sie die Affäre ausgesessen hat, beeindruckt. Sie wirkt ein wenig dominant und ist deshalb vielleicht mit ursächlich an Bills "Überstunden". Soll kein Vorwurf an sie sein; selbstbewußte Frauen haben mit ihren Partnern fast immer derlei Probleme. Viel gravierender als die Affäre mit Monica fand ich eigentlich die Vorwürfe einiger Damen, Clinton habe sie zum Sex gezwungen - wurde schließlich alles totgeschwiegen, aber eigentlich nicht eindeutig abgewiesen.
      Sicher weißt du von den Differenzen zwischen Hillary Clinton und George Bush; der Auftritt der stets gutfrisierten (so eine Frisur würde Frau Merkel auch gut kleiden) Hillary im deutschen TV war auch sehr souverän. Eine der "neuen" Frauenfiguren der letzten Jahrzehnte, die den Typ "Jacky Kennedy-Onassis" wohl endgültig ablösen.
      Avatar
      schrieb am 13.01.04 12:23:23
      Beitrag Nr. 126 ()
      Aber auch unabhängig vom neuen kalifornischen Gouverneur bereitet mir die Zukunft doch erhebliche Sorgen. In der Welt läuft nach meiner Meinung etwas zunehmend schief.
      Sehen wir uns doch nur mal Deutschland an
      :
      Im Banken-Management sitzen immer mehr Vorbestrafte, die Baubehörden bestehen in den Großstädten fast nur noch aus potentiellen Knastbrüdern, unter den Politikern und ihren Kindern gibt`s immer mehr Verhaltensgestörte und Psychos (Strauß), in den Bürgermeisterämtern sitzen v.a. Schwule und die Werbebranche lebt fast nur noch durch ihre Legastheniker ("unkaputtbar", "hier werden sie geholfen", "Blubb!").
      Nicht zu vergessen im übrigen unsere Gesundheitsministerin, die von Berufs wegen eigentlich Sonderschullehrerin ist und dazu ausgebildet wurde, den Kindern zu erklären, warum an so vielen Bäumen Blätter hängen. (Haben Sie in diesem Jahr eigentlich schon Ihre Eintrittsgebühr in Ihre Arztpraxis bezahlt?)
      Schließlich wäre da noch unsere Bahn, die zu spät kommt, weil nach Worten ihres Chefs Mehdorn das viele fallende Laub die Schienen unbefahrbar macht.
      IN POLEN FAHREN GEGENWÄRTIG DIE ZÜGE ABER PÜNKTLICHER ALS IN DEUTSCHLAND !!! Fällt dort etwa kein Laub von den Bäumen? Haben die etwa keine härteren Winter?
      Gab es da nicht mal in meiner Kindheit den Werbespruch "Alle reden vom Wetter, wir nicht!"
      Mehdorn hat heute morgen im Morgenmagazin behauptet, das wäre in den 50er Jahren gewesen. HA ! Gelogen! In den 50er Jahren war meine Familie noch in Rumänien und die Welt sollte erst 20 Jahre später mein Licht erblicken !!!
      Armes Deutschland!
      ;)
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 13:56:34
      Beitrag Nr. 127 ()
      Hm, ich werde tatsächlich alt und vergeßlich. Vielleicht ist`s ja auch schon diese greulich schleichende bovine spongioforme Enzephalopathie:
      Jetzt möchte ich nämlich in einem Artikel den Abschnitt aus Posting # 126 zwischen den fett gedruckten Sätzen zitieren, kann mich aber einfach nicht mehr erinnern, von wem ich den gehört habe. Weiß zufällig jemand von Euch, ob der Text von Richard Rogler, Bruno Jonas oder Georg Schramm oder von sonst noch jemand anderem ist?
      Vielen Dank im voraus!
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 16:31:03
      Beitrag Nr. 128 ()
      P.S.:
      Nur so nebenbei bemerkt: Da könnte sich in der Zukunft - vielleicht so ab nächster Woche - auch eine recht amüsante Satire-Sammlung in Thread: Auryns satanarchäolügenialkohöllische Hasstiradenrealsatire entwickeln.
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 18:38:54
      Beitrag Nr. 129 ()
      #127
      Ich weiß es auch nicht, aber nett, daß du wieder mal reingeschaut hast! :D
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 09:56:18
      Beitrag Nr. 130 ()
      Nachtrag zu Posting # 121; Beweis dafür, wie weit ich mit meinen Postings der Zeit voraus bin ;) :
      http://www.ard.de/boulevard/_beitrag/697/index.phtml
      Avatar
      schrieb am 11.08.04 10:52:43
      Beitrag Nr. 131 ()
      Gestern habe ich ja zuerst geglaubt, das wäre eine Satire in "Frontal 21", als ein Geschäftsmann sagte, er müßte einen kompletten Bau-Antrag bei der deutschen Bau-Aufsichtsbehörde stellen, wenn er sein Firmenschild an der Hauswand von "Sportswear No. 1" in "Sportswear No. 2" ändern wollte, aber nein, das war blutiger Ernst:

      http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,1872,2177366,00.html

      Die Wirklichkeit in Deutschland ist ja noch besser als jede Satire!
      :cry:
      Avatar
      schrieb am 11.08.04 11:19:17
      Beitrag Nr. 132 ()
      Aber wir leben "echt" hier!! :cry::cry:
      Avatar
      schrieb am 11.08.04 17:23:47
      Beitrag Nr. 133 ()
      Eigentlich bin ich ja schon beinahe dafür, daß wir hier in Deutschland auch so ein "Ministerium für Ent-Bürokratisierung" gründen, wie es dies so um 1990 in Brasilien gab!
      Dieses "Ministerium für Ent-Bürokratisierung" wuchs und wuchs und wuchs und schließlich war das Land so erledigt, daß erstmals ein Gewerkschafter namens Lula da Silva Präsident wurde.
      Kann mir eigentlich jemand sagen, was aus dem brasilianischen Minister für Ent-Bürokratisierung geworden ist?
      Ruhesitz mit Nummernkonto in Genf oder so?
      ;)
      Aber hier in diesem unserem schönen Lande konnte ich heute noch eine lustige Meldung hören, nach der man schon wie Rüdiger Hofmann reagieren kann:

      "Jaa, hallooo erst mal !
      Ich weiß ja nicht, ob Sie`s schon gemerkt haben, aber da läuft seit Jahren so ein Terrorismus-Prozeß in Hamburg und gestern noch konnte man den Verteidiger von Herrn al Motassadeq noch sagen hören, daß man die neuen, schon lange angeforderten Vernehmungsprotokolle aus den USA vom Herrn Ramzi Binalshibh (die Schweizer schreiben das übrigens scheinbar noch nach alten Regeln: Ramsi Bin al Shibh !) sowieso nicht für die Anklage verwenden dürfe, da die Aussagen des Herrn Binalshibh, der sich in rechtlich ungeklärtem Gewahrsam der US-Streitkräfte befinde, vermutlich unter Folter erpreßt worden wären.
      Und heute hören wir vom Richter, daß diese Vernehmungsprotokolle Herrn Motassadeq eindeutig zu entlasten scheinen.
      Wenn wir dem Verteidiger glauben " dürfen sollten" , dann müßten wir Herrn Motassadeq doch jetzt eigentlich erst recht für einen mutmaßlichen Terroristen halten, da die Aussage von Herrn Binalshibh vermutlich unter Folter erpreßt wurde, Herr Motassadeq habe nichts vorher von dem Anschlag auf das WTC in New York gewußt, oder? Oder wie - oder was?
      Oder wollen uns diese bösen, bösen Amis einfach nur alle ärgern?"

      :confused:


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