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    Liberalisierung - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 01.06.03 12:16:57 von
    neuester Beitrag 07.06.03 10:35:41 von
    Beiträge: 16
    ID: 738.184
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      schrieb am 01.06.03 12:16:57
      Beitrag Nr. 1 ()
      Liberalisierung,
      was ist das eigentlich und wofür steht der sog. Neoliberalismus?
      Überall in der Welt, also nicht nur in Deutschland ist die Wirtschaft der reichen Länder von einem gemeinsamen Virus befallen, der da lautet Massenarbeitslosigkeit und explodierende Staatsverschuldung.
      Grund dafür, so die Wirtschaftsexperten seien weltweit veränderte Rahmenbedingungen und an dieser Stelle endet dann auch in der Regel der Informationsfluß.
      Mir geht es hier einmal darum diese veränderten Rahmenbedingungen zu beleuchten und welchen gesellschaftlichen Nutzen die anhaltende Liberalisierung mit sich bringt.

      Was hat sich eigentlich gegenüber den goldenen sechziger und siebziger Jahren verändert? Neben der wachsenden Automatisierung ist es vor allem die Auslagerung der Industrieproduktion in sog. Billiglohnländer die in den westlichen Staaten für wachsende Arbeitslosigkeit und damit hohen kreditfinanzierten Staatsausgeben führen.
      Wegbrechende Steuereinnahmen und hohe Kosten für die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit sind folglich die Gründe dafür das die Sozialsysteme plötzlich nicht mehr zu finanzieren sind. Das Beispiel Amerika zeigt aber das es nicht etwa die Sozialsysteme sind die diese Verschuldungsspirale ausgelöst haben (die Gesamtverschuldung in Amerika liegt inzwischen bei 31Billion US Dollar). Die wachsende Schuldenspirale ist also vielmehr die Folge der Auslagerung der Industrieproduktion und der damit einhergehenden Massenarbeitslosigkeit.
      Nun stellt sich die Frage warum die Industrieproduktion nicht schon in den sechziger und siebziger Jahren in Billiglohnländer verlagert wurde, auch damals gab es Schiffe, Transportflugzeuge oder die Eisenbahn mit der man die logistischen Probleme bewältigen konnte.
      Der Grund dafür ist ganz einfach, damals gab es noch staatliche Schutzmechanismen die diesem Trend entgegen wirkten.
      Einfuhrzölle vernichteten damals den Margenvorteil ausländischer Billigproduzenten. Staatliche Subventionen verhinderten z.B. das die Produktion in das billigere Ausland verlagert wurde und auch Staatsbetriebe die in unlukrativen Bereichen wie Post oder Bahn als Großarbeitgeber auftraten milderten die Folgen der wachsenden Automatisierung und trugen damit zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes bei.
      Entscheidendes Kriterium für ein stabiles Wirtschaftsumfeld war auch unsere gute alte D-Mark, sie erlaubte eine eigenständige Währungspolitik und damit ein stabiles wirtschaftliches Umfeld. Heute entscheiden die Aktivitäten von ein paar Hedgefonds darüber welche Industriezweige marktwirtschaftliche Vor oder Nachteile genießen. Gelder die über Nacht nach Europa fließen und genau so schnell wieder abgezogen werden können.
      Welcher Unternehmer soll bei solchen Währungsturbulenzen noch sinnvoll planen?
      Der schrittweise Abbau all dieser Schutzmechanismen ist also der eigentliche Grund dafür das wir heute an dem Problem Arbeitslosigkeit zu ersticken drohen. Genau diese Schutzmechanismen waren die Selbstbeschränkungen die eine soziale Marktwirtschaft von einer kapitalistischen Wirtschaft unterschieden haben.
      Während uns die soziale Marktwirtschaft 30 Jahre Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten gebracht hat konkurrieren die Arbeitnehmer nun weltweit darum wer noch unter den erbärmlichsten Bedingungen bereit ist zu
      arbeiten.
      Diese sog. Liberalisierungspolitik wurde unter Kohl begonnen und nun leider unter Schröder konsequent fortgesetzt. Die Folgen dieser Politik war ein explodieren der Staatsverschuldung in nie gekanntem Ausmaß. Kohl hinterließ ein für damalige Begriffe gigantisches Haushaltsloch von 1,1 Billion Euro und inzwischen sind diese Schulden auf 5,5 Billion Euro angestiegen.
      Das es sich bei dieser Schuldenexplosion keinesfalls um die Folgen der Wiedervereinigung handeln kann zeigen Frankreich, Italien oder Österreich die nun fast zeitgleich mit uns unter den selben Problemen zu
      leiden haben.
      Liberalisierung ist also nichts anderes als die Demontage der sozialen Marktwirtschaft und die Rückkehr in das Zeitalter des Kapitalismus.
      Das diesen sog. alternativlosen Reformen keine klaren Konzepte außer denen der Gewinnmaximierung zugrunde liegen möchte ich an folgenden Beispiel zeigen.
      Zu den „notwendigen Reformen“ zählt z.B. der Subventionsabbau. Dabei streichen wir nun staatliche Beihilfen z.B. in der Steinkohle und schicken damit die Kohlekumpel aus dem Ruhrgebiet auch noch auf die Arbeitsämter.
      Die gleichen Leute die Das fordern machen aber im Gegenzug den Vorschlag neu zu schaffende Arbeitsplätze im Niedriglohnsektio über staatliche Lohnzuschüsse zu stützen.
      Verstaatlichung der Lohnzahlung und Privatisierung der Gewinne.
      Jeder kann sich ausrechnen, wenn ein Unternehmer subventionierte Lohnarbeit bekommt, braucht diese Zuschüsse jedes andere Unternehmen auch. Die Folge, Tariflohnarbeitsplätze werden abgebaut um auf wundersame weise im Billiglohnsektor wieder geschaffen zu werden. Das wird unsere Wirtschaftspresse dann sicher als Erfolg der Harzkonzepte feiern und aufzeigen wieviele neue Arbeitsplätze so neu entstanden sind.
      Saniert man mit solchen Konzepten seinen Staatshaushalt?
      Warum wir also diese Liberalisierung brauchen und wem sie nützt, das ist die Frage die ich hier zur Diskussion stellen möchte.

      SIG
      Avatar
      schrieb am 02.06.03 19:36:00
      Beitrag Nr. 2 ()
      Da hätten wir sie also nun unter Rücktrittsdrohungen auf den Weg gebracht, die notwendigen Reformen um Deutschland nun endgültig in eine Deflation abgleiten zu lassen.
      Jedes Schulkind kann sich ausrechnen das eine Schwächung der Verbraucherseite zwangsläufig zu fallenden Preisen führen muß und das ist ja bekanntlich alles was uns zu einer Deflation noch fehlt.
      90% Zustimmung für Schröders Agenda, wem kann man es verdenken wenn man bedenkt das ein anderes Abstimmungsergebnis dann den Verlust der schönen Pöstchen von denen die da abzustimmen hatten bedeutet hätte.
      Einen Posten bei dem man genau so ausgeschlafen vom Dienst kommt wie man ihn morgens angetreten hat, wo gibt`s das heute schon noch.
      Wer die Debatte auf Phoenix verfolgt hat wird wissen was ich damit meine.
      Ein voller Erfolg für den internationalen Liberalismus, das muß der Neid lassen und macht Mut für die nächsten noch unverschämteren Forderungen.

      SIG



      Hier eine erste Einschätzung zur Agenda

      Berlin (dpa) - Die Reform-»Agenda 2010« der SPD wird nach Einschätzung des Bremer Ökonomen Rudolf Hickel »das Jahr 2003 nicht überleben«. Statt eine expansive Politik zu betreiben, werde die Wirtschaftskrise verschärft, sagte Hickel am Sonntag in einem dpa- Gespräch.

      »Bleibt es bei diesem Kurs, wird - einem Erosionsprozess vergleichbar - eine Runde des Sozialabbaus der anderen folgen.« Hickel, Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft, ist einer der führenden Köpfe der alternativen Wirtschaftsprofessoren, die im Gegensatz zu der auf Unternehmens-Entlastung setzenden herrschenden Ökonomie die Massenkaufkraft der Arbeitnehmer stärken will.

      Hickel bestreitet, dass die mit der Agenda von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angestrebten Ziele, mehr Wirtschaftswachstum und wesentlicher Abbau der Arbeitslosigkeit erreicht werden können. »Im Gegenteil: Die wirtschaftliche Wachstumskrise wird vertieft werden.« Die Agenda verkenne die Ursachen der Krise - nämlich eine »hartnäckige Stagnation mit der Gefahr eines Abkippens in die Rezession«, meinte Hickel. »Die Tendenz zur Deflation - Verfall der Preise auf breiter Front und sinkende Nachfrage - verschärft die Gefahr einer Abwärtsspirale mit massiv steigender Arbeitslosigkeit.«

      Eine unzureichende Gesamt-Nachfrage durch schwache Exporte und Binnennachfrage schaffe die Löcher im Staatshaushalt und in den sozialen Sicherungssystemen, betonte der Wissenschaftler. In dieser Lage produziere die Agenda neue Wachstumsschwäche und Finanzlöcher. Da die Bezieher sozialer Leistungen einen vergleichsweise hohen Konsumanteil hätten, bedeuteten die Kürzungen hier einen direkten Entzug an kaufkräftiger Nachfrage. »Die beschlossene Agenda muss als Problemlöser versagen«, sagte Hickel. Nötig sei ein Richtungswechsel, der Geld- und Finanzpolitik auf die Stärkung der Wirtschaftskräfte ausrichte[B/].

      http://www.waz.de/waz/waz.tdt.php?id=12678&zulieferer=dpa&ca…
      Avatar
      schrieb am 04.06.03 23:38:39
      Beitrag Nr. 3 ()
      Sig,

      du sprichst mir aus der Seele! Nur, was da als Liberalismus verkauft wird ist doch in Wahrheit purer Egoismus.

      Und der wird uns alle umbringen (wirtschaftlich). "Leben und leben lassen" hat mal ein kluger Mann gesagt. Aber das ist leider nicht die Realität. Der Spruch ist verkürzt worden auf "Leben". Leider hat man übersehen, daß nur das Zusammenspiel funktioniert.

      Beispiel Hugo Boss. Läßt in Nordafrika nähen. Ein Hemd kostet keine 15 Euro. In der Herstellung. Und wird hier für 60 Euro verkauft. Eine prima Gewinnspanne. Aber wie lange noch? Meines Wissens nach tragen in Nordafrika relativ wenige Leute Hugo Boss. Wie lange wird es also noch Leute geben, die in ausreichender Zahl diese Hemden kaufen.

      Die Nähereien in Deutschland sind jedenfalls fast alle dicht. Da sind jede Menge Arbeitsplätze auf der Strecke geblieben.

      Beispiel auch die Autoindustrie. Ist ja toll, wenn VW in Tschechien produziert. Und geradezu bekloppt, wenn man sich gleichzeitig über sinkende Inlandsnachfrage beklagt. Nachdem man hier eben die möglichen Arbeitsplätze, und damit mögliches Einkommen, das Konsum erst ermöglicht, aus Egoismus nicht geschaffen hat.

      Und die Logik, man sei zu 50 % vom Export abhängig führt doch zu dem Umkehrschluß, daß man zu 50 % von der Inlandsnachfrage abhängig ist. Weßhalb scheißt man also darauf die Inlandsnachfrage zu stärken und orientiert sich ausschließlich auf Exportchancen.

      Die im übrigen zerplatzen werden wie Seifenblasen. In unserem wichtigsten Exportland USA gehen die Konsumenten inzwischen jedenfalls am Stock. Von der absoluten Marktsättigung mal ganz abgesehen.

      Aber es wird sich nichts ändern. Menschen sind so. Und unsere Politik hat da, wie von dir schon sehr richtig aufgezeigt, völlig versagt!!!

      Mhh, versagt? Ich habe manchmal, nein oft, den Eindruck, die Politik hat sich an die Wirtschaft verkauft.

      Ich hoffe ich irre mich.

      Was kann man tuen, hast du eine Idee?
      Avatar
      schrieb am 04.06.03 23:47:49
      Beitrag Nr. 4 ()
      goldless,

      prima, messerscharfe Analyse.
      Avatar
      schrieb am 05.06.03 00:02:04
      Beitrag Nr. 5 ()
      waldsperling,

      wir scheinen öfter mal die gleichen Ansichten zu haben.

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      Avatar
      schrieb am 05.06.03 01:22:08
      Beitrag Nr. 6 ()
      absoluter verfolgungswahn.

      entweder wir handeln

      oder wir werden behandelt...


      die globalisierung lässt sich keineswegs aufhalten oder zurückdrehn. das ist das spiel. entweder wir spielen mit (und das massiv!) oder wir stecken unsere köpfe in den sand und bauen im traum kleine inseln der seeligen.

      die liberalisierung steht noch am anfang, ein grund zur freude! :)

      wem das nicht gefällt, nordkorea enthält sich dieser tatsache(tipp zum auswandern). mit entsprechenden folgen!

      nord- und südkorea. beste beispiele, perfekt vergleichbar! mich würde EURE meinung interessieren.

      1. in welchem land gibt es den höheren wohlstand?

      2. in welchem land wurde die liberalisierung und globalisierung enorm vorangetrieben?

      bitte um antwort :laugh:
      Avatar
      schrieb am 05.06.03 03:08:24
      Beitrag Nr. 7 ()
      So ein Quatsch.
      Suedkorea hat seine Industrie durch Protektionismus
      und Riesenmonopole aufgebaut.
      Avatar
      schrieb am 05.06.03 10:56:21
      Beitrag Nr. 8 ()
      #6

      Genau so könnte man die ehemalige BRD mit der ehemaligen DDR vergleichen...

      :mad:
      Avatar
      schrieb am 05.06.03 21:31:03
      Beitrag Nr. 9 ()
      Investoren verklagen Argentinien auf Schadenersatz


      Ausländische Investoren und Unternehmen haben Argentinien einem Zeitungsbericht zufolge auf Schadenersatz in Höhe von 2,5 Mrd. Dollar verklagt. Hintergrund sei die Umstellung der Wirtschaft vom Dollar zurück auf den Peso vor eineinhalb Jahren.


      HB/dpa BUENOS AIRES. Insgesamt zehn Klagen, darunter auch der Siemens AG, seien bei einem Tribunal der Weltbank anhängig, berichtete die Zeitung „Clarín“ am Dienstag. Argentinien erholt sich gerade von der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte.

      Die Unternehmen hätten Verluste geltend gemacht, weil der Peso seit Anfang 2002 um 65 % abgewertet worden sei, die Inflation seither 45 % betragen habe und ihnen zugleich eine Anhebung von Gebühren und Preisen untersagt worden sei. Die Unternehmen hatten in den 90er Jahren vor allem in Bereiche der öffentlichen Versorgung wie Wasserwerke, Kraftwerke und Erdgasverteilung investiert, als ein argentinischer Peso per Gesetz einen Dollar wert war.

      Siemens habe wegen der Entziehung eines Vertrages zur Herstellung von Personalausweisen geklagt. Als weitere Kläger wurden die US-Unternehmen Enron, Azurix, CMS Gas und LG&E Energy Corp. genannt. Der Unterstaatssekretär für Justizfragen im argentinischen Wirtschaftsministerium teilte mit, es seien noch 40 weitere Verfahren anhängig, die sich aber noch im Stadium der Verhandlung befänden. Weitere Klagen drohen dem verarmten südamerikanischen Land wegen Einstellung Schuldenbedienung bei privaten Gläubigern."

      [Quelle: handelsblatt.com]

      +++++


      Die Frage ist, verklagen Siemens und die anderen Gläubiger nun auch die USA?

      Mir kommt es bei diesem Artikel auf einen anderen Punkt an.
      Die angesprochene Wirtschaftskrise ist exakt nach dem Beitritt Argentiniens in den IWF ausgebrochen, nachdem man auch dort die von IWF geforderten notwendigen Reformen durchgeführt hatte!
      Nun nachdem Argentinien wieder zu einer eigenständigen Landes und Währungspolitik zurückgekehrt ist beginnt sich das Land langsam zu stabilisieren.
      Sollte das gelingen hätte das Signalcharakter für andere Staaten, da hier der Beweis erbracht würde das die besagten Reformen eigentlicher Auslöser der Probleme waren.
      Man kann die Argentinier nur zu ihrer mutigen Regierung beglückwünschen, die diesen Schritt gegangen
      ist.
      Wenn wundert es also das man nun auch auf dem Klageweg versucht das Land weiter zu destabilisieren.

      SIG
      Avatar
      schrieb am 05.06.03 21:41:19
      Beitrag Nr. 10 ()
      sig,

      treffendes statement zum artikel.:)

      den "aasgeiern" (= pseudo"helfern")) scheint die schon "erlegte beute" (=argentinien) doch noch lebend zu entkommen -wenn auch mit vielen schwersten verletzungen !?

      hoffnung besteht.
      argentinien hat mühsam gelernt -aus dem was uns hier wahrscheinlich erst noch bevorsteht.

      cu
      righntow
      Avatar
      schrieb am 05.06.03 21:50:42
      Beitrag Nr. 11 ()
      Hallo rightnow,
      genau das ist es was ich mit meinen Threads sagen will!
      Jetzt machen wir die notwendigen Reformen um unser Land zu ruinieren.

      SIG
      Avatar
      schrieb am 06.06.03 23:38:31
      Beitrag Nr. 12 ()
      Hallo goldless,
      dein Gefühl trügt absolut nicht im Folgenden etwas zu den wahren Herren in Europa.

      ++++++

      Wer regiert Europa?

      Die Lobbypolitik der europäischen Konzerne in Brüssel

      Beispiel 2: UNICE (Union of Industrial and Employers’ Confederations of Europe)

      UNICE (nicht UNICEF!) – dieses Kürzel dürfte in Deutschland weitgehend unbekannt sein, ebenso wie ERT (im letzten Infobrief vorgestellt) und die weiteren Lobby-Organisationen, die in dem Buch „Europe Inc." der Amsterdamer Gruppe „Corporate Europe Observatory" (Balanyá, Doherty u.a.) als Drahtzieher hinter der pseudo-demokratischen Fassade der EU-Organe entlarvt werden.

      UNICE, der Europäische Arbeitgeber- und Industrieverband, wurde schon 1958 gegründet und vertritt die Interessen ihrer 34 Mitgliedsverbände aus 27 Ländern. „von Irland bis zur Türkei, von Island bis Malta", wie es in ihrer Selbstdarstellung stolz betont wird.

      „Die Konföderation der Multis trägt einen Namen: UNICE", heißt es im Aufruf gegen den Europäischen Wirtschaftsgipfel in Brüssel im Juni 2000, unterzeichnet von verschiedenen belgischen und französischen Initiativen (ATTAC u.a.) sowie dem Netzwerk Euromärsche, die Gegengipfel und Großdemonstration organisierten. Weiter heißt es in diesem Aufruf:

      „ Unter der Flagge von UNICE wollen die europäischen Unternehmen, dass die Regierungen der EU und die Europäische Kommission die sozialen Sicherungssysteme in Stücke hauen; die Krankenversicherung, die Familienbeihilfe, die gesetzliche Rente, die öffentlichen Dienste, die Arbeitslosenversicherung, das Recht auf Arbeit und auf ein existenzsicherndes Einkommen ...

      Sie wollen: Flexibilität, gestutzte Löhne, Ausgrenzung, Senkung von Steuern und Abgaben, und als Krönung die Beibehaltung der Steuerparadiese – eine ständige Steuerflucht. ...



      Aufgepasst: Der prunkvolle Gipfel des Europäischen Unternehmerverbandes UNICE wird vom 9. bis 11. Juni speziell für die Europäische Kommission ausgerichtet. Verführung und Unterwerfung – das ist der Sinn des Duos, das hier mit der Kommission aufgeführt wird. ...."

      Diese Zielsetzungen wie auch den direkten Draht zur EU-Kommission hat UNICE gemeinsam mit dem ERT (European Round Table), der im ersten Teil dieser Folge dargestellt wurde. Beide Organisationen pflegen auch untereinander engen Kontakt und eine gewisse Arbeitsteilung. Während der ERT eher grundsätzliche Vorstellungen und Langzeitperspektiven der Industrie in die Diskussionsprozesse der EU-Gremien einschleust, ist UNICE der offizielle Lobbyverband der Unternehmer – mit „ungehindertem Zutritt zu den EU-Institutionen" (Balanyá u.a.) -, der reaktionsschnell zu jeder Initiative der EU-Gremien Stellungnahmen, Änderungsvorschläge und Forderungen formuliert und verhandelt.

      Eine ihrer besonderen Einflussmöglichkeiten liegt in dem offiziellen Status als einer der EU-Partner im Europäischen Sozialen Dialog (ESD).

      Der Leiter der UNICE PR-Abteilung beschreibt UNICE als eine Art „Industriebetrieb, wo wir Dokumente produzieren" und ... „an Entscheidungsträger verkaufen". „Unser Auftrag ist es, Entscheidungsträger auf europäischer Ebene zu beeinflussen", bekennt er ohne Umschweife (nach Balanayá u.a.).

      Dabei handelt es sich bei dem Brüsseler Sekretariat um einen Betrieb mit nur ca. 40 hauptamtlichen Mitarbeitern unter ihrem derzeitigen Präsidenten George Jacobs (früher IWF);

      es ist die Zentrale eines europaweit verzweigten Netzes aus zahllosen Arbeitsgruppen sowie Hunderten von Experten und Kontaktpersonen der verschiedenen Mitgliedsorganisationen. UNICE arbeitet so effizient, dass der PR-Direktor sagen kann: „Es gibt etwa 19.000 Experten in der Kommission, und wir senden ihnen unsere Position zu jedem nur möglichen Thema, das die Wirtschaft betrifft." (nach Balanyá u.a.). Der Kontakt zur EU-Kommission läuft über regulären Zugang und persönliche Beziehungen. Außerdem sichert UNICE sich ihren Einfluss auf die Regierungen der Mitgliedsstaaten über ihre nationalen Verbände und deren Einwirkung auf den jeweiligen EU-Minister: „Nachdem man an sie alle in der gleichen Weise herangetreten ist, besteht die Hoffnung, dass, wenn sie im Ministerrat zur endgültigen Entscheidung zusammenkommen, sie dem, was die Wirtschaft ihnen erzählt hat, Rechnung tragen werden". (Zitat des ehemaligen UNICE Generalsekretärs Zygmunt Tyskiewicz, nach Balanyá u.a.).

      Weiteres Gewicht gewinnt UNICE über die Kooperation mit anderen europäischen Lobbyverbänden und mit transatlantischen Organisationen (etwa dem Transatlantic Business Dialogue, TABD oder der Transatlantic Economic Partnersphip, TEB). Die Beziehungen zur WTO sind so eng und loyal, dass die Autoren von ‚Europe Inc.’ (Balanyá u.a.) UNICE als „Sir Leon’s Groupies" bezeichnen.



      So funktioniert das also.

      Und welches sind nun die Schwerpunkte und Prioritäten von UNICE?

      Die wichtigsten Zielsetzungen heißen – genau wie beim ERT - : Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion, Osterweiterung sowie Liberalisierung des Welthandels und der Investitionen.

      In diesem Zusammenhang wird der Begriff ‚benchmarking’, verwendet, was so viel bedeutet wie ein systematischer Vergleich aller Wirtschaften in Bezug auf den Zusammenhang zwischen politischen Maßnahmen und Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ziel, von allen das für die Wettbewerbsfähigkeit Optimale zu übernehmen bzw. zu übertreffen. In ihrem Bericht
      „Benchmarking Europe’s Compititiveness: from Analysis to Action" drängt UNICE darauf, die Lücke zwischen Analyse und Handeln zu schließen, und schlägt den Abgleich von 20 Basisbedingungen als Konzept für Wettbewerbsfähigkeit vor, um auf dieser Grundlage endlich zum Handeln überzugehen.

      Einige besondere Anliegen von UNICE sind:



      Volle Liberalisierung der öffentlichen Versorgung und Öffnung des Dienstleistungssektors für mehr Wettbewerb;

      Permanente Verringerung der öffentlichen Ausgaben, vor allem auf dem Gebiet von Altersvorsorge, Gesundheitswesen, Sozialleistungen und Staatssubventionen;

      für die Industrie; scharfe Zurückweisung von Steuererhöhungen für Energie, Kapitalerträge u.ä;

      Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und Senkung der Arbeitskosten;

      Das Projekt Osterweiterung, unter der Voraussetzung, dass die Beitrittskandidaten „in der Lage sind, jeden Aspekt der Binnenmarkt-Gesetzgebung durchzuführen" (Balanyá u.a.)

      Der Vorrang der Liberalisierung vor sozialen und ökologischen Aspekten in der Gesetzgebung; in Sachen Umweltschutz propagiert UNICE die ‚freiwilligen Leistungen der Industrie’; den Einfluss von NGO’s versucht sie durch ‚Vereinnahmung’ zu mindern;

      Besonders energisch betreibt UNICE den Abschluss von Abkommen über Investitionen und über geistige Eigentumsrechte.

      Wie erfolgreich ist UNICE bei der Durchsetzung solcher Ziele? Nach eigener Einschätzung „gibt es zahllose Beispiele von Gesetzgebungen, die entweder ganz und gar verhindert oder sehr wesentlich verbessert wurden aufgrund der Arbeit, die UNICE macht" (Tiskiewitz, zit. n. Balanyá u.a.). Die Autoren Balanyá, Doherty u.a. fassen ihre Einschätzung so zusammen: „Wenn der Erfolg an dem Ausmaß bemessen werden kann, bis zu dem UNICE gleichzeitig die EU-Gesetzgebung zum Vorteil der Industrie beeinflusst und die Versuche von sozialen und ökologischen Gruppen, ihre Themen auf die Tagesordnung zu setzen, vereitelt, könnte man sagen, dass UNICE mit wehenden Fahnen durchkommt."

      Literatur: Belen Balanya, Ann Doherty, Olivier Hoedemann, Adam Ma’anit Erik Wesselius (2000) EUROPE INC: Regional & Global Restructurin and the Rise of Corporate Power. London, Pluto Press

      Internet: "UNICE Brussels June 2000", http://pages.hotbot.com/edu/stop.wto/UNICE.html

      Zusammengefasst und übersetzt von Dörthe Liesegang
      Avatar
      schrieb am 06.06.03 23:55:09
      Beitrag Nr. 13 ()
      Massenkaufkraft stärken ist auch ein Kettenbriefspiel.

      Die Basis für wirtschaftlichen Erfolg liegt in der Bildung und im Know How als Voraussetzung für international wettbwerbsfähige Wertschöpfung. Terms of trade!

      Was verteilt wird muss zunächsteinmal erwirtschaftet werden. Danach kann erst für eine gerechte Verteilung gesorgt werden.
      Avatar
      schrieb am 07.06.03 01:54:56
      Beitrag Nr. 14 ()
      Na Leute hier könnt ihr schon mal einen Blick von der Gegenwart in die Zukunft Deutschlands werfen.
      Einfach das Wort Argentinien durch Deutschland ersetzen.


      +++++


      Die Tango-Krise: Wie lange lässt sich der Volkszorn unterdrücken?

      Neoliberale Sackgasse: Argentiniens Weg in die Wirtschaftskatastrophe

      Jörg Roesler

      Von der argentinischen Polizei verletzte Demonstranten; am 20. Dezember hatten sich tausende Hauptstädter auf dem Plaza de Mayo nahe dem Regierungsgebäude Casa Rosada in Buenos Aires versammelt und den Rücktritt von Präsident de la Rua gefordert. Auch die ersten Tage des neuen Jahres unter dem neuen Präsidenten Duhalde waren bereits von Barrikadenkämpfen überschattet


      Argentinien machte in den letzten Monaten weltweit negative Schlagzeilen:

      Wirtschaftskrise, Generalstreik, Plünderung von Supermärkten, drohender Staatsbankrott, rasch wechselnde Übergangskabinette und Präsidenten. Die Nachrichten sind für den entfernten Beobachter verwirrend. Nur eines ist sehr deutlich: Da entlädt sich mit elementarer Gewalt die Wut des Volkes über eine verfehlte Wirtschaftspolitik und über die für sie verantwortliche politische Klasse.
      Im Falle Argentiniens handelt es sich nicht um eine der Hungerrevolten der »Dritten Welt«. Die Republik am Rio de la Plata hätte vor hundert Jahren niemand mit den Ländern Asiens und Afrikas in einen Zuge genannt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts besaß Argentinien eine prosperierende Wirtschaft und lag noch in den 1920er Jahren, bezogen auf Wirtschaftskraft und Lebensstandard, vor Italien und Japan. Die Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre beutelte allerdings auch den Fleisch- und Getreideexporteur am Rio de la Plata. Die Erfahrung, dass Argentinien als Rohstoffe exportierendes und Industriegüter importierendes Land den USA und Westeuropa wirtschaftlich ausgeliefert war, saß auch während der für Agrarexporte wieder günstigen Jahre des Zweiten Weltkriegs tief.


      Einst getreue Schüler des Mr. Keynes

      Der Mann, der einen Ausweg aufzeigte, war Raul Prebisch, ein argentinischer Ökonom und von 1948 bis 1962 Vorsitzender der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika. Seine aus der staatsinterventionistischen Lehre von Keynes und auch von der Planwirtschaft der Sowjetunion abgeleiteten Vorschläge, wie die in Abhängigkeit (dependencia) von den kapitalistischen Metropolen befindlichen lateinamerikanischen Länder zu einer gesunden Wirtschaft kommen sollten, lauteten: Aufbau eigener Industrien, geschützt durch hohe Importzölle, zur Stärkung des Mittelstandes; Verstaatlichung der »strategischen Sektoren« sowie generelle Hebung des Lebensstandards des Volkes durch Knüpfung bzw. Ausbau des sozialen Netzes. Argentiniens Diktator Perón, 1945 durch einen Wahlsieg der von ihm geschaffenen Gerechtigkeitspartei (Partido Justicialista) und gestützt auf die in seinem Fahrwasser befindlichen Gewerkschaften an die Macht gekommen, ein nationaler Populist (mit Sympathien für die Faschisten in Europa), machte sich die wirtschaftspolitischen Vorgaben seines Landsmannes Prebisch zu eigen, förderte durch hohe Schutzzölle die Industrie, nationalisierte das in ausländischem Eigentum befindliche Eisenbahnnetz ganz und die Grundstoffindustrie zu 60 bis 100 Prozent.
      Weniger mit Juan Perón als seiner Frau Evita in Verbindung gebracht wird die umfangreiche Sozialgesetzgebung, die den argentinischen Werktätigen Krankenkassen, Kündigungsschutz, Urlaub und Altersversorgung brachte. Träger des sozialen Netzes wurden die perónistischen Gewerkschaften. Die Realisierung von Prebischs Vorschlägen sicherte den Argentiniern für drei Jahrzehnte bei gering bleibender Staatsverschuldung wirtschaftliche Prosperität und ein beachtliches Wohlstandsniveau, das 1970 noch 2,3 mal so hoch war, wie der lateinamerikanische Durchschnitt. Als Perón 1955 gestürzt wurde, hatte das keine wirtschaftlichen Ursachen. Unter wechselnden Präsidentschaften, ob durch Militärputsch oder Wahlen an die Macht gekommen, blieb - mit einigen Abstrichen - die unter Perón geschaffene staatsinterventionistische soziale Marktwirtschaft erhalten. Allerdings geriet eines ihrer Elemente, die gemäß der Lehre von Keynes als staatliches Steuerungsinstrument gehandhabte Inflation, mit der Zeit außer Kontrolle. Als sich ab Mitte der 70er Jahre zur steigenden Inflationsrate sinkendes Wirtschaftswachstum gesellte, verloren die Dependenztheorie und die darauf beruhende Wirtschafts- und Eigentumspolitik in Argentinien an Popularität. Anfang der 80er Jahre fasste neoliberales Gedankengut, als Reagonomics in den USA und Thatcherismus in Großbritannien, aber auch in Chile unter Pinochet bereits zur Wirtschaftsdoktrin erklärt, auch in Argentinien Fuß.
      Die Anhänger des Neoliberalismus begannen die argentinische Wirtschaft als »Sozialismus ohne Pläne und Kapitalismus ohne Märkte« zu diffamieren. Jedoch wagten zunächst weder die ansonsten keineswegs zimperlichen Militärdiktatoren noch ihr bürgerlich-liberaler Nachfolger Alfonsin mehr als zaghafte Schritte zum Abbau des »nationalen Wirtschaftssystems« zugunsten einer »Öffnung zum Weltmarkt«. Allzu stark - und streikbereit - waren die perónistischen Gewerkschaften. Derjenige, dem es dann gelang, den Gewerkschaften immer wieder Konzessionen abzuringen, war der 1989 zum Präsidenten gewählte Carlos Menem, selber Perónist und quasi parteipolitischer Vorgesetzter der Gewerkschaftsbosse. Von Menem erwarteten besorgte Bürger eine Verringerung der Staatsverschuldung, die sich unter den Militärs auf 46 Milliarden US-Dollar und unter Alfonsin auf 60 Milliarden Dollar erhöht hatte. Das Volk forderte vor allem ein Ende der inzwischen galoppierenden Inflation. Menem überließ, beraten vom IWF, diese Aufgaben dem Leiter eines privaten Wirtschaftsforschungsinstituts aus der argentinischen Provinz, dem promovierten Havard-Ökonomen Domingo Cavallo. Der versprach, die Inflation in Argentinien zu beseitigen. Zu diesem Zweck band er den Peso an den Dollarkurs. Diese Maßnahme war Bestandteil seiner Schocktherapie, mit der Cavallo innerhalb weniger Jahre alles ausmerzte, was die argentinische Wirtschaft seit Perón charakterisiert hatte: Die Industrieschutzzölle mussten einer rigorosen Öffnung des Marktes weichen, die Staatsunternehmen wurden in einer radikalen Privatisierungskampagne regelrecht verschleudert, die staatliche Kontrolle wich einer umfassenden Deregulierung. Argentinien avancierte zum Musterschüler des IWF. Die Öffnung der Wirtschaft lockte ausländische Investoren herbei. Von 1991 bis 1994 wuchs diese daraufhin um über 7 Prozent jährlich. Doch es war keine Gesundung von Dauer. Als die Staatsbetriebe ausverkauft waren und die Preise für Agrarexportgüter wieder sanken, sackte auch das Wirtschaftswachstum erneut ab und ließ sich bald nur noch durch erneute Kredite aufrechterhalten. 1996 belief sich die Staatsverschuldung auf 200 Millionen US-Dollar.


      Die knebelnden »Hilfspakete« des IWF

      Im jenem Jahr hatten auch die Gewerkschaften den Schock überwunden, der davon rührte, dass der Chef »ihrer« Partei eine Wirtschaftspolitik betrieb, die ein deutliches Absinken der Reallöhne und ein Emporschnellen der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung auf 23 Prozent mit sich brachte, und streikten. Noch galt der Volkszorn nicht dem perónistischen Präsidenten, sondern Wirtschaftsminister Cavallo, dessen Entlassung erzwungen wurde. Aber im Herbst 1999, als das unzureichende Wirtschaftswachstum in eine Rezession überging, hatte auch Menem alles Vertrauen verspielt. Die Perónisten erlebten das schwerste Wahldebakel ihrer Geschichte. Die Arbeiter hatten sich von ihnen ab- und Fernando de la Rua von der bürgerlich-demokratischen »Allianz« zugewandt, der im Wahlkampf immer wieder betont hatte: »Ich stehe für den Wechsel, den das Volk will.«
      Doch für eine aktive Konjunkturpolitik fehlten dem ab Dezember 1999 regierenden de la Rua angesichts durch die Wirtschaftskrise sinkender Staatseinnahmen und zunehmender Zins- und Tilgungslasten die Mittel. Es blieb ihm nichts weiter übrig, als sich um Finanzhilfe an den IWF zu wenden. Der machte für seinen bisherigen Musterschüler Argentinien fast 40 Milliarden Dollar locker, gebunden allerdings an weitere Privatisierungsforderungen, diesmal das Rentensystem und die Krankenversicherung betreffend. Die so teuer erkauften Milliarden konnten aber von der Regierung kaum dazu verwandt werden, aus der Krise herauszukommen. Sie hatten in erster Linie ein Brüchigwerden der Kreditkette zu verhindern.
      Im April 2001 war de la Ruas »neue« Wirtschaftspolitik dann auch am Ende. Er holte den 1996 vom Volk davon gejagten Cavallo in die Regierung zurück, der, neoliberalen Grundsätzen getreu, für den Staatshaushalt im Sommer 2001 eine »Null-Defizit-Politik« durchsetzte, was u.a. Kürzungen der Gehälter der Staatsangestellten um 10 Prozent und eine Verringerung der Renten um 13 Prozent bedeutete. Als die neoliberale Sparpolitik angesichts von Generalstreiks der Gewerkschaften und mangelnder Kooperation der Provinzgouverneure nur teilweise gelang, verweigerte der IWF Argentinien die Auszahlung fälliger Tranchen des »Hilfspakets« und brachte das Land am Rio de la Plata im November 2001 an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Im Dezember stürzten sowohl Cavallo als auch de la Rua, die dem Land kein Ende der Wirtschaftskrise, wohl aber ein weiteres Ansteigen der Schulden auf 320 Millionen US-Dollar gebracht hatte. Die Dezemberunruhen offenbarten nicht nur den Bankrott des von Menem durch- und von de la Rua fortgesetzten neoliberalen Wirtschaftskurses. Sie haben auch zu einer politischen Krise geführt, da sich Argentiniens mehrheitsfähige Parteien bzw. Parteienbündnisse an ihm verschlissen haben. Es gelang der politischen Klasse Argentiniens dieses Mal nicht, das »Krisenmanagement« von 1989 bzw. 1999 (Opposition übernimmt, verspricht Kurswechsel und führt, mit Ratschlägen und »Hilfspaketen« des IWF, die neoliberale Politik fort) erfolgreich anzuwenden. Das Volk misstraut nun auch der Opposition.
      Die perónistischen Führer, ob der nach wenigen Tagen zurückgetretene Rodriguez Saa oder der nunmehr amtierende Eduardo Duhalde, agieren in einer fast ausweglosen Situation. Sie können entweder versuchen, mit Argentiniens Gläubigerländern und -institutionen über eine Aussetzung oder Verminderung der Schulden zu verhandeln und müssen dabei entsprechend der neoliberalen IWF-Philosophie dem aufgebrachten Volke neue Sparpakete auferlegen, oder sie versuchen, die Massen zu beruhigen, durch Erhöhung der Staatsausgaben Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft anzukurbeln - gemäß den Keyneschen Prinzipien des »deficit spending« und der staatsinterventionistischen Krisenbekämpfung (»antizyklische Konjunkturpolitik«), womit sie allerdings den Zorn der internationalen Finanzwelt auf sich ziehen werden.
      Als gewiefte Politiker haben Saa und Duhalde das eine verkündet und das andere nicht ausgeschlossen. Doch beide Strategien gleichzeitig zu verfolgen, das hatten bereits de la Ruas erste Monate im Amt gezeigt, ist nicht möglich. Er musste sich bereits nach kurzer Zeit festlegen und entschied sich zu Gunsten einer Zusammenarbeit mit dem IWF, damit für weitere Sparmaßnahmen und auch für die Fortsetzung des unter seinem Vorgänger bereits betriebenen Lebensstandard- und Sozialabbaus unter den ärmeren Bevölkerungsschichten bis in den Mittelstand hinein.
      De la Rua hätte sich dabei darauf berufen können, dass so wie er auch die Regierungschefs jener »asiatischen Tigerländer« gehandelt hatten, die 1997/98 von der Asienkrise betroffen waren. Fast ausnahmslos folgten sie den Ratschlägen des IWF. Um aus der Krise herauszukommen verordneten sie ihren Wirtschaften neoliberale Reformen. Die führten z.B. beim IWF-Musterschüler Südkorea bereits 1999 wieder zu einem bemerkenswerten Wirtschaftswachstum (9 Prozent), und die Aktienkurse an den Börsen stiegen zwischen Mitte September und Mitte Dezember 2001 in Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur und Thailand kräftig an. Im sozialen Bereich fand jedoch in den »Tigerländern« Südost- und Ostasiens keine Erholung statt. Die während der Krise gesunkenen Löhne stiegen kaum wieder an, die Arbeitslosigkeit verharrte auf hohem Niveau, und auch die Lage des gewerblichen Mittelstands blieb fragil. Die eigentlichen Nutznießer des neoliberal definierten Aufschwungs in Asien waren die ausländischen Unternehmen, die sich zu günstigen Preisen in die Wirtschaft der lahmenden »Tigerstaaten« einkaufen konnten.
      Deutliche Kritik an der Politik des IWF während der Asienkrise hat im August 2000 der frühere Vizepräsident der Weltbank und IWF-Kenner, der US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger 2001 Jospeh Stiglitz, geübt. Mit der den krisengeschüttelten asiatischen Ländern 1997 verordneten strikten Sparpolitik habe der Währungsfonds u.a. Südkorea und Indonesien zu unsinnigen Sparanstrengungen gezwungen und deren Wirtschaften großen Schaden angerichtet.
      In Argentinien, dem gegenüber der IWF im Jahre 2000 das gleiche Rezept anwandte, weichen die Ergebnis der Sparpolitik insofern von denen Ostasiens ab, als die sozialen Auswirkungen auf Volksmassen und Mittelstand noch verheerender waren, während ein Wirtschaftswachstum gar nicht eintrat.
      Der IWF und die USA sind in Argentinien daran interessiert, dass wie in Ost- und Südostasien 1997 die Krise nach Mustern, die sie entworfen haben, bekämpft wird. Deswegen lassen sie Verständnis für das zeitweilige Aussetzen von Schuldenzahlungen durch die Regierung erkennen. Es gibt des Weiteren drei Gründe, warum sich IWF und USA erst einmal großzügig zeigen:
      Erstens war Argentinien unter Menem der Musterschüler des IWF, der Staat, welcher die in den 90er Jahren vom Währungsfonds entwickelte »neue Finanzarchitektur« als erster konsequent verwirklichte. Macht Argentinien weiterhin durch Wirtschaftskrise und politisches Chaos Schlagzeilen, dann beeinträchtigt das auch das Image des IWF.
      Zweitens könnte sich die Wirtschaftskrise in Argentinien negativ auf die Wirtschaft der südamerikanischen Nachbarn auswirken. Diese Gefahr besteht vor allem für die mit Argentinien im »Gemeinsamen Markt des Südens« (Mercosur) zusammengeschlossenen Staaten Brasilien, Uruguay und Paraguay. »Die argentinische Krise bremst Brasiliens Wirtschaft«, titelte schon im August 2001 die »Financial Times« besorgt. Das ökonomisch wichtigste der Mercosur-Länder hatte sich im Frühjahr 1999 nur durch die Freigabe der Landeswährung und deren massive Abwertung vor einem wirtschaftlichen Einbruch bewahren können. In einer Wachstumsrate zwischen ein und zwei Prozent zeigte sich Brasiliens wirtschaftliche Verwundbarkeit auch 2001. Noch schwerwiegender waren für die Brasilianer die sozialen Folgen. Die arbeitende Bevölkerung wehrt sich durch Proteste und Streiks, u.a. bei VW Brasil. In Brasilia verlangte eine Abordnung der Protestierenden vom Präsidenten der Zentralbank die Veröffentlichung der jüngsten Verträge, die Brasilien mit dem IWF abgeschlossen hat. Sollte Brasiliens schwächelndes Wirtschaftswachstum Opfer der »argentinischen Krankheit« werden, dann dürften derartige Forderungen lauter werden.
      Drittens könnte, sofern der IWF nicht deutliche Zugeständnis macht, der argentinische Präsident Duhalde, dessen Amtseinführung von gewaltsamen Demonstrationen begleitet war, vielleicht doch zu der Auffassung gelangen, dass der Unwille des IWF bzw. der USA das geringere Übel ist gegenüber einem Volkszorn, der innerhalb weniger Wochen zwei argentinische Präsidenten zum Amtsverzicht zwang. Widerstand gegen die »Hilfspakete« und Sanierungspläne des IWF ist zwar im letzten Jahrfünft selten gewesen, aber doch vorgekommen. Als einziges der »Tigerländer« wagte Malaysia 1998 den Versuch, Wirtschaft und Finanzen des Landes entgegen den Rezepten des IWF zu sanieren. Strikte Kontrollen wurden für die Kapitalmärkte angeordnet, um den Verfall der Landeswährung zu stoppen und Spekulanten von der Börse in Kuala Lumpur zu verdrängen. Dem ins Ausland geflüchteten Kapital wurde eine Frist gesetzt, bis dahin es zurückzukehren hatte, wenn es nicht als illegal gelten wollte. Als sich die malaysische Wirtschaft stabilisierte und auch die politischen Gegner des autoritär regierenden Premier Mahathir im Lande nicht zum Zuge kommen konnten, war man beim IWF bestrebt zu verhindern, dass die erfolgreiche »Abweichung« vom IWF-Rezept allzu publik wurde.


      http://www.geocities.com/kleineba/Edit8.htm

      ++++

      Nun wie der Fall Argentinien letztendlich ausgegangen ist steht in Posting Nr.9
      Avatar
      schrieb am 07.06.03 10:09:16
      Beitrag Nr. 15 ()
      @ Sig

      das Problem ist doch, dass bestimmt 80% unserer Bevölkerung davon keine Ahnung haben, weil, woher auch, die Medien bringen doch nichts über die wahren Ursachen und wie diese Organisationen geführt werden.

      Die ganzen Streiks, die weltweit stattfinden Frankreich, Österreich, ich habe kaum was in den Nachrichten davon mitbekommen. Es wird doch von den Medien in Deutschland totgeschwiegen, die ganzen weltweiten Probleme, die der Kapitalismus mit sich bringt und dass es der Kapitalismus ist,so wie er jetzt praktiziert wird, der das Unheil anrichtet.

      GATTS, UNICE, IWF, WHO, sind alles Einrichtungen, um die Kapitalisten zu schützen und deren Vorteile durchzusetzen.

      Sie sind alle negativ für die Arbeiterklasse !!!

      Die Zentralbanken haben in all den Jahren die Geldmenge ausgeweitet, wovon die Arbeiterklasse nichts hatte. Wenn Löhne gezahlt werden, die es schon vor zwanzig Jahren gab und gleichzeitig die Vermögenden immer reicher wurden, dann weiß man doch, wo diese Geldmenge der Zentralbanken hingeflossen ist.

      Und solange die Mehrheit der Bevölkerung im "Schlummerschlaf" liegt, wird sich auch nichts rühren.

      Erst wenn es so richtig zur Sache geht, wie Argentinien z.B. dann werden sie aufwachen. Ich hoffe es ist bald soweit.

      In allen Ländern fängt die Lunte an zu brennen, weil der Zinseszins nicht mehr bedient werden kann. Weil der Zinseszins es ist, der die Kürzungen von Staatsausgaben verlangt, um diesen zahlen zu können. Weil er es ist, der die Arbeitsplätze vernichtet.

      gjauch
      Avatar
      schrieb am 07.06.03 10:35:41
      Beitrag Nr. 16 ()
      Es existiert gar nicht

      Kampf der Matrix in der Politik / Von Timothy Garton Ash



      Sieht ganz so aus, dass wir doch in einer „Matrix“ leben. Wohin wir auch unsere Aufmerksamkeit lenken, wir stoßen auf eine Politik der künstlichen Wirklichkeit, die jener des Kultfilms ähnelt. Können wir, einfache Bürger, uns überhaupt noch von dem System abstöpseln und gegen es kämpfen?


      Greifen wir nur drei Geschichten heraus, auf die sich die Medien diese Woche warfen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass wir in den Krieg gegen Saddam auf der Basis von anglo-amerikanischen Geheimdienstberichten gezogen sind, die (im besten Fall) politisch fahrlässig verwertet oder (im schlechtesten Fall) schlicht gefälscht waren. Beim Treffen der führenden Politiker der Welt in Evian inszenierten Bush und Schröder vor den Kameras eine Show des gegenseitigen Anlächelns, das so ziemlich das exakte Gegenteil des wahren Verhältnisses der beiden widergab. Und die konservative britische Presse malt das Bild eines europäischen Superstaats aus, der wie eine Dampfwalze die Länder plattdrückt – ein Bild, das die Realität des Geschehens beim Verfassungskonvent in Brüssel etwa so genau spiegelt wie eine Skulptur von Salvador Dalí eine simple Bratpfanne.


      Diese systematischen Versuche, die meisten Leute die meiste Zeit für dumm zu verkaufen, werden von einigen der intelligentesten, bestinformierten und höchstbezahlten Männern und Frauen der westlichen Gesellschaften unternommen: Spin-Doktoren, PR-Beratern, Ghostwritern und Geheimagenten. Wie jenes Parteimitglied O’Brien in George Orwells „1984“ wissen sie natürlich, was sie tun. Die Fotografien, Tonbandmitschnitte und Transkripte, die die öffentlich aufgestellte Behauptung widerlegen, kennen sie, aber diese Beweise haben sie – wie O’Brien – tief im schwarzen Loch ihres Gedächtnisses versenkt. „Asche“, bemerkte er, „noch nicht einmal identifizierbare Asche. Staub. Es existiert gar nicht. Es hat nie existiert.“


      In diesem Jahr, das Orwells hundertsten Geburtstag feiert, verpflanzt uns der „Krieg gegen den Terrorismus“ auf gänzlich unerwartete Weise in eine Orwellsche Welt. Man machte uns weis, dass geheimdienstlichen Erkenntnisse uns Ozeanier (Amerika, Großbritannien, Australien) in den Krieg gegen den Irak (Orwells Eurasien) zwingen. Zu den stärksten Passagen in Blairs machtvoller Rede im Unterhaus, mit der er den Krieg rechtfertigte, gehörte seine Rhetorik des „Ich weiß ... Ich weiß ...“, mit der er seine Behauptung unterstrich, dass mittlerweile eine Reihe von Diktaturen „unmittelbar vor dem Besitz einsatzfähiger Nuklearwaffen“ stünden – auch wenn diese Kenntnisse leider kein Normalbürger überprüfen könne.


      Unsere große Mission


      Ich glaube nicht, dass britische Geheimdienste oder auch deren Koordinatoren und Kontrolleure im „Joint Intelligence Committee“ den Premierminister vorsätzlich mit falschen Berichten versorgt haben. Sie müssen nun einmal warnen. Und warnen, das bedeutet, dass die Agenten – zumal bei Bedrohungen, die von Diktatoren oder Terroristen ausgehen, die Massenvernichtungswaffen besitzen – dass also diese Agenten „worst-case“- Szenarien voraussehen müssen, selbst wenn sie sich nur auf eine einzige Quelle stützen können. Ebenso wenig glaube ich, dass Tony Blair bewusst falsche Erklärungen abgab. Ganz so sicher bin ich mir allerdings nicht, was die beiden Büros des Pentagons betrifft, das Büro für „Spezielle Pläne“ und jenes für „Strategischen Einfluss“. Und ins Feuer legen würde ich meine Hand auch nicht für jene Spin-Doktoren, die das zweite „Downing Street Dossier“ angefertigt haben.


      Keiner kann mehr die Augen davor verschließen, dass sich die demokratische Politik des 21. Jahrhunderts in einer Medienwelt der virtuellen Realität entfaltet, in der Auftritt und Schein den Vorrang vor der Wirklichkeit genießen. Das zeitgemäße Genre der Politik ist weder das Faktum noch die Fiktion, sondern die „Faktion“: Dokumentieren und Dramatisieren in einem, rund um die Uhr. Es ist nicht die Welt des Newspeak, sondern der News- Konzerne. Und sie wird nicht beherrscht von einer totalitären Bürokratie, sondern von einem vertraulichen, habituellen Zusammenspiel von Politikern, Spin-Doktoren, PR-Experten und Journalisten der Medienkonzerne, ein Spiel, das in London so funktioniert wie in Berlin, Paris oder Washington. Auf der Website von Rupert Murdochs News Corporation (www.newscorp.com) findet sich das Manifest der großen Mission:„So wie unsere Unternehmen die Welt umspannen, umspannt unsere Vision Kunst und Humor, Kühnheit und Mitgefühl, Information und Innovation ... Jeden Tag erfüllen unsere Autoren und Schauspieler, Drucker und Hersteller, Reporter und Direktoren, indem sie Hunderte von Millionen Leute unterhalten und aufklären, unsere Mission“. Aufklärung, in der Tat.


      Auf diese Weise wird das kleine geheimdienstliche Indiz, auf das ein einsamer Mitarbeiter des Büros in Bagdad vielleicht nur in einer Nebenbemerkung das Pentagon, den CIA oder das MI6 hinweist, aufgebauscht und zu den Spin-Doktoren der Regierungschefs hochgeredet, wo es mächtig angereichert wird, um es von hier auf die sensationslüsterne Titelseite eines Millionen-Boulevardblattes zu schaffen. Am Ende der Nahrungskette steht alles andere, nur nicht mehr das ursprüngliche kleine Indiz. Aus dem Faktum wurde Faktion.


      Gibt es ein Mittel gegen diese Matrix des realen Lebens? Im Prinzip nur das schlichteste: finde die Fakten und berichte sie. „Die Tatsachen“, proklamierte der große amerikanische Journalist Isador F. Stone, „die Tatsachen sind subversiv“. Die Tatsachen, nicht die Wahrheit – wer kennt die letztere schon? Darum traf es alle, die noch an die amerikanische seriöse Presse als Leitstern in der Dunkelheit glaubten, so hart, dass auch in der New York Times – wohl die beste Zeitung weltweit, die gegen Geld zu tauschen ist – Geschichten erfunden werden.


      George, Gerhard, Jacques, Doris


      Wie auch immer, der Trend in den Medien und der Politik entfernt sich von den Fakten, hin zu einer Neo-Orwellschen Welt der fabrizierten Wirklichkeit. Das ist nicht dasselbe wie eine Welt der Lügen, wenn es ihr auch nahe kommt. Auf dem Gipfel in Evian trat zum Beispiel Schröder auf die Hotelterrasse, auf der sich soeben – eher linkisch und ver legen – Bush und Chirac unterhielten. Schröder sprach in sein Handy. Schließlich reichte er es Chirac mit dem Signal weiter, es handle sich um einen bedeutenden Anruf; Chirac trat mit dem Telefon zur Seite. Bush blieb nun keine andere Wahl als gemeinsam mit Schröder, dessen forciert aufforderndes Lachen im weitem Umkreis unüberhörbar war, im freundschaftlich anmutenden Gespräch gesehen zu werden. So kam Schröder zu seinem „Deutschland-und-die- USAturteln-wieder-miteinander-Foto“ in den deutschen Medien des nächsten Tages. Später stellte sich heraus, dass der Anrufer mit seiner weltpolitisch so dringlichen Botschaft für Chirac ...Schröders Frau Doris war. Reinste Bühnenshow. Leute in einer Position, die es wissen müssen, vertrauen einem an, die Wahrheit hinter dem Bild sei, dass Bush es Schröder auf Dauer übel nehme und niemals verzeihen werde, dass dieser ihm zur Irakfrage ein persönliches Versprechen gegeben habe.


      „Zwei Millionen Arbeitsplätze gefährdet“, trompetete die Sun am Dienstag, den 27. Mai. „Die EU ist darauf aus, unsere Wirtschaft zu kapern. “ Und so wurde diese „news story“ eingeleitet: „Sollte Tony Blair, befürchtete man gestern Abend, das neue Vertragswerk mit der EU unterzeichnen, werden zwei Millionen Arbeitsplätze verloren gehen.“ Weiter hinten in der Ausgabe war dann für die, die es bis dahin schaffen, zu lesen, dass diese Zahl von zwei Millionen nichts als eine Vermutung des euroskeptischen Ökonomen Patrick Minford ist. Willkommen in einer weiteren Ecke der Matrix.


      Und so geht es weiter. Der beste Ort, den Kampf gegen das Neo- Orwellsche Universum aufzunehmen, sind die Medien. Werden Sie also Journalist, wenn Sie in den Kampf einsteigen möchten. Die Fakten finden und berichten, nicht mehr, nicht weniger. Wie Orwell.


      Der Autor lehrt Zeitgeschichte an den Universitäten Oxford und Stanford.


      Deutsch von Heiner Berger




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