checkAd

    Bedenkliches aus Erfurt - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 04.10.04 12:58:25 von
    neuester Beitrag 07.10.04 10:15:36 von
    Beiträge: 11
    ID: 910.536
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 570
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 12:58:25
      Beitrag Nr. 1 ()
      Heute hat Deutschland Geburtstag. Ich wünsche uns allen einen fröhlichen 3. Oktober!

      Selten einen größeren Unfug gelesen. Köhler versucht sich mit einer humoristischen Einlage.

      Aber West und Ost bekamen es schnell mit demselben Übel zu tun: Das westdeutsche Regelwerk war zu stark geprägt von Selbstzufriedenheit, überzogenem Anspruchs­denken und einem alles durchdringenden Regulierungseifer. Es war viel zu üppig und viel zu umständlich geworden. Es schnürte die Kraft zur Eigeninitiative ab und hätte längst gestutzt und neu eingestellt werden müssen. Statt dessen wurde es auch in den sogenannten neuen Ländern eingeführt bis fast zum letzten i-Punkt.

      Gepflegte Stammphrasen aus dem Munde eines Bundespräsidenten. Wenn vom Anspruchsdenken die Rede ist, dann sind in der offiziellen Phrasiologie nie die Unternehmer gemeint, sondern die Arbeiter und das Volk. Ansonsten erklärt Köhler im Nachhineinn ziemlich unverdrossen: Der Schmus, keinem werde es schlechter gehen, das zahlen wir aus der Portokasse war halt Teil der damaligen Antikommunistischen Propaganda im Rahmen des Ost-West-Konflikts nach dem Motto: Sorry, wir wären lieber ohne solche Sprüche ausgekommen, ging aber historisch nicht anders, weil die Ostdeutschen Brüder und Schwestern nicht anders zu ködern gewesen waren..

      Die Zeit drängte. Niemand wusste, wie lange die Tür zur Einheit offen sein würde.

      Es war also gerechtfertigt, zu lügen und zu betrügen und mit den Wünschen und Hoffnungen der ostdeutschen Bürger zu spielen. Wüßte man es nicht anders, würde man sagen, erbärmliche Geständnisse der herrschenden Klasse, eher den Memoiren eines abgehalfternen Politikers würdig, denn eines an der Macht befindlichen..

      Die Deutschen haben schließlich schon ganz andere Heraus­forderungen gemeistert... Die Deutschen haben ihr Land nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder aufgerichtet und zu einem Hort der Bildung und der Kultur gemacht, sie haben es in den Freiheitskriegen von Grund auf reformiert und im 19. Jahrhundert die besten Universitäten der Welt aufgebaut, sie waren führend in allen Bereichen von Wissenschaft und Technik..

      Die Plauderhaftigkeit des Bundespräsidenten an dieser Stelle macht einen platt und ratlos. Zuerst überrascht das Bild. 30 jähriger Krieg? Äh? Was will uns dieses Bild eigentlich sagen? Egal, wie weit und brutal man Reformen betreibt, Deutschland erhebt sich stets wieder Phönix aus der Asche? Die Grenzen der Zumutbarkeit für das Volk ja nicht zu eng setzen?

      Durch eigene große Schuld und durch das Versagen vor allem der deutschen Eliten ist das (führend in allen Bereichen der Wissenschaft) alles dann zweimal verspielt worden, und Deutsche haben furchtbare Verbrechen begangen. Den höheren Preis dafür haben übrigens nach Kriegsende die Deutschen im Osten gezahlt. Aber auch der Wiederaufbau nach der Nazi-Zeit, die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen und das wiedererworbene Vertrauen der Welt in Deutschland und die Deutschen zählen zu den großen Leistungen unserer Vergangenheit.

      Die Plauderhaftigkeit und der Stammtisch steigert sich schier bis zur Unerträglichkeit. Und was will uns der Begriff sagen Deutschland habe etwas verspielt? Waren die Deutschen, die 2x den Kampf um die Neuaufteilung der Welt eröffnet haben, zu verspielt? Einfach zu ungeschickt in diesem Bemühen? Für einen deutschen Bundespräsidenten eine ungeheure Aussage und Spekulation und daß im Nachklapp sogleich noch der höhere Preis für die Vertriebenen untergejubelt wird, sollte die Nachbarn Deutschlands in höchste Alarmbereitschaft versetzen. Warum muß der Bundespräsident genau in diesem Augenblick, wo die revanchistischen Bemühungen heiß laufen, diese Glut bis zum offenen Feuer schüren??

      Nicht allein Ostdeutschland, sondern ganz Deutschland muss erneuert werden, um uns eine gute Zukunft zu sichern...Aber gerade diesen Unternehmern schnürt das Übermaß an Vorschriften und Auflagen immer mehr die Luft ab. Sie sagen mir: " Dieser ganze bürokratische Wust ist unser Hauptproblem." Und das höre ich überall in Deutschland. Und deshalb stimme ich mit Helmut Schmidt überein: Wir brauchen in Deutschland endlich einen radikalen und nachhaltigen Abbau von Vorschriften und Bürokratie. Und wenn wir es nicht schaffen, gleich ganz Deutschland von dem Wust zu befreien, dann sollten wir das mindestens den neuen Ländern erlauben. Ich bin sicher, die anderen Länder kommen dann ganz rasch nach.


      Der Bundespräsident hatte zuvor groß die Wichtigkeit und Notwendigkeit Der Arbeit betont. (Das tut z. B. auch die CDU, aber nach dem dreisten Motto: lieber schlecht bezahlte Arbeit und verminderten rechtlichen Schutz als gar keine Arbeit - also gleich schlecht bezahlte Arbeit). Und wenn von Arbeit die Rede ist, dann wird sklavisch stets die bezahlte Arbeit gemeint. Und das Übermaß an Vorschriften, sind die Rechte, die die Gewerkschaften sich im Laufe der Geschichte erstreikt und erkämpft haben und dem ungehinderten Zugriff auf die Arbeitskraft im Wege stehen. Und Köhler verstrickt sich erst gar nicht, sondern als oberster Schreibtischtäter darf das dann klingen wie: radikaler und nachhaltiger Abbau von Vorschriften und Bürokratie. Die konkreten Gemeinheiten werden den Regierenden in die Hand gelegt. Und die Taktik: nutzt die Gunst der hohen Arbeitslosigkeit in den Neuen Ländern, um hier Fortschritte im Abbau von Rechten zu machen, der Rest wird unter dem Zwang der Verhältnisse schon nachziehen. Erstaunlich. Ein Bundespräsident ruft zu Rechtsbruch in Deutschland auf; gleiches Recht für jedermann soll es nicht mehr geben. Das ist ganz und gar unbürgerlich.

      Unsere Kinder und Enkel brauchen gute Schulen, Lehrstellen und Universitäten, um sie aufs Leben vorzubereiten.

      Auch wieder ein überraschender Gedanke. Eigentlich hätte ich erwartet, daß unsere Kinder und Enkel eine gute Ausbildung brauchen, weil Ausbildung ein gutes "Kapital" darstellt - für jedwede Gesellschaft und hätte so den Gedanken zur Ausbildung eingeleitet. Nein, wir brauchen gute Schulen - nach Köhler, um die Jugendlichen auf das Leben vorzubereiten. Ich befürchte halt, daß hier mehr nur als verbale Differenzen bestehen. Für den Hauptschüler heißt das, Vorbereitung auf ein einfaches Leben als Fließband- und Akkordarbeiter; für den Gymnasiaten als Facharbeiter oder weitergehend als Hochschüler. Kein Wort zur Ausbildungsmisere; das läßt einen ahnen, wes Geistes Kind hier spricht.

      Natürlich propagiert er im folgenden die Notwendigkeit eines guten Bildungssystems. Weil ohne gute Bildung auf dem Weltmarkt der Standort Deutschland nicht konkurrenzfähig sein kann. Und weil es den bourgoisie Wissenschaftler, der aus eigener Schatulle führend auf dem Feld der Wissenschaft forscht und entwickelt, höchstens noch in den Comicheften zu finden gibt, und der "moderne brillante Wissenschafter" eben aus den besitzlosen Klassen rekrutiert werden muß.

      Ich finde die Rede außerordentlich bedenklich. Es wird mit geschichtlichen Bildern gearbeitet, die einem die Haare zu Berge stehen lassen; es werden die ortsüblichen Stammtischphrasen gepflegt und sie werden daher schwadroniert und zugleich wird ermuntert, regional Rechte auszusetzen. Unverhohlen marktwirtschaftlich werden die hohen erreichten Standards als Anspruchsdenken diffamiert; und zuletzt werden revanchistische Tendenzen nicht widersprochen und zumindest bestätigt.
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 13:06:40
      Beitrag Nr. 2 ()
      Zieh mal die sozialistische Jammerbrille ab,

      dann haste ne - zugegeben kleine ;) - Chance, den Text der Rede doch noch zu verstehen.:look:

      KD
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 13:26:55
      Beitrag Nr. 3 ()
      Kwerdenker!

      Meinste? Ich habe sie mir doch gerade angezogen, um mit dieser Brille zu lesen und zu verstehen, was uns der Bundespräsident eigentlich sagen und zumuten will.

      Ich befürchte allerdings, daß Du den ganzen Text nicht gelesen hast, geschweige denn bereit bist, Dich damit auseinanderzusetzen.

      Ich finde etliche Äußerungen überaus bedenklich. Da haben in Deutschland schon kleinere Nummer - Bundestagspräsidenten - den Abgang hingelegt, weil sie ein Faszinosum ausgemacht hatten! Nun haben wir also im letzten Jahrhundert unsere Chancen verspielt.

      Kann ein deutscher Bundespräsident derart die Geschichte zusammenfassen?

      Was hier geplappert daherkommt, findet im Anschluß dann am Stammtisch seine entsprechende Fortsetzung! Ich finde es ungeheuerlich! Ich denke, daß bislang Bundespräsidenten haargenau bei der Wortwahl in ihren Reden waren und diese Plauderhaftigkeit bei politischen Themen eigentlich vermieden haben.

      to be discussed!
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 13:45:19
      Beitrag Nr. 4 ()
      @neueemail

      Das man diese Sätze so missinterpretieren kann wie Du, ist mir echt schleierhaft. So etwas geht wohl nur aus Sicht eines Linksradikalen.

      Vor allem die Deutung des Absatzes mit "verspielt" ist ja absolut daneben. Deswegen lohnt es sich eigentlich gar nicht mit Dir darüber zu diskutieren, sorry ;).

      askone05
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 13:54:32
      Beitrag Nr. 5 ()
      #1. War gestern in der Küche , der Fernseher lief, eine Rede, ich hör nicht genau hin, dachte aber, der Schrempp spricht, irgendwas von Shärhoulder-valju, und warum dies und jenes mal wieder nicht geklappt hat. Da schau ich zum Fernseher, und sieh an, der Bundespräsident- nee, wie man sich doch täuschen kann :lick:

      Trading Spotlight

      Anzeige
      InnoCan Pharma
      0,1775EUR -7,07 %
      CEO lässt auf “X” die Bombe platzen!mehr zur Aktie »
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 14:12:25
      Beitrag Nr. 6 ()
      Die Deutschen haben ihr Land nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder aufgerichtet und zu einem Hort der Bildung und der Kultur gemacht, sie haben es in den Freiheitskriegen von Grund auf reformiert und im 19. Jahrhundert die besten Universitäten der Welt aufgebaut, sie waren führend in allen Bereichen von Wissenschaft und Technik. Durch eigene größte Schuld und durch das Versagen vor allem der deutschen Eliten ist das alles dann zweimal verspielt worden, und Deutsche haben furchtbare Verbrechen begangen. Den höheren Preis dafür haben übrigens nach Kriegsende die Deutschen im Osten gezahlt. Aber auch der Wiederaufbau nach der Nazi-Zeit, die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen und das wiedererworbene Vertrauen der Welt in Deutschland und die Deutschen zählen zu den großen Leistungen unserer Vergangenheit.


      Haben wir das wirklich verspielt ? Ist das die angemessene Wortwahl? Für mich tobt hier der Stammtisch! Der gröhlt dann: ja, wir wären jetzt die Größten in Europa, wenn wir das nicht verspielt hätten! Sorry, das ist für mich keine Kategorie!


      Und gibt es zur Zeit keine Debatte, um die Entschädigung der Ostpreußen? Und volle Kanne Öl ins Feuer: Den höheren Preis dafür haben übrigens nach Kriegsende die Deutschen im Osten gezahlt. Natürlich kann man darüber sprechen. Aber doch nicht in stammtischhaften Nebensätzen. Das muß der doch wissen, wie sie soetwas ankommen muß!
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 14:25:52
      Beitrag Nr. 7 ()
      Und da schau an. Noch jemand hat die aufmerksam Rede gelesen. Unsere liebe Frau Merkel. Und gnadenlos schreibt sie ab und wiederholt das ganze.

      Jawoll, jetzt wird wieder Arbeit angeschafft. Aber natürlich zu arbeitswürdigen Preisen! Versteht sich doch wohl!

      Mal sehn, mit welchen geschichtlichen Erkenntnissen demnächst Frau Merkel durch die Lande tingelt.
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 14:27:44
      Beitrag Nr. 8 ()
      Und Frau Merkel hat entdeckt, daß Akademiker zu wenig Kinder haben. Keine Angst. Sie hat öffentlich angekündigt, daß unter ihrer Regierung dies geändert werden soll.

      Tja, da bliebe nur noch zu sagen:

      Viel Spaß dabei!

      :)
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 15:19:25
      Beitrag Nr. 9 ()
      Wie viele Kinder hat Angie denn?

      Gerade sie könnte doch eine Menge bester Eigenschaften vererben.
      Avatar
      schrieb am 04.10.04 17:00:55
      Beitrag Nr. 10 ()
      der punkt geht eher Stoiber.
      Avatar
      schrieb am 07.10.04 10:15:36
      Beitrag Nr. 11 ()
      Mit Grauen stellt man fest, daß die Erfurter Rede in der Öffentlichkeit - Medien - hochgejubelt wird. Ein Grund, sich weiter damit zu beschäftigen.

      Aber die harte Realität ist auch: Es fehlen Unternehmen und Hunderttausende produktiver Arbeitsplätze hier. Arbeit stiftet Sinn. Wo sie fehlt, da machen sich leicht Mutlosigkeit und Verzweiflung breit. Wenn daraus Hoffnung und Zuversicht werden sollen, dann müssen alle Verantwortlichen wissen: Das Wichtigste ist jetzt Arbeit! Wir dürfen uns nirgendwo mit Arbeitslosigkeit abfinden, egal, ob in Nord, Süd, West oder Ost! Darum muss die Aufbauarbeit natürlich weitergehen. So ist es ja im Solidarpakt II für die nächsten 15 Jahre auch vereinbart, und niemand darf das in Frage stellen.

      Da werden einige sich aber freuen, ob derart gesagtem. Nun, ein nettes Wort findet immer einen Ort und kostet nix. Die profitorientierte Produktion hat 6 bis 8 Millionen Menschen einfach ausgespült und zu Arbeitslosen gemacht! Die modernen Produktionsmittel- kapitalistisch angewandt - fesseln die wichtigste Produktivkraft - den Menschen. Und jetzt hören wir wieder : der Wirtschaftsaufschwung habe den Arbeitsmarkt noch nicht erreicht. Mehr muß man dem Herrn Bundespräsidenten auch nicht erwidern. Aber keine Sorge. Die heilige Sorge Arbeit verliert der Bundespräsident nicht aus den Augen und die CDU geht jetzt hausieren mit der Idee: lieber eine schlecht bezahlte Arbeit als keine Arbeit. Danke. Mehr wird in dieser Gesellschaft anscheinend nicht geboten.

      An welchen Werten und Grundsätzen sollen wir den Umbau unseres Landes ausrichten? Wer darüber nachdenkt, dem stellen sich schnell ganz grundlegende Fragen. Was hält uns zusammen? Was wollen wir miteinander erreichen? Niemand will Gleichmacherei und niemand will schrankenlosen Egoismus - wie vermeiden wir beides? Wie schaffen wir sozialen Ausgleich, ohne einander zu entmündigen oder zu überlasten? Wie behalten wir einen offenen Blick für kommende Chancen, statt uns ängstlich den Horizont zuzumauern? Alle diese Fragen wollen immer neu durchdacht sein. Kommt das bei uns nicht schon seit langem viel zu kurz?


      Auch hier kommen einem die Tränen in die Augen. So ein wunderschöner Gedanke! Im Prinzip war es das dann auch. Der Gedanke wurde entwickelt und muß reichen. Wer will, könnte das noch hinzufügen:

      Woran also sollen wir unser Handeln ausrichten? All unser Tun muss, wie es das Grundgesetz verlangt, die Würde des Menschen schützen und seine Kraft zur Eigenverantwortung stärken. Diese Kraft ist groß, und sie hat auch unser Land groß gemacht. Sie verdient viel mehr Vertrauen, Ermutigung und Hilfe.

      Das sag ich nur: Drohung, ick hör Dir trapsen. Was Würde des Menschen ist, erfahren wir ja gegenwärtig ganz handfest und schmerzlich konkret: 1 € Jobs. Was würde der Mensch zu solcher Würde wohl sagen?! Und vielleicht erinnert Herrn Köhler jemand noch an weitere Passagen des Grundgesetzes: daß Eigentum verpflichte. Aber das ist wahrscheinlich eine Fessel für die Herren Eigentümer. Immerhin kommt dieser Gedanke in keiner einzigen Zeile der wegweisenden Erfurter Rede vor.


      Die kommenden Jahre müssen genutzt werden, um die Eigenkräfte der neuen Länder noch mehr zu stärken. Es geht dabei um mehr als nur um Geld. Unser Land ist geographisch und kulturell so vielgestaltig, es bietet so viele unterschiedliche Möglichkeiten, selbstbestimmt zu leben, und es gewinnt daraus so viel Kraft - warum tun wir uns so schwer damit, dieser Kraft politisch mehr Raum zu geben? Immer mehr Menschen wollen Ideen selber verwirklichen und brauchen dafür mehr Mitspracherechte und größere Entscheidungsspielräume. Natürlich bedeutet das mehr Verantwortung. Umso besser!, sage ich nur. Dann wird für die Bürger viel deutlicher, wer regionale Eigenheiten und Stärken wirklich nutzt.

      Was will uns dieser Schmus verklickern? Was sind denn die Eigenkräfte der neuen Länder? Nun, da ist einmal der Mezzogiorno des Ostens Deutschlands. Dieser Landstrich hat sehr stark ausgeblutet und die Menschen sind dem Kapital nach Westdeutschland nachgezogen. Armut, Arbeitslosigkeit und Hartz herrscht in diesem Teil. Und Menschen, denen die Arbeit beinahe über alles geht - beinahe zu jedem Preis. Diese Eigenkräfte werden zu stärken und zum bestimmenden Faktor werden zu lassen, das wird durch die Gesetzgebung des Staates gefördert. Da hätte man den einen oder anderen sozialen Gedanken in der Rede gehört. Das ist für die IWF-ler auch kein berauschender Gedanke.





      Aber gerade diesen Unternehmern schnürt das Übermaß an Vorschriften und Auflagen immer mehr die Luft ab. Sie sagen mir: " Dieser ganze bürokratische Wust ist unser Hauptproblem." Und das höre ich überall in Deutschland. Und deshalb stimme ich mit Helmut Schmidt überein: Wir brauchen in Deutschland endlich einen radikalen und nachhaltigen Abbau von Vorschriften und Bürokratie. Und wenn wir es nicht schaffen, gleich ganz Deutschland von dem Wust zu befreien, dann sollten wir das mindestens den neuen Ländern erlauben. Ich bin sicher, die anderen Länder kommen dann ganz rasch nach.

      Hier wird schlicht im allgemeinen geschwelgt. Meint er Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter oder bürokratische Ausuferungen? Die eingeladenen Gäste von der Unternehmerseite werden da ihre klare Vorstellungen haben. Und es wird ja schon am Kündigungsschutz gebastelt.




      Wichtigste ist, und ich wiederhole das: Wir müssen die Menschen wieder in Arbeit bringen. Lassen Sie uns daran all unser Handeln messen: Was dient dem Ziel, die Menschen in Arbeit zu bringen? Dabei gilt es endlich zu begreifen: Der Bundestag, die Bundesregierung und die Landesregierungen können selbst keine dauerhaft produktiven Arbeitsplätze schaffen. Sie müssen aber für bestmögliche Rahmenbedingungen sorgen. Arbeitsplätze schaffen allein erfolgreiche und innovative Unternehmen.

      Karl Marx schrieb, daß der Proletarier fester als Prometheus am Felsen an das Kapital gefesselt sei, weil er außer seiner Arbeitskraft nichts feilzubieten hat, um sein Überleben zu sichern. Und die Sorge, keinen Arbeitsplatz zu finden, ist verständlich. Aber von Arbeit muß man leben können! ist die erste Antwort darauf. Und die Illussion, daß erfolgreiche und innovative Unternehmen jetzt 6 bis 8 Millionen Arbeitsplätze schaffen könnten, ist derart abstrus, daß damit niemand hinter dem Ofen hervorzuholen ist! Für 10 oder 15 innovative Arbeitsplätze werden 20 oder 25 wiederum durch die Innovavität wieder abgebaut.

      Warum nimmt er nicht Stellung dazu, daß ein Billiglohnsektor errichtet werden soll - als glorreiche Perspektive der bürgerlichen Gesellschaft, wo dann die Menschen sich für 1000 € und weniger im Monat verdingen müssen - und das als Lebensperspektive für Millionen! Um derartige Gemeinheiten durchzuziehen, läuft die Union schon land auf und land ab und verkündet ganz im Sinne des Bundespräsidenten: Arbeit muß her!




      Die breite Mehrheit des Volkes und deren Interesse finden in der Erfurter Rede überhaupt keinen Platz. Sie sind die Masse, die von den "verantwortlichen Bürgern" und "ideenreichen" Menschen geschoben, gestaucht und getätscht werden, wie es deren Interessen entspricht. Eine besondere Zukunft und Perspektive für breite Teile des Volkes kann sich dieses abschminken und froh sein, wenigstens im Billiglohnsektor ein ärmliches Auskommen zu finden.


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      Bedenkliches aus Erfurt