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    Wessis, wollt ihr ewig zahlen ? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 15.11.03 07:25:18 von
    neuester Beitrag 08.04.04 10:25:36 von
    Beiträge: 54
    ID: 796.334
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      schrieb am 15.11.03 07:25:18
      Beitrag Nr. 1 ()
      Das Bild vom armen Ostdeutschland, behauptet der Publizist Felix R. Mindt, sei vor allem eines: „ein bequemer Mythos zum Abzocken“. Als lebe zwischen Elbe und Oder ein Kollektiv aus lauter Florida-Rolfs, vom allsorgenden Staat DDR zum Abzocken erzogen.
      ......
      Im Durchschnitt, so Mindt, gleiche der Lebensstandard im Osten längst dem im Westen, aber „Klagen ohne zu leiden“ habe man im Osten gelernt. Es gebe im Osten deutlich mehr Angestellte des öffentlichen Dienstes und Bezieher von staatlichen Hilfen. In der Ausbildungsförderung, der Wirtschaftsstrukturverbesserung und Arbeitsbeschaffung erfahre der Osten eine „weit überproportionale Unterstützung“. Schulen, Universitäten, Forschungseinrichtungen in den neuen Ländern seien oft besser ausgestattet als in den alten, auch Autobahnen und Fernstraßen seien besser, während das westdeutsche Fernstraßennetz verfalle. ...

      Der Solidarpakt II wird erst am 31. Dezember 2019 auslaufen. Die ostdeutschen Länder können verlässlich mit weiteren Zahlungen rechnen. Das ist ein ungeheures Privileg.
      ... Als die Staatsministerin für Kultur, Christina Weiss, in diesem Jahr ankündigte, zwei Förderprogramme nicht weiterzuführen, wurde sie maßlos attackiert, als versetze sie der Kultur des Ostens den Todesstoß. Sie hatte ein Tabu verletzt. Bis zum 30. Jahrestag des Mauerfalls soll die ostdeutsche Gesellschaft am Tropf bleiben. Dreißig Jahre lang verlässlich fließende Zuschüsse gewinnen den Anschein des Selbstverständlichen. Man gewöhnt sich daran. Und so herrscht trotz hoher Arbeitslosigkeit und enttäuschten Erwartungen im Osten politische Ruhe. Die Ostdeutschen haben bis zum Jahr 2019 die Lizenz, mehr auszugeben, als sie selbst erwirtschaften.


      „Im Jahr 2002“, schreibt Hans-Werner Sinn in seinem großen Buch „Ist Deutschland noch zu retten?“ (Econ Verlag, München 2003), „lag der Verbrauchsüberhang der neuen Länder bei 45 Prozent der eigenen Erzeugung. Fast jeder dritte Euro, der dort für Güter und Leistungen der Endproduktstufe ausgegeben wurde, kam aus dem Westen, und von diesem Euro waren etwa 75 Cent geschenkt und 25 Cent geliehen.“
      ...
      Das Geld kommt aus wachsender Staatsverschuldung und Ausgabenkürzungen in den westdeutschen Kommunen und Ländern.

      Nun war die Erringung der Einheit ein Auftrag des Grundgesetzes, die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West ein Ziel der Mehrheit der Deutschen. Hier und da gibt es wohl Gegrummel, aber kein verbreitetes Ressentiment gegen die Aufbauhilfe Ost. Allerdings erklärt Sinn die wirtschaftliche Vereinigung für gescheitert. Der Osten sei „der deutsche Mezzogiorno“. Im Jahr 2002 betrug die gesamtwirtschaftliche Produktivität im Osten, im Sinne des Bruttoinlandsprodukts je Person, nur 58,4 Prozent der des Westens.
      ...
      Anders als Mindt meint, ist nicht allein das Erbe des Staatssozialismus daran Schuld. Die Routine des Transfers behindert das Entstehen eines Bürgertums und einer Unternehmerschicht, einer Kultur des Aufstiegs aus eigener Kraft. Das freundliche Schweigen der Westdeutschen hat da etwas Beunruhigendes. Es wirkt wie ein Zeichen der Resignation, als zahlten sie Schweigegeld. Gerade im Interesse der Ostdeutschen, aber auch der Kommunen im Westen muss darüber geredet werden, wie die Hilfe sinnvoll geleistet werden und was nicht mehr selbstverständlich bezahlt werden kann. Andernfalls wird man 2018 über Solidarpakt III reden müssen.
      http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/559/21538/
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 08:47:50
      Beitrag Nr. 2 ()
      das ist der größte schwachsinn, dieser artikel. :laugh:
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 08:55:01
      Beitrag Nr. 3 ()
      Bis in die siebte Generation müssen die Wessies bluten! :laugh:
      Schließlich sind die Ossies die armen Opfer!:D
      Und die Wessies die Täter????? :cry:

      Habe extra 5 Fragezeichen gedruckt, damit niemand sagen kann, dass ich gesagt hätte, die Wessies seien ein Tätervolk! :cool:
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 09:18:48
      Beitrag Nr. 4 ()
      Der Artikel übertreibt, aber im Grundsatz stimmt es: die schlechte Infrastruktur aus der DDR-Zeit ist inzwischen schon zum großen Teil nachgerüstet, die Versorgung der Bevölkerung ist gut, und bei den Subventionen gibt es manchmal Schwierigkeiten, für sie sinnvolle Verwendungen zu finden.

      Von der DDR geblieben ist, das zeigen Umfragen (!), eine bestimmte Sozialisierung - man erwartet mehr vom Staat, mehr Umverteilung, mehr Vorschriften, und setzt weniger auf eigene Initiative als im Westen, der für sich schon da kein Vorbild ist.

      Deshalb muß man sich fragen: wie ändert man das Bewußtsein in West und in Ost, weniger vom Staat zu erwarten? Wie lenkt man Subventionen in die Bereiche, die auch was bringen und stutzt sie auf ein Maß zurück, daß sie nicht zu einer Droge für die Wirtschaft werden? Und wie geht man mit den demographischen Veränderungen um, die in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, teilweise auch in Sachsen-Anhalt darin bestehen, daß junge, aktive und intelligente Menschen wegziehen, passive, alte und weniegr fähige Menschen zurückbleiben und zunehmend ganze Landstriche prägen? Was nützen Subventionen, wenn die Menschen fehlen, die daraus etwas machen könnten?
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 09:20:40
      Beitrag Nr. 5 ()
      wenn der schreiberling UN-sinn heißen würde, würde es schon wieder sinn machen, aber was will man von der stoiberschen süddeutschen schon anderes erwarten als SCHWACH-sinn !!

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      Avatar
      schrieb am 15.11.03 09:42:24
      Beitrag Nr. 6 ()
      Nichts gegen die Ostbürger.
      Leider sind seit Wiedervereinigung hunderte Milliarden im Osten " versickert" oder wurden ohne Effizienz und Sinn investiert.
      Die Schätzung, daß alleine im letzten Jahr 30 Miliarden !!
      :eek: an Steuergeldern verschwendet wurden, zeigt die Sorgfalt, mit der unsere Regierung UNSER Geld verwaltet.
      Aber warum nicht? Solange der Bund auch diese Größenordnungen durch neue Steuern, Abgaben und Zuschlä-ge "gegenfinanzieren" kann, wird sich nichts ändern.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 10:33:02
      Beitrag Nr. 7 ()
      Wenn man #1 liest, kann man sich fragen, warum trotzdem so viele der jungen Leute westwärts ziehen?

      ... bei gleichem Lebensstandard, besseren Straßen, besser ausgestatteten Unis...
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 11:28:56
      Beitrag Nr. 8 ()
      Was da rüber gepumpt wurde kotz!

      Da wäre ja jeder Einwohner schon Millionär!

      Kastor
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 11:39:12
      Beitrag Nr. 9 ()
      #1 Hab ich vergessen anzuhängen:

      In dem 1958 entstandenen (Anti-)Kriegsfilm "Hunde, wollt ihr ewig leben",. geht es um die Einkesselung der 6. deutschen Armee in Stalingrad.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 11:44:58
      Beitrag Nr. 10 ()
      klar sind die ossi`s am niedergang der wessi`s schuld.

      ich sag nur kohlesubvention, airbus hamburg, ect. ect. die BRD war schon vor der wende todsubventioniert.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 11:49:24
      Beitrag Nr. 11 ()
      die ganzen Entscheidungen der letzten 14 Jahre ist
      ein volkswirtschaftliches Desaster

      man sollte nicht vergessen, warum es nicht funktionieren
      kann:

      1. ein Wirtschaftsraum voller Verkäufer und ohne
      Produktion (und ganz ehrlich, so ist es nun mal) kann
      nicht funktionieren, es gibt keine Wertschöpfungskette im
      Osten, denn eigentlich werden zum Großteil nur Waren und Dienstleistungen aus dem Westen verkauft - und diese
      "Wertschöpfung" ist ganz einfach zu flach

      2. Umsatzsteuer etc. der Aufträge für im Osten reichlich realisierten Investitionsprojekte fließt zu 90% zurück
      ins Steuersäckel des Westens, weil ganz einfach der Sitz
      der realsierenden Firmen - und damit der Ort der Steuerpflicht - hier ist, d.h. neue Tankstellen sind zwar
      schön, aber bringen keinen weiteren Effekt, außer des
      die Umsatzsteuer auf den verkauften Sprit wieder in den
      Westen fließt, denn siehe oben

      3. zur Eigeninitiative: wenn man die Erbengeneretation
      im Westen betrachtet, dann erscheint es wohl einfacher
      für den einzelnen, von z.B. 500 tsd Kapital 250 Tsd ab-
      zuzweigen und mal den Versuch der Selbständigkeit zu wagen
      - u.U. sind 250 Tsd weg, aber es bleiben immer noch 250
      übrig
      wenn im Osten jemand mit gleichen Thema scheitert, hat er
      250 Tsd Schulden, weil ganz einfach die Kapitalbasis fehlt

      Es war und ist ganz einfach eine riesige Umverteilungs-
      maschine geschaffen worden unter dem Mantel der Sozialen
      Marktwirtschaft und des Wiederaufbaus, und zwar von unten
      nach oben - von vielen auf wenige - wie auch sonst

      Denkt mal an die wirtschaftliche Entwicklung des Saarlands
      und das war ein Klacks gegen die 17 Millionen des Ostens

      das alte Sprichwort heißt ja: wer sich eine Kolonie hält,
      der muss sie auch bezahlen können - hat schon irgendwie
      Berechtigung, oder?
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 12:20:46
      Beitrag Nr. 12 ()
      11 beinhaltet wohl den gesamten ökonomischen Unverstand
      und Dummheit die auch die Politik dieser Regierung
      bestimmt.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 13:36:15
      Beitrag Nr. 13 ()
      Sehr guter Artikel, und das von einer SPD-nahen Zeitung.

      Naja, die SPD war ja immer gegen die Wiedervereinigung.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 13:42:32
      Beitrag Nr. 14 ()
      Der Aufschwung im Osten scheitert, weil wir die dussligen bürokratischen Vorschriften ausm Westen übernehmen mussten.

      Kein anderes osteuropäisches Land hat in dieser Hinsicht mit solchen Schwachsinnigkeiten kämpfen müssen.

      Diese Gesetze mögen geeignet sein, um eine funktionierende Wirtschaft zu verwalten, aber nicht um von null anzufangen etwas aufzubauen!

      just my 2 cents.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 13:54:09
      Beitrag Nr. 15 ()
      In die Ex-DDR sollen zwischenzeitlich 970 Milliarden Transferleistungen geflossen sein, also rund eine Billion.

      Man wundert sich dann schon, dass marode Länder wie Polen oder Tschechien ohne derartige Unterstützungsmassnahmen ein höheres BIP haben, als die ostdeuschen Länder.

      Die Ossis haben halt immer noch die Einstellung, der Staat wird´s schon richten. - Eigeninitiative gleich Null.

      Auch wenn die noch 30 Jahre Transferleistungen bekommen wird es nicht besser. Es hilft nur eins: Kürzung der Leistungen.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 14:13:29
      Beitrag Nr. 16 ()
      Mit gleichzeitiger Kürzung der Wessi-gesetze und Wessi-Vorschirften!

      Das Problem ist nicht die Eigeninitiative sondern der Kapitalmangel.
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 14:24:28
      Beitrag Nr. 17 ()
      #15
      In die Ex-DDR sollen zwischenzeitlich 970 Milliarden Transferleistungen geflossen sein, also rund eine Billion

      Und wieviel ist davon in dunklen Kanälen versickert. Wieviel haben diejenigen die auch NACH der Wende immer noch an den entscheidenen Posten saßen eingsteckt.
      Und wieviel haben Westdeutsche erhalten, an Förderleistung nur damit sie dort investieren.

      Wenn das Geld sinnvoll investiert worden wäre hätte der Osten mittlerweile Westniveau erreicht.

      viele grüße
      com69
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 16:16:38
      Beitrag Nr. 18 ()
      reti
      Du verwechselst den Bayernkurier wohl mit der Süddeutschen :laugh:
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 16:44:54
      Beitrag Nr. 19 ()
      Vom Osten lernen

      In den neuen Bundesländern werden die Unternehmen besser mit der Krise fertig als im Westen

      Von Klaus-Peter Schmid


      Es hört sich an wie ein Märchen und ist doch keines: In deutschen Landen leben glückliche Unternehmer. Ob Konzernmanager oder Mittelständler – sie platzen fast vor Optimismus und investieren wie die Weltmeister. Ihre Auftragslage ist bestens, die Perspektive verheißungsvoll. Sie expandieren und suchen dringend qualifizierte Mitarbeiter. Voll des Lobes sind sie über fixe Behörden, engagierte Mitarbeiter und willige Gewerkschaften.

      Und wo findet man diese Glückspilze? In Ostdeutschland.

      Ausgerechnet in dem Teil der Republik, in dem die Arbeitslosigkeit mit 17,3 Prozent mehr als doppelt so hoch ist wie im Westen? In dem zum Teil Löhne von unter fünf Euro gezahlt werden, damit es überhaupt noch neue Jobs gibt? So ist es. Die Katastrophenmeldungen von fehlenden Arbeitsplätzen, Industrieschwund und ABM-Elend sind nicht falsch. Aber sie verstellen den Blick dafür, dass sich die Industrie Ostdeutschlands in der Krise offensichtlich besser behauptet als die im Westen und dass mancherorts die Stimmung fast unanständig gut ist.

      „Es ist etwas Sensationelles geschehen“, schwärmt Rüdiger Pohl, der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), „trotz des Konjunktureinbruchs ist die Industrieproduktion in Ostdeutschland weiter angestiegen.“ Und dann schiebt der nüchterne Ökonomieprofessor einen überraschenden Satz nach: „Hier kann man den Umgang mit der Krise lernen.“

      Von den Ossis lernen? Warum nicht? Es kann schließlich kein Zufall sein, dass mitten in der konjunkturellen Flaute die ostdeutsche Wirtschaft unerwartete Widerstandskräfte mobilisiert. Lässt man die Baubranche außen vor, deren Schrumpfkur unvermeidlich ist, dann waren die Zuwächse des ostdeutschen Bruttoinlandsprodukts in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre mehr als doppelt so hoch wie in Westdeutschland.

      Seitdem hält der Trend an: 2002 zum Beispiel kam der Westen auf ein höchst bescheidenes Plus von 0,2 Prozent, während der Osten (ohne Bau) immerhin 1,3 Prozent schaffte. Auch das ein solides Signal: Die ostdeutsche Exportquote hat sich seit Mitte der neunziger Jahre von 11 auf 22 Prozent verdoppelt.

      Zu besichtigen ist die Erfolgsgeschichte zum Beispiel im „Autoland Sachsen“, wie sich die Heimat von Audi und Trabi neuerdings nennt. Da hat Volkswagen mitten in Dresden die Gläserne Manufaktur errichtet und zelebriert vor aller Augen die Montage seines Luxusmodells Phaeton. Der brandneue Golf V kommt aus der VW-Fabrik Mosel bei Zwickau. Im Norden von Leipzig montiert Porsche seit 2002 seinen Geländewagen Cayenne und neuerdings unter demselben Dach auch den teuersten Sportwagen dieser Marke, den Carrera GT. Nicht weit davon errichtet BMW „eine der modernsten Automobilfabriken der Welt“, so der Bauherr. Und überall der gleiche Refrain: Wir investieren im deutschen Osten, weil es sich dort lohnt – mag Leipzig in einer neuen Vergleichsstudie über sieben deutsche Wirtschaftsregionen auch Lichtjahre hinter Stuttgart und München liegen.

      Im Umfeld der nun in Sachsen ansässigen Autoriesen gedeihen die Zulieferer, ganz überwiegend Mittelständler. Sie sind wiederbelebte Teile ehemaliger Kombinate, Ableger von Unternehmen aus dem Westen der Republik, auch Töchter von Firmen aus den USA, Kanada und Japan. Über 700 Autozulieferer mit 64000 Beschäftigten sind es mittlerweile im ganzen Freistaat Sachsen. Sie lassen keinen Zweifel daran zu, dass es richtig war, im Osten zu investieren. Ob Hersteller von Fensterhebern, Nockenwellen, Autotüren, Achsen, Getriebeteilen – sie loben den Standort Ost über den grünen Klee.

      Arbeitnehmer und Unternehmer bilden eine Schicksalsgemeinschaft

      Man muss mit Leuten wie Knut Angres reden, um sich vom Optimismus anstecken zu lassen. Er ist der Geschäftsführer einer Airbag-Fabrik, die der japanische Konzern Takata in dem 3500-Seelen-Städtchen Elterlein am Fuß des Erzgebirges aufgemacht hat. Angeblich gefielen den aus Tokyo angereisten Managern die bunt blühenden Frühlingswiesen so gut, dass sie sich für Elterlein entschieden. Heute floriert das Werk mit seinen 470Mitarbeitern, die täglich 25000 Airbags für ein halbes Dutzend Automarken produzieren. Infrastruktur, Motivation der Mitarbeiter, Kontakte zu den Abnehmern sind bestens. Und die Lage in der tiefsten sächsischen Provinz? „Elterlein ist der Nabel Europas“, sagt Angres lachend.

      Der Großinvestor BMW sieht das nüchterner. Für Leipzig entschieden sich die Bayern am Ende einer langen Auslese zwischen 250 Bewerbern. Nicht die Lohnkosten gaben den Ausschlag, die wären bei Leipzigs härtestem Konkurrenten, dem tschechischen Kolin, deutlich niedriger gewesen. Was letztlich zählte, waren Faktoren wie Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften, Flexibilität bei der Arbeitszeit und schnelle Umsetzung von Projekten. Peter Claussen, der Leiter des BMW Werks Leipzig, verspricht: „Das Werk in Leipzig wird moderner, kompakter und weit flexibler als die älteren Werke sein.“ Konkret: Im ersten Schritt will BMW in Leipzig die 3er-Serie um 15Prozent kostengünstiger herstellen als in seinen anderen Werken.

      Flexibilität ist das Schlüsselwort auf der Suche nach dem Geheimnis des ostdeutschen Erfolges. Abgesehen davon, dass Ossis 100 Stunden mehr im Jahr arbeiten als Wessis: Sie sind auch bereit, sich auf unbequeme Arbeitszeiten einzulassen. So handelte BMW für sein Werk Leipzig mit der IG Metall eine „BMW-Formel für Arbeit“ aus. Deren Ziel sind flexible Arbeitszeiten zur Steigerung der Betriebsnutzungszeit und damit höhere Produktivität. Es gilt eine flexible Wochenarbeitszeit, die je nach Auftragslage zwischen 38 und 44 Stunden schwanken kann, Wochenende inbegriffen.

      Während sich BMW wenigstens noch bei der Gewerkschaft absicherte, sucht man deren Präsenz auf der bescheidenen Ebene eines Klein- oder Mittelbetriebs vergebens. Die im Westen traditionelle Rolle der Tarifpartner bedeutet im Osten herzlich wenig. So haben sich zum Beispiel in Sachsen-Anhalt 151 Unternehmen aus verschiedenen Branchen im Allgemeinen Arbeitgeberverband der Wirtschaft (AVW) zusammengeschlossen. Der vertritt zwar die Interessen seiner Mitglieder, handelt aber keine Tarifverträge mit den Gewerkschaften aus. Das besorgt die Betriebsleitung direkt mit der Belegschaft. Betriebsvereinbarungen sind in den Neuen Bundesländern eher die Regel als die Ausnahme, drei von vier ostdeutschen Unternehmen halten sich nicht an offizielle Tarifverträge. Dass die Gewerkschaften in den Betrieben kaum eine Rolle spielen, wird von potenziellen Investoren eindeutig als Standortvorteil wahrgenommen.

      Die spektakuläre Niederlage der IG Metall im Kampf um die Einführung der 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland bestätigte, was Alexander Eickelpasch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) so formuliert: „Im Osten bilden Arbeitnehmer und Unternehmer eine Art Schicksalsgemeinschaft.“ Als Resultat dieser Verbundenheit liegt das Lohnniveau im Osten de facto nur bei 70 Prozent des Westens. Und das wird von den Betroffenen eben als Investition ins Überleben ihres Unternehmens akzeptiert.

      Ein zweiter Schlüssel zu den Erfolgen des Ostens ist die Bereitschaft zur Kooperation. Einheit macht stark, das hat man den Ossis lange genug eingetrichtert. Jetzt handeln sie nach dieser Devise und fahren gut damit. Zum Beispiel beim Airbag-Hersteller Takata: Der hat sich mit der Sachsen Feuerwerk GmbH bei Freiberg zusammengetan, die seit Generationen Böller, Knaller und Silvesterraketen herstellt. Warum eigentlich, so fragten sich die Takata-Leute, sollten sie die Treibsätze für die Auslösung der Airbags aus den USA importieren? Mithilfe des Fraunhofer Instituts für Chemische Technologie entwickelten die Freiberger Pyrotechniker Gasgeneratoren für Takata. Die Zusammenarbeit ist so erfolgreich, dass Takata-Manager Andres versichert: „Wir wollen weiter ausbauen.“

      Das ist ein Beispiel unter vielen, wie sie Mitglieder der Verbundinitiative Automobilzulieferer Sachsen 2005 (AMZ) bereitwillig erzählen. Vor vier Jahren betrieb die Landesregierung die Gründung der AMZ, um kleinen Unternehmen die Chance zu bieten, innovative Produkte gemeinsam zu entwickeln und am Markt anzubieten. Allein hätten sie kaum eine Chance. Denn die Autohersteller fügen in aller Regel keine Einzelteile mehr zusammen, sondern verlangen von ihren Lieferanten fertige Module oder ganze Komponenten. An AMZ-Projekten waren inzwischen gut 300 Unternehmen beteiligt.

      Ähnlich in Sachsen-Anhalt. Hier arbeiten seit Mitte der neunziger Jahre Automobilzulieferer im Kompetenznetz Mahreg zusammen, das aus einer Initiative der Bundesregierung hervorgegangen ist. Inzwischen liegt die Zahl der Netzwerker bei 150, hinter ihnen stehen ungefähr 10000 Mitarbeiter. Sie rühmen sich, gemeinsam eine „Gesamtfahrzeugkompetenz“ zu bieten. Spezialität der Netzbauer ist die Einbindung der regionalen Hochschulen und Forschungsinstitute, um wissenschaftliche Erkenntnisse gezielt umzusetzen. Auch hier ist das Hauptanliegen, den Autoherstellern dank Vernetzung komplexere und damit höherwertige Produkte liefern zu können. Ein Großabnehmer ist Volkswagen im nahen Wolfsburg. In der Branche heißt die Ecke zwischen Harz und Havel bereits „Golf-Region“.

      Die Beispiele für erfolgreiche Netzwerke finden sich vor allem in Automobilindustrie, Chemie, Maschinenbau und Optik. Unternehmen der Metallverarbeitung haben um die Stahlproduktion von Eisenhüttenstadt mit Erfolg ein Netz geknüpft. Im brandenburgischen Schwarzheide ist das BASF-Werk Kern eines Netzes, das Wissenschaft und Industrie zusammenbringt. Das Chemiedreieck um Bitterfeld, wie Phönix aus dem Ruß auferstanden, bietet als Chemiepark mit ausgebautem Stoffverbund eine zusätzliche Variante der Vernetzung. Zu Dutzenden arbeiten solche Zusammenschlüsse, in denen jeder Beteiligte seine Unabhängigkeit wahrt.

      Eine Idee mit Verbreitungspotenzial: Von der Vernetzung profitieren gerade die für Ostdeutschland typischen Kleinunternehmen, die selten in der Lage sind, sich eigene Forschungskapazitäten zu leisten. Das IWH in Halle stellte jüngst fest, dass „in Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland deutlich mehr Unternehmen an Innovationskooperationen partizipieren“. Eike Röhling, im Bundeswirtschaftsministerium für die Neuen Länder zuständig, hat noch eine weitere Tugend entdeckt: „Die Bereitschaft, mit Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten, ist im Osten größer als im Westen.“

      Das alles würde dem Osten in der Wirtschaftskrise wenig helfen, wenn nicht die Behörden mitspielten. Ob im Ministerium, beim Landrat oder beim Bürgermeister: Investoren gleich welcher Größe berichten, sie seien mit offenen Armen empfangen und persönlich betreut worden. Bürokratische Hürden scheint es in den neuen Bundesländern kaum zu geben. Porsche will eine ökologisch wertvolle Fläche neben dem neuen Werk als Prüfstrecke für seinen Cayenne nutzen – kein Problem. Hinterher rühmt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking „die Effizienz und die Flexibilität, mit der die Behörden des Freistaates Sachsen und der Stadt arbeiten“.

      Wer heute noch da ist, der hat sich schon einmal durchgebissen

      Auch Kollege Helmut Panke von BMW preist die „sehr gute Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stellen“. Sein Beleg: Am 18. Juli 2001 erhielt Leipzig den Zuschlag für das neue BMW-Werk; nicht einmal zwei Jahre später, im Mai 2003, wurde Richtfest gefeiert. Das öffentliche Engagement half auch anderen Investoren. Der amerikanischen Softwarefirma Oracle etwa, die ein Call-Center von Dublin nach Potsdam verlegte, oder Vestas, dem weltweit größten Hersteller von Windkraftanlagen, der sich in Lauchhammer niederließ.

      Gerade in der Krise haben Ossis den Wessis eines voraus: die „Umbruchkompetenz“. So nennt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck die Erfahrungen im persönlichen Umgang mit der Wende. Anders gesagt: Wer heute noch da ist, der hat sich schon einmal durchgebissen. Viele der Neuunternehmer sind Techniker, die Betriebsteile abgewrackter Kombinate übernahmen und ihren ganzen Stolz dareinsetzen, sie zu einem erfolgreichen Unternehmen zu machen. „Abgewickelte“ Hochschulprofessoren stehen ihnen oft an unternehmerischem Ehrgeiz nicht nach.

      Platzeck hat noch etwas anderes beobachtet. In all den Talkshows zum Thema „Deutschland in der Krise“ jammern in aller Regel Westdeutsche unter sich. Die viel zitierten Jammer-Ossis machen sich dagegen rar. „Der Osten könnte dem Westen ein oder zwei Dinge über den Kapitalismus beibringen“, stand voriges Jahr in dem US-Wirtschaftsmagazin Business Week zu lesen. Kein schlechter Vorschlag.


      (c) 13.11.2003 Nr.47


      Ich bin viel in Deutschland herum gekommen und habe zum größten Teil im Osten Deutschlands fleißigere und auch flexibelere Menschen kennen gelernt. Vorurteile kommen meist von Menschen die noch nie im Osten Deutschlands waren bzw. keine Erfahrungen dort gemacht haben. Faule und Fleißige , Kluge und Dumme gibt es in ganz Deutschland.
      War es nicht so, daß Fördermittel gnadenlos von "Westfirmen" abgezockt wurden. Ich nenne das Alibi-Investition. Ganze Industriezweige wurden stillgelegt um den eigenen Markt zu schützen und um jegliche Konkurenz nicht erst aufkommen zu lassen.
      Das ist meine Meinung als "Nichtbeteiligter"


      gruß
      waliser
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 18:20:00
      Beitrag Nr. 20 ()
      # 5

      "...aber was will man von der stoiberschen süddeutschen schon anderes erwarten als SCHWACH-sinn !!"


      :laugh: :laugh: :laugh: :laugh:

      Stoiber als Herausgeber oder Chefredakteur der Süddeutschen ?!?

      So was glaubt auch nur Kreti, Bledi und ... reti!
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 18:29:53
      Beitrag Nr. 21 ()
      Hallo Leute,

      schon vergessen das der Kanzler Schröder und der böse Bube Schilly uns mit Leipzig ein Kuckucksei gelegt haben! Wenn nicht bereits im Vorfeld zu offensichtlichen Plünderungen der Kassen gekommen wäre würde am Schluß sogar eine Steuererhöhung als olympischen Gedanken implementiert und Tiefenbach würde uns im Cello die Lüge vermitteln.:laugh:
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 18:43:55
      Beitrag Nr. 22 ()
      sagen wir es mal so : wenn der westdeutsche bergbau so abgewickelt worden wäre wie der im osten - hätte man letzte woche nicht weitere 16 mrd euro an subventionen für die nächsten fünf jahre beschliessen müssen, dann wäre das thema schon seit anfang der 90-er jahre erledigt ;-)

      seit 1990 sind übrigens 80 mrd euro (!!!) an subvenionen in den bergbau im ruhrgebiet und saarland geflossen - merkt ihr was auch das für dimensionen sind und welche verschwendung dahinter steht ;-)
      Avatar
      schrieb am 15.11.03 19:22:22
      Beitrag Nr. 23 ()
      #19 waliser

      Ist Deine Heimat die Schweiz?

      Deinen Beitrag finde ich klasse! Bestätigt es doch meine Meinung, daß diese ganzen Diskrepanzen nur politisch gesteuert sind. Mit "politisch" meine ich nicht nur unsere Regierung, sondern auch den Sauhaufen von Verbandsfunktionären die ihre Pfründe schwinden sehen.


      derwelsche
      Avatar
      schrieb am 16.11.03 00:38:22
      Beitrag Nr. 24 ()
      noch einmal:
      F:Daniela Dahn, 13 Jahre Einheit.htm

      13 Jahre Einheit ( Auszüge)

      Das statistische Bundesamt veranschlagt den »Vereinigungsgewinn« für Westdeutschland auf rund 200 Milliarden D-Mark pro Jahr. Weit mehr also, als der Bruttotransfer in die entgegengesetzte Richtung, der den Ostdeutschen ständig vorgerechnet wird.

      Es gibt Fehler, die sind so gravierend, daß sie irreparabel sind. Dazu gehört das Anzetteln von Eroberungskriegen. Nach dem ersten Weltkrieg sank die Industrieproduktion Deutschlands auf 60 Prozent. Nach dem zweiten Weltkrieg sank sie auf 40 Prozent. Auf 30 Prozent sank die Industrieproduktion Ostdeutschlands nach dem Beitritt. Alle Fachleute hatten dies vorausgesagt. Der Bundesrat machte seine Zustimmung zum Vertrag über die Währungsunion in einer nie an die Öffentlichkeit gelangten Entschließung davon abhängig, daß es unverzüglich zu Neuverhandlungen kommt, »sobald sich zeigt, daß die DDR auf Dauer zum wirtschaftlichen Notstandsgebiet zu werden droht«. (Bundestagsprotokoll, II. Wahlperiode, S. 17574) »Die Wirkung der Währungsunion zu den Bedingungen von Kanzler Kohl war vergleichbar mit einer ökonomischen Atombombe«, konstatierte der Wirtschaftskolumnist des Guardian knapp ein Jahr später (April 1991). Doch statt Nachverhandlung kam die Schocktherapie der Treuen Hand hinzu, die 95 Prozent des Volkseigentums in westliche Hände übergab.

      Die Ostdeutschen sind heute die Bevölkerung in Europa, der am wenigsten von dem Territorium gehört, auf dem sie lebt. Immobilien, Betriebe und Bodenreformland wurden unter Konditionen verkauft, von denen die einstigen DDR-Bürger weitgehend ausgeschlossen waren. Egon Bahr hat darauf hingewiesen, daß in Ostdeutschland feudale, frühmittelalterliche Eigentumsstrukturen geschaffen wurden, wie sie selbst in Afrika und im Orient vor zwei Generationen überwunden worden sind. Die politische Vereinigung Deutschlands hat die ökonomische Spaltung auf gewissen Gebieten vertieft.

      Natürlich entgeht vielen Ostdeutschen nicht, welchen enormen Belastungen inzwischen nicht nur die Städte und Gemeinden in den alten Bundesländern unterworfen sind. Da die Kosten der gegen jede ökonomische Vernunft organisierten Einheit leider nicht durch einen Lastenausgleich aufgebracht wurden, sondern weitgehend den Sozialsystemen aufgebürdet wurden, kann gar nicht übersehen werden, daß auch jeder Arbeiter und Angestellte, jeder Arbeitslose und Rentner im Westen von dieser und jener Agenda empfindlich zur Kasse gebeten wird. »Unser soziales System steht wirklich auf der Kippe«, hat Exbundespräsident Herzog gerade gesagt. Daß sich inzwischen herumgesprochen hat, daß auch die Ostdeutschen den Solidaritätsbeitrag zahlen, macht die Sache nicht besser. Soweit ich es beurteilen kann, sieht man im Osten die westlichen Leistungen mit Respekt und Mitgefühl. Und mit dem unbehaglichen Wissen darum, daß die DDR-Wirtschaft am Ende verschlissen war. Sie war krank, aber nicht tot.

      Die gesamten Auslandsschulden betrugen etwa ein Viertel dessen, was jetzt jährlich an Transfergeldern nötig ist. Unterstellt, die industrielle Ausrüstung sei ein einziger Schrotthaufen gewesen, bliebe die Frage wie man mit einem Schrotthaufen 1989 immerhin noch ein Bruttosozialprodukt von 354 Milliarden Mark (Statistisches Jahrbuch der DDR von 1990) erwirtschaften konnte. Angenommen es war ein Schrotthaufen – was nicht stimmt, aber bleiben wir dabei – so konnten doch die Immobilien und der schuldenfreie Grund und Boden und vor allem die mitgebrachten, enormen Absatzmärkte in Osteuropa und Asien nicht wertlos sein. Die sind nämlich nicht weggebrochen, wie behauptet wird, sondern weggenommen. Schon nach kurzer Zeit haben westliche Unternehmen diese langjährigen Kunden der DDR in vollem Umfang beliefert.

      Ein Zufall war es nicht, daß zwischen 1989 und 1992 die Zahl der Einkommensmillionäre in den alten Bundesländern um beinahe 40 Prozent zugenommen hat. Ein Zufall war es auch nicht, daß 1990 das beste Geschäftsjahr der Deutschen Bank in ihrer hundertjährigen Geschichte war. Im Spiegel (10/94 S.55) konnte man dazu lesen:

      »Für westliche Geldhändler hat es einen dickeren Fang wohl nie gegeben: Das komplette Bankensystem eines ganzen Staates, rund 80 Milliarden Mark Spareinlagen und die Schulden auf der anderen Bilanzseite, war im Supermarkt der deutschen Einheit billig zu haben. Fast alle bedeutenden Kreditinstitute griffen zu
      Avatar
      schrieb am 16.11.03 01:31:06
      Beitrag Nr. 25 ()
      #4 Dazu fällt mir ergänzend ein: Warum ziehen nicht wenigstens jene, die die freie Wahl ihres Wohnortes haben, in den billigeren Osten? Weil sie, z. B. arbeitslos, im Westen eher die Zuweisung einer Arbeit erwarten? Ich glaube nicht, daß dieser positive Standpunkt auf alle zutrifft, glaube eher, daß die meisten arbeitslos bleiben werden. Da wäre es doch ganz angebracht, wenn z. B. jene, die sich wohnraummäßig beengt fühlen, sich im häufig immer noch billigeren Osten einmieten (anstatt z. B. Alte und Alleinstehende aus ihren "zu großen" Wohnungen oder Häusern rauszumobben versuchen). Die Wohnungen haben vielleicht Mängel? Da wäre die allerorts übliche Schwarzarbeit ja mal sinnvoll einzusetzen zur Renovierung ... Provokativ?
      Avatar
      schrieb am 16.11.03 19:35:06
      Beitrag Nr. 26 ()
      #25 SleepingB

      Mal abgesehen von denen, die eine gewichtige Bindung zu ihrem derzeitigen Wohnsitz haben. Warum sollten die anderen in den Osten ziehen? Dort wird doch gerade die deutsche Zukunft aufgebaut. Und Mittelfristig besteht die Gefahr, daß sie dort einen Arbeitsplatz vermittelt bekommen.

      derwelsche
      Avatar
      schrieb am 16.11.03 20:08:56
      Beitrag Nr. 27 ()
      SleepingBeauty
      warum nicht gleich den nächsten Schritt - Zwangsumsiedlung?

      Alle Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger, Rentner, Heimbewohner werden in die neuen Bundesländer gekarrt! Das entlastet die Sozialkassen! Und wer damit nicht einverstanden ist, und hier bleibt, der erhält statt Geld nur noch Lebensmittelpakete! Den Betroffenen muss man einfach nur "Beine machen"!
      Avatar
      schrieb am 17.11.03 15:41:04
      Beitrag Nr. 28 ()
      @sleeping beauty,

      Wenn schon Zwangsumsiedlung dann aber weiter nach Osten, wo ursprüngich ja weiterer Lebensraum angedacht war.;)
      Stell Dir vor, wenn im Osten die Sümpfe ausgetrocknet und die Wiesen im saftigen Grün erleuchten, und glückiche Kühe zufrieden muhen ...möchtest Du vielleicht selbst gerne hin.
      Avatar
      schrieb am 17.11.03 16:25:48
      Beitrag Nr. 29 ()
      @Stella

      Alle Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger, Rentner, Heimbewohner werden in die neuen Bundesländer gekarrt!

      Und dann mauern?

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 17.11.03 20:11:51
      Beitrag Nr. 30 ()
      ABBAU OST

      Wirtschaftsforscher wollen Förderung beerdigen

      Die führenden deutschen Wirtschaftsforscher fordern ein Umdenken beim Aufbau Ost. Um dem Aufholprozess neuen Schwung zu geben, sollten die Programme zur Investitions- und Innovationsförderung allmählich auslaufen.

      Rezepte der Vergangenheit erweisen sich als untauglich: Flughafen Leipzig

      Berlin - Die bisherige Strategie, durch massive Hilfen an die Unternehmen den Aufbau Ost zu fördern, erweise sich mit zunehmender Deutlichkeit als unwirksam, betonen die Experten in ihrem am Montag in Berlin vorgelegten zweiten Forschungsbericht zur wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland. Die Unternehmensförderung und die Arbeitsmarktpolitik seien daher in Teilen reformbedürftig.
      In Zukunft müsse verstärkt die Effizienz der eingesetzten Maßnahmen zum Maßstab gemacht werden, sagen die Experten weiter. Einer sorgfältigen Prüfung bedürfe in diesem Zusammenhang die bislang geübte Praxis der Arbeitsbeschaffung und bei den beruflichen Weiterbildung.

      Allerdings, so räumen die Experten ein, sei erst dann mit einer deutlich verbesserten wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland zu rechnen, wenn die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprobleme in ganz Deutschland gelöst seien.

      Der Bericht wurde im Auftrag des Bundesfinanzministeriums vom Berliner Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dem Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, dem Kieler Institut für Weltwirtschaft, dem Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Institut (ZEW) und dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle vorgelegt.

      www.spiegel.de
      Avatar
      schrieb am 17.11.03 22:56:19
      Beitrag Nr. 31 ()
      Platzeck droht dem Kanzler Brandenburgs Ministerpräsident fordert Extra-Hilfen für den Osten Sonst keine Zustimmung zu Reformpaket im Bundesrat

      POTSDAM, 14. November. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck droht mit Ablehnung der Arbeitsmarkt- und Finanzreform im Bundesrat, wenn es keine deutlichen Nachbesserungen für die ostdeutschen Länder gibt. "Wir wollen keinen Schnitt machen. Aber wir dürfen am Ende nicht weniger haben als zuvor", sagte der SPD-Politiker der Berliner Zeitung. "Man muss vernünftige Bedingungen erfüllt sehen, um zustimmen zu können."
      Allein auf Brandenburg kämen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe Einnahmeverluste von 190 Millionen Euro zu, sagte Platzeck. In allen Ost-Ländern zusammen wird von einem Minus von weit über einer Milliarde Euro ausgegangen.
      Finanzminister Hans Eichel (SPD) hat allerdings bisher jedes finanzielle Entgegenkommen gegenüber den neuen Bundesländern abgelehnt. Die ostdeutschen Regierungschefs halten das aber noch nicht für das letzte Wort, zumal sie darauf verweisen können, dass die Bundesregierung soeben weitere 16 Milliarden Euro Subventionen für die westdeutsche Steinkohle zugesagt hatte. "Natürlich kann man sich fragen, ob das angemessen ist", sagte Platzeck.
      Grundsätzlich unterstütze er den Ansatz, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen, sagte der brandenburgische Ministerpräsident. Dies sei ein richtiger Ansatz, um Arbeitslose schneller wieder in eine Beschäftigung zu bringen. Die Reform bringe den neuen Ländern aber zusätzliche Belastungen, weil es in Ostdeutschland viel mehr Empfänger von Arbeitslosenhilfe als von Sozialhilfe gebe. Deswegen seien die Einsparungen geringer. Trotzdem sehe der Gesetzentwurf vor, dass die neuen Länder im Gegenzug auf denselben Anteil an der Umsatzsteuer verzichten müssten wie die westdeutschen Bundesländer. "Es darf nicht sein, dass die Vorteile der Reformen nur in Westdeutschland zu spüren sind", sagte der brandenburgische Politiker. "Das muss ausgeglichen werden." ...
      Platzeck lud Schröder auch ein, im kommenden Jahr vor der Landtagswahl nach Brandenburg zu kommen. "Ich werde mit dem Kanzler Wahlkampf machen, wenn er kommt", sagte der SPD-Politiker. ...


      http://www.BerlinOnline.de/berliner-zeitung/politik/292920.h… bz vom 15.11.2003
      Avatar
      schrieb am 17.11.03 23:02:12
      Beitrag Nr. 32 ()
      Das System der Faulen und Platzeck ist ihr Cheeeef!:laugh:
      Avatar
      schrieb am 18.11.03 01:22:35
      Beitrag Nr. 33 ()
      zu 32

      nu übertreib mal nich ;)


      zu 31

      Der erste Absatz sagt schon alles!
      Klar müßen alle sparen. Aber auf gar keinen Fall dürfen WIR nachher weniger in der Tasche haben. Das wäre ungerecht!!!!! Ist das Bundescheeef?

      Beim dritten Absatz ist mir etwas völlig unklar.
      Wenn die mehr Arbeitslosenhilfe-Empfänger auf Sozialhilfeniveau absenken, wieso glaubt der Platzeck die Einsparungen wären geringer ?
      Nach meiner Rechnung sieht es eher umgekehrt aus.
      Wenn ich 1000 Leuten jeweils 100 Euro weniger gebe, spar ich 100.000 Euro.
      Wenn ich 1500 Leuten jeweils 100 Euro weniger gebe, spar ich 150.000 Euro.
      Oder hab ich da vor vielen Jahren im Mathe-Unterricht was falsch verstanden?


      derwelsche
      Avatar
      schrieb am 18.11.03 09:58:53
      Beitrag Nr. 34 ()
      #33
      Die Arbeitslosenhilfe für Langzeitarbeitslose in Ostdeutschland zahlt der Bund aus Steuermitteln.

      Wenn die Arbeitslosenhilfe auf Arbeitslosengeld 2 gesenkt wird zahlt der Bund erstmal weniger Geld nach Ostdeutschland.

      Das heißt aber auch, da die Arbeitslosen sofort alles verkonsumieren, sinkt die Kaufkraft. Und die ganzen Kleinunternehmer (nicht nur diese) im Osten haben weniger Umsatz.
      Es werden nicht nur die Arbeitslosen bestraft, auch die Wirtschaft im Osten fährt nach unten.

      Deswegen will Platzeck einen höheren Anteil von der Umsatzsteuer für sein Land haben, damit mehr Geld im Osten bleibt.
      Avatar
      schrieb am 18.11.03 17:31:32
      Beitrag Nr. 35 ()
      #34 kohelet

      Das ist aber kontraproduktiv denke ich.
      Selbst wenn das Land einen höheren UST-Anteil bekommt, bleiben die Taschen der Hilfeempfänger leer. Oder sollen die dafür einen Lebensmittelbonus für ihre Einkäufe bekommen?

      derwelsche
      Avatar
      schrieb am 18.11.03 23:41:56
      Beitrag Nr. 36 ()
      #35
      Das muß man den Platzeck fragen, vielleicht will er mit dem Geld von der Umsatzsteuer Unternehmen unterstützen, die dafür die Hilfeempfänger einstellen.
      Avatar
      schrieb am 19.11.03 00:06:49
      Beitrag Nr. 37 ()
      #36

      Was wiederum Subvention wäre und die sollen doch abgebaut werden.

      Mal davon agbesehen. Ein Betrieb, der kurz vor der Pleite steht, stellt auch mit Subventionen keine neuen Mitarbeiter ein. Der läßt sich eher dafür bezahlen, daß er nicht noch ein paar rausschmeißt.

      Dem Platzeck stinkts nur, daß er danach nicht mehr so viel Geld verwalten (= wegwalten) kann.
      Avatar
      schrieb am 20.11.03 23:26:20
      Beitrag Nr. 38 ()
      Bitte nicht ernst nehmen;

      Neuste NachrichtenBerlinOnline Schokolade und Zigaretten.htm

      Schokolade und Zigaretten
      Spider

      Wenn sie die Mauer wieder aufbauen .", sagte mein Kumpel Tube neulich. "Was, sie bauen die Mauer wieder auf?", fragte ich. "Nein, ich meine: falls sie die Mauer mal wieder aufbauen .", sagte mein Kumpel Tube.
      Das ist immerhin denkbar. Schließlich leben wir in einer Demokratie und die Politik verwirklicht in einer Demokratie den Willen des Volkes. Dieser Wille kann sehr, sehr unergründlich sein. In dieser Hinsicht hat das Volk sich mit Gott gemein gemacht. Unergründlich, wie gesagt. Zum Beispiel hat das Volk gerade keinen Bock mehr auf Rente. Auf medizinische Versorgung auch nicht so richtig. Unverständlich eigentlich, aber in einer Demokratie erfüllt die Regierung nun mal den Wählerauftrag, selbst wenn er reichlich masochistisch anmutet. Einem Volk, das keinen Bedarf an Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe sieht, das viel arbeiten und wenig verdienen möchte, ist alles zuzutrauen. Wenn sich selbstzerstörerische Sehnsüchte erst einmal etabliert haben, bleibt der Politik nichts Anderes übrig, als diese zu verwirklichen. Warum sollte so ein Volk sich nicht irgendwann wünschen, dass die Mauer wieder aufgebaut wird?

      "Wenn sie die Mauer wieder aufbauen", sagte mein Kumpel Tube, "dann habe ich wenigstens ein Westauto."

      Ich habe dann wenigstens Westschallplatten. Und einen Westcomputer. Und eine Westbrille. Das muss reichen. Das wird auch reichen. Im ersten Osten hatte ich nicht mal das, da werde ich es im zweiten Osten besser haben. Die Umstellung wird mir gar nicht schwer fallen. Meinem Kumpel Tube auch nicht.

      So wie im ersten Osten die vom Krieg zerstörte Wirtschaft verstaatlicht wurde, durch Enteignung der Unternehmen, wird man im zweiten Osten die von Treuhand, CDU und Sozialdemokratie verwüstete Wirtschaft verstaatlichen, durch Enteignung von Designbüros, Werbeagenturen und Internetklitschen. Internet klingt sowieso ostig. Interflug, Interkosmos, Intershop, Internationale. Jetzt also auch Internet. E-mail wird umgetauft in E-pismo. So wie uns heute die Unternehmer jeden Tag mit Werbe-E-mails das Postfach verstopfen, werden es dann die Kommunisten mit Propaganda-E-pismos tun. "Vorwärts zum Parteitag mit 120 Prozent Planerfüllung!", "Mädchen aus der FDJ stöhnen Dir ins Ohr: Mach s mir - 3 Jahre lang - in der NVA!", "Penisverlängerungen um 120 Prozent - wir Kalikumpel halten Wort!"

      Die Schwaben, die wegen der billigen Mieten in den Prenzlauer Berg gezogen sind, werden sich ganz schön umgucken. Andererseits haben sie dann noch viel billigere Mieten. Wechseln sie eben das Studienfach, studieren sie eben Marxismus-Leninismus.

      Auch die Türken, die die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, werden sich umstellen müssen. "Geil Alta, Genosse, fährssu korrekt Trabant." "Ja Genosse, Alta, hab isch gewartet 16 Jahre, voll krass." "Ey kommssu heute Kino Sojus? Kommt korrekter Defa-Film, Genosse." "Ja cool Alta, Druschba!"

      Vielleicht wird dieser neue Mauerbau ja schon längst vorbereitet. Im Fernsehen jedenfalls soll zurzeit verdächtig viel Ostkram laufen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, denn ich habe keinen Fernseher. Dabei fällt mir ein: Einen Westfernseher muss ich mir unbedingt noch besorgen, bevor die Mauer wieder aufgebaut wird. Mein Kumpel Tube muss mir beim Transport helfen, der hat ja ein Westauto. Der hat auch eine Westfreundin. Meine kommt ja aus Lichtenberg. Besser, ich suche mir eine andere. So eine hässliche, die sonst keiner will und die immer Kaffee mit rüberbringt und Illustrierte. Notfalls ginge auch ein Mann, ist ja bloß bis zur Rente, bis ich selber rüberfahren kann.

      Eigentlich ist jetzt auch genau der richtige Zeitpunkt für eine neue deutsche Spaltung. Die meisten Häuser im Osten sind saniert, die Straßen und die Telefonnetze auch. Alles ist schick und neu. Infrastruktur, wo man hinguckt. Eigentlich kann es wirtschaftlich doch nur noch bergab gehen. Vergammeln lassen können wir das alles aber auch so, dazu brauchen wir gar keinen Kapitalismus. Bestimmt bauen sie bald die Mauer wieder auf. Mein Kumpel Tube wird schon wissen, wovon er redet.

      Und ich, ich werd mal Schluss machen mit diesem Text und einkaufen gehen. Schokolade und Zigaretten. Westschokolade und Westzigaretten.
      Avatar
      schrieb am 21.11.03 00:34:59
      Beitrag Nr. 39 ()
      #38

      Super!

      Auch wenn ich noch überlege, ob ich darüber lachen oder weinen soll.

      Dennoch, der Text ist super.
      Avatar
      schrieb am 21.11.03 23:16:52
      Beitrag Nr. 40 ()
      zu#39
      geht mir auch so
      Avatar
      schrieb am 26.11.03 20:00:53
      Beitrag Nr. 41 ()
      Wieder einmal etwas zum Lachen in unserer faden Welt!!!!!

      Ossi - wie stolz das klingt!

      Bundespräsident Herzog, der oft über Mißstände her zog, hat in einem BILD-Interview beklagt, daß sich die Gegensätze zwischen OSSIS und WESSIS"v e r h ä r t e t" haben. Das gibt mir einen Stich ins deutsche Herz. Doch ich sehe nur zwei Auswege: Entweder die WESSIS werden zu OSSIS, oder die OSSIS werden endlich zu WESSIS.

      Da im Einigungsvertrag das Anschlußgebiet als "Anschlußgebiet" deklariert wurde, ist eigentlich klar, w e r Anschluß zu suchen und zu finden hat. Da das aber über die endlose Distanz von fast zwei Fünfjahrplänen nicht geklappt hat, muß nun endlich der umgekehrte Weg gegangen werden. Da wäre zunächst die OSSI-Seelenkunde zum Pflichtfach in allen westdeutschen Lehranstalten zu machen. Das Thema der Einführungs-Lektion wäre: "OSSI - wie stolz das klingt!" Hier einige Thesen:

      Was man "die Gnade der östlichen Geburt" nennen könnte, läuft auf ein Dutzend Vorzüge hinaus, die der gelernte OSSI dem typischen WESSI voraus hat, ohne daraus erneut eine "historische Überlegenheit" ableiten zu wollen. Aber eine landsmännische Überlegenheit ergäbe sich schon, wenn es sich herumspräche:

      1. Der OSSI ist zweiäugig. Er kennt zweierlei Gesellschaftssysteme aus eigener, jahrelanger, theoretischer und praktischer Erfahrung. Der WESSI kennt nur eines, nämlich seines, und ist deshalb halb so schlau. Und da er das weder praktisch bemerkt noch theoretisch ergründen kann, reduziert sich seine Schläue auf ein Viertel. Woraus sich ein enormes Bildungsgefälle ergibt, das alle Debatten trübt.

      2. Der OSSI hat "Weitwinkel-Augen". Er hat 40 Jahre lang immer nach dem Westen geschielt. Er wußte deshalb - dank der umfassenden Selbstdarstellung der weitreichenden Westsender - am Tag der Vereinigung weit mehr über die WESSIS als die über sich selbst. Die WESSIS hingegen wußten über den Osten etwa halb so viel wie über Grönland. Und da dieses DDR-Bild dem Zerrbild der "BILD"-Zeitung entsprach, reduziert sich der Gebrauchswert wiederum auf ein Viertel, was einer totalen Blindheit nahe kommt.

      3. Der OSSI gehörte nicht nur durch den Gebrauch der Ost- und Westmedien zu den "gewöhnlich gut informierten Kreisen Europas", sondern mehr noch durch die mühsam erworbene Fähigkeit, zwischen den Zeilen lesen zu können. Die zimperliche Informationspolitik machte das nötig. Der kümmerliche Umfang der Blätter machte dies möglich. Der WESSI hingegen hatte zeitlebens Mühe, unter der Springflut der Informationen aus den Millionen Nichtigkeiten die zwei, drei Wichtigkeiten herauszufischen, so daß er nicht mal die Substanz i n den Zeilen, geschweige denn z w i s c h e n den Zeilen erfassen lernen konnte.

      4. Der OSSI hat deshalb auch seit frühester Jugend den Umgang mit schöngefärbten Statistiken gelernt. Er wußte: Auch wenn keiner richtig arbeitete, wurden die Pläne übererfüllt. Trotz übererfüllter Pläne gab es ständig Versorgungsmängel. Trotz der Versorgungsmängel hatte fast jeder, was er brauchte. Doch trotz aller sozialen Sicherheit meckerten alle über alles. Und trotz der 90-prozentigen Nörgelei, gab es 99-prozentige Wahlsiege. Als dann die WESSIS ihre Statistiken durchreichten, glaubten viele OSSIS zunächst, daß auch hier eine Wende eingetreten sein müßte. Bis sie lernten, daß zu jedmm Wahljahr die "Aufschwung"-Zahlen gehören. Daß jeder Abschwung nur "saisonal" - also wetterbedingt - ist. Daß sich mit dem richtigen Ausgangspunkt immer eine "positive Tendenz" ergibt. Nun ist auch der naivste OSSI derart enttäuscht, daß er kaum noch getäuscht werden kann.

      5. Die OSSIS haben - weit besser als die WESSIS - gelernt, mit "langanhaltenden Dürreperioden" fertig zu werden. Sie haben unter dem jahrzehntelangen Druck einer totalitären Planwirtschaft eine kolossale Leidensfähigkeit entwickelt. Sie wurden deshalb auch mit dem totalitären Kahlschlag nach der Wende fertig. Die Hälfte aller Frauen, zwei Drittel der Industriearbeiter, drei Viertel aller Forscher und 90 Prozent der Landbevölkerung verloren ihren Job. Die Ausbildungsplätze futsch, die Qualifikation entwertet, die Ferienheime verscherbelt, die Wochenendbleibe abgejagt, die Versicherungen umgemodelt, die Zusatzversorgung konfisziert, die Mieten und Fahrpreise multipliziert... Wenn das in irgendeinem Altbundesland geschähe, wäre der jeweilige Kanzler binnen vier Wochen arbeitslos!

      6. Die OSSIS haben dennoch einen untrüglichen Instinkt für das Verfallsdatum von Spitzenpolitikern entwickelt. Sie wollten deshalb die Begrenzung auf zwei Amtsperioden in die neue Verfassung schreiben. Sie können daher nachfühlen, was Kanzler Kohl - und mehr noch sein Land - nach der doppelten Distanz an Verkrustungen und Verstopfungen zu ertragen haben.Die WESSIS hingegen halten die Nibelungentreue zu Bismarck, Adenauer und dem Pummelchen aus Oggerheim für eine der ehrbarsten deutschen Tugenden.

      7. Die OSSIS haben die kostbare Erfahrung eines geräuschlosen Umbruchs betonierter Strukturen gemacht. Diese Erkenntnisse liegen noch im Bereich des Kurzzeitgedächtnisses und sind daher abrufbereit.Die WESSIS dagegen sind derart auf das Geldvermögen dressiert, daß ihr Erinnerungsvermögen darüber verkümmert ist.

      8. Die OSSIS hatten gelernt, daß man zur Verhinderung von Wahlbetrug die Stunde n a c h der Wahl nutzen muß, indem man zur Stimmenauszählung geht. Die WESSIS haben immer noch nicht gelernt, daß man nur dann vor Manipulationen geschützt ist, wenn man in den Wochen v o r der Wahlkeinerlei Versprechungen der Regierenden glaubt.

      9. Die OSSIS haben - trotz aller Mängel des sozialistischen Gesundheitswesens - die wertvolle Erfahrung gemacht, daß der Preis für die dritten Zähne nicht die erste Pfändung sein muß. Auch, daß e i n e Krankenkasse mit Spanplatten-Schalter wesentlich billiger sein kann, als hundert Krankenkassen mit Marmorfußböden.
      Die WESSIS taxieren den Kontostand ihrer Mitmenschen an der Entfernung der Kurorte und halten für besonders gesund, zur Gesundung der Pillenfabriken beizutragen.

      10. Die OSSIS haben durch die 10-Klassen-Polytechnische-Oberschule eine solide Allgemeinbildung mit Produktionserfahrung genossen. Das macht sie zu versierten Stammkunden auf allen Baumärkten und zu Selbstversorgern mit Gartenfrüchten.
      Die WESSIS sind in ihrer differenzierten Allgemeinbildung stark abhängig von der Preisklasse ihres Wohnviertels, von der Schulpolitik des jeweiligen Bundeslandes, von den elterlichen Zuschüssen für Nachhilfe und Weiterbildung und vom schauspielerischen Talent bei der Selbstvermarktung. Ihre polytechnischen Kenntnisse sind mangels "Unterrichtstag in der Produktion" überwiegend mangelhaft, so daß viele mit zwei linken Händen und der irrigen Überzeugung durchs Leben gehen, daß Äpfel nur in Tirol oder Neuseeland wachsen.

      11. Ein wesentlicher Vorzug der OSSIS besteht darin, daß alle ihre Vorzüge für männliche wie weibliche OSSIS gleichermaßen gelten. Während die OSSI-Frauen durch Vollbeschäftigung, Wunschkind, Krippenplatz, Brigadehilfe und Frauen-Förderpläne beizeiten den aufrechten Gang lernen konnten, wurden die WESSI-Frauen mit den "5 K" kleingehalten: Küche, Kinder, Kirche, Kegelverein und Klatschpresse. Wobei spätestens hier eingefügt werden muß, daß nicht jeder Westdeutsche ein WESSI ist und mancher OSSI längst zum WOSSI wurde.

      12. Die OSSIS haben allesamt die Vollendung der sozialistischen Revolution nicht erlebt. Aber von den drei Hauptforderungen der bürgerlichen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - haben sie immerhin z w e i hautnah gespürt, während die WESSIS nur e i n e begrenzt auskosten konnten.

      Soweit ein Dutzend Vorzüge durch die Gnade der östlichen Geburt. Die Reihenfolge ist keine Rangfolge. Im Gegenteil: Die Leser sollten bei allen festlichen Gelegenheiten wie Jugendweihe, Scheidung oder Omas Rentenbescheid, ein Gesellschaftsspiel daraus machen, weitere Vorzüge des früheren Lebens im Vergleich zu den Altbundis aufzuzählen und über die Plazierung zu streiten.

      Vielleicht ist der 13. Vorzug der vorzüglichste, nämlich, daß sich der OSSI diese Überlegenheit überhaupt nicht anmerken läßt.
      Avatar
      schrieb am 26.11.03 22:01:47
      Beitrag Nr. 42 ()
      @golddistel


      Klasse!

      Und das beste daran: Es steckt ne Menge Wahrheit darin!
      Avatar
      schrieb am 26.11.03 22:41:27
      Beitrag Nr. 43 ()
      Danke!

      Ich möchte natürlich kein gegeneinander damit erreichen.
      Avatar
      schrieb am 26.11.03 22:48:47
      Beitrag Nr. 44 ()
      # 41

      Vielleicht solltest du doch fairerweise die Quelle angeben
      und dir nicht das Lob an den eigenen Hut stecken!

      http://kds-nano.dyndns.biz/physik-live/physik/Ossi.htm
      Avatar
      schrieb am 26.11.03 22:57:05
      Beitrag Nr. 45 ()
      Mache ich ansonsten und bitte um Nachsicht.
      Avatar
      schrieb am 29.11.03 13:11:01
      Beitrag Nr. 46 ()
      "Es kann sein, dass wir zum Zünglein an der Waage werden"
      Till Backhaus, Agrarminister und SPD-Chef in Mecklenburg-Vorpommern, über das Stimmverhalten der rot-roten Koalition im Bundesrat
      Das Gespräch mit Till Backhaus führte Frank Käßner

      DIE WELT: Herr Backhaus, beunruhigt Sie, dass die SPD in Umfragen seit Monaten im Keller steckt?
      Till Backhaus: Dass die notwendigen Einschnitte bei unserer Reform-Agenda nicht nur auf Begeisterung treffen, ist doch ganz klar. Es bleibt aber kein anderer Weg. Wir sind dabei, den Sozialstaat Deutschland zu modernisieren, damit er überhaupt eine Zukunft hat.

      DIE WELT: Die Regierung handelt aus Not, nicht aus Einsicht?
      Backhaus: Wir dürfen die Leistungsfähigkeit unseres Landes nicht kleinreden. Unsere Wirtschaft ist nach wie vor stark. Zwischen 70 und 80 Milliarden Euro fließen jährlich in die neuen Bundesländer. Das ist eine ganz gewaltige Anstrengung, die kein anderer EU-Staat vollbringen muss.


      DIE WELT: In Mecklenburg-Vorpommern wird derzeit der Doppelhaushalt 2004/05 verhandelt. Wie groß ist das Schuldenloch?
      Backhaus: Wir diskutieren über eine Deckungslücke von 210 Millionen Euro im kommenden und weiteren 280 Millionen im darauf folgenden Jahr. Und das ohne die Auswirkungen einer vorgezogenen Steuerreform.

      DIE WELT: Sind die Reformvorhaben eine zusätzliche Belastung?
      Backhaus: Nehmen Sie die Hartz-Konzepte für den Arbeitsmarkt. Die sind für die neuen Bundesländer ein Problem, keine Frage. Ich bin mit Wolfgang Clement einig, wenn die beschlossenen Maßnahmen im Osten nicht wie vorgesehen greifen, muss in strukturschwachen Gebieten nachjustiert werden.

      DIE WELT: Wo soll das geschehen?
      Backhaus: Dort, wo die Sockelarbeitslosigkeit mehr als 15 Prozent beträgt brauchen wir besondere Hilfestellungen, also zusätzliches Geld. Ich weiß, dass es diese Regionen auch im Westen gibt. Aber wir haben fast ein ganzes Land, auf das diese Definition zutrifft. Trotzdem gilt auch hier, jeder, der eine Leistung aus der Gemeinschaft erhält, muss bereit sein, dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Im gesellschaftlichen Bereich, in Kommunen und Sozialverbänden gibt es genügend Arbeit, die erledigt werden muss.

      DIE WELT: Öffentliche Beschäftigungsprogramme wie ABM haben seit der Wende viel gekostet und wenig gebracht. Backhaus: Es geht nicht allein um öffentliche Beschäftigung. Am besten wäre, wir könnten eine Integration in Unternehmen und Einrichtungen erreichen. Vorstellen kann ich mir das zum Beispiel in Bauhöfen, Kindertagesstätten, Schulen. Ich rede nicht von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, da haben wir unsere Erfahrungen gesammelt.

      DIE WELT: In Mecklenburg-Vorpommern liegt die offizielle Arbeitslosenrate bei knapp 20 Prozent. Wie wollen Sie das Abwandern vor allem junger Menschen bremsen?
      Backhaus: Es gibt auch bei uns ein Gefälle von West nach Ost und Speckgürtel rings um die größeren Städte. Die Sonderhilfen brauchen wir vor allem dort, wo es kaum Arbeitsplätze gibt. Nur dann werden die gut ausgebildeten Fachkräfte hier bleiben oder vielleicht auch zurückkommen.

      DIE WELT: Hat denn Ihr Parteichef,
      Bundeskanzler Gerhard Schröder, Hilfe signalisiert? Backhaus: Er hat deutlich gemacht, dass wir mit weiteren Hilfen rechnen können. Auch die Zusage gibt es, dass nach Kompensationen gesucht wird, sollten die neuen Länder im Jahr 2007 aus der Förderung als Ziel-I-Gebiet in der EU herausfallen. Wenn der Osten nicht auf die Beine kommt, werden wir die gleichen Probleme auch im Westen haben.

      DIE WELT: Unterstützung für seine Steuerreform kann Schröder aus Schwerin nicht erwarten. Die PDS, Ihr Koalitionspartner, hat verkündet, Mecklenburg-Vorpommern werde sich bei der Abstimmung im Bundesrat enthalten.
      Backhaus: Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Unser Stimmverhalten werden wir zu gegebener Zeit im Kabinett festlegen. Es kann ja sein, dass wir bei der Abstimmung tatsächlich zu einem Zünglein an der Waage werden.
      Im Osten haben wir im Zusammenhang mit den Sonderversorgungssystemen der DDR ein besonderes Problem. Die daraus entstehenden hohen Belastungen für die ostdeutschen Länder waren unmittelbar nach der Wende nicht abzusehen. Hier muss der Bund helfen . Es gibt Gespräche und interessante Aussagen der Bundestagsabgeordneten aus den neuen Ländern. Auch die Ost-Ministerpräsidenten sind sich hier ziemlich einig. Da schauen wir mal.
      ...
      Artikel erschienen am 28. Nov 2003
      Avatar
      schrieb am 31.12.03 07:51:40
      Beitrag Nr. 47 ()
      Osten auf der Kippe
      Thierse will gezielte Förderung - Finanztransfers von 900 Milliarden Euro

      (Anm. Artikl bezieht sich auf Interview in Sächsicher Zeitung Dresden vom 29.12.2003)
      Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht Ostdeutschland noch immer auf der Kippe. "Die Grundsituation hat sich nicht geändert", sagte der SPD-Politiker. Er setzt sich für eine gezieltere Förderung in den neuen Bundesländern ein.
      Berlin - "Die Gießkanne ist kein vernünftiges Förderinstrument", sagte Thierse.Die Arbeitslosigkeit sei mehr als doppelt so hoch wie im Westen, die Löhne und Gehälter seien niedriger, es gebe immer noch keine wirklich gesunde volkswirtschaftliche Struktur erläuterte der Bundestagspräsident seine kritische Beurteilung der Lage im Osten. Den Solidarpakt II bezeichnete Thierse als "außerordentlich wichtigen Fortschritt". Jetzt müsse darüber debattiert werden, wie diese Fördermittel in Ostdeutschland so effektiv und präzise wie möglich eingesetzt werden.


      Der selbst aus dem Osten kommende stellvertretende SPD-Vorsitzende kritisierte gelegentliche "Anfälle" einer West-Ost-Debatte um die Hilfen für die neuen Länder. Manche spielten die schlechte Situation in bestimmten westdeutschen Kommunen gegen die schlechte Situation im Osten aus. "Man muss dies als Teil eines ganz normalen Verteilungskonfliktes ansehen, darf sich nicht in seinem ostdeutschen Selbstbewusstsein beirren lassen und muss gegen halten", fügte Thierse hinzu.

      Wie die Aufbauhilfen für die neuen Länder besser konzentriert werden können, lässt Thierse offen. Zumal die tatsächlichen Investitionshilfen in den gesamten Transfers von West nach Ost in Deutschland einen verschwindend geringen Teil einnehmen. Darauf hat das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) hingewiesen, und konkrete Zahlen genannt. Seit 1991, so die Forscher aus Halle, sind rund 900 Milliarden Euro von West- nach Ostdeutschland geflossen. Und nur ein geringer Anteil davon ist in die Wirtschaftsförderung oder in die Infrastruktur gegangen. Der weitaus größte Teil, so die Untersuchung aus Halle, entfällt auf "sozialpolitisch motivierte Leistungen" - also auf Ausgaben zur sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit und im Alter. Die konkrete Auflistung der Finanztransfers von West nach Ost für das Jahr 2003 zeigt das Dilemma der bisherigen Förderung für die neuen Länder. Von den Bruttotransfers in Höhe von 116 Milliarden Euro entfallen gut 52 Milliarden Euro allein auf Sozialtransfers. Das sind 45 Prozent. Nur neun Prozent der Mittel (knapp zehn Milliarden Euro) kamen der Wirtschaftsförderung zu Gute, immerhin 13 Prozent (rund 15 Milliarden Euro) flossen in die Infrastruktur. Nicht einmal ein Viertel der Transfers dient somit dem wirtschaftlichen Aufholprozess der neuen Länder. Die Zahlungen aus dem Westen, das zeigen die Berechnungen aus Halle, tragen allein 32 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der neuen Länder bei. Da ein Großteil der Finanzleistungen gesetzlich geregelt ist, ist ein Abbau der Transfers "nur in einem begrenzten Maß möglich", heißt es in der Untersuchung. Eine Verringerung oder auch Umschichtung der Zahlungen sei nur bei "einer deutlich verbesserten Wirtschaftslage in den neuen Ländern" möglich.

      In ihrem Fortschrittsbericht über die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands hatten die Wirtschaftsforschungsinstitute ohnehin eine ernüchternde Bilanz des Aufbauprozesses gezogen. Die Wirtschaft entwickle sich nur stockend, die bisherige Förderpraxis sei reformbedürftig. Der ausbleibende wirtschaftliche Aufschwung in den neuen Ländern hat mittlerweile zu einer dramatischen Abwanderung aus Ostdeutschland geführt. Nach einem Bericht des "Focus" sind seit der Wende etwa 820 000 Ostdeutsche in den Westen gezogen. Zu den Verlierern gehörten der Kreis Leipziger Land (mit einem Minus von 35 Prozent), Hoyerswerda (21,9 Prozent Minus), Schwerin (19,6 Prozent Minus), Halle/Saale (18,2 Prozent Minus) und Rostock (minus 18 Prozent).
      http://morgenpost.berlin1.de/archiv2003/031230/politik/sto…
      Berliner Morgenpost 30.12.2003
      Avatar
      schrieb am 28.02.04 14:34:40
      Beitrag Nr. 48 ()
      Stimmung im Osten ist mies
      Sozialreport 2004: Zukunftspessimismus steigt, Zahl der zufriedenen Ostdeutschen sinkt. Sozialreformen finden keine Akzeptanz. Osten verfestigt sich zur "Teilgesellschaft".
      BERLIN taz/epd Sieben Landtags- und Kommunalwahlen sind für dieses Jahr in den neuen Bundesländern angesetzt - und die Stimmung könnte mieser kaum sein. Reformdebatten, Angst vor Arbeitslosigkeit und eine schlechtere wirtschaftliche Lage hätten in den neuen Bundesländern zu einer sinkenden Lebenszufriedenheit geführt, heißt es in dem gestern in Berlin vorgestellten Sozialreport 2004. Der Sozialreport wird vom Sozialverband Volkssolidarität und der Hans-Böckler-Stiftung finanziell unterstützt.

      "Die soziale Verunsicherung beeinflusst die Menschen in allen Lebensbereichen", erläuterte der Geschäftsführer des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg, Gunnar Winkler. Insbesondere die Sozialreformen fänden keine Akzeptanz. Sie würden als Entscheidung gegen die Interessen der Bürger und Angriff auf den Lebensstandard angesehen. So sei die Mehrheit der Ostdeutschen der Ansicht, der Umbau des Sozialstaates diene vorrangig der Sanierung der Staatsfinanzen sowie den Unternehmen und den Versicherungen. Damit verbunden sei ein sinkendes Vertrauen in Gesellschaft und Staat.

      Derzeit sind der Studie zufolge nur noch 40 Prozent "mit ihrem Leben alles in allem zufrieden", 41 Prozent dagegen nur in Teilen. 18 Prozent sind unzufrieden. Im Jahr 2000 hatten noch 59 Prozent der Ostdeutschen ihre Situation als zufrieden stellend eingeschätzt. Die sinkende Zufriedenheit sei kein Ausdruck unbefriedigter Ansprüche, betonen die Sozialwissenschaftler. Sie reflektiere vielmehr reale Wohlstandsverluste und Zukunftsverunsicherungen.

      Für die 14. Erhebung wurden den Angaben zufolge im August und September 2003 insgesamt 1.360 Frauen und Männer ab 18 Jahren in den neuen Bundesländern und Ostberlin befragt. 30 Prozent von ihnen bezeichneten ihre wirtschaftliche Lage als schlecht. Fast jeder zweite stellte eine Verschlechterung in den vergangenen fünf Jahren fest. Nur 13 Prozent erwarten für die Zukunft eine Verbesserung. 55 Prozent befürchten Arbeitslosigkeit, lediglich drei Prozent halten die Renten für sicher.

      Die Veränderungen seit 1990 in den ostdeutschen Bundesländern haben der Studie zufolge zu einer Verfestigung der beiden Teilgesellschaften in Deutschland geführt. Die festgestellte "eigenständige Ost-Identität" resultiere allerdings nicht mehr aus einer gemeinsamen Vergangenheit, sondern gleichen Lebensverhältnissen in den neuen Bundesländern." BD

      taz Nr. 7296 vom 28.2.2004, Seite 7, 84 TAZ-Bericht BD

      http://www.taz.de/pt/2004/02/28/a0156.nf/textdruck
      Avatar
      schrieb am 28.02.04 14:49:16
      Beitrag Nr. 49 ()
      Zukunftsangst im Osten wächst
      Wissenschaftler legen Report zur sozialen Lage in den neuen Ländern vor

      Von Thomas Großmann

      Die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage und die soziale Verunsicherung sind in Ostdeutschland groß wie noch nie. Dies zeigt der »Sozialreport 2004«, der am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.
      Die subjektiven Befindlichkeiten erreichen in den neuen Ländern einen bisherigen Tiefpunkt«, so das Fazit des »Sozialreports 2004«. Die Ergebnisse der vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ) in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung erarbeiteten Studie zeigen, dass die Ostdeutschen mit ihrem Leben immer unzufriedener sind. Nur noch 40 Prozent der 1360 Befragten über 18 Jahre gaben an, mit ihrem Leben alles in allem zufrieden zu sein. 41 Prozent waren teilweise unzufrieden, 14 Prozent unzufrieden, 4 Prozent sogar sehr unzufrieden.
      Nach Auffassung von Prof. Dr. Gunnar Winkler, Leiter des SFZ und Präsident der Volkssolidarität, zeigt sich in der aktuellen Befragung im Osten eine »zunehmend hohe Zukunftsverunsicherung und sich erheblich verschlechternde Bewertung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage«. Der Sozialwissenschaftler betonte bei der Vorstellung der Studie, die sinkende Zufriedenheit im Osten reflektiere neben der Verunsicherung durch die Reformen der Bundesregierung vor allem reale Wohlstandsverluste. Durch die Folgen der Euro-Einführung und durch sinkende Reallöhne im Osten hätten die Menschen weniger Geld zur Verfügung, so Winkler.
      Ihre wirtschaftliche Situation empfinden 40 Prozent der Befragten als teils gut, teils schlecht, 30 Prozent als schlecht oder sehr schlecht. Jeder zweite Befragte stellte in den letzten Jahren eine Verschlechterung fest. Während 2002 noch die Hälfte aller Ostdeutschen davon ausging, dass sich ihre Zukunftsaussichten verbessert hätten, waren es ein Jahr später nur noch 24 Prozent. 52 Prozent der Befragten sehen Verschlechterungen – insbesondere Frauen, die Altersgruppe 35 bis 59 sowie Arbeitslose beurteilten ihre Zukunftschancen schlechter. Die Menschen sehen nach den enttäuschten Hoffnungen der 90er Jahre offenbar keine Perspektive mehr für den Osten. Die Erweiterung der EU am 1. Mai 2004 wird zudem von jedem zweitem Befragten als zusätzliche Bedrohung empfunden.
      »Das hohe Maß an sozialer Zukunftsverunsicherung kann die soziale Stabilität langfristig gefährden«, betonte Winkler. »Der Umbau des Sozialstaates wird nicht als notwendige Umgestaltung für alle empfunden, sondern als Angriff auf Lebensstandard und damit die Lebensqualität der Mehrheit zu Gunsten von Minderheiten in Wirtschaft und Politik«, sagte der Sozialwissenschaftler. Die laufende Reformdebatte habe daher das Vertrauen der Ostdeutschen in wichtige gesellschaftliche Institutionen untergraben, so der Leiter des SFZ. Kein oder wenig Vertrauen gegenüber Bundestag und Bundesregierung haben 61 bzw. 65 Prozent der Ostdeutschen. Auch die Glaubwürdigkeit der Parteien sinkt. So meint die Hälfte aller Bürger, dass ihre Interessen weder durch Parteien noch von Verbänden vertreten werden. Damit halte »der Rückzug in eine Zuschauerdemokratie, die sich auf eine reine Beobachter- und Kritikerposition begrenzt«, weiter an, erläuterte Winkler. Der Sozialforscher betonte, viele Befragte, insbesondere Rentner, hätten die Absicht geäußert, sich aus Protest an den diesjährigen Wahlen nicht zu beteiligen.
      Als weiteres Ergebnis der Studie nannte Winkler die Verfestigung einer Ost-Identität. Diese wurzele aber nicht in der Vergangenheit, sondern in der aktuellen Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse in den neuen Ländern. Die ökonomische und soziale Entwicklung seit 1990, die zu Parallelstrukturen bei Wirtschaft, Arbeitslosigkeit und Einkommen zwischen Ost und West geführt haben, befördere eine eigenständige Identität, so Gunnar Winkler.
      Als Reaktion auf die Studie erklärte gestern die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau, fünf Jahre rot-grüne »Reform-Politik« würden von einer Mehrheit negativ beurteilt. Die Ungerechtigkeit nehme zu, und die Demokratie verblasse.

      (ND 28.02.04)
      http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=49514&IDC=16
      Avatar
      schrieb am 06.04.04 09:05:25
      Beitrag Nr. 50 ()
      Montag 5. April 2004, 22:43 Uhr
      Biedenkopf räumt Fehler bei Aufbau Ost ein
      Mainz (AP) In der Diskussion um eine Kurskorrektur beim Aufbau Ost hat der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf Fehler eingeräumt. «Es ist eine Menge schief gelaufen», sagte Biedenkopf am Montagabend im ZDF «heute-journal». Die politische Führung habe sich beim Aufbau in den neuen Ländern «eine lange Zeit von Illusionen leiten lassen», betonte er. Illusionen, die schon Anfang der 90er Jahre deutlich geworden seien, «aber zu keiner politischen Reaktion geführt haben».

      Neben der sehr breit gestreuten Förderung sei auch die Beibehaltung der zentralistischen Organisation der Arbeitsmarktverwaltung, sowie die gleiche bürokratische Reglementierung im Osten wie im Westen ein Fehler gewesen. «Wir haben dadurch sehr viel Kraft vergeudet», sagte er
      Außerdem habe man Illusionen geweckt, die die Leute davon abgehalten hätten, selbst Initiative zu ergreifen, betonte er. Wichtig bei der zukünftigen Förderung sei vor allem, dass man die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Regionen wahrnehme und darauf reagiere.´

      http://de.news.yahoo.com/040405/12/3z18q.html
      Avatar
      schrieb am 06.04.04 09:12:04
      Beitrag Nr. 51 ()
      Aufbau Ost lähmt das Land


      Regierungsberater verlangen anderes Konzept zur Förderung der neuen Länder / Bund soll Subventionen stärker steuern
      Bettina Vestring und Anselm Waldermann
      BERLIN, 5. April. Der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi hat eine Kehrtwende in der Förderpolitik in Ostdeutschland verlangt. "Wenn man die Dinge weiter so laufen lässt wie bisher, wird ganz Deutschland heruntergezogen", sagte der SPD-Politiker und Regierungsberater der Berliner Zeitung

      "Der Aufbau Ost ist zu wenigstens zwei Dritteln für die Wachstumsschwäche Deutschlands verantwortlich. Wenn wir das weiter so betreiben wie bisher, dann kann sich Deutschland nicht erholen."

      Dohnanyi und die übrigen 14 Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft, die an einem neuen Konzept für den Aufbau Ost arbeiten, plädieren für die Konzentration der Förderung auf Wachstumskerne, für Lohnkostenzuschüsse, Tariföffnungen und Deregulierung. Vor allem aber sollten die neuen Länder künftig nicht mehr allein bestimmen können, wo die Fördermittel hinfließen - ein Vorschlag, der bei den ostdeutschen Landesregierungen heftigen Protest hervorrufen dürfte.

      "Die Länder stehen untereinander in einem unsinnigen Wettbewerb", sagte Dohnanyi. Als ein Beispiel von vielen nannte er den Aufbau von medizinischen Fakultäten im sächsischen Leipzig und im sachsen-anhaltinischen Halle, die nur eine kurze Bahnfahrt auseinander liegen. "Man muss großräumiger denken, als das in den Ländern möglich ist", forderte der langjährige Minister und Treuhand-Berater. "Deswegen sollte der Bund mit vorgeben, wie die Mittel für den Aufbau Ost verwendet werden."

      Die Expertenrunde will sich außerdem für die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone in den Grenzgebieten zu Polen und Tschechien einsetzen, die wegen der EU-Erweiterung in einem besonders harten Standortwettbewerb stehen. "Wir werden sehr sorgfältig prüfen müssen, was wir dort an Deregulierung vornehmen können und was steuerlich machbar ist", sagte Dohnanyi. Vor allem die Steuerpläne dürften jedoch bei der EU auf Bedenken stoßen. Immerhin halte er besondere Bedingungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen für vorstellbar.

      Auch führende Politiker der rot-grünen Regierungskoalition verwiesen am Montag auf rechtliche Probleme bei einer Sonderwirtschaftszone. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Manfred Stolpe (SPD), sprach von Hürden in der EU und "innerhalb der deutschen Gesetzgebung". Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer sagte, ein solches Konzept würde "die Fortschreibung einer allgemeinen Subventionsmentalität" bedeuten.

      Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sprach sich dagegen für besondere Rechtsregeln im Osten aus. Die neuen Länder bräuchten insbesondere beim Arbeits- und Vergaberecht einen freieren Rechtsrahmen, um die Wirtschaft zu entwickeln. Sie seien in eine Rahmengesetzgebung eingemauert, die den Erfordernissen des Osten nicht genüge, sagte Böhmer.

      Dohnanyis Expertengruppe will mit der Bundesregierung bis Oktober einen so genannten Masterplan erarbeiten. "Als verantwortlicher Politiker in Ost und West muss man davon ausgehen, dass der Aufbau Ost mit dem Solidarpakt II Ende 2019 ausläuft", sagte Dohnanyi. "Man muss davon ausgehen, dass die Frist nicht verlängert wird und die Mittel nicht vermehrt werden. Deswegen muss man mit dem Geld effektiver umgehen."

      Politik Seite 6 Berliner Zeitung, 6.4.2004

      http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/331008.h…
      Avatar
      schrieb am 06.04.04 10:55:26
      Beitrag Nr. 52 ()
      Ab wann werden die Ossis die 1200 Milliarden eigentlich an den Westen zurück zahlen ?

      1200 Milliarden sind pro Kopf jedes Westdeutschen immerhin 20.000 Euro ! Bzw für eine 5-köpfige Familie 100.000 Euro !


      Wie gut würde es heute dem Westen gehen, wenn der Staat diese 1200 Milliarden ausschliesslich im Westen investiert hätte ?



      :mad:
      Avatar
      schrieb am 06.04.04 11:49:51
      Beitrag Nr. 53 ()
      #52

      nicht so lange in die Sonne schauen, das schützt vor Erblindung:cool:

      Ab wann werden die Ossis die 1200 Milliarden eigentlich an den Westen zurück zahlen ?

      Falls Du es noch nicht mitbekommen hast: Ein Staat, ein gemeinsamer Haushalt, also nix Rückzahlung an den "Westen":laugh:
      Hätteset vor 1990 nicht den Kohl wählen sollen, dann wäre einiges anders gelaufem.
      Das Geld wurde auch von westdeutschen "Aufbauhelfern" verbraten. Schau mal in die Verwaltungen und die Ministerien im Osten. Da haben so einige abgehalfterte Wessis platzgenomen, die in den Osten gegangen sind, weil ihre Fähigkeiten für höhere Positionen im Westen nicht ausreichten.

      1200 Milliarden sind pro Kopf jedes Westdeutschen immerhin 20.000 Euro ! Bzw für eine 5-köpfige Familie 100.000 Euro !

      5-köpfige Familie:laugh: :laugh: :laugh:
      das dürfte im Westen doch eher eine Seltenheit darstellen, im Schnitt kommt man vielleicht auf ein Kind.

      Wie gut würde es heute dem Westen gehen, wenn der Staat diese 1200 Milliarden ausschliesslich im Westen investiert hätte ?

      Meinst Du es wären 1200 Mrd. zusammengekommen, hätte es die Wiedervereinigung nicht gegeben? Es gab von heut auf morgen einen riesigen neuen Markt, der nahezu ausschließlich mit Westprodukten bedient wurde. Durch diesen Wirtschaftsaufschwung war es erst möglich, diese riesige Summe zu erreichen. Ohne diesen Aufschwung wäre das System vermutlich schon einige Jahre früher zusammengebrochen.

      Sicherlich wurden Milliarden zum Fenster rausgeworfen, aber zum Großteil nur, weil das System 1:1 auf den Osten übertragen wurde, mit allen Fehlern und Verwaltungsstrukturen. Weil man immer davon ausgegangen ist, dass bisher alles richtig gemacht wurde, was sich ja mittlerweile als Fehler herausstellt.
      Was ist denn mit den Treuhandobjekten, die für symbolische 1 DM-Beträge plattgemacht wurden unter der Voraussetzung Arbeitsplätze zu schaffen. Es wurde alles Plattgemacht um Konkurenz fernzuhalten und Arbeitsplätze im Westen zu sichern. Verdient haben die Unternehmen.
      Schau Dir z.B. Leuna an und die Schmiergelder, die durch ELF an Kohl und Konsorten geflossen sind. Man könnte ewig weitermachen...
      Avatar
      schrieb am 08.04.04 10:25:36
      Beitrag Nr. 54 ()
      Dohnanyi: Der Osten muss auf eigene Beine kommen

      Aufbau Ost: Hamburgs Ex-Bürgermeister im Abendblatt: "Wenn ein Umsteuern bei der Ostförderung ausbleibt, hat das verheerende Folgen für ganz Deutschland."

      Hamburg - In der Diskussion über den Aufbau Ost warnt der Regierungsberater Klaus von Dohnanyi (SPD) vor negativen Folgen für ganz Deutschland. Bereits im Mai 2002 habe die Europäische Kommision in einer Studie über Deutschland festgestellt, dass zwei Drittel der Wachstumsschwäche Deutschlands auf die Folgen der Wiedervereinigung zurückzuführen seien, sagte der ehemalige Hamburger Bürgermeister dem Abendblatt. "Man muss nun überlegen, ob der Westen Jahr für Jahr weiterhin 80 bis 90 Milliarden Euro in den Osten transferieren will, oder ob man lieber dafür sorgt, dass der Osten auf eigene Beine kommt." Wenn ein Umsteuern bei der Ostförderung ausbliebe, hätte das "verheerende Folgen für ganz Deutschland".

      Die bevorstehende Osterweiterung der Europäischen Union (EU) werde den Druck auf eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern noch erhöhen: "Für die hoch technisierte Wirtschaft in den alten Bundesländern ist die EU-Erweiterung zwar ein Vorteil. Für die ostdeutsche Wirtschaft ist sie problematischer, weil die Konkurrenz im arbeitsintensiven Niedriglohnbereich etwa aus Tschechien, Polen oder der Slowakei sich stärker bemerkbar machen wird."

      Dohnanyi, der im Auftrag der Bundesregierung eine Expertengruppe zum Aufbau-Ost leitet, sieht große Zustimmung für die Vorschläge seines Gremiums. Dieses fordert in einem Bericht eine weit gehende Neuorientierung beim Aufbau-Ost. Dazu gehören nach den Worten des SPD-Politikers die Konzentration auf Wachstumskerne, die Priorität für Industriepolitik, Tariföffnungen, Lohnzuschüsse und Deregulierungen. Ein "Koordinator" der Bundesregierung solle sich ausschließlich auf dieses Problem konzentrieren und mit am Kabinettstisch sitzen. Einen Kandidaten für diesen Posten wollte Dohnanyi nicht nennen.

      Die Bundesregierung lehnt bisher allerdings sowohl Sonderwirtschaftszonen mit Steuervergünstigungen und weniger Bürokratie als auch die Berufung eines neuen Koordinators ab.

      Die Ostförderung werde auf Schwerpunkte konzentriert, die die Bundesländer selbst festlegen sollen, sagte ein Sprecher des für den Aufbau-Ost zuständigen Verkehrsministeriums. Ein neuer Koordinator werde dafür nicht benötigt.

      Bei den Ministerpräsidenten der neuen Länder gehen die Ansichten auseinander. Der sächsische Regierungschef Georg Milbradt (CDU) forderte mehr Freiheiten der Länder bei der Gestaltung der Lohn- und Sozialsysteme. Sein Brandenburger Amtskollege Matthias Platzeck (SPD) wandte sich gegen eine weitere Lockerung des Arbeitsrechts: "Der Osten ist doch längst eine deregulierte Zone."

      CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer warf der Bundesregierung vor, beim Aufbau Ost "auf ganzer Linie" versagt zu haben. Nötig seien "punktgenaue Investitionsförderung, Bürokratieabbau und gesetzliche Öffnungsklauseln".

      FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper forderte den Rücktritt des Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). Der Dohnanyi-Bericht sei eine Breitseite für die Bundesregierung.
      7. April 2004
      http://www.abendblatt.de/daten/2004/04/07/281912.html


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      Wessis, wollt ihr ewig zahlen ?