So tickt die Börse
Ölpreisentwicklung entscheidet über Crash oder Rallye - Seite 2
Die nächste Meldung kam aus San Francisco: Über 50 Schiffe, Containerschiffe und Tankschiffe warten vor dem Hafen darauf, ihre Ladung zu löschen. Das Personal war während der Corona-Pandemie zurückgefahren worden und reicht nun nicht mehr aus, die sprunghaft angestiegenen Lieferungen abzuarbeiten. US-Präsident Biden hat das Problem zu seinem Thema gemacht, sorgte für 24/7-Betrieb auf dem Hafen und seither löst sich der Stau sukzessive auf.
Keines der großen Ölförderländer reagiert mit Förderausweitungen. Die OPEC+ hat lediglich verlauten lassen, man halte sich an den vereinbarten Fahrplan der schrittweisen, moderaten Ausweitung der Ölförderung. In der Finanzpresse werden Anschuldigungen laut: Die OPEC+ schaffe so einen künstlich hohen Ölpreis, um sich die eigenen Taschen voll zu machen.
Weder Venezuela, noch Russland oder Saudi Arabien, nicht einmal der Iran weiten ihre Förderung maßgeblich aus. Wenn Sie die Verhandlungen der OPEC+ in den vergangenen Jahren verfolgt haben, dann wissen Sie sicherlich, dass es alles andere als eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter diesen Ländern gibt. Ich würde behaupten, dass jedes dieser Länder sofort die Förderung ausweiten würde, wenn es sich einen finanziellen Vorteil davon versprechen würde.
Können oder wollen sie nicht? Nun, zumindest über Saudi Arabien und Russland weiß ich, dass dort deutlich mehr gefördert werden könnte, wenn man wollte. Die wollen also nicht.
Und es ist gar nicht so schwer nachzuvollziehen, warum die nicht wollen: Die Probleme sind vorübergehend. Schon jetzt rechnet ein Großteil in der Branche mit einem rückläufigen Ölpreis in den kommenden Wochen. Das klingt widersprüchlich, steht doch ein kalter Winter vor der Tür und in der Heizperiode steigt doch normalerweise der Ölpreis, oder?
Nein, das ist falsch: Normalerweise steigt der Ölpreis VOR der Heizperiode und findet sein Maximum stets Ende Oktober. Danach geht es in der Regel abwärts mit dem Ölpreis. Wenn in diesem Jahr Logistikprobleme für einen besonders starken Anstieg VOR der Heizperiode gesorgt haben, dann könnte der Preisrückgang auch besonders stark sein, oder?
Wenn Öl steigt, treibt das die Inflation an und bremst die Konjunktur. 90% aller Aktienunternehmen leiden unter einem ansteigenden Ölpreis. Reise- und Logistikunternehmen stöhnen unter den hohen Spritkosten. Die energieintensive Industrie muss höhere Produktionskosten weiterreichen. Vorprodukte und Zulieferer müssen ihre Preise erhöhen. Das zieht sich durch bis zum Verkaufspreis für ein Auto, einen Computer oder für Kleidung. Ein weiterer Anstieg des Ölpreises in Richtung 100 USD/Fass wäre eine Katastrophe für die globale Konjunktur.