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    Das Jahr des schnellen Geldes - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 30.12.99 01:59:23 von
    neuester Beitrag 07.01.00 12:12:15 von
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      schrieb am 30.12.99 01:59:23
      Beitrag Nr. 1 ()
      kopiert von irgendwo
      Bischoff


      Die deutschen Sparer haben das Zocken an der Börse entdeckt. Die Profis staunen und laufen dem Boom hinterher
      Hoch über dem Frankfurter Börsenparkett arbeitet einer, der die Welt weiter unten nicht mehr versteht. Dabei ist Friedhelm Busch ein ausgewiesener Experte in Sachen Aktien: Seine Sendung Telebörse, live vom Balkon im großen Handelssaal, ist der Quotenrenner beim Nachrichtenkanal n-tv; in der Branche gilt der 61-Jährige als einer der Väter des Aktienbooms in Deutschland. In diesem Jahr aber, sagt Busch, "ist an der Börse etwas entstanden, das mir Angst macht".
      Der Vater ist entsetzt über die Maßlosigkeit seines Kindes. Dabei hätte einer wie Busch doch Grund zur Freude: Der Deutsche Aktienindex (Dax) kletterte allein seit Oktober um fast 25 Prozent und überwand in den vergangenen Tagen fast täglich eine neue Rekordmarke; dazu stieg die Zahl der Aktionäre hierzulande erstmals über fünf Millionen. Das Risikopapier Aktie, scheint es, hat 1999 bei den risikoscheuen Deutschen den Durchbruch geschafft: Angesichts niedriger Zinsen am Kapitalmarkt investieren die Kleinanleger lieber in die Börsenpapiere von Unternehmen. Und je mehr das Vertrauen in die gesetzliche Rente bröckelt, desto größer wird das Interesse an Investmentfonds.
      Doch die Aussicht auf ständig steigende Kurse hat eine ganz neue Klientel an die Börse gelockt. "Spieler" nennt sie der alte Börsenfuchs Busch, und beim renommierten Deutschen Aktieninstitut in Frankfurt räumt Sprecher Franz-Josef Leven ein, "dass die Kurssprünge den ein oder anderen wohl nicht nur neugierig, sondern auch gierig gemacht haben". Das Risiko eines Rückschlages? Wird einfach verdrängt.
      Alle kaufen Siemens, Mannesmann und Telekom
      Dabei hatten gerade Kursrückgänge die ersten Kleinaktionäre der jungen Bundesrepublik verprellt. Was heute kaum einer weiß: Bereits 1959 versuchte der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard die Deutschen für die Börse zu begeistern - bei der Privatisierung der Preussag. Zwei Jahre später folgte die Volksaktie VW mit einer Art Sozialrabatt für Einkommensschwächere. Tatsächlich war Anfang der sechziger Jahre fast jede vierte Mark des Geldvermögens der Bundesbürger in Aktien investiert. Doch die Kurse bröckelten, die Kleinanleger verkauften. Populär wurde die Aktie hierzulande erst wieder mit dem Börsengang der Telekom im November 1996.
      "Heute verstehen selbst altgediente Börsianer die Zusammenhänge nicht mehr so recht", sagt Bruno Hidding von Hoppenstedt Research. Während die Experten zur Vorsicht raten und vor überbewerteten Aktien warnen, kaufen die Anleger bestimmte Werte kräftig nach. Das aber zieht die Kurse nach oben - eine self-fulfilling prophecy. Der Haken: Verlieren die Spieler die Lust an der Börse, realisieren also ihre Gewinne, gehen die Kurse in die Knie. Alle Kleinanleger aber, die zu spät eingestiegen sind, bleiben auf ihren Verlusten sitzen.
      "Die meisten Anleger bewerten derzeit nicht die Geschäftsdaten der Unternehmen, sondern begeistern sich für Themen", erklärt Bernd Rudolph, Professor für Kapitalmarktforschung in München, den Herdentrieb. Tatsächlich zogen den Dax bis Mitte Dezember vor allem jene Werte nach oben, bei denen fast permanent über Fusionen, Übernahmen oder Strategie diskutiert wurde: Wer Anfang des Jahres 10 000 Mark in die Aktien von Mannesmann, Telekom oder Siemens investierte, konnte den Einsatz mehr als verdoppeln.
      Ohne die Kurssprünge der flotten drei jedoch, rechnen Analysten vor, hätte der Dax nur ein Zehntel des Anstiegs geschafft. Wer zu Jahresbeginn etwa auf VW oder Metro, RWE oder Karstadt setzte, verlor bis Dezember mehr als 20 Prozent.
      Und die Aktien der kleineren, nicht im Dax notierten Unternehmen sind beim Rennen um den ganz großen Gewinn sowieso kaum unters Anlegervolk zu bringen. "Viele der Mauerblümchen", schreibt Börse Online, seien "trotz respektabler Wachstumsaussichten extrem günstig zu haben". Doch mit selbstklebenden Folien, Türschlössern oder Kuvertieranlagen ist an der Börse kein Staat zu machen.
      Selbst die Profis hat der Boom überrascht. Jetzt, zum Jahresende, rennen auch die institutionellen Anleger dem Trend hinterher. "Ein Fondsmanager muss ja mindestens die gleiche Performance schaffen wie der Dax", sagt Friedhelm Busch. "Also springt er auf den fahrenden Zug und kauft genau die Titel, die alle kaufen." Folge: Die Kurse steigen weiter, der Kaufrausch auch - die Hausse nährt die Hausse.
      1999 war aber vor allem das Jahr des Neuen Marktes. Die Börse für junge, wachstumsstarke Unternehmen legte selbst ein starkes Wachstum vor: Mehr als 130 Titel drängten neu auf den Kurszettel, damit verdreifachte sich die Zahl der notierten Gesellschaften. Am Neuen Markt herrscht Goldgräberstimmung, spätestens seit Thomas Haffa mit seiner Aktie EM.TV auch Kleinanleger zu Millionären machte. Wer das Papier des Münchner Medienunternehmers bei der Emission Ende 1997 zeichnete, verbuchte zwischenzeitlich Kursgewinne von mehr als 15 000 Prozent. Auch dieses Jahr war schnelles Geld zu verdienen: Jede Mark, die Anfang Januar in Aktien der Softwarefirma Intershop gesteckt wurde, war im Dezember mehr als das Fünffache wert; die Aktie des Chipbrokers ce consumer electronics legte um mehr als 350 Prozent zu.
      Die rasanten Kurszuwächse haben dem Neuen Markt den Ruf eingebracht, eine riesige Geldvermehrungsmaschine zu sein - und damit wurden die Spieler angelockt. Das Problem: "Auch mittelmäßige Neuemissionen waren 1999 deutlich überzeichnet", sagt Heiko Bienek, Leiter der Aktienanalyse bei Independent Research. Das hat die Kurse in ungeahnte Höhen getrieben. "Offenbar haben wir mit Blick auf das Internet völlig die Dimensionen verloren", klagt Friedhelm Busch. "Es werden nur noch Visionen gehandelt." Kaum eines der begehrten Unternehmen aus den Bereichen Software oder Informationstechnologie verdient in den kommenden Jahren tatsächlich Geld, viele schreiben stattdessen dicke Verluste.
      "Ist der Neue Markt tatsächlich so viel wert?", fragte jüngst die Financial Times. Nein, sagen mittlerweile viele Experten. Weil sich am Neuen Markt mehr als 200 Unternehmen tummeln, fällt es selbst Profis zunehmend schwer, echte Perlen mit langfristigen Chancen zu entdecken. Immerhin jede dritte Neuemission des Börsenjahres 1999 dümpelt heute unter ihrem Ausgabekurs. Die Analysten gelten als überlastet, weil sich ihre Zahl kaum erhöht, die Zahl der neuen Unternehmen dagegen rasant gewachsen ist. Zudem stellt sich die Frage nach der Rolle einiger Emissionsbanken. "Trendverlängernde Jubler" nennt sie der unabhängige Analyst Hidding: Manch Institut hoffe auf höhere Provisionen, wenn nur genügend Anleger kauften.
      Seriöse Marktbeobachter warnen gerade am Neuen Markt davor, blind zu investieren. "Wenn sich der Kurs am ersten Tag verdreifacht, ist das keine vernünftige Entwicklung", sagt Peter Thilo Hasler von HypoVereinsbank Research. Doch die Mehrzahl der Anleger kauft unbekümmert weiter. Das Ergebnis sind zum Teil abenteuerliche Kurssprünge der Favoriten.
      Satte 216 Prozent Zuwachs bescherte etwa vor Weihnachten die fluxx.com-Aktie allen Anlegern - und das innerhalb von nur fünf Handelstagen. Kurz zuvor hatte der Anbieter von Glücksspielen im Internet die Übernahme des Online-Pferdewettbüros horse.de bekannt gegeben. Doch genauso gut kann es auch in die andere Richtung gehen: Noch Ende Oktober propagierten Börsenbriefe die Aktie von Höft & Wessel. Der Hersteller von Kassensystemen - unter anderem des mobilen Schaffnercomputers der Deutschen Bahn - sei "ein glatter Kauf". Anfang November brach der Kurs an einem Tag um 40 Prozent ein.
      "Langfristig denken und die Anlage breit streuen", gibt das Deutsche Aktieninstitut als Devise für Kleinanleger aus. Sowieso hoffen viele Experten für die kommenden Monate eher auf eine Verschnaufpause, bevor die Kurse weiterklettern. "Trotz der verbesserten konjunkturellen Erwartung wäre eine Konsolidierung wünschenswert", heißt es etwa bei der Bankgesellschaft Berlin. "Der Markt hat einfach übertrieben", sagt Heiko Bienek von Independent Research.
      Ob so viel Zurückhaltung auch die Spieler üben, ist freilich offen. "An der Börse kommt es nicht darauf an, Recht zu haben, sondern Recht zu bekommen", weiß Börsenfuchs Busch. Solange die Anleger weiter blindwütig kaufen, fällt Letzteres nicht schwer.
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      schrieb am 07.01.00 12:12:15
      Beitrag Nr. 2 ()
      Börsenfieber erfasst Kleinanleger - viele spielen Roulette

      Dax-Höhenflug verwandelt Sparer in Spekulanten - Aktionäre folgen blind den Empfehlungen der Gurus
      Frankfurt/Main - Deutschlands Kleinanleger sind im Börsenfieber. Der Höhenflug der Aktienkurse hat aus manch vorsichtigem Sparer inzwischen einen gierigen Börsenzocker gemacht. Daran wird auch die Schwächephase an den Aktienmärkten zu Beginn des Jahres nichts ändern. Oft riskieren diese Glücksritter ihre letzten Geldreserven, haben aber nicht das Wissen über die Risiken auf dem Börsenparkett. Ohne das nötige Rüstzeug wird die Aktienanlage jedoch zum Roulette.
      Sie kaufen Aktien von Unternehmen, die sie gar nicht kennen. Sie verfolgen gebannt die Börsensendungen im Fernsehen und rennen dann blind den Aktienempfehlungen der Börsen-Gurus nach. Aktien, Optionen, Futures - wie das Papier heißt und was dahinter steckt, spielt kaum eine Rolle. Hauptsache es fließt Bares, und das schnell. Selbst die Hypothek auf das eigene Haus wird dann schon mal leichtsinnigerweise gesetzt.
      "Das ist wie mit Turnschuhen im Hochgebirge umher zu kraxeln", warnt daher Aktionärsschützer Dieter Kauffmann. Der Vorsitzende der Schutzvereinigung der Kleinaktionäre (SdK) beklagt, dass manche Nachwuchsaktionäre "zu blauäugig" ihr finanzielles Heil suchen. "Die Leute kaufen einen Staubsauger für 200 Mark und besorgen sich vorher Testhefte. Wenn aber einer für mehrere tausend Mark Aktien zeichnet, macht er das oft blind", rügt auch Uwe Wulf von der DG Bank.
      Spekulieren ist schick wie nie zuvor. Während Börsenprofis noch vor Jahren mit Argwohn bedacht wurden, sind sie heute gefragte Gäste in Fernsehsendungen. Sie empfehlen Aktien von Firmen, deren Namen kaum einer je gehört hat. Und sie finden dankbare Zuhörer: Die Kurse der angepriesenen Papiere schießen am nächsten Handelstag mit schöner Regelmäßigkeit durch die Decke.
      Börsentipps gibt es in Hülle und Fülle aber auch per Internet und Telefon. Der Fernsehsender n-tv räumt auf seinen Videotext-Seiten reichlich Werberaum für 0190-Hotlines ein. Mit Einblendungen wie "Achtung: Neuer 15 000-Prozent-Kracher", "Kurs-Rakete gezündet" oder "Panik am Neuen Markt, was tun?" sollen Anleger geködert werden. Für meist 3,63 DM pro Minute gibt es dann nicht das sonst unter 0190-Nummern bekannte Sex-Gestöhne, sondern den angeblich ultimativen Tipp selbst ernannter Börsenexperten.
      "Das ist der reinste Wahnsinn, was momentan passiert", sagt Wulf. Direkt-Banken preisen verstärkt den Aktienkauf per Internet an, am besten gleich vom Arbeitsplatz oder dem heimischen Wohnzimmer aus. Die Werbung einer Direkt-Bank beschreibt das neue Credo deutlich: "Du musst gnadenlos sein. Friss oder stirb. Kaufen, verkaufen, Bingo. Handeln bis das Adrenalin auf der höchsten Stufe ..."
      Diese Maxime scheinen auch zahlreiche Aktionäre des finanziell schwer angeschlagenen Frankfurter Bauriesen Philipp Holzmann schon verinnerlicht zu haben. Während die Holzmänner nämlich noch immer um ihren Job und den Fortbestand des Unternehmens zittern, ist die Holzmann-Aktie an der Börse zu einem begehrten Zocker-Papier verkommen.


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