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    Die Trugschlüsse des Jahres - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 21.12.05 09:49:38 von
    neuester Beitrag 22.12.05 22:11:59 von
    Beiträge: 16
    ID: 1.027.889
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      schrieb am 21.12.05 09:49:38
      Beitrag Nr. 1 ()
      Im nun fast vergangenen Jahr 2005 haben es vier sehr unterschiedliche volkswirtschaftliche Thesen zu großer Popularität geschafft. Doch eines haben sie gemeinsam, sie sollten möglichst schnell vergessen werden.

      -----------------------------------------

      1. Eine „flat tax” ist ungerecht.

      Der unglückliche Versuch der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, mit dem Heidelberger Steuerprofessor Paul Kirchhof als künftigem Finanzminister vor der Bundestagswahl zu punkten, hat die Idee der proportionalen Besteuerung - auf Englisch „flat tax” - in Deutschland diskreditiert. Die Vorzüge einer proportionalen Besteuerung der Einkommen gingen im politischen Wirbel unter.

      Hierzulande ist die Mehrheit der Meinung, daß Besserverdienende mehr Steuern als Schlechterverdienende zahlen sollen. Eine proportionale Besteuerung wird diesem Wunsch gerecht. Ein einheitlicher Steuersatz ohne Ausnahmen von 20 Prozent führt dazu, daß der Niedrigverdiener mit 20.000 Euro Jahreseinkommen 4000 Euro Steuern zahlt, während der Besserverdienende mit 300.000 Euro Jahreseinkommen 60.000 Euro abgeben müßte. Die Regierung würde die Menschen gleich behandeln: Jeder zahlt den gleichen Teil seines Einkommens, um gemeinschaftliche Aufgaben zu finanzieren.

      Das deutsche progressive Steuersystem aber behandelt die Menschen ungleich. Besserverdienende zahlen nicht nur absolut mehr Steuern, sie müssen mit einem steigenden Einkommen auch einen immer höheren Steueranteil abführen - gerade so, wie es der Regierung und dem Parlament gefällt. Deshalb lohnt Mehrarbeit sich selbst in mittleren Einkommensklassen immer weniger. Die Menschen strengen sich weniger an, Wachstum und Innovation nehmen zu Lasten aller Schaden.

      Eine proportionale Besteuerung setzt diesen Fehlanreizen ein Ende. Sie verhindert, daß Besserverdienende ausgebeutet werden und mal eben eine Reichensteuer entrichten müssen. Eine „flat tax” stärkt die Volkswirtschaft und zwingt die Regierung, die Bürger gleich zu behandeln. Das ist nur gerecht.

      2. Eine höhere Mehrwertsteuer und niedrigere Lohnzusatzkosten senken die Arbeitslosigkeit

      Die Regierung setzt darauf, die Lohnzusatzkosten zu senken. Arbeit soll billiger werden, damit die Unternehmen mehr Menschen einstellen. So weit, so gut. Doch will die Regierung zu diesem Zweck auch den Mehrwertsteuersatz anheben. Damit geht die Rechnung nicht mehr auf. Im scharfen Wettbewerb können die Unternehmen eine höhere Mehrwertsteuer kaum auf die Preise aufschlagen und müssen sie zum Großteil selbst tragen.

      Das im Unternehmen eingesetzte Kapital kann das nicht finanzieren; es muß die marktübliche Verzinsung erwirtschaften. Die Unternehmen könnten die Mehrwertsteuer aus dem Reingewinn finanzieren, was ihre Möglichkeiten zur Investition verringert. Den größten Teil der höheren Mehrwertsteuer werden die Unternehmen also aus der Lohnsumme begleichen müssen - ebenso wie heute die Lohnzusatzkosten. Mehr Anreize für Beschäftigung entstehen so nicht. Dazu müßte die Regierung schon die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit tatsächlich senken und sie nicht nur hin und her schieben.

      3. Die Einfuhr von Textilien aus China schadet den Europäern

      Im Januar fielen auf der ganzen Welt die Handelsbeschränkungen für Textilien. Der dann rasante Anstieg der Textileinfuhr aus China ließ das politische Brüssel erblassen. Schon im Juni zwang die Europäische Union die Chinesen, die Ausfuhr von T-Shirts, Pullovern, Büstenhaltern, Hosen, Blusen und anderen Textilien in die EU freiwillig zu begrenzen - „nur” für den Übergang bis 2008. Nun leiden die europäischen Verbraucher, weil Textilien nicht so billig sein dürfen wie möglich - was den ohnehin mageren Einkommenszuwachs in Deutschland real, also preisbereinigt, noch mehr verringert.

      Auch die verbliebenen europäischen Hersteller und die Importeure von Textilien leiden, weil sie weniger Chancen haben, für Europa bestimmte Waren in China preisgünstig zu produzieren. Die Möglichkeiten der Chinesen werden begrenzt, über harte Arbeit an der Nähmaschine ihr wirtschaftliches Los zu verbessern. Und weil die Chinesen deshalb weniger Einkommen erwirtschaften und weniger europäische Waren kaufen können, leiden auch noch die europäischen Exporteure. Letztlich verlieren alle - mit Ausnahme des EU-Handelskommissars, der ohne Handelsstreitigkeiten seinen Job verlöre. Würde die EU zum Nutzen ihrer Bürger und der Entwicklungsländer einseitig Freihandel erklären, könnte der Kommissar keinen Schaden mehr anrichten.

      4. In Deutschland gibt es eine Heuschreckenplage

      Kaum finden sich aus- und inländische Kapitalgeber zusammen, um in hiesige Unternehmen zu investieren, werden die „Private Equity”-Gesellschaften schon als Heuschrecken beschimpft, die ganze Landstriche kahlfressen. Dabei hat unternehmerisches Engagement einer Wirtschaft noch nie geschadet und ist in Deutschland auch nicht im Überfluß gegeben. Zum Unternehmertum gehört, Unternehmen zu sanieren, was leider oft Arbeitsplätze kostet, um andere zu sichern.

      An den Problemen am Arbeitsmarkt aber sind weder hiesige Unternehmer noch ausländische Private-Equity-Fonds schuld. Sie arbeiten auch in anderen Ländern erfolgreich, und die Arbeitslosigkeit ist dort niedriger als hier. Doch sind ausländische Investoren in Deutschland offensichtlich nur als zahlende Gäste bei der Fußballweltmeisterschaft willkommen.

      [URLQuelle: FAZ.NET ]http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~EF59442D7D53E49138A93E207286F626B~ATpl~Ecommon~Scontent.html[/URL]
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 10:03:51
      Beitrag Nr. 2 ()
      [posting]19.361.350 von JosefSchulz am 21.12.05 09:49:38[/posting]Eine proportionale Besteuerung wird diesem Wunsch gerecht. Ein einheitlicher Steuersatz ohne Ausnahmen von 20 Prozent führt dazu, daß der Niedrigverdiener mit 20.000 Euro Jahreseinkommen 4000 Euro Steuern zahlt

      Stimmt nicht.
      2400 Euro (=12%) - da 8000 Euro Freibetrag
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 10:19:08
      Beitrag Nr. 3 ()
      [posting]19.361.350 von JosefSchulz am 21.12.05 09:49:38[/posting]zu 1.: Zutreffend

      zu 2.: Unfug. Nur solche Unternehmen, die direkt mit Endverbrauchern Geschäfte machen, werden unmittelbar in ihrer Kalkulkation betroffen, die meisten gar nicht ("durchlaufender Posten"). Betroffen sind insbesondere der Einzelhandel und das Handwerk, weil unklar ist, ob sich die höhere MwSt im Markt auf die Preise abwälzen lässt. Erfahrungsgemäß trifft dies nur zu einem Teil zu. Die Abwälzung geschieht i.d.R. durch Produktivitätssteigerungen, Gewinnverzicht und auch Belastungen der Lieferanten.
      In der Summe aber wird keine nennenswerte Gruppe der Unternehmen so folgenreich belastet, wie dort dargestellt.

      zu 3 : Eine höchst populistische Darstellung, die den wahren Verhältnissen nicht gerecht wird. Im Grunde ist das Wachstum chinesischer Einfuhren o.k. aber kurzfgristige Verwerfungen sollten schon beobachtet und ggf. korrigiert werden, um Strukutrprobleme in der EU nicht überschießen zu lassen. Nicht mehr hat die EU getan.

      zu 4.: Zutreffend

      KD
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 10:43:00
      Beitrag Nr. 4 ()
      [posting]19.361.350 von JosefSchulz am 21.12.05 09:49:38[/posting]1. Falsch, weil die Prämisse falsch ist. Die Mehrheit erwartet nicht, ,,daß Besserverdienende mehr Steuern als Schlechterverdienende zahlen sollen" sondern empfindet es als gerecht, wenn sie etwa gleich belastet werden. Bei einer Flat-Tax würde aber ein Geringverdiener stärker belastet: 2.000 Euro Steuer bei 10.000 Euro Jahreseinkommen sind sicherlich eine höhere Belastung als 200.000 Euro bei 1 Mio Euro Jahreseinkommen. (Deshalb war der Kirchhof-Vorschlag ja gar keine Flat-Tax, sondern enthielt Freibeträge für geringe Einkommen. Dieser Ausgleich wurde aber nicht als ausreichend empfunden.)

      2. Unsinn, weil der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten sinkt, ohne dass die Löhne sinken.

      3. Da stimme ich der Darstellung von Kwerdenker zu.

      4. Grundsätzlich zutreffend. Es gibt aber sehr üble Beispiele, wo florierende Unternehmen auf Kosten der Arbeitnehmer ausgeschlachtet wurden.
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 11:01:12
      Beitrag Nr. 5 ()
      [posting]19.362.069 von rv am 21.12.05 10:43:00[/posting]rv:

      >`Bei einer Flat-Tax würde aber ein Geringverdiener stärker belastet: 2.000 Euro Steuer bei 10.000 Euro Jahreseinkommen sind sicherlich eine höhere Belastung als 200.000 Euro bei 1 Mio Euro Jahreseinkommen.`

      Das sind aber in beiden Fällen 20%. Und 200.000 € sind 100x so viel wie 2.000 €. Du meinst jetzt die subjektiv empfundene Belastung, vermute ich. Oder gehst du von radikaler Umverteilung aus, so daß der Einkommensmillionär 992.000 € Steuern zahlen müßte, um wie der Geringverdiener bei 8.000 € Einkommen zu landen?

      M. E. ist eine solche Diskussion nicht objektiv zu führen, weil niemand sagen kann, wie `der Steuerzahler` über sowas denkt. Den normierten Steuerzahler gibt es ja gar nicht. Aus meiner Sicht resultiert der Wille des `kleinen Mannes` (auch unnormiert) nach höheren Steuern für `die Reichen` (wer ist das eigentlich?) im wesentlichen aus Minderwertigkeitskomplexen, Ohnmachts- und Neidgefühlen. Die meisten als `objektiv` bezeicheneten Ansichten des Menschen sind letztendlich nix anderes als seine egoistische Sicht der Dinge. Wirklich selbstlose bzw. objektive Menschen gibt es nämlich kaum. Ausgenommen wir beide natürlich...;)

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      Avatar
      schrieb am 21.12.05 11:11:49
      Beitrag Nr. 6 ()
      [posting]19.362.299 von JosefSchulz am 21.12.05 11:01:12[/posting]Wir leben doch in einer Demokratie. Und da sollte die Politik (in den Grenzen der unveräußerlichen Teile der Verfassung) auf die Meinung der Mehrheit Rücksicht nehmen. Für die Flattax gibt es (wie auch die letzte Bundestagswahl zeigt) keine Mehrheit. Der FAZ-Artikel begründet seine Aussage mit der angeblichen Mehrheitsmeinung, die aber nicht näher belegt wird.

      Im Übrigen ist mein Belastungsargument keineswegs rein subjektiv: Der Anteil des frei verfügbaren Einkommens ist(trotz der progressiven Besteuerung) bei hohen Einkommen nachweislich weit höher als bei niedrigen.
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 11:13:08
      Beitrag Nr. 7 ()
      [posting]19.362.069 von rv am 21.12.05 10:43:00[/posting]...Deshalb war der Kirchhof-Vorschlag ja gar keine Flat-Tax, sondern enthielt Freibeträge für geringe Einkommen. Dieser Ausgleich wurde aber nicht als ausreichend empfunden

      Weil die Mehrheit im Lande nicht mehr rechnen kann.
      :rolleyes:

      10000 Einkommen; Freibetrag 8000 Euro (pro Person).
      Macht 2000 Euro mit 20% zu versteuerndes Einkommen.
      2000 x 20% = 400 Euro oder 4%.

      Wie hoch ist eigentlich derzeit die steuerliche Belastung beim oben genannten Beispiel?
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 11:32:10
      Beitrag Nr. 8 ()
      [posting]19.362.435 von rv am 21.12.05 11:11:49[/posting]rv:

      >Wir leben doch in einer Demokratie. Und da sollte die Politik (in den Grenzen der unveräußerlichen Teile der Verfassung) auf die Meinung der Mehrheit Rücksicht nehmen. Für die Flattax gibt es (wie auch die letzte Bundestagswahl zeigt) keine Mehrheit.

      Richtig, aber auch darüber sollte man mal ganz unvorgenommen diskutieren, denn gerade anläßlich der letzten Bundestagswahl ist da eine Menge polemischer Unfug insbesondere seitens der SPD und hier namentlich insbesondere von Bundeskanzler Schröder über die Pläne `dieses Professors aus Heidelberg` verbreitet worden. Man kann nun wirklich nicht sagen, daß die Bevölkerung da sehr gut informiert und insoweit `demokratieausübungsfähig` war. Hat man übrigens auch anläßlich der Diskussionen hier im Board gesehen, welche Mißverständnisse es da gab.

      BTW hätte man den entsprechenden Thread von heute früh nicht schließen müssen, was vermutlich vor allem wegen der Überschrift geschah. Die hätte man wie üblich ändern können. Inhaltlich war das nämlich recht interessant, was der Kirchhof gesagt hat. Auch über die Resonanz aus den Reihen der SPD.

      ------------------------------------------------

      >Im Übrigen ist mein Belastungsargument keineswegs rein subjektiv: Der Anteil des frei verfügbaren Einkommens ist(trotz der progressiven Besteuerung) bei hohen Einkommen nachweislich weit höher als bei niedrigen.

      Siehst du? Jetzt geht es doch in die Umverteilungsgeschichte! Jetzt könnten wir endlos darüber diskutieren, ob der Geringverdiener oder Bezieher von Transferleistungen unbedingt qualmen und saufen muß, was ja heute eine Menge Geld kostet oder ob für den `hart arbeitenden` Manager mit 3 Mio. € Jahreseinkommen eine Yacht und ein Ferrari unbedingt nötig sind, um in seinen Kreisen nicht schief angesehen zu werden.

      Du argumentierst da von einer ganz anderen Warte aus als ich es tun würde. Du siehst die Steuer als ein Instrument zur Herstellung von `Gerechtigkeit`, was immer das sein mag. Ist ja ein recht dehnbarer Begriff. Das wäre für mich nur zweitrangig, mir würde es in erster Linie um die Funktionsfähigkeit des Systems gehen, denn vor allem auch daran hängt die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates. Und insoweit wäre das Kirchhof-Modell ein großer Schritt nach vorne gewesen.

      ------------------------------------------------

      Ansonsten halte ich es mit Steuer-Threads wie mit Folter-Threads. Ich verdrücke mich, wann immer es geht. Muß nämlich meiner Frau beim Einkauf eines Weihnachtsbaums helfen.

      Bis später...:)
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 13:28:07
      Beitrag Nr. 9 ()
      [posting]19.362.703 von JosefSchulz am 21.12.05 11:32:10[/posting]Du siehst die Steuer als ein Instrument zur Herstellung von `Gerechtigkeit`, was immer das sein mag.
      Ob ,,Gerechtigkeit" das richtige Kriterium für eine vernünftige Steuerpolitik ist, kann man diskutieren. Allein, du schlägst hier auf den falschen ein: Die FAZ erklärt die Flat-Tax für ,,gerecht". Oder wie würdest du das interpretieren:
      Die Trugschlüsse des Jahres
      1. Eine „flat tax” ist ungerecht.

      ...
      Eine „flat tax” ... zwingt die Regierung, die Bürger gleich zu behandeln. Das ist nur gerecht.

      Wenn solche Kriterien ins Spiel gebracht werden, darf man die doch wohl hinterfragen?!
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 16:17:38
      Beitrag Nr. 10 ()
      Wie hoch ist eigentlich derzeit die steuerliche Belastung beim oben genannten Beispiel?

      398€ laut http://www.steuer.niedersachsen.de/Service/EStEuroTarif3.htm
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 19:16:35
      Beitrag Nr. 11 ()
      [posting]19.368.181 von kpk am 21.12.05 16:17:38[/posting]Danke
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 20:51:04
      Beitrag Nr. 12 ()
      [posting]19.364.465 von rv am 21.12.05 13:28:07[/posting]rv:

      >`Ob Gerechtigkeit das richtige Kriterium für eine vernünftige Steuerpolitik ist, kann man diskutieren. Allein, du schlägst hier auf den falschen ein...`

      Ich schlag doch nicht auf dich ein, ich vermute nur aus deinen sonstigen Ansichten, daß du diese Einstellung hast. Ich bevorzuge hier (und auch anders) eben einen anderen Ansatz, nämlich ob die Sache funktioniert. Das tut sie m. E. nicht.

      Das fängt schon damit an, daß sich viele ihren steuerlichen Pflichten ganz legal in Folge fragwürdiger Gesetze entziehen bis hin zu einer Steuerbelastung von null. Das kann doch nicht der Sinn der Sache sein. Außerdem ist die Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte völlig unberechenbar geworden. Z. B. hat Rot-Grün den Spitzensteuersatz ein paar Mal gesenkt, um jetzt nach der `Reichensteuer` zu rufen. Konsequent ist das nicht. Die SPD hat ferner seit Jahren eine MwSt-Erhöhung als völlig unannehmbar erklärt und noch im Wahlkampf damit polemisiert (`Merkelsteuer`), um jetzt zusammen mit der Union um 3% hochzugehen. Die Union ist auch nicht viel besser, wenn ich mir die Oppositions-Rhetorik der letzten Jahre ansehe (`Steuerhöhungen sind Gift für die Konjunktur, es muß gespart werden.`) und den frappierenden Kurswechsel sehe.

      Leg doch mal deine Ansichten offen. Hältst du den Kirchhof-Ansatz für gut oder nicht?
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 23:06:45
      Beitrag Nr. 13 ()
      [posting]19.372.119 von JosefSchulz am 21.12.05 20:51:04[/posting]Ich verstehe nicht ganz, woraus du auf meine Ansichten schließt. Ich hab übrigens #1 auch nicht unbedingt für deckungsgleich mit deinen Ansichten gehalten.

      Ich habe lediglich festgestellt, dass 1. in #1 etwas widersprüchlich ist:
      Man kann eine flat-Tax viellecht für praktikabel halten - aber gerecht??
      Und die dort vorgenommene Berufung auf die Mehrheitsmeinung funktioniert auch nicht.
      Die Mehrheit will ausweislich des Wahlergebnisses und insbesondere Kirchhof-Effekts bei den Wahlen etwas anderes.
      Natürlich kann man sagen, dass die Wähler dumm sind, dass sie ihren eigenen Untergang wählen - aber dann sollte man sich bitte schön nicht auf die Mehrheitsmeinung berufen.

      Du argumentierst jetzt auf einer vollkommen anderen Ebene. Dass die Steuerpolitik der SPD widersprüchlich und populistisch ist, brauchst du mir nicht zu sagen. Ich hab die niemals vertreten. ;)

      Ich halte allerdings progressive Steuern mit einer stärkeren Entlastung der unteren Einkommen völlig unabhängig von ,,moralischen" Gerechtigkeits- und Umverteilungsargumenten für geboten aus wirtschaftspolitischen Gründen:

      Unsere Wirtschaft krankt am der Schwäche der Inlandskonjunktur und des Konsums. Die kann man aber sicher nicht beheben, indem man die wachsende Ungleichheit der Einkommen noch weiter verstärkt.
      Wenn ich ein ein um 1000 Euro höheres Nettoeinkommen hätte, würde ich nicht mehr für Konsum ausgeben; hätte ich 1000 Euro weniger, würde ich kaum weniger konsumieren.
      Völlig anders sieht das bei den unteren Einkommensgruppen aus. Wenn du (als extremes Beispiel) die Sozialhife- oder Hartz4-Sätze um 100 Euro erhöhst, wird sich der Konsum dieser Gruppe um 100 Euro erhöhen, kürzt du die Sätze, sinkt der Konsum entsprechend.

      Seit über 20 Jahren wächst die Ungleichheit der Einkommen. Es gibt einerseits eine Minderheit, die kaum weiß wohin mit dem Geld; andererseits gibt es eine wachsende Gruppe, die kaum genug zum Leben hat. Die mittleren Einkommensgruppen werden immer stärker ausgedünnt. Wie in einer solchen Situation die Senkung der Spitzensteuersätze positive Effekte auf die Konjunktur haben soll, will sich mir nicht erschließen.

      Bestechend an der Idee von Kirchhof ist der radikale Abbau von Subventionen und Steuerschlupflöchern. Allein da fehlt mir der Glaube: Angekündigt wurde so etwas von fast jedem Finanzminister. Und wieso gerade ein etwas abgehobener Juraprofessor gegenüber der Lobby beonders durchsetzungsfähig sein soll, kann ich nicht sehen.

      Aber das Ganze hat nichts mehr zu tun mit dem (mit Verlaub) ziemlich unbedarften Artikel aus #1.
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 23:34:25
      Beitrag Nr. 14 ()
      Hallo rv,

      eine flattax ist nicht nur wesentlich effizienter, weil sie kaum Fehlanreize und Ausweicherscheinungen hervorruft, ich persönlich denke auch dass sie gerecht ist.

      Gerechtigkeit ist für mich wenn jeder gleich behandelt wird, das ist z.B. gegeben wenn jeder den gleichen prozentualen Steuersatz zahlt (Einen Freibetrag für das Existenzminimum mag ich noch verstehen, was darüber hinausgeht sollte aber gleich versteuert werden).

      Das was du anführst geht für mich mehr in Richtung Gleichheit, du willst die Steuer verwenden um die Einkommen anzugleichen über unterschiedliche Steuersätze.

      Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.

      Mal davon abgesehen ist sie wie JosefSchulz schon angesprochen hat viel praktikabler (Siehe oben) und einfacher verständlich.

      Gruß grigri
      Avatar
      schrieb am 21.12.05 23:40:59
      Beitrag Nr. 15 ()
      rv

      in deinem Beitrag sind mehrere Dinge "unrund":

      1. "Die Mehrheit will ausweislich des Wahlergebnisses und insbesondere Kirchhof-Effekts bei den Wahlen etwas anderes."

      Dieser Schluss bleibt solange völlig unzulässig, wie die Mehrheit das Prinzip von Kirchhoff nicht mal verstanden hat, sondern es allein deshalb ablehnt, weil ein populistischer Kanzler in unerträglicher Weise und mit Mitteln reinster Demagogie Kirchhoff zu einem Vertreter der sozialen Kälte abstempelte, was der nachweislich niemals war und bis heute nicht ist.

      2. Unsere Wirtschaft krankt am der Schwäche der Inlandskonjunktur und des Konsums.

      Auch dies ist nichts als eine Fata Morgana der Gewerkschaften, die das seit Jahrzehnten zum Schlagwort im Verteilungskampf werden ließen. Die ständige Wiederholung macht diese Behauptung indes nicht richtiger. Sie ist schlicht falsch. Denn unsere Wirtschaft krankt an unzureichendem Wachstum und vielem anderen mehr. Eine andere Verteilung der Einkommen indes wird nichts an dieser Krankheit "Wachstumsschwäche" verändern können, schon gar nicht wenn es letztlich überwiegend den Konsum billgster Güter und Nahrungsmittel fördert, die überwiegend subventioniert (EU), importiert (EU und Fernost) und steuerbefreit bzw. begünstigt (MwSt 7% statt 16%) ist. Wo bitte soll das Wohlstand und Wachstum fördern?

      3. "Wenn ich ein ein um 1000 Euro höheres Nettoeinkommen hätte, würde ich nicht mehr für Konsum ausgeben; hätte ich 1000 Euro weniger, würde ich kaum weniger konsumieren."

      Ich halte eine solche Behauptung für sehr gewagt.
      Sie mag bei wirklichen Großverdienern wie Harald Schmidt, Michael Schuhmacher oder Susanne Klatten zutreffen, aber für 99% der Bevölkerung dürfte sie absolut unrichtig sein. Selbst wenn nämlich deren zusätzliche verfügbare Einkünfte nicht im klassischen Sinne konsumiert sondern gespart würden, dann würde dies z.B. Mehrwert bei Versicherern, Brokern etc. schaffen.

      Ich selbst verdiene sehr gut - aber bei mir gibt es keinen Euro, der nicht in irgendeiner Form das Wachstum fördert.

      4. "Bestechend an der Idee von Kirchhof ist der radikale Abbau von Subventionen und Steuerschlupflöchern....Und wieso gerade ein etwas abgehobener Juraprofessor gegenüber der Lobby beonders durchsetzungsfähig sein soll, kann ich nicht sehen"

      Dies ist nun überhaupt keine nachvollziehbare Logik.
      Wir sind uns einig, dass Berufspolitiker jeder Couleur hinlänglich bewiesen haben, dass sie den Verführungskünsten der Lobbyisten geradezu systematisch erliegen.
      Wenn diese Leute es nun offensichtlich nicht schaffen, dann spricht nun wirklich alles dafür, den Auftrag jemandem zu erteilen, der unbestechlich, unabhängig, ohne Karrieregeilheit und ohne Profilierungsnot agiert. Neben Kirchhoff fällt mir aber kaum einer ein, der diese Voraussetzungen mit Sicherheit erfüllt hätte.

      Ob es ihm gelungen wäre, ist damit nicht gesagt. Aber die Chancen wären ungleich höher gewesen, als wenn wir die nächsten Berufspolitiker beauftragen und damit indirekt auffordern:
      Macht weiter so!

      KD
      Avatar
      schrieb am 22.12.05 22:11:59
      Beitrag Nr. 16 ()
      rv - wg. #13

      >`Ich verstehe nicht ganz, woraus du auf meine Ansichten schließt.`

      Nur meine Vermutung, weil ich aus verschiedenen Beiträgen von dir den Schluß gezogen hatte, du wärst ein Befürworter stärkerer Umverteilung über Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und so weiter. Und daß dies auf Grund von Gerechtigkeitsüberlegungen geschehen soll, war ebenfalls nur eine Vermutung von mir. Du kannst es dir in solchen Fällen einfach machen und sagen, wie deine Einstellung tatsächlich ist. Dafür wirst du bestimmt nicht gesperrt...;)

      >`Die Mehrheit will ausweislich des Wahlergebnisses und insbesondere Kirchhof-Effekts bei den Wahlen etwas anderes.`

      Das wäre dann richtig, wenn wir uns sicher wären, daß die Mehrheit das Konzept auch richtig verstanden hat, was aber wohl nicht der Fall ist. Aber das hatten wir ja schon, das müssen wir nicht noch einmal aufkochen.

      -------------------------------------------------------

      Was deine Konzeption zur Umverteilung über Steuern und Transferleistungen angeht, übersiehst du wie alle anderen Umverteilungsbefürworter, daß die Nationalstaaten heute längst nicht mehr so abgeschlossene Wirtschafts- und Finanzkreisläufe haben wie früher. Im Grunde vertritts du hier den Standpunkt der Linkspartei, die von den Begüterten nehmen will, um es den `Armen` zu geben, damit diese dann die Wirtschaft ankurbeln. So in etwa lautet ja das Credo von Oskar, Gregor und der Linkspartei. Lassen wir mal beseite, daß du vermutlich kein Anhänger dieser Partei bist, das Konzept ist aber in etwa das selbe. Das funktioniert heute nicht mehr, weil Produktion, Dienstleistung und Kapital wesentlich beweglicher sind als damals. Ironischerweise hat diesen Prozeß gerade ein kommunistisches Land, nämlich die Volksrepublik China, maßgeblich beschleunigt.

      Die Folge der von dir beabsichtigten `Umsteuerung` wäre, daß die `Reichen` sich verdrücken, Produktion und Kapital in andere Länder verschwinden und die Lasten der Umverteilung immer weiter nach unten durchgereicht werden, ein Prozeß, den wir ja schon eine Weile betrachten dürfen. Wenn du diesen Prozeß weiter beschleunigst, wirst du irgendwann dein blaues Wunder erleben. Dann bricht der ganze schöne Sozialstaat nämlich irgendwann zusammen wie ein Kartenhaus.


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