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    Görlitz billigste Stadt Deutschlands - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 07.01.05 09:19:02 von
    neuester Beitrag 08.01.05 10:30:58 von
    Beiträge: 4
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      schrieb am 07.01.05 09:19:02
      Beitrag Nr. 1 ()
      In Görlitz

      Man muss mit dem Zug kommen. Schon die Bahnhofshalle von Görlitz ist beeindruckend. Prachtvoller Jugendstil, sorgsam restauriert, mit riesigen Kronleuchtern und reich bemalter Decke. Und das ist nur ein leiser Vorgeschmack auf das, was Görlitz so zu bieten hat. Mittelalterliche Wehrtürme, gotische Kirchen, barocke Patrizierhäuser, das Rathaus im Renaissance-Stil und ganze Straßenzüge aus der Gründerzeit. Mehr als 3 600 Gebäude stehen unter Denkmalschutz, die Stadt ist das größte Flächendenkmal Deutschlands.

      Es gibt noch mehr Superlative. Östlichste Stadt Deutschlands, schönstes Kaufhaus Deutschlands, ältester Renaissancebau Deutschlands.

      ...
      Also macht er eine Zeitung für die Region, viel Lokales aus und um Görlitz. Themen, über die die Leute sprechen. Über den Wohnungsleerstand in der Stadt zum Beispiel, dass viele, vor allem die Jungen, wegziehen, dass die Stadtreinigung verkauft wurde, dass Görlitz kein einziges nutzbares Schwimmbad mehr hat. Oder die Vorbehalte der Bürger beim Bau der Altstadtbrücke, die Görlitz mit der polnischen Nachbarstadt Zgorzelec verbinden soll. Görlitz hat 60 000 Einwohner, Themen gibt es genug, sagt Kremser.
      ...

      Die Stadt bietet nämlich, neben der einzigartigen Architektur, auch hervorragende wirtschaftliche Bedingungen. Gedruckt wird die Görlitzer Allgemeine in Polen, die Grenze verläuft gleich hinter der Altstadt. Man geht wenige Meter vom Zentrum hinunter zur Neiße und sieht die Häuser von Zgorzelec, bis Kriegsende Görlitz/Ost. Auch die Zustellung der Zeitung übernimmt eine polnische Firma. Sie ist, wie die Druckerei, deutlich billiger.

      Auch die Lebenshaltungskosten sind in Görlitz unglaublich niedrig. Mit 500 Euro, sagt Kremser, kommt man hier gut über die Runden. Zum Einkaufen fährt man in den polnischen Netto-Supermarkt, wo das Fleisch nur ein Bruchteil dessen kostet, was man diesseits der Grenze zahlt. So wie Lebensmittel überhaupt, Kleidung, Benzin, eigentlich alles. Und selbst in den besseren Gaststätten von Görlitz gibt es kaum ein Gericht über zehn Euro.

      Wahrscheinlich kann man auch nirgendwo in Deutschland so gut so günstig wohnen. Bei 2,50 Euro liegt der Preis für den Quadratmeter. Warmmiete, sanierter Altbau. Die Wohnungsangebote hängen überall in der Stadt, an fast jeder Ecke hockt eine Immobilienfirma. In den Fenstern kleben Grundrisse, an den restaurierten Häuserfassaden sind Schilder angebracht, auf denen "Zu verkaufen" oder "Zu vermieten" steht. Wie in vielen ostdeutschen Kleinstädten ziehen auch in Görlitz die Leute weg. Dahin, wo es noch Arbeit gibt. Wo die Läden keine blinden Schaufensterscheiben haben oder mit Brettern oder Pappe vernagelt sind. Wo man nicht so oft "Räumungsverkauf" oder "Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen" liest, wo die Shopping-Center nicht "Mac Geiz" heißen.

      Quelle : Berliner Zeitung Ausgabe Nr. 81 vom 05.04.2004 Seite 30
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      schrieb am 07.01.05 09:20:34
      Beitrag Nr. 2 ()
      Der Artikel ist leider nicht im Online-Angebot der Berliner Zeitung verfügbar.
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      schrieb am 07.01.05 09:34:20
      Beitrag Nr. 3 ()
      Ich war Anfang der 90er Jahre mal auf einer Tagung in Görlitz. Die Stadt ist wirklich wunderschön, und die Menschen habe ich auch als freundlich empfunden (ich mag nicht nur Sachsen, ich mag auch Schlesier ;) ).

      Das Problem "Arbeit" trifft aber des Pudels Kern. Wenn ich wüßte, was ich dort beruflich machen könnte, würde ich mir sogar einen Umzug ernsthaft überlegen.
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      schrieb am 08.01.05 10:30:58
      Beitrag Nr. 4 ()
      Ergänzung zu #1

      1) Die in #1 vorgestellte neue Tageszeitung „Görlitzer Allgemeine“ hat ihr Erscheinen zwischenzeitlich eingestellt.

      2) der vollständige Artikel aus der BZ:
      =========================================================

      Medien
      Tief im Osten Markus Kremser erfüllt sich einen Traum. Er bringt eine eigene Tageszeitung heraus. In Görlitz

      Man muss mit dem Zug kommen. Schon die Bahnhofshalle von Görlitz ist beeindruckend. Prachtvoller Jugendstil, sorgsam restauriert, mit riesigen Kronleuchtern und reich bemalter Decke. Und das ist nur ein leiser Vorgeschmack auf das, was Görlitz so zu bieten hat. Mittelalterliche Wehrtürme, gotische Kirchen, barocke Patrizierhäuser, das Rathaus im Renaissance-Stil und ganze Straßenzüge aus der Gründerzeit. Mehr als 3 600 Gebäude stehen unter Denkmalschutz, die Stadt ist das größte Flächendenkmal Deutschlands.

      Es gibt noch mehr Superlative. Östlichste Stadt Deutschlands, schönstes Kaufhaus Deutschlands, ältester Renaissancebau Deutschlands. Außerdem erscheint ab 15. April eine neue Tageszeitung in Görlitz. Auch das ist etwas Besonderes, zumal im Osten, wo die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen nach der Wende von Großverlagen übernommen wurden und seitdem in ihren Einzugsgebieten nahezu konkurrenzlos herrschen. In Görlitz hat die Sächsische Zeitung, die dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr und der SPD-Medienholding DDVG gehört, das Sagen.

      Hatte, wenn es nach Markus Kremser geht, der mit seiner Lokalzeitung, der Görlitzer Allgemeinen künftig mitreden will. "Ich habe nichts gegen die Sächsische Zeitung", sagt er, "aber ihr Konzept stimmt nicht". Das klingt selbstbewusst für einen 30-Jährigen, doch es scheint, als wisse Kremser, wovon er spricht. "Die machen einen großen Mantel und einen kleinen Lokalteil. Total falsch." Mantel heißt bei Blättern mit mehreren Regionalausgaben der Teil, der aus der Zentralredaktion kommt. Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, die Beilagen am Wochenende. 28 Seiten hat die Görlitz-Ausgabe der Sächsischen Zeitung an einem normalen Wochentag, drei Seiten beschäftigen sich mit Görlitz, eine mit der Lausitz, eine mit dem Umland. Dazu eine Service-Seite. Macht, zieht man die Anzeigen ab, fünf Seiten.

      Genau andersrum

      Markus Kremser will es genau andersrum machen. "Die meisten Görlitzer, die die Sächsische Zeitung abonniert haben, interessiert doch, was in ihrer Stadt passiert. Dresden ist für viele weit weg." Also macht er eine Zeitung für die Region, viel Lokales aus und um Görlitz. Themen, über die die Leute sprechen. Über den Wohnungsleerstand in der Stadt zum Beispiel, dass viele, vor allem die Jungen, wegziehen, dass die Stadtreinigung verkauft wurde, dass Görlitz kein einziges nutzbares Schwimmbad mehr hat. Oder die Vorbehalte der Bürger beim Bau der Altstadtbrücke, die Görlitz mit der polnischen Nachbarstadt Zgorzelec verbinden soll. Görlitz hat 60 000 Einwohner, Themen gibt es genug, sagt Kremser. Man müsse sie nur anders anpacken als die Sächsische Zeitung. Mehr Hintergründe, mehr Reportagen. "Natürlich sind wir ein Käseblättle", sagt Markus Kremser, "aber wir halten den Leser nicht für blöd".

      Die Görlitzer Allgemeine erscheint montags bis sonnabends mit 16 Seiten, die Hälfte davon in Farbe. Bis zu sieben Seiten sind für Görlitz, Zgorzelec und die niederschlesische Region vorgesehen. Die Seiten für Ausland, Politik, Wirtschaft und Kultur werden mit Agenturmeldungen und Fotos bestückt, die dpa und ddp liefern. Und wenn nicht gerade wirklich Welt Bewegendes passiert, Sachen wie der 11. September, der Irak-Krieg oder das Attentat von Madrid, haben selbst auf der Titelseite lokale Themen Vorrang.

      Vor gut einem Jahr ist Markus Kremser mit seinen Eltern von Bonn nach Görlitz gezogen. Seine Großmutter hatte hier gewohnt, der Vater war unweit von Görlitz aufgewachsen. Der Sohn hatte vorher beim Bonner General-Anzeiger und bei der Neuen Südtiroler Tageszeitung gearbeitet. Seit er in Görlitz ist, arbeitet er an seinem Traum von einer eigenen Tageszeitung. Zuletzt 16 Stunden am Tag. "Wenn es hier nicht klappt, dann nirgendwo`", sagt Markus Kremser. "Es ist eine einmalige Chance."

      Die Stadt bietet nämlich, neben der einzigartigen Architektur, auch hervorragende wirtschaftliche Bedingungen. Gedruckt wird die Görlitzer Allgemeine in Polen, die Grenze verläuft gleich hinter der Altstadt. Man geht wenige Meter vom Zentrum hinunter zur Neiße und sieht die Häuser von Zgorzelec, bis Kriegsende Görlitz/Ost. Auch die Zustellung der Zeitung übernimmt eine polnische Firma. Sie ist, wie die Druckerei, deutlich billiger.

      Auch die Lebenshaltungskosten sind in Görlitz unglaublich niedrig. Mit 500 Euro, sagt Kremser, kommt man hier gut über die Runden. Zum Einkaufen fährt man in den polnischen Netto-Supermarkt, wo das Fleisch nur ein Bruchteil dessen kostet, was man diesseits der Grenze zahlt. So wie Lebensmittel überhaupt, Kleidung, Benzin, eigentlich alles. Und selbst in den besseren Gaststätten von Görlitz gibt es kaum ein Gericht über zehn Euro.

      Wahrscheinlich kann man auch nirgendwo in Deutschland so gut so günstig wohnen. Bei 2,50 Euro liegt der Preis für den Quadratmeter. Warmmiete, sanierter Altbau. Die Wohnungsangebote hängen überall in der Stadt, an fast jeder Ecke hockt eine Immobilienfirma. In den Fenstern kleben Grundrisse, an den restaurierten Häuserfassaden sind Schilder angebracht, auf denen "Zu verkaufen" oder "Zu vermieten" steht. Wie in vielen ostdeutschen Kleinstädten ziehen auch in Görlitz die Leute weg. Dahin, wo es noch Arbeit gibt. Wo die Läden keine blinden Schaufensterscheiben haben oder mit Brettern oder Pappe vernagelt sind. Wo man nicht so oft "Räumungsverkauf" oder "Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen" liest, wo die Shopping-Center nicht "Mac Geiz" heißen.

      David gegen Goliath

      Markus Kremser will es hier schaffen. Und, das auch noch, es mit seiner Görlitzer Allgemeinen denen in Dresden zeigen. Dort sitzt die Zentrale der Sächsischen Zeitung, die den künftigen Konkurrenten sehr genau beobachtet. So hat die Sächsische Zeitung vor kurzem den Preis für ihre Regionalausgaben erhöht und nur in Görlitz bei 70 Cent belassen. "Ich nehme das Projekt sehr ernst", sagt auch Frank Seibel, der Redaktionsleiter der "Sächsischen" in Görlitz. "David gegen Goliath hat immer Sympathiepunkte."

      Da ist was dran. Die Sächsische Zeitung hat in Görlitz und Umgebung eine verkaufte Auflage von 19 500 Exemplaren, die Görlitzer Allgemeine startet mit 4 000 Stück. In anderthalb Jahren will Kremser täglich 10 000 Exemplare verkaufen. Bereits ab einer Auflage von 7 000, hat Markus Kremser durchgerechnet, arbeitet die Zeitung wirtschaftlich. Er hat einen Kredit aufgenommen und eigenes Geld investiert, irgendwelche Fördermittel braucht er nicht, sagt Kremser.

      Natürlich ist das Projekt knapp kalkuliert, reich werden damit weder er noch die 13 anderen, die für die Görlitzer Allgemeine arbeiten. Sieben Journalisten hat das Blatt, keiner ist fest angestellt, alle arbeiten auf Honorarbasis. Probleme, Journalisten zu finden, die bei ihm mitmachen wollen, habe er nicht gehabt, sagt er. Sie sind als freie Mitarbeiter von der Sächsischen Zeitung zu ihm gewechselt, haben für die Bild-Zeitung in Dresden gearbeitet oder beim Privatradio. Auch wenn sie bei der Görlitzer Allgemeinen weniger verdienen, zumindest am Anfang. Bis zum Sommer und wenn alles nach Plan läuft, will Kremser mit den Honorarsätzen der Sächsischen Zeitung gleichziehen.

      Bis dahin herrscht Selbstausbeutung. Markus Kremser und seine Leute haben die Wände der Redaktionsräume eigenhändig verputzt, die Türen lackiert und sogar die Schreibtische selbst gebaut. "Hin und wieder überkommt`s einen", sagt er, "da denkt man, Mensch, ich könnt` so ein ruhiges Leben haben." Hat er aber nicht, will er auch nicht. Kremser will jetzt endlich seine Zeitung machen.

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      Görlitzer Allgemeine // Ab 15. April erscheint in Görlitz eine neue Tageszeitung. Die Görlitzer Allgemeine will der in der Region angestammten Sächsischen Zeitung Leser abspenstig machen.

      Die Startauflage beträgt 4 000 Exemplare, das Blatt kostet 60 Cent. Die "Sächsische" verkauft in der Region 19 500 Zeitungen und kostet 70 Cent.

      Herausgeber ist der 30-jährige Journalist Markus Kremser, der vor rund einem Jahr nach Görlitz kam. Vorher hatte er beim Bonner General-Anzeiger und der Neuen Südtiroler Tageszeitung gearbeitet.

      www.goerlitzer- allgemeine.de

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