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    Revoluzzer im Badezimmer - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 10.01.07 08:15:40 von
    neuester Beitrag 11.01.07 10:50:28 von
    Beiträge: 9
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      schrieb am 10.01.07 08:15:40
      Beitrag Nr. 1 ()
      http://www.welt.de/data/2007/01/10/1171287.html

      Revoluzzer im Badezimmer
      Seit Anfang Dezember ist Rüdiger Steinbeck im Hungerstreik. Zuerst wollte der Arbeitslose nur seine Heizkosten erkämpfen. Im Internet gilt er inzwischen als Ikone der Generation Hartz IV.

      Von Julia Kimmerle


      Neben der Badewanne von Rüdiger Steinbeck steht ein Computer. Er hat ihn auf einen kleinen, wackeligen Tisch gestellt - ein größerer würde nicht in die schmale Lücke zwischen Wand und Wanne passen. Keine sechs Quadratmeter ist das Bad groß, es ist der kleinste Raum im ganzen Haus. Die Decke ist niedrig und mit weißen Holzpaneelen abgehängt. Durch das Fenster neben dem Waschbecken dringt kaum Licht. Hier verbringt Rüdiger Steinbeck sein Leben, hauptsächlich vor dem Rechner. Seine Verbindung zur Außenwelt ist das Modemkabel, das quer durch den Raum verläuft.

      Das Badezimmer ist seine Schaltzentrale, sagt er. Es ist der einzige beheizte Raum im Haus. Manchmal nennt er das Bad auch "Gefechtsstand", das klingt mehr nach Krieg, und im Krieg befindet sich Rüdiger Steinbeck. Nach eigener Einschätzung. Er kämpft gegen Hartz IV und gegen den Ein-Euro-Job, gegen die "menschenunwürdige" Politik, gegen "die in Berlin", kurzum: gegen das System. Angefangen hat alles mit einer Heizkostenrechnung, die das Jobcenter des Landkreises Osterode nicht übernehmen wollte. Jetzt ist Steinbeck im Hungerstreik: Seit 35 Tagen hat er nichts mehr gegessen, sagt er. Er will, dass die ganze Welt diesen Krieg gegen die vermeintliche Ungerechtigkeit mitverfolgt. Ausgangspunkt seines Feldzuges ist sein Badezimmer, mit Rechner und Internet-Zugang. Das ist sein "Gate", sein Tor zur Welt.
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      Wieda im Harz ist weit weg von der Welt und Berlin. Es liegt in Niedersachsen, südlich der Gemeinden "Elend" und "Sorge", 1500 Menschen leben hier. Das Dorf hat eine Bank, eine Kirche und einen kleinen Laden, in dem es statt großer Kühlregale nur einen Kühlschrank gibt. Die Menschen kennen sich. Auch Rüdiger Steinbeck ist bekannt. Ein ruhiger, unauffälliger Typ sei er, keiner, der Ärger mache, sagen die Leute im Ort. Dass seinetwegen jetzt sogar das Fernsehen nach Wieda kommt, wundert sie. "Die Leute hier sind ja nicht betroffen von Hartz IV, deshalb interessiert es sie auch nicht. Sie schauen weg", sagt Rüdiger Steinbeck. Lange hat von seinem Hungerstreik niemand Notiz genommen. Wie auch - er verlässt sein Badezimmer kaum, zu Nachbarn hat er kaum Kontakt. Im Internet ist das anders, da kennen ihn viele. "Tausende", sagt Steinbeck. Als er im Internet auf dem Erwerbslosenforum und anderen Foren angekündigt hatte, ab Weihnachten auch die Flüssigkeitszufuhr einstellen zu wollen, interessierten sich auch die Medien für ihn. Die Presse kam nach Wieda. Rüdiger Steinbeck gab Interviews in seinem Badezimmer und versuchte der Welt seinen Kampf zu erklären.

      Rüdiger Steinbeck wohnt in einem alten, sanierungsbedürftigen Fachwerkhaus und lebt von Hartz IV, anfangs waren es 381 Euro. Dann kam eine Heizkostennachzahlung über 600 Euro, die er in monatlichen Raten abzahlte. Um zu sparen, heizte er kaum noch und zog sich auf sechs Quadratmeter im Bad zurück. Heute bekommt er 429,33 Euro, davon knapp 80 Euro für die Heizung, der Höchstsatz, der in Niedersachsen gezahlt wird. Aber auch das reicht nicht. Etwa 150 Euro wären noch nötig, die Steinbeck nun mit seinem Hungerstreik rückwirkend einfordern möchte. So hat er es in einem Schreiben an den Landkreis formuliert. Einen Ein-Euro-Job, der ihm angeboten wurde - Steinbeck hätte in den Büroräumen der Samtgemeindeverwaltung Walkenried arbeiten können -, lehnte er ebenfalls ab. Er will einen echten Arbeitsplatz, einen, der normal entlohnt wird und sozialversicherungspflichtig ist. Ab Januar 2007 sollte ihm der Regelsatz um 30 Prozent gekürzt werden. Da beschloss Rüdiger Steinbeck, nicht mehr zu essen. Aus Protest.
      Protest
      Revoluzzer im Badezimmer (2)

      Im Internet machte die Aktion schnell die Runde. Der Politikprofessor Peter Grottian reiste aus Berlin an, um zwischen dem Landkreis Osterode und Steinbeck zu vermitteln. Er hatte Erfolg: Der Landkreis will nun die Möglichkeiten prüfen, Steinbeck eine höhere Heizkostenpauschale zu zahlen. Aber Steinbeck geht es mittlerweile nicht mehr nur um seine Heizung: "Mein unmissverständliches Ziel ist es, dass man umgehend an der Abschaffung aller Hartz-IV-Kriterien arbeiten wird, mit dem Ziel, sie bis spätestens Sommer 2007 vollständig abgeschafft zu haben!" Das teilte Rüdiger Steinbeck dem Landkreis zwei Tage nach Weihnachten mit. "Bunkermentalität und Realitätsverlust" nennt es die Behörde, die im Landkreis Osterode insgesamt 3500 Langzeitarbeitslose betreuen muss. Rüdiger Steinbeck glaubt selbst nicht, dass diese Forderung erfüllt werden kann. "Aber ich lebe ohnehin nicht mehr - da habe ich auch keine Angst zu sterben", sagt Steinbeck. Er ist schwach geworden in den letzten sechs Wochen. Etwa zehn Kilo hat er abgenommen, seit Dezember lebt er von Pulverkaffee und Zigaretten, die er selbst dreht. Früher war er Pfeifenraucher. Doch eine Dose seines Tabaks kostet 18 Euro. Früher hatte er sich keine Gedanken um Arbeitslosigkeit gemacht. "Ich war nie damit konfrontiert - ich hatte ja immer Arbeit!" 28 Jahre lang. Angefangen hatte er als Dachdecker. Zehn Jahre fuhr er auf Montage, dann nahm er eine Stelle als Handwerker in niedersächsischen Asylbewerberheimen an. Er heiratete, hat Kinder. Seine Frau arbeitete auch, es ging ihnen gut. "Ich wollte immer eine große Familie haben. Am liebsten zehn Kinder", erzählt Rüdiger Steinbeck. 1988 kaufte er für seine fünfköpfige Familie in Wieda ein Haus. Es war 150 Jahre alt, mit marodem Dach, schiefen Wänden und kaputten Böden. Steinbeck renovierte alles selbst, baute einen Kachelofen, begradigte die Wände und setzte neue Fenster ein. 104 Quadratmeter Wohnfläche hatte die Familie. Heute wohnt Rüdiger Steinbeck dort alleine mit seinem Hund.

      "Da gab es wohl mal einen, der hat meiner Frau wohl besser gefallen als ich. Da hat sie sich von mir verabschiedet und die Kinder mitgenommen", erzählt er. Fast zehn Jahre ist das nun her, aber das Thema wühlt ihn immer noch erkennbar auf. Mehrere Jahre stritt er mit seiner Frau um ein Umgangsrecht mit den Kindern, legte sich mit den Behörden, Richtern, Anwälten und dem Jugendamt in Osterode an. Schließlich bekam er recht. Aber da wollten seine Kinder ihn nicht mehr sehen. "Sie halten mich für einen schlechten Vater." Das Urteil seiner Kinder traf ihn härter als das des Jugendgerichtes, und er verzichtete auf sein Umgangsrecht. In dieser Zeit verunglückte Rüdiger Steinbeck. Die Sehnen der linken Hand waren nach einem Unfall beschädigt, er konnte nicht mehr arbeiten und musste sich vor knapp zehn Jahren arbeitslos melden. "Auf einmal hatte ich sehr viel Zeit, um nachzudenken." Steinbeck entdeckte das Internet für sich. Als einfachen Weg, um mit anderen geschiedenen Vätern, anderen Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern in ganz Deutschland zu kommunizieren. Damals, so erzählt er, sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass er hier in diesem Land als Bürger betrogen werde. Von der Politik, dem Rechtssystem. Von der Gesellschaft. Er wurde als Blogger aktiv. Sein Autorenname: Staatsfeind. Auf seiner Seite zitiert er Konrad Adenauer: "Machen Sie sich erst einmal unbeliebt. Dann werden Sie auch ernst genommen."
      Protest
      Revoluzzer im Badezimmer (3)

      Im Internet fand er nicht nur genug Platz, um seinen ganzen Ärger abzulassen, sondern auch Zuhörer. Viele seiner Freunde habe er im Internet kennengelernt, sagt Steinbeck. Viele Hartz-IV-Empfänger sind dabei. Auch seine Freundin, die in Wien lebt und mit der er seit über einem Jahr zusammen ist, hat er im Internet kennengelernt. An der Badezimmerwand hängt ein Foto von ihr, es ist das einzige Bild. Auch sie konnte Steinbeck nicht von seinem Vorhaben abbringen. "Sie versteht, dass ich das tun muss", sagt Steinbeck. Der Hungerstreik und der Protest, das sei jetzt wohl sein Job, meint er. Neben dem Rechner liegen Briefe, Solidaritätsbekundungen von Menschen, die über das Internet von Steinbeck gehört haben. Aus ganz Deutschland erhalte er Post. Er sammelt sie wie Beweise für die Berechtigung seiner Protestaktion. "Meine Nachbarn im Dorf sind nette Leute, aber da würde mir niemand zu meinem Hungerstreik gratulieren", sagt Steinbeck. Im Internet wird sogar für ihn gedichtet: "Seine Seele spielt verrückt, seine Seele hat die Macht! Seine Seele will uns retten, seine Seele sprengt die Ketten, die uns Hartz IV gebracht!" Er hat sich im Netz eine Fangemeinde aufgebaut, die er nicht enttäuschen will. Mit seiner ausdauernden Hartnäckigkeit ist Steinbeck zu ihrem Helden geworden.

      Dabei würde er gerne mit dem Streik aufhören. Er möchte nicht sterben, sondern arbeiten, irgendetwas. Qualifiziert genug sei er. "Ich bin ein guter Handwerker, und ich bin gut am Computer. Ich bin in der Lage, innerhalb von sechs Wochen mit meinem Streik einen Riesenzirkus zu machen." Den Zirkus will er noch so lange veranstalten, wie es sein muss. Und solange es geht.
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      Artikel erschienen am 10.01.2007
      Avatar
      schrieb am 10.01.07 09:40:31
      Beitrag Nr. 2 ()
      Dabei würde er gerne mit dem Streik aufhören. Er möchte nicht sterben, sondern arbeiten, irgendetwas. Qualifiziert genug sei er. "Ich bin ein guter Handwerker, und ich bin gut am Computer.

      wenn das der wahrheit entsprechen sollte, kann er sich doch ohne probleme selbstständig machen:confused:
      Avatar
      schrieb am 10.01.07 10:00:37
      Beitrag Nr. 3 ()
      Ich hab dieses Jahr noch nicht geheizt:confused:
      Avatar
      schrieb am 10.01.07 11:10:19
      Beitrag Nr. 4 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 26.806.370 von ANOM am 10.01.07 10:00:37Wenn er nichts isst und trinkt spart er doch einen Haufen Geld und kann seine Heizkosten zahlen.
      150 Euro im Monat bei bem milden Winter sind wowieso ein Witz
      Avatar
      schrieb am 10.01.07 18:50:59
      Beitrag Nr. 5 ()
      Komisch, bei uns suchen sie Facharbeiter aller Couleur per Zeitungsanzeige. Nicht, daß hier die Vollbeschäftigung ausgebrochen wäre, aber für Hand-Arbeiter gibt es immer mehr zu tun.

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      schrieb am 10.01.07 19:18:07
      Beitrag Nr. 6 ()
      ..vielleicht sollte sich Kurt Beck seiner annehmen. Solange er keinen Rasierstreik beginnt.
      Avatar
      schrieb am 10.01.07 19:36:46
      Beitrag Nr. 7 ()
      Hier in Sachsen-Anhalt - das ist ja bekanntlich nicht weit weg - brummt das Handwerk seit einem Jahr wieder !

      Kann aber sein, dass niemand so einen Chaoten einstellt. :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 11.01.07 10:40:37
      Beitrag Nr. 8 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 26.817.209 von xylophon am 10.01.07 19:18:07Rasiert und gewaschen wird er ja wohl hoffentlich sein, wenn er schon in seiner Badewanne lebt.
      Avatar
      schrieb am 11.01.07 10:50:28
      Beitrag Nr. 9 ()
      Als HartzIV eingeführt wurde, habe ich mit einem Massensuicid gerechnet, passiert ist aber nichts!


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