Peter Gillies (WELT) über den Neuen Markt - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 12.05.02 21:24:57 von
neuester Beitrag 12.05.02 22:41:01 von
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7. | 5. | 4,1300 | -1,08 | 55 | |||
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aus der morgigen Ausgabe der WELT
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Sie gackern nur einen Sommer
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Die bunten Vögel sind gescheitert. Nicht gescheitert ist die Internetwirtschaft -
Debatte
___________________________________________________________
Von Peter Gillies
Luftschlösser sind preiswert, ihr Abriss teuer - eine alte Weisheit für neue Märkte. Wo sind die umjubelten
Vorzeige-Unternehmer geblieben, die Visionen, Kreativität und alles hatten - ausgenommen Buchhaltung
und Krawatte? Jetzt hat es selbst das Moorhuhn erwischt, jenes etwas schlichte und
dankenswerterweise kurze Ballerspiel, das als einziges auf der Titelseite der Bild-Zeitung zu landen
wusste.
Eine normale konservative Firmenpleite unterscheidet sich von einer so genannten
progressiven Insolvenz durch den Lärm, die Geldsummen und den Hochmut der
Beteiligten. Ob Internetportale (new) oder Baukonzerne (old) zusammenbrechen, ändert
an den Folgen wenig: Es wurde das Geld anderer Leute verbrannt. Versuche höchster
Amtspersonen, dies zu kaschieren, scheiterten. Auf dem Friedhof der Dotcoms reiht sich
Grabstein an Grabstein. Weitere Ruheplätze sind reserviert.
Freilich sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Internet-Ökonomie
mag ihren vordergründigen Charme verloren haben, nicht aber ihre phantastischen
Entwicklungsräume. Längst hat sie sich mit der einst verachteten Old Economy
vermählt. Die industrielle Intelligenz bedient sich der virtuellen Anwendungen. Dies ist der
strukturelle Schub, den die Weltwirtschaft an Ende des vorigen Jahrhundert erhielt und
von dem sie bis heute profitiert. Aber: Daneben schlummern auch auf den neuen Märkten
und dem Neuen Markt noch solide ökonomische Chancen.
Gibt es den Phänotyp des IT-Pleitiers, der den Überlebenden als abschreckendes
Beispiel dienen kann? Es wäre eine Typologie mit der Brechstange, denn die
Zusammenbrüche der einstigen Strahlemänner haben höchst unterschiedliche Gründe.
Die Skala reicht von naiver Unfähigkeit über arrogante Überheblichkeit bis zum
handfesten Bilanzbetrug. Eine Wirtschaftsgesellschaft, die sich von zeitgeistigen
Protagonisten ihre schwer ersparten Milliarden-Aktienpakete widerstandslos schreddern
ließ, hat Anlass zum Grübeln.
Einige Parallelen fallen dennoch ins getrübte Anlegerauge. Da war der mutige
Garagenunternehmer, vor dem sich die schier unendlichen Räume der
computeranimierten Welt auftaten. Er kreierte eine Software, also ein Produkt, dessen
Vervielfältigung erstmals zu den Kosten von null möglich war. Die flotten Gründer waren
meist jung und unerfahren, dafür aber aufbruchwillig und kreativ. Nein, den Wirtschaftsteil
einer Zeitung mochten sie nicht lesen. Ihnen ging es nicht um die tumben
Produktionsschlachten, die dort zwischen alten Säcken tobten, sondern um eine Vision.
Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung - einfach uncool.
Merkwürdigerweise nahmen die willigen Geldgeber die neue Ära hoch beglückt zur
Kenntnis. Das altmodisch verdiente Geld mutierte zu neuem Adventure Capital.
Blankoschecks wurden in Umlauf gesetzt. Geld floss in Strömen. Es kam zu einer
Begegnung zwischen Blauäugigen: Geldgeber wie Geldverbrenner setzten auf
phantasmagorische Visionen, auf eine Ökonomie, die stets zwei Handbreit über der
Realität schwebte. Dabei haben die IT-Pleitiers alles mögliche gemacht, nur nichts
Rentables - dies aber mit allseits bejubelter Konsequenz.
Wenn in der Hochtechnologie die alten Regeln nicht mehr gelten, warum sollten sie es in
der Buchhaltung? Kreativität überwindet Zeit und Raum, warum nicht auch die Gesetze
von Soll und Haben? So schaukelten sich die Newcomer ihre eigenen
Finanzkonglomerate zusammen. Dort hatte Adam Riese nichts mehr zu melden.
Pro-forma-Gewinne wurden als seriöse Erträge umgedeutet und regelmäßig jubelnd
verkündet. Und die Experten - die es eigentlich hätten besser wissen sollen -
applaudierten den Visionären.
Mit den zuweilen hirnrissigen ad-hoc-Meldungen wurde die Phantasie der Anleger ständig
aufs Neue gepeitscht. Früher gehörte Klappern zum Handwerk, heute gackert das
Moorhuhn. Schließlich kam der Punkt, an dem kein zusätzlicher Reiz mehr den
Aktienkurs zu liften vermochte: Es wurde ein kleines virtuelles Milliönchen in die Meldung
eingeschmuggelt. Aus einer kleinen Luftnummer kommt der IT-Pleitier nie mehr heraus,
es sei denn durch eine noch größere Luftnummer. Das führte zur Wiederentdeckung der
alten Blasenökonomie. Plötzlich erinnern sich alle an die höchst nützliche und die
Dynamik fördernde Funktion der schöpferischen Zerstörung, jener geheimnisvollen
Triebkraft des Wohlstandes.
Nun ist die Party vorbei. Das einst bejubelte Gesamtkunstwerk landet in der Babyklappe
der guten alten Wirtschaft. Nicht, dass die Internetwelt ihren Charme verloren hätte, sie
hat lediglich Realitätssinn zurückgewonnen. So wird jeder Spaziergang auf dem Friedhof
der Dotcoms zu einem ökonomischen Proseminar, spannend und lehrreich.
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Tagesübersicht
Channel: Forum
Ressort: Forum
Erscheinungsdatum: 13. 05. 2002
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Sie gackern nur einen Sommer
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Die bunten Vögel sind gescheitert. Nicht gescheitert ist die Internetwirtschaft -
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Von Peter Gillies
Luftschlösser sind preiswert, ihr Abriss teuer - eine alte Weisheit für neue Märkte. Wo sind die umjubelten
Vorzeige-Unternehmer geblieben, die Visionen, Kreativität und alles hatten - ausgenommen Buchhaltung
und Krawatte? Jetzt hat es selbst das Moorhuhn erwischt, jenes etwas schlichte und
dankenswerterweise kurze Ballerspiel, das als einziges auf der Titelseite der Bild-Zeitung zu landen
wusste.
Eine normale konservative Firmenpleite unterscheidet sich von einer so genannten
progressiven Insolvenz durch den Lärm, die Geldsummen und den Hochmut der
Beteiligten. Ob Internetportale (new) oder Baukonzerne (old) zusammenbrechen, ändert
an den Folgen wenig: Es wurde das Geld anderer Leute verbrannt. Versuche höchster
Amtspersonen, dies zu kaschieren, scheiterten. Auf dem Friedhof der Dotcoms reiht sich
Grabstein an Grabstein. Weitere Ruheplätze sind reserviert.
Freilich sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Internet-Ökonomie
mag ihren vordergründigen Charme verloren haben, nicht aber ihre phantastischen
Entwicklungsräume. Längst hat sie sich mit der einst verachteten Old Economy
vermählt. Die industrielle Intelligenz bedient sich der virtuellen Anwendungen. Dies ist der
strukturelle Schub, den die Weltwirtschaft an Ende des vorigen Jahrhundert erhielt und
von dem sie bis heute profitiert. Aber: Daneben schlummern auch auf den neuen Märkten
und dem Neuen Markt noch solide ökonomische Chancen.
Gibt es den Phänotyp des IT-Pleitiers, der den Überlebenden als abschreckendes
Beispiel dienen kann? Es wäre eine Typologie mit der Brechstange, denn die
Zusammenbrüche der einstigen Strahlemänner haben höchst unterschiedliche Gründe.
Die Skala reicht von naiver Unfähigkeit über arrogante Überheblichkeit bis zum
handfesten Bilanzbetrug. Eine Wirtschaftsgesellschaft, die sich von zeitgeistigen
Protagonisten ihre schwer ersparten Milliarden-Aktienpakete widerstandslos schreddern
ließ, hat Anlass zum Grübeln.
Einige Parallelen fallen dennoch ins getrübte Anlegerauge. Da war der mutige
Garagenunternehmer, vor dem sich die schier unendlichen Räume der
computeranimierten Welt auftaten. Er kreierte eine Software, also ein Produkt, dessen
Vervielfältigung erstmals zu den Kosten von null möglich war. Die flotten Gründer waren
meist jung und unerfahren, dafür aber aufbruchwillig und kreativ. Nein, den Wirtschaftsteil
einer Zeitung mochten sie nicht lesen. Ihnen ging es nicht um die tumben
Produktionsschlachten, die dort zwischen alten Säcken tobten, sondern um eine Vision.
Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung - einfach uncool.
Merkwürdigerweise nahmen die willigen Geldgeber die neue Ära hoch beglückt zur
Kenntnis. Das altmodisch verdiente Geld mutierte zu neuem Adventure Capital.
Blankoschecks wurden in Umlauf gesetzt. Geld floss in Strömen. Es kam zu einer
Begegnung zwischen Blauäugigen: Geldgeber wie Geldverbrenner setzten auf
phantasmagorische Visionen, auf eine Ökonomie, die stets zwei Handbreit über der
Realität schwebte. Dabei haben die IT-Pleitiers alles mögliche gemacht, nur nichts
Rentables - dies aber mit allseits bejubelter Konsequenz.
Wenn in der Hochtechnologie die alten Regeln nicht mehr gelten, warum sollten sie es in
der Buchhaltung? Kreativität überwindet Zeit und Raum, warum nicht auch die Gesetze
von Soll und Haben? So schaukelten sich die Newcomer ihre eigenen
Finanzkonglomerate zusammen. Dort hatte Adam Riese nichts mehr zu melden.
Pro-forma-Gewinne wurden als seriöse Erträge umgedeutet und regelmäßig jubelnd
verkündet. Und die Experten - die es eigentlich hätten besser wissen sollen -
applaudierten den Visionären.
Mit den zuweilen hirnrissigen ad-hoc-Meldungen wurde die Phantasie der Anleger ständig
aufs Neue gepeitscht. Früher gehörte Klappern zum Handwerk, heute gackert das
Moorhuhn. Schließlich kam der Punkt, an dem kein zusätzlicher Reiz mehr den
Aktienkurs zu liften vermochte: Es wurde ein kleines virtuelles Milliönchen in die Meldung
eingeschmuggelt. Aus einer kleinen Luftnummer kommt der IT-Pleitier nie mehr heraus,
es sei denn durch eine noch größere Luftnummer. Das führte zur Wiederentdeckung der
alten Blasenökonomie. Plötzlich erinnern sich alle an die höchst nützliche und die
Dynamik fördernde Funktion der schöpferischen Zerstörung, jener geheimnisvollen
Triebkraft des Wohlstandes.
Nun ist die Party vorbei. Das einst bejubelte Gesamtkunstwerk landet in der Babyklappe
der guten alten Wirtschaft. Nicht, dass die Internetwelt ihren Charme verloren hätte, sie
hat lediglich Realitätssinn zurückgewonnen. So wird jeder Spaziergang auf dem Friedhof
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Erscheinungsdatum: 13. 05. 2002
Zuerst hatten die Unternehmen die Visionen, und die Aktionäre das Geld.
Zum Schluß hatten die Unternehmen das Geld, und die Aktionäre die Visionen.
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