75000 Kurden werden ihre Heimat verlieren!!!!! - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 11.11.02 14:44:13 von
neuester Beitrag 11.11.02 15:14:43 von
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Wasser als Waffe
Von Ute Abraham
Mehr als 40 000 Betondämme stehen heute in den Flüssen dieser Welt. Ihr Staupotential entspricht
ungefähr der Größe der Nordsee. Über hundert Dämme sind "Superdämme" mit einer Höhe von mehr
als 15 Metern. In den siebziger Jahren galten Staudämme noch als Symbol für wirtschaftlichen
Aufschwung und Unabhängigkeit - heute stehen sie für ein Jahrhundert uneingelöster Versprechen.
Dennoch, der Wahn, die eigene Allmacht symbolträchtig zu demonstrieren, ist ungebrochen.
"Ein tausend Jahre alter Traum geht in Erfüllung, den türkische Arbeiter und Ingenieure mit großer
Aufopferung in dreizehn Jahre währender Arbeit verwirklicht haben", schrieb die Zeitung Hurriyet im
November 1994. Damals wurde der Urfatunnel eröffnet und "mit einem unbegrenzten Gefühl des Stolzes
und des Glücks" (Necmettin Cevheri, Staatsminister) gefeiert. Der Urfatunnel gehört zum gigantischen
Südostanatolien-Bewässerungs- und Energieprojekt GAP (Güneydogu Anadolu Projesi). Er verbindet
das trockene Gebiet der Harran-Ebene mit dem Herzstück des GAP, dem riesigen Atatürk-Stausee, der
ein Fassungsvermögen von 27 Milliarden Kubikmeter Wasser hat. Die Harran-Ebene, eine der ältesten
Kulturlandschaften der Erde, sollte zu einem Garten Eden werden. "König der Dämme" nannte die
staatstreue Presse den damaligen türkischen Präsidenten Demirel. Ein bombastischer Werbefeldzug
der Regierung streichelte das türkische Nationalgefühl und lenkte von innenpolitischen Schwierigkeiten
ab.
Nur wenige kritisierten das politische Spektakel, das allzu offensichtlich war. Wasser floss nämlich
keins, die Bauarbeiten waren zum geplanten Termin nicht fertig geworden. Erst ein Jahr später
berichteten die türkischen Nachrichten: Wo einst der biblische Vater Abraham geboren wurde, wo der
legendäre Gottkönig Antichos, ein Nachfolger Alexander des Großen, unter einem aufgeschütteten
Kegel aus Millionen und Abermillionen Schottersteinen auf dem 2 100 Meter hohen Berg Nemrut
begraben liegt, wo die berühmte arabische Universität Haran stand, in der die Algebra erfunden wurde -
fließt wieder Wasser.
Nunmehr soll mit dem Bau des Ilisu-Staudamms ein weiteres GAP-Projekt in Angriff genommen
werden. Durch Aufstauung von Euphrat und Tigris sowie deren Nebenflüssen sollen 21 Staudämme und
19 Wasserkraftwerke mit einer Kapazität von 8 000 Megawatt und einer jährlichen
Elektroenergieerzeugung von 27 300 Gigawattstunden errichtet werden. Die von GAP bewässerte
Fläche soll 1,76 Millionen Hektar betragen. Das Gesamtprojekt soll 32 Milliarden Dollar kosten, es ist
das größte je in Angriff genommene Industrie- und Infrastrukturprojekt der Türkei.
Weltbank: Kein Darlehen
Die Weltbank hat sich nicht am GAP beteiligt, so dass die Türkei das Projekt aus eigener Tasche
finanzieren muss. Die Weltbank und andere internationale Kreditinstitute verweigerten Darlehen, weil
sich die türkische Regierung Diskussionen über Dürregefahr und Wassernot verweigerte und auch nicht
bereit war, ein völkerrechtlich bindendes Abkommen mit den betroffenen Nachbarstaaten Syrien und Irak
zu unterzeichnen.
Innerhalb der kurdischen Bevölkerung ist GAP heftig umstritten. Man befürchtete, dass die Fluchtwege
der PKK in die Berge abgeschnitten würden. Mit Anschlägen auf einzelne Staudämme versuchten
PKK-Kämpfer, das ganze Projekt zu stoppen. Mit dem Rückzug der PKK ist der Widerstand
keineswegs gebrochen. Internationale Vernetzungen mit den Widerständigen in Kurdistan sorgen für
Informationsfluss und öffentlichen Druck. So fordert zum Beispiel die Kampagne Let`s save Hasankeyf
von Medico International zu außerparlamentarischen Aktivitäten gegen die rot-grüne Regierungskoalition
auf. Die Bundesregierung prüft, ob sie Hermes-Bürgschaften für den Ilisu-Damm übernimmt. Der
PDS-Antrag "Keine Hermes-Bürgschaften für den Ilisu-Staudamm" bringt sie zur Zeit in Bedrängnis.
Entscheidungen im Wirtschaftsausschuß über diesen Antrag wurden bisher verzögert, weil die SPD -
laut Bekundungen - einen eigenen Antrag einbringen will. Eine Fraktionsentscheidung liegt aber bisher
nicht vor, das lässt immerhin auf Auseinandersetzungen schließen. Bereits im Januar 1999 antwortete
die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, sie werde bei
der Entscheidung über die Gewährleistung einer Bürgschaft die ökologischen, sozialen, ökonomischen
und sicherheitspolitischen Aspekte des Vorhabens umfassend berücksichtigen.
Umweltfolgen ignorieren?
Diese Aspekte haben die Staudammgegner nicht nur "berücksichtigt", sondern immer wieder
thematisiert. Sie können nicht nur auf Erfahrungen verweisen, die mit Großstaudammprojekten weltweit
gemacht wurden, sondern haben auch prominente Experten an ihrer Seite. Daniel Berau, lange Zeit
Leiter des Bureau of Reklamation, einer US- Behörde, die mehr Staudämme gebaut hat als jede andere
Organisation, reihte sich z. B. vor Jahren in die Widerstandsfront ein. Für ihn ist die Wasserwirtschaft
eines der ineffizientesten Geschäfte der Welt. Berau vergleicht große Staudämme mit Atomkraftwerken:
"Vordergründig liefern sie billig saubere Energie und Wasser im Überfluss. In der Praxis verursachen sie
Schäden, die künftigen Generationen riesige Kosten aufbürden. In den USA wenden wir inzwischen
Milliarden Dollar auf, um die negativen Auswirkungen der Dämme zu korrigieren."
Vor allem verweist er darauf, dass in den meisten Ländern nicht die Knappheit des Wassers das
Problem sei, sondern die ineffiziente Nutzung der Wasserressourcen. So belegten zahlreiche
Untersuchungen, dass von aufgestautem Wasser, das über Bewässerungskanäle auf Felder gepumpt
wird, 45 Prozent verloren gehen. In der Harran-Ebene ist bereits heute eine Überbeanspruchung des
Bodens durch Überwässerung und Missachtung der Erntefolgen zu beobachten. Die in der
Baumwollpflanzung gleich tonnenweise eingesetzten Pestizide werden weiter in die angrenzenden
Länder geschwemmt. Der Vergleich mit Usbekistan am Aralsee, wo sich die Region nach
jahrzehntelangem Baumwollanbau in ein Katastrophen- und Seuchengebiet verwandelt hat, ist nicht
unberechtigt. 1960 bedeckte der Aralsee noch eine Fläche von der doppelten Größe Belgiens, heute ist
er um knapp vierzig Prozent geschrumpft. Die bewässerten Felder versalzten, das überschüssige
Wasser führte zur Bildung von Kloaken. "1989 waren 66 Prozent der Erwachsenen und 66 Prozent der
Kinder von einer Krankheit betroffen, die im Zusammenhang mit den Umweltbedingungen stand." (Oxus,
2/99). Nach Fertigstellung von GAP werden zirka 700 Kilometer Fließstrecke von Euphrat und Tigris in
Standgewässer verwandelt. Das heißt: Der Sauerstoffgehalt verringert sich, das
Selbstreinigungsvermögen wird stark reduziert, es kommt zum Artensterben und zur Ausbreitung von
Krankheiten, wie z.B. Malaria.
Flußimperialismus
Für den Ilisu-Staudamm sollen 52 Dörfer und 15 Kleinstädte unter Wasser gesetzt werden. Wie viele
Menschen weichen müssen, ist nicht genau belegt. Die ansässige Bevölkerung wurde in die Planung
nicht einbezogen. Ungeklärt ist auch, ob es Kompensationen in Form von Land oder Geld geben wird.
Die Türkei hat zwar versichert, internationale Standards bei der Umsiedlung einzuhalten, bisherige
Erfahrungen zeigen jedoch: Im Garten Eden ist nur für wenige Platz. Ehemalige Großgrundbesitzer sind
heute stolze Besitzer von Textilfabriken, die wiederum ehemalige Landarbeiterinnen und Kleinbauern zu
miserablen Löhnen, ohne Verträge und Sozialversicherungen einstellen. Andere haben ganze Dörfer
aufgekauft und warten jetzt auf Entschädigungen. Der Großteil der Landbevölkerung wird eher in den
Slums der Großstädte ums Überleben kämpfen oder das Glück im Ausland suchen.
"Die zukünftigen Kriege in dieser Region werden Kriege ums Wasser sein", bemerkte Verena
Wohlleben, SPD- Wehrexpertin. "Mir ist es lieber, wenn wir die Türkei ordentlich mit Panzern
ausgerüstet haben, als dass wir im NATO-Fall pflichtgemäß unsere Soldaten dorthin schicken." Die
Regierungskoalition diskutierte da gerade den Antrag der türkischen Regierung auf Lieferung von 1 000
Panzern. Die Äußerung hatte nichts mit einem Erklärungsnotstand zu tun. Unabhängige Experten
haben ausgerechnet, dass der Euphrat nach Verwirklichung des GAP statt früher 30 Milliarden
Kubikmeter Wasser pro Jahr nur noch etwa elf Milliarden Kubikmeter führen wird.
Bereits 1974, die Türkei hatte den Keban-Stausee am Oberlauf des Flusses aufgefüllt, kam es zu
ernsthaften Konflikten mit Syrien. Eine drohende militärische Konfrontation konnte seinerzeit durch die
Vermittlung Saudi- Arabiens gebannt werden. Ein Jahrzehnt später ereignete sich ähnliches. Der
damalige türkische Ministerpräsident Turgut Özal sicherte der Regierung in Damaskus durchschnittlich
500 Kubikmeter Euphratwasser pro Sekunde während der Füllung des Atatürk-Stausees zu. Syrien war
mit der Verringerung dieser Menge (vorher 950 Kubikmeter/Sekunde) nicht einverstanden und forderte
auch eine vertragliche Regelung mit allen Anrainerstaaten. Im März 1998 sprach Klaus Töpfer, damals
Umweltminister der Bundesrepublik, sich für ein internationales Abkommen aus. Auch er befürchtete,
dass es um das kostbare Nass bewaffnete Auseinandersetzungen geben könnte.
Wie Wasser als Waffe eingesetzt werden kann, wurde 1991 demonstriert. Wahrend des Golfkrieges
drosselte die Türkei den Wasserzufluss zum Irak. "Rund 5,5 Millionen irakische Bauern, die in der Nähe
des Euphrat wohnen, wurden von diesem Flussimperialismus betroffen und eine ähnlich große Zahl von
Menschen in Syrien. Trinkwasser ist seither für viele zum Luxusgut geworden. In der südirakischen
Hafenstadt Basra kostet ein Liter Trinkwasser fünfzigmal soviel wie ein Liter Benzin." (Jörg Dietziker:
Wasser als Waffe) Der Regierungskoalition wird es also schwer fallen, Argumente zu finden, die für eine
Gewährung der Hermes- Kreditbürgschaft in Höhe von 150 Millionen DM sprechen, die die Ravensburger
Firma Sulzer für den Bau erhalten soll.
Schließlich soll dem Ilisu-Staudamm ein unersetzliches Weltkulturerbe geopfert werden - die Stadt
Hasankeyf. Nach Samsat in der Provinz Adiyaman und Halfeti nördlich vom Birecik-Damm wäre das der
dritte archäologisch bedeutende Verlust. Wäre die UNESCO ihrer Aufgabe in der Türkei gerecht
geworden, müsste Hasankeyf längst unter den Schutz des UNO-Welterbes gestellt sein. Der Ort hat
eine mehrere tausend Jahre alte Vergangenheit und gilt als Wiege von assyrischer, christlicher,
islamischer und osmanischer Kultur.
"Let`s save Hasankey
Burhan Zegin, Lehrer aus Batman und Autor des Buches "Eine dem Untergang geweihte Stadt", sagte
in einem Interview: "Es hat niemand das Recht, Investitionen zu tätigen zum Preis einer gigantischen
Kulturzerstörung, wie sie in Hasankeyf vorgesehen ist." Arif Arslan, ein Journalist aus Batman, der seit
einigen Jahren im Verein zum Schutze von Hasankeyf engagiert ist, informierte Mitglieder der PDS-
Fraktion über die Arbeit und Ziele des Vereins. Die Mitglieder kämpfen jetzt um 35 Meter. Würde der
Damm um diese 35 Meter reduziert, könnte Hasankeyf gerettet werden. Die Leistung des Kraftwerkes
würde sich zwar um 400 Gigawattstunden verringern, durch eine Erneuerung des
Stromleistungssystems könnte jedoch viel Energie eingespart werden.
"Let`s save Hasankeyf" ist ein Appell an die internationale Öffentlichkeit. Sein Erfolg hängt u. a. davon
ab, ob die Bundesregierung der am Bau beteiligten Firma Sulzer Kreditbürgschaften genehmigt. Der
hochverschuldete türkische Staat kann der Firma keine hundertprozentige Sicherheit geben. "Mit der
Gewährung einer Hermes- Bürgschaft für den Ilisu-Staudamm würde die Bundesregierung
mitverantwortlich für die Zwangsumsiedlung Tausender Kurdinnen und Kurden, den Untergang der
historisch bedeutenden Stadt Hasankeyf und die mögliche Zunahme von Konflikten in der Region", heißt
es in einem Aufruf von WEED, medico u. a. Diese Dramatik konnte den Delegierten des
Bundesparteitages von Bündnis90/Grüne am Wochenende nicht bewusst gemacht werden. Sie waren
damit beschäftigt, Fragen der Parteipolitik zu klären. Bevor jedoch die Parlamentarier ihre
Sommerpause genießen können, wird es eine Entscheidung geben. In der nächsten, der letzten
Sitzungswoche, wird entweder die Koalition einen eigenen Antrag im federführenden
Wirtschaftsausschuss einbringen, oder die PDS fordert eine Geschäftsordnungsdebatte wegen Ablauf
der Frist ihres Antrages - die wird dann im Plenum debattiert werden.
Das Ilisu-Projekt in der Türkei - Kosten von 1,52 Milliarden US-Dollar
Der Ilisu-Staudamm soll zirka 65 Kilometer stromaufwärts von syrischer und irakischer Grenze nahe bei
der Stadt Dargecit mit einer Länge von 1 820 Metern und einer Höhe von 135 Metern den Tigris
aufstauen. Entstehen soll ein See mit einer Fläche von 313 Quadratkilometern und einem maximalen
Fassungsvermögen von 10,4 Milliarden Kubikmetern. Ziel des Projektes ist in erster Linie die Produktion
von Elektroenergie. Die Kapazität des Kraftwerkes soll 1 200 Megawatt betragen, die jährliche
Elektroenergieerzeugung 3 800 Gigawattstunden. Die Bedeutung für die Bewässerung
landwirtschaftlicher Nutzflächen ist gering. Es wird jedoch vom DSI (staatliches Wasseramt) als eines
von 13 Teilprojekten zur Bewässerung genannt. Die Baukosten werden auf 1,52 Milliarden US-Dollar
beziffert. Ein Konsortium unter Führung der schweizerisch-schwedischen Firmen Sulzer und ABB
erhielten den elektromechanischen Vertrag. Die Hoch- und Tiefbauarbeiten wurden an ein Konsortium
von Balfour Beattie (GB), Impregilo (Italien), Skansaka (Schweden), Nurol, Kiska und Tekfen (Türkei)
vergeben. In Deutschland hat Sulzer Hydro aus Ravensburg einen Antrag auf Übernahme von
Hermes-Bürgschaften gestellt.
Quelle: junge Welt (29.06.2000)
Von Ute Abraham
Mehr als 40 000 Betondämme stehen heute in den Flüssen dieser Welt. Ihr Staupotential entspricht
ungefähr der Größe der Nordsee. Über hundert Dämme sind "Superdämme" mit einer Höhe von mehr
als 15 Metern. In den siebziger Jahren galten Staudämme noch als Symbol für wirtschaftlichen
Aufschwung und Unabhängigkeit - heute stehen sie für ein Jahrhundert uneingelöster Versprechen.
Dennoch, der Wahn, die eigene Allmacht symbolträchtig zu demonstrieren, ist ungebrochen.
"Ein tausend Jahre alter Traum geht in Erfüllung, den türkische Arbeiter und Ingenieure mit großer
Aufopferung in dreizehn Jahre währender Arbeit verwirklicht haben", schrieb die Zeitung Hurriyet im
November 1994. Damals wurde der Urfatunnel eröffnet und "mit einem unbegrenzten Gefühl des Stolzes
und des Glücks" (Necmettin Cevheri, Staatsminister) gefeiert. Der Urfatunnel gehört zum gigantischen
Südostanatolien-Bewässerungs- und Energieprojekt GAP (Güneydogu Anadolu Projesi). Er verbindet
das trockene Gebiet der Harran-Ebene mit dem Herzstück des GAP, dem riesigen Atatürk-Stausee, der
ein Fassungsvermögen von 27 Milliarden Kubikmeter Wasser hat. Die Harran-Ebene, eine der ältesten
Kulturlandschaften der Erde, sollte zu einem Garten Eden werden. "König der Dämme" nannte die
staatstreue Presse den damaligen türkischen Präsidenten Demirel. Ein bombastischer Werbefeldzug
der Regierung streichelte das türkische Nationalgefühl und lenkte von innenpolitischen Schwierigkeiten
ab.
Nur wenige kritisierten das politische Spektakel, das allzu offensichtlich war. Wasser floss nämlich
keins, die Bauarbeiten waren zum geplanten Termin nicht fertig geworden. Erst ein Jahr später
berichteten die türkischen Nachrichten: Wo einst der biblische Vater Abraham geboren wurde, wo der
legendäre Gottkönig Antichos, ein Nachfolger Alexander des Großen, unter einem aufgeschütteten
Kegel aus Millionen und Abermillionen Schottersteinen auf dem 2 100 Meter hohen Berg Nemrut
begraben liegt, wo die berühmte arabische Universität Haran stand, in der die Algebra erfunden wurde -
fließt wieder Wasser.
Nunmehr soll mit dem Bau des Ilisu-Staudamms ein weiteres GAP-Projekt in Angriff genommen
werden. Durch Aufstauung von Euphrat und Tigris sowie deren Nebenflüssen sollen 21 Staudämme und
19 Wasserkraftwerke mit einer Kapazität von 8 000 Megawatt und einer jährlichen
Elektroenergieerzeugung von 27 300 Gigawattstunden errichtet werden. Die von GAP bewässerte
Fläche soll 1,76 Millionen Hektar betragen. Das Gesamtprojekt soll 32 Milliarden Dollar kosten, es ist
das größte je in Angriff genommene Industrie- und Infrastrukturprojekt der Türkei.
Weltbank: Kein Darlehen
Die Weltbank hat sich nicht am GAP beteiligt, so dass die Türkei das Projekt aus eigener Tasche
finanzieren muss. Die Weltbank und andere internationale Kreditinstitute verweigerten Darlehen, weil
sich die türkische Regierung Diskussionen über Dürregefahr und Wassernot verweigerte und auch nicht
bereit war, ein völkerrechtlich bindendes Abkommen mit den betroffenen Nachbarstaaten Syrien und Irak
zu unterzeichnen.
Innerhalb der kurdischen Bevölkerung ist GAP heftig umstritten. Man befürchtete, dass die Fluchtwege
der PKK in die Berge abgeschnitten würden. Mit Anschlägen auf einzelne Staudämme versuchten
PKK-Kämpfer, das ganze Projekt zu stoppen. Mit dem Rückzug der PKK ist der Widerstand
keineswegs gebrochen. Internationale Vernetzungen mit den Widerständigen in Kurdistan sorgen für
Informationsfluss und öffentlichen Druck. So fordert zum Beispiel die Kampagne Let`s save Hasankeyf
von Medico International zu außerparlamentarischen Aktivitäten gegen die rot-grüne Regierungskoalition
auf. Die Bundesregierung prüft, ob sie Hermes-Bürgschaften für den Ilisu-Damm übernimmt. Der
PDS-Antrag "Keine Hermes-Bürgschaften für den Ilisu-Staudamm" bringt sie zur Zeit in Bedrängnis.
Entscheidungen im Wirtschaftsausschuß über diesen Antrag wurden bisher verzögert, weil die SPD -
laut Bekundungen - einen eigenen Antrag einbringen will. Eine Fraktionsentscheidung liegt aber bisher
nicht vor, das lässt immerhin auf Auseinandersetzungen schließen. Bereits im Januar 1999 antwortete
die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, sie werde bei
der Entscheidung über die Gewährleistung einer Bürgschaft die ökologischen, sozialen, ökonomischen
und sicherheitspolitischen Aspekte des Vorhabens umfassend berücksichtigen.
Umweltfolgen ignorieren?
Diese Aspekte haben die Staudammgegner nicht nur "berücksichtigt", sondern immer wieder
thematisiert. Sie können nicht nur auf Erfahrungen verweisen, die mit Großstaudammprojekten weltweit
gemacht wurden, sondern haben auch prominente Experten an ihrer Seite. Daniel Berau, lange Zeit
Leiter des Bureau of Reklamation, einer US- Behörde, die mehr Staudämme gebaut hat als jede andere
Organisation, reihte sich z. B. vor Jahren in die Widerstandsfront ein. Für ihn ist die Wasserwirtschaft
eines der ineffizientesten Geschäfte der Welt. Berau vergleicht große Staudämme mit Atomkraftwerken:
"Vordergründig liefern sie billig saubere Energie und Wasser im Überfluss. In der Praxis verursachen sie
Schäden, die künftigen Generationen riesige Kosten aufbürden. In den USA wenden wir inzwischen
Milliarden Dollar auf, um die negativen Auswirkungen der Dämme zu korrigieren."
Vor allem verweist er darauf, dass in den meisten Ländern nicht die Knappheit des Wassers das
Problem sei, sondern die ineffiziente Nutzung der Wasserressourcen. So belegten zahlreiche
Untersuchungen, dass von aufgestautem Wasser, das über Bewässerungskanäle auf Felder gepumpt
wird, 45 Prozent verloren gehen. In der Harran-Ebene ist bereits heute eine Überbeanspruchung des
Bodens durch Überwässerung und Missachtung der Erntefolgen zu beobachten. Die in der
Baumwollpflanzung gleich tonnenweise eingesetzten Pestizide werden weiter in die angrenzenden
Länder geschwemmt. Der Vergleich mit Usbekistan am Aralsee, wo sich die Region nach
jahrzehntelangem Baumwollanbau in ein Katastrophen- und Seuchengebiet verwandelt hat, ist nicht
unberechtigt. 1960 bedeckte der Aralsee noch eine Fläche von der doppelten Größe Belgiens, heute ist
er um knapp vierzig Prozent geschrumpft. Die bewässerten Felder versalzten, das überschüssige
Wasser führte zur Bildung von Kloaken. "1989 waren 66 Prozent der Erwachsenen und 66 Prozent der
Kinder von einer Krankheit betroffen, die im Zusammenhang mit den Umweltbedingungen stand." (Oxus,
2/99). Nach Fertigstellung von GAP werden zirka 700 Kilometer Fließstrecke von Euphrat und Tigris in
Standgewässer verwandelt. Das heißt: Der Sauerstoffgehalt verringert sich, das
Selbstreinigungsvermögen wird stark reduziert, es kommt zum Artensterben und zur Ausbreitung von
Krankheiten, wie z.B. Malaria.
Flußimperialismus
Für den Ilisu-Staudamm sollen 52 Dörfer und 15 Kleinstädte unter Wasser gesetzt werden. Wie viele
Menschen weichen müssen, ist nicht genau belegt. Die ansässige Bevölkerung wurde in die Planung
nicht einbezogen. Ungeklärt ist auch, ob es Kompensationen in Form von Land oder Geld geben wird.
Die Türkei hat zwar versichert, internationale Standards bei der Umsiedlung einzuhalten, bisherige
Erfahrungen zeigen jedoch: Im Garten Eden ist nur für wenige Platz. Ehemalige Großgrundbesitzer sind
heute stolze Besitzer von Textilfabriken, die wiederum ehemalige Landarbeiterinnen und Kleinbauern zu
miserablen Löhnen, ohne Verträge und Sozialversicherungen einstellen. Andere haben ganze Dörfer
aufgekauft und warten jetzt auf Entschädigungen. Der Großteil der Landbevölkerung wird eher in den
Slums der Großstädte ums Überleben kämpfen oder das Glück im Ausland suchen.
"Die zukünftigen Kriege in dieser Region werden Kriege ums Wasser sein", bemerkte Verena
Wohlleben, SPD- Wehrexpertin. "Mir ist es lieber, wenn wir die Türkei ordentlich mit Panzern
ausgerüstet haben, als dass wir im NATO-Fall pflichtgemäß unsere Soldaten dorthin schicken." Die
Regierungskoalition diskutierte da gerade den Antrag der türkischen Regierung auf Lieferung von 1 000
Panzern. Die Äußerung hatte nichts mit einem Erklärungsnotstand zu tun. Unabhängige Experten
haben ausgerechnet, dass der Euphrat nach Verwirklichung des GAP statt früher 30 Milliarden
Kubikmeter Wasser pro Jahr nur noch etwa elf Milliarden Kubikmeter führen wird.
Bereits 1974, die Türkei hatte den Keban-Stausee am Oberlauf des Flusses aufgefüllt, kam es zu
ernsthaften Konflikten mit Syrien. Eine drohende militärische Konfrontation konnte seinerzeit durch die
Vermittlung Saudi- Arabiens gebannt werden. Ein Jahrzehnt später ereignete sich ähnliches. Der
damalige türkische Ministerpräsident Turgut Özal sicherte der Regierung in Damaskus durchschnittlich
500 Kubikmeter Euphratwasser pro Sekunde während der Füllung des Atatürk-Stausees zu. Syrien war
mit der Verringerung dieser Menge (vorher 950 Kubikmeter/Sekunde) nicht einverstanden und forderte
auch eine vertragliche Regelung mit allen Anrainerstaaten. Im März 1998 sprach Klaus Töpfer, damals
Umweltminister der Bundesrepublik, sich für ein internationales Abkommen aus. Auch er befürchtete,
dass es um das kostbare Nass bewaffnete Auseinandersetzungen geben könnte.
Wie Wasser als Waffe eingesetzt werden kann, wurde 1991 demonstriert. Wahrend des Golfkrieges
drosselte die Türkei den Wasserzufluss zum Irak. "Rund 5,5 Millionen irakische Bauern, die in der Nähe
des Euphrat wohnen, wurden von diesem Flussimperialismus betroffen und eine ähnlich große Zahl von
Menschen in Syrien. Trinkwasser ist seither für viele zum Luxusgut geworden. In der südirakischen
Hafenstadt Basra kostet ein Liter Trinkwasser fünfzigmal soviel wie ein Liter Benzin." (Jörg Dietziker:
Wasser als Waffe) Der Regierungskoalition wird es also schwer fallen, Argumente zu finden, die für eine
Gewährung der Hermes- Kreditbürgschaft in Höhe von 150 Millionen DM sprechen, die die Ravensburger
Firma Sulzer für den Bau erhalten soll.
Schließlich soll dem Ilisu-Staudamm ein unersetzliches Weltkulturerbe geopfert werden - die Stadt
Hasankeyf. Nach Samsat in der Provinz Adiyaman und Halfeti nördlich vom Birecik-Damm wäre das der
dritte archäologisch bedeutende Verlust. Wäre die UNESCO ihrer Aufgabe in der Türkei gerecht
geworden, müsste Hasankeyf längst unter den Schutz des UNO-Welterbes gestellt sein. Der Ort hat
eine mehrere tausend Jahre alte Vergangenheit und gilt als Wiege von assyrischer, christlicher,
islamischer und osmanischer Kultur.
"Let`s save Hasankey
Burhan Zegin, Lehrer aus Batman und Autor des Buches "Eine dem Untergang geweihte Stadt", sagte
in einem Interview: "Es hat niemand das Recht, Investitionen zu tätigen zum Preis einer gigantischen
Kulturzerstörung, wie sie in Hasankeyf vorgesehen ist." Arif Arslan, ein Journalist aus Batman, der seit
einigen Jahren im Verein zum Schutze von Hasankeyf engagiert ist, informierte Mitglieder der PDS-
Fraktion über die Arbeit und Ziele des Vereins. Die Mitglieder kämpfen jetzt um 35 Meter. Würde der
Damm um diese 35 Meter reduziert, könnte Hasankeyf gerettet werden. Die Leistung des Kraftwerkes
würde sich zwar um 400 Gigawattstunden verringern, durch eine Erneuerung des
Stromleistungssystems könnte jedoch viel Energie eingespart werden.
"Let`s save Hasankeyf" ist ein Appell an die internationale Öffentlichkeit. Sein Erfolg hängt u. a. davon
ab, ob die Bundesregierung der am Bau beteiligten Firma Sulzer Kreditbürgschaften genehmigt. Der
hochverschuldete türkische Staat kann der Firma keine hundertprozentige Sicherheit geben. "Mit der
Gewährung einer Hermes- Bürgschaft für den Ilisu-Staudamm würde die Bundesregierung
mitverantwortlich für die Zwangsumsiedlung Tausender Kurdinnen und Kurden, den Untergang der
historisch bedeutenden Stadt Hasankeyf und die mögliche Zunahme von Konflikten in der Region", heißt
es in einem Aufruf von WEED, medico u. a. Diese Dramatik konnte den Delegierten des
Bundesparteitages von Bündnis90/Grüne am Wochenende nicht bewusst gemacht werden. Sie waren
damit beschäftigt, Fragen der Parteipolitik zu klären. Bevor jedoch die Parlamentarier ihre
Sommerpause genießen können, wird es eine Entscheidung geben. In der nächsten, der letzten
Sitzungswoche, wird entweder die Koalition einen eigenen Antrag im federführenden
Wirtschaftsausschuss einbringen, oder die PDS fordert eine Geschäftsordnungsdebatte wegen Ablauf
der Frist ihres Antrages - die wird dann im Plenum debattiert werden.
Das Ilisu-Projekt in der Türkei - Kosten von 1,52 Milliarden US-Dollar
Der Ilisu-Staudamm soll zirka 65 Kilometer stromaufwärts von syrischer und irakischer Grenze nahe bei
der Stadt Dargecit mit einer Länge von 1 820 Metern und einer Höhe von 135 Metern den Tigris
aufstauen. Entstehen soll ein See mit einer Fläche von 313 Quadratkilometern und einem maximalen
Fassungsvermögen von 10,4 Milliarden Kubikmetern. Ziel des Projektes ist in erster Linie die Produktion
von Elektroenergie. Die Kapazität des Kraftwerkes soll 1 200 Megawatt betragen, die jährliche
Elektroenergieerzeugung 3 800 Gigawattstunden. Die Bedeutung für die Bewässerung
landwirtschaftlicher Nutzflächen ist gering. Es wird jedoch vom DSI (staatliches Wasseramt) als eines
von 13 Teilprojekten zur Bewässerung genannt. Die Baukosten werden auf 1,52 Milliarden US-Dollar
beziffert. Ein Konsortium unter Führung der schweizerisch-schwedischen Firmen Sulzer und ABB
erhielten den elektromechanischen Vertrag. Die Hoch- und Tiefbauarbeiten wurden an ein Konsortium
von Balfour Beattie (GB), Impregilo (Italien), Skansaka (Schweden), Nurol, Kiska und Tekfen (Türkei)
vergeben. In Deutschland hat Sulzer Hydro aus Ravensburg einen Antrag auf Übernahme von
Hermes-Bürgschaften gestellt.
Quelle: junge Welt (29.06.2000)
Ein Weltkulturerbe wird versenkt,finanziert mit EU-Bürgschaften,das ist ein Skandal.75000 Menschen werden zwangsumgesiedelt,ohne Entschädigung,und ohne Lebensgrundlage.Ihr Stückchen Land,das sie jetzt noch bei einer Arbeitslosigkeit von 90% über Wasser hält wird überflutet.Kritiker des unsinnigen Projekts und Jurnalisten werden bedroht.Alternativ könnte die Türkei auch mehrere kleinen Staudämme bauen,ist aber politisch nicht erwünscht.Die Bundesregierung möchte mit 75 Mil.EUR Bürgschaft einspringen.Das muss verhindert werden.
Zitat "Quelle: junge Welt (29.06.2000)"
... soll das ein Scherz sein? Irgendein 2 1/2 Jahre alter Zeitungsartikel - oder was?
Davon abgesehen haben wir genug eigene Probleme!
... soll das ein Scherz sein? Irgendein 2 1/2 Jahre alter Zeitungsartikel - oder was?
Davon abgesehen haben wir genug eigene Probleme!
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