Politiker hängen am Faden der Finanzkräftigen der Welt, sagt Frank Schöbel - 500 Beiträge pro Seite

[Erstausgabe]

Frank Schöbel geht mit der Bundesrepublik hart ins Gericht

Berlin (ddp). Schlagersänger Frank Schöbel (61) geht hart mit der Bundesrepublik Deutschland ins Gericht. Der «Zustand unseres Landes macht einem ja die Entscheidung abzuhaun eher leicht», sagte der ehemalige DDR-Star auf die Frage des «Berliner Kurier» (Dienstagausagabe), ob auch er sich vorstellen könne auszuwandern. Über seinem Sohn Alexander, der am 7. Februar nach Neuseeland übergesiedelt ist, sagte Schöbel: «Es ist nicht mehr sein Land. Ihn nervt dessen Zustand.»

Der Sänger beklagte insbesondere den starken Einfluss der internationalen Finanzmärkte auf die Politik. «Tun wir doch bitte nicht so, als hätten Politiker wirklich Entscheidungsmöglichkeiten», sagte Schöbel. «Sie hängen doch alle am Faden der Finanzkräftigen dieser Welt.»

Offenbar trauert Schöbel auch der verblichenen DDR nach. Auf die Frage, ob er an Wunder glaube, antwortete er: «Das friedliche Sterben eines Staates, einer Gesellschaftsordnung war wohl ein Wunder. Vielleicht erleben wir ja nochmal ein Wunder, manchmal geht das schneller, als man denkt.»

Artikel URL: http://de.news.yahoo.com/040412/336/3zale.html


Montag 12. April 2004, 18:41 Uhr

[Erstausgabe]

Bittere Abrechnung

Frank Schöbel:

Dies ist nicht mehr mein Land
Sohn ist schon ausgewandert

Berlin - Er hat Erfolg um Erfolg gefeiert. Seine vielen Fans lieben ihn, halten ihm die Treue: Frank Schöbel. Doch die Zeit hat ihn nachdenklich gemacht – seine bittere Abrechnung.

? Ihr Sohn Alexander wollte Anfang des Jahres nach Neuseeland ausgewandert sein? Ist er schon dort?

! Ja er ist am 7. Februar 2004 geflogen. Seitdem jagt eine Mail die andere.

? Wen hat er mitgenommen ?

! Nur sich und all seine Klamotten – die allerdings im Container per Schiff. Sie kamen 6 Wochen später an.

? Könnten Sie sich vorstellen auszuwandern?

! Vorstellen kann ich mir vieles. Und der Zustand unseres Landes macht einem ja die Entscheidung "abzuhaun" eher leicht. Aber dennoch, ich bin ein sesshafter Mensch – einer der eher verändert, als davor zu flüchten.

? Wie haben Sie auf die Pläne Ihres Sohnes reagiert?

! Ich finde das sehr mutig, er ist jung, und – es ist sein Leben. Es wird nicht leicht, aber ich bin so oder so total stolz auf ihn.

? Werden Sie ihn mal am andern Ende Welt besuchen?

! Klar, ich hab auch schon einen Termin. Ist aber noch geheim.

? Wovor, glauben Sie, flieht Ihr Sohn?

! Es ist nicht mehr "sein" Land. Ihn nervt dessen Zustand.

? War die Beziehung zu Alexander immer reibungslos?

! Nein nicht immer, aber das ist Schnee von gestern. Wir haben irgendwann neu angefangen. Was auch war – er ist mein Sohn und ich liebe ihn.

? Sie sind jetzt 61. Empfinden Sie es als Privileg, noch Arbeit zu haben?

! Ja das ist ein großes Glück und dafür bin ich sehr dankbar. "Henne" (Helga Hahnemann) würde jetzt zu mir sagen: Mensch Fränky, wo sind wer bloß hinjeraten.

? Wie viele Ihrer alten Freunde haben noch einen Job?

! Meine echten Freunde haben tatsächlich noch alle einen Job. Der eine ist 75, Vertreter und arbeitet noch, der andere ist im Radio, wieder einer ist Lehrer ...

? Wenn Sie einen Tag Kanzler wären, worauf hätten sie richtig Lust?

! Tun wir doch bitte nicht so, als hätten Politiker wirklich große Entscheidungsmöglichkeiten. Sie hängen doch alle am Faden der Finanzkräftigen dieser Welt. Und darauf soll ich Lust haben ?

? Die Musikbranche leidet unter der ständig sinkenden Kaufkraft. Wie läuft der Absatz Ihrer Platten?

! Nicht nur die sinkende Kaufkraft ist der Tod der Plattenindustrie, sondern die Schwarzbrennerei. Sie müssen wissen, dass ich für meine CD als Produzent bei 16 Titeln um die 30 000 Euro zahle. Das ist schon ein Schnupperpreis. Dazu kommt noch die Herstellung, GEMA-Gebühren, Fotograf, Cover. Wenn 1000 Leute ‘ne CD kaufen und diese 5000 Mal "schwarz" umgeschnitten wird, wie soll da die Kohle jemals wieder reinkommen?

? Finden Sie es nicht beschämend, dass in Zeiten wirtschaftlicher Depression ausgerechnet die Unterhaltungsbranche boomt?

! Das tut sie ja nicht wirklich. Sie meinen eher das Gejodel im Fernsehen. Aber auf der Titanic wurde auch bis zum Schluss Musik gemacht !

? Welchem Ihrer geplatzten Lebensträume trauern Sie am ehesten nach?

! Keinem – ich hatte das Glück, dass sich fast alles für mich erfüllt hat. Gut, ich wollte DDR-Meister in irgendeiner Sportart werden, aber mit diesem "Unglück" kann ich leben.

? Glauben Sie an Wunder?

! Das friedliche Sterben eines Staates, einer Gesellschaftsordnung war wohl ein Wunder. Vielleicht erleben wir ja nochmal ein Wunder, manchmal geht das schneller, als man denkt.

! Glauben Sie an Gott?

? Ich gehe ganz natürlich damit um. Nenne ihn – meinen Chef. Wir haben ein sehr enges Verhältnis. Ich bitte ihn dann und wann um etwas. Im Flugzeug, beim Fußball… wichtig man muss sich unbedingt bedanken ! K


13. April 2004

http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/leute/38877.html

[appendix75]

Ich kann das durchaus verstehen. Wenn man nicht so einen Respekt vor dem ungewissen hätte, würde ich diesem Land mit meinem Sohn und meiner Frau auch sofort und ohne mit der Wimper zu zucken den Rücken kehren. Und leider damit auch Freunden und Familie - genau das hält mich noch davon ab, weil unser Kleiner so an Oma und Opa hängt

[walwal]

Vaterlandslose Gesellen!

[borazon]

Habe den Verdacht, dieser Frank Schnöbel ist kein abgehalfterter DDR-Schlagerfuzzi, sondern ein aufstrebender Komiker.