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    Wird in Deutschland die Folter wieder eingeführt? - 500 Beiträge pro Seite (Seite 2)

    eröffnet am 19.02.03 23:00:03 von
    neuester Beitrag 31.08.03 23:58:22 von
    Beiträge: 527
    ID: 698.850
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      Avatar
      schrieb am 04.03.03 15:35:14
      Beitrag Nr. 501 ()
      der Artikel ist im übrigen wirklich lesenswert. Deshalb schweige ich jetzt auch wieder, damit er nicht sofort von der 1.Seite verschwindet.
      Verdrängt durch Streitigkeiten ohne Relevanz.
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 15:36:06
      Beitrag Nr. 502 ()
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 16:02:36
      Beitrag Nr. 503 ()
      @xylophon,

      differenzierende Beiträge sind hier nicht erwünscht.
      Es geht um den Kampf Gut gegen Böse.

      Wir sind hier die bösen Folterknechte, die den Rechtsstaat zerstören wollen;) ;)
      Wir treffen uns dann beim legendären Professor antigone/altweltaffe zur Psychotherapie:laugh: :laugh:
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 16:08:51
      Beitrag Nr. 504 ()
      gute ansätze, fundamentalfan.
      du solltest nicht zu lange warten,
      um den ersten termin zu vereinbaren :)
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 16:15:21
      Beitrag Nr. 505 ()
      Warum muss man bei diesem Professor erst einen Termin vereinbaren ?
      Um ihn nicht beim Masturbieren zu überraschen ?:confused: :confused:

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      Avatar
      schrieb am 04.03.03 16:20:50
      Beitrag Nr. 506 ()
      du musst deine probleme nicht in der öffentlichkeit auf den tisch legen.
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 16:30:39
      Beitrag Nr. 507 ()
      Du musst erst mal meine Beiträge richtig lesen, bevor Du sie beantwortest.
      Der mit dem Problem ist der Professor.
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 16:48:57
      Beitrag Nr. 508 ()
      @ fundi, # 507:

      Fundi, das verstehst Du nicht: Wenn Anti-Gonorrhoe und Autismus zusammentreffen, hat jede Logik verloren;

      SFK
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 17:54:21
      Beitrag Nr. 509 ()
      pubertätskrisen ohne ende :laugh:
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 17:54:21
      Beitrag Nr. 510 ()
      Ich hatte mich ja bisher einer eigenen Bewertung der Meinung von Prof. B. enthalten.

      Aber wenn ich mir die letzten Beiträge durchlese, frage ich mich, ob er vielleicht nicht so ganz unrecht hat...
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 18:17:18
      Beitrag Nr. 511 ()
      So schlimm fand ich den letzten Beitrag von antigone auch wieder nicht.

      Viele Grüsse an Deinen (angeblichen) Professor
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 18:20:22
      Beitrag Nr. 512 ()
      Und stör ihn nicht bei seinen Sado-Maso-Pornos.
      Avatar
      schrieb am 04.03.03 18:20:58
      Beitrag Nr. 513 ()
      Ist doch längst geschehen!

      Nur das die Folter in "Reform" umgelogen ist.
      Avatar
      schrieb am 10.03.03 13:00:06
      Beitrag Nr. 514 ()
      Das andere Auge
      Folter als zweitschlechteste Lösung / Von Professor Dr. Winfried Brugger


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      Der Verfasser lehrt Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Heidelberg.
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      Der Entführungsfall Jakob von Metzler hat eine Diskussion entfacht, die an ein Tabu rührt: Folter. Schon die Erörterung möglicher Grenzen des Folterverbots erschüttert die Grundfesten des Rechtsstaates. Es wird befürchtet, daß die in Artikel 1 des Grundgesetzes absolut geschützte Würde jedes Menschen in den Strudel einer Abwägung gerät, in dem sie gegen reale oder vermeintliche Bedürfnisse der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung verliert.

      Trotz dieser Befürchtungen ließ sich im konkreten Fall das Tabu nicht aufrechterhalten. Schließlich ging es der Polizei um die Rettung des Lebens von Jakob, nicht um die Strafverfolgung des Entführers. Es war klar, daß der Entführer und nicht lediglich ein Verdächtiger festgenommen worden war. Die Polizei durfte nach bestem Wissen und Gewissen davon ausgehen, daß Jakob noch lebt. Ist es unter Umständen wie diesen ausnahmsweise gerechtfertigt, daß dem Entführer körperliche Gewalt angedroht und diese notfalls auch angewandt wird? So sieht es der Vizepräsident der Frankfurter Polizei, Daschner, und so sehen es - je nach Umfrage - die Hälfte oder etwa zwei Drittel der Bevölkerung.

      Unter Juristen und Kommentatoren überwiegen Bedenken. Sie bestehen fast einhellig auf dem absoluten Verbot der Folter. Das moralische Dilemma der Polizisten wird zwar zugestanden. Wer aber als Amtsperson foltere, müsse strafrechtlich und disziplinarrechtlich verfolgt werden. Einige meinen, die Strafe könne gemildert werden. Andere sprechen sich für eine spätere Begnadigung aus. Wieder andere beharren auf der Strenge des Gesetzes. Sie zollen aber dem Polizisten, der dem festgenommenen Erpresser körperlichen Zwang androhte oder diesen sogar anwendete und dafür die Strafe auf sich nähme, Respekt. Doch wie ist die Rechtslage?

      Nach dem Wortlaut aller einschlägigen Rechtsnormen ist staatlicher Zwang zur Herbeiführung von Aussagen durch Personen, die sich in Polizeigewahrsam befinden, unter allen Umständen verboten. Schon die Erpressung von Aussagen stellt "Folter" dar, wie Artikel 1 der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen deutlich macht. Rechtlich einschlägig ist aber bei der Abwehr einer Lebensbedrohung zunächst das Polizeirecht. Dieses fällt in die Zuständigkeit der Länder, so daß deren Regelungen mitunter voneinander abweichen. In diesem Fall weisen sie aber in dieselbe Richtung.

      Absolutes Verbot im Verfassungs- und Völkerrecht.

      Wird eine Person festgenommen und steht fest, daß sie der Entführer und (polizeirechtlich) "Handlungsstörer" ist, so muß sie zur Beseitigung der Gefahr beitragen, also den Ort preisgeben, wo der Entführte versteckt ist. Damit droht allerdings der Entführer sich selbst zu bezichtigen. Solche Selbstbezichtigungen schließen moderne Rechtsstaaten aus, indem sie der strafrechtlich noch zu überführenden Person das Recht zugestehen, die Aussage zu verweigern. Gefahrenabwehrrecht und Strafprozeßrecht treten in einen Gegensatz: Aus Gründen der Gefahrenabwehr sollte die Aussagepflicht bestehen, aus Gründen fairer Strafverfolgung diese Pflicht ausgesetzt werden. Die Lösung dieses Konflikts gibt Paragraph 12 Absatz 2 des hessischen Polizeigesetzes exemplarisch vor: Danach wird das Aussageverweigerungsrecht eingeschränkt, "wenn die Auskunft für die Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist". Die Folge einer Aussage des Entführers ist, daß seine Informationen die Gefahr beseitigen (das Entführungsopfer wird gefunden); in einem späteren Strafverfahren darf die Aussage allerdings nicht verwendet werden. Das schließt eine Strafbarkeit des Entführers in aller Regel nicht aus, denn die Informationen, die die Polizei bis zur Aussage gewonnen hatte, bleiben verwertbar.

      Was aber tun, wenn der Entführer nicht aussagen will? In diesem Fall gibt das Polizeirecht den Amtswaltern die Möglichkeit der Vollstreckung, soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird: Falls möglich, hat die Polizei die Gefahr selbst zu beseitigen. Muß sie auf den Handlungsstörer selbst zugreifen, stehen Zwangsgeld, Zwangshaft und Zwang gegen Sachen oder Personen zur Verfügung, bis hin zum Gebrauch der Schußwaffe. Im äußersten Notfall darf die Polizei sogar den finalen Rettungsschuß einsetzen: "Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist" - so steht es in Paragraph 54 Absatz 2 des Polizeigesetzes von Baden-Württemberg. In der hier vorausgesetzten Entführungssituation würde nur die Anwendung körperlichen Zwangs helfen - Folter. Diese ist jedoch ohne Einschränkungen verboten: "Die Polizei darf bei Vernehmungen zur Herbeiführung einer Aussage keinen Zwang anwenden" (Paragraph 35 des baden-württembergischen Polizeigesetzes).

      Das absolute polizeirechtliche Verbot gilt auch im Verfassungs- und Völkerrecht. Artikel 104 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes bestimmt: "Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden." Diese Norm gründet in der Verbürgung der Menschenwürde in Artikel 1 Absatz 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Ausnahmen sind nicht vorgesehen, und es ist unbestritten, daß diese Normen auch Rechtsbrechern oder des Rechtsbruchs Verdächtigen zugute kommen.

      Im Völkerrecht schließen mehrere Konventionen, die Deutschland ratifiziert hat, Folter aus. Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) formuliert: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden." Dieses Verbot ist ebenfalls absolut; selbst im Kriegsfall oder in Notstandsfällen, in denen Tausende Menschen bedroht sind, ist eine Ausnahme nicht zugelassen. Die Rechtstexte scheinen also eindeutig: Festgenommene Personen dürfen nie in ihrem Willen gebrochen und zu einer Aussage gezwungen werden, was immer die Konsequenzen sind. Bietet das Strafrecht vielleicht eine Möglichkeit, ausnahmsweise den körperlichen Eingriff doch zu rechtfertigen? Paragraph 32 des Strafgesetzbuchs regelt, daß eine durch Notwehr gebotene Handlung nicht rechtswidrig ist: "Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren." Danach durften sich Jakob und seine Eltern gegen die Entführung wehren, und die Eltern dürften nach einer Entführung, falls sie des Täters habhaft würden, alles Notwendige tun, um das Versteck zu erfahren, erforderlichenfalls auch Gewalt anwenden, "foltern". Die Polizei dagegen darf das nach herrschender Meinung nicht. Für sie gilt nicht das private Notwehr- und Nothilferecht. Vorrang hat das Amtsrecht, das von Verfassungs- und Völkerrecht geboten, spezifischer auf die hier vorliegende Situation bezogen und zudem jüngeren Datums ist.

      Selbst wenn die völkerrechtlichen Folterverbote nur die reale Zwangsausübung und nicht schon deren Androhung verbieten sollten, hätte der Ausschluß von Zwang gegen Festgenommene im Grundgesetz Vorrang; wird der Wille autonomer Personen gebrochen, gilt das als Verletzung der Menschenwürde. Diese Einwände gelten auch gegenüber einer Berufung auf den "Rechtfertigenden Notstand" in Paragraph 34 des Strafgesetzbuchs. Demnach darf, auch ohne daß ein Angriff vorliegt, bei einer Gefahr für das Leben in Rechtsgüter eines anderen eingegriffen werden, wenn nach einer angemessenen Abwägung der im Streit befindlichen Rechtsgüter das eine Rechtsgut (das bedrohte Leben des Opfers) das andere Rechtsgut (die körperliche Unversehrtheit des Entführers) wesentlich überwiegt. Man mag sagen, daß das Leben des Entführungsopfers klar den Vorrang verdiene. Dem wird entgegengehalten: Trotzdem geht Amtsrecht vor Strafrecht; außerdem ist "Folter" kategorisch verboten.

      Viele nehmen diese Rechtslage ungläubig zur Kenntnis und sagen: Hier wird die Gerechtigkeit auf den Kopf gestellt, indem das Recht kaltblütige Entführer und Erpresser belohnt und das Opfer leiden läßt. Doch reicht moralische Entrüstung nicht aus; die Rechtsordnung soll ja gerade soziale Konflikte verbindlich und verläßlich entscheiden. Läßt sich das offensichtliche Erlebnis von Ungerechtigkeit ummünzen in Rechtsargumente? Das ist möglich. Das Problem der Rechtssicht der herrschenden Meinung liegt in ihrer Einseitigkeit. Stellen wir uns die Idealfigur des Rechts, Justitia, vor. Ihre Augen sind verbunden, damit sie ohne Ansehen der Person - unvoreingenommen - entscheiden kann. Die eine Hand hält die Waage als Symbol der Gerechtigkeit; die andere umfaßt das Schwert, das für die Durchsetzung des Rechts steht. Bislang ist es so, als ob Justitia, zu Recht aufgeschreckt durch die Möglichkeit der Folter, die Binde abnimmt, um unter Ansehung aller Umstände eine gerechte Entscheidung treffen zu können. Aber sie öffnet nur ein Auge, das die drohende Beeinträchtigung des Rechts des Entführers sieht und als unannehmbar einstuft. Das andere Auge, das die legitimen Interessen des Entführten sehen und berücksichtigen sollte, bleibt geschlossen. Also öffnen wir auch das andere Auge und suchen im Polizei-, Verfassungs- und Völkerrecht nach Rechtsargumenten zugunsten des Entführungsopfers.

      Das Polizeirecht basiert auf drei Grundsätzen: Das Recht darf dem Unrecht nicht weichen; die Polizei muß Gefahren effektiv verhüten oder beseitigen; das muß verhältnismäßig geschehen. Auf diese Grundsätze lassen sich die erwähnten Einzelregelungen zurückführen, einschließlich des Extremfalls, etwa einer Geiselnahme, bei der der finale Rettungsschuß eingesetzt werden darf, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht. Bei einem unausweichbaren Konflikt von Leben gegen Leben darf und muß sich die Polizei auf die Seite des Opfers stellen, nicht die des Täters, sonst verliert die Rechtsordnung ihren Anspruch auf Legitimität und Gesetzesbefolgung. Nach herrschender Meinung muß ein Geiselnehmer notfalls den tödlichen Schuß zur Rettung der Geisel dulden, nicht aber die Brechung seines Willens. Letzteres verletzt die Menschenwürde im Sinn von Artikel 1 des Grundgesetzes, ersteres "nur" das Recht auf Leben, das Artikel 2 Absatz 2 stark, aber nicht absolut schützt. Deshalb ist die Brechung des Willens nicht ein erlaubtes Minus zum Mehr des Rettungsschusses.

      Die Zulässigkeit des finalen Rettungsschusses in unvermeidbaren Konfliktsituationen bietet aber nur die Basis für eine Analogie zu der Erpressung von Aussagen, um Leben zu retten. Denn der Ausschluß von Zwang bei Vernehmungen gründet auf der generellen Hilflosigkeit des Festgenommenen gegenüber der Polizeimacht und deren vielleicht einseitiger Fixierung auf Resultate um jeden Preis. In der Ausgangssituation ist aber die Typik des Sachverhalts anders, ja umgekehrt: Der Entführer hat die Situation insoweit in der Hand, als nur er weiß, wo das Opfer versteckt ist. Die Polizei darf ihn bitten und auffordern, aber schon nicht täuschen und erst recht nicht körperlich antasten, so daß rechtskundige Entführer gegenüber Androhungen von Folter ruhig bleiben können: absolut verboten!

      Diese Umkehr der Typik spiegelt sich in der Rechtstextlage, etwa dem exemplarischen Paragraphen 35 des baden-württembergischen Polizeigesetzes, nicht wider. Es liegt deshalb eine "Bewertungslücke" vor: Die Norm ist zu abstrakt, zu wenig trennscharf und problembezogen und bedarf deshalb einer interpretativen Verengung für Fälle, in denen Leben gegen Leben oder Würde gegen Würde steht.

      Auch für Fälle, in denen Leben gegen Würde steht? Man könnte argumentieren, daß es für das Entführungsopfer "nur" um Leib und Leben geht, während die Folter die "Würde" des Entführers verletzt. Da aber "Leben" Voraussetzung für "Würde" ist, verdient jenes nach der Verfassung niedrigere, weil einschränkungsfähige Rechtsgut Leben denselben Schutz wie das höhere, weil nach dem Text schrankenlose Rechtsgut Würde. Zudem spricht bei einer Entführung vieles dafür, daß die Würde des versteckten Opfers selbst mißachtet wird: Sein Leib und seine Person werden als bloßes Mittel zum Zweck der Erpressung eingesetzt. Das absolute Verbot des Zwangs gegenüber Festgenommenen in Artikel 104 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes ist daher im Licht der Menschenwürdegarantie des Artikels 1 zu sehen. Danach hat die Staatsgewalt die Würde eines jeden Menschen "zu achten und zu schützen".

      Bislang war aber nur von der Achtung der Würde des Entführers die Rede, noch nicht von dem Schutz der Würde des Entführten. Das Bundesverfassungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dem in Artikel 2 verankerten Lebensschutz komme als Vitalvoraussetzung der Menschenwürde ein besonderer Rang zu. Insbesondere soweit es um rechtswidrige Angriffe von seiten Dritter gehe, sei der Staat zum Schutz verpflichtet. Dabei habe die Staatsgewalt in eigener Kompetenz über die geeigneten und angemessenen Mittel zu entscheiden; wenn aber nur ein Mittel übrigbleibe, reduziere sich das Auswahlermessen auf dieses eine Mittel.

      Leben und Würde gegen Leben und Würde.

      Diese Rechtsprechung läßt sich auf den Ausgangsfall anwenden, falls dieser so gelagert ist, daß kein anderes Mittel als die Gewaltanwendung Erfolg verspricht. Damit stehen wir auch im Verfassungsrecht in einem Konflikt von Leben/Würde gegen Leben/Würde, in dem der rechtstreue Bürger den Vorrang verdient.

      Das Völkerrecht scheint einer Aufweichung des Folterverbots zu widersprechen, wie Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention zeigt. Doch ist auch hier eine Korrektur möglich, wenn man mit Justitias anderem Auge einen Blick auf Artikel 2 derselben Konvention wirft. Absatz 1 verbietet dem Staat grundsätzlich, Menschen zu töten. Absatz 2 setzt aber eine Einschränkung fest: "Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich als unbedingt erforderliche Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen . . . " In direkter Anwendung betrifft Artikel 2 nur Tötungen wie den "finalen Rettungsschuß", nicht Willensbeugungen durch Folter. Folter als Mittel der Staatsgewalt wird spezifisch und kategorisch durch Artikel 3 ausgeschlossen.

      Aber im Blick auf die Situationstypik ist Artikel 3 unspezifisch, zu abstrakt: Die Norm tut so, als bestehe zwischen dem Folterknecht und dem Polizisten, der das Leben eines Entführten nur noch mit Zwangsanwendung retten kann, kein moralischer und rechtlicher Unterschied. Das überzeugt nicht. Artikel 3 stellt in die normative Abwägung nicht ein, daß der Entführer die Grenzen des Rechts überschritten hat, daß er die Pflicht hat, die Gefahr zu beseitigen und das Versteck zu verraten. Er übersieht, daß das Opfer nichts tun kann, außer daß es leidet und hinnimmt, in seiner Würde verletzt zu werden, daß der Entführer die Fäden in der Hand hält und daß der Familie der Zugriff auf den Rechtsbrecher versagt wird durch die polizeiliche Gewahrsamsnahme.

      Dieser blinde Fleck von Artikel 3 wird durch Artikel 2 kompensiert, der insoweit spezieller sowie moralisch und rechtlich "passender" ist. Die gerechte und auch rechtstechnisch beste Lösung liegt in einer Konkordanz beider Normen: Dann führt der Leitgedanke des Artikels 2 in unvermeidbaren Konfliktfällen von Leben/Würde gegen Leben/Würde zu einer Reduzierung des Anwendungsbereichs von Artikel 3, der in bezug auf das verbotene Mittel spezifischer ist. Artikel 3 der Menschenrechtskonvention hieße somit: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Eine Folter oder foltergleiche Behandlung wird nicht als Verletzung dieses Artikels angesehen, wenn sie das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit eines Dritten ist und sich gegen den Verursacher dieser Gefahr wendet."

      Für eine besondere staatliche Verpflichtung zum Lebensschutz spricht auch diese Überlegung: Nach herrschender Meinung ist das strafrechtliche Notwehr- und Nothilferecht für die Polizei nicht anwendbar. Diese Normen werfen jedoch ein repräsentatives Licht auf das Recht in einem fiktiven Naturzustand: Jeder Mensch darf in dem gedachten vorstaatlichen Zustand seine Interessen und vor allem sein Leben gegen rechtswidrige Angriffe verteidigen. Wenn wir durch den Eintritt in eine staatliche Organisation unsere natürlichen Rechte abtreten und den Staat mit einem "Monopol legitimer Zwangsgewalt" (Max Weber) ausstatten, dann wird gewissermaßen ein Grundvertrag zwischen den Individuen und dem Staat geschlossen: "Wir verzichten im Regelfall auf die Ausübung von Zwang. Dafür bist du nunmehr zuständig. Aber du mußt die Streitigkeiten gerecht lösen und den Zwang effektiv zur Rechtswahrung einsetzen. Das Niveau an allgemeinem Interessen- und vor allem Lebensschutz muß gesichert, besser: noch gehoben werden."

      Letzteres kommt durch die Organisation einer Polizei meist auch zustande; diese kann effektiver vorgehen als ein einzelner, der sein Recht gegen andere durchsetzen muß. Zudem erlaubt der höhere Organisationsgrad eine rechtsstaatliche Mäßigung: Die Staatsgewalt verzichtet auf besonders brutale Mittel, ohne daß das Schutzniveau erheblich sinkt. Gelegentliche Kosten an Rechtsdurchsetzung werden auf diese Weise akzeptabel, etwa wenn ein wegen eines Verbrechens Angeklagter freigesprochen wird, obschon dieser die Tat zwar wahrscheinlich, aber eben nicht mit ausreichender Gewißheit begangen hat.

      Anders kann die Lage bei der Gefahrenabwehr sein, wenn es um den Schutz des Lebens bei einer Entführung geht. Nehmen wir an, die Familie des Entführten hätte bei der Geldübergabe selbst den Erpresser gefangen. Dann dürfte die Familie im Rahmen der strafrechtlichen Nothilfe alles Erforderliche tun, auch "foltern", um das Versteck des Opfers zu erfahren. Tritt nun aber die Polizei hinzu und nimmt den Entführer in Obhut, sinkt das Schutzniveau deutlich unter das bisherige Maß. Nunmehr muß die Polizei den "Handlungsstörer" gegen Zugriffe von seiten der Familie, aber auch von seiten eingriffsbereiter Bürger oder Polizisten schützen, notfalls mit Gewalt, Waffengewalt, bis hin zur Tötung. So führt das absolute Verbot, gegenüber Festgenommenen Zwang anzuwenden, zu einer Senkung des Schutzniveaus für die Bürger just bei jener Aufgabe, die der Primärgrund für den Eintritt in eine Staatsorganisation überhaupt ist: Sicherung von Leben. Der Wert Zivilität setzt sich gegen die Staatsaufgaben Sicherung von Leben, Freiheit und Eigentum durch.

      Das ist jedenfalls dann nicht folgerichtig, wenn der Verlust des Lebens droht. In solchen Fällen verdient Lebensschutz Vorrang vor der Wahrung von Zivilität. Falls die staatliche Rechtsordnung dem nicht Rechnung trägt, muß sie ihr Monopol legitimer Zwangsgewalt aufgeben. Dann herrschte wirklich wieder mittelalterliches Faustrecht. Daran sollte niemand interessiert sein.

      Gegen Einschränkungen des Folterverbots werden Bedenken erhoben: Ließen wir auch nur einen Fall von Folter zu, griffen Polizisten über kurz oder lang in vielen Situationen zu diesem Mittel; ferner würden andere, rechtsstaatlich nicht so gefestigte Staaten die weltweit verankerten Folterverbote um so öfter mißachten. Unbestreitbar ist, daß eine Organisation wie die Polizei, deren Hauptaufgaben Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind, strukturell in der Gefahr steht, rechtsstaatliche Grenzen zu überschreiten. Solche Fälle sind bei uns einerseits selten, kommen aber doch immer wieder vor. Sie werden dann aber auch ruchbar und verfolgt.

      Würde die hier vorgeschlagene Einschränkung des Folterverbots solche Grenzüberschreitungen geradezu herausfordern? Das ist nicht der Fall, wenn man die Ausnahmekonstellation genau umreißt. Diese sollte acht Merkmale umfassen: eine (1) klare, (2) unmittelbare, (3) erhebliche Gefahr für (4) das Leben oder die körperliche Integrität einer Person durch (5) einen identifizierten Aggressor, der (6) gleichzeitig die einzige Person ist, die zur Gefahrenbeseitigung in der Lage und (7) dazu auch verpflichtet ist. (8) Die Anwendung körperlichen Zwangs ist das einzig erfolgversprechende Mittel. Eine Ausnahme vom Folterverbot ist also nicht gerechtfertigt, wenn (1) ein bloßer Verdacht einer Gefahr vorliegt oder die Gefahr (2) lediglich mittelbar oder (3) unerheblich ist oder (4) ein nicht so gewichtiges Rechtsgut - etwa Eigentum - betrifft oder wenn (6) die Polizei die Gefahr selbst oder (8) mit geringer eingreifenden Mittel beseitigen kann. (5) Gegen bloß Verdächtige oder dritte Personen - etwa Verwandte - darf nicht vorgegangen werden. Diese Merkmale sind Juristen vertraut, sie sind justitiabel und ausreichend bestimmt, so daß ein Dammbruch nicht zu befürchten ist. Zweifelsfälle sind natürlich nicht ausgeschlossen, etwa bezüglich der Frage, welche Intensitätsgrade von Eingriffen in die körperliche Integrität des Entführten gegen das Folterverbot aufgeboten werden müssen. Aber dazu geben die Normen über den finalen Todesschuß jedenfalls Hinweise.

      Die Gefahr einer mittel- und langfristigen Mißachtung der völkerrechtlichen Folterverbote in Staaten, die keine Rechtsstaaten sind, läßt sich nicht leugnen. Aber es ist unwahrscheinlich, daß eine klar umgrenzte Ausnahme vom Folterverbot eine erhebliche Schwächung des Völkerrechts herbeiführte. Unrechtsstaaten haben in der Regel so starke Motive für Repression, daß die Hemmschwelle für die Anwendung von Folter kaum von ihrer Reputation in der Welt abhängt.

      Indes drängt sich hier ein weiteres Argument gegen die Absolutheit des Folterverbots auf: Das Entführungsopfer, dessen sichere Bedrohung in Leib, Leben und Würde die Polizei beenden könnte, aber wegen des absoluten Folterverbots nicht beseitigt, dient sozusagen als Schutzschild für einen guten Zweck: die unsichere, erhoffte Bewahrung der allgemeinen Achtung des Folterverbots. Es wird von der Staatsmacht nur als Mittel eingesetzt. Darin liegt eine Verletzung der Würde des Opfers durch Nichtwahrnehmung der Schutzaufgabe im Sinn von Artikel 1 des Grundgesetzes.

      Zwar würde durch die Folter die Würde des Entführers verletzt. Aber in einer Situation, in der Würde gegen Würde steht, kann und muß die Rechtsordnung sich auf die Seite des Opfers stellen und dem Täter die Preisgabe des Verstecks zumuten. Wenn die Rechtsnormen das ausschließen, dann liegt ungerechtes Recht oder Nicht-Recht vor, und Staatlichkeit ist in Auflösung begriffen. Justitias Waage ist in Schieflage, und das Schwert gleitet ihr aus der Hand.

      Vertreter absoluter, abwägungsfester Normen - "Deontologen" - lehnen eine Relativierung des Folterverbots ab: "Manche Mittel sind so abscheulich, böse, unmoralisch, daß sie unter gar keinen Umständen benutzt werden dürfen! Deshalb gilt: Folter ist immer verboten, was auch immer die Folgen für das Opfer oder für uns alle sein mögen!" Diese Position wird von "Konsequentialisten" angegriffen, die der Ansicht sind, eine angemessene, gerechte Entscheidung setze unabweisbar die Berücksichtigung aller absehbaren Folgen voraus. Wie auch immer der Streit dieser zwei Denkrichtungen zu lösen ist: Soweit Leben/Würde gegen Leben/Würde steht und auf jeden Fall eine Würdeverletzung oder Folter vorliegt - entweder auf seiten des Entführers oder des Opfers -, führt die deontologische Sichtweise zu einem Unentschieden. Das Patt kann nur durch weitere Argumente aufgelöst werden.

      Vorrang der Pflicht zum Schutz des Opfers.

      Eines ist schon angeführt worden: Opferschutz muß vor Täterschutz stehen. Ferner droht ein Dammbruch, wenn die Rechtsordnung in der geschilderten Ausnahmesituation dem Rechtsbrecher nicht in den Arm fällt. Dann verliert das Recht seine Legitimation für die Monopolisierung der Zwangsgewalt, dann dürften die Bürger zum Schutz ihres Lebens wieder selbst Zwang anwenden und Privatjustiz üben. Das wäre wirklich ein Rückschritt.

      Muß das absolute Folterverbot nicht schon deshalb verteidigt werden, weil das Opfer vielleicht schon tot ist, wie im Fall Jakob von Metzler, oder weil ungewiß ist, wie der gefaßte Erpresser auf körperlichen Zwang reagiert? Für polizeiliches Handeln zur Gefahrenabwehr ist anerkannt, daß es auf die verständige Sicht ex ante ankommt. Wenn die Polizei nach bestem Wissen und Gewissen davon ausgehen darf, daß das Entführungsopfer noch lebt, dann ist sie zum Lebensschutz verpflichtet. Was die Zufügung von Schmerzen angeht, so kann man davon ausgehen, daß die meisten Menschen Schmerzen vermeiden wollen. Zudem gilt selbstverständlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die List steht vor der Täuschung, die Drohung vor der Anwendung; bei der Anwendung sind geringer vor intensiver eingreifenden Mitteln auszuwählen. Schmerz zuzufügen ist schlimm, mit jedem Akt stirbt nicht nur im Gefolterten, sondern in jedem von uns ein Stück Menschlichkeit, Zivilität und Würde. Aber Justitias Blick sollte auch das Entführungsopfer sehen: Wenn wir davon ausgehen müssen, daß Untätigbleiben dessen Leiden verlängert und seine Würde verletzt, dann können wir nicht beim "zwanglosen Zwang des besseren Arguments" stehenbleiben. Dann müssen wir uns zwischen zwei schlimmen, unmenschlichen, würdelosen Lagen entscheiden: für die zweitschlechteste Lösung!

      Müßten wir dann im Polizeirecht etwas Unregelbares regeln, etwa Foltermethoden? Eigentlich ja, wenn aber Würde gegen Würde, sozusagen auch Rechtsstaat gegen Rechtsstaat steht, kann man die Normen als ausreichend ansehen, die im Strafrecht für Notwehr, Nothilfe und den rechtfertigenden Notstand gelten, ergänzt um einen für Polizeibeamte angehobenen Verhältnismäßigkeitsmaßstab sowie, falls möglich, richterliche Aufsicht.

      Die Entscheidung zugunsten des Einsatzes von Gewalt sollte nicht dem moralischen Empfinden der Polizisten überlassen werden. Wer darauf setzt, daß pro forma die Absolutheit des Folterverbots aufrechterhalten wird, den Polizisten aber moralisch zugemutet werden soll, das Richtige zu tun, nämlich doch Zwang anzuwenden, und das in der Erwartung, diese würden später milde bestraft oder bald begnadigt, der verkennt den Ernst der Lage. Wirkt das Folterverbot wirklich absolut, sind Folterakte rechtswidrig. Wann immer ein Polizist daran denkt, trotzdem Schmerz zuzufügen, muß er von seinen Kollegen daran gehindert werden, notfalls mit Gewalt, bis hin zum tödlichen Schuß. Dasselbe gilt auch für die Situation, in der ein Bombenleger von der Polizei gefaßt worden ist, aber das Versteck der Bombe nicht verraten will, obwohl deren Explosion droht und Tausende Menschen bedroht sind; in einer solchen Lage transformiert das absolute Folterverbot den Rechtsstaat sozusagen zu einem kollektiven Selbstmordpakt.

      Sollten Polizisten in eine solche Entscheidungsnot gebracht werden? Das wäre unmenschlich und zynisch. Entweder gilt das Folterverbot absolut, weil es so angeordnet und auch gerecht ist. Dann bleibt kein Raum für moralisches Verständnis und Hoffnung auf Rechtsbruch mit anschließender milder Rechtssanktion. Oder es ist in der genannten Situation evident ungerecht, und die Relativierung ist bei näherem Hinsehen schon im geltenden Recht angelegt: Dann muß die Ausnahme interpretativ oder legislativ formuliert werden, damit wir selbst, das gesamte Volk, für Recht und Gerechtigkeit und, wo immer möglich, für Zivilität einstehen.

      * Der Verfasser lehrt Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Heidelberg.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2003, Nr. 58 / Seite 8
      Avatar
      schrieb am 10.03.03 13:07:57
      Beitrag Nr. 515 ()
      514 ist sehr lesenswert. Aber zum Teil so kompliziert geschrieben, dass es nur Juristen verstehen werden.

      Die grundsätzlichen Fragen sind aber m.E. durchaus allgemeinsverständlich dargestellt, wenn man das fachspezifische überliest bleibt genug übrig.
      Avatar
      schrieb am 13.03.03 13:55:25
      Beitrag Nr. 516 ()
      "Exzessive Gewalt"
      Abschiebehäftlinge am Flughafen misshandelt

      Straßburg - Der Europarat hat dem Bundesgrenzschutz (BGS) unnötige und "exzessive Gewalt" bei der Abschiebung von Ausländern per Flugzeug vorgeworfen. Abschiebehäftlinge auf den Flughäfen Frankfurt, Berlin-Schönefeld und Stuttgart hätten sich über Faustschläge, Fußtritte und Beschimpfungen beklagt, heißt es in einem am Donnerstag in Straßburg veröffentlichten Bericht des Anti- Folterkomitees des Europarates (CPT).

      Eine 13-köpfige Delegation von Ärzten, Juristen, Gefängnis- und Menschenrechtsexperten hatte im Dezember 2000 Polizeikommissariate, Gefängnisse, Abschieberäume und psychiatrische Anstalten in sieben Bundesländern besucht. Der Bericht wurde erst jetzt veröffentlicht, nachdem Deutschland der Veröffentlichung zugestimmt hatte.

      In dem Bericht des CPT ist auch von Misshandlungen im deutschen Polizeigewahrsam die Rede. Häftlinge hätten den Europaratsexperten über Tritte und Schläge bei Festnahmen berichtet, selbst wenn sie schon wehrlos waren. Die Zellen in vielen Polizeikommissariaten seien äußerst karg ausgestattet, manchmal fehlten sogar Matratzen und Decken. In einer Haftanstalt im brandenburgischen Eisenhüttenstadt entdeckten die Folterexperten einen Verwahrraum mit vier Eisenringen am Boden, die dafür benutzt wurden, Häftlinge mit gespreizten Armen und Beinen fest zu binden.

      Von einer besonders schwer wiegenden Misshandlung erfuhren die Folterexperten auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Dort wurde eine Nigerianerin mit Händen und Füßen auf eine Holzbank gefesselt und so ins Abschiebe-Flugzeug getragen. Der Widerstand der Afrikanerin sei durch einen schmerzhaften "Kopfhaltegriff" und einer ins Gesicht gepressten Jacke gebrochen worden. Der Flugkapitän weigerte sich, die Frau in diesem Zustand an Bord zu nehmen. Die Beamten brachten die Frau daraufhin unter Schlägen in die Abschieberäume zurück.

      Am Stuttgarter Flughafen beschwerte sich ein Kameruner dem Bericht zufolge, dass er vor seiner Abschiebung bereits in einer Mannheimer Polizeiwache am Boden festgehalten worden sei und gegen seinen Willen eine Beruhigungsspritze bekommen hatte. In Stuttgart musste er dann noch eine ruhig stellende Tablette schlucken. Auch hier weigerte sich der Pilot, den Mann in diesem Zustand mitzunehmen.

      In einem Jugendgefängnis in Halle wurde ein Häftling nach einem Selbstmord-Versuch 36 Stunden lang gefesselt und ohne Aufsicht gelassen. "Es ist schwer vorstellbar, dass solch eine Maßnahme einen positiven Effekt auf den Zustand einer selbstmordgefährdeten Person hat", kritisierte das CPT. Solche Zustände müssten umgehend abgeschafft werden.

      Bei einigen erstmals besuchten Altersheimen stellten die Experten jedoch keinerlei Misshandlungen fest. Lob gab es für Einrichtungen wie die gerichtspsychiatrische Klinik im bayrischen Straubing.

      In der offiziellen Antwort auf den Bericht des CPT schreibt die Bundesregierung, dass sie die Kritik und Empfehlungen zur Kenntnis nehme und die Missstände abstellen wolle.
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 14:52:41
      Beitrag Nr. 517 ()
      @ albatossa, # 516:

      "Von einer besonders schwer wiegenden Misshandlung erfuhren die Folterexperten auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld"

      alba, glaubst Du, ob dieses Wort hier richtig ist?

      SFK
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 14:59:45
      Beitrag Nr. 518 ()
      Hallo SFK,

      das sind Leute die sich mit den Methoden der Folter auskennen!

      "In einer Haftanstalt im brandenburgischen Eisenhüttenstadt entdeckten die Folterexperten einen Verwahrraum mit vier Eisenringen am Boden, die dafür benutzt wurden, Häftlinge mit gespreizten Armen und Beinen fest zu binden"

      Zustände wie im Mittelalter!;)
      Avatar
      schrieb am 14.03.03 15:02:16
      Beitrag Nr. 519 ()
      #518

      Nicht wie im Mittelalter, sondern so war es dort bis vor 14 Jahren!!!
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 19:53:31
      Beitrag Nr. 520 ()
      úp
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 20:28:04
      Beitrag Nr. 521 ()
      SEP: Xylo, Folter. Aus der Sicht der Menschenrechte nicht akzeptabel, und ohne Einschränkung zu verwerfen.

      Das gilt aber nur in Bezug auf eine Werte- Ordnung, die entsprechende Werte entsprechend weit " oben" ansiedelt. Es gibt Werteordnungen, die anderen Werten in diesem Zusammenhang einen höheren Rang einräumen.

      Folter auf jeden Fall zu unterbinden muß also immer gesehen werden mit einer dazugehörigen Werte- Ordnung.



      Es gibt einen Art. 1 GG, wonach die "Würde des Menschen unantastbar" ist. Der Kern der Menschenwürde ist es, einen letzten Kernbereich der inneren Freiheit unantastbar zu lassen. Selbst der schlimmste Mensch soll - weil er ein Mensch ist - nicht gezwungen werden, Dinge zu tun oder preiszugeben, die keinen etwas angehen. Sein Innerstes, seine Gedanken, die frei sind.
      Aus dem gleichen Grunde ist die Todesstrafe verboten und kann auch eigentlich unter Berücksichtigung des Art. 1 nicht wieder eingeführt werden. Es verstößt gegen die Würde des Menschen, jemanden als "Bestrafung" zu töten.

      Diesen Argumenten kann man nicht widersprechen, ich gehe davon aus, dass es das ist, was Du meinst.

      Tatsächlich bin ich mittlerweile zum Zweifler geworden, wie man in diesem Thread nachlesen kann, ob das alles so richtig ist. Ob man nicht in Einzelfällen andere Werte höher einschätzen muss als das "abstrakte" Ideal, das zu verteidigen ist. In Einzelfällen, wo der "Mensch" dessen Würde in Gefahr ist, durch Folter tangiert zu werden, sogar verletzt - jederzeit die Möglichkeit hätte, diese Gefahr abzuwehren. Wo es ein legitimes Interesse gibt, dass er genau dies tut. Ob es nur ein Opfer ist oder tausende - eigentlich ist es egal, wenn man es noch retten kann.

      Denn der Konflikt besteht ja dann, dass auch die Opfer des in der Menschenwürde gefährdeten eine Würde habe und der Staat nicht nur gegenüber dem Verbrecher die Pflicht hat, die Würde des Menschen zu wahren. Sind aber Menschen in engen Löchern im Wald eingesperrt, im Winter in Hütten, in denen sie zu erfrieren drohen oder Menschen in Gefahr, Opfer eines verheerenden Terroranschlags zu werden, dann bezieht sich das unmittelbar auch auf ihre Menschenwürde. Auch sie werden nicht als Menschen, sondern als "Mittel zum Zweck" gefährdet, zur Erpressung von Lösegeld oder "politischem Wohlverhalten".
      Im Gegensatz zum Verbrecher haben sie aber nicht einmal die Wahl, wie sie der Bedrohung begegnen wollen. Sie bleiben eingesperrt, solange er will.

      Meine Entscheidung lautet daher: eher soll die Würde desjenigen verletzt, gefährdet werden, der die Möglichkeit hat, die Gefährdung autonom abzuwehren. Indem er das Versteck der Geiseln / der Bombe preisgibt.
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 21:11:15
      Beitrag Nr. 522 ()
      ja. Wenn es denn sicher ist, daß er etwas preiszugeben hat. Und daß dies in einem Verhältnis steht dazu, seinen Willen zu brechen. Und daß diejenigen, die darüber zu entscheiden haben, sich an den Wertekanon halten, den wir ihnen vorgeben. Und sich nicht so verhalten, wie eigentlich alle Menschen auch: sie entscheiden nach eigenen Wertvorstellungen.

      Alles sehr, sehr problematisch. Ich habe es so gelöst, daß ich mir vorbehalte, in einer akuten Situation erst zu entscheiden, dann mit allen Konsequenzen. Und daß ich alles unternehme, um niemals in eine derartige Situation zu kommen.

      Im Moment ist das bequem möglich. Aber das ist nicht immer so. Und es geht ja auch nicht lediglich um Folter. Es gibt ja auch andere, vielleicht noch höhere güter, die man zu schützen hat. Aber nicht immer schützten kann.
      Vielleicht kann man so sagen: Niemals für eine Idee, oder eine Ideologie einen humanistischen Grundwert opfern zu müssen, also Folter, oder Tod in Kauf zu nehmen. Aber das gilt dann eben nicht absolut, weil Ideen, Ideologien eben nicht immer die höchsten Werte darstellen.

      SEP
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 21:17:53
      Beitrag Nr. 523 ()
      ..nur stellt sich eben umgekehrt das Problem genauso:

      Im Fall Metzler hätte der Polizeipräsident - unterstellt, der Junge hätte noch gelebt und gerettet werden können - auch sagen können: "Ich will keinen "Dammbruch", wir müssen das absolute Folterverbot wahren, kein Menschenleben ist es wert, das aufs Spiel zu setzen"

      Und hätte ebenso ein Prinzip über die Rettung des Kindes gestellt.


      Es ist keine einfache Frage. Deshalb denke ich aber eben auch, dass die Antwort zu einfach wäre, die Frage nicht zur Diskussion zuzulassen - was sich jetzt nicht auf Dich bezieht...;)

      PS:
      Und dann gibt es wieder das Gegenteilige Beispiel: Schleyer-Entführung. Da hätte ich es für falsch gehalten, das Prinzip "man gibt Terroristen nicht nach" zu brechen, um den Menschen Schleyer zu retten...
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 21:30:51
      Beitrag Nr. 524 ()
      wen hätteste denn foltern wollen, um rauszufinden, wo der Schleyer sich befindet ?

      Alle ?

      War darunter einer, der Dir hätte weiterhelfen können ? Oder hätte man erst mal den Wissenden aus der Gruppe der Unwissenden herausfoltern müssen ?

      Ich glaube, das Folter- Verbot ist ein recht hoch angesieder Wert. Mehr ist es nicht. Nur die Entscheidung über die Kriterien des Aufhebens, die soll man besser nicht konkretisieren. Es gibt ja auch das Gebot, nicht zun töten, als Wert sicherlich noch höher angesiedelt als das verbot der Folter.

      Dennoch ist uns klar, daß dieses Tötungsverbot ebenfalls Grenzen kennt.

      SEP
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 21:37:08
      Beitrag Nr. 525 ()
      ne, da ging es mir nicht um Folter, hab mich unklar ausgedrückt.



      Schleyer war als Beispiel gedacht, wo ein Prinzip für mich höher steht als ein Menschenleben - weil ich davon ausgehe, dass hier ein Nachgeben viele weitere Leben gefährdet hätte.
      Also nicht einmal die Frage, "Prinzip" oder "Leben" halte ich für einfach zu beantworten.
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 22:35:27
      Beitrag Nr. 526 ()
      525, ja, denke auch so.

      Aber wenn ich das hier durchkaue, dann wird es sehr schwierig hier noch andere wichtige Punkte zu vertreten.

      SEP
      Avatar
      schrieb am 31.08.03 23:58:22
      Beitrag Nr. 527 ()
      Schwierig, daß der Thread schon so lang ist. Alles habe ich nicht lesen können, aber zumindest die Postings bis #101 und die letzten.

      Nur eine kurze Bemerkung:

      #101 und #70 (Xylo) schließe ich mich an.

      Man merkt deutlich, daß so dezidiert nur die eine Seite vertretende Einstellungen wie die von Amnesty International auch keine Lösungen des Problems ermöglichen können:

      Ausschnitt aus #96, Spiegel-Interview

      SPIEGEL ONLINE: Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, hat die Androhung von Gewalt in diesem Fall als Mittel gerechtfertigt, um ein anderes Rechtsgut retten zu können. Die Polizei dachte zum Zeitpunkt des Verhörs, der entführte Jakob von Metzler sei noch am Leben.

      Bartelt: Eine solche Abwägung ist unzulässig. Wir sind höchst alarmiert über die Tatsache, dass auch der Frankfurter Polizeipräsident und das hessische Innenministerium die Folterandrohung zu rechtfertigen versuchen. Öffentliche Äußerungen dieser Art sind neu in Deutschland.



      Wie man sieht, weicht Bartelt der entscheidenden Frage aus, indem er die (anschließend nicht begründete! ) Behauptung aufstellt, eine solche Abwägung ist unzulässig.

      So kann er seinen Standpunkt beibehalten; eine Weiterführung der Diskussion mit ihm wird allerdings von da an sinnlos.


      Vicco
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