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    Henryk M. Broder im "Tagesspiegel"... - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 17.09.01 10:20:20 von
    neuester Beitrag 27.09.01 14:26:48 von
    Beiträge: 20
    ID: 473.285
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      schrieb am 17.09.01 10:20:20
      Beitrag Nr. 1 ()
      ... Man kann es den Deutschen nicht übel nehmen, dass sie feige sind. Feige Deutsche sind ein konstruktiver Beitrag zum Weltfrieden. Andererseits: Eine Gesellschaft, in der seit 40 Jahren Horst Eberhard Richter, Margarete Mitscherlich und Walter Jens bestimmen, was Zivilcourage ist, wo der gewaltlose Widerstand aufhört und die Gewalt anfängt, ist nicht in der Lage, sich, wenn es darauf ankommt, zur Wehr zu setzen. Sie wird nicht einmal mit ein paar Schlägern fertig, die im Suff ausländerfreie Zonen ausrufen, wie soll sie dann mit intelligenten Terroristen fertig werden, die perfekt organisiert, unauffällig vernetzt und bestens ausgebildet sind?...

      ... Die Stimmung kippt, langsam aber unaufhaltsam. Die Deutschen demonstrieren noch immer Mitleid - vor allem mit sich selbst. Wie schon im Golfkrieg, als sie zum Zeichen der vorauseilenden Kapitulation weiße Bettlaken aus den Fenstern hängten, glauben sie, dass sie von einem Vergeltungsschlag am meisten bedroht wären...

      ... Die Deutschen sind so sehr wehrhafte Demokraten, wie die Heilsarmee eine Anti-Terror-Truppe ist...

      ... Eine Handvoll Terroristen könnte die Bundesrepublik im Handstreich übernehmen. Nicht solche Hobby-Krieger wie die von der RAF, sondern richtige, zu allem entschlossene Schurken mit Pilotenschein. Das Land würde kapitulieren, noch ehe ein Bekennerschreiben vorläge. Und weil das in den USA nicht so ist, können die Amis, trotz aller Schwächen ihrer Gesellschaft, "stolze Amerikaner" sein, während die Deutschen, trotz aller ihrer Tugenden, nur darüber jammern können, dass sie keine stolzen Deutschen sein dürfen. "Wir sind stolz, feige zu sein!" wäre auch eine schöne Parole für die nächste Runde der Leitkulturdebatte, wenn Karl Valentin sie nicht schon vorweg genommen hätte: "Möchten hätten wir schon gewollt, aber Dürfen haben wir uns nicht getraut."...


      .......................

      Tja, damit wäre wohl alles gesagt.
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 10:24:00
      Beitrag Nr. 2 ()
      Die Deutschen werden wohl den Krieg wie immer bezahlen müssen, wie im Irak-Krieg.

      Die Welt verläßt sich doch auf unser Geld.

      Deutsches Kriegs Sponsoring.
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 10:24:54
      Beitrag Nr. 3 ()
      genau so ist es!!!
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 10:38:20
      Beitrag Nr. 4 ()
      ..."Nicht solche Hobby-Krieger wie die von der RAF, sondern richtige, zu allem entschlossene Schurken mit Pilotenschein."...

      Das sind doch die US-Superfeiglinge, die im Golfkrieg todesmutig einen Luftschutzbunker, in dem 600 Frauen und Kinder Zuflucht suchten, pulverisierten.

      Und kein Amifeigling wurde in Den Haag angeklagt.
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 10:44:59
      Beitrag Nr. 5 ()
      Natürlich muß man auch Angst vor einem Anschlag in Deutschland
      haben, aber ich habe eine viel größere Angst vor den Konsequenzen,
      die sich aus der deutschen Gemütsstimmung herleiten. Ich befürchte nämlich,
      daß sich Deutschland von so einem Schlag für lange Zeit nicht erholen würde.
      Es würde das Land in seinem pazifistischen Selbstbewusstsein so tief treffen,
      daß es völlig parallelisiert in eine tiefe und andauernde Rezession mit Massen-
      arbeitslosigkeit schlittern würde.

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      Avatar
      schrieb am 17.09.01 10:46:39
      Beitrag Nr. 6 ()
      Spiegel online:
      F A L K E N U N D T A U B E N I N D E U T S C H L A N D

      Die Stunde der Patrioten

      Von Markus Deggerich
      Tiefe Gräben verlaufen in Deutschland zwischen den Beschwörern der bedingunslosen Bündnistreue und den Mahnern vor einer Gewalteskalation. Die Politik gebiert einen neuen Patriotismus, Rhetorik ersetzt Strategie, Gefühl dominiert den Verstand.

      Berlin - Des Kanzlers kräftige Hand schlug auf den Tisch. Es könne nicht sein, forderte Gerhard Schröder vor der SPD-Fraktion, dass die Verbündeten Amerikas jetzt nach dem Motto handelten: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass." Das Werben des Regierungschefs im eigenen zuletzt wackligen Laden für die Zustimmung zum "Nato-Bündnisfall" war erfolgreich: Die SPD-Bundestagsfraktion wird einen Bundeswehreinsatz zur Unterstützung der USA nach Einschätzung ihres Außenpolitikers Hans-Ulrich Klose konsequent mittragen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages sagte am Sonntag, anders als bei der Abstimmung über den Militäreinsatz in Mazedonien werde es diesmal nur sehr wenige Nein-Stimmen geben.

      Die Rhetorik wirkt. Maximal drei überzeugte Pazifisten gibt es nach Ansicht Kloses noch in der SPD-Fraktion. Die Terrorangriffe auf die USA hätten die Situation völlig geändert. Zweifel seien nicht erlaubt. Wer nicht mitmachen wolle, so Klose, müsse sich spätestens im Falle eines Anschlags in Deutschland fragen, ob er sich richtig verhalten habe.

      So erpresst Moral den Verstand. In der deutschen Innenpolitik schlägt die Stunde der großen Worte und der Patrioten. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) bot der Regierung am Sonntag eine "nationale Allianz der Entschlossenheit" an und brachte dabei auch die Beteiligung an massiven Militärschlägen der Bundeswehr ins Gespräch. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber kennt keinen Parteien mehr: "Die Union ist zur Teilhabe bereit." Und CSU-Landesgruppenchef Michael Glos steht stramm im vorauseilenden Gehorsam zur Regierung: "Wenn es zu einem militärischen Einsatz der Bundeswehr kommen sollte, und es dafür keine rot-grüne Mehrheit gibt, kann Kanzler Schröder auf die Unterstützung der Union setzen". Selbst die PDS entdeckt ihr Herz für die Nato, Gregor Gysi, im Kosovo-Krieg noch schärfster Kritiker der Allianz, ist nun für "begrenzte militärische Aktionen."

      Bündnisfall als Sündenfall?

      Ein Nachdenken über den Bündnisfall kommt fast einem Sündenfall gleich. Noch ist völlig offen in welcher Weise die USA auf den Terror reagieren werden, welche Rolle die Bundeswehr und Deutschland dabei spielen sollen und welche Folgen das weltweit haben wird. Aber angesichts der Monstrosität der Tat vom 11. September gilt schon das Nachdenken über den richtigen Weg als unstatthaft: "Wir sollen, was immer wir selbst tun oder lassen, Amerika für seinen Vergeltungsschlag einen Blankoscheck ausstellen", schrieb die "Frankfurter Allgemeine" am Wochenende.


      Die Größe des Ereignisses polarisiert, als gebe es nur noch blutgierige Falken und naive Friedenstauben. Zwischentöne sind verboten. Wer über die Ursachen und Folgen des Terrorismus und seiner Bekämpfung nachdenken will, dem wird die Fähigkeit zu Trauern abgesprochen, der ist herz- und pietätlos und vermutlich auch ein Vaterlandsverräter.

      Gefühl oder Verstand

      György Konrad, Präsident der Akademie der Künste in Berlin, machte am Wochenende in der Hauptstadt auf einer Podiumsdiskussion seinem Unbehagen über eine akademische Form der Diskussion Luft und forderte mehr Mitgefühl. Bei der Kamikaze-Aktion vom Dienstag seien "ganz normale Menschen wie wir" gestorben. Wenn man wenige Tage nach einem solchen Unglück "nur diskursive Formen findet, stimmt etwas nicht mit den Menschen."

      Es gibt die Angst vor einer Eskalationsspirale: Nach der Kampfansage des US-Präsidenten George W. Bush an den Terrorismus haben Bundespräsident Johannes Rau und Außenminister Joschka Fischer vor überzogenen Vergeltungsschlägen gewarnt. "Man darf am Ende mit den Reaktionen nicht mehr Instabilität schaffen, als dies davor der Fall war", mahnte Fischer am Sonntag. Bush hatte am Tag zuvor den Attentätern mit drastischen Worten Vergeltung angedroht: "Wir werden die Täter ausfindig machen, ihre Löcher ausräuchern, sie jagen und zur Verantwortung ziehen."


      Das deutsche Staatsoberhaupt ging dagegen am Wochenende als erster führender Politiker grundsätzlich zu Vergeltungsschlägen auf Distanz. Der Terror in den USA stelle einen Angriff auf die Zivilisation dar: "Und darum müssen wir mit zivilen Mitteln agieren". Ob er damit in der eigenen Partei noch Gehör findet, ist fraglich. Ein Nachdenken über die Verhältnismäßigkeit von Mitteln und ihre Folgen wird zum Tabu, wenn nur noch große Worte, Gesten und Gefühle regieren.

      Raus Parteifreund, Innenminister Otto Schily, gab am Wochenende die Richtung vor: Er will im Kampf gegen den internationalen Terrorismus "alle polizeilichen und militärischen Mittel der freiheitlichen Demokratie" einsetzen. In einer Ansprache bei der Verleihung des internationalen Menschenrechtspreises am Sonntag in Nürnberg sagte der SPD-Politiker, Deutschland schulde den USA "eine Solidarität, die nicht bei Worten stehen bleiben wird". Die Deutschen schuldeten den Amerikanern "den größten Dank, den ein Volk schulden kann".



      Im Bundesfinanzministerium wird nach Informationen der Wochenzeitung "Die Zeit" darüber nachgedacht, dafür die Neuverschuldung über die bisherige Planung hinaus zu erhöhen, um nach den Terroranschlägen zusätzliche Ausgaben für diese innere und äußere Sicherheit zu finanzieren. Die Bundesminister für Verteidigung und Inneres, Rudolf Scharping und Schily, hätten bereits Kontakt mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses im Bundestag wegen möglicher Konsequenzen für den Bundeshaushalt aufgenommen.
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 10:55:52
      Beitrag Nr. 7 ()
      @shut

      gut, leider gut
      und
      ich hab kein kerzilein wenn die bösen buben kommen


      brauch ich auch nicht, bin in spanien
      und denen geht der ganze scheiß am ar ... vorbei
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 11:26:13
      Beitrag Nr. 8 ()
      @ruhige Hand, Der Golfkried hat Deutschland nicht mal 2 Milliarden gekostet. Kohl hat uns da einfach rausgekauft für `nen Witzbetrag.

      @Posting1, da ist schon etwas wahres dran.
      Mir persönlich war immer bewusst, warum wir hier in Frieden leben:
      Nicht weil die intellektuelle Linke pazifistische Statements von sich gibt,
      sondern weil uns der Atomschirm der USA und die Mitgliedschaft in der NATO schützen.

      technostud
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 11:35:51
      Beitrag Nr. 9 ()
      Ich höre bei Broder eine Schadenfreude heraus, daß man in Deutschland auch eine Ahnung bekommt, wie es sich im ständigen Ausnahmezustand lebt.
      Die lange Friedenphase, der einigermaßen friedliche Zustand im Lande, der allg. Wohlstand mag ja eine Verblödung hervorrufen, die ist mir in Normalphasen lieber, als 1 von 12 Mon. im Jahr im Reservedienst zu verbringen.

      H.
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 12:02:44
      Beitrag Nr. 10 ()
      sag mal technostud, musst du jetzt vom broder den blöden begriff `intellektuelle linke` aufnehmen? 10 jahre lang musste ich diesen quatsch nicht mehr lesen - geht das jetzt wieder los?? :laugh:

      man hat beklagt, dass die "intellektuellen" schwiegen in der spassgesellschaft, dass sie einfach verschwunden seien und nicht zu techno und love-parade schrieben etc. und jetzt sollen sie plötzlich wieder da sein?

      gibt es keine rechten intellektuellen? offenbar nicht.

      schön, wenn uns die nato schützt, auch gut, wenn sie die UCK unterstützt. jammert aber nicht, wenn die UCK einst das von den usa gelernte gegen uns verwendet:

      hier aus einem thread der `indianerin`

      http://real1.xobix.ch/ramgen/sfdrs/10vor10/2001/10vor10_3108…

      (nein mick, ich bin nicht die indianerin, ich habe nur ihre threads gelesen, darf ich doch, oder)
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 16:37:24
      Beitrag Nr. 11 ()


      aus

      http://www.henryk-broder.de/html/tb_pomp.html

      ps : eine seite davor : parolen einer berliner friedensdemo
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 16:44:15
      Beitrag Nr. 12 ()
      @sixt

      Links fahren ja, aber bitte nicht mit der C-klasse... wahrscheinlich auch noch Diesel :(...

      mfg loewe
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 18:17:22
      Beitrag Nr. 13 ()
      @Boardmail, also den Begriff habe ich ja nun nicht von Broder übernommen.
      Man hört halt schon seit 10 Jahren von denen nichts mehr, weil Kohl sie ausgesessen hat. Und `ne rotgrüne Regierung sie zunächst nicht auf den Plan ruft ...
      Die hatten ohnehin fertig.

      Haben die sich jetzt eigentlich schon mal dafür entschuldigt, dass sie jahrzehntelang das Unrechtsregime der DDR als das bessere Deutschland hingestellt haben ....

      technostud
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 18:24:06
      Beitrag Nr. 14 ()
      ich habe diesen deinen satz auch schon mal gelesen und darüber nachgedacht:


      "Haben die sich jetzt eigentlich schon mal dafür entschuldigt, dass sie jahrzehntelang das Unrechtsregime der DDR als das bessere Deutschland hingestellt haben .... "

      ich würde sagen, es entschuldigen sich dann alle gemeinsam. die linken und die rechten...

      wenn auch der kapitalismus an seine grenzen gelangt ist - manche sagen, dies könnte schon bald der fall sein. vermutlich sind die geschehnisse in diesen tagen eine möglichkeit, diese grenzen noch etwas aufzuschieben. so in dem sinne: mehr oel für die usa, das volk muss noch lange nicht sparen, es geht immer weiter mit wachstum.
      Avatar
      schrieb am 17.09.01 18:41:34
      Beitrag Nr. 15 ()
      @boardmail, der Kapitalismus ist meiner Meinung nach nicht an die Grenzen gelangt.
      Er mag nicht das Beste System sein, wobei es ja im Moment an einer Alternative fehlt.

      Ich lebe gern im Westen und verbrauche Öl. Ich stehe wenigstens dazu.

      Der Lifestyle des Westens wird halt jetzt verteidigt. Irgendwann muss man authentisch sein.
      Man kann natürlich auch die Vorzüge des Westens geniessen und dagegen wettern.
      Das entspricht nicht meiner Art mit Dingen umzugehen.

      West is best (for me)

      technostud
      Avatar
      schrieb am 18.09.01 21:10:19
      Beitrag Nr. 16 ()
      K A M P F D E R K U L T U R E N

      Nur nicht provozieren!

      Der Kampf der Kulturen findet doch statt. Trotzdem verharmlosen viele europäische Intellektuelle den islamischen Terrorismus - und die Lust am Morden. Von Henryk M. Broder


      Es ist ein Alptraum. Ich weiß es. Morgen werde ich aufwachen und alles nur geträumt haben. Wie ich träume, dass ich im Abitur versage. Nein, es war kein Alptraum, es ist wirklich passiert. Das Fernsehen zeigt uns rauchende Trümmer, schreiende Menschen und jubelnde Palästinenser in Nablus und Jerusalem, die zur Feier des Tages Knafi und Baklava umsonst abgeben. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass irgendeine edle Seele aufsteht und sagt, die Anschläge von New York und Washington müssten im Zusammenhang mit dem Kampf der Dritten Welt gegen die Erste gesehen werden. Wetten, dass es im Laufe der nächsten Tage passieren wird, sobald sich der Trümmerrauch über Manhattan gelegt hat? Es gibt ein Milieu in Europa, das den Einsatz von Feuerwerkskörpern zu Silvester unschön findet und den "Staatsterrorismus" verurteilt, aber für individuelle Akte des Terrors durchaus Sympathien empfindet, vorausgesetzt, sie spielen sich nicht vor der eigenen Wohntür ab, also im Baskenland, Irland oder Palästina. Weiß noch jemand, wer Leila Chalid war? Eine attraktive junge Frau, die Ende August 1969 eine TWA-Maschine auf dem Weg von New York nach Athen entführt hat und zur Landung in Tel Aviv zwingen wollte. Weil die israelischen Behörden nicht kooperierten, musste die Maschine in Damaskus landen, da durfte Frau Chalid zwei Wochen einsitzen und dann nach Jordanien ausreisen, wo sie als Heldin empfangen wurde. Ein Jahr später versuchte sie es noch einmal, diesmal wollte sie einen El-Al-Jet auf dem Flug von Amsterdam nach New York kidnappen. Es kam zu einem Kampf mit israelischen Sicherheitsleuten an Bord der Maschine, ihr Begleiter wurde getötet, sie selbst niedergeschlagen, nachdem sie eine Handgranate geworfen hatte, die allerdings nicht zündete. Terroristin oder Freiheitskämpferin? Die Maschine konnte in London landen, wo Frau Chalid festgenommen und nach genau 28 Tagen von ihren Freunden freigepresst wurde. Seitdem erzählt sie, wie schlecht der Service an Bord des El-Al-Fliegers war, wie brutal sie von den Israelis behandelt wurde, welche Verletzungen an Leib und Seele sie erlitten und welche Traumata behalten hatte. Anfang dieses Jahres war Leila Chalid wieder in London, auf Einladung eines Labour-Abgeordneten, um über Irak und Palästina zu sprechen. "Ich bin und war nie eine Terroristin", erklärte sie unter zustimmendem Nicken ihrer Gastgeber, "ich war eine Freiheitskämpferin." Am Tag der Arbeit trat sie dann in Zürich auf, eingeladen vom 1.-Mai-Komitee zur offiziellen Kundgebung der Schweizer Arbeiterklasse, deren allergrößte Sorge nicht der Status der Ausländer in der Schweiz, sondern die Staatenlosigkeit der Palästinenser ist. So human, liberal und ausländerfreundlich können die Eidgenossen sein, solange nicht ihre eigenen Belange tangiert werden. Die Weltsicht der Feingeister Zurück nach Deutschland. Als in Afghanistan die Buddha-Statuen von Bamian mit Kanonen pulverisiert wurden, da gab es auch in Deutschland Proteste, die freilich so zahnlos blieben wie die saisonalen Aufrufe der Schriftsteller zu mehr Toleranz. Doch nicht alle empörten sich, einige versuchten auch, den Bildersturm des Taliban-Regimes immanent, also aus der Sicht der Kanoniere, zu erklären. "Das Lamento über die Zerstörung ist zuallererst die Frucht einer entpolitisierten bürgerlichen Ästhetik", belehrte uns ein Feingeist in der "SZ", der ebenso wie die Taliban mit der bürgerlichen Ästhetik gebrochen hatte. "Der Bildersturm der Taliban gilt einer ganzen Kultur der Sichtbarkeit, von der sich das Regime in einem politischen Akt absetzt." Noch anmutiger war eine Apologetik im Feuilleton der "Frankfurter Rundschau". Der Verfasser nannte die Proteste das "übliche Spektakel", bei dem "alle `zivilisierten` Nationen um die schärfste Verurteilung dieses `barbarischen` Aktes" wetteiferten, und setzte tatsächlich "zivilisiert" und "barbarisch" in ironisierende Anführungszeichen. Zugleich erklärte er, worin "das eigentliche Problem" liege, nämlich darin, "dass die ökonomisch-kulturelle Kolonisation durch den Westen sehr viel mehr dazu beiträgt, die buddhistische Lebensweise auszuhöhlen und zu entwerten" als die dekonstruktiven Maßnahmen der Taliban. Die Abrissbirnen des Kapitalismus Ich bin sicher, ein kulturkritischer Beitrag ist schon im Entstehen begriffen, in dem uns erklärt wird, auch die letzten Attentäter hätten aus einem tiefen Glauben heraus, den wir nicht nachvollziehen können, gehandelt und nicht mehr Schaden angerichtet, als die Abrissbirnen des Kapitalismus und die Agenten der Kolonisation weltweit anrichten würden. Denn für den Umgang mit durchgeknallten Fundamentalisten aus der islamischen Welt gilt für coole Kommentatoren eine Parole: "Nur nicht provozieren! Die Irren könnten böse werden!" Deswegen zeigt uns Peter Dudzik in der ARD jubelnde Palästinenser und sagt, sie würden es nicht so meinen, wie es aussieht. Deswegen sagt uns Heiko Flottau in der "SZ", "die winzige Minorität der islamistischen Terrorgruppen" habe bei der großen Mehrheit der Bevölkerung "keinen Rückhalt", nur um ein paar Absätze weiter zu erklären, "kein Politiker in Ägypten" habe den Mut gehabt, öffentlich für einen liberalen Professor einzutreten, der, von den Islamisten terrorisiert, ins holländische Exil gehen musste. Der reine Terror Solche kleinen Widersprüche nehmen wir gelassen hin, wenn es darum geht, einen Terror schönzureden, dessen irrationaler Furor uns fasziniert, weil er so rein und so selbstlos ist. Wir Abendländer haben keine Probleme, den Fanatismus von Christen und Juden zu verdammen, nur bei fanatischen Moslems neigen wir zu einer Haltung, wie man sie normalerweise gegenüber kleinen Kindern und erwachsenen Autisten annimmt: Sie wissen nicht, was sie tun, aber sie meinen es irgendwie gut. Würde in einem christlichen Land, in Italien oder Schweden, ein paar Moslems oder Juden der Prozess gemacht, weil sie, als Sozialarbeiter getarnt, missioniert haben sollen, und würde ihnen dafür lange Haft oder gar die Todesstrafe drohen, könnte man den Aufschrei der Empörung bis zum Nordpol hören. Wenn so etwas aber in Afghanistan passiert, fährt eine Delegation hin, wartet geduldig, bis sie von ein paar nachgeordneten Chargen empfangen und zum Verlassen des Landes aufgefordert wird. Ende der Intervention. Ja, man will die Irren nicht weiter provozieren, und ein wenig bewundert man auch die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich über alle Spielregeln hinwegsetzen. Kniefall vor dem Multikulti-Prinzip Das beste Beispiel für diese post-liberale und pre-suizidale Haltung ist immer noch die Affäre um Salman Rushdie. Als die "Fatwa", das religiöse Todesurteil, gegen ihn verhängt wurde, konnte man in vielen Feuilletons Wortmeldungen lesen, deren Grundlage der Respekt für Exoten war, egal wie sie sich benehmen. Am Ende dieser Kniefälle vor dem Multikulti-Prinzip stand dann die Conclusio, man fände die Fatwa nicht gut, aber irgendwie wäre Rushdie doch selbst schuld, er hätte sich mit den Mullahs nicht anlegen sollen. Die Orientalistin Annemarie Schimmel nannte die Morddrohung "etwas Grässliches", andererseits habe Rushdie auf "eine sehr üble Art" die Gefühle gläubiger Moslems verletzt, sie selbst habe "erwachsene Männer" weinen sehen. Das war für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels kein Grund, sich von seiner Friedenspreisträgerin zu distanzieren. Ganz im Gegenteil. Der Preis wurde ihr umso liebevoller vor die Füße gelegt. Rushdie hat die Fatwa überlebt, die Menschen im World Trade Center hatten keine Chance. Und nun tritt Kanzler Schröder vor die Mikrofone und redet Klartext. Es war, sagt er, "ein Angriff auf die zivilisierte Welt". Richtig, Gerhard, und wir alle haben ihn begünstigt. Wie lange zog sich der Prozess um das Attentat auf die Berliner Disco "La Belle" hin? Haben deutsche Politiker nicht auf einen Abbruch des Verfahrens gedrängt, um die Beziehungen zu den arabischen Staaten nicht zu gefährden? Ein bisschen Frieden ist gut für die Hitparade, ein bisschen Terror nehmen alle in Kauf, um die Exporte stabil zu halten. Kampf der Kulturen Samuel Huntington hatte Recht, es findet ein Kampf der Kulturen statt. Es geht nicht um globale Gerechtigkeit, nicht um die legitimen Rechte der Palästinenser oder eines anderen unterdrückten Volkes, es geht um die reine Lust am Morden, die inzwischen nicht einmal einen Vorwand braucht. Aber auch diese Akte werden ihre Apologeten finden, denn die Terroristen fliegen die gleichen Flugzeuge wie wir und telefonieren mit den gleichen Handys. So gesehen sind sie Menschen wie wir. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie an den sofortigen Einzug ins Paradies glauben, wenn sie sich opfern. Wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn sie nicht so viele mitnehmen würden, die diesen Glauben nicht teilen, Menschen, die andere Vorstellungen vom Paradies haben und die sich weder opfern noch geopfert werden wollen. Egal, wer die Täter und Hintermänner waren, ob sie gefunden werden oder nicht. Es wird nicht der letzte Anschlag bleiben. Am Anfang waren es Auto- und Kofferbomben, dann menschliche Bomben, und nun sind es Flugzeuge, die punktgenau ins Ziel gelenkt werden. Die eskalative Logik schreit nach Fortsetzung. Wer im Stande ist, das World Trade Center zum Einsturz zu bringen und das Pentagon in Brand zu setzen, der kann auch mehr. Der wird als nächstes eine Atombombe klauen oder kaufen und nicht zögern, sie auch zu zünden. Nichts für ungut, ist ja nur ein Alptraum.

      http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,157553,00.html
      Avatar
      schrieb am 19.09.01 12:33:39
      Beitrag Nr. 17 ()
      Ich greif mal den für mich entscheidenden Absatz raus:

      Wir Abendländer haben keine Probleme, den Fanatismus von Christen und Juden zu verdammen, nur bei fanatischen Moslems neigen wir zu einer Haltung, wie man sie normalerweise gegenüber kleinen Kindern und erwachsenen Autisten annimmt: Sie wissen nicht, was sie tun, aber sie meinen es irgendwie gut.

      Das ist natürlich purer Rassismus. Kein Rassismus, den man üblicherweise unter Rassismus versteht, aber die Araber werden dadurch natürlich nicht als gleichwertige Partner behandelt.
      All diese ganzen Streitereien hier, bei den mich manche hier in den Dreck gewünscht haben, haben aber auf mich ein ganz erstaunlichen Effekt gehabt: Ich verstehe die persönliche Lage und die Zwiespältigkeit der Araber jetzt deutlich besser. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass Hass durch Gewalt auf andere, mit denen man emotional stark verbunden ist, oder durch ständige eigene Ungleichbehandlung entsteht. Die Keiferei auf dem Bord als auch die Vorgeschichte vieler der Flugzeugentführer lässt sich dadurch aber nicht erklären. Letztendlich gibt es sehr viele Leute, die bereits ihre politische Prägephase hatten, mit einem stark gefestigten Weltbild. Die Amerikaner sind an allem Schuld, weil sie die Indianer ausgerottet, die Pinochet an die Macht gebracht haben und auch sonstige zweifelhafte Aktionen durchgeführt haben. Auch dem Papst und der Kirche wird nicht verziehen, dass sie vor 200-300 Jahren Hexen verbrannt haben . Egal was an neuen Nachrichten passiert, sie lassen sich so interpretieren, dass der bisherige Feind weiter Schuld hat: Das ist eine Art Borderline Hass, der sich wahrscheinlich immer weiter steigert. So und nur so sind für mich das Achselzucken, die Verschwörungstheorien, die verqueren Erklärungsversuchen für diese Ereignisse und der Vergleich mit früheren schlimmen Ereignissen, die zum Teil im Mittelalter zurückliegen, erklärbar, wenn man die brennenden Zivilisten, wie sie sich aus den Fenstern stürzten, sieht.
      So wie ich mich jetzt über diese Leute wundere, muss man aber auch Leuten wie Arafat gestatten, sich über die jubelnde Palästinenser, die man im Fernsehen gesehen hat, zu wundern. Wenn ein Amerikaner sich auf dieses Board verirren würde, könnte er auch sehr leicht zum Schluss kommen, dass die Deutschen als Ganzes für die Ziele der Terroristen durchaus Sympathien hegen. Da dies für die politischen Ziele derer Palästinenser einen enorm negativen Effekt hat, kann ich mir schon sehr gut vorstellen, warum Arafat und der Jordanierkönig die Kameraaufnahmen von feiernden Palästinensern und Interviews unterbunden hat. Dennoch muss man Arafats Erschütterung über die Ereignisse wirklich abkaufen, denn wie auch hier, sind nicht alle Menschen gleich gestrickt. Es darf uns davon aber nicht abhalten, auf Doppelzüngigkeiten in der arabischen oder islamsichen Welt hinzuweisen, nur dann stehen wir wirklich auf einer Augenhöhe und behandeln sie nicht wie kleine Autisten.
      So, nun könnt ihr schimpfen.
      Avatar
      schrieb am 19.09.01 13:52:19
      Beitrag Nr. 18 ()
      Leider bricht Puhvogel knapp davor ab.
      Hier das für mich wichtigste Zitat aus dem Broder-Spiegel-Aufsatz :

      " Würde in einem christlichen Land, in Italien oder Schweden,
      ein paar Moslems oder Juden der Prozess gemacht,
      weil sie, als Sozialarbeiter getarnt, missioniert haben sollen,
      und würde ihnen dafür lange Haft oder gar die Todesstrafe drohen,
      könnte man den Aufschrei der Empörung bis zum Nordpol hören.
      Wenn so etwas aber in Afghanistan passiert, fährt eine Delegation hin,
      wartet geduldig, bis sie von ein paar nachgeordneten Chargen empfangen
      und zum Verlassen des Landes aufgefordert wird.
      Ende der Intervention.
      Ja, man will die Irren nicht weiter provozieren, und ein wenig bewundert man
      auch die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich über alle Spielregeln hinwegsetzen ."

      Aber warum sollten die Politiker mutiger sein als der Rest der Deutschen ?
      Für Politiker und für Leute , die über Selbstverständlichkeiten verhandeln ,
      gibts jetzt einen Smilie .

      Nein , doch nicht
      Avatar
      schrieb am 27.09.01 13:39:27
      Beitrag Nr. 19 ()
      Ein aktueller Einblick in die deutsche Seele in 3 Teilen :
      ___________________________________________

      H.M.Broder :

      Selber schuld!

      Ein Volk, ein Kanzler, eine Trauer? Nicht unbedingt. Während in New York und Washington die Toten noch nicht geborgen sind
      und die Weisen von Kabul darüber beraten, ob sie Osama bin Laden an die USA ausliefern sollen,
      steht für einen Teil der deutschen Öffentlichkeit der Schuldige für den Massenmord fest:
      Es sind die USA, die durch ihre Arroganz, Außen- und Umweltpolitik, durch ihr Verhalten in Vietnam,
      Chile und im Nahen Osten das Desaster auf sich gezogen haben.
      "Selber schuld!" schallt es den Toten und den Überlebenden der Katastrophe entgegen,
      "es ist zwar schrecklich, was euch passiert ist, aber nicht unverdient."
      - Mag sein, dass nur eine Minderheit der Bevölkerung so denkt, aber da sie zur Zeit von der offiziellen Politik
      nicht vertreten wird, artikuliert sie sich umso deutlicher.
      Auf meinen Beitrag bei spiegel online "Warum wir die Amerikaner hassen" kamen rund 8oo Leser-Reaktionen,
      ein Rekord auch bei kontroversen Geschichten. Etwa die Hälfte der Leser war mit dem Beitrag einverstanden,
      die andere Hälfte protestierte heftig und insistierte, dass nicht der Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon,
      sondern die erwartete Reaktion der USA die wirkliche Gefahr für den Frieden bedeuten würde.
      Was in diesen Briefen zum Ausdruck kommt, ist ein authentisches Ressentiment,
      das auch von 5.ooo Toten nicht gedämpft wird. Ob man es "Antiamerikanismus" nennt
      oder einfach "Mangel an Mitgefühl", spielt keine Rolle. Es ist ein Vorgeschmack auf die Stimmung,
      die sich im Land ausbreiten wird, wenn die Bundesrepublik in den Konflikt hineingezogen wird.

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      "Warum wir die Amerikaner Hassen

      Aus :
      http://www.henryk-broder.de/html/tb_schuld.html

      Dieser Link führt zu Teil 2 und 3
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      schrieb am 27.09.01 14:26:48
      Beitrag Nr. 20 ()
      Der Mann bringt das genau auf den Punkt!
      Kein Wunder, dass die Weltretter aufschreien, wenn man sie des puren Rassismus bezichtet.


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