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    Deutschland ist toll! - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 23.11.02 22:33:43 von
    neuester Beitrag 24.11.02 14:16:24 von
    Beiträge: 18
    ID: 664.329
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      schrieb am 23.11.02 22:33:43
      Beitrag Nr. 1 ()
      Deutschland ist toll

      Ausländische Korrespondenten sagen, warum


      Warum fühle ich mich in Deutschland wohl? Sicherlich nicht wegen des Wetters: das unerbittliche Grau, die durchdringende Kälte, die pastellfarbenen Stuckfassaden mit Regenwasserflecken. Nein, ich mag Deutschland wegen seiner Seelenqualen, seiner tragischen Seite, seiner unsagbaren Vergangenheit und seiner notwendigen Zukunft. Ich bewundere die Verwandlung des Nachkriegsdeutschlands - unter den Fittichen des nicht immer sympathischen, amerikanischen Adlers - in eine wahre und lebendige Demokratie. Ich mag Deutschland wegen seiner Abneigung gegen Extremismus, gegen Politiker, die mit Faschismus und Antisemitismus herumspielen, und wegen seines erstickenden Verlangens, das Gute wie Alpenhonig über eine undankbare und zurückgebliebene Welt zu gießen. Aber Deutschland ist auch eine Demokratie der Schlafwandler: Es verschläft zwar keine faschistische Bedrohung, wohl aber die Stagnation des rheinischen Kapitalismus. Es verschläft die Gefahr der Deflation, die Notwendigkeit der strukturellen Reform. Es verschläft die Tatsache, daß die Franzosen in einer lebendigeren Wirtschaftslandschaft härter und erfolgreicher arbeiten. Es verschläft die Notwendigkeit der Einwanderung ebenso wie den nötigen Wandel in den Einstellungen zu Arbeit und Beschäftigung. Ich mag Deutschland, dieses bürgerliche Paradies. Aber ich fürchte, die Deutschen haben sich angesichts neuer Wirtschafts- und Sicherheitsprobleme nicht hinreichend klargemacht, wie das Paradies aufrechtzuerhalten ist, zu welchem Preis und mit welchen Verpflichtungen gegenüber den Verbündeten.


      Steven Erlanger ist Berliner Büroleiter der Tageszeitung "New York Times".


      Pascale Hugues


      Warum ich gern in Deutschland lebe? Diese Frage kann einem auch nur in Deutschland gestellt werden. Ein Franzose käme nie auf die Idee, einen Ausländer zu fragen, warum er gern in Frankreich lebt, weil die Franzosen einfach davon ausgehen, daß es ein großes Glück sei, in ihrem Land zu wohnen. Darin zeigt sich ein Mangel an Selbstliebe der Deutschen. Und genau das macht sie ja so interessant. Für mich als Journalistin ist es doch viel spannender, in einem Land zu leben, in dem die Menschen sich mit ihrer Identität und Geschichte so schwertun. Aber ich habe das Gefühl, daß die jüngeren Deutschen sehr viel selbstbewußter sind als die Generation ihrer Eltern. Auch das ist spannend zu beobachten - und eine Entwicklung, die ich begrüße. Denn die blinde, klischeebeladene Bewunderung, die viele Deutsche einem Land wie Frankreich entgegenbringen, kann ganz schön nerven.


      Pascale Hugues ist Deutschlandkorrespondentin für das französische Nachrichten magazin "Le Point".


      Junichi Furuyama


      Eine große Errungenschaft der Deutschen, die mich als Japaner beeindruckt, ist die Autobahn. Die deutschen Autobahnen stammen zwar aus dem zurückliegenden Jahrhundert, aber sie sind meiner Meinung nach immer noch maßgebend für die Lebensqualität. Zumal es in Deutschland offenbar keine Alternative zum Schnellstraßennetz gibt: Für eine spontane, nächtliche Fahrt von Berlin an den Bodensee brauchte ich mit dem Auto kürzlich acht Stunden. Ein Flugzeug wäre erst am nächsten Morgen geflogen, und dann hätte ich außerdem von Stuttgart aus einen Mietwagen benötigt, so daß ich insgesamt rund zehn Stunden unterwegs gewesen wäre. Mit der Deutschen Bahn (in deren Bahnhöfen sich immer lange Warteschlangen vor den Ticketautomaten bilden, die komplizierter zu bedienen sind als ein japanischer Gameboy) hätte ich sogar knapp 14 Stunden einkalkulieren müssen, zuzüglich Verspätung. Ein Postpaket, das ein Kollege in Stuttgart an mich absandte, brauchte mehr als zwei Wochen, bis ich es in Berlin in Empfang nehmen konnte. Auf mehrmaliges Nachfragen bei der Post hieß es nur: "Geduld!" Um Zeit zu sparen, hätte ich es wohl besser selbst mit dem Auto abholen sollen.


      Junichi Furuyama ist Berliner Chefkorrespondent der japanischen Tageszeitung "Asahi Shimbun".


      Roger Boyes


      Warum lebe ich gern in Deutschland? Und wo liegen Deutschlands verborgene Stärken? Ich bin nur ein einfacher Ausländer und kann nicht die übermenschliche Aufgabe erfüllen, die Deutschen zu überreden, sich selbst zu lieben und ihre charmante Kultur, die sich immer zwischen Unterkühlung und Hysterie bewegt. An Deutschland beeindrucken mich jedenfalls vier Kardinaltugenden:


      1. Die postfreie Zeit: eine geniale deutsche Erfindung. Da Briefe frühestens mittags eintreffen, ist der ganze Vormittag frei von äußeren Anregungen. Dies erlaubt Büroangestellten, sich auf ihre persönliche Entwicklung zu konzentrieren. Viele Beamte haben deshalb mit Yoga begonnen, andere wurden zu Buddhisten. Und auch die Zahl der Hinduisten wächst, insbesondere im Agrar- und Verbraucherministerium. Deutschland hat mittlerweile eine riesige Herde heiliger Kühe. Das ist eine gute Sache.


      2. Teamgeist: Sie steigen in ein Taxi ein und nennen Ihr Fahrziel. Der Fahrer überreicht Ihnen den Stadtplan mit den Worten: "Gucken Sie mal im Verzeichnis nach, und sagen Sie mir, wo`s langgeht, wenn Sie die Straße gefunden haben. Was? Es gibt drei Straßen mit dem Namen? Das kann nicht sein. Da müssen Sie etwas verwechseln." Der Bundeskanzler hat recht: Wir können unsere Probleme nur gemeinsam lösen. Wir müssen uns bloß einigen: Wer sitzt im Taxi am Steuer?


      3. Erfindergeist: Im Lande von Daimler, Zeppelin, Otto und Röntgen gibt es eine lange Tradition von Innovation und Improvisation. Die Bundeswehr schreitet dabei, wie üblich, voran. Bei einer Truppenübung wurde ich kürzlich Zeuge der folgenden Szene: Ein Kommandeur sitzt im Turm eines Leopard-Panzers und brüllt durch ein Megaphon: "Bumm! Bumm! Bumm! Drei Salven wurden abgefeuert. Betrachten Sie sich als getroffen." Kein Wunder, daß Saddam Hussein deutsche Technologieexperten bewundert.


      4. Talk statt Arbeit: Deutschland hat die sprachgewandtesten Arbeitslosen der Welt. Sie können über vorzeitige Orgasmen sprechen, über Probleme mit eifersüchtigen Freunden, über lesbische Lehrerinnen, über die Gefahren von 1000-Kalorien-Diäten oder über Prinzessin Diana. Dank Bärbel, Arabella, Vera und dem zweiten Bildungsweg des Nachmittags-Talk-Fernsehens verfügt jeder arbeitslose Deutsche über Grundkenntnisse in Verhaltenspsychologie und (dank Dr. Verena Breitenbach von Pro7) Gynäkologie. Ich nenne das "Deutschlands stille Reserve".


      Dieser Überlebensführer ließe sich ausdehnen: Deutschland hat so viele ungenutzte Ressourcen. Könnte der Kanzler sie nur erkennen und ein neues Superministerium gründen. Aber ein müder Führer verliert seine politische Antenne. Er sollte Urlaub machen. So wie die ganze deutsche Nation. Führer und Geführte brauchen ein wenig Erholung voneinander. Und Urlaub machen, das ist auch ein großartiges deutsches Talent.


      Roger Boyes ist Deutschlandkorrespondent der britischen Tageszeitung "The Times".


      Ciro Krauthausen


      Es gibt Länder (auch auf diesem Kontinent), da stellt sich beim morgendlichen Gang zum Kiosk gar nicht erst die Frage, welche Zeitung - wenn überhaupt - sich zu kaufen lohnt. Anders in Deutschland: Bei fast einem Dutzend überregionaler Zeitungen, Regionalblätter und Wochenmagazine ist das Angebot an Informationen überwältigend - ebenso im Radio und im Fernsehen. Beeindruckend ist nicht allein die Vielfalt, sondern auch die Qualität dieser Medien: Als ob sie alle in der Schule Kants "Was ist Aufklärung?" gelesen hätten, hören Deutschlands Journalisten gar nicht mehr auf, zu recherchieren, zu berichten, zu analysieren und gelegentlich auch zu schwafeln. Es ist ein Zeichen von Zivilisiertheit, die man gerade in diesem Land nicht missen möchte: eine Gesellschaft, die aus der Geschichte gelernt hat, daß es besser ist, sich im Extremfall reflektierend zu zerfleischen, als sich und andere zu vernichten.


      Leider geht das auch mit Herdenverhalten einher - und mit einer immer wieder anschwellenden Hysterie. "Ihr Medien, ihr macht uns alle verrückt", wurden wir in- und ausländischen Journalisten wiederholt von den Opfern des Hochwassers im Sommer beschimpft. Und die Leute hatten recht, genauso wie jene befreundeten Arbeitslosen, die das allabendliche Wehklagen im Fernsehen über die ach so niederschmetternde Lage nicht mehr hören können. Dieser vielstimmige Chor, er ist manchmal unerträglich. Nein, es sieht im Moment nicht gut aus mit Deutschland und seiner Regierung, aber wohl auch nicht katastrophal, besonders wenn einmal ein Blick über die Grenzen gewagt wird. Während des vergangenen Wahlkampfs in dieser auch weiterhin drittstärksten Industrienation der Erde gab es einen schönen Spruch: "Deutschland, hör auf zu flennen." Erfunden hatte ihn nicht die Politik oder der Journalismus, sondern eine Werbeagentur.


      Ciro Krauthausen war bis vor kurzem Deutschlandkorrespondent der spanischen Tageszeitung "El Pais" und berichtet jetzt freiberuflich für spanische und lateinamerikanische Medien.


      Igal Avidan


      Drei selbsterlebte Situationen will ich schildern, um deutlich zu machen, warum ich gern in Deutschland wohne. Die erste: abends in einem Berliner Restaurant. Weil das Lokal voll war, fragten meine Begleiterin und ich, ob wir uns irgendwo dazusetzen könnten. "Selbstverständlich", bekamen wir zur Antwort. So teilten wir denselben Tisch, stundenlang. Nach drei Gängen verabschiedeten wir uns höflich von unseren Tischnachbarn, die wir bei dieser Gelegenheit nicht näher kennengelernt hatten. In Deutschland sind solche eng-entfernten Begegnungen gängig, in Israel unmöglich: Fremde teilen dort niemals einen Tisch, auch wenn sie dem gleichen Volk angehören.


      Situation Nummer zwei: im Bus zum Flughafen. Einige Passagiere hatten es eilig, aber der Chauffeur machte keine Anstalten loszufahren. Trotzdem blieben alle still auf ihren Plätzen sitzen - offenbar hatten sie gerade meditiert. Eine bewundernswerte Gelassenheit!


      Zur dritten Situation - die ich nie vergessen werde: Wir saßen in einer Berliner Hotellobby, und mein Gast, ein religiöser Jude, erzählte davon, wie schwer es ihm gefallen sei, seine allererste Deutschland-Reise anzutreten. In diesem Moment näherte sich der Kellner, ein riesiger Blonder, und fragte, ob wir etwas trinken möchten. Mein Gast bestellte Wasser. "Mit oder ohne Gas?", erkundigte sich der Kellner. Der Gast wurde blaß und bestellte einen Orangensaft. Es ist nirgendwo leicht, einer schutzlosen Minderheit anzugehören, der besonders in letzter Zeit von den Medien Aggressivität vorgeworfen wird. In Deutschland fällt es dennoch etwas leichter. Immerhin habe ich hier als Radfahrer meine eigene Spur.


      Igal Avidan ist Deutschlandkorrespondent für den israelischen Rundfunk.




      Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.11.2002
      Avatar
      schrieb am 23.11.02 23:00:42
      Beitrag Nr. 2 ()


      Hut ab - habe selten so gefesselt derartiges gelesen...

      Gute N8 - Croko ;)
      Avatar
      schrieb am 23.11.02 23:08:22
      Beitrag Nr. 3 ()
      Herrlich :laugh:
      In diesen "Spiegel" sollte mal jeder schauen :laugh:
      Avatar
      schrieb am 23.11.02 23:16:10
      Beitrag Nr. 4 ()
      der Brite :laugh:


      Einfach geil! :D
      Avatar
      schrieb am 23.11.02 23:27:59
      Beitrag Nr. 5 ()
      der kollege aus japan weis jedenfalls wie man in deutschland noch richtig spass haben kann...
      berlin-bodensee spontan nachts mit nem auto in 8 stunden...
      respekt !
      ab 300 ps aufwärts macht sowas wirklich riesenspass !
      :laugh:

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      Avatar
      schrieb am 23.11.02 23:33:27
      Beitrag Nr. 6 ()
      Macht mehr Spaß zu lesen, als was sonst so im Board steht.
      Mir hat es auch großes Vergnügen bereitet.
      J.
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 00:00:52
      Beitrag Nr. 7 ()
      Sehr guter Beitrag.:yawn:
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 01:03:06
      Beitrag Nr. 8 ()
      Was wohl Kim dazu sagt ???



      http://www.kimble.org

      :D
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 12:55:16
      Beitrag Nr. 9 ()
      Ende der Hysterie.

      Wir brauchen mehr positive Zeichnen, denn durchs Jammern wird nichts besser.

      Und mit Untersuchungsausschüssen gewinnt man nicht die Zukunft.

      J.
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 13:25:33
      Beitrag Nr. 10 ()
      Wer hat es ausgerufen?

      :confused:


      Diese Regierung ist doch schon verschlissen,
      und kann rein gar nichts mehr bewirken,
      selbst wenn sie wollten
      ( was derzeit nicht erkennbar ist )
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 13:32:47
      Beitrag Nr. 11 ()
      "Hören Sie auf mit dem Gejammer", sagte der Arzt zu seinem
      Patienten, nachdem er ihm versehentlich beide Beine amputiert
      hatte, "laufen sie lieber!"

      :D
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 13:38:05
      Beitrag Nr. 12 ()
      #10
      heute mittag im Presseclub.
      #11
      ich liebe schwarzen Humor. Aber in der Realität handelt es sich wohl mehr um dicke Krampfadern.
      J.
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 13:49:36
      Beitrag Nr. 13 ()
      "Und außerdem", rief der Assistent des Chirurgen, "sind
      Ihre Beine ja noch dran, Sie sehen sie zwar nicht mehr, aber
      Sie müssen einfach ganz fest daran glauben. Das Leben ist
      doch so schön!"
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 13:55:07
      Beitrag Nr. 14 ()
      ich ende erst mit der "Hysterie" wenn ich Konzepte erkenne!
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 13:57:11
      Beitrag Nr. 15 ()
      Darum hätten wir Stoiber gegraucht.Der kann auch nicht zaubern aber die Wirtschaft hat auf dieses Signal gehofft.
      Schröder glaubt keiner mehr .Einmal so andersmal so.Zuletzt
      im Wahlkampf auf seiten der Gewerkschaften wegen Stimmen aus dem linken Lager inclusiv PDS.Was ihm letztendlich auch gelungen ist.Jetzt haben wir den Salat.Die für Aufschwung im Lande sorgen müssten, haben die Schnautze voll und denken
      lieber mit der Verlegung ihres Sitzes ins Ausland.
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 14:03:00
      Beitrag Nr. 16 ()
      #15
      Stoiber hätte man in der Pfeife geraucht.
      J.
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 14:04:18
      Beitrag Nr. 17 ()
      # 16
      Wer ist "man"?
      Avatar
      schrieb am 24.11.02 14:16:24
      Beitrag Nr. 18 ()
      Alle die, die jetzt Rot/Grün in die Pfanne hauen.
      Stell Dir eine Regierung Stoiber/Möllemann vor.
      J.


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