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    Da wiehert der Amtsschimmel - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 21.11.01 11:58:03 von
    neuester Beitrag 08.01.02 14:14:05 von
    Beiträge: 5
    ID: 509.252
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      schrieb am 21.11.01 11:58:03
      Beitrag Nr. 1 ()
      Jetzt ist mir klar, warum der Prozeß gegen Rechtsradikale 9 Jahre verschleppt wurde, die Richter mußten sich um solche Fälle kümmern:

      Quelle: Spiegel

      "Direkt in die Augen"

      Erbitterter Zoff zwischen einem Richter und einem Kommissar des Bundeskriminalamts hält seit Monaten die Justiz in Atem. Es geht nur um eine Glühbirne, doch der bizarre Rechtsstreit ist längst außer Kontrolle geraten. Von Bruno Schrep



      Die Lichtquelle fällt Fremden nicht besonders auf. Laternen wie diese, schmiedeeisern, auf alt getrimmt, gibt es tausendfach. Diese eine jedoch, die an einer Hauswand im Wiesbadener Stadtteil Nordenstadt hängt, beschäftigt, ob sie leuchtet oder nicht, ein Amtsgericht, ein Landgericht, eine Staatsanwaltschaft: ein groteskes Stück deutscher Wirklichkeit.

      Eingeschaltet sind das Frankfurter Oberlandesgericht und zwei Anwaltskanzleien. Führungskräfte des Bundeskriminalamts und Experten des hessischen Justizministeriums befassen sich mit dem Fall.

      Die Laterne ist zum Symbol geworden für die Unfähigkeit, Konflikte zu lösen. Ein Lehrstück, halb Komödie, halb Trauerspiel. Vor allem aber absurdes Theater mit drei Hauptdarstellern.

      Erster Akt: In die kleine Bungalowsiedlung in Wiesbaden-Nordenstadt, die aus zwölf Häusern besteht, zieht ein Neuer: der junge BKA-Oberkommissar Gregor Zboralski, 29, mit Frau und kleiner Tochter. Ein freundlicher Kumpeltyp, Fahnder, Fußballer, forsch. Sein Vater, pensionierter Lufthansa-Pilot, hat das Anwesen gekauft und an den Sohn vermietet.

      Die Nachbarn sind nicht erfreut. Dieser Neue, finden sie, passt schlecht in die kleine Welt der Bungalowbesitzer, die sich hinter dicken, mit Grün überwucherten Betonmauern von ihren Mitmenschen abgegrenzt haben: Er fällt einfach die Bäume im Garten, kürzt rigoros die Hecken, fegt nicht pünktlich die Straße, füllt seine Garage mit Baumaterial, parkt sein Auto auf dem Gehweg.

      Strapaziert reagiert besonders der Hausbesitzer von gegenüber, Zivilrichter Bernhard G., 42. Der Mann muss ständig über Konflikte entscheiden, muss abwägen, vermitteln, schlichten. Das macht er routiniert und mit Fingerspitzengefühl - zumindest im Gerichtssaal.

      Da weigert sich eine Versicherung, für den Schaden eines Autounfalls aufzukommen. Richter G. schlägt einen Vergleich vor, witzelt mit den Anwälten. Ein Mieter pocht auf Mietminderung, weil monatelang ein Gerüst vor seinem Fenster stand. Richter G. kündigt ein Urteil für die nächsten Tage an. Ein Nachbar beschuldigt den anderen, Katzenstreu in seinen Vorgarten zu werfen. Richter G. schmunzelt, lädt acht Zeugen vor.

      Zurück in seinem Bungalow, bei seiner Lebensgefährtin und seiner halbwüchsigen Tochter, freut sich der Jurist auf absolute Ruhe, möchte keine Kompromisse mehr schließen. Gern betont er, dass ringsherum "nur Akademiker" wohnen, Gleichgesinnte, mit denen man keinen Streit bekommen könne - mit einer Ausnahme: mit diesem jungen BKA-Beamten.

      Der schaltet, kaum ist er eingezogen, nachts die Laterne über seiner Haustür an, als Schutz vor Einbrechern. Vor allem die Ehefrau fühlt sich dadurch sicherer.

      Richter G. ist entrüstet. Weiß dieser Neue nicht, dass sein Schlafzimmer schräg gegenüber der Laterne liegt, nur zehn, elf Meter entfernt? Dass ihm die Laterne "mitten ins Bett" strahlt, "direkt in die Augen"?

      Mehrere Monate unterdrückt der Jurist seinen Groll. Abends kann er nicht einschlafen: wegen der Lampe. Nachts wacht er ständig auf: wegen der Lampe. Tagsüber kann er sich nur mit Mühe auf seine Fälle konzentrieren: wegen der Lampe.

      Das Licht gegenüber empfindet er täglich mehr als Provokation, als Herausforderung, als fortwährende Kränkung seiner Persönlichkeit. Was nimmt dieser Mensch da drüben sich eigentlich heraus?

      Der Polizist ahnt erst, dass den Nachbarn die Laterne stört, als der Richter eines Morgens vor seiner Tür steht und ihn auffordert, künftig die Lampe nicht mehr einzuschalten. Doch da ist es bereits zu spät.

      Weil der BKA-Fahnder nicht sofort abschaltet, sondern nur die 60-Watt-Glühbirne durch eine 40-Watt-Birne ersetzt, schreibt ihm der Richter tags darauf in Anlehnung an einen Gesetzestext: "Sie werden es ab heute strikt unterlassen, mein Eigentum durch Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen, Bestrahlungen, Beleuchtung und Ähnlichem zu beeinträchtigen, soweit Ihnen hierzu die gesetzliche Grundlage fehlt."

      Oberkommissar Zboralski, nun ebenfalls gereizt, kontert umgehend: "Ich weise Sie darauf hin, dass die passive Notbeleuchtung meines Hauseingangs eine legitime, von der Polizei empfohlene Maßnahme der Gefahrenabwehr darstellt."

      Zweiter Akt: Zivilrichter Bernhard G. klagt. Bis zu 500 000 Mark soll der Nachbar zahlen, wenn er weiter die Laterne leuchten lässt, oder bis zu sechs Monate in den Knast. Begründung: Das Schlafzimmer werde durch die Lampe gegenüber fast "taghell" erleuchtet. Um es abzudunkeln, müsse der Rollladen vollständig geschlossen werden. Dies wiederum verhindere die notwendige Lüftung des winzigen Raumes.

      Die zuständige Amtsrichterin Anette Lohrengel versucht händerringend, den heiklen Fall loszuwerden. Sie offenbart, dass sie mit dem Richter per Du ist, ihn seit Jahren kennt - vergebens. Duzen sei kein Befangenheitsgrund, entscheidet das Landgericht. Beide Juristen gehörten einer Generation an, "bei der das Du im Umgang miteinander schon fast die Regel ist".

      Richter G. verstrickt sich immer tiefer in seinen Zorn. Obwohl er weiß, dass deutsche Zivilrichter jedes Jahr unter der Last von fast einer viertel Million Bagatellverfahren ächzen, obwohl er sich selbst schon mit Nachbarschaftsstreitigkeiten herumquälen musste, setzt er noch einen drauf.

      Mit Briefkopf "Richter am Amtsgericht" und unter dem Betreff "Außerdienstliches Verhalten des Herrn Gregor Zboralski" beschwert er sich beim Arbeitgeber seines Widersachers, beim Bundeskriminalamt. Auszug: "Seit Herr Zboralski definitiv weiß, dass er durch das nächtliche Bestrahlen massiv stört, hat er diese Aktivitäten auch zeitlich ausgedehnt, beispielsweise gestern von 15.30 Uhr bis heute Morgen 7.45 Uhr." Wenn je noch eine Chance zur Verständigung bestand, nun ist sie vertan.

      "Jetzt hat er falsch gewachst", empört sich der Vater des Kripo-Beamten, Hauseigentümer Hartmut Zboralski, und übernimmt im Rechtsstreit das Kommando. Der Ex-Pilot, ein resoluter Mann, sieht die Familienehre in Gefahr. Soll sein Filius etwa vor diesem Richter kuschen? Sich zu Unrecht bei Vorgesetzten denunzieren lassen? Und alles wegen 40 Watt, matt?

      Ein Anwalt muss her, sofort. Und eine Retourkutsche: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Richter G. beim Amtsgerichtspräsidenten, und, eine Woche später, ein Beschwerdebrief an die Präsidentin des hessischen Oberlandesgerichts.

      Dritter Akt: Der Zivilrichter fühlt sich den Aufregungen um die Laterne nicht mehr gewachsen, lässt sich für eine Woche dienstunfähig schreiben. Den Nachbarn zeigt er wegen Körperverletzung an. "Ich bin verletzt", erklärt er, "tief verletzt." Seit Wochen habe er nachts kaum ein Auge zugemacht.

      "Lächerlich", entgegnet der Rechtsanwalt des Oberkommissars. "Warum starrt der Richter dauernd auf die Glühlampe, statt sich dem Schlaf hinzugeben?" Der Anwalt beantragt, die Zivilklage abzuweisen, notfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen.

      Bei Messungen hat sich herausgestellt, dass die Lampe auf eine Entfernung von zehn Metern wenig heller als eine Kerze scheint, ihre Leuchtstärke an der Fassade des gegenüberliegenden Hauses nur etwa 0,3 Lux beträgt. Erst ein Lichtschein von mehr als einem Lux könnte jedoch einen Verstoß gegen empfohlene Grenzwerte darstellen.

      Im Bundeskriminalamt und im Wiesbadener Amtsgericht kommt derweil Unruhe auf. Der Zoff um die Laterne wird zum Hauptthema in der Kantine, in den Fluren, in den Büros. "Schaden für das Amt", befürchtet Bernhard Falk, Vizepräsident des BKA. "Schaden für das Amt", ahnt auch Rolf Engelhard, Präsident des Wiesbadener Amtsgerichts. BKA-Mann Zboralski bekommt von ganz oben signalisiert, dass eine weitere Eskalation des Streits vom Amt nicht erwünscht sei. Warum er denn, zum Teufel, die vermaledeite Lampe nicht einfach ausknipse?

      Doch das ist keineswegs einfach. Der Zwist hat sich längst verselbständigt. Insbesondere Vater Zboralski ist entschlossen, diesen Kampf bis zum Ende durchzufechten. Wollen wir mal sehen, wer hier Recht hat.

      Im Gespräch mit seinem Zivilrichter erkennt Amtsgerichtspräsident Engelhard indessen, dass der Rechtsstreit, den viele einfach nur zum Wiehern finden, für Richter G. existenzielle Bedeutung hat, in keinem Verhältnis mehr zum Anlass steht. Der Mann verliert die Fassung, wirkt auf seinen Chef "jämmerlich, richtig zermürbt".

      Kollegen rätseln über Hintergründe. Gilt die Verzweiflung wirklich nur dieser Laterne? Oder weist sie auf eine andere Kränkung hin, vielleicht eine vergebliche Stellenbewerbung, eine verhinderte Beförderung, eine private Enttäuschung? Und warum rät der Anwalt des Richters nicht zum Einlenken?

      Vierter Akt, Ortstermin: Abends um 21 Uhr, die Laterne ist eingeschaltet, inspiziert Richterin Lohrengel die Bungalowsiedlung. Sie geht den kleinen Fußweg auf und ab, der zwischen den Häusern verläuft, begutachtet die öffentlichen Straßenlampen, die ohnehin nachts brennen und den Weg in ein diffuses, weißliches Licht tauchen, bleibt lange vor der inkriminierten Laterne stehen. Schon ein paar Meter weiter hat sie Mühe, einen der zahlreichen Schriftsätze aus der Prozessakte zu lesen.

      Im Schlafzimmer des Kollegen lässt die Richterin den Rollladen herunter. Zu einem Drittel, zu zwei Dritteln, ganz. Schließlich legt sich die Juristin ins Kollegenbett. Dabei macht sie sich Notizen.

      Ihr Fazit: Dass die Lampe bei geöffnetem Rollladen den Schlaf beeinträchtigen könne, sei "nachvollziehbar". Andererseits: Dass der Polizist ein zusätzliches Licht haben möchte, das auf erwünschte Besucher "einladend", auf Eindringlinge dagegen "abschreckend" wirke, sei ebenfalls "nachvollziehbar".

      Auf Kompromisssuche stöbert die Richterin persönlich in mehreren Lampengeschäften, wird fündig, schlägt einen Vergleich vor. Der BKA-Mann solle doch, bitte schön, seine rundum leuchtende Klarglaslaterne gegen eine Lampe austauschen, "die ihr Licht gezielt nach unten abstrahlt". Eine solche Beleuchtung müsse der Richter dann dulden.

      Die Anschaffungskosten, etwa 100 bis 200 Mark, dürften für den Polizisten "vor dem Hintergrund eines erträglichen nachbarschaftlichen Miteinanders nicht zu hoch sein", resümiert Richterin Lohrengel.

      "Die Funzel zahl ich aus eigener Tasche", bietet Amtsgerichtspräsident Engelhard an, der ein Ende der Querelen um seinen Richter herbeisehnt.

      Von wegen. "Warum hat die Richterin nicht nach einem lichtundurchlässigen Vorhang gesucht?", fragt der Vater des BKA-Beamten, nennt den Kompromiss der Richterin "aberwitzig".

      Auch Richter G. lehnt den Vergleichsvorschlag seiner Kollegin strikt ab, besteht auf einer Entscheidung. Dass der Staatsanwalt seine Strafanzeige aus "Mangel an öffentlichem Interesse" zurückgewiesen hat, den Nachbarn nicht wegen Körperverletzung anklagt, bestärkt ihn in der Überzeugung, dass er zwar Recht hat, aber kein Recht bekommt.

      Als Verlierer fühlt er sich schon jetzt. Sein Haus stehe zum Verkauf, versichert er, "ich will nur weg, schnell weg. Ich werde ja vertrieben". Vor dem peinigenden Schein der Laterne sei er bereits aus seinem Schlafzimmer geflüchtet: "Ich schlafe jetzt im Keller."

      Richterin Lohrengel will den Prozess am Freitag, 9.45 Uhr, fortsetzen.
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      schrieb am 21.11.01 12:11:30
      Beitrag Nr. 2 ()
      Höchst amüsant, wenn es nicht so traurig wäre.
      Avatar
      schrieb am 21.11.01 14:59:30
      Beitrag Nr. 3 ()
      :laugh:
      mit bitte auf dem laufenden gehalten zu werden,
      gruss m:laugh: t
      Avatar
      schrieb am 08.01.02 13:45:26
      Beitrag Nr. 4 ()
      :D
      "Die Funzel zahl ich aus eigener Tasche", bietet Amtsgerichtspräsident Engelhard an, der ein Ende der Querelen um seinen Richter herbeisehnt.
      :D

      Wehe wenn sie losgelassen. :)
      Avatar
      schrieb am 08.01.02 14:14:05
      Beitrag Nr. 5 ()
      TheMess: Genau!


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