Morphosys aus Sicht seines Gründers - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 09.01.01 06:31:09 von
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23.04.24 · wallstreetONLINE Redaktion |
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25.04.24 · wO Newsflash |
Werte aus der Branche Biotechnologie
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1,9500 | -25,14 | |
0,5121 | -30,80 |
Folgendes Interview habe ich gestern per email erhalten, der letzte Absatz ist besonders zu beachten, insbesondere als Trost für den gestrigen Tag :
Im Interview mit FinanzNachrichten.de verraet MorphoSys-Gruender
Univ.-Prof. Dr. Andreas Plueckthun, einer der Wegbereiter der modernen
Antikoerpertechnologien, ganz persoenliche Standpunkte zur Branche und
zur Muenchner Biotechfirma.
Der 1956 geborene Wissenschafter absolvierte Studien an den
Universitaeten von Heidelberg, San Diego und Harvard. Nunmehr ist er
Mitglied des Biochemischen Institutes der Universität Zuerich und
zaehlt zu den Wegbereitern der neuen Antikoerpertechnologien. Er ist
somit weltweit einer der bedeutendsten Forscher auf seinem Gebiet.
1992 gruendete er mit Dr. Simon E. Moroney und Dr. Christian Schneider
die MorphoSys AG mit Sitz in Muenchen. Im Maerz 1999 schaffte das
Unternehmen als erste deutsche Biotechfirma den Gang an den
Frankfurter Neuen Markt. Zur Zeit steht Plueckthun weiteren vier
Biotechunternehmen in beratenden Funktionen zur Verfuegung. Im
Dezember 2000 wurden seine wissenschaftlichen Erfolge in Muenchen mit
dem Karl-Heinz-Beckurts-Preis ausgezeichnet.
FinanzNachrichten.de:
Antikoerper gelten als ein relativ neuer Ansatz der Therapie von
diversen Krankheiten und schafften erst vor wenigen Jahren mit
Praeparaten wie Rituxan oder Zenapax ihren Durchbruch in der Medizin.
Wo sehen Sie, als einer der weltweit fuehrenden Forscher auf diesem
Gebiet, das Potential dieser beeindruckenden Technologie?
Dr. Plueckthun:
Ich glaube in der Tat, dass noch wesentlich mehr Potential in
Antikoerpern steckt, als bisher realisiert wurde. Es handelt sich
immerhin um eine Klasse von Molekuelen, die prinzipiell jedes Ziel
spezifisch erkennen koennen, sei es die Struktur auf der Oberflaeche
einer Tumorzelle, um ein Gift dort abzuladen, sei es ein loesliches
Protein (Botenstoffe wie Cytokine), von dem zu viel oder am falschen
Ort hergestellt wird, und das abgefangen werden muss. Durch den
Einsatz synthetischer Antikoerperbibliotheken ist immerhin das Problem
nun global geloest, solche Molekuele herzustellen. Auch koennen neue
von Antikoerpern abgeleitete Molekuele durch molekulares "Engineering"
heute erzeugt werden. Es geht jetzt also darum, fuer eine Krankheit
die geeigneten Zielmolekuele zu identifizieren. In einigen Faellen ist
das naheliegend, in anderen allerdings noch ein weiter Weg, naemlich
dort, wo die molekularen Ursachen entsprechend komplex sind.
FinanzNachrichten.de:
Viele aufstrebende Biotechunternehmen, die vor allem aus den USA oder
Grossbritannien kommen, wollen den Krebs mit monokonalen Antikoerpern
bekaempfen. Sind Sie der Ansicht, dass nur hier die Schlacht gewonnen
werden kann oder gibt es auch andere Therapieansaetze, denen Sie
groessere Erfolgsaussichten einraeumen?
Dr. Plueckthun:
Krebs ist sicher eine der komplexesten Krankheiten, die es gibt. Das
Problem ist weniger, dass man nicht beschreiben koennte, was der
Defekt der Zelle ist - sie waechst, obwohl sie es nicht darf - und man
kennt die molekularen Ursachen recht genau. Man kann aber das
genetische Programm heutzutage nicht einfach "reparieren", jedenfalls
nicht im Koerper, und ich glaube, dass der Weg zu einer
funktionierenden Gentherapie von Krebs noch extrem weit ist - einige
Kollegen moegen in dem Punkt optimistischer sein. Im Moment sind all
diese Ideen Bausteine, von der Impfung ueber die Gentherapie, ueber
heutzutage angewandte Methoden wie die Chemotherapie und bessere
Bestrahlungen. Alles sind Komponenten, die zu einer Behandlung
beitragen koennen. Im Klartext: Alles funktioniert ein bisschen, aber
alles nicht so ganz richtig und teilweise mit ueblen Nebenwirkungen,
und da die Krankheit lebensbedrohlich ist, greift man natuerlich nach
jedem Strohhalm.
Nun, wo ist die Rolle der massgeschneiderten Antikoerper? Die
"traditionellen" Antikoerper (Rituxan, Herceptin) gehoeren in die
gleiche Kategorie wie alle anderen Methoden, sie sind Komponenten
einer Behandlung, aber noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss.
Bedenken Sie aber, dass diese Antikoerper urspruenglich aus einer sehr
klassischen Hybridoma Technologie erhalten wurden, und modernes
"Engineering" dort noch gar nicht zum Zuge kam. Immerhin gibt es jetzt
eine ungeheure Zahl von Optionen, Molekuele masszuschneidern, um die
Krankheit rational anzugehen. Sicher fehlen uns immer noch viele
Einsichten, aber ich glaube, dass die Faehigkeit der Zielerkennung,
was die Antikoerper eben vermitteln, eine wichtige Rolle in vielen
Therapieansaetzen spielen wird.
Einfach ausgedrueckt: Die Frage ist nicht, Antikoerper ODER andere
Therapieansaetze. Ich glaube eigentlich, dass Antikoerper (oder
Derivate davon) als BESTANDTEIL aller moeglichen Therapieansaetze zum
Tragen kommen werden - immer wenn man eine spezifische Erkennung
ausnutzen will.
FinanzNachrichten.de:
Gibt es neben Krebs weitere Krankheiten, denen man aussichtsreich mit
therapeutischen Antikoerpern begegnen kann?
Dr. Plueckthun:
Bei einer ganzen Reihe von Krankheiten sind derzeit Antikoerper in der
klinischen Erprobung. Eine wichtige Gruppe ist, wenn man es mal so
zusammenfassen will, Stoerungen des Immunsystems, wie Arthritis
(Rheuma), Entzuendungen, Lupus, schwere Allergien und Asthma. Auch die
Verhinderung von Transplantationsabstossungen gehoeren dazu. Eine
andere Gruppe sind schwere Infektionskrankheiten bei geschwaechten
Patienten oder solche ohne zureichendes Immunsystem (z.B.
Neugeborenen) - fuer die Bekaempfung von Infektionen werden
Antikoerper ja eigentlich vom Koerper selbst gemacht. Erkrankungen im
Herz- und Kreislaufsektor (Restenosis, Infarkt) werden auch erforscht.
Die meisten Volkskrankheiten (selbst Karies) werden derzeit in
irgendeiner Form mit therapeutischen Antikoerpern untersucht.
Man sollte sehen, dass das erste Schritte sind. Erstens sind, wie
schon gesagt, wegen der langen Vorlaufzeit dies fast alles Kandidaten,
die mit einer herkoemmlichen Technologie hergestellt wurden. Die
Moeglichkeiten der neuen Technologien sind meist noch gar nicht
eingeflossen. Zweitens sind die optimalen Zielmolekuele in vielen
Faellen noch gar nicht klar, hier gibt es eine enorme Synergie mit der
Genomforschung, und diese Erkenntnisse werden von direktem Nutzen
sein. Insofern glaube ich, dass die "Trefferquote", also der
Prozentsatz, der eine klinische Pruefung erfolgreich besteht, in der
Zukunft ansteigen wird, weil man einfach bessere Molekuele in die
Klinik bringen wird.
FinanzNachrichten.de:
In einer im Maerz 2000 veroeffentlichten Schaetzung sprach die
amerikanische Wirtschaftszeitung "Business Week" fuer das Jahr 2010
von mehr als 100 Antikoerperpraeparaten, die einen Jahresumsatz von
zusammengenommen mehr als 50 Mrd. USD auf dem Weltpharmamarkt erzielen
koennten. Sind solche Schaetzungen Ihrer Meinung nach realistisch?
Dr. Plueckthun:
Diese Zahlen sind eine mehr oder weniger lineare Extrapolation von
dem, was bisher gemacht wurde. Ich halte die Groessenordnung
grundsaetzlich fuer realistisch, aber das Jahr 2010 ist vielleicht
etwas zu optimistisch, das kann laenger dauern. Wir muessen einfach
die sehr langen klinischen Erprobungsphasen bei diesen Praeparaten
beruecksichtigen, und natuerlich davon ausgehen, dass nicht alles
funktionieren wird, was heutzutage in die Klinik zum Testen gebracht
wird. Man wird aber daraus lernen und die Kurve wird in der Zukunft
dann schneller ansteigen.
FinanzNachrichten.de:
In Ihrer Funktion als Mitbegruender der wohl bekanntesten deutschen
Biotechfirma, der MorphoSys AG, wollen wir Ihnen gerne folgende Fragen
stellen: Mit welchen Produkten und Partnern verdient die Firma
MorphoSys in diesem rasant wachsenden Markt ihr Geld?
Dr. Plueckthun:
Derzeit hat MorphoSys zwei Strategien zur Generierung von Einnahmen
durch die Kommerzialisierung unserer HuCAL-Technologie:
Kurzfristige Einnahmen kommen durch Forschungskooperationen. Im
Einzelnen bedeutet das, dass Unternehmen wie DuPont Pharmaceuticals
eine Lizenz auf unsere Technologie erwerben, von den Mitarbeitern der
Firma im Einsatz von HuCAL geschult werden und die Technologie fuer
den Zeitraum der Dauer des Lizenzerwerbs in ihren internen
Forschungsprogrammen anwenden.
Die zweite Einnahmequelle sind Kooperationen zu therapeutischen
Antikoerpern, also HuCAL-basierten Medikamenten. Diese Vertraege
beinhalten Einmalzahlungen fuer den Technologiezugang zu Beginn der
Zusammenarbeit, Zahlungen fuer die wissenschaftliche Arbeit bei
MorphoSys, Meilensteinzahlungen fuer im Vertrag definierte
Zwischenziele und bei Vermarktung eines Produkts auch Lizenzzahlungen
(Umsatzbeteiligung). Hier ist MorphoSys also ueber die gesamte
Wertschoepfungskette des Medikaments beteiligt.
Das Unternehmen hat Partnerschaften mit internationalen
pharmazeutischen Unternehmen wie Bayer (Berkeley, Kalifornien/USA),
Roche AG (Basel/Schweiz), DuPont Pharmaceuticals (Wilmington,
Delaware/USA), Millennium Pharmaceuticals Inc. (Cambridge, Mass./USA),
Centocor (Malvern, Phildadelphia/USA) Chiron Corporation (Emeryville,
Kalifornien/USA), GPC Biotech AG (Martinsried/ Deutschland), ProChon
(Revohot/Israel), Eos Biotechnology (South San Francisco,
Kalifornien/USA), ImmunoGen (Cambridge, Massachusetts/USA) und BioGen
(Cambridge, Massachusetts/USA). Die meisten sind Kooperationen zu
therapeutischen Antikoerpern.
FinanzNachrichten.de:
Was unterscheidet die Technologie der MorphoSys gegenueber der von
anderen Mitbewerbern? Welche Firmen schaetzen Sie grundsaetzlich als
Widersacher in Ihrem Markt ein?
Dr. Plueckthun:
Antikoerper-Technologien koennen grundsaetzlich in zwei "Welten"
eingeteilt werden: Erstens die auf Tieren basierende Technologie, wo
Antikoerper durch die Immunisierung der Tiere gewonnen werden.
Zweitens die Antikoerper-Bibliotheken, wo es neben HuCAL auch
sogenannte PCR Bibliotheken gibt. Hier werden Antikoerper indirekt aus
den Genen von Probandenblut gewonnen. Die MorphoSys HuCAL Technologie
bietet viel weitergehende Perspektiven.
Die HuCAL Technologie ist die einzige Technologie zur synthetischen
Generierung von Antikoerpern. Dies hat deutliche Vorteile gegenueber
allen anderen am Markt erhaeltlichen Antikoerper-Technologien. Durch
den modularen Aufbau von HuCAL koennen wir generierte
HuCAL-Antikoerper in den gewuenschten Eigenschaften gezielt
optimieren, d.h., wir koennen "massgeschneiderte" Antikoerper fuer
eine gewaenschte Anwendung liefern. Ausserdem ist es das einzige
System, in dem die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft ueber die
Details der Konstruktion der Antikoerper staendig einfliessen koennen,
weil alles eben synthetisch ist, und deshalb wie Software staendig
weiterentwickelt werden kann.
Der zweite wichtige Vorteil ist der hohe Automatisierungsgrad der
Technologie durch das firmeneigene AutoCAL System. Mit AutoCAL ist es
moeglich, im Hochdurchsatz zu arbeiten und so den wachsenden
Anforderungen der funktionalen Genomik gerecht zu werden. Ich sehe
einfach nicht, wie zur Erforschung der Eiweisse des Menschen
(mindestens 100.000 verschiedene) fuer jedes einzelne Eiweiss eine
Reihe von Maeusen immunisiert werden soll. Mir scheinen die
synthetischen Antikoerper und die Roboter doch der vernuenftigere
Ansatz.
FinanzNachrichten.de:
MorphoSys wurde praktisch ueber Nacht zu einem Begriff fuer jeden
deutschen Boersenanleger, als ein Kursziel von 1.000 Euro in die
Diskussion gebracht wurde. Wuerden Sie auf dem aktuellen Niveau Aktien
der MorphoSys kaufen und waeren die etwa 3,8 Mrd. Euro
Marktkapitalisierung, die sich aus einem Kurs pro Anteilsschein von
1.000 Euro ergäben, in ein paar Jahren durch entsprechende
Unternehmensgewinne zu rechtfertigen? Bei einem aktuellen Kurs von 170
Euro hat die Firma eine Bewertung von rund 650 Mio. Euro.
Dr. Plueckthun:
Diese Frage ist am besten mit einem Vergleich der
Marktkapitalisierungen der Antikoerperunternehmen zu beantworten. Die
Maus-basierten Firmen Abgenix und Medarex haben eine 4 bzw. 6
Milliarden US Dollar Boersenkapitalisierung. Ein gewisser Discount der
Bewertung von MorphoSys ist sicher durch die Tatsache gerechtfertigt,
dass noch kein HuCAL-Praeparat in der klinischen Erprobung ist. Dem
steht aber gegenueber, dass unsere Technologie bereits jetzt, und
langfristig noch viel mehr, ganz neue Moeglichkeiten bietet. Deshalb
denken wir, dass hier in jedem Fall viel Raum in Richtung einer
deutlich besseren Bewertung unserer Aktie gegeben ist, nicht zuletzt
da MorphoSys gute Fortschritte in Richtung auf eine eigene Pipeline
macht.
FinanzNachrichten.de:
Herr Professor, ich darf mich im Namen unserer Leser fuer dieses sehr
aufschlussreiche Interview bedanken.
David Khalil, FinanzNachrichten.de-Redaktion
David Khalil schreibt als freier Journalist fuer mehrere Online-Medien
und ist Redakteur von FinanzNachrichten.de. Zum Zeitpunkt der
Veroeffentlichung dieses Artikels besitzt er keine Aktien von
MorphoSys. Dieser Bericht stellt keinesfalls eine Aufforderung zum
Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers dar. Die veroeffentlichten
Informationen geben lediglich einen Einblick in die Meinung eines
Wirtschaftsjournalisten. Fuer weitere Fragen steht der Redakteur via
Mail (david.khalil@finanznachrichten.de) zur Verfuegung.
Im Interview mit FinanzNachrichten.de verraet MorphoSys-Gruender
Univ.-Prof. Dr. Andreas Plueckthun, einer der Wegbereiter der modernen
Antikoerpertechnologien, ganz persoenliche Standpunkte zur Branche und
zur Muenchner Biotechfirma.
Der 1956 geborene Wissenschafter absolvierte Studien an den
Universitaeten von Heidelberg, San Diego und Harvard. Nunmehr ist er
Mitglied des Biochemischen Institutes der Universität Zuerich und
zaehlt zu den Wegbereitern der neuen Antikoerpertechnologien. Er ist
somit weltweit einer der bedeutendsten Forscher auf seinem Gebiet.
1992 gruendete er mit Dr. Simon E. Moroney und Dr. Christian Schneider
die MorphoSys AG mit Sitz in Muenchen. Im Maerz 1999 schaffte das
Unternehmen als erste deutsche Biotechfirma den Gang an den
Frankfurter Neuen Markt. Zur Zeit steht Plueckthun weiteren vier
Biotechunternehmen in beratenden Funktionen zur Verfuegung. Im
Dezember 2000 wurden seine wissenschaftlichen Erfolge in Muenchen mit
dem Karl-Heinz-Beckurts-Preis ausgezeichnet.
FinanzNachrichten.de:
Antikoerper gelten als ein relativ neuer Ansatz der Therapie von
diversen Krankheiten und schafften erst vor wenigen Jahren mit
Praeparaten wie Rituxan oder Zenapax ihren Durchbruch in der Medizin.
Wo sehen Sie, als einer der weltweit fuehrenden Forscher auf diesem
Gebiet, das Potential dieser beeindruckenden Technologie?
Dr. Plueckthun:
Ich glaube in der Tat, dass noch wesentlich mehr Potential in
Antikoerpern steckt, als bisher realisiert wurde. Es handelt sich
immerhin um eine Klasse von Molekuelen, die prinzipiell jedes Ziel
spezifisch erkennen koennen, sei es die Struktur auf der Oberflaeche
einer Tumorzelle, um ein Gift dort abzuladen, sei es ein loesliches
Protein (Botenstoffe wie Cytokine), von dem zu viel oder am falschen
Ort hergestellt wird, und das abgefangen werden muss. Durch den
Einsatz synthetischer Antikoerperbibliotheken ist immerhin das Problem
nun global geloest, solche Molekuele herzustellen. Auch koennen neue
von Antikoerpern abgeleitete Molekuele durch molekulares "Engineering"
heute erzeugt werden. Es geht jetzt also darum, fuer eine Krankheit
die geeigneten Zielmolekuele zu identifizieren. In einigen Faellen ist
das naheliegend, in anderen allerdings noch ein weiter Weg, naemlich
dort, wo die molekularen Ursachen entsprechend komplex sind.
FinanzNachrichten.de:
Viele aufstrebende Biotechunternehmen, die vor allem aus den USA oder
Grossbritannien kommen, wollen den Krebs mit monokonalen Antikoerpern
bekaempfen. Sind Sie der Ansicht, dass nur hier die Schlacht gewonnen
werden kann oder gibt es auch andere Therapieansaetze, denen Sie
groessere Erfolgsaussichten einraeumen?
Dr. Plueckthun:
Krebs ist sicher eine der komplexesten Krankheiten, die es gibt. Das
Problem ist weniger, dass man nicht beschreiben koennte, was der
Defekt der Zelle ist - sie waechst, obwohl sie es nicht darf - und man
kennt die molekularen Ursachen recht genau. Man kann aber das
genetische Programm heutzutage nicht einfach "reparieren", jedenfalls
nicht im Koerper, und ich glaube, dass der Weg zu einer
funktionierenden Gentherapie von Krebs noch extrem weit ist - einige
Kollegen moegen in dem Punkt optimistischer sein. Im Moment sind all
diese Ideen Bausteine, von der Impfung ueber die Gentherapie, ueber
heutzutage angewandte Methoden wie die Chemotherapie und bessere
Bestrahlungen. Alles sind Komponenten, die zu einer Behandlung
beitragen koennen. Im Klartext: Alles funktioniert ein bisschen, aber
alles nicht so ganz richtig und teilweise mit ueblen Nebenwirkungen,
und da die Krankheit lebensbedrohlich ist, greift man natuerlich nach
jedem Strohhalm.
Nun, wo ist die Rolle der massgeschneiderten Antikoerper? Die
"traditionellen" Antikoerper (Rituxan, Herceptin) gehoeren in die
gleiche Kategorie wie alle anderen Methoden, sie sind Komponenten
einer Behandlung, aber noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss.
Bedenken Sie aber, dass diese Antikoerper urspruenglich aus einer sehr
klassischen Hybridoma Technologie erhalten wurden, und modernes
"Engineering" dort noch gar nicht zum Zuge kam. Immerhin gibt es jetzt
eine ungeheure Zahl von Optionen, Molekuele masszuschneidern, um die
Krankheit rational anzugehen. Sicher fehlen uns immer noch viele
Einsichten, aber ich glaube, dass die Faehigkeit der Zielerkennung,
was die Antikoerper eben vermitteln, eine wichtige Rolle in vielen
Therapieansaetzen spielen wird.
Einfach ausgedrueckt: Die Frage ist nicht, Antikoerper ODER andere
Therapieansaetze. Ich glaube eigentlich, dass Antikoerper (oder
Derivate davon) als BESTANDTEIL aller moeglichen Therapieansaetze zum
Tragen kommen werden - immer wenn man eine spezifische Erkennung
ausnutzen will.
FinanzNachrichten.de:
Gibt es neben Krebs weitere Krankheiten, denen man aussichtsreich mit
therapeutischen Antikoerpern begegnen kann?
Dr. Plueckthun:
Bei einer ganzen Reihe von Krankheiten sind derzeit Antikoerper in der
klinischen Erprobung. Eine wichtige Gruppe ist, wenn man es mal so
zusammenfassen will, Stoerungen des Immunsystems, wie Arthritis
(Rheuma), Entzuendungen, Lupus, schwere Allergien und Asthma. Auch die
Verhinderung von Transplantationsabstossungen gehoeren dazu. Eine
andere Gruppe sind schwere Infektionskrankheiten bei geschwaechten
Patienten oder solche ohne zureichendes Immunsystem (z.B.
Neugeborenen) - fuer die Bekaempfung von Infektionen werden
Antikoerper ja eigentlich vom Koerper selbst gemacht. Erkrankungen im
Herz- und Kreislaufsektor (Restenosis, Infarkt) werden auch erforscht.
Die meisten Volkskrankheiten (selbst Karies) werden derzeit in
irgendeiner Form mit therapeutischen Antikoerpern untersucht.
Man sollte sehen, dass das erste Schritte sind. Erstens sind, wie
schon gesagt, wegen der langen Vorlaufzeit dies fast alles Kandidaten,
die mit einer herkoemmlichen Technologie hergestellt wurden. Die
Moeglichkeiten der neuen Technologien sind meist noch gar nicht
eingeflossen. Zweitens sind die optimalen Zielmolekuele in vielen
Faellen noch gar nicht klar, hier gibt es eine enorme Synergie mit der
Genomforschung, und diese Erkenntnisse werden von direktem Nutzen
sein. Insofern glaube ich, dass die "Trefferquote", also der
Prozentsatz, der eine klinische Pruefung erfolgreich besteht, in der
Zukunft ansteigen wird, weil man einfach bessere Molekuele in die
Klinik bringen wird.
FinanzNachrichten.de:
In einer im Maerz 2000 veroeffentlichten Schaetzung sprach die
amerikanische Wirtschaftszeitung "Business Week" fuer das Jahr 2010
von mehr als 100 Antikoerperpraeparaten, die einen Jahresumsatz von
zusammengenommen mehr als 50 Mrd. USD auf dem Weltpharmamarkt erzielen
koennten. Sind solche Schaetzungen Ihrer Meinung nach realistisch?
Dr. Plueckthun:
Diese Zahlen sind eine mehr oder weniger lineare Extrapolation von
dem, was bisher gemacht wurde. Ich halte die Groessenordnung
grundsaetzlich fuer realistisch, aber das Jahr 2010 ist vielleicht
etwas zu optimistisch, das kann laenger dauern. Wir muessen einfach
die sehr langen klinischen Erprobungsphasen bei diesen Praeparaten
beruecksichtigen, und natuerlich davon ausgehen, dass nicht alles
funktionieren wird, was heutzutage in die Klinik zum Testen gebracht
wird. Man wird aber daraus lernen und die Kurve wird in der Zukunft
dann schneller ansteigen.
FinanzNachrichten.de:
In Ihrer Funktion als Mitbegruender der wohl bekanntesten deutschen
Biotechfirma, der MorphoSys AG, wollen wir Ihnen gerne folgende Fragen
stellen: Mit welchen Produkten und Partnern verdient die Firma
MorphoSys in diesem rasant wachsenden Markt ihr Geld?
Dr. Plueckthun:
Derzeit hat MorphoSys zwei Strategien zur Generierung von Einnahmen
durch die Kommerzialisierung unserer HuCAL-Technologie:
Kurzfristige Einnahmen kommen durch Forschungskooperationen. Im
Einzelnen bedeutet das, dass Unternehmen wie DuPont Pharmaceuticals
eine Lizenz auf unsere Technologie erwerben, von den Mitarbeitern der
Firma im Einsatz von HuCAL geschult werden und die Technologie fuer
den Zeitraum der Dauer des Lizenzerwerbs in ihren internen
Forschungsprogrammen anwenden.
Die zweite Einnahmequelle sind Kooperationen zu therapeutischen
Antikoerpern, also HuCAL-basierten Medikamenten. Diese Vertraege
beinhalten Einmalzahlungen fuer den Technologiezugang zu Beginn der
Zusammenarbeit, Zahlungen fuer die wissenschaftliche Arbeit bei
MorphoSys, Meilensteinzahlungen fuer im Vertrag definierte
Zwischenziele und bei Vermarktung eines Produkts auch Lizenzzahlungen
(Umsatzbeteiligung). Hier ist MorphoSys also ueber die gesamte
Wertschoepfungskette des Medikaments beteiligt.
Das Unternehmen hat Partnerschaften mit internationalen
pharmazeutischen Unternehmen wie Bayer (Berkeley, Kalifornien/USA),
Roche AG (Basel/Schweiz), DuPont Pharmaceuticals (Wilmington,
Delaware/USA), Millennium Pharmaceuticals Inc. (Cambridge, Mass./USA),
Centocor (Malvern, Phildadelphia/USA) Chiron Corporation (Emeryville,
Kalifornien/USA), GPC Biotech AG (Martinsried/ Deutschland), ProChon
(Revohot/Israel), Eos Biotechnology (South San Francisco,
Kalifornien/USA), ImmunoGen (Cambridge, Massachusetts/USA) und BioGen
(Cambridge, Massachusetts/USA). Die meisten sind Kooperationen zu
therapeutischen Antikoerpern.
FinanzNachrichten.de:
Was unterscheidet die Technologie der MorphoSys gegenueber der von
anderen Mitbewerbern? Welche Firmen schaetzen Sie grundsaetzlich als
Widersacher in Ihrem Markt ein?
Dr. Plueckthun:
Antikoerper-Technologien koennen grundsaetzlich in zwei "Welten"
eingeteilt werden: Erstens die auf Tieren basierende Technologie, wo
Antikoerper durch die Immunisierung der Tiere gewonnen werden.
Zweitens die Antikoerper-Bibliotheken, wo es neben HuCAL auch
sogenannte PCR Bibliotheken gibt. Hier werden Antikoerper indirekt aus
den Genen von Probandenblut gewonnen. Die MorphoSys HuCAL Technologie
bietet viel weitergehende Perspektiven.
Die HuCAL Technologie ist die einzige Technologie zur synthetischen
Generierung von Antikoerpern. Dies hat deutliche Vorteile gegenueber
allen anderen am Markt erhaeltlichen Antikoerper-Technologien. Durch
den modularen Aufbau von HuCAL koennen wir generierte
HuCAL-Antikoerper in den gewuenschten Eigenschaften gezielt
optimieren, d.h., wir koennen "massgeschneiderte" Antikoerper fuer
eine gewaenschte Anwendung liefern. Ausserdem ist es das einzige
System, in dem die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft ueber die
Details der Konstruktion der Antikoerper staendig einfliessen koennen,
weil alles eben synthetisch ist, und deshalb wie Software staendig
weiterentwickelt werden kann.
Der zweite wichtige Vorteil ist der hohe Automatisierungsgrad der
Technologie durch das firmeneigene AutoCAL System. Mit AutoCAL ist es
moeglich, im Hochdurchsatz zu arbeiten und so den wachsenden
Anforderungen der funktionalen Genomik gerecht zu werden. Ich sehe
einfach nicht, wie zur Erforschung der Eiweisse des Menschen
(mindestens 100.000 verschiedene) fuer jedes einzelne Eiweiss eine
Reihe von Maeusen immunisiert werden soll. Mir scheinen die
synthetischen Antikoerper und die Roboter doch der vernuenftigere
Ansatz.
FinanzNachrichten.de:
MorphoSys wurde praktisch ueber Nacht zu einem Begriff fuer jeden
deutschen Boersenanleger, als ein Kursziel von 1.000 Euro in die
Diskussion gebracht wurde. Wuerden Sie auf dem aktuellen Niveau Aktien
der MorphoSys kaufen und waeren die etwa 3,8 Mrd. Euro
Marktkapitalisierung, die sich aus einem Kurs pro Anteilsschein von
1.000 Euro ergäben, in ein paar Jahren durch entsprechende
Unternehmensgewinne zu rechtfertigen? Bei einem aktuellen Kurs von 170
Euro hat die Firma eine Bewertung von rund 650 Mio. Euro.
Dr. Plueckthun:
Diese Frage ist am besten mit einem Vergleich der
Marktkapitalisierungen der Antikoerperunternehmen zu beantworten. Die
Maus-basierten Firmen Abgenix und Medarex haben eine 4 bzw. 6
Milliarden US Dollar Boersenkapitalisierung. Ein gewisser Discount der
Bewertung von MorphoSys ist sicher durch die Tatsache gerechtfertigt,
dass noch kein HuCAL-Praeparat in der klinischen Erprobung ist. Dem
steht aber gegenueber, dass unsere Technologie bereits jetzt, und
langfristig noch viel mehr, ganz neue Moeglichkeiten bietet. Deshalb
denken wir, dass hier in jedem Fall viel Raum in Richtung einer
deutlich besseren Bewertung unserer Aktie gegeben ist, nicht zuletzt
da MorphoSys gute Fortschritte in Richtung auf eine eigene Pipeline
macht.
FinanzNachrichten.de:
Herr Professor, ich darf mich im Namen unserer Leser fuer dieses sehr
aufschlussreiche Interview bedanken.
David Khalil, FinanzNachrichten.de-Redaktion
David Khalil schreibt als freier Journalist fuer mehrere Online-Medien
und ist Redakteur von FinanzNachrichten.de. Zum Zeitpunkt der
Veroeffentlichung dieses Artikels besitzt er keine Aktien von
MorphoSys. Dieser Bericht stellt keinesfalls eine Aufforderung zum
Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers dar. Die veroeffentlichten
Informationen geben lediglich einen Einblick in die Meinung eines
Wirtschaftsjournalisten. Fuer weitere Fragen steht der Redakteur via
Mail (david.khalil@finanznachrichten.de) zur Verfuegung.
Sehr schön. Hier nochmal `n paar Highlights:
...
Einfach ausgedrueckt: Die Frage ist nicht, Antikoerper ODER andere Therapieansaetze. Ich glaube eigentlich, dass Antikoerper (oder Derivate davon) als BESTANDTEIL aller moeglichen Therapieansaetze zum Tragen kommen werden - immer wenn man eine spezifische Erkennung ausnutzen will.
...
Die HuCAL Technologie ist die einzige Technologie zur synthetischen Generierung von Antikoerpern. Dies hat deutliche Vorteile gegenueber allen anderen am Markt erhaeltlichen Antikoerper-Technologien. Durch den modularen Aufbau von HuCAL koennen wir generierte HuCAL-Antikoerper in den gewuenschten Eigenschaften gezielt optimieren, d.h., wir koennen "massgeschneiderte" Antikoerper fuer eine gewaenschte Anwendung liefern. Ausserdem ist es das einzige System, in dem die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft ueber die Details der Konstruktion der Antikoerper staendig einfliessen koennen, weil alles eben synthetisch ist, und deshalb wie Software staendig weiterentwickelt werden kann.
Der zweite wichtige Vorteil ist der hohe Automatisierungsgrad der Technologie durch das firmeneigene AutoCAL System. Mit AutoCAL ist es moeglich, im Hochdurchsatz zu arbeiten und so den wachsenden Anforderungen der funktionalen Genomik gerecht zu werden. Ich sehe einfach nicht, wie zur Erforschung der Eiweisse des Menschen (mindestens 100.000 verschiedene) fuer jedes einzelne Eiweiss eine Reihe von Maeusen immunisiert werden soll. Mir scheinen die synthetischen Antikoerper und die Roboter doch der vernuenftigere Ansatz.
...
Einfach ausgedrueckt: Die Frage ist nicht, Antikoerper ODER andere Therapieansaetze. Ich glaube eigentlich, dass Antikoerper (oder Derivate davon) als BESTANDTEIL aller moeglichen Therapieansaetze zum Tragen kommen werden - immer wenn man eine spezifische Erkennung ausnutzen will.
...
Die HuCAL Technologie ist die einzige Technologie zur synthetischen Generierung von Antikoerpern. Dies hat deutliche Vorteile gegenueber allen anderen am Markt erhaeltlichen Antikoerper-Technologien. Durch den modularen Aufbau von HuCAL koennen wir generierte HuCAL-Antikoerper in den gewuenschten Eigenschaften gezielt optimieren, d.h., wir koennen "massgeschneiderte" Antikoerper fuer eine gewaenschte Anwendung liefern. Ausserdem ist es das einzige System, in dem die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft ueber die Details der Konstruktion der Antikoerper staendig einfliessen koennen, weil alles eben synthetisch ist, und deshalb wie Software staendig weiterentwickelt werden kann.
Der zweite wichtige Vorteil ist der hohe Automatisierungsgrad der Technologie durch das firmeneigene AutoCAL System. Mit AutoCAL ist es moeglich, im Hochdurchsatz zu arbeiten und so den wachsenden Anforderungen der funktionalen Genomik gerecht zu werden. Ich sehe einfach nicht, wie zur Erforschung der Eiweisse des Menschen (mindestens 100.000 verschiedene) fuer jedes einzelne Eiweiss eine Reihe von Maeusen immunisiert werden soll. Mir scheinen die synthetischen Antikoerper und die Roboter doch der vernuenftigere Ansatz.
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