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    Wer tut mir den Gefallen und postet die "Öl-Artikel" des SPIEGEL? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 12.10.02 14:52:27 von
    neuester Beitrag 20.10.02 14:55:59 von
    Beiträge: 9
    ID: 645.340
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      schrieb am 12.10.02 14:52:27
      Beitrag Nr. 1 ()
      Die Online-Adresse des SPIEGEL funktioniert bei meinem Computer einwandfrei, ich kann alle links laden - mit Ausnahme der einzelnen 8 Artikel unter http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,k-2529,00.html.

      Wenn ich einen davon anklicke, "arbeitet" sich der IE "zu Tode", d.h. er lädt und lädt und lädt; schließlich bleibt mir nur der Befehl, IE "sofort beenden". Nachdem ich das zwei, drei mal gemacht habe, gibt´s sogar einen Komplettabsturz.
      Ich komme dem Grund dafür nicht auf die Spur; vielleicht hat´s wieder mal mit meinem Apple zu tun.

      Also - ich würde mich freuen, wenn jemand die 8 Artikel (sukzessive) hier reinkopieren könnte!

      Gruß Vicco
      Avatar
      schrieb am 12.10.02 15:26:54
      Beitrag Nr. 2 ()
      TEIL 1

      DER KAMPF UMS KASPISCHE ÖL

      Pipelines, Bomben und Soldaten

      Von Lutz C. Kleveman, Baku

      Mit aller Macht wollen die Amerikaner ihre Abhängigkeit vom arabischen Öl drosseln und schieben dazu ein gefährliches Milliardenabenteuer an. Um an die Ölreserven am kaspischen Meer heranzukommen unterstützen sie skrupellose Ölbosse und machthungrige Despoten. Eine Reportage-Serie über den Kampf der Staaten und Konzerne um Pipeline-Routen und militärische Vorherrschaft.


      AP

      Ölfeld bei Baku (Aserbeidschan): Das neue "Große Spiel" zwischen Kaukasus und Pamir


      Im "Finnegan`s" trifft sich, was man in Baku die "Ölmänner" nennt. Nicht die Bosse und Manager, die zieht es nach Feierabend eher ins feine "Sunset Café" oder direkt heim in ihre Villen vor der Stadt. Das "Finnegan`s" in der Altstadt ist für die Jungs von den Bohrinseln. Die sich, wenn sie Schichtpause an Land machen, nach einem Pub wie zuhause sehnen.
      Hier wird ihnen geholfen: Aus den Boxen über dem Tresen kommt Rockmusik, man kann in Dollars bezahlen, und im Fernseher an der Wand spielt Manchester United gegen Chelsea. Für ein paar Stunden können die Ölmänner den penetranten Petroleumgestank vergessen, der Tag und Nacht die Hauptstadt der ex-sowjetischen Republik Aserbaidschan durchzieht.

      "Ein wackeliger Flug war das - bin gespannt, wann die nächste Maschine ins Meer plumpst", sagt Thomas, als er an die Bar tritt. Der Ölingenieur aus Westfalen arbeitet auf der Plattform Chirag, 80 Kilometer auf dem Kaspischen Meer gelegen, von wo ihn am Nachmittag der Konzern-Helikopter von British Petroleum-Amoco in die Stadt gebracht hat. Ein schottischer Kollege klopft Thomas auf die Schulter und schlägt eine Wette darauf vor, wessen Hubschrauber wohl als erster abstürzen werde. "Jeder setzt auf seinen eigenen Flug - dann hat man wenigstens die Wette gewonnen, wenn es abwärts geht."


      Der Autor dieser Serie schrieb zum gleichen Thema das am 11. September erscheinende Buch "Der Kampf um das heilige Feuer - Wettlauf der Weltmächte am Kaspischen Meer", Rowohlt Berlin, 320 Seiten, 19,90 Euro


      Trotz ihres schwarzen Humors ist die Stimmung der Ölmänner den gesamten Abend über ausgezeichnet. Nicht ohne Grund: Der Ölboom am Kaspischen Meer, dem neuen Wilden Osten der Industrie des Schwarzen Goldes, hat seine kurze Flaute überwunden. Auf dem Grund des riesigen Binnensees und an seinen Ufern bohren gleich mehrere transnationale Energiekonzerne nach den größten unerschlossenen Ölvorkommen der Welt und bescheren ihren Arbeitern und Ingenieuren Spitzeneinkommen für viele Jahre.

      Schätzungen über das verfügbare Volumen reichen von 50 bis 110 Milliarden Fass Erdöl und etwa sieben bis neun Billionen Kubikmeter Erdgas. Das US-Energieministerium kalkuliert sogar mit 200 Milliarden Barrel Erdöl - nur Saudi Arabien besitzt mit nachgewiesenen 262 Milliarden Barrel mehr. Erst im Sommer 2000 wurde vor der kasachischen Küste das Kashagan-Ölfeld entdeckt, das als eines der fünf größten der Welt gilt.

      Der letzte Öl-Rausch in der Geschichte der Menschheit

      Für westliche Ölfirmen, denen die verstaatlichten Produktionsstätten der Golfregion und das unsichere Russland wenig Chancen für Beteiligungen bieten, ist der kaspische Boom ein Segen. Sie haben mit den zumeist ex-kommunistischen Potentaten der Region lukrative Verträge abgeschlossen und 30 Milliarden Dollar in neue Förderanlagen gesteckt. Bis zum Jahr 2015 sind weitere Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Dollar vorgesehen.

      Zugleich hat aber der voraussichtlich letzte große Öl-Rausch in der Geschichte der Menschheit einen geopolitischen Kampf um den Kaukasus und Zentralasien ausgelöst, wo seit dem Kollaps der Sowjetunion vor zehn Jahren ein Machtvakuum herrscht. Er gleicht dem "Great Game", der imperialen Rivalität zwischen dem Britischen Weltreich und dem zaristischen Russland um das Herz der eurasischen Landmasse im 19. Jahrhundert, das der britische Schriftsteller Rudyard Kipling einst so spannend beschrieb.


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      Nun ist ein neues "Großes Spiel" um die Territorien zwischen den Gebirgen des Kaukasus und des Pamir entbrannt (siehe Karte). Mit dem Unterschied, dass nun die Amerikaner Gegenspieler der Russen sind. Außerdem mischen dieses Mal reiche Konzerne und Regionalmächte kräftig mit - China, der Iran, die Türkei, Pakistan sowie Shell und BP.

      Alle wollen die Kontrolle über die Energiereserven gewinnen, welche die Abhängigkeit vom Öl des mächtigen, arabisch dominierten OPEC-Kartells aus der instabilen Golfregion mindern können. Zwar reichen die Ölreserven des kaspischen Meers entgegen ersten euphorischen Erwartungen nicht an die Vorkommen des Persischen Golfs heran, die etwa 600 Milliarden Barrel, zwei Drittel der Vorräte der Erde, umfassen.

      Mit einer Fördermenge von maximal sechs Millionen Barrel pro Tag könnte die kaspische Region einen Weltmarktanteil von lediglich fünf bis acht Prozent erreichen, was ungefähr dem der Förderung aus dem Nordseegrund entspräche. Die Führerschaft des OPEC-Kartells wird also unangefochten bleiben. Zudem gehen die außerhalb der Golfregion liegenden fossilen Reserven allmählich zur Neige. Bei der jährlich um fast zwei Millionen Barrel steigenden Nachfrage nach Rohöl wird der Anteil der OPEC am Weltmarkt in den kommenden zwei Jahrzehnten weiter wachsen.

      Strategisches Ziel für Öl-Männer der Bush-Regierung

      Aber gerade darin liegt die strategische Bedeutung der kaspischen Vorkommen. Denn um die Abhängigkeit vom arabischen Öl zu mildern, verfolgen die Regierungen der Vereinigten Staaten die Politik, ihre "Energieversorgung zu diversifizieren", also Rohstoffquellen außerhalb der OPEC zu erschließen und zu sichern.

      Die Kontrolle über das kaspische Erdöl ist eines der Schlüsselelemente dieser Strategie. "Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der eine Region so plötzlich strategisch so wichtig geworden ist wie jetzt die kaspische Region", erklärte Dick Cheney, der damalige Chef des Petrologistik-Konzerns Halliburton, im Jahre 1998 in einer Rede vor Öl-Industriellen in Washington.

      Heute ist Cheney Vize-Präsident der Vereinigten Staaten und gilt als der einflussreichste Mann hinter George W. Bush, der selbst aus der texanischen Ölindustrie kommt. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und der amerikanische Feldzug in Afghanistan haben Zentralasien endgültig in den Brennpunkt der US-Außenpolitik gerückt. Washington ist entschlossen, die geostrategischen Kräfteverhältnisse am Kaspischen Meer zu seinen Gunsten zu verändern.

      Alle Spieler des neuen "Great Game" beschäftigt ein ernstes Problem: die Ölfelder der landumschlossenen kaspischen Region liegen Tausende Kilometer von Hochseehäfen entfernt, von wo Tanker es zu den Märkten der industrialisierten Welt bringen könnten. Also müssen Pipelines gebaut werden. Und um deren Verlauf gibt es im Kaukasus und in Zentralasien seit fast zehn Jahren Konflikte - und Kriege.


      AP

      US-Präsident Bush, Vize Cheney: Öl-Strategen in höchsten Regierungsämtern


      Russlands Regenten, nach Saudi-Arabien die zweitgrößten Erdölexporteure der Welt, sehen sich noch immer als Aufseher ihrer ehemaligen kaukasischen und zentralasiatischen Kolonien. Trotz der Mitarbeit Präsident Vladimir Putins in der amerikanischen Anti-Terror-Koalition wollen mächtige politische und wirtschaftliche Kreise in Moskau die USA auf Armlänge halten. Sie bestehen darauf, dass die Pipelines für das kaspische Öl wie zu Sowjetzeiten über russisches Territorium nördlich des Kaukasus-Gebirges verlaufen, durch das kriegsgeschüttelte Tschetschenien zum Schwarzmeer-Hafen Novorossijsk.

      Die Vereinigten Staaten hingegen wollen den kostbaren Rohstoff russischem Zugriff entziehen, um die Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken von Moskau zu stärken. Eine südliche Route durch den von Mullahs regierten Iran, seit 20 Jahren Amerikas Erzfeind, kommt für Washington ebenfalls nicht in Frage. Die Bush-Regierung, wie zuvor auch schon die Clinton-Administration, kämpft mit allen Mitteln für eine Pipeline, die sowohl Russland als auch den Iran umgeht.

      Seit Mitte der 1990er macht Washington daher Druck für ein gigantisches Pipeline-Projekt über 1750 Kilometer von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku durch das Nachbarland Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Massiv unterstützt wird die kühne Idee von der türkischen Regierung, die befürchtet, Tanker aus dem Schwarzen Meer könnten im engen Bosporus havarieren und Istanbul verseuchen. Mit 2,9 Milliarden Dollar Baukosten ist die Leitung allerdings extrem teuer und soll zudem durch politisch sehr instabile Gebiete verlaufen, zunächst wollte darum kein Konzern das Risiko eingehen.


      Lutz Klevermann

      Altes Ölfeld in Baku: Gespentisches Ödland


      Doch beim Öl ist Politik mindestens so wichtig wie der Markt. Darum wird nun die Azerbaijan International Operating Company (AIOC), ein internationales Konsortium aus einem Dutzend Ölkonzernen das Projekt in Angriff nehmen. An dessen Spitze steht die BP Amoco AG, mit der Aserbaidschan Ende 1994 den sogenannten "Jahrhundert-Vertrag" zur Ausbeutung der kaspischen Ölquellen unterzeichnete. Und alle Fäden für das kaspische Ölabenteuer laufen zusammen in der Villa Petrolea, der BP-Konzernzentrale in Baku, inmitten einer der gespenstischsten Industrieödlandschaften der Erde.


      © SPIEGEL ONLINE 2002
      Avatar
      schrieb am 12.10.02 15:29:51
      Beitrag Nr. 3 ()
      TEIL 2
      http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,210272-2,00.htm…
      DER KAMPF UMS KASPISCHE ÖL

      Pipelines, Bomben und Soldaten (2)

      Zurück zum 1. Teil


      DPA

      BP-Chef John Browne: "Wir sind keine wohltätige Organisation"


      Direkt am Ufer rosten hier hunderte Derricks, alte Ölfördertürme, inmitten riesiger Lachen aus schleimigem Ölschlick und rosa glänzendem Wasser. Noch immer quälen sich einige Schwengel knirschend und rasselnd auf und ab, wie nickende Esel aus Stahl, und saugen Rohöl aus dem Erdreich. So verseucht ist das Gelände, dass auf mehreren Quadratkilometern nicht eine grüne Pflanze wächst, nicht ein einziger Grashalm.

      Hier brach Ende des 19. Jahrhunderts der erste Ölboom Bakus los, als die Nobels und die Rothschilds in die Stadt kamen und von hier aus der amerikanischen Standard Oil Company John Rockefellers das Weltmonopol streitig machten. Sie bauten die erste Pipeline vom Kaspischen ans Schwarze Meer, mehr als die Hälfte allen Öls auf dem Weltmarkt kam vor 100 Jahren aus Baku. Aber auch die russische Arbeiterbewegung hatte hier ihre Ursprünge, aufgestachelt von einem gewissen georgischen Agitator namens Josif Dschugaschwili, der sich später Stalin nennen sollte. Nach der Oktoberrevolution 1917 vertrieb die Avantgarde des Proletariats die kapitalistischen Ölbarone und verfeinerte deren Methoden, die Natur restlos zu verseuchen.

      Auch die Villa Petrolea, von der aus BPAmoco heute die kaspischen Geschäfte leitet, war vor zehn Jahren noch ein Regierungsgebäude der Kommunisten. Viele kleine Hämmer und Sicheln, liebevoll in Rot ausgemalt, prangen in der fein verzierten Stuckdecke der Eingangshalle. "Tja, das ist die Ironie der Geschichte", lacht BP-Sprecherin Taman Bayatli, beim Empfang des Besuchers im dritten Stock des Gebäudes.



      Hier arbeitet David Woodward, Vorsitzender von BPAmoco Aserbaidschan, nach Staatspräsident Heydar Alijew und dessen Sohn wohl der mächtigste Mann in Baku. Er verwaltet rund 15 Milliarden Dollar, die der Ölkonzern in den kommenden Jahren vor der aserischen Küste investieren will. So dominant ist BPAmocos wirtschaftliche Stellung in Aserbaidschan mittlerweile, dass kaum eine wichtige Entscheidung in Sachen Öl ohne Woodwards Zustimmung fällt - und Öl ist in diesem Land fast alles. Ein BP-Sprecher hat es mal so ausgedrückt: "Wenn wir aus Baku abzögen, würde das Land über Nacht zusammenbrechen."

      Woodward, der großgewachsene BP-Veteran, in dessen Lebenslauf keine der klassischen Job-Stationen von Aberdeen bis Alaska fehlt, kommt gleich zum Punkt: "Wir werden die Pipeline nach Ceyhan bauen, und wir werden sie mit Öl vollmachen. Sie wird rentabel sein, im Sommer geht es los."

      Nein, nicht der politische Druck aus Washington sei ausschlaggebend, die Entscheidung rein ökonomisch motiviert, beteuert Woodward. "Es ist kein politisches Projekt. Wir sind keine wohltätige Organisation - wenn sich die Sache nicht rechnen würde, hätten wir Amerikanern und Aseris gesagt: `Sorry, aber es geht nicht!`" Einmal fertig, soll die Röhre täglich bis zu eine Million Barrel Rohöl des Chirag-Felds transportieren. Woodward räumt ein, dass eine Nord-Süd-Route durch den Iran kürzer, billiger und wahrscheinlich auch sicherer wäre als die Pipeline durch das bürgerkriegsgeschüttelte Georgien. "Aber wir halten uns an amerikanische Sanktionen gegen den Iran, und außerdem will unser Gastgeber Aserbaidschan nicht vom Iran abhängig sein - was wir respektieren müssen."

      Die große Unbekannte Russland

      Sogar der russische Widerstand gegen das Projekt wird offenbar geringer. Seit Jahren steht Moskau im Verdacht, absichtlich politisches Chaos und Bürgerkriege in Aserbaidschan und im Transitland Georgien anzufachen, um Pipeline-Investoren abzuschrecken. Im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien Anfang der 1990er um die Enklave Berg-Karabach, bei der Zehntausende starben und bis zu eine Million Aseris vertrieben wurden, unterstützte Moskau offen die Armenier.


      REUTERS

      Russlands Präsident Putin: "Russland ist und bleibt gegen die Pipeline"


      Im vergangenen Oktober allerdings, auf dem Höhepunkt russisch-amerikanischer Detente im gemeinsamen "Krieg gegen den Terror", reiste Woodward mit ein paar Kollegen nach Moskau und stellte das Baku-Ceyhan-Projekt erstmalig im dortigen Energieministerium vor. Noch ein Jahr zuvor wäre dies undenkbar gewesen. "Der stellvertretende Minister war da und machte deutlich, dass russischen Firmen, die sich an der Pipeline beteiligen wollen, keine Steine in den Weg gelegt würden."

      So hat denn auch der russische Ölriese Lukoil, der als verlängerter Arm von Moskaus Außenpolitik betrachtet wird, Interesse signalisiert, sich in das Projekt einzukaufen.

      Ein hochrangiger russischer Diplomat in der Region dämpft allerdings zu hohe Erwartungen an Moskaus Kooperation: "Auch wenn Lukoil sich an Baku-Ceyhan beteiligt, Russland ist und bleibt gegen Pipeline. Sie ist ein geopolitisches Projekt der Amerikaner, und wir werden versuchen, es zu verhindern."

      Der Weg zu US-Botschafter Ros Wilson in Baku, Washingtons wichtigstem Diplomaten in diesem Teil der Welt, führt durch eine Metallschranke, die solange piept, bis man auch den letzten Kugelschreiber aus der Tasche gekramt hat. Woraufhin die Sicherheitsbeamten, seit dem 11. September noch gewissenhafter als sonst, den Kugelschreiber in seine Einzelteile zerlegen - man kann ja nie wissen.

      Botschafter Wilson, ein hochaufgeschossener, schlanker Mann aus Minnesota, hat seit dem Beginn des amerikanischen "Kriegs gegen den Terror" wohl ein paar mehr Akten als sonst auf seinem Schreibtisch. Er scheint ganz froh zu sein, mal wieder über Öl, und nicht islamische Terroristen, reden zu können. Schon die ersten Sätze verraten den geschliffenen Karriere-Diplomaten: "Wir sehen uns nicht in einem Großen Spiel mit Russland, schon gar nicht in einem Nullsummenspiel. Wir haben unsere Interessen, die Russen haben ihre, aber sie müssen nicht unbedingt miteinander kollidieren." Das Gefühl einiger Russen, Amerika wolle sie aus der Region verdrängen, sei grundlos.





      Nach einigen Phrasen über Demokratie, Frieden und Kooperation, die so sorgsam getrimmt sind wie sein rötlicher Vollbart, wird Wilson deutlicher: "Wir wollen sicherstellen, dass das kaspische Öl an die Märkte kommt." Die Aseris wüssten außerdem, dass nur die Pipeline nach Ceyhan das Ticket zur wirklichen Unabhängigkeit sei. Schließlich sei der große Nachbar im Norden ein Hauptkonkurrent Aserbaidschans auf den Ölmärkten. "Die Aseris versuchen natürlich, Amerika und Russland gegeneinander auszuspielen. Aber sie verstehen, dass nur die Vereinigten Staaten der Garant für ihre Unabhängigkeit sind." Wie einen Beschluss verkündet Wilson dann: "Das Öl wird nie durch Russland gehen."

      © SPIEGEL ONLINE 2002
      Avatar
      schrieb am 12.10.02 16:18:41
      !
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      Avatar
      schrieb am 12.10.02 16:34:47
      Beitrag Nr. 5 ()
      Ah, ich komme grad nach Hause und sehe schon 3 Artikel :) .

      Vielen Dank @ OnassisA. und rudi&marion!

      Es gibt schon einige hilfsbereite Leute hier!

      Schöne Grüße, Vicco

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      Avatar
      schrieb am 12.10.02 16:41:31
      Beitrag Nr. 6 ()
      @ ViccoB.

      möchtest Du auch andere oder nur Nr. 8


      gruß
      rudi
      Avatar
      schrieb am 12.10.02 16:47:10
      Beitrag Nr. 7 ()
      @ ViccoB.

      gut mein Fehler.



      Der Kampf ums kaspische Öl (3)

      Das neue Kuweit und sein kindlicher Diktator

      Von Lutz C. Kleveman, Aschgabad

      Ein bizarrer Despot und die Oligarchen aus Moskau halten Turkmenistan fest im Griff - zum Schaden für die westliche Öl-Industrie. Die Milliardengewinne aus den zwei Billionen Kubikmeter fassenden Erdgasfeldern gehen an den Konzernen vorbei. Nun setzten Amerikas Strategen auf die Option Afghanistan.


      Statue des turkmenischen Diktators Nyazow: "Personenkult wie zu Stalins Zeiten"


      Turkmenistan ist wahrscheinlich der einzige Ort der Welt, wo ein Taxi zum Flughafen teurer ist als der anschließende Flug. "Nein, mein Herr, das ist ganz sicher kein Irrtum, das Ticket kostet 35 Manat", sagt die Dame am Verkaufsschalter der Turkmenistan Airways in Turkmenbaschi, der einzigen Hafenstadt des Landes am Ostufer des Kaspischen Meer. 35 Manat, das sind umgerechnet etwas mehr als zwei Euro! Für einen Flug in die Hauptstadt Aschgabad, immerhin 800 Kilometer entfernt.

      Unter den Passagieren der Maschine, einer brandneuen Boeing 757, sind viele bunt bekleidete Marktfrauen, die Obst und Fische aus dem Kaspischen Meer auf dem Bazaar in Aschgabad verkaufen. Am Abend werden sie mit dem letzten Flieger wieder heimkehren. Mit einem feinen Netto-Gewinn, nach Abzug der Transportkosten.

      "Ein Volk, ein Vaterland, ein Führer"

      In Ländern, in denen derartiges möglich ist, sind meist sagenhafte Bodenschätze nicht weit. Tatsächlich wird Turkmenistan oft das neue Kuweit am Kaspischen Meer genannt: Die seit zehn Jahren unabhängige ex-sowjetische Wüstenrepublik sitzt auf immensen Reichtümern. Die Gasvorkommen allein werden auf zwei Billionen Kubikmeter geschätzt, die viertgrößten der Welt. Hinzu kommen noch weitgehend unerschlossene Ölfelder vor der turkmenischen Küste, von denen bis heute niemand weiß, wie groß sie sind. Die Bodenschätze machen das Land zu einem der wertvollsten Beutestücke im neuen Großen Spiel, dem Kampf der Großmächte und Konzerne um die Öl- und Gasfelder am Kaspischen Meer.

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      Deren Problem ist nur, dass Turkmenistan von einem, vorsichtig ausgedrückt, leicht realitätsfremden Mann beherrscht wird: Staatspräsident Saparmurad Nijazow. Besser bekannt als Turkmenbaschi, der "Führer aller Turkmenen", wie sich Nijazow seit Jahren nur noch nennt. Der ehemalige Chef der Kommunistischen Partei in Turkmenistan hat das Land seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in einen gigantischen Themenpark verwandelt, mit einem einzigen Thema: ihm selbst. An fast jeder Straßenecke in Aschgabad hängen Porträts des 60-Jährigen, eines kleinen Mannes mit scheinbar weichem Gesicht. Der Staatsslogan "Halk, Watan, Turkmenbaschi" (was so viel bedeutet wie "Ein Volk, ein Vaterland, ein Führer") schmückt alle öffentlichen Gebäude.

      Dazu ist die Hauptstadt mit zahllosen Statuen des Diktators auf Lebenszeit übersät, von denen ein gutes Dutzend vergoldet sind. Die größte unter ihnen steht 40 Meter hoch auf einem Triumphbogen im Kern der Stadt: mit fliegendem Mantel und weit ausgestreckten Armen blickt Turkmenbaschi auf seine etwa fünf Millionen Untergebenen runter. Dabei rotiert der Herrscher langsam, damit sein güldenes Antlitz stets der Sonne zugewandt bleibt. "Es ist ein Personenkult wie zu Stalins Zeiten", sagt ein hochrangiger westlicher Diplomat in Aschgabad. "In keiner anderen ehemals kommunistischen Republik hat sich das sowjetische System so unreformiert erhalten."


      REUTERS

      Turkmenisches Öllager amn Kaspischen Meer: Wertvolles Beutestück im Großen Spiel


      Fast alle erwachsenen Menschen arbeiten noch immer für den Staat, um die grandiosen Ideen und Spielereien des exzentrischen Chefs zu verwirklichen: Arbeiterbrigaden reißen ganze Wohngebiete der Hauptstadt ab und ersetzen sie durch leer stehende Marmor-Prachtbauten, Palmenparks mit mythischen Statuen und Tausenden, zum Teil gigantischen Springbrunnen. Sie sind Nijazows größte Obsession, und er besteht darauf, dass nur das beste Trinkwasser des Wüstenlandes aus ihnen sprudelt (und verdunstet). "Es erinnert alles ein wenig an Kim Il Sung in Nordkorea", kommentiert der westliche Diplomat. "Dabei ist der Mann kein brutaler Tyrann. Er ist nur wie ein Kind, und dazu noch ein ziemlich verrücktes."

      Schweres Terrain für die Ölindustrie

      Kein Mitglied des diplomatischen Corps, das nicht eine obskure Anekdote darüber auf Lager hätte, was Turkmenbaschi nun schon wieder angestellt hat. "Neulich fragte er sich wohl in seinem Palast, ob das Volk ihn auch wirklich so liebe, wie seine Minister ihm versichern", erzählt eine amerikanische Diplomatin. "Da hat er sich einen falschen schwarzen Bart angeklebt und ist ganz allein in die Außenbezirke gefahren, um einfache Menschen auf der Straße nach ihrer Meinung zu fragen." Natürlich würde sich in Turkmenistan niemand trauen, seine wirklichen Ansichten zu politischen Themen öffentlich kundzutun. "Schon gar nicht, wenn der Befrager im gepanzerten schwarzen Mercedes des Präsidenten angefahren kommt - und obendrein der Bart schief vom Kinn hängt."

      So unterhaltsam die Launen des modernen turkmenischen Khans sein mögen, so schwer machen sie es für westliche Regierungen und Unternehmen, in dem rohstoffreichen Land politisch und wirtschaftlich Einfluss zu gewinnen. Anders als in den übrigen Schlüsselstaaten am Kaspischen Meer wie Kasachstan und Aserbaidschan, sind ausländische Investitionen in Turkmenistan, besonders im Öl- und Gassektor, nach wie vor sehr schwierig. Die Willkür des Präsidenten verhindert klare legale Vorgaben ebenso wie einen effektiven Schutz vor korrupten Bürokraten. "So müssen sich die ersten Händler gefühlt haben, die im 19. Jahrhundert an den Hof des Emirs von Bukhara gereist sind", stöhnt ein britischer Geschäftsmann. Auch er will nicht namentlich genannt werden, aus Angst vor negativen Folgen. "Die Turkmenen könnten zum Beispiel unsere bestehenden Verträge einfach zerreißen und mich ausweisen."


      DPA

      Despot Nijasow: "Ein verrücktes Kind"


      Von den Schwierigkeiten seiner westlichen Gegenspieler im neuen Großen Spiel profitiert Turkmenistans ehemaliger kolonialer Hegemon: Russland. Zwar besiegten russische Zarentruppen die letzten nomadischen Banditen Turkmenistans erst vor gut einhundert Jahren, in der blutigen Schlacht von Geok-Tepe im Januar 1881, aber aus der folgenden Kontrolle und Abhängigkeit von Russland weiß sich das kleine Land auch nach dem Ende der UdSSR nicht richtig zu befreien. Seinen wichtigsten Geldbringer, das Erdgas, muss Turkmenistan bis heute durch die alten Pipelines nach Russland exportieren. Andere bestehen nicht, außer einer kleinen neuen Röhre nach Iran, die aber die Abhängigkeit von Moskau kaum mindert. Schon mehrfach hat Gazprom, der russische Gasriese, den Turkmenen willkürlich den Hahn abgedreht und die Pipelines gesperrt.

      Daher hatte die turkmenische Regierung Mitte der Neunziger den kühnen Plan, eine Pipeline unter dem Kaspischen Meer durch nach Aserbaidschan zu legen, wo sie an eine Leitung in die Türkei angeschlossen würde. Das Projekt wurde enthusiastisch von der amerikanischen Regierung unterstützt, die Turkmenistan wie alle 1992 unabhängig gewordenen und zudem rohstoffreichen Länder aus der Faust Moskaus zu befreien sucht. Wie im Falle von Aserbaidschan sieht Washington in einer Ost-West-Pipeline, die Russland umgeht, das beste Mittel dafür.

      Rückschlag für Shell, Gewinner sind Russlands Ölbosse

      Der britisch-holländische Rohstoffgigant Shell stieg in das Projekt ein und fertigte Machbarkeitsstudien an. "Wir kamen zu dem Schluss, dass die Pipeline technisch und kommerziell absolut Sinn machen würde", sagt Pius Cagienard, Generaldirektor von Shell in Turkmenistan. In seinem Büro, zusammen mit den britischen, deutschen und französischen Botschaften in einem Luxushotel untergebracht, hängen viele Photos von dem Tag im Jahre 1999, an dem Shell-Manager mit Nijazow Vorverträge unterschrieben.


      Der Autor dieser Serie schrieb zum gleichen Thema das am 11. September erscheinende Buch "Der Kampf um das heilige Feuer - Wettlauf der Weltmächte am Kaspischen Meer", Rowohlt Berlin, 320 Seiten, 19,90 Euro


      Der Schweizer betrachtet sie heute mit Bitterkeit, denn aus der Transkaspischen Pipeline wurde nichts. "Das Projekt geriet in ein geopolitisches Ringen zwischen den USA und Russland, und Moskau hatte leider den längeren Arm", erzählt Cagienard und sieht dabei sehr wie ein Verlierer aus. "Die Russen haben so viel politischen Druck gemacht, da hat sich Präsident Nijazow nicht mehr getraut, sie vor den Kopf zu schlagen und mit uns einen endgültigen Vertrag zu unterschreiben." Damit ging die Chance auf eine weitere Exportroute bis auf weiteres verloren, denn die Türkei hat inzwischen Lieferverträge für Gas mit Iran und mit Russland abgeschlossen. Die russische Pipeline, Blue Stream genannt, wird ironischerweise unter dem Schwarzen Meer hindurch in die Türkei führen.

      Des einen Leid ist des anderen Freud: der vorläufige Gewinner im Kampf um das turkmenische Gas ist der russische Rohstoffkonzern Itera, der eng mit dem Monopolisten Gazprom zusammenarbeitet. Iteras Boss Igor Makarow, einer der mächtigen Oligarchen in Moskau, wurde in Aschgabad geboren und kann sich in seiner Geschäftsstrategie auf eine langjährige Freundschaft mit Staatspräsident Nijazow stützen. Vor wenigen Monaten haben die beiden Männer vereinbart, dass Turkmenistan im kommenden Jahr 40 Milliarden Kubikmeter Gas nach Norden an Itera liefert.

      Der Preis, spottbillige 43 Dollar pro tausend Kubikmeter, ist zur Hälfte in Naturalien zahlbar. "Das ist ein fairer Preis, alle sind zufrieden. Wir nutzen die Pipeline-Situation nicht aus", beteuert Gozchmurad Nazdianow, Itera-Topmanager in Turkmenistan. So überzeugend verteidigt der elegante Mittfünfziger heute die Interessen seiner russischen Firma, fast könnte man vergessen, dass er noch vor wenigen Jahren Turkmenbaschis Ölminister war. Nazdianow einzustellen war ein weiterer schlauer Schachzug von Itera-Chef Makarow.

      Die Afghanistan-Route - Alternative für Amerikas Öl-Strategen

      An politischen Hindernissen allerdings sei die Transkaspische Pipeline nicht gescheitert, behauptet Nazdianow heute: "Die Russen haben gar keinen Druck gemacht, Schuld am Scheitern des Projekts hatten nur die Aserbaidschaner." Die Regierung in Baku habe nämlich die Pipeline boykottiert, wollte nicht ausreichend Gas durch das Land lassen, um sie rentabel zu machen. Massiven politischem Einfluss habe nur Washington auszuüben versucht. "Aber es hat nicht gereicht, um die Aserbaidschaner zum Einlenken zu bringen. Also ist das Projekt gestorben." Für einen kurzen Moment ist Nazdianow anzumerken, dass ihm das als ehemaligem Ölminister seines Landes leid tut. Aber dann besinnt er sich wieder darauf, in wessen Diensten er heute steht. "Für Itera ist das natürlich eine gute Nachricht."


      REUTERS

      Afghanistans Staatschef Karsai (in Washington): "Die Ölkonzerne werden nicht auf sich warten lassen"


      Hoffnung auf eine zweite große Exportroute für turkmenisches Gas, fügt er dann hinzu, gebe es allerdings weiter: "Durch Afghanistan." Bereits Mitte der Neunziger plante der amerikanischen Ölkonzern Unocal, zwei Pipelines für Gas und für Öl durch Afghanistan nach Pakistan zu bauen. Nazdianow, damals noch Ölminister, reiste mehrfach mit Unocal-Managern nach Afghanistan, um die Taliban und die Nordallianz für das Projekt und ein dafür nötiges Ende des Bürgerkriegs zu begeistern. Die Kämpfe aber gingen weiter, und Unocal stieg aus. Mit dem Ende der Taliban hat sich nun der afghanische Pipeline-Korridor wieder geöffnet: Bei einem Staatsbesuch in Aschgabad Anfang März besprachen der neue afghanische Präsident Hamid Karzai und Turkmenbaschi das Vorhaben bereits. Nazdianow glaubt: "Lange werden die Ölkonzerne nicht auf sich warten lassen."


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      Der Kampf ums kaspische Öl (4)

      Pipeline-Poker in der kasachischen Steppe

      Von Lutz C. Kleveman, Atyrau

      Die Entdeckung des zweitgrößten Ölfelds der Welt vor der Küste Kasachstans hat eine neue Runde im Großen Machtspiel um die kaspischen Öl-Reserven eingeläutet. Das Mullah-Regime in Teheran hat gute Karten. Aber auch Chinas Kommunisten mischen mit.


      EPA/DPA

      Haupstadt Astana: Bauboom mit dem Öl-Geld


      Von fern erscheint sie wie eine Kircheninsel in der Lagune von Venedig. Doch als der Helikopter näher heran fliegt, entpuppt sich der vermeintliche Dom als profaner Bohrturm, und die Kirche darunter als Ölplattform, so breit wie ein Fußballfeld. Wir befinden uns über dem nördlichen Kaspischen Meer, 50 Kilometer vor der Küste Kasachstans, irgendwo im Westen liegt das russische Ufer.

      "Sunkar" wird die Bohrinsel genannt, das ist Kasachisch für "Adler". Eigentlich ist sie nichts weiter als ein schwerfälliges Floß, das noch vor wenigen Jahren durch das Niger-Delta schipperte. Dann wurde es an diesen Ort geschleppt, über viele Tausend Kilometer. Erst die afrikanische Westküste hoch, dann durch das Mittelmeer, das Schwarze Meer, den Don aufwärts und schließlich die Wolga runter, bis ins Kaspische Meer. Wer so etwas macht, will Geld verdienen. Viel Geld.

      "Hier ist es damals passiert", sagt Neil Booth trocken. "Hier haben wir es gefunden, und es war groß." Es gehört zu Booths Selbstverständnis als Brite, Erfolge zu untertreiben. Was der Manager des italienischen Ölkonzerns Agip so vorsichtig umschreibt, war der größte Ölfund seit drei Jahrzehnten: das Kashagan-Feld. Im Juli 2000 stießen Geologen unter einem uralten Korallenatoll in 4500 Metern Tiefe auf eine gewaltige Ölblase. Wie weit und wohin sie den Testbohrer auch bewegten, an Bord der Sunkar barsten beinahe die Ventile, weil das hochkonzentrierte Rohöl noch oben drückte. Schon nach wenigen Tagen wurde allen Anwesenden klar: Seit dem sensationellen Fund in Alaskas Prudhoe Bay im Jahr 1970 wurde nicht mehr so viel Erdöl an einem Ort entdeckt.

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      "Wir waren alle völlig perplex", erinnert sich der 50-jährige Booth in seinem Büro im kasachischen Atyrau, einer bislang verschlafenen Kleinstadt an der Nordküste des Kaspischen Meeres. Hier hat der Agip-Konzern, der das internationale Kashagan-Konsortium anführt, ein hastig aus Wohncontainern zusammengebasteltes Hauptquartier bezogen. Es wimmelt von italienischen Ölmännern, an jeder zweiten Ecke stehen Espresso-Maschinen.

      "Keiner wollte es glauben, als die Resultate reinkamen. Es war doch eine `wild cat` gewesen." Eine wilde Katze, so nennt man in der Branche eine Ölsuche an einem Ort, wo nie zuvor gebohrt worden war. Da das nordkaspische Meer in der Sowjetunion unter Naturschutz stand, gab es dort keine Erfahrungen mit Off-shore-Bohrungen. Booth erläutert: "Das ist ein Glücksspiel, da stehen die Chancen auf einen Treffer bei eins zu zwanzig, nicht mehr." Begeistert von ihrer Fortune, bohrten die Geologen 40 Kilometer vom ersten Treffer entfernt, um die Ausdehnung des Ölfelds unter dem Meer bestimmen.

      Das "neue Houston"

      Der Coup gelang: Wieder sprudelte das schwarze Gold. "Die chemische Zusammensetzung des Öls aus beiden Funden ist sehr ähnlich", berichtet Booth. "Das deutet darauf hin, dass es sich tatsächlich um ein und dieselbe Blase handelt." Mindestens 40 Kilometer Ausdehnung hat das Feld, vielleicht noch mehr. Experten schätzen, dass in Kashagan 30 Milliarden Barrel Erdöl verborgen liegen. Damit wäre es das zweitgrößte Ölfeld der Erde. Nur Ghawar in Saudi-Arabien ist mit 80 Milliarden Barrel noch größer, die Felder der Nordsee bergen noch insgesamt 17 Milliarden Barrel.

      Die Entdeckung von Kashagan ist nicht nur für die beteiligten Ölkonzerne eine Verheißung. Der gigantische Ölfund hat die geopolitische Balance am Kaspischen Meer ins Wanken gebracht und eine neue, gefährliche Runde im großen Ringen der Weltmächte um Rohstoffe und Pipelines eingeläutet. Kasachstan, noch vor einem Jahrzehnt eine rückständige Sowjetrepublik, wird sich in naher Zukunft zum größten Erdölexporteur nach Saudi Arabien entwickeln. Jeden Tag bis zu fünf Millionen Barrel könnte das Land schon im Jahr 2010 an den Rest der Welt verkaufen.

      Dem internationalen Öl-Kartell Opec bereitet diese Aussicht Kopfschmerzen: Dass sich das Nicht-Mitglied an Preisabsprachen und Förderlimits halten wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Zusammen mit Russland, das der Opec ebenfalls nicht angehört, könnte Kasachstan so die Macht der saudischen Scheichs über Wohl und Wehe der westlichen Industrieländer brechen. Für jede energiehungrige Gesellschaft, allen voran die USA, ist Kasachstan dadurch strategisch sehr wichtig geworden.


      Lutz Kleveman

      Eisangler in Atyrau: "Hauptsache, sie vergiften nicht unsere Fische"


      Für die bislang trostlose Plattenbaustadt Atyrau bringt das dramatische Veränderungen: Plötzlich sitzen in den Tupolews aus Moskau smarte Geschäftsleute, die während des Flugs ihre Laptops traktieren. Rechts und links der frisch geteerten Hauptstraße stehen nun große Schilder, die den Bau neuer Banken und Bürogebäude ankündigen. So gewaltig rollt der Ölboom über Atyrau her, dass das "Wall Street Journal" schon das "neue Houston" ausrief. Den vielen Fischern am Ural-Fluss, der hier als geografische Grenze zwischen Europa und Asien in das Kaspische Meer mündet, lässt der Hype um das neue Öl-Dorado bisher kalt. "Hauptsache, die Ölkonzerne vergiften nicht unsere Fische", sagt einer von ihnen. Die Sorge ist nicht aus der Luft gegriffen: Die Bohrinsel über Kashagan liegt mitten im nordkaspischen Naturschutzgebiet, in dem mehr als 200 bedrohte Tierarten, vor allem Vögel und der kaspische Seehund, leben.

      Angst vor einer "toten Zone

      "Wie konnte unsere Regierung dort den Schutzstatus aufheben und Bohrrechte erteilen?", schimpft Galina Chernowa, die zusammen mit dreißig Mitstreitern den Kampf derer in Atyrau anführt, die dem Ölboom nicht trauen. Die energische Biologin fordert einen sofortigen Bohrstopp: "Die Ölfirmen sagen uns, dass ihre Arbeit gar keinen Schaden anrichtet, aber das stimmt hinten und vorne nicht." Das Meer sei im Norden mit zwei bis zehn Metern Wassertiefe zu flach, um sich von Verschmutzungen je wieder zu erholen. "Wir wollen nicht, dass die Konzerne mit dem Geld davonrennen und uns hier in einer toten Zone zurücklassen."

      Dave Preston, Umweltbeauftragter von Agip in Atyrau, wiegelt ab: "Wir tun alles, um möglichst sauber zu produzieren." Abwasser gelange nicht ins Meer, auch Müll werde an Land entsorgt. Aber Preston fügt hinzu: "Dass es zu einem Blow-out kommt, wenn Öl unkontrolliert aus der Quelle schießt, das kann man natürlich nie ausschließen."

      Weit ärgeres Kopfzerbrechen als der Umweltschutz bereitet Industrie und Politikern aber die Frage, wie das Öl zu den Märkten der industrialisierten Welt gebracht werden kann. Im Poker um Pipelines sind die kaspischen Karten seit dem Kashagan-Fund völlig neu gemischt.


      DDP

      Staatspräsident Nasarbajew: Ärger mit den Amerikanern


      Der amerikanische Ölriese Chevron, der bereits seit 1993 in einem Joint Venture mit dem staatlichen Konzern Kazmunaigaz Öl aus dem riesigen Tengiz-Feld an der kaspischen Ostküste fördert, hat trotz unfreundlicher Kommentare aus Washington bereits eine Pipeline für mehr als zwei Milliarden Dollar durch den kriegsgeschüttelten Nordkaukasus zum russischen Schwarzmeerhafen Novorissijsk bauen lassen. Bis zu eine Million Barrel pro Tag kann die Leitung fassen. Im vergangenen Oktober floss das erste Öl.

      Zu Asiens Märkten über die "Achse des Bösen"

      "Für den Anfang könnte unsere Pipeline die Kashagan-Produktion aufnehmen, aber eine zweite Leitung ist notwendig", sagt Boris Scherdabajew, mächtiger Präsident vom Tengizchevroil genannten US-kasachischen Gemeinschaftsunternehmen, während er im Firmenjet bei Lachs und Sekt über die weite Steppe Kasachstans fliegt. "Noch eine Pipeline durch Russland wird die kasachische Regierung aber nicht zulassen, dann wäre sie zu abhängig von Moskau." Schon ist von einer zweiten Röhre entlang der Baku-Ceyhan-Pipeline durch den Süd-Kaukasus die Rede. Dafür müsste das Kashagan-Öl allerdings zunächst umständlich mit Tankern quer über das Kaspische Meer geschifft werden.

      Alle ökonomischen Fakten sprechen daher für eine Süd-Route zum Persischen Golf. Durch zwei Länder könnte sie verlaufen: durch den Iran oder Afghanistan.

      Das Mullah-Regime in Teheran hat sein Territorium mehrfach als idealen Korridor angeboten und möchte sogar eine Pipeline entlang der kaspischen Ostküste mit finanzieren. Kasachstans Präsident Nursultan Nazarbajew hat mehrfach seine Sympathie für das Projekt erklärt, sehr zum Ärger der US-Regierung von Präsident George W. Bush, der den Iran mehrfach als Teil einer "Achse des Bösen" bezeichnet hat und die amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufrecht erhält. Sie verbieten es US-Konzernen, Öl durch Persien zu transportieren. Doch das letzte Wort darüber, welchen Weg das Kashagan-Öl nehmen wird, haben die Kasachen. "Wir glauben, dass die Route durch den Iran am ökonomisch sinnvollsten wäre", sagt Sabr Yessimbekow, Pipeline-Chefplaner von Präsident Nazarbajew. "Das Öl muss nach Asien, die Märkte Europas sind übersättigt." Das Büro des 38jährigen ehemaligen Diplomaten liegt in der neuen Hauptstadt Astana, die sich Nazarbajew in froher Erwartung des Petrolreichtums für mehrere Milliarden Dollar in die nördliche Steppe bauen lässt.



      Der Autor dieser Serie schrieb zum gleichen Thema das am 11. September erscheinende Buch "Der Kampf um das heilige Feuer - Wettlauf der Weltmächte am Kaspischen Meer", Rowohlt Berlin, 320 Seiten, 19,90 Euro


      An der Wand hängt eine Karte des Landes, in der alle Pipeline-Optionen eingezeichnet sind. Darunter ist auch eine mehr als 3000 Kilometer lange Röhre nach China. "Die Chinesen sind ganz scharf auf das Kashagan-Öl", erzählt Yessimbekow mit einem Stirnrunzeln. "Sie sind sehr aggressiv, versuchen mit allen Mitteln, nach Kasachstan einzudringen."

      Der Pipeline-Chefplaner fährt fort: "Und deswegen ist es sehr gut, dass die USA ihre Truppen in Zentralasien stationieren - sie halten die Chinesen draußen." Der Kasache grinst unverhohlen schadenfroh: "Wer glaubt denn überhaupt, dass es den Amerikanern in diesem sogenannten Anti-Terror-Krieg um Osama Bin Laden geht? Es geht ihnen um uns, unser Öl wollen sie haben." Yessimbekow zögert einen Moment, dann fährt sein Finger plötzlich auf der Landkarte nach Südosten: "Durch Afghanistan könnte man die Pipeline jetzt auch wieder legen. Vielleicht subventioniert die Uno den Bau, das wäre doch was."
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      schrieb am 12.10.02 16:52:40
      !
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      Avatar
      schrieb am 20.10.02 14:55:59
      Beitrag Nr. 9 ()
      Sehr herzlichen Dank an rudi&marion für das Posten der übrigen Artikel!

      Ich freue mich sehr über soviel Hilfsbereitschaft.

      Mir war das Essay besonders wichtig.

      Beste Grüße von Vicco


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      Wer tut mir den Gefallen und postet die "Öl-Artikel" des SPIEGEL?