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    Boom in Gomel - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 26.07.06 11:24:32 von
    neuester Beitrag 26.07.06 11:54:10 von
    Beiträge: 2
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      schrieb am 26.07.06 11:24:32
      Beitrag Nr. 1 ()
      Boom in Gomel

      (...) Svetlana F. beschwert sich über die Arbeitsbedingungen an ihrem Krankenhaus. Sie ist Kardiologin, aber auch ihr entgeht nicht, daß ihr Arbeitsplatz aus allen Nähten platzt. Frauen , die zur Entbindung kommen, können kaum noch untergebracht werden, müssen zum Teil auf den Gängen abgestellt werden. „Es ist verrückt,“ erklärt sie, „jede Frau ist schwanger.“ Noch vor wenigen Jahren wurden Grundschulen und Kindergärten geschlossen, nun müssen sie eiligst wieder eröffnet werden. Es ist nicht zu übersehen, daß in den letzten Jahren ein wahrer Babyboom über Gomel hereingebrochen ist. „Vielleicht haben viele Frauen hier erst abgewartet, wie schlimm die Auswirkungen der radioaktiven Strahlungen waren. Als sie dann sahen, daß die große Zahl von Mißbildungen ausblieb, daß nur in Einzelfällen das Reaktorunglück Wirkung zeigte, haben viele Frauen beschlossen, den Kinderwunsch doch noch nachzuholen.“ Es ist schwer zu sagen, ob diese Erklärung wirklich den Punkt trifft, denn die Frauen, die nach dem Reaktorunglück ihren Kinderwunsch zurückstellten, sind jetzt bestenfalls in den fortgeschrittenen Dreißigern. Der Babyboom hat aber auch gerade jüngere Frauen erfaßt und ist schon seit einigen Jahren im Gange.
      Sicher spielt die wirtschaftliche Situation eine große Rolle. Nachdem die Rußlandkrise schon in Weißrußland geringerer soziale Verwerfungen verursachte als in anderen Nachfolgestaaten der UdSSR, hat sich Gomel als Industriestandort und wichtige Drehscheibe des Handels mit Rußland und der Ukraine zusammen mit dem ganzen Land in den letzten 8 Jahren zügig erholt. Man mag spekulieren, was gerade in dieser Region den Aufschwung befördert hat. Die chemische Industrie in Gomel profitiert zweifellos vom russischen Ölboom. Es schadet auch gewiß nicht, daß die Region Gomel als besonders regimetreu gilt und der Diktator Lukaschenko sich hier auf breite Unterstützung verlassen kann. Staatliche Investitionen fallen in Gomel besonders reichlich aus, und sorgen dafür, daß sich hier relativer Wohlstand breit macht.
      Das bekommt auch der Immobilienmarkt zu spüren. Die frühere Kaufzurückhaltung mit Blick auf Tschernobyl ist vergessen. Preise für Wohnungen haben sich in der Stadt in den letzten 5 Jahren verfünffacht – in Dollar gerechnet. Die Dreizimmerwohnung in Innenstadtlage hat die 50.000 Dollar-Marke deutlich überschritten, selbst in Randlagen kann man inzwischen mit Preisen über 35.000 Dollar rechnen, für Wohnungen, die vor 5 Jahren gerade mal für 6000 bis 8000 Dollar einen Käufer fanden. Das ist noch weit entfernt von den in der Hauptstadt üblichen Preisen, aber doch ein Zeichen für ein neues Bewußtsein im weißrussischen Osten.
      Ein weiterer Indikator hebt die Boomregion Gomel heraus. Das Earth Institute an der Columbia University in New York hat berechnet, wie sich in einzelnen Regionen der Welt die Bevölkerung von 1995 bis 2025 verändern wird. Wie Projektleiter Stuart Gaffin bei der Vorstellung seines Berichts erklärte, wurde dabei die Landmasse der Erde in neun Millionen Planquadrate gerastert. Für jedes Gebiet berechneten Forscher mit Bevölkerungsdaten seit 1990 und UN-Prognosen die zu erwartende Veränderung der Bevölkerungszahl. Dabei fällt der Zuwachs in Gomel inmitten der ansonsten schrumpfenden Bevölkerung Osteuropas geradezu ins Auge. Details findet man hier: http://www.earth.columbia.edu/news/2006/story07-11-06.php
      Ob nun Nachholeffekt nach dem Geburtenrückgang seit 1986, Ausdruck wirtschaftlichen Erfolgs oder ein Effekt staatlicher Förderung als Lohn für politisches Wohlverhalten, auf jeden Fall entsteht hier ein demographisches Pfund, mit dem Weißrußland wuchern kann. Das Regime hatte bereits Pläne umgesetzt, wie man den Wegzug akademischer Kräfte in das freie und zahlungskräftigere Ausland wieder ausgleichen kann. Die nicht mehr billigen Studiengänge lassen sich inzwischen mit staatlichen Beihilfen meistern. Doch der Preis dafür ist, daß die geförderten Studenten sich ihren Beruf und Arbeitsort vorschreiben lassen müssen. Außerdem erhalten sie zunächst in der Regel kein Ausreisevisum in ihren Reisepaß. Im durchaus renommierten Hochschulstandort Gomel sind so schon längst die Jungakademiker an der kurzen Leine geführt, während unter den Studenten in Minsk noch genug mit der Opposition sympathisieren und dafür riskieren, von der Hochschule geschmissen zu werden. Dann wird das Studium in Polen oder Deutschland zur Notwendigkeit – wenn die Ausreise gelingt. Mit der Demographie im Rücken und der gesicherten Standorttreue der Akademiker kann Gomel damit rechnen, weiter weißrussische Boomregion zu bleiben. Ein Erfolg, über den auch Putins Rußland sicher schon nachdenkt, denn hier ist die Gefahr einer schrumpfenden Bevölkerung mittlerweile zur Chefsache gemacht worden.
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      schrieb am 26.07.06 11:54:10
      Beitrag Nr. 2 ()
      Der Link oben funktioniert nicht, hier ist der richtige: http://politik-salon.blogspot.com/2006/07/boom-in-gomel.html


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