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    Polizeimethoden der Ära Berlusconi gegen Globalisierungsgegner - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 21.06.02 13:14:38 von
    neuester Beitrag 19.10.02 13:00:32 von
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    ID: 600.121
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      schrieb am 21.06.02 13:14:38
      Beitrag Nr. 1 ()
      Polizeistrategie im Visier der Staatsanwaltschaft

      Version der Polizei über den Einsatz gegen G-8-Gegner in Genua entpuppt sich als Fake. Ermittlungen wegen Fälschung von Beweismitteln


      ROM taz Eine Wende nahmen in den letzten Tagen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Genua zum Sturm der Polizei auf die Scuola Diaz während des G-8-Gipfels im vergangenen Juli. Die Staatsanwaltschaft geht nun davon aus, dass die Kette der Ereignisse, wie sie die Polizei präsentierte, ein kolossaler Fake ist.

      93 Verhaftete, davon 60 zum Teil schwer Verletzte, war die Bilanz des Sturms der Einsatzkräfte auf die Schlafstätte der G-8-Gegner. Dennoch hatte die Polizeiführung ein gutes Gewissen. Schließlich sei wenige Stunden vor dem Einsatz eine Streife aus der Schule mit Steinen bombardiert, ein Beamter Opfer einer Messerattacke und nach der Gewaltorgie Molotow-Cocktails und weiteres gefährliches Gerät sichergestellt worden.

      Diese Version trägt - nachdem gegen 100 Beamte wegen Körperverletzung ermittelt wird - jetzt 25 Polizeioffizieren einen Ermittlungsbescheid wegen Fälschung von Beweismitteln und übler Nachrede ein. Der Beamte, der das Protokoll über die Steinwürfe unterzeichnete, kann sich nicht erinnern, beschädigte Wagen wurden nie präsentiert, nie hat die Polizei aufgeklärt, dass die den Einsatz rechtfertigenden Steinwürfe am Abend erfolgt sein sollen, während die Einsatzleitung den Sturm am Nachmittag beschlossen hatte.

      Gut erinnern kann sich dagegen ein anderer Polizist: Er hatte am Nachmittag des 21. Juli am Rande der Auseinandersetzungen auf offener Straße zwei Mollis sichergestellt; jene Flaschen sollen nur Stunden später in der Scuola Diaz "im Eingangsbereich für jeden sichtbar" (so das Protokoll) auf ihre Beschlagnahme gewartet haben. Auch den Messerstich auf einen Beamten hat es nie gegeben. Ein kriminaltechnisches Gutachten ergab, dass das Messer und der Riss in der Jacke nicht zusammenpassen.

      So triumphierend damals die Polizei ihre "Beweise" präsentierte, so schludrig ging sie mit ihnen um: Keiner hielt es für notwendig, die Molotow-Cocktails auf Fingerabdrücke zu untersuchen. Mit gutem Grund dagegen wurden die Benzinflaschen im "Eingangsbereich" platziert - so sollten alle 93 Schulbewohner zu Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung gestempelt und das Genua Social Forum als Schirmherr des Black Block entlarvt werden.

      Die Staatsanwaltschaft Genua geht davon aus, dass diese Einsatzstrategie zentral von der nationalen Polizeiführung geplant wurde. Hauptbeschuldigter ist deshalb der damalige Vizechef von Italiens Polizei ,Arnaldo La Barbera. Voran kommen auch die Ermittlungen zum Sturm auf das der Scuola Diaz gegenüberliegende zweite Schulgebäude, in dem das Genua Social Forum und das Media Center der G-8-Gegner ihren Sitz hatten. Zusammengeschlagen wurde dort niemand. Hinterher hieß es, die Beamten seien in dieses Gebäude irrtümlich eingedrungen. Ein zielgerichteter Irrtum: Systematisch wurden die Computer zertrümmert und die Festplatten mitgenommen. Beschlagnahmeprotokolle: Fehlanzeige. Deshalb werden die verantwortlichen Beamten von der Staatsanwaltschaft der Sachbeschädigung und des Diebstahls beschuldigt.[7b] MICHAEL BRAUN

      taz Nr. 6780 vom 21.6.2002, Seite 10, 102 Zeilen (TAZ-Bericht), MICHAEL BRAUN
      Avatar
      schrieb am 03.09.02 01:45:18
      Beitrag Nr. 2 ()
      DER SPIEGEL 36/2002 - 02. September 2002
      URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,211993,00.html

      Italien

      V-Männer im Schwarzen Block

      Die juristische Aufarbeitung der blutigen Straßenkämpfe beim G-8-Gipfel in Genua enthüllt: Um brutale Prügel-Orgien zu
      rechtfertigen, haben Italiens Ordnungshüter gelogen und gefälscht.

      Es war eine blutige Schlacht. Kiefer splitterten, Arme und Beine brachen, Köpfe platzten auf.
      Nahkampf-Profis der italienischen Polizei stürmten ein Schulgebäude, in dem junge Menschen aus
      ganz Europa sich gerade zur Nacht betteten. Die Stadt hatte ihnen das Quartier zugewiesen.

      "Wie unter Drogen", sagt ein 21-jähriger deutscher Zivildienstleistender, hätten die Polizisten dort
      mit ihren Schlagstöcken gewütet. 93 Männer und Frauen wurden aufgegriffen und verhaftet, 62
      von ihnen mussten im Krankenwagen abtransportiert werden, viele schwer verletzt auf
      Intensivstationen.

      Trauriger Höhepunkt eines politischen Sommerwochenendes in Genua: Vom 20. bis 22. Juli
      vorigen Jahres hatten sich die Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen
      und Russlands zum Meinungsaustausch versammelt. Etwa 300 000 Menschen kamen zusammen,
      um gegen die Politik der "Großen Acht" zu demonstrieren. Auch die Staatsmacht war mit mehr als
      15 000 Soldaten und Polizisten vor Ort. Krawalle wie kurz zuvor beim EU-Gipfel im schwedischen
      Göteborg sollte es in Genua nicht geben.

      Es kam viel schlimmer. Der G-8-Gipfel endete in Straßenschlachten und Gewaltorgien. Über 400
      Demonstranten wurden verhaftet, fast 600 verletzt, einer durch eine Polizeikugel getötet. Entsetzt verfolgte ganz Europa das Chaos
      an den Fernsehschirmen.

      13 Untersuchungsverfahren wurden seitdem eingeleitet. Einige davon, vom Parlament oder vom Innenminister initiiert, folgten brav
      den politischen Vorgaben, dass außer einigen persönlichen "Fehlern und Versäumnissen" (so das Mehrheitsvotum des
      Parlamentsberichts) in Genua alles seine Ordnung hatte. Schließlich war Vizepremier Gianfranco Fini von der postfaschistischen
      Alleanza Nazionale seinerzeit selbst im Lagezentrum der Polizei. Und Regierungschef Silvio Berlusconi hatte sogleich
      unmissverständlich erklärt: "Ich stehe zur Polizei." Drei hohe Offiziere der Genua-Einsatzleitung wurden in andere, gleichrangige
      Jobs versetzt. Das war`s.

      Die zuständigen Staatsanwälte machten es sich nicht so einfach. Sie vernahmen Polizisten und Demonstranten, sichteten Fotos,
      werteten Videos aus und stellten erst einmal das Gros der von der Polizei angestrengten Strafverfahren gegen Teilnehmer der
      Protestaktionen ein. Nach einem Monat eröffneten sie acht neue Ermittlungskomplexe - gegen 148 Polizeibeamte.

      Noch sind die Genueser Amtsjuristen mit ihrer Arbeit längst nicht fertig. Doch schon jetzt brachten sie Ungeheuerliches ans Licht,
      etwa zum Auftritt der Staatsmacht in der Pascoli-Schule.

      Der Einsatz habe gefährlichen, schwer bewaffneten Krawallmachern gegolten, hatten die Behörden ihr rüdes Vorgehen begründet.
      Polizeifahrzeuge seien zuvor mit Steinen beworfen und während der Aktion 17 Beamte verletzt worden, einer davon beinahe
      tödlich.

      Auf einer internationalen Pressekonferenz präsentierten die Behörden eindrucksvolle Belege: Furchtbare Schlagwaffen wie
      Spitzhacken und schwere Metallrohre hatten sie im Schulgebäude sichergestellt. Dazu zwei Molotow-Cocktails, benzingefüllte
      Flaschen mit einer Wirkung fast wie Handgranaten.

      Nur, den Vernehmungen und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hielt die amtliche Kriminalstory nicht stand. Stück für Stück kam
      heraus: Die polizeilichen Beweise waren getürkt, der Anlass für den mitternächtlichen Einsatz war frei erfunden. So gab der Beamte,
      der den Steinhagel gegen die Polizei im Protokoll persönlich verbürgt hatte, am Ende an, er habe von dem Vorfall nur von einem
      Kollegen gehört, dessen Name ihm leider entfallen sei.

      Die Steine, hätte es sie denn gegeben, wären ohnehin zu spät geflogen. Die Polizeiführung hatte schon
      am Vormittag die Aktion beschlossen.

      Die stolz präsentierten Molotow-Cocktails erkannte der stellvertretende Polizeichef von Bari, Pasquale
      Guaglione, auf Fotos und Videos wieder. Er selbst hatte sie am Nachmittag in der Stadt, in einem Gebüsch,
      gefunden und sichergestellt. Ein hochrangiger Polizeioffizier hatte sie am Abend dann eigens zur Schule
      gebracht, was Amateurvideos belegen. In wessen Auftrag er das tat, ist nicht geklärt. Das Video zeigt nur,
      wie sich nahezu die komplette Führung des italienischen Sicherheitsapparats die brennbaren Mitbringsel
      vor dem Einsatz interessiert zeigen lässt.

      Auch die Spitzhacken und Metallrohre waren keine Waffen gewalttätiger Demonstranten, sondern
      Werkzeuge von Bauarbeitern, die während der Sommerferien die Schule renovieren sollten. Sie lagerten in
      einem verschlossenen Raum, den, wie sich herausstellte, erst die Polizei aufbrach.

      Bei der Befragung der 17 angeblich verletzten Polizisten wollten 15 plötzlich keine Aussage mehr machen.
      2 gaben an, sie hätten sich durch eine Ungeschicklichkeit selbst verletzt.

      Nur der Beamte Massimo Nucera blieb standhaft: Ein Mann habe ihn in der Schule mit einem Messer
      angegriffen, nur dank seiner kugelsicheren Weste lebe er noch. Der Täter sei leider entkommen, habe
      aber das Messer fallen lassen. Und der große Schnitt quer durch seine Uniformjacke wurde im Fernsehen als Beweis in
      Großaufnahme gezeigt.

      Ein Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft kommt freilich zu dem Schluss, dass diese Geschichte kaum stimmen dürfte. Der
      Schnitt könne nicht bei einem Angriff entstanden sein, die Jacke müsse auf dem Boden oder auf einem Tisch gelegen haben.

      Die Ordnungshüter seien "Opfer gewaltiger Aggressionen" gewesen, hatte Polizeichef Gianni De Gennaro beharrlich behauptet. Es
      habe der Gewalt bedurft, "um auf die Gewalt zu antworten". Die juristische Aufarbeitung des blutigen G-8-Gipfels zeigt indes ein
      anderes Bild. Polizeieinheiten haben grundlos geschlagen und getreten, friedliche Demonstranten brutal niedergeknüppelt, arglose
      Passanten mit Tränengas beschossen.

      Nicht nur in der Pascoli-Schule, auch in den Straßen Genuas und in den Zellen der Bolzaneto-Kaserne, in der Demonstranten auf
      das Übelste malträtiert wurden, hatte der italienische Rechtsstaat sich vorübergehend abgemeldet. Bei manchen Einsätzen führten
      sich die Ordnungshüter wie Schergen eines Dritte-Welt-Diktators auf.

      In Genua seien "die Menschenrechte in einem Ausmaß verletzt worden", resümierte die
      Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International nach einer Befragung von Zeugen aus 15 Ländern,
      wie man es "in der jüngeren Geschichte Europas nicht mehr erlebt" habe. Die Arbeit der
      Staatsanwaltschaft stützt diesen Befund.

      Nur eine Gruppe unter den vielen tausend "No Global"-Protestierern entkam den Attacken der
      Ordnungshüter regelmäßig: der im Polizeijargon "Schwarzer Block" genannte internationale
      Schlägertrupp, der seit etlichen Jahren bei vielen Demonstrationen mitmischt, egal, wogegen es geht.
      Die schwarz gekleideten und vermummten Krawallos zerschlugen Schaufenster und Mobiliar von 34
      Banken, 126 Geschäften, 6 Supermärkten, 9 Postämtern und steckten laut offizieller Bilanz 226 Autos
      an. Doch seltsam, obwohl sie ihr Unwesen oft nur wenige Meter neben einer martialisch ausgerüsteten
      Polizeimacht trieben, wurde von den Schwarz-Block-Randalierern nicht einer auf frischer Tat verhaftet.

      Und noch etwas war eigenartig. Im vermeintlich linksradikalen Randalehaufen, so viel ist inzwischen
      klar, mischten Dutzende rechtsradikaler Schläger mit. Die Polizei wusste vorher darüber bestens
      Bescheid. In einem internen Dokument, später in Zeitungen veröffentlicht, beschreiben die
      Sicherheitsbehörden noch vor dem G-8-Gipfel, wie Mitglieder der Neonazi-Gruppen "Forza Nuova" und
      "Fronte Nazionale" sich unter die Anarchistentruppe mischen und Randale machen wollten, um "die
      Linken" in Misskredit zu bringen. Konsequenzen hatten diese Erkenntnisse wohl nicht.

      Im Gegenteil. Englische Gesinnungsgenossen wurden von den Italo-Schlägern mit dem Hinweis eingeladen, die Polizei werde in
      Genua nichts gegen sie unternehmen. "Wir könnten alles machen, was wir wollten", berichtete ein bekennender "Nazi aus
      Birmingham" einem Zeitungsreporter von der glücklichen Verheißung.

      Neben den Nazis marschierten offenbar auch Polizisten im schwarzen Umfeld mit. Ein Foto, verbreitet vom Demo-Veranstalter
      "Genoa Social Forum", zeigt zum Beispiel eine Gruppe von Männern gegen 16 Uhr an jenem blutigen Samstag auf einer Treppe.
      Einige sind in unauffälliges Zivil gekleidet, andere schwarz vermummt und mit Stöcken bewaffnet, einer trägt Uniform und
      Polizeihelm. Einträchtig kommen sie gerade aus einer Carabinieri-Kaserne.

      Das italienische Fernsehen zeigte heimlich gefilmte Szenen, in denen sich offenkundige Anarcho-Kämpfer mit Uniformierten
      treffen, eine Zigarette rauchen, plaudern - und wieder in den Straßenkrieg ziehen.

      Auch der Regisseur Davide Ferrario, 46, versichert, er habe traute Zusammenkünfte von Polizisten mit Maskierten, wie sie im
      Schwarzen Block herumlaufen, beobachtet und teilweise mit einer Videokamera gefilmt, bis er von der Polizei verjagt wurde. Einer
      der vermeintlichen Straßenkämpfer habe sich sogar "eine Polizeimarke um den Hals gehängt", ehe er sich einem Trupp
      Uniformierter näherte.

      Der damalige Innenminister Claudio Scajola hatte stets behauptet, in Genua habe ein Heer von 5000 Black-Block-Krawallos Krieg
      geführt. Doch die Staatsanwälte Anna Canepa und Andrea Canciani bestätigten inzwischen nach Auswertung Hunderter von Fotos,
      Filmaufnahmen und Zeugenaussagen, was viele Beobachter schon vermutet hatten: Der harte Kern zählte kaum mehr als 200
      Köpfe.

      Die freilich durften ungehindert Teile der Stadt zerstören und in den brennenden Straßen aufreizende Parademärsche mit
      Trommeln und Fahnen veranstalten. Die Ordnungsmacht griff erst ein, nachdem die Schlägertrupps sich zurückgezogen hatten.
      Dann schoss die Polizei mit Tränengas in die verbliebene Menge der Demonstranten und knüppelte nieder, was auf den Straßen
      war, darunter junge Katholiken, die die Globalisierungskritik von Papst Johannes Paul II. nach Genua tragen wollten.

      Aber nicht nur die Polizei verhielt sich rätselhaft, auch die militante schwarze Schar agierte ungewöhnlich. Sie attackierte andere
      Demonstranten und Journalisten und fackelte entgegen ihren sonstigen Allüren und Bekenntnissen nicht nur "Bonzenautos" ab,
      sondern auch verbeulte Arme-Leute-Karossen.

      Vor allem versuchte sie überhaupt nicht, zur verbotenen "Roten Zone" vorzudringen, in der die
      Staatenlenker speisten und diskutierten. Die vermummten Schläger randalierten in den
      Außenbezirken und lieferten der Polizei so die willkommenen Anlässe, schon dort gegen
      Zigtausende Anti-Globalisten vorzugehen - weit entfernt vom Sperrbezirk. Zufall, Unfähigkeit oder
      Strategie?

      Selbst ein 28-Jähriger, aus Nürnberg angereister Black-Block-Randalierer, staunte im Rückblick,
      wie unbehindert er mit seinen Freunden zündeln und zerstören durfte. "Vielleicht", sinnierte er in
      einem Zeitungsinterview, "sind wir in etwas reingeraten, das viel größer ist als wir."

      Rätselhaft blieb bis heute auch, wie der Demonstrant Carlo Giuliani, 23, ums Leben kam.

      Auf der Piazza Alimonda, im Zentrum der norditalienischen Hafenstadt, wurde ein Carabinieri-Jeep
      von gewalttätigen Demonstranten rüde attackiert. Einer, Giuliani, fand einen Feuerlöscher auf dem Boden, hob ihn in die Höhe und
      setzte an, ihn durch das zerschlagene Heckfenster ins Polizeifahrzeug zu schleudern. Da schoss der im Wagen sitzende 20-jährige
      Carabiniere Mario Placanica. Aus Angst und in Notwehr, wie er sagt.

      Carlo Giuliani fiel aufs Pflaster, aus seinem Kopf quoll ein dicker Blutstrahl. Der Jeep, plötzlich in hastiger Rückwärtsfahrt, überfuhr
      den Sterbenden.

      Was anfangs klar und durch Fotos und Filmaufnahmen gut belegt schien, wurde im Laufe der Ermittlungen immer
      widersprüchlicher. Zweimal habe er geschossen, gab der junge Carabiniere zu Protokoll. Zwei Geschosshülsen wurden gefunden.
      Doch eine davon, so das ballistische Gutachten, passt nicht zur Waffe des jungen Polizisten. Gab es einen zweiten Schützen?

      Eineinhalb Meter neben dem Auto befand sich Guiliani, als er tödlich getroffen wurde, sagt ein Gutachten. Ein Videofilm dagegen
      zeigt deutlich, dass Giuliani mindestens drei, eher vier Meter vom Heck des Fahrzeugs entfernt war.

      Woher stammt der Feuerlöscher? Aus dem Jeep? Wie ging die Heckscheibe des Jeeps kaputt? Von innen oder von außen? Und
      warum griffen mehrere Dutzend Beamte, die in Reih und Glied mit Schild und Schlagstock 50 Meter neben dem attackierten Auto
      ihrer Kollegen standen und der Randale zuschauten, nicht ein?

      Die Aufklärung ist schwierig. Beamte der Spurensicherung brauchten damals zwei Tage, bis sie am Tatort waren. Schneller war die
      Straßenreinigung. Die hatte schon längst alle Spuren beseitigt.

      HANS-JÜRGEN SCHLAMP

      © DER SPIEGEL 36/2002
      Avatar
      schrieb am 13.09.02 20:02:19
      Beitrag Nr. 3 ()
      .
      Quelle http://www.denkmal-nach.de>Forum Politik

      Explosion der Weltbevölkerung oder Implosion?

      von Ralf E. Ulrich
      Die Weltbevölkerung wächst jährlich um 77 Millionen Menschen. Doch die demographische Entwicklung verläuft nicht überall gleich: Der zu erwartetenden Bevölkerungsexplosion in vielen Entwicklungsländern steht eine Implosion in Ländern wie Deutschland, Italien, aber auch in den von AIDS besonders betroffenen Staaten gegenüber.
      http://www.dgap.org/IP/ip0012/ipaktue.htm#spillmann

      Kriegsursache der kommenden Generation?

      Der Kampf um das Wasser
      von Kurt R. Spillmann
      In über 80 Ländern der Welt leiden rund 1,7 Milliarden Menschen an absoluter oder chronischer Wasserknappheit. Da für die Verteilung von Wasser keine völkerrechtlich gültigen Regeln existieren, sieht der an der ETHZürich lehrende Verfasser im Kampf um das Wasser eine mögliche Kriegsursache der kommenden Generation. http://www.dgap.org/IP/ip0012/spillmann.html

      Wolfgang Clement
      Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen
      Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Entwicklung und Frieden
      Redeentwurfanlässlich der Internationalen Konferenz der Stiftung Entwicklung und Frieden

      Dazu brauchen wir keine "Weltregierung".
      Aber dazu brauchen wir "global governance", eine Art Weltinnenpolitik, bei der die Verantwortlichen auf der lokalen, regionalen, nationalstaatlichen und globalen Ebene über Ländergrenzen hinweg kooperieren, und zwar enger als bisher.
      http://sef-bonn.org/sef/veranst/2000/gerechte-entw/brandt-cl…

      Geheimdienste und die planetare Demokratie

      Die größten Gefahren für die Freiheit liegen in den heimtückischen Übergriffen von
      Männern, die zwar Eifer entwickeln und gut meinen, aber ohne jedes Verständnis sind.
      Richter Brandeis, 1928
      Allein der Pluralismus der staatlichen Organe sichert die Freiheitlichkeit vor
      den immerwährenden Versuchen von Despoten, das Volk zu beherrschen.
      Karl Albrecht Schachtschneider, 1991
      http://www.geocities.com/CollegePark/Union/1060/ggeheim.htm

      Afghanistan steht am Rande eines neuen Desasters

      von Robert Fisk aus UK Independent vom 14.August 2002
      Ich bin gegen Terrorismus, aber wir müssen uns ansehen wer den Terrorismus schuf. Wir müssen uns an Vietnam, Chile, Panama, Nicaragua, El Salvador und Guatemala erinnern, wenn wir über Terrorismus nachdenken, sagt eine Mitarbeiter des Zentrums für Wirtschaftliche und Politische Untersuchungen und Gemeinschaftsaktion (CIEPAC), mit Sitz in San Cristobal de Las Casas, in Chiapas, Mexiko. Während George Bush und die US-Regierung ihren Krieg gegen den Terrorismus eskalieren, polarisiert sich die Welt immer mehr zwischen "gut" und "böse". Während des kalten Krieges wurde jede Person oder Gruppe, die mit der US Außenpolitik nicht einverstanden war sofort als Kommunist bezeichnet. Heute hat sich die Terminologie geändert, und jeder, der sich den Absichten des US-Regierung widersetzt, der Kapitalismus und Imperialismus ablehnt, ist ein "Terrorist und sollte um sein Leben bangen. Wenn man von der US Regierung als Terrorist betrachtet wird, wird kein Menschenrechtsgesetz einen schützen. Die neue Weltordnung nach dem 11. September bedroht jene, die sich auf der ganzen Welt für Menschenrechte einsetzen, und stärkt die Macht der US Regierung und ihrer Verbündeten.

      Bushs nun schon berühmte Worte erklingen durch die ganze Welt, "Man ist entweder für uns, oder gegen uns." http://www.subjektiv.net/politext.html

      Avatar
      schrieb am 13.09.02 23:40:16
      Beitrag Nr. 4 ()
      gefällt euch meine Grafik nicht?
      Avatar
      schrieb am 18.10.02 23:18:49
      Beitrag Nr. 5 ()
      SPIEGEL ONLINE - 18. Oktober 2002, 13:23
      URL: http://www.spiegel.de/politik/europa/0,1518,218698,00.html

      Generalstreik in Italien

      Hunderttausende protestieren gegen Berlusconi

      In Italiens Großstädten sind mehrere hunderttausend Menschen gegen die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung
      Berlusconi auf die Straße gegangen. Ein Generalstreik hat den Verkehr teilweise lahm gelegt. Der Protest richtet sich unter
      anderem gegen die geplante Lockerung des Kündigungsschutzes.

      Rom - Im Gegensatz zum letzten Generalstreik im April dieses Jahres rief diesmal nur eine,
      nämlich die größte Gewerkschaft CGIL, zu dem achtstündigen Ausstand auf. Andere
      Verbände beteiligen sich nicht. Dennoch wurde der Aufruf in vielen Bereichen des öffentlichen
      Lebens - darunter Banken, Schulen und Krankenhäuser - befolgt.

      "Wir protestieren, um den wirtschaftlichen Niedergang des Landes aufzuhalten", erklärte der
      CGIL-Vorsitzende Guglielmo Epifani. Die Gewerkschaft erklärte, die Haushalts- und
      Steuerpolitik von Ministerpräsident Silvio Berlusconi verschärfe Italiens Wirtschaftslage und
      gefährde rund 280.000 Arbeitsplätze.

      In den vergangenen Wochen hatten italienische Firmen bekannt gegeben, 20.000
      Arbeitsplätze zu streichen. Allein der angeschlagene Autokonzern Fiat, mit dessen Arbeitern
      sich die Streikenden besonders solidarisieren, plant, 8100 Beschäftigte zu entlassen. Der
      größte der rund 120 geplanten Protestmärsche soll deshalb auch in Turin stattfinden, wo Fiat
      seinen Hauptsitz hat.

      Trotz des eingeschränkten Verkehrs geht die staatliche Eisenbahn davon aus, dass bis zum
      Abend etwa 60 Prozent der planmäßigen Züge verkehren werden. Im Nahverkehr legten die
      Bus- und Metrofahrer ihre Arbeit erst nach dem offiziellen Streikbeginn nieder, so dass die
      Menschen ohne Probleme zur Arbeit kamen.

      Beeinträchtigt ist auch der Luftverkehr. Auf dem Frankfurter Flughafen wurden mehrere Flüge
      nach Italien gestrichen, andere kamen erheblich verspätet an. Betroffen ist vor allem die
      italienische Fluggesellschaft Alitalia, die von ihren insgesamt rund 600 geplanten Flügen 275
      streichen und 109 verschieben musste.

      Bereits im April hatten mehrere hunderttausend Italiener mit dem ersten Generalstreik seit
      20 Jahren gegen die Reform des Arbeitsrechts protestiert. Im September hatte sich eine
      halbe Million Menschen in Rom versammelt, um gegen Änderungen der Justizordnung zu
      demonstrieren.

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      Avatar
      schrieb am 19.10.02 13:00:32
      Beitrag Nr. 6 ()
      http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/getArticleSZ.php?artik…

      Samstag, 19.10.2002

      Die Zukunft der Demokratien

      Neue Führer (3): Im wilden Berlusconistan / Von Angelo Bolaffi


      Berlusconis Italien ist ein beunruhigendes Problem: nicht nur für Italien selbst, sondern für ganz Europa. Nicht einmal die surrealistische Vorstellungskraft eines Orson Welles hätte dazu ausgereicht, sich derart beängstigende Szenarien auszudenken, wie sie heute im bel paese politischer Alltag sind. Das demokratische System Italiens befindet sich in einem Prozess der Selbstzerstörung. Ursache und Wirkung, Sündenfall und verstörendstes Ergebnis zugleich, ist der Machtantritt eines „Big Brother“ in der Gestalt eines Tycoon, der behauptet, der Nation von der Vorsehung geschickt worden zu sein. Seither wütet in dem Land, das sich schmeichelt, die Wiege des Rechts zu sein, ein ikonoklastischer Furor gegen Gesetze und jede Form gesetzmäßigen Vorgehens. Die Regierung Berlusconi instrumentalisiert die berechtigte Forderung nach Rechtsgarantien für den Bürger als Angeklagten einzig dazu, das unabhängige Wirken der Justiz ganz zu unterbinden. Vor allem geht es ihr darum, Urteile in allen Prozessen zu verhindern, in denen Berlusconi selbst oder andere Exponenten seiner Partei Forza Italia angeklagt sind. Letzter Beweis für diese Stoßrichtung ist das Gesetz, durch das nun die Verlegung jedes Prozesses ermöglicht werden soll, sobald der „begründete Verdacht“ einer dem Angeklagten feindlichen Umgebung besteht. Während so alle juristischen Verfahren ausgehöhlt werden, ist auch eineinhalb Jahre nach der Wahl der Interessenkonflikt nicht gelöst, in dem sich Berlusconi als Vertreter seiner persönlichen Interessen und Berlusconi als Hüter des Gemeinwohls gegenüberstehen.

      Dilettantismus und Skandale

      Die Wähler hatten für die Mitte-Rechts-Koalition gestimmt, weil sie den Versprechungen Glauben schenkten, die Berlusconi mit theatralischer Geste vor laufenden Kameras in seinem „Vertrag mit den Italienern“ unterschrieben hatte. Sie glaubten, dass die von der vorangegangenen Mitte-Links-Regierung in Gang gesetzte Sanierung der Staatsfinanzen fortgesetzt würde, um den riesigen Schuldenberg abzubauen, der wie ein Alptraum auf der Zukunft Italiens lastet; sie glaubten, dass die Modernisierung der Staatsverwaltung und der Infrastrukturen vorangetrieben würde. Nichts davon ist bisher geschehen. Nicht ein einziges der angekündigten „großen öffentlichen Bauvorhaben“ ist in Angriff genommen worden, und zum ersten Mal seit 1995 nahm die Staatsverschuldung wieder zu. Niemandem konnte verborgen bleiben, wie sehr sich die vom Chef der Mediaset geleitete Regierung mit Improvisieren und Dilettantismus durchmogelte. Selbst Berlusconis Anhänger waren überrascht von all den Peinlichkeiten, die verschiedene skandalumwitterte Minister und Staatssekretäre zum Rücktritt zwangen. Das Handeln der Regierung Berlusconi scheint nur auf einer Art von institutionellem Nihilismus zu beruhen, der sich aus einer offenen Verachtung für jede Form von Respekt gegenüber dem Gleichgewicht zwischen den Verfassungsorganen speist.

      Begründet wird diese Haltung mit der paradoxen und absurden Berufung auf das klassische Argument radikaldemokratischer Rhetorik, nämlich auf den absoluten Primat des Volkswillens gegenüber den anderen Staatsorganen. Ein Volkswille, den ein widersinniges Wahlgesetz eher verfälscht als getreu wiedergibt: Die Mehrheit der Sitze, die der Regierung ein absolutes Übergewicht beschert und das Parlament in eine Art Gesetzgebungsmaschine verwandelt hat, steht in keinerlei realem Verhältnis zur Verteilung der Wählerstimmen zwischen dem Mitte-Links-Bündnis des „Ulivo“ und Berlusconis „Casa delle Libertà“.

      In Italien ist eine derartige Amnesie in Sachen Demokratie leider nichts Neues. Es ist, als gebe das Land dem unstillbaren Verlangen nach, jeden politischen Verstand zu verlieren, und sich ganz den wundersamen Fähigkeiten eines charismatischen Führers auszuliefern, der aber in Wahrheit nur ein Übermaß aller Fehler und Schwächen des Charakters seiner Landsleute und ihrer Geschichte besitzt. Das Geheimnis der Faszination des „medialen Neopopulismus“ und das solide Fundament des Konsens, über den Berlusconi trotz allem noch immer zu verfügen scheint, besteht darin, dass er das politische Grundverständnis eines großen Teils der italienischen Gesellschaft verkörpert. Er verkörpert das, was Antonio Gramsci den „historischen Block“ genannt hätte, der sich aus konkreten materiellen Interessen, aber auch aus Meinungen zusammensetzt, eine vielleicht abartige aber sehr feste Verknüpfung von Besitzegoismus und einer Art „politischer Antireligion“ im Namen „partikularer“ Interessen des Clans oder der Familie. Mit einer solchen Einstellung reagiert man allergisch auf jede Anforderung, die sich auf gesellschaftliche Moral oder das Gemeinwohl beruft. Berlusconi ist der beste Repräsentant dieses Anti-Italien: Er ist nicht nur ein Individuum (wenn auch das reichste des Landes), sondern auch eine „persona“ im lateinischen Sinn des Wortes als Maske, da seine Biographie die Grundeinstellung einer Hälfte der Bevölkerung widerspiegelt.

      Dennoch setzt das Phänomen Berlusconi eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte, eine traumatische Zäsur in der traditionellen politischen Semantik der konservativen Volksparteien von Adenauer und De Gaspari bis zu Andreotti und Kohl. Die Politik dieser Jahrzehnte, der Europa seine demokratische Wiedergeburt und den Beginn der wirtschaftlichen und politischen Einigung verdankt, verlor die Katastrophe des „europäischen Bürgerkriegs“ und die Erfahrung der Totalitarismen nie aus dem Blick. So widerstand sie selbst in Momenten höchster Spannung der Versuchung, zum Stimmenfang auf populistische Rhetorik und Gemeinplätze der „Antipolitik“ zurückzugreifen. Berlusconi dagegen hat sich systematisch dieses Mittels bedient. Damit eng verbunden ist die Tatsache, dass Berlusconi deshalb Erfolg hatte, weil er es verstand, mit seiner antipolitischen Rhetorik zum Katalysator für andere populistische Bewegungen zu werden. Besonders für Umberto Bossis Lega Nord und für die aus der faschistischen Partei hervorgegangene Alleanza Nazionale, beides Bewegungen, die einst unter gegensätzlichen ideologischen und politischen Vorzeichen entstanden waren.

      Die Lega Nord erreichte Anfang der Neunziger Jahre durch die Sezessionsdrohung der reichen Provinzen besonders im Nordosten den Höhepunkt ihres Einflusses auf die Wähler. Dabei nutzte sie die weitverbreitete Furcht, das Land werde wegen der „Räuber, die in Rom sitzen“ (Roma ladrona) und wegen des Südens, der en bloc unter Mafia-Verdacht gestellt wurde, nicht an der europäischen Einheitswährung teilnehmen können. Ein solcher Ausschluss hätte den Norden als fortgeschrittensten Teil des Landes in die Knie gezwungen. Als diese Drohung mit der Teilnahme Italiens an der Gemeinschaftswährung ihre Wirksamkeit eingebüßt hatte, verlor die Lega massiv an Wählerstimmen. Deshalb verwandelte sie sich aus einer Partei der Sezession der reichen Regionen des Nordens in eine fremdenfeindliche Bewegung, die mit immer stärker rassistischen Tönen bei den sozial benachteiligten Schichten der Großstädte auf Stimmenfang geht. Durch diese Wendung trat die Lega aber in Widerspruch zu dem Milieu, aus dem sich bisher die Mehrheit ihrer Anhänger rekrutierte, dem Mikrokapitalismus der Familienbetriebe im Nordosten Italiens, der der entscheidende Träger des Wirtschaftswunders der achtziger und neunziger Jahre war und der immer noch auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen ist.

      Eine entgegengesetze politische Haltung nahm anfangs die Alleanza Nazionale unter Führung Gianfranco Finis ein. Die Postfaschisten lehnten jede Form der Sezession ab und pochten auf die Unantastbarkeit der Einheit Italiens. Diese Partei, die immer zwischen der Rechtfertigung des Faschismus und politischer Beteiligung unterhalb der Regierungsebene im Interesse ihrer Wählerklientel schwankte, wurde erst durch Berlusconi salonfähig. Unter dessen erster Regierung erhielt sie die Legitimation der Regierungsbeteiligung, die ihr während der gesamten Zeit der „Ersten Republik“ versagt geblieben war. Aber auch die Postfaschisten stecken heute in einer Krise, denn um dem mit Berlusconi und Bossi ausgehandelten Koalitionsvertrag treu zu bleiben, mussten sie sich in Fragen der Justiz auf Kompromisse einlassen, die bei ihren auf law and order ausgerichteten Wählern nicht gut ankommen. Überall in Europa breiten sich zur Zeit populistische Bewegungen aus, weshalb man von einer Ära des Populismus gesprochen hat. Italien zeigt hierbei beunruhigende Besonderheiten. In anderen Ländern lässt sich die Entstehung neopopulistischer Bewegungen rechts von der konservativen demokratischen Mitte beobachten, die untereinander Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede aufweisen: Die Steuerrevolte der skandinavischen Länder hat mit dem ethnischen Nationalismus eines Haider und Le Pen oder mit der „libertären Ausländerfeindlichkeit“ eines Pim Fortuyn nicht mehr gemein als den Rückgriff auf den antipolitischen und populistischen Sprachschatz. In Italien aber bedient sich Forza Italia und damit die konservative Mitte selbst des populistischen Repertoires der Antipolitik. Wie der Politologe Guy Hermet bemerkt hat, „erinnert Berlusconis Populismus, der sich auf die Beherrschung der Kommunikationsmittel stützt, an Lateinamerika, an Collor in Brasilien, den Prototyp des medialen Populismus.“

      Die antipolitische Mitte

      Berlusconi versteht wie kein anderer Politiker heute das Fernsehen zu nutzen, und einer der Gründe für den Erfolg seiner Antipolitik liegt in seiner Fähigkeit, politische Botschaften so radikal zu vereinfachen, wie es dieses Kommunikationsmittel verlangt, dessen Besitzer er darüber hinaus auch noch ist... Man muss sich fragen, welche Konsequenzen der fatale Fehler Kohls, Berlusconis Bewegung in die europäische Volkspartei aufzunehmen, für die Entwicklung der Kräfteverhältnisse innerhalb der konservativen Parteien des alten Kontinents in Zukunft haben wird. Darüber hinaus aber muss man sich fragen, ob das Phänomen einfach nur als Ausdruck einer spezifischen politischen Pathologie Italiens zu interpretieren ist. Oder ob es nicht vielmehr Symptom einer untergründig bereits stattfindenden Transformation der Funktionsweise der postnationalen kapitalistischen Systeme ist. Ist das empfindliche Gleichgewicht zwischen der repräsentativen und der plebiszitären Komponente des demokratischen Verfassungsstaates nicht längst zerbrochen? Diesen Bruch haben die Medien, und vor allem das Fernsehen, mit ihrer wachsenden Einwirkung auf die demokratische Willensbildung und die öffentliche Meinung verursacht, seit die Institutionen des Nationalstaats im Zuge der Globalisierung immer mehr an Einfluss eingebüßt haben.

      Der Publizist und Politikwissenschaftler Angelo Bolaffi lebt in Rom.

      Deutsch von Friederike Hausmann


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      Polizeimethoden der Ära Berlusconi gegen Globalisierungsgegner