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    Ein Lehrstück für Harmlosigkeit - Die Verfassung der DDR - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 17.06.01 12:55:46 von
    neuester Beitrag 21.08.01 08:17:58 von
    Beiträge: 19
    ID: 422.116
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      schrieb am 17.06.01 12:55:46
      Beitrag Nr. 1 ()
      Ein Lehrstück für Harmlosigkeit – Die Verfassung der DDR

      Wenn wir heutige Kommentare aus der PDS richtig interpretieren wollen, lohnt sich ein Blick in einen der am wenigsten gelesenen Texte deutscher Sprache – die Verfassung der DDR. Ich beziehe mich auf die Fassung vom 7. Oktober 1974, nach 1980 hatte ich kein gesteigertes Interesse mehr, mich um ein aktuelles Exemplar zu bemühen ;).

      Wir wissen etwas über die Realität in der DDR: Spitzelstaat, keine Meinungsfreiheit, willkürliche Verhaftungen, Folter usw. Die Verfassung widerspricht dem – aber nur auf den ersten Blick.

      Artikel 27,1 lautet:
      Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern. (...) Niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.
      Absatz 2:
      Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ist gewährleistet.

      Artikel 28,1:
      Alle Bürger haben das Recht, sich im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Verfassung friedlich zu versammeln.

      Scheinbar sprachen die Zustände in der DDR dem Hohn. Dissidenten wurden verhaftet, gefoltert, abgeschoben, wenn sie es wagten, frei ihre Meinung zu äußern oder sich friedlich zu versammeln, ob auf der Straße oder in Wohnungen.

      Der Witz dabei ist der Bezug auf die Grundsätze der Verfassung. Der entscheidende Unterschied in der Verfassung der DDR und dem Grundgesetz Deutschlands bestand in den Verfassungsgrundsätzen. Das Grundgesetz beginnt damit, erst einmal die Grundrechte der Menschen aufzuzählen, beginnend mit Artikel 1,1: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

      Die DDR-Verfassung hingegen definiert zuerst den sozialistischen Staat beginnend mit Artikel 1:
      Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei. (...) (Es folgt Festlegung von Hauptstadt, Flagge und Wappen).

      Erst damit ergibt alles einen Sinn, denn alle Grundrechte verweisen auf den Verfassungsgrundsatz der darin besteht, daß, platt gesagt, die Partei alles bestimmt.

      Wenn über die PDS jetzt gesagt, daß sie inzwischen reformiert sei und der deutschen Verfassung treu sei, vergißt man einfach 40 Jahre Verfassungsgeschichte, die über 80% der PDS-Mitglieder geprägt hatte. Die beinhaltet, daß Grundrechte immer mit Einschränkungen und Verweisungen verbunden waren, die, und das ist das entscheidende, die Grundrecht so stark verändern, daß sie ihren ursprünglichen Sinn verloren haben. Artikel 27,1 besagt also, daß es keine Meinungsfreiheit gibt, es sei denn, sie folge den Geboten der marxistisch-leninistischen Partei, der SED. Es ist eine naive Interpretation, in diesem Artikel eine Festlegung eines Grundrechts zu sehen. Er verpflichtet vielmehr, positiv über die SED und den Sozialismus zu reden. Nebenbemerkung: von daher ist es auch grotesk, daß man in der DDR begangenes Unrecht versuchte, unter Beachtung von DDR-Recht zu verfolgen, denn das DDR-Recht war kein Recht im Sinne eines demokratischen Rechtsstaates.

      Artikel 28 besagt, daß es grundsätzlich keine Versammlungsfreiheit gab, sondern nur die Möglichkeit, daß jeder sich den Versammlungen anschließen konnte, die staatliche Institutionen anordnen.

      Artikel 27,2 klingt in diesem Umfeld merkwürdig. Ironisch könnte man sagen, er ist einfach eine Definition. Die Pressefreiheit ist in der DDR gewährleistet. Wer also was anderes behauptet, der lügt.

      Die DDR-Verfassung ist voll von solchen Beispielen, wo das Denken von den Grundrechten her, wie man es in einer freiheitlichen Demokratie gewohnt ist, in die Irre führt. Artikel 37,3 sagt: Jeder Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung. Man sollte meinen, damit sei z.B. die Installation von Wanzen durch die Stasi ein Rechtsbruch. Aber die Praxis in der DDR sah solches als normal an. Hier war noch nicht einmal ein Zusatz zum Verfassungsartikel nötig. Artikel 35,1 gibt das Recht auf Schutz der Gesundheit und Arbeitskraft jedem Bürger. Leider zählt Artikel 35,2 auf, wie das geschehen soll und hebt damit Absatz 1 wieder auf. Umweltschutz wird z.B. nicht genannt, womit also Umweltschutzmaßnahmen aus der Verfassung heraus auch theoretisch nicht einklagbar waren, im Gegensatz zum Grundgesetz.

      Artikel 54 wird jeden Kritiker der DDR erheitern:
      Die Volkskammer besteht aus 500 Abgeordneten, die vom Volke auf die Dauer von 5 Jahren in freier, allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden.

      Wir wissen, daß die Wahl nicht frei und geheim waren. Aber auch das ist eine Mißinterpretation. Die Wahlen waren frei im Rahmen von Artikel 1, der forderte, daß die Wahl die Führung der SED sichern mußte. Und sie waren geheim, da jeder die Möglichkeit hatte, eine Wahlkabine aufzusuchen. Natürlich hätte man sich damit verdächtig gemacht, aber das ändert nichts an der Möglichkeit, geheim zu wählen.

      Wenn wir also über die Harmlosigkeit der PDS entscheiden wollen, müssen wir solche Verfassungsartikel und die Realität in der DDR miteinander vergleichen. Wir verstehen dann erst, wie interpretationsfähig Äußerungen aus der PDS sind, wie unverbindlich, wie leicht umzubiegen, sollte die PDS einmal nennenswert Macht gewinnen, wie es ja offensichtlich wesentliche Kreise in SPD und Grünen wünschen.

      Artikel 90 sagte: (1) Die Rechtspflege dient der Durchführung der sozialistischen Gesetzlichkeit (...) Sie schützt die Freiheit (...) und die Würde der Menschen. Dieser Artikel widerspricht sich selbst, aber eben nicht in den Augen eines Sozialisten. Und wenn PDS-Mitglieder von Einhaltung der Gesetze reden, von Menschenrechten und von Reform ihrer Partei, hätte man besser immer gefragt, ob das jetzt im sozialistischen Sinne gemeint war oder ehrlich. Die kommunistische Plattform macht ja deutlich, und auch Porsch und Dehm haben da Nachhilfe gegeben, daß alle Äußerungen aus der PDS selbstverständlich im sozialistischen Sinne gemeint waren.

      for4zim
      Avatar
      schrieb am 17.06.01 13:19:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      deine darstellung ist vereinfacht aber sachlich vollkommen richtig.

      noch was: hitler hatte seine steigbügelhalter (sind bekannt) und diese
      zogen daraus nutzen, gewinn, einfluss und macht.
      die pds hat sie auch.
      und das sind in meinen augen spd und grüne, auch ihnen gehts
      um gleiche kriterien.
      Avatar
      schrieb am 17.06.01 14:52:22
      Beitrag Nr. 3 ()
      Eine dazu passende Diskussion läuft unter local hero 3: Die Mauer habe "1961 den Frieden in Europa und der Welt erhalten". PDS!!! Thread: Die Mauer habe "1961 den Frieden in Europa und der Welt erhalten". PDS!!! im Board Allgemeines. Hier ist die Verteidigungslinie der (PDS-Anhänger?) hauptsächlich, der frühen Bundesrepublik Kommunistenverfolgung zu unterstellen oder die Wiederbewaffnungsdebatte vorzunehmen und dann zu fragen, wo sich eigentlich die CDU (genaugenommen müßte man auch die anderen Parteien dazu befragen) für diese Geschichte entschuldigt. Verteidigungslinie zwei ist, die BR Deutschland als logische Fortsetzung des Faschismus darzustellen.
      Avatar
      schrieb am 17.06.01 14:55:36
      Beitrag Nr. 4 ()
      "Die antifaschistisch-demokratischen Veränderungen im Osten Deutschlands und später das Bestreben, eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten [mein Einschub: also die menschenverachtende Diktatur DDR], standen in berechtigtem [Hervorhebungen von mir] Gegensatz zur Rettung des Kapitalismus in Westdeutschland [es wird also vorausgesetzt, daß ein bestehender Kapitalismus in Deutschland 1945 zu retten war ], der durch die in der Menschheitsgeschichte unvergleichlichen Verbrechen des deutschen Faschismus geschwächt und diskreditiert war." (Pau und Zimmer in ihrer Erklärung zum 55. Jahrestags des Mauerbaus, der auch eine Entschuldigung für den Mauerbau enthält. Porsch hat es dann ja wieder klargestellt, falls jemand diesen Satz überlesen hatte.) Und damit ist klar: die DDR stand im berechtigten Widerspruch zum freien Deutschland. Folter, Verhaftung von Dissidenten und Mauerbau waren damit berechtigter Widerspruch zum Adenauerstaat, denn der, das ist nun klar, war ja kapitalistisch, und der Kapitalismus ist durch den Faschismus (irgendwie mußten die beiden Dinge miteinander verknüpft sein, das ist aber nur PDS-Anhängern offensichtlich) diskreditiert.
      Avatar
      schrieb am 17.06.01 14:59:02
      Beitrag Nr. 5 ()
      Hier auch nochmal ein Verweis auf Materialien und Diskussion zu den Einflußmöglichkeiten der PDS über Stasi-Seilschaften und strategische Bündnisse mit anderen Parteien.
      for4zim: Wie mächtig ist die PDS wirklich? Thread: Wie mächtig ist die PDS wirklich?

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      Avatar
      schrieb am 17.06.01 15:54:33
      Beitrag Nr. 6 ()
      Ein Lehrstück für Demagogie, dein Eröffnungsposting!
      Als hätten die Menschen im Osten sich an irgend `ner Verfassung orientiert.
      Man hat dort gelebt wie überall, es gab gut und böse, faul und fleißig, politisch interessierte Leute, machtgeile Wirrköpfe, Mörder, Künstler und, und, und... Es klingt bei dir immer so, als hätten die Ostdeutschen nach 49 per Befehl ihre guten Charaktereigenschaften ablegen müssen.
      Reduziere doch nicht immer die DDR auf kommunistische Verbrecher und edle Gegner des Regimes.
      Politik spielte im Leben der meisten nur eine untergeordnete Rolle.
      Um so bemerkenswerter ist doch die Tatsache, das die "Ossis" selbst es waren, die die Wende herbeigeführt haben. Also trau ihnen eine ausreichende Portion Rechtsempfinden zu, und respektiere den Wählerwillen.

      Kl. Nachtrag zum Grundgesetz- Wer kennt es über die ersten Sätze hinaus...
      Gruss,
      Rad:)van,
      weder Alt- noch Neu- Kommunist
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 09:05:37
      Beitrag Nr. 7 ()
      Radovan, ich versteh Deine Antwort nicht ganz. Ich rede darüber, daß man bei Verlautbarungen der PDS nicht bloß auf den Titel gucken darf, sondern auch auf innere Zusammenhänge, und daß man auch nicht alles glauben darf. Als einen Punkt, der für Mißtrauen sorgen soll, stelle ich vordergründig positive Verfassungsartikel der DDR-Verfassung hin, weise dann darauf hin, daß die Realität eine andere war, und führe schließlich vor, daß diesen Widerspruch der Artikel 1 der Verfassung auflöst. Über den normalen Menschen in der DDR rede ich hier nicht, mir geht es um die Deutung der PDS.
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 09:20:01
      Beitrag Nr. 8 ()
      @ for4zim
      das verfassungen nicht immer die realität widerspiegeln sollte eigentlich jedem klar sein.
      auch in der verfassung der USA sind angeblich alle menschen gleich, frag einmal die minderheiten in den USA, wie gleich sie sich fühlen.
      solche billige polemik von dir :confused:
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 09:33:55
      Beitrag Nr. 9 ()
      Billige Polemik ist Dein Beitrag, fstein007. Ich habe mir in meiner Darstellung Mühe gegeben.

      Wenn sich ein Angehöriger einer Minderheit benachteiligt fühlt, kann er unter Berufung auf die Verfassung in den USA klagen. Da gibt es spektakuläre Urteile, die zu dem außerordentlichen Bemühen von Unternehmen heute führen, jeden Anschein von Diskriminierung zu vermeiden. Und "affirmative action" ist eine der Spezialitäten des Lebens in den USA. Die bestehende Benachteiligung mancher Minderheiten sehe ich eher als soziales Problem, da auch die US-Verfassung auf soziale Aspekte wenig wert legt.

      Das ist schon ein großer Kontrast zu einer Verfassung, in der steht "Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern." und dieses in der Praxis genau bedeutet, daß man eben nicht seine Meinung frei äußern kann.
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 12:07:31
      Beitrag Nr. 10 ()
      in den USA gab es auch 80 jahre nach der verfassung noch sklaverei, wie erklärst du mir das denn ?
      das ist zwar geschichte, aber das ist die DDR auch !
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 12:24:12
      Beitrag Nr. 11 ()
      Ich habe das Gefühl, die Diskussion soll vom Gegenstand des Threads abgelenkt werden.

      Wie Du richtig feststellst, fstein007, bestand in den USA, besonders krass im 18./19. Jahrhundert, aber auch noch ins 20. Jahrhundert hinein eine wahrnehmbare Diskrepanz zwischen Verfassungsanspruch und Wirklichkeit bei der Behandlung von Negern, auch von Indianern, sowie Chinesen und Japanern an der Westküste. Der Widerspruch löste sich dadurch auf, daß in der Wahrnehmung einer wesentlichen Zahl von Amerikanern jener Zeit verschiedene Kategorien von Menschen existierten und daher Farbige nicht mit der Verfassung gemeint waren. Auch hier macht der Blick auf die Diskrepanz zwischen Verfassung und Wirklichkeit klar, was das tatsächliche Menschenbild bei vielen Amerikanern war. Andererseits ist auch nicht zu leugnen, daß die Sklavenbefreiung und die nachfolgende Emanzipation nicht nur der Neger, sondern auch der Ureinwohner in den folgenden Jahrzehnten die Wirklichkeit an die Vorgaben der Verfassung heranführte.

      Genauso war es Merkmal der DDR, daß die Diskrepanz zwischen scheinbar erteilten Grundrechten und der faktischen Verweigerung dieser Grundrechte bis zum Ende der DDR fortbestand. Als die SED sich in PDS umbenannte, konnte sie nicht auf einen langfristigen Reformprozeß aufbauen, sondern mußte hastig ihre Programmatik den Vorgaben des demokratischen Rechtsstaates anpassen. Wie unvollkommen dieser Umbau war, zeigt das PDS-Programm, zeigt das Erstarken der kommunistischen Plattform als Bewegung der PDS-Mitglieder, die den Wandel zur Demokratie auch als Lippenbekenntnis nicht mitmachen wollten.
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 12:30:04
      Beitrag Nr. 12 ()
      der kommunistischen oder sozialistischen plattform ?
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 12:36:22
      Beitrag Nr. 13 ()
      Ich kann Rado verstehen und möchte ihm beipflichten...

      @for4zim: Glaubst Du etwa den anderen Parteien??? Wohl doch nicht, oder?
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 12:56:30
      Beitrag Nr. 14 ()
      Ich glaube Wahlversprechen nicht unbedingt. Wer sich mit Politik beschäftigt, weiß wie diese gemeint sind. Und natürlich muß ich immer damit rechnen, daß ein Politiker, wie jeder Mensch, zum eigenen Vorteil lügt oder Dinge verschweigt (wie etwa lange Zeit die Beteiligten im CDU-Parteispendenskandal oder am Parteifinanzenskandal in Hessen oder diverse Politiker der SPD in Köln, Essen, Niedersachsen...).

      Eine andere Qualität sind die systematische Lüge als Methode einer Ideologie, wie es in der DDR geübte Praxis war. Das beinhaltet die gesamte Verschleierung der wirtschaftlichen Misere des Systems, der tatsächlichen Zustimmungsrate aus der Bevölkerung oder über die Menschenrechtssituation. In der Bundesrepublik Deutschland ist die ständige offene Kritik Teil des Systems. In der DDR hingegen war das unmöglich, denn ständig führt einen dies auf Artikel 1 der Verfassung zurück, genauso wie in der BR Deutschland alle Grundrechtsdebatten um den Grundgesetzartikel 1 kreisen.

      Wenn man dann in das Grundsatzprogramm der PDS schaut, sieht man auch hier, wie dieses schon in der Präambel im Zentrum diese Sätze enthält:"Gemeinsam sind wir der Ansicht, daß der kapitalistische Charakter der modernen Gesellschaften ursächlich verantwortlich ist für die Gefährdung der menschlichen Zivilisation und Kultur, den militaristischen Charakter der internationalen Beziehungen, die Krise der globalen Ökosphäre und das unbeschreibliche Elend vor allem auf der südlichen Hemisphäre. Wir sind uns daher einig, daß die Herrschaft des Kapitals überwunden werden muß." Hier wird bereits klar in Gut und Böse geschieden. Genau diese Einteilung der Welt in ein Gut und Böse nur auf Basis der Besitzverhältnisse kennzeichnet das Unterdrückungssystem der DDR und die Programmatik der PDS. Und diese Einteilung in Gut und Böse ist immer gefährlich. Sie ist das Merkmal radikaler Parteien, aber auch besonders eifernder Vertreter selbst demokratischer Parteien. Sie führt zum Glauben, daß der Zweck die Mittel heiligt. Es gibt auch Politiker gemäßigter Parteien, deren Eifer mich abstößt. Aber wenn eine Partei insgesamt ein bestimmtes Bild hat, ist das noch eine andere Qualität.
      Avatar
      schrieb am 20.08.01 09:16:00
      Beitrag Nr. 15 ()
      Zu diesem Thread paßt ein Beitrag von Roland Claus, der immerhin Chef der PDS-Bundestagsfraktion ist. Er lehnt es ab, die DDR als einen Unrechtsstaat zu bezeichnen.

      Focus Online: „Dieser Begriff trifft aus meiner Sicht auf die DDR genau nicht zu“, sagte der Politiker am Samstag im Deutschlandfunk. Allerdings räumte er ein, dass es viel Unrecht gegeben habe und im Namen des Sozialismus auch Verbrechen begangen worden seien. Menschen mit DDR-Biografien müssten aber Akzeptanz in der Gesellschaft finden, und mit dem Begriff „Unrechtsstaat“ werde dies erheblich erschwert.

      In den letzten Wochen war wiederholt klar geworden, dass sich viele PDS-Politiker nicht von der DDR distanzieren wollen. Sogar der Mauerbau wurde von einigen gerechtfertigt.

      Nach den Ausführungen im Eingangsbeitrag ist aber klar, daß die DDR eben nicht in Einzelfragen Unrecht verübte, sondern in seiner ganzen Konstruktion ein Unrechtsstaat war. Wer das nicht begreift, ist in der deutschen Verfassungswirklichkeit noch nicht angekommen.


      Focus Online: Das ehemalige SED-Politbüromitglied Günter Schabowski kritisierte unterdessen die „unsäglichen Verrenkungen“, mit der die PDS eine Entschuldigung für die Todesopfer an Mauer und Stacheldraht vermeide.

      Eine Entschuldigung sei keine Sache, die man aus taktischen Erwägungen verhökere. „So etwas muss unaufgefordert und von innen herauskommen“, sagte Schabowski der Zeitschrift „Super Illu“. Eigentlich sei nur noch eine Reaktion möglich: „Ich würde denen sagen: Steckt euch die Entschuldigung sonst wo hin.“

      Die Diskussion zu diesem Punkt habe ich in for4zim: Man sollte aufhören, von der PDS Entschuldigungen zu verlangen Thread: Man sollte aufhören, von der PDS Entschuldigungen zu verlangen angestoßen.
      Avatar
      schrieb am 20.08.01 10:53:37
      Beitrag Nr. 16 ()
      Ich gebe Namensvetter fstein recht, daß Ideale (Verfassungen sind meist solche) nicht unbedingt der Realität entsprechen (sonst bräuchte man sie auch gar nicht). Sie sind das Ziel, nicht der Ist-Zustand. (Wie lange haben wir schon die sog. `Gleichberechtigung`??) Oder: Was die Obrigkeit anordnet, billigt der Durchschnittsbürger noch lange nicht. Kannst du bei Reisen in unterentwickelte Länder besonders deutlich erleben. (Warum müssen Touristen in manchen Ländern geschützt bzw. abgeschirmt werden?)
      Kennzeichnend für Diktaturen ist, daß der Ist-Zustand nicht einmal verbal zum Ausdruck gebracht werden darf. Es muß behauptet werden, daß alles so sei, wie es sein soll bzw. angeblich ist. Personen, die ihre Sprache dem nicht anzupassen bereit sind, werden als subversiv ausgefiltert.
      Avatar
      schrieb am 20.08.01 20:59:55
      Beitrag Nr. 17 ()
      “ sagte Schabowski der Zeitschrift „Super Illu“.:laugh::laugh:
      ( sind die etwa schon "in der Demokratie angekommen"?)
      for4zim, du nimmst auch alles was du kriegen kannst!!!

      Danke,
      Rad:)van
      Avatar
      schrieb am 20.08.01 22:38:24
      Beitrag Nr. 18 ()
      Schabowski ist einer der größten Wendehälse überhaupt ! Der war jahrzehntelang einer von denen in der ehemaligen DDR, die die Macht ausübten. Das Politbüro der SED war die Machtzentrale der DDR und Schabowski saß dort mit drin. Gleichzeitig war er der Chef des Parteiorgans "Neues Deutschland", welches jahrzehntelang die DDR Bürger nach Strich und Faden belogen hat. Jeden Dienstag ist er zur Politbürositzung gefahren und hat sich von Honecker und Mielke die Instruktionen geholt, was er im "Neuen Deutschland" gefälligst zu schreiben hat und was er gefälligst zu verschweigen hat. AUch in seiner weiteren letzten Funktion als Erster Sekretär der Bezirksleitung Berlin der SED hatte er mehr Macht als gar der Bürgermeister von Ost-Berlin.
      Als andere in der SED schon längst mit Gorbatschow´schen Ideen sich zu Wort meldeten, fuhr er noch streng Honecker-Hartbeton-Linie, jedenfalls nach außen hin, wie man in seinem "Neuen Deutschland" nachlesen konnte. Dort wurden Gorbatschow´sche Ideen nicht kommentiert und faktisch Gegenposition bezogen, so wie der alterssture Honecker es wollte. Dem Wendehals-King Egon Krenz hielt er bis zum Sturz die Stange. Seine Maueröffnungs-Pressekonferenz war ein (für uns alle glückliches) Mißverständnis.
      Eine Sauerei, wie kurz der nur im Gefängnis sitzen mußte, für all die verbrecherischen und verlogenen Entscheidungen die er jahrelang im Politbüro mit getroffen hatte !
      Dem nehme ich die Läuterung nicht ab ! Da ist Gysi, der nicht zu den Machthabern gehörte, der dem Schabowski, als der noch Machthabern war, schon ins Gesicht sagte, daß Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Reisefreiheit zu den unabdingbaren Menschenrechten gehören, ein tausend Mal glaubwürdigerer Zeuge des Wandels !
      Einen solchen Typen als Kronzeugen aufzurufen oder in ein Beratergremium der CDU aufzunehmen, wie der Bürgermeisterkandidat der Berliner CDU vorhat, grenzt an Zynismus gegenüber allen Opfern des Systems der DDR. Solch einem Menschen wieder öffentliche Reputation, damit Einfluß und Geldquellen und und und zu verschaffen, verhöhnt alle, die damals von ihm mit unterdrückt wurden.

      Gruß
      GerhardS
      Avatar
      schrieb am 21.08.01 08:17:58
      Beitrag Nr. 19 ()
      Schabowski hat sicher erhebliche Schuld auf sich geladen und scheint ein eher schwacher Mensch zu sein, so wie er dem alten Regime gefolgt war. Aber er ist derjenige, der am deutlichsten gesagt hat, wie sehr er seine DDR-Vergangenheit verurteilt. Niemand kann in ihn hineinblicken und wissen, ob er seine Reue ehrlich meint. Trotzdem glaube ich eher noch ihm als Gysi, der ja keine Ursache zum Bruch mit seiner Partei sah, obwohl er genau wußte, daß die DDR-Nomenklatura weiter in der Partei blieb. Ich würde Schabowski in keinem politischen Amt dulden, aber seinen Rat auch nicht zurückweisen.


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