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    Wirklich lesenswert: G: SOROS über USA und Globalisierung im SPIEGEL - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 25.03.02 12:34:20 von
    neuester Beitrag 25.05.02 20:48:34 von
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      schrieb am 25.03.02 12:34:20
      Beitrag Nr. 1 ()
      25. März 2002 - SPIEGEL-Online




      WELTWIRTSCHAFT "Perfekter Feind"

      Der Börsenspekulant George Soros, 71, über Fehler der US-Regierung, Irrtümer der Globalisierungskritiker und die Frage, wie viel Moral die Märkte brauchen

      George Soros
      zählt weltweit zu den berühmtesten Börsenspekulanten. Legendär ist der Kampf des gebürtigen Ungarn gegen die Bank von England, bei dem er 1992 mit seinem Fonds auf eine Abwertung des britischen Pfunds setzte - und über Nacht eine Milliarde Dollar gewann. So leidenschaftlich Soros, 71, als Finanzstratege agiert, so engagiert ist er auch als Philanthrop. Über 500 Millionen Dollar steckt er jedes Jahr in ein Netzwerk diverser Stiftungen, die sich vor allem für die Demokratisierung Osteuropas einsetzen.



      SPIEGEL: Herr Soros, vorige Woche haben Sie auf der Uno-Konferenz im mexikanischen Monterrey vor 54 Staats- und Regierungschefs eindringlich vor den Folgen der Globalisierung gewarnt und für einen neuen Finanzausgleich zwischen armen und reichen Ländern geworben. Wie war die Reaktion?
      Soros: Man hat mir zumindest zugehört. Das ist einer der Vorteile, wenn man sich einen gewissen Ruf als Finanzexperte erworben hat: Man wird ernst genommen.

      SPIEGEL: Als Mann vom Fach wissen Sie aber auch, welche starken Antriebskräfte Gier und Geiz sind. Schließlich leben Sie davon, das Geld anderer Leute zu mehren. Was sollte die Reichen dazu bewegen, mit den Armen zu teilen?

      Soros: Die Einsicht, dass eine Welt mit großen Ungleichheiten eine sehr gefährliche Welt ist. Gerade bei den Amerikanern haben die Terroranschläge vom 11. September zu einem Umdenken geführt. Vor dem 11. September haben bei Umfragen nur 55 Prozent erklärt, dass sie es begrüßen würden, wenn die USA mehr Rücksicht auf die Interessen anderer Länder nähmen. Jetzt sind es weit über 80 Prozent.

      SPIEGEL: Gilt das Ihrer Meinung nach auch für die Regierung von US-Präsident Bush?

      Soros: Diese Regierung hat leider überhaupt kein Interesse an internationaler Zusammenarbeit. Bush ist angetreten, die Bedingungen des Kalten Kriegs wiederherzustellen, mit den USA als Supermacht und Führer der freien Welt. Amerika will ganz allein bestimmen, wo es langgeht. Bush hat so gesehen im internationalen Terrorismus den perfekten Feind gefunden: unsichtbar, allgegenwärtig, unbesiegbar - eine Legitimation für alles, von der Erhöhung des Militäretats bis zur Kündigung des ABM-Vertrags.

      SPIEGEL: Sie halten die Militärintervention in Afghanistan für falsch?

      Soros: Keineswegs, die Entsendung von Truppen und Bombern nach Afghanistan war sicher richtig. Was fehlt, ist ein zweigleisiger Ansatz, der auf die militärische eine soziale Initiative folgen lässt. Wir sind dabei, eine gewaltige Chance zu verpassen. Die Supermacht Amerika könnte jetzt ihre Dominanz nutzen, um für eine gerechtere, demokratischere Welt zu sorgen, so wie man es nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa mit dem Marshallplan gemacht hat. Gerade wegen unserer unbestrittenen Überlegenheit könnten wir es uns leisten, den Leuten, mit denen wir diesen Globus teilen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Aber das ist außerhalb der Vorstellungskraft der Leute im Weißen Haus.

      SPIEGEL: Die Republikaner haben offenbar den Eindruck, dass ihnen der Erfolg Recht gibt: Der Krieg läuft erfolgreich, die Wirtschaft ist wieder auf Wachstumskurs, der Schock nach dem 11. September überwunden. Warum also umdenken?

      Soros: Übergroße Dominanz fördert Widerstand. Selbst der deutsche Außenminister Joschka Fischer hat sich kürzlich zu Recht dagegen verwahrt, dass die USA ihre Verbündeten in Europa wie Vasallen behandeln. Vor sechs Monaten konnten die Amerikaner mit der nahezu ungeteilten Solidarität des Auslands rechnen, doch dieses moralische Kapital ist beinahe aufgebraucht. Die Entweder-oder-Politik der US-Regierung polarisiert, fördert Extrempositionen und bereitet damit auf unselige Weise gerade jenen terroristischen Kräften den Boden, denen an einer weiteren Spaltung der Welt sehr gelegen ist.

      SPIEGEL: Bush hat immerhin vor wenigen Tagen vorgeschlagen, die Entwicklungshilfe an Dritte-Welt-Staaten um fünf Milliarden Dollar aufzustocken. Ist Ihnen das nicht genug?

      Soros: Ich fand diesen Vorschlag ziemlich irreführend, was ich in Monterrey auch gesagt habe. Wer sich das Hilfspaket genauer ansah, musste nämlich feststellen, dass die versprochene Summe über drei Jahre gestreckt war. Ich bin sehr froh, dass der Präsident nun noch einmal nachgelegt hat, so dass die jährliche Auslandshilfe tatsächlich um fünf Milliarden erhöht wird. Das ist ein guter Anfang, doch gemessen an der Wirtschaftsleistung ist der Entwicklungshilfeetat der USA trotzdem noch immer geringer als der jedes anderen Industrielands.

      SPIEGEL: Sehen Ihre Bekannten und Freunde an der Wall Street die amerikanische Politik ähnlich kritisch wie Sie?

      Soros: Ich kann nicht für die Wall Street insgesamt sprechen, aber diejenigen, zu denen ich Kontakt halte, sind sehr besorgt über die Richtung, in die sich dieses Land bewegt. Eine weitere kriegerische Auseinandersetzung, möglicherweise sogar unter Einsatz von Atomwaffen, ist das Letzte, was die amerikanische Wirtschaftswelt will. Die Leute sind doch gottfroh, dass die Börse wieder anzieht und sich das allgemeine Geschäftsklima deutlich aufhellt.

      SPIEGEL: "Märkte sind amoralisch", postulierten Sie einst. Ist ein wenig Moral möglicherweise doch gut fürs Geschäft?

      Soros: Märkte an sich kennen keine Moral, das macht sie so effizient. Zwischen richtig und falsch zu unterscheiden ist ja immer eine komplizierte Geschichte, wenn es über die nüchterne Kalkulation von Gewinnchancen hinausgeht. Doch was die Marktfundamentalisten gern übersehen, ist die Tatsache, dass Gesellschaften nun einmal nicht wie Märkte funktionieren, zumindest nicht die Art von offener Gesellschaft, wie wir sie wollen. So lange es um den freien Verkehr von Kapital und Waren geht, ist die Globalisierung sicher eine wunderbare Sache. Doch wenn wir abstraktere Güter wie Umweltschutz, Gesundheitsvorsorge oder Bildung betrachten, sieht die Leistungsbilanz weit weniger überzeugend aus.

      SPIEGEL: Das klingt, als würden Sie sich neuerdings mühelos in die Front der Globalisierungsgegner einreihen.

      Soros: Die Globalisierungsgegner haben in vielen Punkten ihrer Kritik einfach Recht. Aber ich glaube, sie machen einen Fehler, wenn sie die bestehenden Finanzinstitutionen schwächen wollen. Für die Globalisierungskritiker sind der Internationale Währungsfonds IWF, die Weltbank und die Welthandelsorganisation WTO der Inbegriff allen Übels. Dabei übersehen sie schlicht die Tatsache, dass Armut und Elend fast immer die Folge einer miserablen Politik vor Ort sind. Über korrupte Regime in Afrika hört man seltsamerweise wenig Klagen.

      SPIEGEL: Was also schlagen Sie vor?

      Soros: Ich finde, dass die WTO eine brillante Konstruktion ist. Sie hat nämlich die Macht, Fehlverhalten durch den Erlass von Handelsschranken und Strafzöllen zu ahnden. Aber zwei Dinge laufen verkehrt. Erstens: Die reichen Länder nutzen die WTO zu ihrem Vorteil aus. Für Waren aus der Dritten Welt, etwa Agrarprodukte oder Textilien, sind die Märkte der Industriestaaten oft geschlossen, während die hoch spezialisierten Güter aus Europa oder den USA in der Regel keinen Importbeschränkungen unterliegen. Zum anderen sorgt die WTO bislang nur für den freien Verkehr von Handelsprodukten, nicht aber für den Export öffentlicher Güter wie Umweltschutzstandards oder Arbeitsrechte.

      SPIEGEL: In Ihrem gerade erschienenen Buch haben Sie ein Modell zur effektiveren Finanzhilfe für die Dritte Welt vorgestellt*. Können Sie uns das kurz skizzieren?

      Soros: Im Mittelpunkt meines Modells stehen die so genannten Sonderziehungsrechte, die der Internationale Währungsfonds als eine Art zusätzliche Währungsreserve an die Mitgliedsländer ausgibt. Ich schlage nun eine neue Zuteilung dieser Rechte vor unter der Bedingung, dass die reichen Länder ihre Anteile an die armen spenden.

      SPIEGEL: Und was genau wäre dabei der Vorteil?

      Soros: Zunächst einmal könnten die Entwicklungsländer ihre Währungsreserven deutlich aufstocken, was dringend Not tut, weil sie praktisch keinen Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten haben. Zudem würde indirekt die Entwicklungshilfe steigen, da jedes Land seine Rechte gegen Hilfsprogramme aus einem genau definierten Katalog tauschen könnte. Über die Projekte in diesem Katalog würde wiederum ein unabhängiges Expertengremium befinden, womit dann auch sichergestellt wäre, dass die Hilfe wirklich den bedürftigen Ländern dient und nicht den Interessen der Geberländer.

      SPIEGEL: Wenn Sie mit Ihrer kritischen Einschätzung der amerikanischen Politik Recht haben, dann sieht es für Ihr Modell eines globalen Finanzausgleichs allerdings nicht gut aus.

      Soros: Viel hängt jetzt davon ab, ob Bush offen gegen meine Idee votiert. Wenn der Präsident nicht eindeutig Stellung nimmt, sehe ich durchaus Chancen, dass der Vorschlag es durch den US-Kongress schafft. Viele Demokraten halten meine Idee für gut. Und die Republikaner muss man halt an ihrem Bekenntnis zur Religion packen, die tätigem Mitleid einen hohen Stellenwert einräumt.

      SPIEGEL: Vielleicht sollten Sie einen Teil der 500 Millionen Dollar, die Sie jedes Jahr in Ihre diversen Stiftungen stecken, für Lobbyarbeit in Washington ausgeben?

      Soros: Da ich gerade den Gesetzesvorschlag von Senator John McCain unterstütze, private Spenden an Parteien und Politiker stark zu begrenzen, sind mir da leider die Hände gebunden.

      SPIEGEL: Sie könnten selbst in die Politik wechseln.

      Soros: Parteiarbeit wäre, glaube ich, nicht ganz das Richtige für mich. Außerdem mache ich ja nichts anderes als Politik, wenn ich versuche, öffentlichen Druck zu erzeugen. Ich habe jetzt einen Vorschlag vorgelegt, von dem die Experten meinen, dass er praktikabel ist. Wenn sie das in Washington nicht wollen, kann ich nur sagen: Bitte schön, entwickelt einen besseren, ich warte. Der Ball ist nun im anderen Feld.

      INTERVIEW: JAN FLEISCHHAUER, MICHAELA SCHIEßL


      - Diese Erkenntnisse kann man nur unterstreichen - und auf Einsicht hoffen!
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      schrieb am 25.03.02 13:22:16
      Beitrag Nr. 2 ()
      Na ja, es scheint offenbar noch Leute zu geben, die trotz ihres Reichtums ihre moralische Wertevorstellung noch nicht denen der "neuen westlichen Welt" angepasst haben (man könnte es auch moralischen Verfall nennen) und etwas für eine gerechtere Weltpolitik auch im materiellen Sinne unternimmt.
      Leider gibt es von ihnen viel zu wenige.
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      schrieb am 25.03.02 14:04:32
      Beitrag Nr. 3 ()
      Guter Punkt.
      Weshalb sind gerade die Leute, "die es geschafft haben" nicht wesentlich weniger opportunistisch?

      Sie könnten es sich doch leisten, die Wahrheiten auszusprechen, die unbequem sind.

      Stattdessen überall nur Speichellecker. Vermutlich liegt es am filigranen Netzwerk der Mächtigen und Reichen, in dem jeder dem anderen noch etwas schuldig ist.
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      schrieb am 25.05.02 20:48:34
      Beitrag Nr. 4 ()
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