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    Der Traum des Peter Hartz - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 29.10.05 13:22:02 von
    neuester Beitrag 03.11.05 16:04:58 von
    Beiträge: 3
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      schrieb am 29.10.05 13:22:02
      Beitrag Nr. 1 ()
      Wie ich schon einmal im Mannesmann-Thread "Jenseits des Ereignishorizontes ..." schrieb: "Es muss wohl sagenhaft zugehen in der Welt dieser Strategien, in der jedem Sonntag ein Montag folgt".

      Verdrängung wohl auch bei Peter Hartz ...



      Bekenntnisse
      Der Traum des Peter Hartz
      Von Lorenz Jäger

      13. Oktober 2005 „Der Bundespräsident ruft mich an meinem Geburtstag im August an” - so beginnt Peter Hartz die Erzählung seines Traums in der aktuellen Ausgabe der „Zeit”. Das eigene Leben des Träumenden in seiner absoluten Bedeutung, symbolisiert durch den Geburtstag, ist unmittelbar mit dem höchsten Staatsinteresse verbunden.

      Mehr noch: nicht mit dem Staat in seinem verwickelten, hundertfach vermittelten Institutionengefüge, sondern mit der repräsentativen Spitze. Der Anruf zum Geburtstag allein bedeutet die Anerkennung der Lebensleistung von Peter Hartz. Eine höhere Legitimität gibt es nicht.

      Am 9. August aber, an seinem vierundsechzigsten Geburtstag, war Hartz schon von seinem Amt als Personalvorstand bei VW zurückgetreten. Gegen ihn wird seither ermittelt. Sein Name ist vom Hoffnungszeichen der Sozialstaatsreform nicht nur zu einem Synonym für betriebsinternen Unterschleif zum Zweck von Lustbarkeiten geworden, sondern auch zum Zeichen eines Programms, das von den Betroffenen als Entwertung ihrer Bildungsbiographie verstanden werden muß. Tröstend dreht der Traum die Zeit zurück. Der Manager darf sich vom Bundespräsidenten etwas wünschen, und er wünscht sich - eine Kommission zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Also dasselbe noch mal, nur diesmal richtig, und alle müssen mitmachen.

      Die Macht des Managers

      Konkrete Vorschläge gibt es dabei nicht; es ist die Phantasmagorie eines reinen Verfahrens oder genauer: der unbeschränkten Macht des Managers. Denn der Traum von Peter Hartz behandelt nicht spezifische Inhalte, sondern ausschließlich die Modalitäten der bürokratisch-ungehemmten „Umsetzung” von Gedanken, die im dunkeln bleiben: Erträumt wird eine Super-Hartz-Kommission. Dreißig Angehörige der deutschen „Macht-Eliten” (ohne Betriebsräte?) werden nach Berlin geladen, um sich „auf Aktionen zu einigen”. Jeder Teilnehmer „studiert vorab die Pläne und Phantasien, die Wünsche und Träume der anderen und bereitet sich so sorgfältig vor, daß sich die dreißig schon nach einem ersten gemeinsamen Nachmittag einstimmig auf ein Programm zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit verbindlich einigen - verbindlich!”

      Hartz träumt von nichts Geringerem als einer Kulturrevolution, für die Ceausescu Pate gestanden haben könnte, von einem Bitterfelder Weg der Sozialstaatsreform, schließlich von der Selbstverpflichtung der Medien und der Schriftsteller. Die Verbindung des Unternehmensinteresses von VW mit dem Staat wird utopisch in ein neues Gesellschaftsmodell verlängert, für das das gute alte Wort vom „Staatsmonopolistischen Kapitalismus” noch untertrieben wäre: Die Zeitungen bringen nämlich einmal pro Woche eine „positive Titelgeschichte”, die „frei von Häme” zu sein hat; „kein Bundesrat” steht der „1:1-Umsetzung von Hartz & Co” mehr im Wege.

      Schmerzliche Erfahrungen

      „52 Autoren und Autorinnen verfassen 52 Reportagen, die modellhaft Wege aus der Krise darstellen. In der konzertierten Aktion haben sich alle des Schreibens Mächtige verabredet, einen neuen, frischen, unverbrauchten, förderlichen Ton anzuschlagen, der jeden mitreißt. Selbst der ,Spiegel` hat versprochen, daß alle Kritik am Tafelrundenprogramm ausschließlich wohlwollend und konstruktiv gemeint und formuliert sein wird.” Es wäre erschreckend, wenn es nicht so komisch wäre: Peter Hartz hat mit der Presse, die über die Vergnügungs-Finanzierung bei VW berichtete, seine eigenen schmerzlichen Erfahrungen machen müssen. Den Wunsch nach „förderlichem” Ton nimmt man ihm ohne weiteres ab.

      Eingespannt werden auch die „Intellos”, wie Hartz sie jovial nennt, schließlich die Kirchen: „Auch alle 53.000 Geistlichen werden unser Programm predigen, predigen, predigen.” Aber das reicht nicht. Denn noch ist ja Horst Köhler im Amt und am Telefon. „Und es träumt mir, ich sei Alleinherrscher, ein wunderbarer, sympathischer, liebevoller Alleinherrscher, wie ihn die Weltgeschichte noch nicht gekannt hat und der für sein Volk nur das Beste will.” Jetzt weiß der Psychologe, daß bei dem Patienten die Stimmung kurz vor dem Kippen steht, jetzt kann es nur noch tiefschwarz werden.

      Bezahlen mit dem Leben

      Und so kommt es. „Falls jedoch nach einem Jahr nicht alle Bewohner seiner Herrschaft wieder in Brot und Arbeit stünden, falls die Bilanz seiner Versprechen negativ ausfiele, dann - dann habe er mit der Höchststrafe zu rechnen. Für das Nichterreichen der proklamierten Ergebnisse muß er mit der Höchststrafe rechnen. Für das Nichterreichen der proklamierten Ergebnisse muß er mit dem Kostbarsten bezahlen, was er hat: mit dem eigenen Leben. Und zwar unverzüglich.”

      Hier ist es wieder, das eigene Leben, das den Traum eröffnet hatte. Die Phantasie von Peter Hartz bewegt sich zwischen der höchsten Anerkennung und der endgültigen Auslöschung, insofern ist sein von der „Zeit” veröffentlichter Traum wohl ein getreues Abbild seiner wirklichen Träume. Man kann von einem manisch-depressiven Muster sprechen oder von einem managerialen Größenwahn, der die Selbstgefährdung ahnen läßt, und so verbietet sich angesichts dieses Dokuments eigentlich der glossierende Ton.

      Der Sänger Rio Reiser, der einmal der von Claudia Roth gemanagten linken Rockgruppe „Ton Steine Scherben” angehörte, hat vor langen Jahren diese Phantasiewelt besungen: „Das alles und noch viel mehr / Würd` ich machen / Wenn ich König von Deutschland wär`. / Die Socken und die Autos dürften nicht mehr stinken / Ich würd` jeden Morgen erst mal ein Glas Schampus trinken.”

      So ähnlich, zwischen Autos und Schampus schwankend, muß, nach allem, was wir heute wissen, der Traum und zum Teil wohl auch die Lebenswirklichkeit des unglücklichen Peter Hartz beschaffen gewesen sein. Heute hat er keinen anderen Traum mehr als die hundertfach vergrößerte eigene Vergangenheit.


      Text: F.A.Z., 14.10.2005, Nr. 239 / Seite 43
      Bildmaterial: AP
      Avatar
      schrieb am 29.10.05 13:39:51
      Beitrag Nr. 2 ()
      auch dieser mann wird wie viele vor ihm entzaubert werden, wenn er es nicht schon ist....bis jetzt ging der schuss nach hinten los...und ich weiss nicht, was so besonderes daran sein soll, mit firmengeldern den betriebrat durch dienstleistungen jeglicher art ruhig gestellt zu haben...das ist doch nichts anderes als bestechung auf andere weise...

      meinungen???

      invest2002
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      schrieb am 03.11.05 16:04:58
      Beitrag Nr. 3 ()
      Peter Hartz kann nicht "entzaubert" werden, denn er war nie verzaubert. Ein einfacher Mensch, der über seinen Aufstieg den Boden unter den Füßen verloren hat. Einer der sich in der Rolle als "Gutmensch" gefiel, der selbst noch beim Verkehr in der Rotlichtszene glaubte, seine Motive seien edler als die seiner mitgereisten Vassallen. Man denke nur daran, wie er eine ganze Nacht lang in Lissabon umherirrte um die "Dame seines Herzens" zu suchen. Seine Aussagen in der Zeit sind daher authentisch.


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