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    ACHTUNG SATIRE!! SOEBEN BEIM SURFEN "INS AUGE GEFALLEN" - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 22.01.02 23:27:21 von
    neuester Beitrag 23.01.02 11:47:57 von
    Beiträge: 4
    ID: 538.784
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      schrieb am 22.01.02 23:27:21
      Beitrag Nr. 1 ()
      stand auf der homepage von herne


      Copyright by Ulla Dickneite, Große Marktstr. 1, 58239 Schwerte
      Fon/Fax: 0 23 04 / 23 90 19

      Last Minute


      Nein, ich bin nicht schuld. Auch wenn Mutter nie mehr mit mir sprechen wird, weil ich wieder einmal ihre Erwartungen nicht erfüllt habe, diesmal mache ich mir keine Vorwürfe.
      Und ich sage Ihnen, das ist so wohltuend und befreiend, denn seit meiner Geburt quälen mich Schuld und Versagen. Wie die Schuld an Mutters hängender Brust.
      Hätte sie mich damals nicht gestillt, dann wäre ihre Brust straff geblieben. Vater hätte kein Bedürfnis verspürt, der Chefsekretärin auf dem Betriebsfest an die Wäsche zu gehen, was seinem Chef gar nicht passte und Mutter auch nicht. Er verlor den Job, ich den Vater - und wer war schuld? Ich natürlich. Das gestörte Verhältnis meiner Mutter zu ihrer Brust übertrug sich auf mich. Ich fasste meine nur ungern an. Und deshalb übersah ich die verräterischen Zeichen. Als ich endlich zum Arzt ging, war es viel zu spät.
      "In diesem Stadium kann ich leider nichts mehr für Sie tun," sagte er. Außerdem sei sein Schmerzmittelkontingent durch die Budgetierung für die nächsten drei Jahre ausgebucht. Ich käme auf eine Warteliste, aber wahrscheinlich wäre ich längst tot, wenn ich Anspruch auf meine erste Morphiumspritze hätte. Ich bin eine unbedeutende Rechtsanwalts- und Notariatsgehilfin. Ich habe nichts, womit ich die Schmerzmittel hätte bezahlen können, und ich fürchtete mich entsetzlich davor, so elend zugrunde zu gehen wie meine Freundin Kathrin.
      Ich wollte mich selbst umbringen. Aber wie? Es sollte nicht weh tun, und es sollte keinen Dreck machen. Insgeheim hegte ich die Hoffnung, als Selbstmordkanditatin in die Psychlatrie eingewiesen zu werden, um in den Genuss von Psychopharmaka zu kommen. Aber meine Hoffnung zerschlug sich schnell. Niemand interessierte sich für meine Selbstmordabsichten, denn die Aufnahmekriterien für organisch unheilbar Kranke waren im Rahmen der Kostendämpfung streng reglementiert worden.
      Ich suchte im Internet nach Hilfe und fand die Web-Site www.Freitod.de mit einigen Tipps: Freitod ohne Schmerzen, Freitod mit bekanntem Partner, Freitod mit unbekanntem Partner. Die letzte Möglichkeit: "Mit Hängen und Würgen, Gift oder Strick", kam für mich natürlich nicht in Frage.
      Ich klickte die erste Möglichkeit an. - Selbstmord ohne Schmerzen und fand einen Hinweis auf die Firma "Last Minute." Das Angebot war absolut verlockend, denn ich brauchte mich gar nicht selbst umzubringen.
      "Last Minute" ist eine TV- Produktionsgesellschaft. Sie bieten unheilbar Kranken an, bis zum Zeitpunkt des Todes alle Kosten für Schmerzmittel und aufwendige Behandlungen zu übernehmen, wenn der Kranke sich damit einverstanden erklärt, dass seine letzten Minuten live vom Fernsehen übertragen werden. Aber es gibt Bedingungen. Man darf nicht älter als 42 sein, muss ein telegenes Äußeres besitzen und ein ärztliches Gutachten vorlegen, in dem bestätigt wird, dass die Krankheit wirklich nicht heilbar ist.
      Ich bewarb mich und wurde sofort zum Casting eingeladen. Der Regisseur war begeistert. "Sie sind die perfekte Kandidatin," sagte er.
      Ich sah recht frisch aus, die Haare waren mir nicht ausgefallen, weil die Krankenkasse wegen zu erwartender Erfolglosigkeit die Chemotherapie abgelehnt hatte. Und ich war gerade 39 geworden.
      "Dass Sie es an der Brust haben, ist geradezu genial," sagte der Produzent, "denn das Thema `Brust` wird viele Kosmetikfirmen in die Werbeblöcke locken."
      Wir gingen Punkt für Punkt den Vertrag durch.
      Ich erklärte mich damit einverstanden, dass meine letzten Minuten in der Totalen, Halbtotalen und einer 25 sekündigen Nahaufnahme gefilmt werden durften. Im Gegenzug dazu konnte ich mir die Bettwäsche fürs Sterbebett aussuchen, ich durfte entscheiden, welche Blumendekoration ich wollte und selbstverständlich lag auch für mich ein Designernachthemd bereit. Aber das Wichtigste: Es gab Schmerz-und Beruhigungsmittel, soviel ich brauchte.
      "Sie werden nicht viel mitkriegen," sagte der Tele-Arzt zuversichtlich. "Es wird ein für Sie angenehmer, schmerzloser Tod." Zunächst drehte "Last Minute" eine mehrtellige Doku-Soap über mein Leben. Mutter war hinreißend, sie weinte so echte Kullertränen vor der Kamera, dass jeder am Set mitheulen musste. Aber die Einschaltquoten stiegen erst rapide an, als mein Zwergkaninchen Hermann vorgestellt wurde. Mir machten die Dreharbeiten richtig Spaß; am Set waren alle freundlich zu mir, ich bekam, was ich brauchte, der Arzt spritzte mir täglich Beruhigungsmittel. Als es mir von Folge zu Folge immer schlechter ging, kamen neue Zuschauer hinzu. Mit der Episode "Was wird aus Hermann" haben wir sogar "Wetten Dass" geschlagen.
      Drei Tage später zeigte mein Blutbild katastrophale Werte. Der verantwortliche Redakteur hielt Sendeplätze frei, damit wir jederzeit auf Sendung gehen konnten.
      Draußen bildeten sich Fan Clubs. Täglich besuchten Hunderte das Studiogelände des Senders und hielten Transparente hoch. "You never walk alone", stand drauf Das Merchandising - Geschäft mit bedruckten T-Shirts, Kaffeebechem, kleinen Särgen und Aufklebern lief auf Hochtouren.
      Übers Internet kamen über 16.800.000 Adoptionsanträge für Hermann an - ein Riesenerfolg. Dann war es soweit: Der Arzt bescheinigte dem Sender, dass es sich nur noch um Tage handeln würde. Der Moderator und der Femsehpfarrer wichen nicht mehr von meiner Seite.
      Mir war ganz schön mulmig, weil wie soll ich sagen, ich konnte mir ja noch nicht mal vormachen, dass es mich nicht trifft...Alle Aktionen um mich herum sprachen eine eindeutige Sprache.
      Zum Beispiel die ersten Probedrehs in meinem Sterbezimmer. Ich wurde zuerst in der Maske aufwendig geschminkt, die Kostümbildnerin zog mir das todschicke weiße Spitzennachthemd an, dann legte ich mich in das komfortable französische Bett, eingehüllt von weißer Satinbettwäsche, um mich herum weiße Chrysanthemen, rosa Rosen und zarte pinkfarbene Schleier. Mindestens 20 Kameras waren auf mich gerichtet, immer be- reit, falls der Ernstfall eintrat. Es war heiß im Bett, von den Scheinwerfern. Immer wieder musste die Maskenbilderin mein Gesicht nachpudern, weil es so glänzte.
      Das ärztliche Bulletin wurde viertelstündlich auf der Videotextseite 234 und im Internet veröffentlicht.
      Der Arzt rechnete jede Minute mit meinem Ende. Der Sender unterbrach eine Comedy-Serie, weil die Geräte einen akuten Blutdruckabfall meldeten.
      Ich bekam nicht viel davon mit, ich schwebte irgendwo, zwischen Himmel und Erde und dachte, na so schlimm ist es ja gar nicht.
      Mein Blutdruck stabilisierte sich. Ich hörte von Ferne ein ärgerliches Gemurmel, weil die Einschaltquote ein wenig abflaute. "Es dauert zulange" flüsterte der Regisseur.
      Der Zeitdruck war nicht ganz unbegründet, denn alle anderen Sender hatten die besten und teuersten Spielfilme für diesen Tag gebunkert, und der DFB hatte extra das Spitzenspiel der 2. Bundesliga BVB gegen Schalke auf diesen Tag gelegt und die Übertragungsrechte meistbietend verkauft.
      Doch die Zuschauer blieben uns treu.
      Das Handy des Produzenten klingelte unentwegt, die Werbefirmen erkundigten sich nach dem neusten Stand und waren entzückt, als sie die Quote hörten: Über 40.000.000 Zuschauer, das war in der deutschen Fernsehlandschaft einzigartig.
      Je weiter die Zeit fortschritt, desto weniger switchten die Zuschauer zwischen den Sendern hin und her - den ganzen Tag, die folgende Nacht und den nächsten Tag. Die Leute gingen nicht zur Arbeit, oder sie nahmen sich kleine tragbare Fernsehgeräte mit, die Kaufhäuser gegen eine enorme Leihgebühr ausgaben. Wo kein Fernseher aufzutreiben war, hingen die Leute am PC.
      Der Dax machte eine rasanten Sprung nach oben, weil der Sender genau an diesem Tag an die Börse ging. Die Aktien waren 200 fach überzeichnet, eine Sensation. Die Analysten sprachen von einer hochexplosiven Stimmung, die den Euro entweder nach oben puschen oder aber einen Zusammenbruch hervorrufen konnte. Ausschlaggebend sei der Zeitpunkt meines Todes, und der müsse möglichst vor Börsenschluss erfolgen.
      Als deutlich wurde, dass nicht nur Europa sondern auch Amerika am Netz hing, um meine "Last Minute" mitzuerleben, sprach der Bundeskanzler in einer aktuellen Fernsehansprache tief bewegt von einem Tag, den Deutschland nie mehr vergessen dürfe, denn es hätte sich doch gezeigt, dass die Investitionen in die Technologie der Zukunft den Standort Deutschland in einer Weise gestärkt hätten, die alle Miesmacher und Skeptiker Lügen strafe.
      Tja, so war das. Die ganze Aktion übertraf sämtliche Erwartungen. Der Sender und "Last Minute" hatten es in ihren kühnsten Träumen nicht einmal gewagt, sich diesen Erfolg vorzustellen - bis auf eins:
      Ich blieb hartnäckig am Leben. Keine "Last Minute," kein Tod, ganz im Gegenteil, es ging mir von Tag zu Tag besser.
      Nach einer Woche erlahmte das Zuschauerinteresse, böse Anrufer unterstellten dem Sender Betrug, und nach einer weiteren Woche kippte die Stimmung vollständig. Alle Medien fielen über den Sender her. Es sei Zeit für eine Kontrolluntersuchung, forderten sie. Möglicherweise habe ich die Erkrankung nur vorgetäuscht und gemeinsame Sache mit dem Frauenarzt und dem Sender gemacht.
      Sie glauben nicht, was da los war.
      Als die Morddrohungen kamen, schickte mich der Sender nach Hause, weil man nicht mehr für meine Sicherheit garantieren konnte. Mutter machte mir eine Riesenszene. Vor meiner Wohnung standen zornige Menschenmassen mit Transparenten: "Kratz ab, du Schlampe," stand drauf. Auf den Sender rollte eine riesige Welle von Schadensersatzforderungen der Werbefirmen zu. Die Aktienkurse rasten in den Keller.
      Aber ich bin nicht schuld, dass die Aktionäre ihr Kapital verloren haben, denn letztlich, so behaupten die Börsenfachleute, mit denen ich gesprochen habe, letztlich wäre es so oder so zum Crash gekommen, mein unerwartetes Überleben sei lediglich der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
      Mein Vertrag mit "Last Minute" sah nicht vor, dass ich mich einem Kontroll CT unterziehen musste, falls es mir besser ging.
      Aber ich wollte es schließlich auch selbst wissen.
      Eines kann ich versichern: Ich habe niemanden betrogen. Es ist wie es ist: Durch ein Wunder oder was auch immer es war, bin ich wieder gesund geworden.
      Der Tumor und alle Metastasen sind verschwunden.
      Deshalb verklagte mich der Sender auf Schadensersatz. Er berief sich auf §1 unseres Vertrages, in dem folgendes stand:
      "Aufgrund eines ärztlichen Gutachtens bietet die Vertragspartnerin V1 dem Vertragspartner V2, in diesem Falle die TV-Produktionsgesellschaft "Last Minute" folgende Leistung an: V1 erklärt sich bereit, innerhalb von sechs Wochen vor laufender Kamera zu sterben. Dafür erhält V1 von V2 Schmerz-und Beruhigungsmittel in angemessener Dosierung und unbegrenzter Menge. Bei Nichterfüllung des Vertrages trägt die schuldnerische Partei die Kosten der nichtschuldnerischen Partei."
      Diese Formulierung war als Sicherheit für mich gedacht, denn sollte last Minute" aus irgendwelchen Gründen das Interesse an mir verlieren, so hätte ich trotzdem Anspruch auf die Schmerzmittel gehabt.
      Als ich vor Gericht befragt wurde, erklärte ich mich außerstande, den § 1 des Vertrages nachträglich zu erfüllen. "Und wenn Sie mir dafür lebenslänglich aufbrummen," sagte ich, "niemals werde ich mich vor laufender Kamera selbst töten."
      "Haben Sie denn eine Idee, wie Sie den Schaden einigermaßen wiedergutmachen können", fragte der gegnerische Anwalt.
      Nun, ich hatte mir natürlich Gedanken dazu gemacht. Denn ich war entsetzt, dass der Sender pleite ging, dass Tausende Aktionäre ihr Kapital verloren, dass die Kosmetikfirma XY Konkurs anmelden musste und dass der Geschäftsführer von "Last Minute" sich in letzter Minute das Leben nahm.
      Ich machte einen Vorschlag: "Ich biete Ihnen an, mein Zwergkaninchen Hermann vor laufender Kamera einschläfern zu lassen. Hermanns letzte Minuten werden genauso gefilmt, wie es bei mir vorgesehen war: Totale, Halbtotale und 25 Sekunden Nahaufnahme. Ich verlange aber eine Henkersmahlzeit für Hermann, bestehend aus 3 Möhren und einem Kopfsalat, feinstes Heu für sein Sterbelager, und eine allerletzte intime Begegnung mit einem Weibchen, die nicht gefilmt werden darf."

      Mein Vorschlag wurde von der gegnerischen Partei akzeptiert. Leider, muss ich im nachhinein sagen, denn Hermanns Tod vor laufender Kamera führte zum kompletten Ruin des Fernsehsenders. Ein entsetzter Aufschrei ging durchs Land. "Verrohung, Vandalismus, grausamste Tierquälerei," titelte die Boulevardpresse und veröffentlichte rührende Zwergkaninchenfotos. Die Kirchen intervenierten, weil der sittliche Verfall des Abendlandes derart pervertierte Formen annahm. Der Weihbischof des Erzbistums Paderborn, selbst passionierter Zwergkaninchenzüchter hielt eine Gedenkmesse. Die Artenschutzfraktion der Grünen koalierte unfreiwillig mit der NPD, die ab sofort das Zwergkaninchen zum deutsch-nationalen Wappentier erhob. Die Quoten des Senders sanken gen Null, noch nie war ein Fernsehboykott von den Zuschauern so konsequent durchgehalten worden.
      Aber zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich nicht schuldig. Warum das so ist, weiß ich nicht genau. Der Redakteur von ARTE, der mich für den Themenabend "Todesnähe" interviewte, hat dazu eine Theorie. Er glaubt, ich habe dazu beigetragen, dass wir wieder menschlich werden. Ich tat das, was Abraham damals tat und auch die Griechen. Lieber ein Tier zu opfern als einen Menschen.
      Obwohl ... wenn ich sie mir so ansehe ... die Menschen ... vor allem Mutter,... dann habe ich nur einen Gedanken: Hermann, ich vermisse dich.

      dbv
      Avatar
      schrieb am 23.01.02 09:17:04
      Beitrag Nr. 2 ()
      :D GEIL !!!

      Einige Leute haben einfach eine irre Fantasie und zuviel Zeit !

      So long

      MAnwald
      Avatar
      schrieb am 23.01.02 11:40:08
      Beitrag Nr. 3 ()
      @MAmwald

      Du hast ja so recht!!

      ..ich muss weg...
      Avatar
      schrieb am 23.01.02 11:47:57
      Beitrag Nr. 4 ()
      :laugh::laugh:


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