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    Hotline zum Himmel - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 19.05.02 11:44:45 von
    neuester Beitrag 20.05.02 00:08:55 von
    Beiträge: 2
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      schrieb am 19.05.02 11:44:45
      Beitrag Nr. 1 ()
      im Spiegel gibt es auch einen lesenswerten Artikel über die Frage "Warum beten Menschen Götter an?" und ob die Antwort in einer bestimmten Hirnregion zu finden ist.

      quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/
      (getäuschte Anleger, die keine 0,85€ mehr übrig haben, können sich auch an mein WO-Postfach wenden ;))

      Subjektive Zusammenfassung der interessantesten Abschnitte (= ca. 25%):

      "... Auch im Gehirn sind Veränderungen nachweisbar: Etwa 50 Sekunden, nachdem eine Meditation begonnen hat, erscheinen so genannte Alpha-Wellen im Elektroenzephalogramm - was sonst bei geöffneten Augen sehr ungewöhnlich ist. In einigen Fällen lassen sich sogar, trotz offener Augen, Theta-Wellen messen, normalerweise ein Indiz dafür, dass der Proband schläft und Traumbilder ihn umgaukeln. ..."

      "... Einer, der diesen Fragen nachgeht, ist der Radiologe Andrew Newberg an der University of Pennsylvania. Er forderte Buddhisten zum Meditieren auf. Ehe jedoch ihr Geist mit dem Kosmos verschmolz, zogen sie noch rasch an einer Strippe. Damit öffneten sie ein Ventil, durch das eine schwach radioaktive Substanz in ihre Venen tröpfeln konnte. Mit Hilfe einer Technik namens SPECT (Single photon emission computed tomography) konnte Newberg dann messen, an welchen Stellen im Hirn die Nervenzellen so aktiv arbeiten, dass sich dieser Stoff anreichert.

      Tatsächlich erkannte der Forscher schon bald ein charakteristisches Muster auf dem Tomogramm - und mehr noch: Es glich in verblüffender Weise jenem, das sich unter ähnlichen Umständen bei betenden Franziskanernonnen gezeigt hatte. Wie im Normalzustand, so zeichnete sich auch bei Newbergs Probanden auf dem Bildschirm ein grell-bunter Kranz ab: die hoch aktive Großhirnrinde. In einem Bereich jedoch, rechts unten auf dem Bild, war die Färbung deutlich blasser: Hier, im Scheitellappen, schien die Nerventätigkeit drastisch gedrosselt zu sein.

      Newberg war begeistert, denn er begriff, dass er soeben Zeuge jener Vergeistigung geworden war, von dem die Meditierenden berichten: Der Scheitellappen nämlich ist genau die Region im Hirn, in der alle Informationen über den Körper zusammenlaufen. Muskeln, Gelenke, Augen, Gleichgewichtsorgan und motorische Steuerzentren senden Signale, aus denen der Scheitellappen ein Bild des eigenen Körpers zusammensetzt. ..."

      "... Den Neurotheologen passen derartige Beschreibungen wunderbar ins Konzept. Denn der Schläfenlappen scheint geradezu prädestiniert dazu, den Eingang zu anderen Welten zu öffnen: Hier wird nicht nur die Sprache verarbeitet, hier werden auch Gegenstände, Gesichter und Begriffe erkannt, hier wird der Welt gleichsam Bedeutung verliehen. Zugleich ist der Schläfenlappen untrennbar mit der Gefühlswelt verwoben.

      In den tieferen Regionen dieses Hirnlappens verbirgt sich einer der faszinierendsten Teile des Gehirns (siehe Grafik Seite 191): ein nur schnittbohnengroßer, Cförmiger Nervenstrang mit dem Namen limbisches System. An einem Ende dieser Hirnstruktur sitzt der Mandelkern ("Amygdala" ). Hier laufen die Sinneseindrücke aus allen Teilen des Großhirns zusammen - Bilder, Töne und Gerüche, Temperatur-, Tast- und sonstige Körpersignale - und werden mit Gefühlen getränkt. Hier erst verwandelt sich wertfreie Information in Wut, Ekel, Freude oder Glück.

      Von der Amygdala ausgehend windet sich der zweite Teil des limbischen Systems einmal rund ums Zwischenhirn. Seiner Form wegen wurde er Hippokampus, Seepferdchen, getauft. Dieses unscheinbare Gebilde dient als Pforte zur Vergangenheit: Nur diejenigen Reize, die den Hippokampus passieren, werden im Gedächtnis abgespeichert. Der Rest fällt dem Vergessen anheim.

      Den Mechanismus religiöser Visionen jedoch, glaubt Hinderk Emrich, Psychiater an der Medizinischen Hochschule Hannover, könne nur verstehen, wer die zweite, eng mit der ersten verknüpfte Funktion dieser Hirnregion beachtet: Der Hippokampus urteilt nicht nur über erinnernswert oder -unwert, sondern auch über falsch oder richtig.

      "Der Hippokampus gleicht einer Schere im Kopf", erklärt Emrich, der sich seit rund 15 Jahren der Erforschung von Illusionen widmet. "Aber ohne diese Form der Zensur würden wir in der Welt nie zurechtkommen können."

      Denn unentwegt wird das Gehirn von einer unvorstellbar großen Menge von Daten geflutet, vieles davon ist sinnlos, vieles widersprüchlich. Nun gilt es zu entscheiden: Was von all diesen Informationen ist wirklich bedeutsam? Welche der Daten gehören zusammen, welche widersprechen sich?

      Aufgabe des Hippokampus ist es, aus der Fülle möglicher Deutungen, die ihm das Hirn vorschlägt, die plausibelste auszuwählen. Dazu wird in dieser Hirnstruktur unentwegt das Wahrgenommene mit dem Erwarteten verglichen; was allzu ungewöhnlich scheint, wird schlicht verworfen. "Der Hippokampus arbeitet nach dem Motto von Christian Morgenstern: ,Weil nicht sein kann, was nicht sein darf`", erklärt Emrich. ..."

      "... Deshalb fördere es die Kreativität, wenn es gelingt, die Schere im Kopf mitunter zu überlisten. "Dann können sich plötzlich ganz neue Bedeutungszusammenhänge ergeben", erklärt der Forscher. "Auch Erleuchtungen bestehen möglicherweise darin, dass die Selbstzensur im Hippokampus überrannt wird." Der Halluzinierende sieht Emrich zufolge stets seine eigene Wirklichkeitshypothese: "Die eigene Phantasie wird ihm vom Hirn als Realität eingespielt." ..."

      "... Bei Schläfenlappenepileptikern wiederum könnte der Hirnzensor als Folge der Anfälle Schaden genommen haben, so dass diese Patienten regelmäßig das Gefühl haben, von Erleuchtungen heimgesucht zu werden - womöglich war das auch die Quelle von Dostojewskis kreativer Produktivität. ..."



      "... Stand demnach möglicherweise nicht die Vernunft, auf die sich der Mensch so viel zugute hält, sondern vielmehr die Religion und damit das Irrationale am Anfang aller Kultur? War sie es, die den Startschuss gab zum Siegeszug der Spezies Homo sapiens? ..."

      "... Plausibler muten da schon die Erklärungsversuche der Religionspsychologen und Biologen an. Sie betrachten die Religion als schlechthin universales Merkmal menschlicher Natur, dessen Sinn es zu finden gelte. Zwei grundsätzlich verschiedene Modelle stehen sich dabei gegenüber:

      * die Adaptationstheorie: Ihr zufolge rüstete die Natur das Gehirn eigens zum Zweck der religiösen Empfindungsfähigkeit mit eigenen Schaltkreisen aus; demnach müsste die Religion einen Vorteil im steinzeitlichen Überlebenskampf bedeutet haben, der groß genug war, Individuen mit diesem Gottesmodul zu selektieren;

      * und die Exaptationstheorie: Sie besagt, dass die Religion gleichsam als unausweichliches Begleitprodukt der Hirnentwicklung entstand; das Heranwachsen der Bewusstseinsfähigkeit führte nach dieser Theorie zwangsläufig auch zu übersinnlichen Wahrnehmungen, auch ohne dass diese dem Überleben sonderlich förderlich gewesen wären. ..."


      "... Der Münchner Religionspädagoge Hans-Jürgen Fraas etwa geht davon aus, dass die Religion geboren wurde, als eine neue Ebene in den neuronalen Verarbeitungsprozess eingeschoben wurde: "Das Tier lebt nach einem Reiz-Reaktions-Schema; beim Menschen hingegen tritt zwischen Reiz und Reaktion die Möglichkeit bewusster Entscheidung." Diese Lücke betrachtet Fraas als "Wurzel von Kultur und Religion".

      Kaum dass sich der Mensch seiner selbst bewusst geworden war, habe er verunsichert einer übermächtigen Natur gegenübergestanden. Vor allem muss er zutiefst erschüttert begriffen haben, dass sein Ich mit seinem Tod für immer verlöschen werde. Nur die Hoffnung auf ein Fortbestehen nach dem Tod, so argumentieren die Verfechter der Exaptationstheorie, habe ihm Trost spenden können - anders hätte er die Last der einmal gewonnenen Erkenntnis nicht ertragen können. ..."

      "... René Descartes gilt als der Erste, der dieses Leib-Seele-Problem erkannte. Eine Lösung zeichnet sich erst jetzt, im Lichte moderner Hirnforschung ab: Jene Wissenschaftler nämlich, die in den grauen Zellen nach dem Wesen des Menschen forschen, sind zunehmend davon überzeugt, dass der freie Wille nichts als eine Illusion ist, das Ich ein bloßes, wenngleich nützliches Konstrukt.

      "Der freie Wille aber ist uns denknotwendig", sagt Kippenberg. Er vermutet, dass der Mensch, indem er begann, von sich selbst als Ich zu denken, im Grunde auch den Glauben an die Seele erfand. ..."


      "... Während die Verfechter der Exaptationstheorie die Seele für das zentrale Element aller religiösen Glaubensgebäude halten, betonen die Vertreter der Adaptationstheorie eher deren moralischen Gehalt. Ihrer Auffassung nach bewährte sich die Religion vor allem als gesellschaftlicher Kitt, der ein immer komplexeres Sozialgefüge zusammenhielt.

      Denn mit dem Auftreten des Menschen entstand eine Form von Gemeinschaft, wie es sie nie zuvor auf dem Planeten gegeben hatte: Das Verhältnis der Geschlechter, die Versorgung des Nachwuchses, die Rolle der Jugend, die Machthierarchie - all das wird in einer Büffelherde, einem Wolfsrudel oder einem Vogelschwarm vom Instinkt gesteuert: Die Hirschkuh weiß, dass sie sich in das Harem eines Bullen einzugliedern hat; der junge Hirsch wartet geduldig, bis ihm ein innerer Impuls befiehlt, sich mit den Rivalen zu messen. ..."

      "... Das aber könnte für frühe menschliche Gesellschaften nicht nur eine Stärke, sondern auch enorme Gefahr bedeutet haben. Denn in jeder Gruppe, in der vom Instinkt entbundene Individuen miteinander leben, stellt sich die Frage, wie der Einzelne gezwungen werden kann, sich an die in dieser Gruppe geltenden Normen zu halten. Irgendetwas musste den Instinkt ersetzen - und möglicherweise war es die Religion.

      Denn wie ließe sich die Ordnung besser sicherstellen als durch ein höher stehendes Wesen? Denn keiner Macht fügt sich der Mensch bereitwilliger als derjenigen, die ihm schaudervolle Ehrfurcht einflößt. ..."
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      schrieb am 20.05.02 00:08:55
      Beitrag Nr. 2 ()
      Klasse!


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