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    Uns geht es nicht schlecht genug - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 28.10.01 10:21:32 von
    neuester Beitrag 02.01.02 20:28:38 von
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      schrieb am 28.10.01 10:21:32
      Beitrag Nr. 1 ()
      Uns geht es nicht schlecht genug

      BDI-Präsident Michael Rogowski über Wege aus der Wachstumsflaute und Ansätze, die Tarifverhandlungen zu reformieren


      WELT am SONNTAG: Herr Rogowski, die Wirtschaft steht am Rande einer Rezession, vielleicht steht sogar eine Weltwirtschaftskrise vor der Tür, und in Politik und Industrie werden Uralt-Forderungen diskutiert - Vorziehen der Steuerreform, Aussetzen der Ökosteuer, Deregulierung am Arbeitsmarkt - Wo bleibt der große Wurf?

      Michael Rogowski: Was richtig ist, bleibt auch bei der hundertsten Wiederholung richtig. Leider müssen wir wie tibetanische Gebetsmühlen immer wieder die gleichen Themen vorbeten, auch wenn es noch so langweilig klingt. Aber natürlich müssen wir auch über andere Schritte nachdenken, gerade am Arbeitsmarkt, der immer noch Hemmschuh Nummer eins ist. Wir brauchen zum Beispiel eine viel stärkere Differenzierung von festen und variablen Lohn- und Gehaltbestandteilen und müssen weg von diesem Schema, dass Produktivitätsfortschritte pauschal auf die Löhne draufgeschlagen werden. Eigentlich dürften nur die strukturellen Produktivitätsforschritte dauerhaft weiterverteilt werden. Konjunkturell bedingte Fortschritte müssten in Form von ertragsabhängigen Komponenten einfließen.

      WamS: Ertragsabhängige Komponenten in jedem Arbeitsvertrag, vom Fließbandarbeiter bis zum Konzernchef - das dürfte angesichts der Reformaversion der Deutschen utopisch sein.

      Rogowski: Das ist schon möglich, aber als Unternehmer muss man Optimist sein. Wir müssen mal über den Tellerrand blicken, und es muss viel mehr Flexibilität und vor allem Eigenverantwortlichkeit in unser Wirtschaftssystem einziehen. Wir sind Selbstverantwortlichkeit nicht so gewohnt wie die Amerikaner, und das ist einer der Gründe, warum uns die USA wirtschaftlich immer voraus sind. Wir vertrauen dem Staat noch zu sehr und wir sind larmoyanter.

      WamS: Über Psychologie wird derzeit viel geredet, alle haben Angst vor der Angst von Unternehmern und Konsumenten. Jetzt will der Bundeskanzler noch vor Weihnachten eine Sitzung des Bündnisses für Arbeit einberufen. Hilft das der Stimmung im Lande?

      Rogowski: Wir brauchen eine Reform des Sozialversicherungssystems und Reformen am Arbeitsmarkt, darüber muss nicht mehr an runden Tischen diskutiert werden. Ich habe meine Zweifel, ob in diesen Punkten die richtigen Weichen gestellt werden, ob nun mit oder ohne Bündnis. Am Arbeitsmarkt ist in den vergangenen zwei Jahren das Gegenteil von dem passiert, was wir für richtig halten, und mit Blick auf die anstehende Wahl sehe ich keine allzu großen Chancen, dass die Politik von dem Pferd so schnell runterkommt. Dafür geht es uns wirtschaftlich noch nicht schlecht genug.

      WamS: Schlechter als jetzt kann es kaum noch kommen. Die Welt lebt mit Angst und Terror...

      Rogowski: ...Der Konjunkturabschwung ist aber beim Einzelnen noch nicht so richtig spürbar. Wir haben ja in weiten Bereichen noch hohe Auftragsbestände, das Produktionsniveau ist noch relativ hoch und die Entlassungen haben auch noch keine breite Basis erreicht. Das ist immer noch keine Situation, die tief greifende Einschnitte erzwingt, schon gar nicht mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl.

      WamS: Bundeswirtschaftsminister Müller und Arbeitsminister Riester sehen das anders. Die beiden klagen, dass sie von der Wirtschaft noch immer mit Forderungen überhäuft würden, die schon längst umgesetzt sind, und wollen sich jetzt sogar mit ihnen zu einem Krisengespräch treffen. Haben Sie da etwas nicht mitbekommen?

      Rogowski: Hier haben wohl eher die Herren Minister etwas nicht mitbekommen. Alle Expertisen außerhalb der Regierung, von der OECD, dem IWF, der EU-Kommission über den Sachverständigenrat bis zu den Forschungsinstituten beklagen den verkrusteten deutschen Arbeitsmarkt. Ich empfehle den Ministern da nachzulesen. Vielleicht hilft das.

      WamS: Die Tarifverhandlungen stehen ins Haus, der neue Verdi-Chef muss sich profilieren, bei der IG Metall will man sich für die Zwickel-Nachfolge profilieren. Wäre es da nicht doch ganz ratsam, vorher noch mal eine Bündnisrunde zusammenzurufen? Wenn Sie sich jetzt zurücklehnen und sagen, wir müssen nicht mehr reden, die Rezepte sind ja ohnehin bekannt, dann kommen Sie am Ende auf Tarifabschlüsse von 5,5 Prozent, und das Lamento ist groß.

      Rogowski: Bevor es in die Tarifrunden geht, werden wir uns sicher noch mal treffen. Hohe Lohnabschlüsse wären verheerend. Wir brauchen auf jeden Fall moderate Tarifrunden, die nicht den vollen Produktivitätsfortschritt verteilen. Aber die Fäden sollten wohl eher im Hintergrund gezogen werden, weil man sonst Fronten aufbaut, die sich nur schwer wieder aufbrechen lassen.

      WamS: Sie fordern immer wieder ein Vorziehen der Steuerreform. Die erste Stufe 2001 hat den Bürgern 25 Milliarden Mark mehr in den Taschen gelassen, aber der Handel hat davon kaum etwas gemerkt. Die zweite Stufe soll die Unternehmen mit der noch viel kleineren Summe von gerade mal 15 Milliarden Mark entlasten. Glauben Sie wirklich, dass das zu einem großen Konjunkturboom führt?

      Rogowski: Zu einem großen Konjunkturboom wohl kaum, weil natürlich die derzeitige Lage noch ganz andere Dimensionen und Hintergründe hat. Aber ein gewisses Stimulans wird davon auf jeden Fall ausgehen. Die Entlastung der ersten Stufe ist im Übrigen zum größten Teil verbraucht worden durch die Einführung der Ökosteuer sowie höhere Energiepreise und Abgaben. Da blieb eben nicht viel übrig, um die Konjunktur anzuschieben. In der jetzigen Lage ist ein Vorziehen zumindest nicht von Schaden, zumal die Steuerbelastung in Deutschland nach wie vor sehr hoch ist und ungerecht in Bezug auf Personengesellschaften. Im Übrigen ist das ein besserer Schritt als jetzt staatliche Ausgabenprogramme aufzulegen...

      WamS: ...was unlängst einige Konzernchefs vom Kanzler gefordert haben mit der Begründung, eine besondere Lage erfordere besondere Maßnahmen.

      Rogowski: Krise hin oder her, ich bin gegen eine Erhöhung der Staatsausgaben. Solche Programme wirken, wenn überhaupt, dann nur sehr begrenzt und kurzfristig, mittelfristig sitzt man dann womöglich in einem noch viel tieferen Loch. Eine Erhöhung der Staatsausgaben können sich vielleicht die USA leisten, die in den vergangenen Jahren besser gewirtschaftet haben als wir. Bei uns ist Haushaltsdisziplin angesagt. Es ist allerdings notwendig, den Haushalt zu durchforsten und konsumtive Posten umzuschichten in Investitionen in Bereiche, bei denen wir echten Nachholbedarf haben, wie etwa der Infrastruktur.

      Das Gespräch führten Sonja Banze und Ulrich Porwollik.
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      schrieb am 02.01.02 20:28:38
      Beitrag Nr. 2 ()
      ist es jetzt schlechter?


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