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    Friedrich von Bohlen Interview über LION BIO - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 18.06.01 10:50:48 von
    neuester Beitrag 06.07.01 21:33:17 von
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      schrieb am 18.06.01 10:50:48
      Beitrag Nr. 1 ()
      Interview mit Dr. Friedrich von Bohlen, CEO von Lion Bioscience, 17.06.2001






      TradeCentre: Herr Dr. von Bohlen, vor kurzem haben Sie die Jahreszahlen veröffentlicht. Sind Sie mit dem Ergebnis, sowohl was den Umsatz als auch den Verlust betrifft, zufrieden?

      Dr. von Bohlen: Ich bin sehr zufrieden und denke, dass wir mit Stolz auf das abgelaufene Geschäftsjahr zurückblicken dürfen. Der Umsatz konnte fast schon traditionell und wie bisher in jedem Jahr unserer Unternehmensgeschichte erneut mehr als verdoppelt werden und zwar auf nun mehr € 23,3 Mio. Auch mit der regionalen Umsatzverteilung sind wir äußerst zufrieden: 43% des Umsatz erzielten wir in Nordamerika, 37% in Deutschland, 12% im restlichen Europa sowie 8% in Japan. Jeder dieser Märkte ist im vergangenen Jahr stark gewachsen. Prozentual war das Wachstum am größten in Japan, wo wir unseren Umsatz mehr als versechsfachen konnten und nunmehr auch dort ein fester Bestandteil der dortigen BioIT-Landschaft sind.

      Auch mit der Verlustentwicklung können wir zufrieden sein, einmal abgesehen davon, dass man über Verluste nie wirklich zufrieden sein kann. Aber man muss die Verluste im Gesamtkontext der Industrie sowie des Entwicklungsstadiums des Unternehmens sehen, und da stehen wir international im Verhältnis zu unseren comps wohl am besten da. Tatsache ist, dass der operative Verlust ohne non-cash-Aufwendungen im Vergleich zum Vorjahr nur um 7% auf € 13,5 Mio. gestiegen ist. Mit anderen Worten: der Verlust betrug im abgelaufenen Geschäftsjahr 58% des Umsatzes, verglichen mit 124% im Vorjahr. Wir denken, dass das sehr schön zeigt, dass wir trotz starken Wachstums - Umsatz, Organisation - die Kosten gut managen und im Griff haben. Der guten Vollständigkeit halber muss hier natürlich unbedingt erwähnt werden, dass der Verlust einschließlich der so genannten non-cash-Aufwendungen nicht € 13,5 Mio., sondern € 23,9 Mio. (103% des Umsatzes) betrug. Wie immer wieder erläutert und auch bereits im Halbjahresbericht dargestellt verbergen sich dahinter im wesentlichen non-cash Aufwendungen für die Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien im Vorfeld unseres Börsenganges im vergangenen Jahr. Dagegen steht eine entsprechende Bilanzposition, und dieser Vorgang ist einmalig und abgeschlossen. Deshalb macht der Vergleich der Zahlen ohne diese non-cash-Aufwendungen mehr Sinn weil sie besser erläutern, wie das Unternehmen im abgelaufenen Jahr gewirtschaftet hat. Und das war, wie wir meinen, sehr erfolgreich und zufriedenstellend.


      TradeCentre: Erläutern Sie unseren Lesern doch bitte in einfachen Sätzen den Geschäftsbereich Life Science Informatics?

      Dr. von Bohlen: Eines vorweg: ‚Life Science Informatics` (LSI) und ‚Integrated Drug Doscovery & Diagnostics` (iD3) sind zwar formal zwei Geschäftsbereiche bei LION, beide sind jedoch eng miteinander verzahnt, profitieren voneinander, sind voneinander abhängig und sind daher nicht in zwei wirklich getrennte Bereiche separierbar. Beide Bereiche ergeben nur gemeinsam und im Verbund das reale Bild unseres Geschäftsmodells. Es geht um IT-getriebene und -unterstützte Life Science Forschung und Entwicklung (F&E). Wir sind davon überzeugt, dass nur die Verschmelzung von IT und F&E diejenigen Effektivitäts-, Effizienz- und Qualitätsverbesserungen ermöglicht, die z.B. gerade Pharma-Unternehmen brauchen, um ihre eigenen Produktivitätsziele in Zukunft erreichen zu können.

      Wie gesagt: die gewaltigen Produktivitätssteigerungs-Herausforderungen, denen sich die gesamte Life Science Industrie derzeit gegenübersieht, werden nur mit Hilfe moderner Ablaufunterstützung und Prozessoptimierungen bewältigt werden können. Hierin liegt unseres Erachtens der wirkliche Wert der Life Science Informatik (wie Sie sehen vermeiden wir bewusst den Begriff ‚Bioinformatik`. Bioinformatik fällt hier einfach zu kurz): obwohl es auch um spezifische Informatikanwendungen geht, geht es vor allem aber um die Überbrückung und Integration so unterschiedlicher Disziplinen wie Biologie, Chemie, Präklinik und Klinik, um Qualität und Output, sprich: um Produktivität. Die Rolle der Informationswissenschaften im Life Science Sektor steht erst am Beginn einer wahrscheinlich rasanten Entwicklung. Eigentlich kann man sagen, die Life Sciences selber werden zu einer Informationswissenschaft, die ohne integrierte Informations- und Wissensmanagementsysteme in Zukunft nicht mehr erfolgreich sein kann. Ähnlich wie die moderne Fliegerei ohne GPS-Systeme nicht mehr denkbar ist, wird Life Science in der Zukunft ohne Life Science Informatik (LSI) nicht mehr denkbar sein. Dies wird auch den Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens in Gänze betreffen in der Entwicklung hin zu einer individualisierten Patientenversorgung, die gestützt auf genomische, Labor-, Klinik und andere Daten eine auf das einzelnen Patientenprofil zugeschnittene Diagnose und Therapie ermöglichen wird.


      TradeCentre: ....und was ist unter iD3 zu verstehen? Wollen Sie eigene Medikamente entwickeln und vermarkten? Wann ist damit zu rechnen?

      Dr. von Bohlen: Wir wollen kein Pharmaunternehmen im klassischen Sinne werden, d.h es wird das Medikament mit dem LION-Logo nach heutiger Planung nicht geben. Aber es wird sicher viele Medikamente geben an denen LION in der Entwicklung einen entscheidenden Beitrag geleistet hat. Bereits jetzt haben wir an Bayer mehr als 250 Targets (potentielle Wirkorte für Medikamente) zur weiteren Prozessierung geliefert. Wir gehen davon aus, dass sich daraus in der Zukunft Medikamente entwickeln lassen bei denen LION dann durch Royalty Zahlungen am Umsatz beteiligt ist. In dieser unserer Art, IT-getriebene Wirkstoffforschung zu betreiben möchten wir weitere Partnerschaften eingehen. Insgesamt hat LION über 350 Patente angemeldet, davon sind zum jetzigen Zeitpunkt etwa 50 bereits erteilt. Allein dem Bereich Biotechnologie sind dabei etwa 170 Anmeldungen zuzuordnen. In unserem internen Discovery-Programm im Bereich der nukleären Rezeptoren wurden bereits über 70 neue Gen-Sequenzen, darunter etwa 15 neue Kofaktoren zum Patent angemeldet. Wir haben darüber hinaus auch neue nukleäre Rezeptoren gefunden, von denen zwei bereits positive Ergebnisse im chemical compund screening vorweisen. Diese werden nun bei LION weiterentwickelt. Gleichzeitig entwickeln wir eine umfassende Datenbank zum Thema nukleäre Rezeptoren, die im laufenden Geschäftsjahr auf den Markt gebracht werden und zum laufenden Umsatz beitragen soll. Die durch das interne Programm gefundenen Wirkstoffkandidaten sollen bis in die präklinischen Studien intern entwickelt werden, anschließend sollen diese dann mit externen Partnern, das können große Pharmaunternehmen aber auch Biotech Unternehmen sein, in klinischen Studien weiterentwickelt und kommerzialisiert werden.

      TradeCentre: Was ist der Hintergrund für die Beteiligung an der GMD? Werden Sie die Option auf weitere 9% Anteil ausüben?

      Dr. von Bohlen: Wie bereits zum Thema Life Science Informatik erläutert glauben wir, dass der wirkliche Wert der Informationsunterstützung in der horizontalen Verbindung, in der kommunikativen und realen Parallelisierung traditionell sequentiell angeordneter Disziplinen liegt. In der Automobilindustrie gibt es hier einen durch die Japaner geprägten Begriff, ‚kaizen`. Nun produzieren wir keine Autos, im Gegenteil, vieles von dem, was wir generieren, bewegen und unterstützen ist ‚intangible`, nicht anfassbar, ist Wissen, sind Patente und Schutzrechte. Ein Teil, ein sehr wichtiger Teil der Informationen, die es zu verstehen und abzubilden gilt sind individuelle Phänotypdaten. Das sind diejenigen Informationen, die das Erscheinungsbild einer Person, speziell eines Patienten in der Klinik abbilden: Labordaten, histologische Befunde, Radiogramme, etc. Derartige Informationen werden heute quasi ausschließlich in Krankenhäusern generiert und benötigt, was sich aber bald ändern dürfte. In der Kombination mit genetischen Informationen eines Individuums sind derartige Informationen äußerst wertvoll wenn es z.B. in Zukunft darum geht, zu verstehen, ob jemandem wirkungsvoll und nebenwirkungsfrei ein Medikament verschrieben werden kann. Oder ob jemand für eine bestimmte Therapieform überhaupt in Frage kommt. Oder wenn es darum geht, Symptome zweifelsfrei einer genauen Diagnose zuzuordnen. Derartige phänotypische Informationen im Zusammenhang mit genotypischen Informationen werden helfen, schneller bessere Diagnose- und Therapieformen zu entwickeln und diese besser und gezielter auf Patienten anwenden zu können. GMD hat sehr gute und robuste Systeme entwickelt, die auf einer modernen IT-Plattform umfassende klinische Phänotypdaten erfasst, managt und in Netzwerken zur Verfügung stellen kann. Im Verbund mit unseren Informatiksystemen, die biologische, chemische, pharmakologische und physiologische Daten und Informationen analysieren können und zur Entscheidungsunterstützung herangezogen werden ergibt sich die Verbindung und Korrelation dieser unterschiedlichen Informationsquellen. Damit werden unsere Lösungen noch umfassender, noch weitreichender und noch besser.

      GMD ist derzeit ein privates Unternehmen mit ca. 60 Mitarbeitern, im wesentlichen in Deutschland und in den USA. Das Unternehmen hat bereits einige große Krankenhäuser weltweit als Kunden für ihre Systeme gewonnen und steht vor der nächsten Wachstumsphase. Wir wollen unsere Systeme aufeinander abstimmen, so dass sie sich gegenseitig unterstützen und wir somit Kunden in Pharma, den Life Sciences und im Gesundheitswesen auf einer einheitlichen, modularen und komplett integrierten Plattform unterstützen können, damit sie schneller und erfolgreicher ihre eigenen Ziele erreichen. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass GMD zum weiteren Wachstum eine Erweiterung der Finanzierung benötigte haben wir uns entschlossen, neben der Kooperation eine Beteiligung einzugehen. Ob wir die Option auf die weiteren 9% ausüben werden oder nicht steht heute nicht zur Debatte. Zunächst steht die erfolgreiche Bewältigung gemeinsamer operativer Ziele im Vordergrund.


      TradeCentre: Sie sind mittlerweile in den USA, Europa und in Japan vertreten. Was ist die Story in Japan, wie sind Sie dort positioniert? Welcher Teil auf der Landkarte kommt für Sie noch in Frage?

      Dr. von Bohlen: LION war von Beginn an international ausgerichtet. Wer eine führende Position im Life Science Bereich einnehmen will muss sich in den drei grössten Märkten, den USA, in Europa und in Japan durchsetzen. In all diesen Märkten hat sich das Geschäft von LION über die letzen Jahre sehr schön entwickelt. Europa ist derzeit mit einem Umsatzanteil von knapp 50% am stärksten, gefolgt von den USA mit etwa 43% und Japan mit etwa 8%. Japan hat sich im letzten Geschäftsjahr überproportional gut entwickelt, der Umsatz konnte fast um den Faktor sieben gesteigert werden. Wir arbeiten dort bereits mit einigen der führenden Industrieunternehmen und akademischen Institute zusammen. Japan ist sehr rezeptiv für unsere Lösungen. Für das laufende Geschäftsjahr gehen wir erneut von einer überproportionalen Entwicklung in Japan aus, d.h. neue Kunden, aber auch die Erweiterung bestehender Verträge hin zu unternehmensweiten Integrationslösungen, so wie wir das bereits in der Kooperation mit Bayer umsetzen und demonstrieren. Auf der Weltkarte sind wir bereits in den grössten Märkten vertreten und bauen diese Positionen weiter aus. Aber auch in Australien, Neuseeland und Island konnten wir bereits Kunden gewinnen, und wir sind dabei, weitere Regionen, vor allem in Asien, als Kunden und Partner zu erschliessen.


      TradeCentre: Wer zählt zu Ihren Konkurrenten? Was unterscheidet Sie von diesen und welche Alleinstellungsmerkmale besitzt LION?

      Dr. von Bohlen: In Bereich der unternehmensweiten Integrationslösungen für den Life Science F&E Bereich sehen wir LION derzeit in einer führenden Rolle. Damit meinen wir die interdisziplinäre Verknüpfung von Genetik, Biologie, Chemie, Präklinik und Klinik sowie angrenzender Gebiete, die Teil der Wertschöpfungskette im Life Science F&E Bereich sind. In den jeweils einzelnen oben genannten Teildisziplinen tummeln sich jeweils einige Unternehmen, die im wesentlichen mehr oder weniger stand alone software anbieten, aber keine Lösungen. Ausnahme ist Pharmacopeia, ein amerikanisches Untnernehmen, das kürzlich einen spin-off getätigt hat Accelerys -, dessen Zielsetzung sich mit der unsrigen ziemlich gut gleicht.

      UBS Warburg hat im vergangenen Monat einen Branchenbericht veröffentlicht, der als Titel den Begriff ‚Life Science Informatik` verwendet. Dieser Begriff beschreibt auch unseren Ansatz viel besser als das Wort Bioinformatik. Es geht um Systeme und Lösungen in den Life Sciences, nicht so sehr um Software, beispielsweise in der Biologie oder Chemie. Software allein fördert Komplexität und Silo-Mentalität, sie wird schnell zum neuen und neuartigen Problem statt zur Lösung. Systeme und Lösungen gehen darüber hinaus, weil sie die Gesamtprozesse abbilden und unterstützen, nicht so sehr den Einzelschritt. Dies hatten wir seit Gründung des Unternehmens vor Augen. Ferner sehen wir, dass der wirkliche Mehrwert von Lösungen in der Integration der unterschiedlichen Disziplinen - Genetik, Biologie, Chemie, Präklinik, Klinik - liegt, nicht so sehr innerhalb einer Disziplin. Diese disziplinenübergreifende Integration von Daten und Analysesystemen ist aber nicht trivial, weil sich Datenmengen und -qualitäten unterscheiden und weil sich die Disziplinen in unterschiedlichen Erkenntnis- und Reifegraden befinden. Um die Kompetenz entlang dieser Wertschöpfungskette zu erlangen haben wir Trega (Chemie und Präklinik) gekauft, kooperieren wir mit und halten Anteile an Tripos (Chemie; LION-Anteil: 11%) und GMD (Klinik; LION-Anteil: 16%) und haben 3 Führungskräfte von MDL, Inc. (Chemie) eingestellt. Dies alles ergänzt sich optimal mit unserer ursprünglichen Expertise im Bereich der Biologie. Aus diesem Grunde ist LION derzeit das wohl einzige Unternehmen weltweit, das eine derartige Expertise und Lösungsangebot im Bereich disziplinenübergreifender Systeme im Bereich Pharma F&E besitzt. Dies wird komplementiert durch unsere Erfolge in der Zusammenarbeit mit Bayer, wo es genau um die Etablierung und Implementierung solcher disziplinenübergreifenden Systemlösungen geht. Niemand in der Branche hat einen solchen erfolgreichen und umfassenden track record auf diesem Gebiet wie wir.


      TradeCentre: Der Markt für Bioinformatik wird in den nächsten Jahren sicher stark umkämpft sein, befürchten Sie Probleme von Playern wie IBM oder Oracle?

      Dr. von Bohlen: Der Markt wird stark umkämpft sein, eben weil er so wichtig werden wird. Aber es wird auch ein dankbarer Markt sein, da er als Ganzes sehr stark wachsen wird, wie übrigens der gesamte Life Science Markt. Ich bin davon überzeugt, dass durch die zunehmende Verschmelzung von Life Sciences mit den Gesundheitsmärkten ein insgesamt homogenerer Gesamtmarkt entstehen wird, der das ‚Erlebnis Gesundheit` neu definiert und die Grenzen zwischen Verschreibung und individueller aktiver Marktgewohnheiten verschwimmen lässt. Dahinter steht überragend das Thema ‚Information und Wissen`, und das ist es, was diesen Markt so lukrativ und so stark wachsend sehen wird. Dies gesagt sehe ich nicht primär Probleme sondern Chancen, wenn es z.B. um IBM oder Oracle geht. IBM und Oracle bieten Systeme und Lösungen an, ohne die eine moderne IT-Infrastruktur heutzutage so nicht funktionieren würde, die aber kein domänenspezifisches Wissen wie wir es z.B. haben besitzen. Das ist auch nicht ihr Ziel. Wir benutzen und unterstützen Oracle Datenbanken, wir kennen die Schnittstellen zu IBM. Ich sehe hier enorme Chancen und Opportunitäten für uns wie auch für IBM und Oracle -, gemeinsam schneller besser aufeinander abgestimmte Systeme zu erarbeiten von denen dann wiederum unsere gemeinsamen Kunden und Partner profitieren. Ich bin da extrem zuversichtlich.


      TradeCentre: Am 10. August endet die Lock Up Periode, ist mit Verkäufen zu rechnen? Und besteht dann die Gefahr von einem großen Pharmakonzern „geschluckt“ zu werden, wie möglicherweise bei Merck und Rosetta?

      Dr. von Bohlen: Die gesetzlich vorgeschriebene lock-up Periode ist bereits im Februar ausgelaufen und wurde von uns so koordiniert, dass eine marktneutrale Plazierung von Aktien erzielt werden konnte. Die Lock-Up Periode, die im August endet, ist begründet durch eine freiwillige Verlängerung der Haltefrist der Hauptanteilseigner. Wir gehen von einer überschaubaren Anzahl von Aktien aus, die im August auf den Markt kommen wird, wenn überhaupt. Genau wie im Februar werden wir versuchen, diesen Vorgang zu koordinieren und - falls es Verkaufswünsche gibt - eine marktneutrale Abwicklung zu erreichen. Es ist m.E. völlig legitim, Aktien zu verkaufen, wenn es beispielsweise um die Absicherung der Familie, der Rückführung von Schulden oder um eine Anzahlung für ein Eigenheim geht. Letztlich muss das jeder Anteilseigner für sich selbst entscheiden, ob er sich durch einen Verkauf im August nicht vielleicht eine deutlich bessere Gelegenheit einige Monate oder Jahre später entgehen lässt. Was mich selber betrifft - ich rede jetzt einmal als Aktionär - kann ich heute schon sagen, dass ich im August keine Aktien an den Markt geben werde, weil ich von der Strategie des Unternehmens, dem Potential und den Mitarbeitern felsenfest überzeugt bin und fest an die nachhaltige Langzeitperspektive des Unternehmens glaube.

      Vielleicht noch ein paar allgemeine Worte zum Thema Lock-Up. Am Neuen Markt verlangen viele nach den strengen Gesetzen der US-amerikanischen Börsenaufsicht und nach einer umfangreicheren Kontrolle. Das kann ich nur unterstützen. Allerdings ist LION diesen Regularien sowieso durch die Börsennotierung an der NASDAQ in New York bereits heute ausgesetzt. Die Aktienkultur in Deutschland muss sich m.E. noch weiter entwickeln, bis wir soweit sind wie in den USA.

      Was das Thema Aufkauf durch Dritte betrifft: dies ist grundsätzlich immer möglich, man muss ja ‚nur` mit den jeweiligen Anteilseignern reden. Das Ende der Lock-Up bewirkt lediglich, dass der sogenannte Streubesitz wahrscheinlich grösser wird. Von daher glaube ich also nicht, dass wegen des Ablaufs der lock-up Periode die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme steigt. LION ist sicherlich grundsätzlich ein Unternehmen, das der ein oder andere Konzern gerne bei sich sähe. Sie erwähnen Merck - Rosetta. Informations- und Wissensmanagement in den Life Sciences wird ein, wenn nicht der Schlüsselerfolgsfaktor künftig erfolgreicher Pharma- und Life Science Konzerne sein. Merck hat das erkannt und beschlossen, nicht zu partnern sondern eine derartige Expertise exklusiv zu internalisieren. LION`s Ziel ist es, ähnlich wie es SAP seinerzeit getan hat, zum führenden Partner für diese Industrie zu werden. Unser Business Modell scheint sehr lukrativ und zeitgemäss zu sein, denn jeder braucht derartige integrierte Lösungen, und als weltweit führendes Unternehmen in diesem Bereich dürften wir einigen derartig umfassenden Partnerschaften entgegensehen. Weiter noch: wenn man dieses Business Modell mit dem oben Gesagten zu Ende denkt so wird es in nicht zu ferner Zukunft individualisierte Diagnose und Therapie geben. Dann wird quasi jeder Arzt ein Informationsmanagementsystem in seiner Praxis haben können, das ihm vor Ort Genotyp-Phänotyp-Korrelationen erlaubt. Durch unsere Zusammenarbeit und komplementären Expertisen mit der GMD sind wir prädestiniert, diese Systeme zur Verfügung zu stellen. Damit eröffnet sich für uns ein völlig neuer Markt: zusätzlich zu den Life Science Unternehmen (einige Hundert) gibt es allein in den USA 600.000 praktizierende Ärzte. Wir sehen hier Wertsteigerungspotentiale für LION, die ein potentieller Übernehmer derzeit kaum bereit sein dürfte zu zahlen.


      TradeCentre: Stichwort Cash. Wie hoch sind die liquiden Mittel abzgl. der Verbindlichkeiten?

      Dr. von Bohlen: Zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres weist LION etwa € 180 Mio. an kurzfristig verfügbaren Finanzmitteln aus, d.h. Liquidität und Cash Flow sind ausreichend vorhanden, um das Geschäft international weiter auszubauen und die führende Position der Gesellschaft weiter zu stärken. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten sind primär auf die Übernahme von Trega und die Beteiligung an der GMD zurückzuführen und belaufen sich auf etwa € 32 Mio. Die langfristigen Verbindlichkeiten sind noch geringer und belaufen sich auf etwa €3 Mio. Durch eine derartig gute Kapitalausstattung sind in der nächsten Zeit, sofern es keine größeren M&A Aktivitäten gibt, aus unserer heutigen Sicht keine Kapitalmaßnahmen an den Finanzmärkten notwendig.


      TradeCentre: Wie ist das Geld angelegt? Der Buchverlust beträgt rund 5 Mio. Euro, wollen Sie den Verlust „aussitzen“?

      Dr. von Bohlen: Die konservative Anlagepolitik von LION hinsichtlich der Finanzanlagen hat sich in den turbulenten Börsenmonaten seit August letzten Jahres letztlich als vorteilhaft erwiesen. Der größte Teil der gesamten Mittel in Höhe von etwa € 180 Mio. ist in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, ein kleiner Teil - ca. 15% - in gemischten Renten- und Aktien-Fonds, so dass von diesen 15% wiederum nur ein Teil ein Aktienrisiko darstellt. Der von Ihnen angesprochene Buchverlust ist in Anbetracht der Indizes-Entwicklung normal und im Vergleich zu manch anderem Unternehmen am Neuen Markt eher gering. Seit dem Stichtag 31.03.2001 hat er sich auch bereits auf etwa € 3.8 Mio. verringert, das sind nur etwa 2% der gesamten Mittel. Durch den Anlagehorizont der Gesellschaft von etwa drei Jahren ist das Risiko nochmals reduziert. Wir rechnen für das laufende Geschäftsjahr von LION mit einer erneuten Umsatzverdoppelung und rechnen auch mit einer Erholung und positiven Entwicklung des gesamten Marktes im Zeitraum der nächsten zwei bis drei Jahre. Vor diesem Hintergrund sehen wir für den geplanten Anlagezeitraum keinen Grund zur Beunruhigung. Wir glauben, dass sich dieser Index-begründete Verlust durch die von uns gewählte Anlagestrategie auf die Dauer als richtig herausstellen wird.


      TradeCentre: Ihre potentiellen Kunden sind doch „nur“ diejenigen, die weitgehend im Bereich Pharma anzutreffen sind, wo ist das wirklich große Marktpotential?

      Dr. von Bohlen: Zunächst muss ich das ‚nur` einschränken. Der Wert unserer integrierten Informationsmangementlösungen liegt darin, dass wir Unternehmen nachweisbar und messbar helfen, in ihren F&E-Aktivitäten produktiver zu werden. Das gleiche gilt für unser eigenes, internes drug discovery Programm: wenn unsere Lösungen für Pharma-Unternehmen wertsteigernd sind, dann müssen sie es auch für unser eigenes Programm sein; und umgekehrt. In der Tat allerdings würde ich den Markt für Unternehmen, die an derartig integrierten und umfassenden Lösungen interessiert sind auf derzeit maximal 500 beschränken, wovon ca. 50 nochmals als große globale Life Science Konzerne herausragen. Schauen wir uns aber einmal das Potential an: sagen wir, bei Konzernen betrage das Kooperationsvolumen (ohne Royalties) im Schnitt $100 Mio., bei den kleineren $25 Mio. Dann sprechen wir hier von einem Marktpotential von knapp $20 Mrd. - wie gesagt, Royalties, die dazukämen, nicht mitgerechnet. Niemand wird 100% diese Marktes bekommen, aber wenn es uns gelingt, Marktführer zu bleiben sollte der Löwenanteil bei LION liegen.

      Es gibt in der Tat allerdings ein noch ganz anderes Marktpotential. Wir sind davon überzeugt, dass die sogenannte ‚individualisierte Medizin` mit der Zeit mehr und mehr Realität werden wird. Das heisst nichts anderes, als dass ein Patient beim Arzt nicht nur nach seinen Symptomen und heute verfügbaren Parametern diagnostiziert und therapiert werden wird sondern auch unter Zuhilfenahme seines genotypischen und proteinotypischen Status. Dies werden unglaublich wichtige Zusatzinformationen sein, die es ermöglichen, Diagnose und Therapie in ihrer Signifikanz und Richtigkeit drastisch zu verbessern. Dazu bedarf es aber beim Arzt zum einen einer Apparatur, die den Geno- und Proteinotyp misst das kommt wohl nicht von LION. Und dann bedarf es eines Computersystems, in den alle relevanten Daten eingespeist werden das dann diese Daten unter Zuhilfenahmen zentral archivierter Individual-, Familien- und Populationsdaten die entsprechenden Informationen dem Arzt vermittelt und wahrscheinlich auch gleich noch Therapievorschläge unter Berücksichtigung von Nebenwirkungswahrscheinlichkeiten bei dem individuellen Patienten vermitteln kann. Dieses Infromationsmanagemensystem ist aber letztlich nichts anderes als die Systeme, die wir heute mit und für unsere Pharmakunden entwickeln und die dann für den Gesunheitsmarkt adaptiert werden müssen. Hier sprechen wir alleine in den USA von 600.000 niedergelassenen Ärzten. Zusammengefasst bin ich über unser Potential und unsere unterschiedlichen, modular aufeinander aufbauenden und für die Zukunft absolut essentiellen Systeme
      sehr optimistisch.


      TradeCentre: Abschließend, wo sehen Sie das Unternehmen LION bioscience in 3-4 Jahren?

      Dr. von Bohlen: LION ist heute 4 Jahre alt. Sie fragen danach, wie die nächsten 50% der Unternehmensgeschichte verlaufen werden. Schaue ich heute in den allerersten Business Plan, den wir hatten, so sind wir schneller weiter gekommen als es das damalige ‚best case` Szenario vorhergesehen hätte und wir fanden uns schon recht ambitiös. Allerdings sind wir auch realistisch genug zu erkennen, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wir haben vier Standorte, die gemanagt werden müssen, wir haben intern die gesamte F&E-Wertschöpfungskette, und in der Zusammenarbeit mit unserem Partner, der GMD, auch noch Zugang zu klinischen Informationssystemen. Wir haben Kunden, die es gilt, weiterhin von unseren Lösungen zu begeistern, und es gibt Unternehmen, die wir erst noch als Kunden gewinnen müssen. Insgesamt denke ich sind wir sehr gut aufgestellt und vorbereitet, in den kommenden Jahren auf dem bereits erreichten Niveau weiterhin stark und überproportional zu wachsen und vor allem weitere Allianzen, bei denen es um die umfassende Integration von Informationen und Wissen geht zu schließen. Weiter sind wir davon überzeugt, in dem von ihnen skizzierten Zeitraum Lizenzverträge für Kandidaten, die aus unserer nukleären Rezeptorforschung stammen, abgeschlossen zu haben. Auch halte ich in dem Zeitraum von 4 Jahren weitere Akquisitionen für gut denkbar. Insgesamt sollten wir auf hohem und erfolgreichen Niveau unsere Position als weltweit führendes Unternehmen für intelligentes und integriertes, unternehmensweites Informationsmanagement gefestigt haben, was sich natürlich vor allem auch in der GuV niederschlagen sollte: unser Ziel ist es, innerhalb dieser Zeit den break even erreicht zu haben.


      Herr Dr. von Bohlen, wir bedanken uns für das ausführliche und sehr interessante Interview!


      Quelle: Tradecentre


      So, kann mir jetzt mal einer sagen was gegen einen Kauf spricht.
      Das Argument, "die hohe Bewertung" zählt nicht!!
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 14:27:04
      Beitrag Nr. 2 ()
      Dagegen spricht die hohe Bewertung, das ist halt nun mal das
      einzige was mich stört. Und die ist für ein INvestment sehr
      entscheidend. Meine ich.
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 16:11:05
      Beitrag Nr. 3 ()
      mann, das ardument "hohe bewertung" hat an der börse noch nie wirklich interessiert.

      ALSO: rein !


      mfg
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 16:16:19
      Beitrag Nr. 4 ()
      klar Lemminge werden immer gesucht!!!
      Avatar
      schrieb am 18.06.01 19:28:36
      Beitrag Nr. 5 ()
      Lion braucht einen steigenden Markt und viel liquide Mittel in den Fonds, anders kann die Aktie nicht steigen.
      Das ist nun mal so,wenn ein gutes UNternehmen hoch bewertet ist.

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      Avatar
      schrieb am 19.06.01 11:27:48
      Beitrag Nr. 6 ()
      Weiss jemand welche Fonds LION im Depot haben?
      Avatar
      schrieb am 19.06.01 11:31:51
      Beitrag Nr. 7 ()
      MMWI-NEW MARKETS-FO... 515360 20,15 18.06. -9,76% -14,58% -10,84% - -

      Nur einer bekennt sich dazu!!!
      Avatar
      schrieb am 06.07.01 21:33:17
      Beitrag Nr. 8 ()
      ...dass der wirkliche Wert der Informationsunterstützung in der horizontalen Verbindung, in der kommunikativen und realen Parallelisierung
      traditionell sequentiell angeordneter Disziplinen liegt....
      etc..etc...blabla

      Hört sich wichtig an, ist es aber nicht.
      Ich war mal auf einer Veranstaltung von denen.
      Mir scheint der CEO labert am liebsten um den heißen Brei herum, damit möglichst niemand merkt,
      was die eigentlich machen (so wie ich das verstanden habe, bieten die eben Datenbankanwendungen für den Pharmabereich...-spannend???-).

      Ist wohl so ne Art Verwirrtaktik.
      Erinnert mich irgendwie an Catoosee.
      Je weniger der Aktionär versteht desto mehr kann er dazuphantasieren. (..und Phantasie wird/wurde schon immer teuer bezahlt oder?)

      (ich habe nichts gegen eine gewählte Ausdrucksform, wenn man IMO aber absichtlich Fremdwörter einbaut um Sachverhalte unnötig zu verkomplizieren werde ich immer ein bißchen mißtrauisch ob es sich nicht um einen klassischen "Blender" (sowohl der CEO als auch die Fa.) handelt.)

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