Euro-Krise
ESM und Fiskalpakt – Signal an die Märkte?
Mehr Europa sei gefragt: „Wir brauchen ein Europa, das funktioniert,“ sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Vorfeld des EU-Gipfels in Paris. „Wir brauchen ein Europa, das sich gegenseitig hilft,“
griff Merkel den Solidaritätsgedanken des Französischen Staatspräsidenten Francois Hollande auf. Doch sollten dabei Haftung und Kontrolle in einem klaren Verhältnis stehen. Mit einer
Vergemeinschaftung von Schulden im Sinne von Eurobonds zum Beispiel sei dies nicht zu vereinbaren. Die Zeit wird spürbar knapp. Spanien und Italien schlagen Alarm, die Zinssätze der Staatsanleihen
beider Länder steigen in neue Höhen und die Konjunktur bricht auf weiten Strecken ein. Inzwischen geraten auch deutsche Staatsanleihen unter Druck. Ein neues Europa ist gefragt.
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Über zwei Bausteine des neuen Europas, die die Rolle der Nationalstaaten neu definieren werden, entscheiden am Freitag der Bundestag und Bundesrat. Die Rede ist zum einen vom Europäischen
Fiskalpakt, mit dem wesentliche Budgetrechte des Parlamentes von nationaler Ebene auf europäische Ebene übertragen werden. Ziel ist die stärkere Zusammenarbeit der Staaten der beteiligten Länder
bezüglich ihrer Fiskalpolitik sowie Maßnahmen der Fiskaldisziplin. Länder, die sich nicht an die Haushaltsdisziplin halten und die Stabilitätsrichtlinien und den Wachstumspakt verletzen, verlieren
für den entsprechenden Zeitraum einen Teil ihrer souveränen Hoheitsrechte. Im Rahmen des Fiskalpakts soll nicht allein über Ausgaben, Steuern und Abgaben gemeinsam entschieden werden. Kritiker
befürchten eine Annäherung in der Steuerpolitik, der sozialen Sicherungssysteme und der Arbeitsmarktvorschriften der beteiligten Länder.
Der zweite Baustein ist der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), der als dauerhafter Rettungsschirm von und für die Länder der Währungsgemeinschaft installiert werden soll. Der ESM stellt
Notkredite und Bürgschaften für zahlungsunfähige Mitgliedsstaaten der Eurozone bereit. Kritisiert wird hier vor allem, dass es für die ESM-Mitgliedsstaaten kein Recht auf Austritt gibt. Zudem werde
die Budgetsouveränität der Nationalstaaten an die Europäische Union abgetreten. Ein weiterer Kritikpunkt: Das ESM-Kapital und somit die Forderungen an die einzelnen Euro-Länder können unbegrenzt
erhöht werden. Zur Nachforderung des Haftungskapitals reiche die einfache Mehrheit. Auch werden private Gläubiger nicht zwingend verpflichtet, sondern nur in Ausnahmefällen beteiligt. Inzwischen
werden unter anderem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und Frankreich auch direkte Hilfen aus dem europäischen Krisenfonds ESM für kriselnde Banken gefordert. Des weiteren wird auf EU-Ebene
diskutiert, ob der Euro-Rettungsschirm ESM seinen bevorrechtigten Gläubigerstatus gegenüber anderen Geldgebern wie zum Beispiel dem IWF verlieren soll.
Am Freitag wird gegen 20.00 Uhr mit dem Beginn der namentlichen Abstimmung im Bundestag gerechnet. Der Bundesrat tagt ab 21.00 Uhr in einer Sondersitzung zu ESM-Rettungsschirm und dem Fiskalpakt.
Eine Zweidrittelmehrheit bei beiden Abstimmungspunkten gilt als sicher. Uneins sind sich Politik und
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Verfassungsrechter über die Rechtmäßigkeit der Verlagerung von Kompetenzen auf die europäische Ebene, der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und der Notwendigkeit eines Volksentscheids.
Das gewünschte Signal an die Märkte wird allerdings Verpuffen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat Bundespräsident Joachim Gauck vorsorglich gebeten, die Gesetze aufgrund angekündeter
Verfassungsklagen vorerst nicht zu unterzeichnen. Zudem werden zunehmend Zweifel laut, ob Fiskalpakt und der Euro-Rettungsschirm ESM am Ende ausreichen, um die Finanzmärkte in der Euro-Krise zu
beruhigen. (Redaktion w:o, dpa-AFX, Wikipedia)
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