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    Wenn der Staat privatisiert - die Bundesdruckerei - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 04.03.07 19:06:04 von
    neuester Beitrag 06.03.07 09:57:27 von
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      schrieb am 04.03.07 19:06:04
      Beitrag Nr. 1 ()
      Der Verkauf der Berliner Bundesdruckerei - Wie Hunderte von Millionen verbrannt wurden
      Wie es war - Die journalistische Erzählung
      Von Nikolaus Doll




      Es dämmert, als sich der Mann auf den Weg macht. In einer schweren, gepanzerten Limousine geht es Richtung Kreuzberg. Als die Dunkelheit hereinbricht, hat er sein Ziel erreicht. Der Mann parkt den schwarzen Diplomaten-Mercedes vor dem Haupteingang der Bundesdruckerei und verschwindet in den verwinkelten Gängen des Gebäudes. Als er wenig später wieder auf die Oranienstraße tritt, hat er einen prallen Umschlag in der Hand.


      Die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos tasten für einen Moment über sein Gesicht und das schüttere Haar, das sich im Nacken leicht kräuselt. Den Mann stört das nicht. Es ist spät. Niemand, der lästig werden könnte, wird ihn an diesem Winterabend 1999 bemerkt haben. Niemand würde je erfahren, was in dem Umschlag war.

      Sekunden später ist er in der kalten Nacht verschwunden. Endlich bewegt sich auch der Schatten, der die ganze Zeit über an einem Fenster in den oberen Geschossen des Verwaltungsblocks ausgeharrt hat. Der Mann auf der Straße hat sich geirrt. Der Schatten am Fenster hat ihn erkannt.

      Monate später wird die Innenrevision der Bundesdruckerei aktiv. Von Umschlägen mit jeweils 10 000 D-Mark oder mehr aus der Unternehmenskasse ist die Rede, die ein Diplomat aus dem Nahen Osten bekommen haben soll. Hat die Bundesdruckerei so versucht, an Aufträge zu kommen? Droht eine Schmiergeldaffäre?

      Es bleibt bei Vermutungen. Wirklich bewiesen wird nie etwas. Alle, auch die Behörden wissen, dass sich die Geldmacher bei ihren Geschäften oft genug in der Grauzone bewegen. In Deutschland, überall auf der Welt. Und gerade im Jahr 2000 hat niemand Interesse an einem Skandal um die Bundesdruckerei. Denn in diesem Jahr soll das Staatsunternehmen nach endlosem Tauziehen endlich privatisiert werden.

      *

      Hans Eichel atmet auf. Am 21. November 2000, einem Dienstag, ist es so weit: Der Bundesfinanzminister hat die Bundesdruckerei verkauft. Der Preis für die Staatsdrucker ist atemberaubend: Mehr als umgerechnet eine Milliarde Euro zahlt die Beteiligungsgesellschaft Apax für das Unternehmen. Selbst in Eichels Haus hatte man sich maximal 800 Millionen Euro erhofft.

      Im Finanzministerium müsste Festtagsstimmung herrschen, doch der Minister gibt sich zugeknöpft. Ahnt Eichel da schon, welches Risiko der Deal birgt? Keine zwei Jahre nach dem Verkauf an eine jener Wagniskapitalgesellschaften, für die Eichels Parteigenosse Franz Müntefering später das Wort Heuschrecke prägen wird, ist die Bundesdruckerei pleite. Runtergewirtschaftet, ausgesogen. Im September 2002 wird das einst profitable Unternehmen von Apax wieder abgestoßen. Für einen Euro. Nur 22 Monate nach dem Milliardenverkauf ist das Unternehmen praktisch wertlos.

      Der Deal mit Apax ist eine der größten Privatisierungspleiten in der Geschichte der Bundesrepublik. Bis heute wird die Bundesdruckerei ununterbrochen saniert. Die Suche nach einem Käufer hat erneut begonnen. Diesmal wollen die Parlamentarier genauer hingucken - sagen sie. "Ein zweites Mal darf die Bundesdruckerei aber nicht wieder wie eine x-beliebige Margarinefabrik verscherbelt werden", so der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU).

      Die Sorge ist nicht unbegründet, denn seit dem Apax-Abenteuer hat sich die Situation der Großdruckerei drastisch verschärft. Durch den Verkauf lastet ein unglaublicher Schuldenberg auf dem Mutterkonzern der Bundesdruckerei, der Authentos, die eigens für die Übernahme gegründet worden war. "Für einen Euro würde ich den Betrieb kaufen. Was mit den Schulden passiert, müsste aber zuvor geklärt werden", sagt einer aus der Notendruckbranche.


      *

      Das Haus liegt am Rande der Stadt, abgeschieden in einer ruhigen Seitenstraße. Ein harmloses Messingschild "Spezialdruckerei der DDR" soll Neugierige davon abhalten, in der Umgebung zu viele Fragen zu stellen. Das funktioniert, kaum jemand erfährt je, dass in dem Altbau an der Roedernstraße in Mahlsdorf-Süd rund 100 Druckexperten der DDR meisterhaft Pässe aller Herren Länder fälschen.

      Arthur Pahl* traut seinen Augen nicht, als er im Frühsommer 1990 durch die Räume der Spezialdruckerei geführt wird. Der Abteilungsleiter bei der Bundesdruckerei sieht teure Maschinen von Heidelberger Druck und Spezialpapiermaschinen, mit denen man jedes Wasserzeichen der Welt fälschen kann. In den Regalen stehen dicht gedrängt Farbtöpfchen samt Mischrezepturen für alle erdenklichen Pässe - ein streng gehütetes Geheimnis. "Wir müssen diese Druckerei sofort aufkaufen", drängt Pahl. Ihn gruselt es bei dem Gedanken, was passiert, wenn diese Fälscherwerkstatt in falsche Hände fällt.

      Jahrelang hatte das DDR-Regime die besten Experten des Landes in die Spezialdruckerei abgestellt und sie dort mit allerlei Privilegien versehen. Jetzt, da die Mauer gefallen und die Währungsunion bereits beschlossen ist, sind die Meisterfälscher lästig. Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) will den Betrieb abstoßen. Er lockt die Westberliner, doch Bundesdruckerei-Präsident Rüdiger Bock winkt gleich ab, was soll er mit diesem "Kram der Ostdrucker"? Bock denkt längst in ganz anderen, in internationalen Dimensionen.

      *

      Die Maschinen laufen auf Hochtouren, es werden Dauerschichten gefahren, Tag und Nacht. Mauerfall und Einheit bescheren der Bundesdruckerei das ganz große Geschäft. Die Behörden im Osten ordern wie wild West-Formulare, Vordrucke und anderes Material für den Dienstgebrauch. Da sind Peanuts, aber hinzu kommt der ungeheure Bedarf an D-Mark-Noten und an neuen Personalausweisen sowie Pässen für die Ostdeutschen. Die zweite D-Mark-Serie läuft an, 800 Leute werden neu eingestellt, 4400 Mitarbeiter drucken nun allein 1993 und 1994 pro Jahr 960 Millionen Geldscheine.

      Dieser Ausstoß beflügelt im Bundestag die Fantasien der Parlamentarier. Es dauert nicht lange, da kramt die Regierung Kohl/Genscher einen alten Plan der Unionsparteien hervor. Man will richtig Kasse machen mit der Bundesdruckerei, das Unternehmen soll aus der Staatsobhut entlassen und an die Börse gebracht werden. 1994 wird die Bundesdruckerei zu einer GmbH in Staatshänden umgemodelt.

      Ein entscheidender Punkt wird aber im Geldrausch von der liberal-konservativen Koalition übersehen: Die Bundesdruckerei ist auf die Privatwirtschaft nicht im Mindesten vorbereitet. Der Wettbewerb in der weltweiten Sicherheitsdruckbranche ist hart, und die wenigen großen Anbieter gehen alles andere als zimperlich miteinander um. Der träge Verwaltungskoloss Bundesdruckerei, Jahrzehnte der Dienstaufsicht des muffigen Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen unterstellt, wird in ein Haifischbecken gestoßen. "Das war ein Schock für unseren Behördenbetrieb. Manche von uns haben drei Monate Telefonbücher gedruckt und in den restlichen neun Monaten verzweifelt nach Arbeit gesucht. Die Krankenstandsquote lag bisweilen bei 20 Prozent", erinnert sich ein ehemaliger leitender Angestellter der Bundesdruckerei.

      Technisch ist das Unternehmen weltweit führend, doch von den Regeln auf dem freien Markt haben die Hochsicherheitsdrucker keine Ahnung. Warum auch? Die Aufträge wurden bislang vom Staat vergeben, dazu kam eine Art Preisbindung, die ausreichend Erlös garantierte. "Vertrieb oder Marketing waren in der Bundesdruckerei völlig unbekannt. Stattdessen gab es eine Auftragsannahmestelle", mokiert sich ein ehemaliger Mitarbeiter. Dafür hatte der Staat ein bequemes Weisungsrecht. Wenn sich das Ministerium Postschecks mit drei Durchschlägen wünschte, wurde die Order widerspruchslos befolgt. "Das war schlimmer als Planwirtschaft. Das war Wahnsinn", sagt eine Ex-Angestellte.

      Dennoch, um weitere 135 Millionen Euro aus Steuergeldern hochgerüstet, tritt der Druckkoloss 1994 als GmbH auf dem Weltmarkt an. Die Post-Ministerialen glauben, dass der Erfolg mit möglichst leistungsfähigen Maschinen automatisch kommt. Sie erlebten bald eine Pleite nach der anderen.


      Walter Pohl fühlt sich sicher. Viel zu sicher. Es ist der 16. Januar 1999, ein Sonnabend. Pohl, Handelsvertreter der Bundesdruckerei in Nigeria, entspannt sich und schaut Bundesliga. Die riesige Schüssel auf dem Haus nahe am Strand in Nigerias Millionenmetropole Lagos macht es möglich. Die vergangenen zwei Jahre waren hart für Pohl, hartnäckig hat er versucht, einen Megadeal mit der Staatsbank des westafrikanischen Landes abzuschließen. Nigeria, der bevölkerungsreichste Staat Afrikas, braucht dringend neue Naira-Scheine.

      Man trifft sich in einer Doppelhaushälfte, im Hinterzimmer wird sich Pohl mit dem Sohn des Präsidenten, Mohammed Abacha, rasch einig. Zur Tarnung werden die Banknoten "Schulbücher" genannt. Die Bundesdruckerei soll den Zuschlag für den Naira-Druck mit einem Umsatz von rund 160 Millionen Euro bekommen - den bis dahin größten international ausgehandelten Auftrag zum Banknotendruck. "Ihr liefert uns 1000 Schulbücher und berechnet dafür offiziell 47 Dollar. Wir zahlen euch tatsächlich 24 Dollar", schlägt Abacha vor. Pohl versteht: Die Differenz ist die "Aufmerksamkeit" für den Präsidentenklan und die Mittelsmänner.



      Die Verantwortlichen der Bundesdruckerei in Berlin geben am 14. September 1998 per Fax grünes Licht für den Deal, doch am 22. Dezember drahtet Harald Wendel, einer der beiden damaligen Chefs, einen Rückzieher: "Wir haben nachkalkuliert, so geht das nicht." Das Geschäft platzt in letzter Minute, die Nigerianer toben, und die Mittelsmänner Pohls haben nun mit dem Bundesdruckereimann vor Ort noch eine Rechnung offen.

      Pohl verlässt ab diesem Tag die Wohnung nicht mehr. Dort kann ihm nichts passieren, gegenüber liegt das Gästehaus der deutschen Vertretung. Ständig patrouillieren Wachsoldaten und Bodyguards auf der Straße. Als der Handelsvertreter an jenem Sonnabend Fußball guckt, klingelt es an der Tür. Als Pohl öffnet, schnappt die Falle zu.

      *

      In dem dunklen Verlies kauern die Häftlinge auf dem nackten Betonboden. Manche hängen an Ketten, viele sind verletzt. Der Gestank ist unbeschreiblich. Der Bruder eines nigerianischen Bekannten hat Pohl aus seiner Wohnung gelockt, in rasender Fahrt geht es in eine Polizeikaserne. Dort zeigen Offiziere Pohl die finstere Zelle - eine Warnung. Pohl soll aufschreiben, warum der Notendruckdeal geplatzt ist. "Ich habe geschrieben, stundenlang, vier, fünf Seiten, damit sie mir das Papier nicht wegnehmen und mich in dieses Loch werfen", erinnert sich Pohl. In letzter Minute greift die alarmierte Botschaft ein.

      Der Handelsvertreter sei in Lebensgefahr, heißt es. Eskortiert von vier Wachmännern wird er nach Deutschland ausgeflogen - sein Hab und Gut muss Pohl zurücklassen. "So macht man keine Geschäfte in dieser Branche, schon gar nicht in Afrika", sagt Pohl Und obwohl in anderen Regionen der Welt andere Regeln gelten, unterlaufen der Bundesdruckerei auch dort grobe Schnitzer.

      *

      Die Pleite in Afrika ist nicht der erste Rückschlag, bereits 1997 ist der Bundesdruckerei ein Milliardenauftrag der Bank of India durch die Lappen gegangen. Zwar hatte man das günstigste Angebot abgegeben, doch das "Preiswunder von Bombay" kann es nur geben, weil die Bundesdruckerei den Auftrag teilweise an Billigdrucker in der Ukraine oder Südafrika weitergeben will - nicht gerade ein übliches Verfahren im sonst so geheimen Geschäft der Geldmacher. Die Inder sind entrüstet, die Konkurrenz bekommt den Auftrag. Niederlagen wie diese schmerzen, denn international ausgeschriebene Aufträge sind rar, schließlich lassen die meisten Länder ihr Geld bei ihren Staatsdruckereien herstellen. Der Ruf der Bundesdruckerei ist da schon arg lädiert, als im Sommer 1997 die Schlappe in Venezuela hinzukommt.

      Die Sekretärinnen in der Chefetage halten den Atem an. Es ist unerträglich heiß an diesem Sommertag. Die Bürotüren im dritten Stock stehen offen, und Rüdiger Bock, damals Sprecher der Bundesdruckerei-Geschäftsführung, tobt. "Diese ewigen Reiseanträge nach Südamerika. :laugh: Der Handelsvertreter spricht schon von Betriebsausflügen. Und dann dieser Werner Mauss ... Der kostet mich die letzten Nerven", schimpft der hagere Manager.

      Tatsächlich liegen in Berlin beim Thema Südamerika längst die Nerven blank. Die Bundesdruckerei hat von Venezuela den Zuschlag bekommen, ein neues Ausweissystem aufzubauen - ein Millionendeal. Sogar Topagent Werner Mauss, gut vernetzt in der Region, wurde eingeschaltet, um Kontakte zu knüpfen.

      Doch auch hier erleben die Berliner ein Desaster. Zwar haben die Bundesdrucker bereits den Zuschlag erhalten, aber örtliche Zeitungen werden nicht müde, von Korruption zu schreiben. Angeblich hätten die Deutschen 480 Millionen Dollar verlangt, die Briten nur 117 Millionen Euro. Die große Differenz ergebe sich aus den Schmiergeldern, die man in Berlin mit eingerechnet habe. Wahr oder nicht, die Regierung in Caracas ist irritiert, der Versuch einer Aufklärung im Parlament führt zu chaotischen Szenen - schließlich storniert Venezuela den Auftrag.

      *

      Ernst-Theodor Menke zieht den kleinen Frischhaltebeutel mit dem Döschen aus der Hosentasche und tupft vorsichtig etwas Creme auf das gerötete Gesicht. Menke, nach Bocks Abgang 2000 gemeinsam mit Harald Wendel Chef der Bundesdruckerei, hat dieses Tütchen immer dabei. Das ständige Einschmieren ist ein Tick. Vor allem, wenn er nervös ist. Und das ist er jetzt. Die Pannen im Ausland haben Menke nicht beeindruckt, immerhin ist die Bundesdruckerei seit 1994 mächtig gewachsen. Menke war auf Einkaufstour und hat mehrere Spezialunternehmen aufgekauft, darunter den Chipkartenhersteller Orga - ein verhängnisvoller Fehler, wie sich später zeigt. Mitte 2000 aber ist Menke aufgeregt, weil der Verkauf seines Unternehmens bevorsteht.

      Die Interessenten stehen Schlange. 100 haben seit der ersten Bieterrunde ihre Angebote eingereicht. Drei kommen in die engere Wahl, darunter Apax, FCO, der Bundesdruckerei-Konkurrent aus Frankreich, und der US-Chipkartenhersteller Schlumberger. Deren Vertreter streichen nun durch die Hallen der Bundesdruckerei und wollen alles ganz genau über den möglichen Zukauf wissen - ein Albtraum für Menke und alle Hochsicherheitsdrucker, die ihre Maschinen sogar abdecken lassen, wenn die Staatsbesuche kommen. Es war immer so: Diese Branche gedeiht am besten im Verborgenen.

      Was die Apax-Leute sehen, begeistert sie. Zwar hat die Bundesdruckerei 1999 bei einem Umsatz von 881 Millionen Euro nur einen Gewinn von 34 Millionen Euro erzielt, aber die Wagniskapitalgeber durchschauen den Trick von Menke. Der denkt nämlich nicht einmal daran, dicke Gewinne zu erwirtschaften - denn die hätte er postwendend an den Nocheigentümer Bund abführen müssen. Stattdessen investiert Menke wie besessen. Wenn man da umsteuert, sind Traumrenditen drin, denken die Apax-Leute. Auf dem Weltmarkt ist immer noch was zu holen, und die Staatsaufträge sind ja garantiert.

      Der Plan ist schnell gefasst: Apax will umstrukturieren, Personal abbauen und der Bundesdruckerei eine schöne Börsenstory verpassen. Aus der Behörde soll ein schicker, weltweit aufgestellter Konzern für Sicherheitsdruck werden, der sich rasch wieder und zu einem Rekordpreis abstoßen lässt. Apax treibt den Preis in aberwitzige Höhen und erhält den Zuschlag.

      *

      Gabriele IV ist hübsch anzusehen und ein Wunschkind, mit dem die ehrgeizigen "Eltern" bei Apax viel vorhaben. Gabriele ist der Name einer Gesellschaft, die von Apax auf Vorrat gegründet wurde, um unter deren Dach gekaufte Firmen zu parken. Doch wer genau hinsieht, bemerkt, dass Gabriele IV, kaum ist sie nach dem Zukauf der Bundesdruckerei zu deren Holding geworden, eine Missgeburt ist.

      Rund eine Milliarde Euro hat Apax für den Staatsdruckkonzern zwar bezahlt. Doch aus eigener Kasse steuern die Wagniskapitalgeber kaum etwas bei. 225 Millionen Euro stundet der Bund, indem er ein Verkäuferdarlehen auf zehn Jahre gewährt. Rund 455 Millionen Euro gibt die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) dazu. Nur den Rest bringt der Käufer selbst auf.

      Bei Apax denkt man nicht daran, für die Kredite selbst geradezustehen. Wie bei Wagniskapitalgebern üblich, muss das übernommene Unternehmen den eigenen Verkauf selbst finanzieren. Im Fall der Bundesdruckerei bedeutete dies, dass die Dachgesellschaft Gabriele IV, die flugs aus Gründen der Seriosität in Authentos umbenannt wird, mit einem riesigen Schuldenberg startet. Dazu kommen enorme Zinsen, pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro - all das soll die Bundesdruckerei aus ihren mageren Gewinnen zahlen, denn Authentos ist nichts als eine Hülle, die zum Kauf und der Verwaltung dient.

      Dass diese Rechnung niemals aufgehen kann, will man 2000 im Bundesfinanzministerium nicht zur Kenntnis nehmen. Auch der Haushaltsausschuss zeigt sich mit dem Deal zufrieden. Alle beim Bund starren gebannt auf die eine Milliarde Euro - die nur auf dem Papier existiert.

      *

      Ernst-Theodor Menke lächelt. Die Apax-Leute haben kurz nach dem Kauf der Bundesdruckerei zu einer großen Präsentationsshow für die Mitarbeiter ins Berliner ICC geladen. Bunte Diagramme werden gezeigt, Apax-Frau Renate Krümmer schwärmt von zweistelligen Profitraten, die man erziele, und spielt auf die Übernahme des Großbäckers Kamps an. "Schauen Sie, was da verdient wird. Und das alles mit Brötchen", ruft Krümmer in die Ränge.

      Die Menge schweigt eisig. Die rund 2000 Mitarbeiter im Saal haben Angst um ihre Jobs. Monate haben sie versucht, durch Protestaktionen den Verkauf zu verhindern, und was sie an diesem 13. Dezember 2001 hören, macht sie nur noch misstrauischer. Es ist klar, den Apax-Leuten geht es nur um Rendite. Auch Menke macht nur gute Miene zum bösen Spiel. Wer näher hinsieht, kann beobachten, wie der ehemalige Raucher nervös auf unzähligen Pastillen herumkaut.

      Menke wollte die Bundesdruckerei selbst mit Teilen der Belegschaft übernehmen und an die Börse bringen, ein externer Käufer sollte zumindest vom Fach, also ein strategischer Investor sein. Auch die Bundesbank macht Druck, den Käufer nicht nur nach dem Preis auszuwählen - doch im Ministerium schaltete man auf stur. Außerdem soll es nun schnell gehen, der Finanzminister will den reichen Ertrag noch im laufenden Haushaltsjahr verbuchen. So eilig hat man es, dass vor dem Verkauf völlig versäumt wird, den eigentlichen Wert der Bundesdruckerei zu ermitteln. Der Bundesrechnungshof rügt dieses Versäumnis später heftig.

      *

      Eigentlich soll Sheryl Schwartz an diesem Dezembertag 2001 über den Büchern der Bundesdruckerei sitzen und sich ein Bild von dem Unternehmen machen. Aber die Amerikanerin bummelt die Friedrichstraße entlang und versucht, einen Berliner Buddy-Bären zu kaufen. Schwartz ist vom Teachers Retirement Fund (TRF) aus New York nach Berlin geschickt worden, denn der Pensionsfonds hat über Apax Geld in die Bundesdruckerei investiert. Nun wollen die Amerikaner wissen, ob es gut angelegt ist. Doch die Chefetage der Druckerei organisiert für Miss Schwartz allerlei Ablenkungen, Mitarbeiter bekommen die Anweisung: "Beschäftigt die ordentlich. Sie soll nicht so viele Fragen stellen."

      Über die Bilanz will man 2001 möglichst wenig sprechen, denn die Zahlen sind auf einmal verheerend. Geschäftsführer Menke klagte schon im April auf dem Balkon bei einem Kollegen: "Dat geht hier alles voll in die Büchs." Bereits zwei Monate nach dem Kauf muss Authentos 255 Millionen Euro abschreiben. Inzwischen ist klar, dass der Wert der Bundesdruckerei und der Chipkarten-Tochter Orga völlig unrealistisch angesetzt wurde. Als im Zuge der Krise am Neuen Markt das Mobilfunkgeschäft, in dem sich die Orga tummelt, völlig einbricht, beginnt der freie Fall.

      Die Orga, die eigentlich der Bundesdruckerei und damit Authentos zum Höhenflug verhelfen sollte, wird zum Stolperstein. 2001 schließt die Authentos-Gruppe insgesamt bei einem Umsatz von 608 Millionen Euro mit einem Minus von über 400 Millionen Euro ab - auch weil Abschreibungen das Ergebnis drücken.

      Bei Apax und beim Bund macht sich Nervosität breit, zum Jahreswechsel werden die Geschäftsführer Menke und Wendel geschasst. Doch die Talfahrt wird immer rasanter, die Bundesdruckerei kann die Zinsen, die Authentos zahlen muss, nicht erwirtschaften, und beim Verkauf des Verlustbringers Orga müssen die Berliner noch etwas drauflegen, um überhaupt Interessenten zu finden.

      Im ersten Halbjahr bekommt Finanzminister Eichel mit der streng vertraulichen Vorlage Nr. 119/02 einen Bericht seines Hauses auf den Tisch, der das ganze Dilemma offenbart: Entweder der Bund trete "seine vorrangigen Sicherheit" ab, oder es sei wegen der "unmittelbar bevorstehenden Insolvenz kurzfristig mit einem vollständigen Forderungsausfall zu rechnen". Zähneknirschend stellt Eichel im August 2002 den Kredit des Bundes nachrangig, doch das nützt nichts mehr: Kurz darauf sind die Kassen bei Authentos endgültig leer.

      *

      Der Hilferuf kommt per Telefon. "Wir haben da ein Problem", sagt der Bankmanager der Helaba am anderen Ende der Leitung, und Dirk Pfeil, Anwalt und Insolvenzverwalter in Frankfurt, braucht nicht lange nachdenken, auf was der Finanzmann anspielt. Man trifft sich im Sommer 2002 im Maintower zum vertraulichen Gespräch. Jurist Pfeil ist diskret, gilt als erfolgreicher Sanierer, und "man kennt sich eben". Die Banker kommen schnell zur Sache: Ob Pfeil nicht bei der Bundesdruckerei einsteigen will?

      Apax hat jedes Interesse an dem Unternehmen verloren. Man kann man sich Mitte des Jahres schon ausrechnen, was bei Authentos Ende 2002 in den Büchern stehen wird: ein Verlust von einer halben Milliarde Euro. Die Bundesdruckerei muss weg, Pfeil soll sie gemeinsam mit anderen Teilhabern für einen Euro kaufen. "Ich habe zugesagt. Das Ausmaß der Krise war ja so nicht erkennbar", sagt er. Pfeil ist nun Juniorpartner, sechs Prozent an Authentos hält seine Dinos Vermögensgesellschaft, den größten Teil mit 47 Prozent übernimmt der Partner der einflussreichen Anwaltssozietät Clifford-Chance, Heinz-Günter Gondert. 48 Stunden vor Ablauf der Insolvenzfrist steht der Rettungsplan.

      *
      Er sollte ein Türöffner sein und der Bundesdruckerei vor allem im Ausland den Weg zu lukrativen Aufträgen ebnen. Doch der Grünenpolitiker und Staatsminister a. D. Ludger Volmer sorgt Anfang 2005 nur für ungewollte Aufmerksamkeit in den Medien. Wochenlang sind die umstrittene Nebentätigkeit Volmers als Berater und damit die Bundesdruckerei in den Schlagzeilen. Dabei war es so schön ruhig um den matten Konzern geworden - genau so, wie es sich die neuen Eigentümer wünschen. Gondert und Co. wollen in Frieden sanieren.

      Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit kommen und gehen die Geschäftsführer, die Mitarbeiterzahl sinkt von 2000 im Jahr des Weiterverkaufs durch Apax auf 1700. Nach dem Antritt des langjährigen Infineon-Managers Ulrich Hamann kommt Mitte 2004 intern Ruhe in das Unternehmen. Der Chipmann konzentriert sich auf den elektronischen Reisepass, den inzwischen vier, fünf Staaten geordert haben. Die großen, globalen Träume sind ausgeträumt.

      Derweil steigt der Schuldenberg der Authentos. 2004 liegt der "nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag" bei 1,07 Milliarden Euro, Ende 2005 nach Angaben des Bundes, der immer noch im Aufsichtsrat sitzt, bei rund 1,16 Milliarden Euro. :eek: Allerdings stehen dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 705 Millionen Euro Rangrücktritte durch den Bund und die Gesellschafter von rund 795 Millionen Euro gegenüber, Geld, das vorerst nicht zurückgezahlt werden muss. Keine Insolvenzgefahr also.

      Man wurstelt in der Druckerei also weiter, hofft auf den Erfolg des E-Passes und einen solventen Käufer, der auch den Schuldenberg übernimmt. Solange die Helaba und der Bund stillhalten, kann das ewig so weitergehen, doch Anfang dieser Woche platzt die Bombe.

      Vier Sätze hat die Zeitungsmeldung nur, doch die sind brisant: Das Bundesinnenministerium ziehe eine Kündigung der Rahmenvereinbarung zum Druck der Pässe, Ausweise und Führerscheine mit der Bundesdruckerei "in Betracht", heißt es. Das Ministerium ist aufgeschreckt, weil Gerüchte kursieren, das Unternehmen solle möglicherweise auch an ausländische Investoren verkauft werden.

      Zwar spricht Heinz-Günter Gondert von "Panikmache. Wir führen derzeit nicht einmal konkrete Gespräche." Doch was angeblich weder aktuell noch 2000 im Fall der internationalen Apax Company egal war, erregt nun Ministeriale wie Parlamentarier: "Es darf nicht passieren, dass die Produktion deutscher Ausweise oder Pässe in die Hände von Ausländern geht", sagt CSU-Politiker Hans-Peter Uhl.

      Im Haushaltsausschuss am Mittwoch der Woche werden Vertreter des Innen- und Finanzministeriums mit Fragen bestürmt. "Eine Bundesdruckerei ohne Garantie für Ausweise und Pässe hat endgültig jeden Wert verloren. Dann sehen wir das Geld aus dem Kredit des Bundes nie wieder", warnt ein Parlamentarier.

      Doch die Ministerialen halten sich bedeckt. Gondert nimmt den Sturm im politischen Berlin gelassen. Er ist sich sicher, die Bundesdruckerei bald zu einem guten Preis verkaufen zu können. Sogar im Inland. "Wir haben 2006 ein Ebit von knapp 60 Millionen Euro erzielt. 2007 können es 65 bis 70 Millionen Euro sein. Tendenz steigend, denn nicht nur die Bundesregierung wird sicher auch in Zukunft bei Pässen und Ausweisen auf die Bundesdruckerei setzen", sagt er. "Schön", so meint Gondert, sei die Bilanz von Authentos "zwar nicht." Aber nach den Rangrücktritten und der Tilgung von mehr als 100 Millionen Euro aus dem Verkauf einer Authentos-Tochter 2006 lägen die Nettoverbindlichkeiten gegenüber den Banken bei "nur noch 230 Millionen Euro".

      Die Millionen an Steuergeldern, die der Bund bei der Privatisierung verbrannt hat, sind da noch nicht mit drin. "Wenn die Bundesdruckerei zu einem guten Preis verkauft wird und alle Schulden bei der Helaba getilgt sind, dann kann auch ein wesentlicher Teil an den Bund zurückgeführt werden", meint Gondert. Beim Bund hat man dagegen die Millionen abgeschrieben: "Das Geld bekommen wir nie wieder", sagt Uhl.

      *Name von der Redaktion geändert

      http://www.morgenpost.de/content/2007/03/04/wirtschaft/88655…
      Avatar
      schrieb am 04.03.07 19:45:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      Warum solche Aufregung über ein paar hundert Milionen - das verbrennen wir doch mit Stuttgart21 u.a. locker alle paar Monate.
      Avatar
      schrieb am 04.03.07 19:49:48
      Beitrag Nr. 3 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 28.114.390 von antonazubi am 04.03.07 19:45:18du hast recht, der autor ist wirklich ein kleinlicher erbsenzähler, aber die story ist gut. alle zutaten für einen prima schmöker vorhanden. da müsste sich doch jemand finden lassen...
      ich könnte mir ne verfilmung von dietl gut vorstellen.
      Avatar
      schrieb am 04.03.07 20:06:01
      Beitrag Nr. 4 ()
      :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 05.03.07 08:06:19
      Beitrag Nr. 5 ()
      Wirklich unglaublich, diese Geschichte.
      Ähnlich ist es ja beim "Grünen Punkt" gelaufen.
      Wer immer noch behauptet, die amerikanischen Finanz-Investoren
      und Hedgefonds seien ein Segen für die deutsche Wirtschaft,
      ist entweder ein kompletter Schwachkopf oder ein Lügner.

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      Avatar
      schrieb am 05.03.07 09:02:20
      Beitrag Nr. 6 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 28.113.715 von Heizkessel am 04.03.07 19:06:04Der Bund hat noch 320 Mio. Euro (=1000-225-455) für einen Laden bekommen, der im Prinzip schon pleite war?

      Wo ist das Problem? Ok sie hätte die Gesellschaft an Chef und Belegschaft verkaufen sollen und nicht das Geld der amerikanischen Lehrer nehmen. ;)

      Die Privatisierung kam genau zum richtigen Zeitpunkt nämlich als die Preise oben waren: Bereits zwei Monate nach dem Kauf muss Authentos 255 Millionen Euro abschreiben. Inzwischen ist klar, dass der Wert der Bundesdruckerei und der Chipkarten-Tochter Orga völlig unrealistisch angesetzt wurde. Da hat der Eichel also die Apax über den Tisch gezogen!
      Avatar
      schrieb am 05.03.07 09:18:12
      Beitrag Nr. 7 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 28.118.551 von niewiedernemax am 05.03.07 08:06:19Oder Politiker:mad:
      Avatar
      schrieb am 05.03.07 16:55:10
      Beitrag Nr. 8 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 28.113.715 von Heizkessel am 04.03.07 19:06:04Das Logo der Bundesdruckerei verwundert gelinde gesagt schon etwas.Selbiges befindet sich als Wasserzeichen ebenso auf dem deutschen Personalausweis.
      Avatar
      schrieb am 05.03.07 17:18:29
      Beitrag Nr. 9 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 28.119.105 von siebi71 am 05.03.07 09:02:20@ siebi, gegen die 320 mio stehen evtl. kreditausfälle, evtl. bürgschaften, staatliche intervention zur rettung des ladens (schließlich wollen wir unsere ausweise in zukunft nicht aus der ukraine beziehen), finanzierung der in die arbeitslosigkeit entlassenen belegschaft, alg, hartz4 usw.
      ob sich das dann am ende rechnet?
      Avatar
      schrieb am 05.03.07 17:43:10
      Beitrag Nr. 10 ()
      #1

      Stichwort: Volmer(GRUENE)

      :mad::cry:
      Avatar
      schrieb am 06.03.07 09:57:27
      Beitrag Nr. 11 ()
      Liberal-konservative Koalition. Hans Eichel war bei der FDP und Schröder bei der CDU?

      :rolleyes:


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      Wenn der Staat privatisiert - die Bundesdruckerei