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    Modern Taxing - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 19.11.02 21:55:12 von
    neuester Beitrag 20.11.02 13:50:30 von
    Beiträge: 3
    ID: 662.351
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      schrieb am 19.11.02 21:55:12
      Beitrag Nr. 1 ()
      Aus der Zeitschrift "Eigentümlich frei" (http://www.eifrei.de) (November 2002) vom Autor des Romans "Die Säulenhalle", David Schah

      Modern Taxing

      Wer noch die ultimative Mutprobe, den Highend-Thrill oder den Mega-Harmageddon-Energy-Kick sucht, der versuche mal, in einer Uni-Cafeteria die Biographie von Dieter Bohlen zu lesen: Ihm sind ungläubiges Kopfschütteln, angewidertes Gekicher sowie peinlich berührte Intellektuellen-Visagen so gut wie sicher. Ein ähnlicher Effekt stellt sich ein, wenn man einen Cheeseburger von McDonald’s im Hörsaal verspeist oder in der Mensa die Bild-Zeitung studiert. Wenn man unbedingt noch eins drauf setzen will, dann tut man in seinem akademischen Bekanntenkreis kund, dass man das Bohlen-Buch ganz gut findet, ja dass man es sogar für hohe Literatur hält und zwar ganz ohne Ironie. Spätestens dann haben selbst die besten Freunde Mitleid mit einem, und der herrschaftsfreie Diskurs mündet in die Empfehlung, einen Psychoanalytiker aufzusuchen.

      Über Ernst Jünger, Martin Walser oder Peter Handke kann man ja gerade noch diskutieren, aber Dieter Bohlen? Der bedient doch nur die niederen Instinkte eines Massenpublikums mit seinen Geschichten um klopfende Teppich-Luder und steife Naddeln im Feldbusch. So wie auch die auf Kommerz ausgerichtete Bohlen-Musik genau den Pöbel-Geschmack trifft. So etwas kann man als Intellektueller allenfalls mit Distanz genießen, wenn man nämlich Ironie und Zynismus als Sicherung zwischen Gefühl und Bohlen-Input eingebaut hat. Erst dann kann man augenzwinkernd zugeben, Modern Talking zu lieben oder Dieters Vita goutiert zu haben. Absolut tabu ist aber, dafür Geld auszugeben, also Konsumterror und Bohlen auch noch zu unterstützen. Wie gut für meine Freunde, durchweg Uni-Angestellte, Lehrer und Studenten, dass sie diesen Schweinekram bei mir ausleihen können, wie gut, dass es diesen krassen David gibt, dem es nicht zu peinlich ist, für Bohlen zu bezahlen.

      In ihrer Haltung sind meine Freunde übrigens in bester Gesellschaft: Der GEZ-Sender WDR hatte mal den Fauxpas begangen, Bohlen mit „Midnight Lady“ das Titellied für einen Schimanski-Tatort schreiben zu lassen. Am Tag nach der Sendung war die Single ausverkauft, und der WDR wurde von den Zuschauern mit Lob zugemüllt. Doch Bohlen irrte gewaltig, als er von den staatlichen Fernsehmachern Dankbarkeit erwartete: „Tatsächlich war es ihnen peinlich. Sie hatten mit mir Geld verdient: ein kommerzieller Unfall. So was durfte nicht noch mal geschehen. Bei ihnen musste alles intellektuell und vergeistigt sein. Erst wenn’s keine Kohle und keine Quote brachte, war’s richtig gut.“ (Bohlen, S.112) Ist ja auch logisch, Dieter, schließlich muss sich der WDR die Kohle nicht verdienen, die kriegt er doch von Steuerzahlern und GEZ-Schutzgeld-Eintreibern, da können Tatort, Mucke und Quote noch so schlecht sein.

      Ist es nicht auf wunderbare Weise gerecht, dass alle Modern-Talking-Fans von ihren Fiskalabgaben keinen einzigen Cent für ihren Musikgeschmack vom Staat zurück bekommen? Schlechter Massengeschmack muss schließlich bestraft werden! Die Steuergelder des gemeinen Volkes sind doch viel besser und sozial gerechter aufgehoben in Konzertsälen, wo aufgetakelte Besserverdienende Alban Berg verstehen und Mozart lauschen, oder in Theatern, in denen man dem bildungshungrigen Bürger Stücke von Brecht, Dorst oder Handke vorsetzt, vielleicht auch mal Goethes Faust in einer Inszenierung, bei der das Gretchen-Luder in antipornographischer Selbstbezüglichkeit, sozusagen im Vollzug einer dialektischen Osmose, als splitternackte Über-Naddel auftritt und Mephistos überdimensionalen Brother Louie kitzelt. Da kann man’s den Banausen, Spießern und Steuerzahlern mal so richtig zeigen.

      Schließlich muss unser aller Kulturgut geschützt und gefördert werden, da es sonst massiv vom Aussterben bedroht wäre. Wie schrecklich wäre doch eine Welt, in der Literatur, Musik und Oper nur noch gnadenlos dem schnöden Mammon untergeordnet werden, so wie etwa die Drei Tenöre das schamlos vorzelebrieren. Wie furchtbar, wenn Mozarts Zauberflöte nur noch aufgeführt werden würde von kommerzgeilen Konzertveranstaltern, die auf den Markt für Musikgeschmack schielen. Das würde uns Jahrhunderte zurückwerfen, in die Zeit nämlich, als Mozart das war, was heute Dieter Bohlen ist: Ein massenkompatibler und skandalträchtiger Publikumsmagnet. Und sollte es in zweihundert Jahren nur noch eine Handvoll Bohlen-Fans geben, dann können diese sich darauf verlassen: Zur Rettung des deutschen Liedguts wird der WDR Modern Talking ebenso spielen wie Matze Reim, die Toten Hosen oder die Deutsche Verkehrsjugend, und die intellektuelle Analyse Bohlen’scher Osmose gibt es gratis dazu.

      Weiterführende Literatur:
      Dieter Bohlen: Nichts als die Wahrheit. Heyne, 2002.
      Roland Baader: Totgedacht. Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören. Resch, 2002.
      David Schah: Die Säulenhalle. Locashop. 2002.
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      schrieb am 19.11.02 23:17:05
      Beitrag Nr. 2 ()
      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 20.11.02 13:50:30
      Beitrag Nr. 3 ()
      Anscheinend sieht sich der Autor des Artikels selbst nicht als Intellektuellen, sonst würde er nicht so gegen diese hetzen.


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