checkAd

    Reformland Schweden – Vorbild für Deutschland? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 05.04.05 11:18:34 von
    neuester Beitrag 14.08.05 12:06:04 von
    Beiträge: 16
    ID: 972.025
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 589
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 05.04.05 11:18:34
      !
      Dieser Beitrag wurde vom System automatisch gesperrt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an feedback@wallstreet-online.de
      Avatar
      schrieb am 05.04.05 11:22:28
      Beitrag Nr. 2 ()
      Passt zum Thema:
      " Ergebnisse der Wirtschaftsreformen in England – Vergleich mit Deutschland" Thread: Ergebnisse der Wirtschaftsreformen in England – Vergleich mit Deutschland
      Avatar
      schrieb am 05.04.05 12:42:56
      Beitrag Nr. 3 ()
      #1

      Man beachte:

      "...Er konnte erzählen, dass seine sozialdemokratische Regierung mit innovativen Ideen und harten Einschnitten die Zahl der Arbeitslosen gesenkt und ein stabiles Wirtschaftswachstum geschaffen hat.
      ..."

      "...Persson konnte einen unbezahlten Karenztag für Krankgeschriebene einführen, das Arbeitslosen- und das Kindergeld kürzen, ohne dafür aus dem Amt getrieben zu werden. ..."

      Rente:
      "..Der beitragsbezogene Anteil beträgt 18,5 Prozent, er wird je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen. 16 Prozent kommen in das Umlageverfahren zur Finanzierung der Rente, der Rest muss zur privaten Altersvorsorge in Fonds investiert werden. Die Fonds kann jeder selbst wählen. Das Geld derjenigen, die sich nicht entscheiden mögen, wird vom Staat automatisch einem von über 600 Investmentfonds zugeteilt.
      ..."

      Gesundheit:
      "...Wegen des Sparkurses der Regierung wurde die Zahl der Krankenhausbetten halbiert und das Ärzte- und Pflegepersonal um ein Viertel reduziert. ..."

      ---
      Nur in D glaubt man ohne harte Einschnitte den Krebs der Arbeitslosigkeit besiegen zu können !

      :mad::cry:
      Avatar
      schrieb am 05.04.05 12:58:03
      Beitrag Nr. 4 ()
      Also in Schweden habe ich noch keine Leute in den Mülltonnen herumkramen gesehen, wie hier immer häufiger zu sehen.


      Nur etwa ein Fünftel der Betroffenen sind länger als sechs Monate ohne Anstellung
      Wieso will ich einfach die negativen Aspekte von Schweden nicht wahrnehmen?
      Avatar
      schrieb am 05.04.05 20:08:57
      Beitrag Nr. 5 ()
      Wir sollten mal alle ein zehntel der Osteuropäer die in Deustchland arbeiten, ob schwarz oder nicht ist egal nach Rostock umleiten und kostenlos mit der Fähre nach Stockholm schaffen. Das ganze gut durchschütteln 5 Jahre ziehen lassen und dann noch mal einen Blick auf die Zahlen werfen. Ne fast Insel wie Schweden mit dem größten Transitland der Welt zu vergleichen, darauf kommen wohl wirklich nur Sozialdemokraten.

      Kopfschüttel

      Trading Spotlight

      Anzeige
      InnoCan Pharma
      0,1980EUR +4,21 %
      InnoCan Pharma: Erwächst aus der LPT-Therapie ein Multi-Milliardenwert?mehr zur Aktie »
      Avatar
      schrieb am 06.04.05 14:45:37
      Beitrag Nr. 6 ()
      du bist auf der richtigen fährte rhin,aber die insellage ist nicht der grund.politisch steuerbar ist die migration ganz einfach.
      Avatar
      schrieb am 06.04.05 15:14:55
      Beitrag Nr. 7 ()
      #1

      Haben die Schweden auch 20 Millionen Ostdeutsche assimilieren müssen und wurden mit Millionen Armutsflüchtlingen aus aller Welt überflutet?
      Wußte ich gar nicht.
      Avatar
      schrieb am 06.04.05 15:20:59
      Beitrag Nr. 8 ()
      #1 Schweden kann man mit Deutschland etwa vergleichen wie Äpfel mit Birnen.
      Avatar
      schrieb am 06.04.05 15:25:43
      Beitrag Nr. 9 ()
      [posting]16.309.678 von Viva2 am 06.04.05 15:14:55[/posting]Ich kann mich noch gut an ein Gespräch mit einem dänischen Journalisten im Jahr 1990 erinnern. Das war vor der ersten freien Wahl in der DDR.
      Der sagte die Westdeutschen werden sich mit Ostdeutschland übernehmen.
      Wir Skandinavier halten uns aus Ostdeutschland raus (haben die Japaner ja auch gemacht). Wir kümmern uns mehr um die baltischen Länder (Litauen,Lettland, Estland).

      Und bei dieser Wahl am 18.3.1990 ging es ja um die Einfürung der DeutschMark ( DM ) in Ostdeutschland.
      "kommt die DM nicht hierher gehen wir zu ihr" skandierten damals die Leipziger.

      Wenn man heute die Abwanderung aus Ostdeutschland sieht, hat die Einführung der DM diesbezüglich nicht geholfen.

      Anmerkung zu #1 den Artikel habe ich vollständig aus der SZ übernommen, nur die Highlights sind von mir.
      Avatar
      schrieb am 06.04.05 15:30:20
      Beitrag Nr. 10 ()
      [posting]16.309.762 von AttiMichael am 06.04.05 15:20:59[/posting]Das sehen aber die Politiker in D anders:
      Zitat aus #1:
      "... Vor ein paar Jahren hat der schwedische Regierungschef deutschen Journalisten in Stockholm eine Botschaft an den Bundeskanzler mit auf den Weg gegeben: " Sagen Sie ihm, dass er sich an uns wenden soll, wenn er Rezepte gegen die Arbeitslosigkeit braucht." Gerhard Schröder hat das angeblich mehrmals getan, zuletzt sprach Persson sogar vor dem Bundeskabinett in Berlin über die Reformen in Schweden. ...."
      Avatar
      schrieb am 06.04.05 15:36:37
      Beitrag Nr. 11 ()
      #10
      Schröder hat halt ein Händchen dafür, sich immer Ratgeber auszusuchen, die ihm nach dem Mund reden und ansonsten ihr eigenes Süppchen kochen. :)
      Der läßt sich doch auch von den Konzernchefs vorschreiben, äääh ich meine beraten, was er tun und lassen soll.
      Avatar
      schrieb am 12.04.05 09:05:43
      Beitrag Nr. 12 ()
      Reformland Schweden doch nicht so toll? Thread: Reformland Schweden doch nicht so toll?
      Avatar
      schrieb am 01.05.05 10:42:24
      Beitrag Nr. 13 ()
      Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark und andere
      Thread: Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark und andere

      Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark und andere - Teil 2
      Thread: Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark und andere - Teil 2
      Avatar
      schrieb am 03.05.05 05:52:18
      Beitrag Nr. 14 ()
      Wie tief muß der freie Fall gehen, damit Reformen wirken?
      Wohlfahrtsstaat Schweden hat abgespeckt, titelte am 7.4.05 „Die Welt“.

      Kernaussagen:

      1) Ausgangslage
      2) Ergebnisse der Reformen
      3) Fazit Abriss des Wohlfartsstaates , einzige Ausnahme: Elternurlaub
      4) Wachstum 1% über EU Durchschnit und steigende Reallöhnet
      5) Rentenreform
      6) Arbeitslosenquote real bei 8% - hoher Kankenstand
      7) hoher Steuerdruck – Arbeitslosigkeit sinkt nicht mehr

      ----------------------------------------------------------------
      Wohlfahrtsstaat Schweden hat abgespeckt
      Wie Premier Persson die Krise überstand

      Stockholm - Schwedens Regierung verweist mit Stolz auf " die vielen ausländischen Delegationen, die sich über unsere Reformen des Wohlfahrtsstaates informieren wollen" und Ministerpräsident Göran Persson hatte zu diesem Thema sogar einen Termin mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Kabinett. Auf der Tagesordnung: Wie Schweden die Krise der neunziger Jahre gemeistert hat.

      Margot Wallström, EU-Kommissarin, die viele Schweden als Persson-Nachfolgerin sehen möchten, goß indes Wasser in den Wein und kratzte am Image Schwedens, die Krise überwunden zuhaben und nun als Vorbild dienen zu können. Schweden sei im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedern gar nicht so viel besser, wie man selbst glaube.

      1) Ausgangslage
      Die Krise der Skandinavier war wahrscheinlich schlimmer, als die, in der Deutschland gerade steckt. Denn sie kam plötzlich und traf die bis dahin umfassend vom Wohlfahrtsstaat versorgten Schweden brutal. Mitte der neunziger Jahre war die Staatskasse leer.

      1995 mußte der neue sozialdemokratische Finanzminister Göran Persson beim Internationalen Währungsfonds (IWF) um Kredite bitten.


      Das Defizit der öffentlichen Hand hatte zehn Prozent des Bruttonationalprodukts (BNP) überschritten,

      die Inflationsrate war ebenfalls zweistellig und


      die Arbeitslosenquote stieg auf über zwölf Prozent.


      Nach der Liberalisierung des Kapitalmarktes mußten die Banken vom Staat vor dem Bankrott gerettet werden.


      Letztlich erwies sich der Wohlfahrtsstaat als in diesem Umfang nicht mehr finanzierbar.

      2) Ergebnisse der Reformen

      Die Deutschen mögen sich über die Praxisgebühr von zehn Euro beklagen, die Schweden zahlen schon seit vielen Jahren eine Gebühr.
      In Stockholm kostet jeder Arztbesuch umgerechnet 15,60 Euro.
      Ähnlich verhält es sich mit der Demontage der Gesundheitsversorgung, vor allem

      bei der inzwischen kaum mehr vorhandenen Zahnarztversicherung.


      In ähnlich drastischer Weise veränderte sich der Arbeitsmarkt. Die Schweden, sonst bekannt für ihre starken und forderungsfreudigen Gewerkschaften, akzeptierten Realeinkommensverluste und flexiblere Arbeitszeiten. Für den Einzelhandel gibt es nur noch wenige gesetzliche Öffnungs-Regeln.

      Nach dieser Krise war Schweden kaum mehr wieder zu erkennen. Göran Persson - die Wende war hauptsächlich sein Werk, nachdem er 1996 ziemlich widerwillig auf den Posten des Regierungschefs gewechselt war - hatte Schweden wieder auf Kurs gebracht.

      3) Fazit Abriss des Wohlfartsstaates , einzige Ausnahme: Elternurlaub

      Den Wohlfahrtsstaat, der seine Bürger von der Wiege bis zum Grab versorgt, gibt es seitdem nicht mehr.

      Nur noch in einem Sozialbereich, dem Elternschaftsurlaub, hat Persson-Land gegenüber den meisten EU-Partnern noch einen deutlichen Vorsprung.

      4) Wachstum 1% über EU Durchschnit und steigende Reallöhnet


      Aber die Skandinavier stehen heute wirtschaftlich stark da. Ohne Probleme würden sie die Maastricht-Kriterien für die Euro-Einführung erfüllen, aber sie wollen ihre Krone behalten. Das Wirtschaftswachstum lag in den letzten Jahren immer um etwa einen Prozentpunkt über dem EU-Durchschnitt. Staatshaushalt und öffentliche Verschuldung sind unter Kontrolle, Inflationsrate sowie Zinsen extrem niedrig. Seit ein paar Jahren steigen auch wieder die Reallöhne.

      5) Rentenreform

      Zu den wichtigsten Reformen zählte die Neuordnung der Pensionen.

      Der Generationenvertrag wurde abgelöst von einem System, das ziemlich sicher vorausbestimmbare Renten garantiert und dessen tatsächlich gezahlte Prämien weitgehend die Altersbezüge bestimmen.

      Über die Auswirkungen dieser Reform sind sich die Experten jedoch keineswegs einig, und selbst Göran Persson schließt nicht aus, daß in etwa 20 Jahren seine Landsleute ihn wegen enttäuschter Erwartungen verdammen könnten.

      Die Berechnungen von Ökonomie-Professor Lennart Floods sind in dieser Hinsicht eine düstere Lektüre. Demnach bekommt ein 1940 geborener Arbeitnehmer nur noch 54 Prozent seiner letzten Bezüge, wenn er in diesem Jahr in Pension geht. Mit noch weniger muß sich ein 1950 Geborener begnügen, 46 Prozent, und ein 1960 Geborener kommt gerade mal auf 44 Prozent. Die Regierung verwirft die Zahlen des Professors, legt das Einkommen eines gesamten Arbeitslebens von 16 bis 64 Jahren zugrunde und kommt auf etwa 65 Prozent.

      6) Arbeitslosenquote real bei 8% - hoher Kankenstand

      Schweden leidet noch immer unter der relativ hohen Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent, zuzüglich Arbeitsplatz-Beschaffungsmaßnahmen mehr als acht.

      Zudem haben die Schweden die zweitlängste Lebenserwartung der Welt, sind aber zugleich offenbar auch das für Krankheiten anfälligste Industrie-Volk.

      Laut einer Umfrage hält es ein bedeutender Teil der Schweden für gerechtfertig, wegen Unzufriedenheit mit dem Chef, geschlossenem Kindergarten oder allgemeiner Müdigkeit zu Hause zu bleiben.

      7) hoher Steuerdruck – Arbeitslosigkeit sinkt nicht mehr

      Trotz starken Wachstums sinkt die Arbeitslosigkeit nicht. Der Vorwurf der Unternehmer: Die Regierung hält an der ideologischen Verteilermentalität fest. Schweden ist das Land mit dem weltweit höchsten Steuerdruck.

      Dennoch wollen Göran Persson und sein Finanzminister Pär Nuder mit der Forderung nach noch höheren Steuern in den nächsten Wahlkampf ziehen. Sie seien erforderlich, wenn ihre Landsleute ihren bereits arg geschrumpften Wohlfahrtsstaat behalten wollen.


      Artikel erschienen am Do, 7. April 2005
      Die Welt
      http://www.welt.de/data/2005/04/07/644516.html
      Avatar
      schrieb am 14.08.05 08:29:11
      Beitrag Nr. 15 ()
      Wie ich Schwedens Finanzprobleme löste

      1994 steckte Schweden in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit war hoch, die Staatsschuld lag bei 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Heute steht das Land gut da. Ein Ministerpräsident erklärt sein Konzept


      Als die sozialdemokratische Regierung 1994 ihre Arbeit aufnahm, steckte Schweden in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Nie zuvor in der modernen Geschichte des Landes waren so viele Menschen arbeitslos, das Defizit der öffentlichen Finanzen betrug 13 Prozent, die Staatsschulden hatten sich innerhalb weniger Jahre auf über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppelt. Die Welt hatte das Vertrauen in die schwedische Wirtschaft verloren, was sich in extrem hohen Zinsen widerspiegelte. Die neue Regierung musste umgehend das Vertrauen in die schwedische Wirtschaft wiederherstellen.

      Die Sozialdemokraten machten vor den Wahlen 1994 keinen Hehl daraus, dass unbeliebte Maßnahmen notwendig seien, um die Krise zu überwinden. Tatsache ist, dass wir zur Wahl gingen (und sie gewannen!) mit dem Versprechen umfassender Steuererhöhungen und gigantischer Sparmaßnahmen – in dem Wissen, dass unsere hohen wohlfahrtspolitischen Ambitionen nur mit gesunden Staatsfinanzen verwirklicht werden konnten.

      Unser Programm beinhaltete eine Erhöhung der Einkommensteuer und der Beiträge für die Kranken- und Rentenkassen. Wir senkten das Auszahlungsniveau beim Kinder- und Elterngeld. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Wohngeld wurden ebenso verschärft wie die Bestimmungen zum Wohnzuschuss für Rentner. Die Renten und Studienförderungsmittel stiegen nicht mehr parallel zur Inflation. Zudem erhöhten wir die Kapitalsteuer. Entscheidend war: Auch in Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs muss das Prinzip solidarischer Gerechtigkeit gelten – jeder soll nach seinen Möglichkeiten beitragen. Dass Versprechen von kräftig steigenden Steuern die Wähler nicht abschreckten, mag verwundern. Teilweise liegt die Erklärung in der tiefen Krise des Landes.

      Ebenso wichtig ist: Es gibt in Schweden mehreren Untersuchungen zufolge ein großes Verständnis für den Zusammenhang zwischen Steuern und einem gut funktionierenden Wohlfahrtssystem. Die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, ist verhältnismäßig hoch, weil man weiß, dass die Mittel dem gemeinsamen Sektor zugute kommen: dem Schulwesen, der Kranken- und der Altenpflege, Bereichen, die allen offen stehen.
      Selbstverständlich wecken die Steuern auch Unmut und die – mitunter berechtigte – Kritik, dass der öffentliche Sektor trotzdem nicht zufriedenstellend arbeitet. Gleichwohl versteht man, dass ein soziales Wohlfahrtsmodell nicht ohne hohe Steuern existieren kann.

      Dies scheinen nach Jahren des Missionierens für umfassende Steuersenkungen auch die schwedischen Konservativen akzeptiert zu haben. Sie mussten nach einer Reihe von Wahlniederlagen einsehen, dass sie damit nicht zu noch einer Wahl antreten konnten. So haben sie ihre Botschaft nun zumindest kurzzeitig geschickt angepasst und ihr Streben nach Steuersenkungen heruntergespielt.

      Das Wohlfahrtsmodell genießt heute in unserem Land große Legitimität. Es basiert auf hohen öffentlichen Ausgaben und beinhaltet eine starke Umverteilung zwischen verschiedenen Gruppen mit dem Ziel, Geborgenheit für alle und nicht nur für einige zu schaffen. Oft wird behauptet, die Globalisierung erfordere niedrigere Steuern und eine Begrenzung der sozialen Ausgaben. Das ist Ideologie: Eine ambitionierte Wohlfahrtspolitik ist gut mit Freihandel und Offenheit vereinbar. Hohe Steuern, die im Rahmen eines vernünftig konstruierten Steuersystems erhoben werden, das der Produktion keine zu hohen Belastungen aufbürdet, stehen einem vitalen Wachstum nicht im Wege.
      In den vergangenen zehn Jahren verzeichnete Schweden ein Wachstum von durchschnittlich fast drei Prozent, und auch in diesem Jahr wird das Wachstum doppelt so hoch sein wie im Durchschnitt der Eurozone.
      Gleichwohl hat Schweden niedrige Zinsen, und die sehr niedrige Inflation stärkt die Reallöhne und die Kaufkraft. Außerdem verringern sich die Einkommensunterschiede in Schweden nun schon im dritten Jahr in Folge. Schweden hat weniger Arbeitslose und mehr Beschäftigung als die Länder der Eurozone, obgleich die Arbeitslosigkeit und die noch immer vorhandene Unterbeschäftigung auch weiterhin ein großes Problem darstellen. Unser Land verfügt heute über starke öffentliche Finanzen.

      Manchmal vergleiche ich das schwedische Modell mit einer Hummel. Mit ihrem viel zu schweren Körper und ihren allzu zierlichen Flügeln sollte sie eigentlich nicht fliegen können – und tut es doch. Wir haben hohe Steuern, einen großen öffentlichen Sektor und eine starke Gewerkschaftsbewegung – dennoch schwingt sich Schweden zu neuen Höhen auf. Das alles trifft auch auf die anderen nordischen Staaten zu. Wir haben hohe Steuerlasten und eine umfassende Wohlfahrtspolitik, aber auch gesundes Wachstum und eine hohe Wettbewerbsfähigkeit.

      Der Grad der Umverteilung in einer Gesellschaft wird hauptsächlich von den politischen Verhältnissen und Traditionen bestimmt, nicht von der Globalisierung. Zudem schaffen viele Sozialdienstleistungen – etwa für Bildung, die Kranken- und Altenpflege und die Umwelt – vorteilhafte Produktionsbedingungen. In einer solchen Gesellschaft stehen die Menschen Veränderungen offen gegenüber.

      Mit dem mühsamen Sanierungsprozess in den neunziger Jahren retteten wir das schwedische Wohlfahrtsmodell und schufen die Basis für die starke wirtschaftliche Entwicklung. Eine der großen Herausforderungen wird nun sein, das Wohlfahrtsmodell in einer Zeit alternder Bevölkerungen zu finanzieren. Die demografischen Fragestellungen teilen wir mit vielen Regierungen in Europa. Wenn junge Europäer gefragt werden, wie viele Kinder sie gern hätten, lautet die Antwort im Schnitt 2,4. Tatsächlich aber bekommen sie nur 1,2 Kinder. Jedes zweite Wunschkind in Europa wird mit anderen Worten nie geboren. In Schweden verzeichnen wir seit zwei Jahren eine Trendwende. Dank unserer gut ausgebauten Kinderbetreuung und großzügiger Elternversicherungssysteme wagen wieder mehr Paare ein Leben mit Kindern.

      Ich glaube an unser Wohlfahrtsmodell. Es hat die Krise der neunziger Jahre überlebt. Es wird uns helfen, die demografischen Herausforderungen zu meistern.

      Göran Persson war bis 1996 schwedischer Finanzminister und ist seither Ministerpräsident
      DIE ZEIT 11.08.2005 Nr.33

      http://www.zeit.de/2005/33/Schweden?page=all
      Avatar
      schrieb am 14.08.05 12:06:04
      Beitrag Nr. 16 ()
      Natürlich kann man Länder wie Schweden oder England nicht 1:1 mit Deutschland gleichsetzen, aber sie zeigen, welche Rezepte erfolgreich sind.

      Weg von Wohlfahrtsstaat und der Vollversorgungsmentalität hin zu mehr Eigentverantwortung aller Bürger des Landes. Die Deutschen haben sich in den letzten Jahrzehnten daran gewöhnt, daß der Staat sie in allen Belangen vertritt und versorgt. Es ist verständlich, daß bei so einem "All-Inclusice-Paket" kaum ein FInger krumm gemacht wird. Das war der Fehler und zwar von allen bisherigen Regierungen. Anbei benötigt es zielgerichtete Förderung, die dazu animiert, Arbeit anzunehmen, aber natürlich auch Arbeitnehmer einzustellen. Stichwort: Arbeit muß sich wieder lohnen. Und es muß sich Lohnen, Arbeit bereitzustellen. Beides ist in Deutschland bisher mangelhaft und wird auch wohl kaum durch die Linken, ja auch nur bedingt durch die (jetzige) Union zu erreichen sein.

      Schöner Beitrag, Kohelet!


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      Reformland Schweden – Vorbild für Deutschland?