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    Amos Oz: Es finden zwei Kriege statt - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 04.04.02 09:14:10 von
    neuester Beitrag 19.04.02 12:16:17 von
    Beiträge: 19
    ID: 573.658
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      schrieb am 04.04.02 09:14:10
      Beitrag Nr. 1 ()
      Im Albtraum vereint: Amos Oz und David Grossman über den Terror in Israel

      Israel muß die Besatzung beenden: Dann kommt der Friede - oder unser Sieg / Von Amos Oz


      ARAD, 3. April

      Zwei palästinensisch-israelische Kriege sind in Nahost ausgebrochen. Den einen führen die Palästinenser, um ein Ende der Besatzung zu erreichen und ihr Recht auf einen unabhängigen Staat durchzusetzen. Jeder vernünftige Mensch wird diese Sache unterstützen. Den anderen Krieg führen fanatische Muslime, von Iran bis Gaza und von Libanon bis Ramallah, um Israel zu vernichten und die Juden zu vertreiben. Jeder vernünftige Mensch wird dieses verurteilen.

      Yassir Arafat und seine Leute führen beide Kriege gleichzeitig und tun dabei so, als wäre es einer. Die Selbstmordattentäter treffen offensichtlich keine Unterscheidung. Die weltweite Ratlosigkeit angesichts der Situation im Nahen Osten, aber auch die Verwirrung unter den Israelis selbst rührt weitgehend daher, daß sich die beiden Kriege überschneiden. Anständige Friedenssucher, in Israel und anderswo, vertreten oft allzu einfache Standpunkte. Entweder sie verteidigen Israels fortdauernde Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens mit dem Hinweis, daß Israel seit seiner Gründung 1948 das Ziel muslimischer Kriege gewesen sei. Oder sie attackieren Israel, weil sie der Ansicht sind, daß nur die Besatzung einem gerechten und dauerhaften Frieden entgegenstehe. Eines dieser einfachen Argumente erlaubt es Palästinensern, alle Israelis zu töten, weil sie natürlich das Recht auf Widerstand gegen die Besatzung haben. Ein ebenso simples Gegenargument erlaubt es den Israelis, alle Palästinenser zu unterdrücken, weil diese einen totalen Dschihad gegen Israel führen.

      In dieser Region werden zwei Kriege geführt - der eine ist gerecht, der andere ungerecht und sinnlos. Israel muß den Krieg in den palästinensischen Gebieten beenden. Es muß die Besatzung beenden und die jüdischen Siedlungen auflösen, die dort gezielt errichtet wurden. Seine Grenzen müssen, notfalls einseitig, entsprechend den demographischen Verhältnissen gezogen werden und gemäß dem moralischen Imperativ, daß eine feindliche Bevölkerung nicht auf Dauer unterdrückt werden kann.

      Würde aber ein Ende der Besatzung das Ende des islamischen Dschihads gegen Israel bedeuten? Das ist schwer zu sagen. Sobald der Dschihad eingestellt wird, könnten beide Seiten Friedensverhandlungen führen. Wenn nicht, müßten wir die logische, die demographische Grenze Israels dichtmachen und weiterhin gegen die fanatischen Muslime um unser Leben kämpfen.

      Sollte jedoch, trotz aller schönen Visionen, das Ende der Besatzung keinen Frieden bringen, werden wir zumindest nicht mehr zwei Kriege, sondern nur noch einen führen müssen. Keinen Krieg um die vollständige Herrschaft über das ganze Heilige Land, sondern einen Krieg für unser Recht, in einem freien und unabhängigen jüdischen Staat in einem Teil dieses Landes zu leben. Ein gerechter Krieg, ein alternativloser Krieg. Ein Krieg, den wir gewinnen werden. Wie alle Völker, die gezwungen waren, um ihre Heimat, um ihre Freiheit, um ihr Leben zu kämpfen.
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      schrieb am 04.04.02 09:39:59
      Beitrag Nr. 2 ()
      Ja, lest das schön in Ruhe durch, vor allem diejenigen, die immer von "den Juden" und "den Palästinensern" reden. Vielleicht bekommt der eine oder andere endlich eine Ahnung davon, daß die Welt wesentlich komplexer ist, als es hier immer dargestellt wird.
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      schrieb am 04.04.02 10:33:28
      Beitrag Nr. 3 ()
      Der Text ist nicht schlecht........
      Avatar
      schrieb am 04.04.02 10:49:39
      Beitrag Nr. 4 ()
      Heizkessel, Du hast einen Krieg vergessen!

      Das letzte Duell zweier Todfeinde

      Jassir Arafat


      Der Palästinenser (Jahrgang 1928) entstammt wie Scharon einer Epoche, in der nichts weniger als die Existenz Israels auf dem Spiel stand. Wie Scharon bekämpfte er als Halbwüchsiger die Briten, aber gleichzeitig die Zionisten. Als den Arabern in drei Kriegen 1948, 1956 und 1967 kein Sieg über Israel gelang, gründete Arafat, der frühere Leutnant der ägyptischen Armee und gelernte Bauingenieur (mit dreimonatigem Aufenthalt 1957 in Stuttgart), um 1959 die palästinensische Terrororganisation Al Fatah, aus der die PLO hervorging, die Palästinensische Befreiungsorganisation. 1965 begann Arafat in Beirut den Partisanenkrieg vom Libanon aus nach Israel zu tragen. "Wir hätten Arafat schon 1982 in Beirut töten sollen!" hat Scharon später gesagt. Palästinensische Anschläge und die Intifada haben Israel nicht in die Knie gezwungen. Erst unter Vermittlung der USA kehrte in den neunziger Jahren Besonnenheit bei Arafat und der israelischen Führung ein - vorübergehend. Arafat, der Orientale mit dem Hang zum Theatralischen, wurde Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde mit Aussicht auf einen Staat Palästina - und 1994 sogar mit dem Friedensnobelpreis belohnt. Die Selbstmordattentate, die er nicht stoppt, soll er nach dem Willen des Rächers Scharon ganz persönlich büßen. Zwei alte Dickköpfe prallen in Ramallah aufeinander. Wenn es nach Scharon ginge, wäre Arafat jetzt ein toter Mann. JK

      Ariel Scharon

      Der Israeli (Jahrgang 1928) ist der letzte Haudegen der legendären israelischen Reihe Begin, Dayan, Rabin: mutig, rücksichtslos, risikofreudig. Scharon und Begin gingen aus jüdischen Terrororganisationen hervor: Scharon aus der Hagana, die gegen die britische Mandatsherrschaft kämpfte. Als die Briten 1948 das Feld räumten, nahm Scharon die Palästinenser ins Visier: Er gründete und kommandierte die Einheit 101, eine Eliteeinheit, die sich 1953 auf Vergeltungsschläge gegen palästinensische Anschläge spezialisierte. Das wurde sein Lebensziel: gegen den Palästinenser Arafat, Auge um Auge, Zahn um Zahn! Scharon lernte bei den Briten in der Generalsstabsausbildung das Kriegshandwerk. Er befehligte im Sechstagekrieg 1967 mit großem Erfolg eine Panzerdivision. Als „Ariel, der König von Israel“ gefeiert, blieb er trotzdem Außenseiter, weil er von Zeit zu Zeit eigenmächtig handelt. Ex-Terrorist Begin und Ex-General Rabin, der militärische Architekt des „Blitzkrieges“ 1967, erkannten am Ende, dass mit der Armee allein die Existenz Israels und ein Frieden in Nahost nicht zu sichern sind. Begin reichte als Ministerpräsident dem Ägypter Sadat die Hand, Rabin dem jordanischen König Hussein und Arafat. Rabin, der vom Militärstrategen zum Friedenskämpfer Bekehrte, wurde dafür 1995 von einem jüdischen Fanatiker erschossen. Der bullige Scharon ist als Premier Haudegen geblieben. Für ihn ist Arafat der Erzfeind – ein biblischer. JK
      Avatar
      schrieb am 04.04.02 10:53:29
      Beitrag Nr. 5 ()
      CD, das finde ich allerdings auch, und was auch immer wieder auffällt, ist unsere Fixierung auf das dritte Reich und den Holocaust, wenn die Diskussion auf das Thema kommt. Viele hier stellen Vergleiche an, ob die Israelis oder die Palästinenser die neuen Nazis wären. Das gibt lediglich Auskunft über unsere Verfassung. Mit den zwei Kriegen hat das null zu tun. Was kümmert den Israeli, der seinen Alltag von permantenter Bombendrohung gefährdet sieht, unsere Vergangenheit? Den Palästinensern hilft es ebenso wenig, wenn Sharon die Resolutionen des Sicherheitsrates Wurst sind, und die lieben WO User, Israel als faschistisch hinstellen.

      Alles nur psychologische Entlastung, und zwar von uns Europäern. Mit den Konfliktparteien hat das in Wirklichkeit kaum etwas zu tun.

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      schrieb am 04.04.02 11:01:50
      Beitrag Nr. 6 ()
      gwn
      stimmt, der Aspekt der Privatfehde zweier alter Männer, die nicht merken, daß die Zeit über sie hinweg geht, und versuchen die alte Feindkonstellation aufrecht zu erhalten, ist auch Heiner Geissler aufgefallen, der kürzlich meinte, daß neue Leute antreten sollten. Auch Solana hat sich für den Ruhestand der beiden Kontrahenten ausgesprochen.
      Avatar
      schrieb am 05.04.02 10:16:36
      Beitrag Nr. 7 ()
      Der Schriftsteller Amos Oz:
      ... Israelische Identität

      ... über den Frieden in Israel, die Identitätsfrage der Israelis, den Mashiah
      und die Frage, ob G`tt immer recht hat...

      Der Messias soll selber entscheiden

      Wir haben gerade über die Identitätsfrage der Deutschen gesprochen, auch die Israelis reden ständig von Identität.

      Ja, wir haben sogar ein großes Problem mit unserer Identität. In gewissem Maß ähnelt dieses Problem ironischerweise dem Identitätsproblem der Deutschen. Ironischerweise deswegen, weil die Juden viele Generationen lang gar keine Religions- oder Glaubensgemeinschaft waren, nicht einmal wirklich eine Nation oder ein Stamm. Sie waren irgendetwas dazwischen: eine Art weitverzweigter Familie. Es war leichter die Israelis mit dem deutschen Wort „Volk“ zu beschreiben als mit dem Begriff Nation oder Staat. Und der Übergang einer solchen Gruppierung in eine Nation des 20. Jahrhunderts, eine offene Nation, nicht basierend auf einer rassischen oder ethischen Identifikation, sondern im wesentlichen auf Kultur, dabei sehr tolerant, sehr pluralistisch – das ist ein genauso dramatischer Übergang wie für die Deutschen in den letzten 300 Jahren. Nur daß wir keine 300 Jahre haben.

      Dafür haben Sie den Zionismus. Ist der nicht identitätsstiftend?

      Zionismus gibt es in jeder Größe, Form und Farbe. Der Zionismus war nie eine Ideologie, er war ein Nachname, eine Art lockerer Zusammenschluß von Träumen, Wünschen und Plänen. Es gab Leute, die kamen in dieses Land mit dem Wunsch, hier eine westliche, liberale, soziale, säkulare, tolerante und moderne Demokratie zu gründen. Andere hofften, die biblischen Königreiche von David und Salomon wiederherzustellen. Wieder andere wollten nur demütig dasitzen und auf den Messias warten. Manche sahen sich selbst als Messias. In meiner Kindheit war Jerusalem ein total verrückter Ort. Jeder war ein Erlöser. Jeder wollte irgendwen kreuzigen oder selbst gekreuzigt werden. Und dann gab es noch diejenigen, die in Israel ein marxistisch-zionistisches Paradies schaffen wollten: die linksgerichtete Kibbuzim gründeten und insgeheim darauf warteten, daß eines Tages Stalin persönlich zu Besuch kommen würde, damit sie ihm erklärten, was der Marxismus-Leninismus ist.

      Klingt chaotisch.

      Ist es auch. Jeder ist auf eine andere Art und Weise Zionist. Damit müssen wir lernen zu leben. Zionismus ist nicht das Baby von irgendjemandem. Die schrecklichen rechten Siedler sind Zionisten. Die orientalischen Juden, die hier gerne eine Art marokkanisch-tunesische Republik jüdischer Prägung schaffen würden, sind Zionisten. Der einzige gemeinsame Nenner ist die Erkenntnis, daß es einen Platz auf der Welt geben muß, eine Art territoriale Nische, wo sich die Juden zuhause fühlen können. Was sie nicht schaffen werden, denn selbst wenn sie sich mal zuhause fühlen, wird sich herausstellen, daß sie dort nicht zuhause sind. Das ist Zionismus, ganz simpel: Laßt uns ein Stück Land finden!

      Jude sein – was ist das für Sie?

      Jeder, der sich selbst Jude nennt, ist ein Jude – so einfach ist das. Es ist ein freies Spiel der Interpretation mittels ständiger Diskussion. Von Anfang an hatten wir eine Diskussion über unsere Identität: Was ein Jude ist, wer ein Jude ist; wer gut ist und wer böse.

      Nicht umsonst hatten die Juden nie einen Papst. Das würde nicht funktionieren. Jeder würde ihm auf die Schulter klopfen und sagen: Hey, Papst, ich werde dir mal erklären, was G`tt wirklich von uns will! Dieses anarchistische Gen gehört zum jüdischen Erbgut, und ich liebe das sehr. Das ist auch der Grund, weshalb Israelis nicht in einen Ingmar-Bergman-Film gehören. Sie gehören in einen Fellini-Film.

      Irgendeiner entscheidet immer: ein Papst, ein Rabbi, ein Regisseur – im Zweifelfall eben G`tt.

      Wir Juden führen selbst mit G`tt Diskussionen. Wir kritisieren und attackieren ihn. Es gibt da eine Geschichte, die ich sehr mag: Rabbi Joshua und Rabbi Tafon konnten sich über eine bestimmte Auslegung der Thora nicht einig werden. Sie diskutierten und stritten Tag und Nacht. Sie aßen nicht und tranken nicht. Sie stritten immer weiter, sieben Tage und sieben Nächte lang. Da hatte G`tt Mitleid mit ihnen, und er rief: „Schluß jetzt! Hiermit entscheide ich: Rabbi Joshua hat recht, und Rabbi Tafon hat unrecht. Jetzt geht heim und schlaft euch aus!“

      Da richtete Tafon seine Augen nach oben und sagte: „Allmächtiger G`tt, du hast die Thora an die Menschen gegeben, jetzt halte dich raus!

      “Ein Hauptstreitpunkt bei den Verhandlungen mit den Palästinensern: Was passiert mit Jerusalem, was mit den heiligen Stätten?

      Ich habe da eine Idee, und ich habe sie den verschiedensten Gruppen unterbreitet: Palästinensern, Israelis, Mitgliedern des Außenministeriums – alle haßten sie mit derselben Leidenschaft; das bedeutet, daß sie eine gute Chance haben könnte. Ich finde nicht, daß Jerusalem physisch geteilt werden sollte, durch Stacheldraht oder eine Mauer. Ich finde, Jerusalem sollte die Hauptstadt beider Staaten sein. Es müßte eine palästinensische Verwaltung geben, vielleicht in einem der Außenbezirke. Jeder einzelne in Jerusalem müßte das Recht haben, seine Bürgerschaft, seine Zugehörigkeit frei zu wählen. Die Stadt sollte von einem halben Dutzend lokaler Stadtteilverwaltungen regiert werden, nicht nur von zweien, einer jüdischen, einer arabischen.

      Und die heiligen Stätten?

      Keiner blutet an diesen heiligen Plätzen; niemand vegetiert dort in elenden Flüchtlingslagern. Andere Probleme sind viel drängender. Als ich ein Kind war, erklärte mir meine Großmutter den Unterschied zwischen Juden und Christen in Jerusalem ganz simpel. Sie sagte: Schau, die Christen glauben, daß der Messias einmal hier war und daß er zurückkommen wird. Die Juden hingegen glauben, daß der Messias eines Tages erst noch kommen wird. Darüber haben sie sich endlos gestritten, und es gab sehr viel Blutvergießen. Warum, fragte sie, kann nicht jeder einfach abwarten und schauen? Falls der Messias kommt und sagt: „Hallo, schön euch wiederzusehen!“, müssen die Juden nachgeben. Falls er aber sagt: „Hallo, wie geht‘s? Schön, mal hier zu sein!“, wird die gesamte christliche Welt sich bei den Juden entschuldigen müssen. Das als Antwort auf die Frage: Keine Oberhoheit, keine Flaggen, freier Zugang, einige praktische Arrangements – und der Messias soll entscheiden.
      Avatar
      schrieb am 13.04.02 14:13:40
      Beitrag Nr. 8 ()
      Bitte sehr, nochmal hoch.
      Avatar
      schrieb am 13.04.02 15:26:13
      Beitrag Nr. 9 ()
      @Heizkessel
      kennst Du diese Sichtweise:

      Der Friedensprozess

      Der Friedenprozess begann mit den Verhandlungen im Jahr 1991 in Madrid. Zwei Jahre später kam es zum ersten Mal zu direkten Verhandlungen mit der PLO in Oslo. Die Grundlage dieser Verhandlungen war die gegenseitige Anerkennung von Israel und PLO.

      Der Friedensprozess sollte in drei Phasen erfüllt werden. Israel hat sich bereit erklärt, sich aus den palästinensischen Gebieten zurück zu ziehen und die Rechte der Palästinenser anzuerkennen. Aber für die weiteren Fragen sollte immer neu verhandelt werden.

      Nach dem Machtwechsel in Israel kam der Friedensprozess zum Erliegen. Der neue israelische Ministerpräsident Netanyahu wollte den Friedensprozess neu strukturieren und mit den Palästinensern neu verhandeln. Israel hat sich an die unterzeichneten Verträge mit den Palästinensern nicht gehalten und den Abzug der israelischen Armee aus den palästinensischen Gebieten bis heute nicht erfüllt.

      In Palästina gibt es für die Palästinenser keine Hoffnung mehr. Im Land herrschen Frustration und Enttäuschung über einen Friedensprozess, der für die Palästinenser keinerlei Vorteile gebracht hat.

      Sieben Jahre nach dem Oslo-Abkommen hat sich die Lage der Palästinenser auf allen Ebenen verschlechtert. Die Landenteignungen, der Siedlungsausbau und die Häuserzerstörungen haben erheblich zugenommen. Unter der Regierung von Rabin und Barak kam es besonders zum massiven Siedlungsbau in den palästinensischen Gebieten. Die Israelis wollten mit ihrer Politik nur Fakten schaffen, damit der Abzug aus den palästinensischen Gebieten erschwert wird. Mit dieser Politik kann man doch keinen Frieden schaffen! Die Rückkehr der Flüchtlinge, der Status von Jerusalem, die Freilassung der Gefangenen, der Status des palästinensischen Staates, die Grenze und die Wasserfrage, all diese Fragen sind bis heute noch offen. Viele haben gedacht, dass der mächtige General Barak Frieden schaffen will. Er hat natürlich große Worte gesprochen aber bis heute sind keine Fortschritte erzielt worden. Im Gegenteil er hat die Region in den Kriegszustand gebracht.

      Von Verhandlungen kann unter diesen Bedingungen keine Rede mehr sein. Israel will weder fruchtbares noch bewohntes Land zurückgeben, sondern Wüste, und die Palästinenser haben dies widerspruchslos zu akzeptieren.

      Ohne den massiven politischen und finanziellen Druck auf Israel von Seiten der USA und der EU wird es keinen wirklichen Frieden im Nahen Osten geben. Israel ist derjenige, der geben muss, weil es alles das unter seiner Besatzung hat, was den Palästinensern zur staatlichen Souveränität fehlt.

      Und da sage noch einer ISRAEL will Frieden.

      sicherlich kennst Du http://www.palästinaonline.de
      Avatar
      schrieb am 13.04.02 15:56:53
      Beitrag Nr. 10 ()
      Hier einige Zitate (hier liegen schon die Wurzeln)
      ---------------
      "Ich erkläre, dass wir unter einer jüdischen nationalen Heimstätte die Schaffung solcher Bedingungen verstunden, die uns ermöglichten, 50.000 bis 60.000 Juden jährlich ins Land zu bringen und sie dort auszusiedeln, unsere Institution, unsere Schulen und die hebräische Sprache zu entwickeln und schließlich solche Bedingungen zu schaffen, dass Palästina genau so jüdisch sei, wie Amerika amerikanisch und England englisch sei"
      Menachem Begin (1919)

      "ehemaliger israelische Ministerpräsident"
      ---------------
      "Wenn wir dann auch die Kräfte der Arabischen Legion gebrochen und Amman bombardiert haben, liquidieren wir Transjordanien und dann wird Syrien fallen. Und falls Ägypten wagt, den Krieg gegen uns noch fortzusetzen, bombardieren wir Port Said, Alexandria und Kairo. So werden wir den Krieg beenden und die Rechnung unserer Vorväter mit Ägypten, Assyrien und Aram begleichen"
      David Ben Gurion (23.05.1948)

      "erster israelische Ministerpräsident
      ----------------
      "Wir werden niemals zu den Vereinbarungen und den Grenzen von 1948 zurückkehren. Es gibt nicht mehr die Grenzen von 1948, sondern die Realität der Landkarte von 1967. Die Gelegenheit, Grenzen zu revidieren, ist in der Geschichte einer Nation selten; wir haben sie dank des Abenteurertums Hussains und Nassers erhalten. Nun haben wir die historische Verantwortung, die endgültigen Grenzen Israels festzulegen; so etwas passiert im Laufe von Generationen nur einmal."

      Mosche Dajan (9.8.1967)

      "ehemaliger israelische Verteidgungsminister"
      -----------------
      "Jerusalem wird nicht die Hauptstadt Israels bleiben, wenn es keine jüdische Mehrheit hat. Die Antwort ist, Satelliten-Städte rund um die arabische Teile von Jerusalem zu errichten. Innerhalb von 20-30 Jahren müssen wir an den Punkt kommen, wo es in Groß-Jerusalem eine Million Juden gibt, einschließlich der Städte, die es umgeben"
      Ariel Scharon

      "ehemaliger Industrieminister"
      ------------------
      Die ehemalige israelische Ministerin Shulamit Aloni, beschrieb die Lage Israels 1991 folgendermaßen: >>Falls wir die Entscheidung der Vereinten Nationen akzeptieren, dass das Zeitalter des Imperialismus in der Welt vorbei ist, haben wir in dem palästinensischen Land nichts zu suchen, beuten es nur aus und unterdrücken es mit militärischen Mitteln. "Die Behandlung der Palästinenser ist unmoralisch und fußt auf folgender Philosophie: "Dein ist Mein und Mein ist Mein", so Aloni
      Avatar
      schrieb am 13.04.02 18:02:34
      Beitrag Nr. 11 ()
      Momentaufnahmen

      Immer mehr Israelis denken daran, ihr Land zu verlassen, das auch für Einwanderer, Touristen und Investoren zurzeit nicht attraktiv ist. Die Angst vor Anschlägen zehrt an den Nerven der Bürger, Umfragen zeugen von Konfusion und Depression
      aus Jerusalem ANNE PONGER

      Juden in aller Welt haben mittlerweile Angst. Sie fürchten sich vor Anschlägen auf jüdische Einrichtungen und einem "neuen Antisemitismus", der sich an der israelischen Militäroperation in Palästinensergebieten entzündet. Aber auch Israels Bürger haben panische Angst, trotz der von Armee und Politikern zur Schau gestellten militärischen Härte gegenüber den Palästinensern. Selbstmordattentäter können als Erfolg verbuchen, dass Israel Juden in aller Welt nicht mehr als Zufluchtstätte und Israelis nicht mehr als gesicherte Heimat gilt. Israels Weiterbestehen, zumindest als "normaler Staat", ist keine Selbstverständlichkeit mehr.

      Der zionistische Traum scheint ausgeträumt, seit in Groß-Israel mehr Juden sterben als in der Diaspora. "Haben wir noch eine Zukunft?" fragte das Massenblatt Maariv kürzlich. 20 Prozent der Israelis gestehen, bereits über Auswanderung nachzudenken. Auch viele von denen, die nicht wegkönnen oder -wollen, fürchten, es sei für jede Lösung längst zu spät.

      Umfragen zeugen von totaler Konfusion. 70 Prozent bekennen sich zu Ministerpräsident Scharon, obwohl 69 Prozent glauben, er habe keine politischen Lösungsvorschläge. 70 Prozent unterstützen die "Operation Schutzwall", doch 74 Prozent sind zutiefst deprimiert. 70 Prozent hätten nichts gegen einen - wenn auch kleinen - palästinensischen Staat, aber weder unter Arafat noch unter der Hamas. 49 Prozent sind gegen den saudischen Friedensplan, aber 50 bis 70 Prozent wären für ein unterschiedliches Ausmaß eines Abbruchs jüdischer Siedlungen - gäbe es eine Chance, mit Palästinensern Sicherheit gegen Territorien auszuhandeln.

      Von Scharon werden weder der Abbruch von Siedlungen noch territoriale Kompromisse erwartet, nach "Operation Schutzwall" gibt es keine funktionsfähige Autonomiebehörde, keine für Teillösungen bereite Alternativpartner mehr. Und nach dem Machtzuwachs nationalistisch-religiöser Kreise in der Regierung könnte auch bereits der Vorschlag von Siedlungsauflösungen das Land in einen Bürgerkrieg treiben.

      Nur wenige Israelis behaupten, sie hätten keine Angst, mit dem Bus zu fahren, im Supermarkt einzukaufen, im Restaurant zu sitzen oder ins Kino zu gehen. Mit Beginn der Badesaison am Sonntag sollen nun auch die Mittelmeerstrände von massiven Polizeitruppen und bewaffneten Rettungsschwimmern gesichert werden. Man schafft es nicht, alle Toten zu betrauern, die Friedhöfe arbeiten auf Hochtouren, die Hinterbliebenengemeinde wächst rapide. Die Apotheken melden gesteigerte Nachfrage nach Antidepressiva und Schlafmitteln. Da zieht es keine Einwanderer, Touristen oder Investoren mehr ins Land.

      Nach dem Selbstmordanschlag von Mittwoch - inmitten der Operation zur vermeintlichen Zerschlagung der Terrorinfrastruktur und bei "hermetischer Abriegelung" - kann es kaum noch Illusionen geben, dass Rachegelüste nicht wieder neue palästinensische Selbstmordkandidaten motivieren. Dennoch bietet Scharon den Amerikanern, den bisher zuverlässigsten Beschützern, die Stirn, und die Mehrheit heißt es gut. Die Hoffnungslosigkeit erweckt in Israel einen Herdenpatriotismus, der sich zunehmend in verlogenem Konsens, moralischer Arroganz und Selbstgerechtigkeit äußert. Wo man rationales Abwägen zwischen notwendigen territorialen Kompromissen und dem Wert menschlichen Lebens erwartet, wird der hohe Blutzoll damit gerechtfertigt, dass er für "die Rettung der Heimat" bezahlt wurde.

      Israel hat nicht nur den Kopf verloren, sondern auch Herz und Seele. Damit der jüdische Staat nicht nur ein kurzes Kapitel in der Geschichte bleibt, muss Israel wohl von außen heftig geschüttelt werden, bis es endlich zur Besinnung kommt.

      taz Nr. 6724



      Noch vor kurzem totgesagt, blüht der PLO-Chef trotz seiner Notsituation wieder auf: Mit "Mr. Palästina" muss weiter gerechnet werden
      Von Evangelos Antonaros

      Kairo - Die Anrufe kommen meist in der Nacht. Abu Ammar, wie Jassir Arafats Kampfname lautet und wie er seit Jahrzehnten von den Palästinensern genannt wird, ist ein Nachtmensch. Er braucht nicht viel Schlaf, in den letzten zwei Wochen in seinem engen Quartier in Ramallah unter Hausarrest bekommt er nicht einmal den. "In der Regel stellt er konkrete, gezielte Fragen, will von uns wissen, wie die Lage draußen beurteilt wird", berichtet der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath, der mehrmals in der Nacht in Kairo aus dem Schlaf gerissen wird.

      Aber immer häufiger hat Arafat in den letzten Tagen gereizt gewirkt, das berichten auch andere Gesprächspartner, die der PLO-Chef am Telefon angebrüllt hat. Auch Schaath gibt zu: "Er wird ungeduldig, weil die Weltöffentlichkeit nichts getan hat und weil es zu diesen schrecklichen Massakern gekommen ist."

      Vor wenigen Tagen noch hatte man Arafat abgeschrieben, offenbar auch in Washington. Jetzt aber spricht kaum jemand davon, dass "Mr. Palästina" abtreten soll. US-Außenminister Colin Powell nennt den 72-Jährigen den "legitimen Vertreter aller Palästinenser", seine politischen Gegner auch - von der in Syrien angesiedelten PFLP bis zu den Hamas-Islamisten. "Es ist erstaunlich, aber vor allem in Krisenzeiten blüht Arafat auf", meint ein in Kairo lebender palästinensischer Journalist.

      Oft ist Mohammed Abdel-Rauf Arafat al Kudwa al-Husseini, wie der Palästinenserchef mit vollem Namen heißt, in seinem Leben auf der Flucht gewesen - Ende der siebziger Jahre in Jordanien, 1982 in Beirut. Einmal stürzte er mit seiner Maschine in der libyschen Wüste ab, später wurde er in Amman operiert. Schon damals hatte man ihn totgesagt - zu früh, wie jetzt auch. Doch diesmal hat er bewusst die Entscheidung getroffen, in Ramallah auszuharren, von israelischen Panzern umstellt, schwerbewaffnete Soldaten direkt vor seiner Zimmertür. Die meiste Zeit verbringt er vor dem Fernseher, die italienische Schnellfeuerpistole direkt vor sich auf der Tischplatte. Schaath: "Abu Ammar hätte sich lieber umgebracht, als sich in Exil schicken zu lassen." "Ich werde nie kapitulieren", ließ er einen Vertrauten in Amman wissen. Und als Christiane Amanpour, Chefreporterin vom CNN-Fernsehen, im Telefoninterview eine Frage stellte, die er als persönliche Beleidigung empfand, reagierte er schroff und legte auf: "So geht man mit General Arafat nicht um." Ein Titel, den er in dieser Zeit besonders gern benutzt, um gegenüber seinem Volk die Kriegssituation zu unterstreichen.

      Scharons Angebot, zum Beiruter Arabergipfel ohne Rückfahrtmöglichkeit auszureisen, lehnte er ab, obwohl ihm damals schon die Gefangenschaft unerträglich geworden war. Schaath: "Die Israelis haben die Wasserleitungen zerschossen. Seit Wochen hat sich in den drei Zimmern, die ihm und seiner Begleitung zur Verfügung stehen, niemand gewaschen. In der einzigen Toilette ist der Gestank kaum auszuhalten."

      Arafats Hauptquartier in Ramallah, 1920 von den Briten als Gefängnis erbaut, 1994 von den Palästinensern übernommen und renoviert, besteht nur noch aus Trümmern. "Der Ra`is (Anführer, Präsident) ist ein Held", skandieren wieder die Menschen im Gazastreifen. Aber Arafats Entscheidung, sein Leben zu riskieren, war weniger eine Heldentat, sondern eine bewusste Entscheidung aus kühlem politischem Kalkül - wie so oft in seiner 35-jährigen Laufbahn als PLO-Chef. Er hat genau gewusst, hätte er sich "in Sicherheit" bringen lassen, wäre es diesmal mit seinem Einfluss endgültig vorbei gewesen. Israels Vorstoß in die besetzten Gebiete mag Hunderte von Palästinensern das Leben gekostet haben. Aber Arafat hat politisch über lebt. Kaum jemand in der Region, in Europa oder in Amerika glaubt, dass ohne oder gar gegen Arafat zur Zeit eine Waffenruhe möglich wäre. In langen Telefongesprächen mit Saeb Erakat in Jericho oder mit Schaath hat er sich gründlich auf die heutige Begegnung mit Powell vorbereitet. Schaath:"Die Amerikaner werden sich wundern, wie entschlossen Arafat auftreten wird."

      Die Welt
      Avatar
      schrieb am 13.04.02 19:59:08
      Beitrag Nr. 12 ()
      Leo, warum bringst Du keine Zitate z.B. von Rabin, der spät in seinem Leben erkannt hat, daß dieser Konflikt nicht militärisch lösbar ist?
      Die verallg. von den Israelis oder den Juden lässt sich leicht widerlegen.


      Und für alle, die glauben, daß das alles weit weg passiert:

      PALÄSTINENSERPROTESTE IN DEUTSCHLAND

      Steine gegen die britische Botschaft

      Über 20.000 Palästinenser und deutsche Sympathisanten demonstrierten in Deutschland gegen die israelischen Militäraktionen. In Berlin flogen Steine gegen die britische Botschaft.



      Frankfurt - Mehrere tausend Menschen sind am Samstag in Deutschland gegen die Militäroffensive Israels in den Palästinenser-Gebieten auf die Straße gegangen. Die größte Demonstration fand in Berlin statt, wo rund 11000 Teilnehmer vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz zogen. Dem Aufruf eines Solidaritätsbündnisses aus etwa 40 Gruppen und Vereinen waren auch zahlreiche deutsche Sympathisanten gefolgt.
      Auf Spruchbändern hieß es: «Schluss mit deutschen Waffenexporten für Israel!» Mit der Aktion wollten die Teilnehmer Forderungen nach dem sofortigen Abzug des israelischen Militärs aus den besetzten Gebieten und der Durchsetzung der UNO-Beschlüsse Ausdruck verleihen. Randalierer schleuderten dabei Steine gegen die britische Botschaft, es kam zu Rangeleien zwischen Beamten und Demonstranten. Schließlich wurden die Störer von Polizisten und palästinensischen Ordnern abgedrängt. Die Organisatoren der Demonstration distanzierten sich später von den Störern, so die Polizei.

      Auch in Frankfurt am Main, Düsseldorf und Baden-Württemberg kam es zu Protestaktionen. In der Mainmetropole schätzen Polizei und Veranstalter die Teilnehmerzahl auf 6000, in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen versammelten sich rund 5.000 Menschen. In Mainz, wo zunächst nur 500 Demonstranten erwartet worden waren, kamen am Nachmittag nach Polizeiangaben 1.500 Personen zusammen. In Baden-Württemberg bezifferte die Polizei die Zahl der Demonstranten auf rund 2800.

      Mit Lautsprechern und auf Plakaten verlangten die Demonstranten in Frankfurt «Stoppt den Völkermord in Palästina» und fragten «Wo sind die Menschenrechte in Palästina?.

      Aufgerufen hatten islamische und arabische Gemeinde und Vereine aus Frankfurt und Umgebung. Begleitet von einem relativ geringen Polizeiaufgebot marschierten Frauen und Kinder voran, ihnen folgten die Männer. Die Demonstranten riefen unter anderem «Sharon ist ein Mörder und Terrorist», «Israel raus aus Palästina» und «Kindermörder Sharon». Für den Sonntag ist eine Demonstration jüdischer Organisationen in Berlin angekündigt
      Avatar
      schrieb am 15.04.02 09:52:32
      Beitrag Nr. 13 ()
      Wo vor zwei Wochen noch Tausende Palästinenser lebten, herrscht Totenstille

      Gab es ein Massaker im Flüchtlingslager von Dschenin? / Israel gewährt erstmals Journalisten Zutritt / Von Jörg Bremer


      DSCHENIN, 14. April. Stickige Hitze liegt über dem menschenleeren Flüchtlingslager von Dschenin. Vor zwei Wochen wohnten dort noch 15 000 Menschen, bis sie die israelische Armee vertrieb. Eine kleine Journalistengruppe gehörte am Sonntag zu den ersten Zivilisten, die nach den schweren Kämpfen wieder in das Lager durften. Sie sollten Berichte der Armee bestätigen, daß es in diesem Teil von Dschenin nicht zu einem "Massaker" unter der palästinensischen Bevölkerung gekommen war. Oberleutnant Joni Wolff war einer der Zugführer, dessen Männer sich von Haus zu Haus durch das Lager vorgekämpft hatten. "Ich sah kein Massaker, ich sah, was ich sah."

      Wohl die Hälfte der Selbstmordattentäter in den vergangenen Monaten kam aus dem Lager in Dschenin nach Israel. Viele andere aus dem nördlichen Westjordanland erhielten in diesem Lager ihren "Segen", bevor sie nach Israel weiterfuhren. Deshalb erstaunt es nicht, daß die israelischen Soldaten in dem Lager von Dschenin auf den größten Widerstand stießen. "Die meisten Menschen hatten das Lager längst verlassen, als sie kamen", bestätigt der stellvertretende Brigadekommandeur Yoni Lavie.

      Dann hätten sich wohl noch 200 Terroristen der israelischen Armee entgegengestellt. "Wir isolierten das Lager von der Stadt und drangen dann langsam von Haus zu Haus ins Zentrum vor, wo bei einem Hinterhalt 13 Soldaten innerhalb weniger Minuten im Feuer der Terroristen umkamen." Insgesamt kamen 15 Israelis bei den Kämpfen in Dschenin ums Leben.

      Seit etwa 24 Stunden ist weitgehend Ruhe in dem Lager eingekehrt, die fast wie Totenstille wirkt. Es werden immer noch Minen entdeckt. Nur eng nebeneinander dürfen die Besucher auf einem schmalen Pfad zwei Straßenzüge entlang über zerborstene Wasserrohre und durch tiefe Pfützen gehen. Neben dem Weg ragen Drähte hervor, die wohl dazu dienten, Minen zur Explosion zu bringen. Wolff berichtet, die meisten Häuser seien schon leer gewesen bei ihrem Vormarsch. Seine "Kollegen" hätten sich von Haus zu Haus, von Stockwerk zu Stockwerk "sehr langsam und sehr vorsichtig vorgearbeitet". Man habe einmal eine alte Frau, dann ein Kind vor einer Tür gesehen und sofort eine Falle geahnt. "Das Lager war auf den Krieg vorbereitet", sagt Wolff. Nur ein paar Tage zuvor hätten alle Zivilisten das Lager verlassen. Die, die dann noch blieben, dienten als menschliche Schutzschilde. Hinter deren Rücken hätten die Kämpfer auf die Soldaten gewartet. Sie hätten Bomben an Türen und Eisschränken gefunden, die zu explodieren drohten. Die Armee hätte es sich leichter machen können, hebt Wolff hervor. "Sie hätte das ganze Lager einfach aus der Luft ausradieren können. Aber wir wollten die verbliebene Zivilbevölkerung nicht zu stark in Mitleidenschaft ziehen."

      Oberstleutnant Schmul Tsuell ist Arzt. Es habe ständig die Möglichkeit gegeben, Verletzte zu bergen, sagt er. Sie hätten auch in das einzige Krankenhaus in Dschenin gebracht werden können, das sich am Rande des Lagers befindet. Das hätten die Palästinenser aber auch ausgenutzt, fährt Tsuell fort. Einmal hätten sie einen gesuchten Attentäter mit Infusionskanülen aus einem Haus getragen, obwohl er vollkommen gesund war. Festgenommen habe die Armee auch den Mann, der sich als Sanitäter verkleidet habe, um so mit einem Sanitätswagen ins Krankenhaus zu kommen.

      Bleierne Stille liegt über den staubigen Straßen des Lagers. Die Türen und Häuserwände zur Straße hin wurden von Bulldozern und Panzern einfach niedergefahren. Ihre Trümmer liegen auf der Straße. In den Ruinen dahinter stehen auf den Regalen in den Läden noch Haarwaschmittel, Klopapier und Dosen mit Pflaumen. In einem Friseurgeschäft hängt ein zerbrochener Spiegel. Es riecht noch süßlich nach Haarspray. Hinter Gittern warten Hühner in einem anderen kleinen Geschäft auf Nahrung. Sonst gibt es in dem Lager kein Leben mehr - bis die Armeeführung mitteilt, man habe 19 Palästinenser lebend in den Trümmern auf der anderen Seite des Lagers entdeckt. Doch die Journalisten sehen nur etwa ein Fünftel des Lagers, und zu den Verschütteten gelangen sie nicht.

      Sie bekommen nur das Zentrum zu Gesicht, wo einmal zwei zentrale Gassen aufeinanderstießen. Dort türmt sich nur noch ein einziger Trümmerhaufen auf. Noch in der Nacht zum Sonntag fuhren Bulldozer diese Häuser nieder. Unklar blieb, ob unter den Steinen noch Leichen lagen. Nicht weit davon entfernt sei das Haus mit dem Hinterhof gewesen, in dem 13 jüdische Soldaten eines Bataillons ums Leben gekommen seien, berichtet Wolff. Weil man in diesem Abschnitt auf den größten Widerstand gestoßen sei, sei hier auch am meisten zerstört worden. "Mehrfach haben wir die Leute aufgefordert, aus den Häusern zu kommen und sich zu ergeben." Meistens hätten die Zivilisten dann auch das Haus verlassen wollen, seien dann aber vielfach von Kämpfern daran gehindert worden.

      Major Rafi Ledermann nennt Zahlen. Von den 15 000 Menschen im Lager hätten 13 000 das Lager verlassen, bevor die Armee einrückte. Danach hätten die Kämpfer die Häuser und Straßen vermint und sich für den Kampf verschanzt. Mindestens 2000 Menschen seien also noch im Lager gewesen. Mindestens 500 davon hätten sich ergeben. Viele andere seien entkommen.

      Sind damit einige hundert bei einem "Massaker ums Leben gekommen"? Die Armee spricht von einigen Dutzend Verletzten, die in mindestens drei Schüben zum Krankenhaus hätten gebracht werden können. Diese Darstellung weist das Internationale Rote Kreuz zurück. Ihm sei bis jetzt verwehrt worden, in das Lager zu kommen. Während schon Journalisten die Stätte der Verwüstung besichtigen dürfen, können auch verschiedene UN-Organisationen und die Weltbank nicht hinein, obwohl es am vergangenen Mittwoch schon einmal eine Genehmigung dafür von Generalstabschef Mofaz gegeben habe: Die Lage sei noch zu gefährlich, es gebe noch zu viele Minen, heißt es bisher. Es war ihnen nicht einmal gestattet worden, Leichensäcke und Blutkonserven in das Krankenhaus zu bringen, sagt Paul McCenn von der UN-Organisation UNWRA.

      Der israelische Sanitätsoffizier Suad Chalchal berichtet, Israel selbst habe das Krankenhaus mit dem Nötigsten versehen. Sauerstoffflaschen seien geliefert und die elektrische Versorgung sei sichergestellt worden. Unter den Palästinensern im Lager habe es etwa 50 Verletzte gegeben, bis jetzt habe man 90 Prozent der Häuser durchsucht und nur 26 Leichen gefunden. Es seien auf jeden Fall schon drei Leichen beerdigt worden. Die weiteren Leichen durften erst am Sonntag nachmittag geborgen und bestattet werden, nachdem das Oberste Gericht Israels dazu die Genehmigung erteilt hatte. Zwei arabische Parlamentsabgeordnete hatten am Freitag in Jerusalem Einspruch gegen eine Massenbeerdigung erhoben. Die Armee plane wohl, hatten sie vermutet, die "Massaker" durch entehrende Massenbestattungen zu vertuschen. Das weisen die Soldaten in Dschenin zurück. Aber Oberleutnant Wolff gibt zu, daß es wohl einige tote Palästinenser geben könnte, die unter den von den Bulldozern zerstörten Häusern liegen. "Dabei haben wir mehrfach mit Megafon diese aufgefordert, endlich aus den Häusern zu kommen, wir haben auch mit dem Einsatz von Raketen aus F-16-Jets gedroht. Und da haben bestimmt die meisten die Häuser verlassen", sagt Wolff.

      Mitten im Schmutz schwirren Fliegen um einen Leichnam. Es ist einer der etwa fünfzig palästinensischen Toten, von denen die israelische Armee mittlerweile spricht. Der bleiche Kopf ist auf die linke Hand gefallen, die gerade noch aus dem Betongeröll herausragt. In schwarzer Uniform hockt der Tote als vielleicht letzter und stummer Zeuge eines unverhältnismäßigen Kampfes in den Trümmern einiger Dutzend niedergewalzter Häuser.
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      schrieb am 16.04.02 10:20:35
      Beitrag Nr. 14 ()
      INTERVIEW MIT DEM ISRAELISCHEN PSYCHOLOGEN HAIM OMER

      "Scharon war schon als Kind so"

      Israels Premierminister Ariel Scharon und Palästinenserführer Jassir Arafat haben ihre Völker in eine heillose Spirale der Gewalt geführt. Wie kann man ihr entkommen? SPIEGEL ONLINE sprach mit dem israelischen Psychologen Haim Omer.




      Haim Omer, 53, ist Professor für Psychologie an der Universität Tel Aviv


      SPIEGEL ONLINE: Herr Omer, sie haben Mechanismen der Eskalation von Gewalt in der Familie untersucht. Betrachten wir einmal Ministerpräsident Ariel Scharon und Palästinenserchef Jassir Arafat als Teil einer Familie. Was läuft in dieser Familie falsch?
      Omer: Es ist vor allem die Furcht, die beide voreinander haben. Scharon zum Beispiel hat zudem die unglaubliche Angst, etwas zu tun, das als schwach ausgelegt werden könnte. Vielen Eltern geht es so in der Beziehung zu ihren Kindern. Doch die Haltung "Ich muss zeigen, wer der Boss ist" führt unweigerlich zur Eskalation.

      SPIEGEL ONLINE: Sollte Scharon gegenüber den Palästinensern also Schwäche zeigen?

      Omer: Wir Israelis sollten nicht darauf schauen, ob unser Handeln als Stärke oder Schwäche erscheint. Wir sollten überlegen, was in unserem Interesse ist.

      SPIEGEL ONLINE: Welches Handeln wäre im Interesse Israels?



      Omer: Unser erstes Ziel muss es sein, uns gut verteidigen zu können. Dazu müssen wir uns aus den besetzten Gebieten zurückziehen. Unsere Grenze würde dadurch kürzer und klarer - und wäre somit einfacher zu verteidigen. Als sich Israel vom Sinai zurückgezogen hat, konnte man das damals als Schwäche auslegen, doch wir haben es getan, weil es in unserem Interesse war.

      SPIEGEL ONLINE: Scharon würde wohl sagen, wann immer Israel den Palästinensern entgegengekommen ist, haben sie dies ausgenutzt und Terroranschläge verübt.

      Omer: Nun, da wir stark auftreten, gibt es jedoch noch mehr Terroranschläge. Als wir uns aus dem Libanon zurückgezogen haben, kam es dagegen nicht zu den befürchteten Angriffen auf Israel. Es war lange Zeit ruhig an der Grenze. Die Zeit, da fast täglich israelische Soldaten getötet wurden, hatte ein Ende.

      SPIEGEL ONLINE: Jetzt gibt es aber wieder Raketenangriffe aus dem Libanon auf den Norden Israels.



      Omer: Das ist eine Reaktion auf unsere Maßnahmen in den besetzten palästinensischen Territorien.

      SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie, dass ein Rückzug Israels ohne Gegenleistung auch die Selbstmordattentäter der Hamas, des Dschihad Islami und der al-Aksa-Brigaden ruhig stellen würde?

      Omer: Ich gebe mich keineswegs der Illusion hin, dass wir durch einen einseitigen Rückzug der israelischen Armee die Sympathien der Palästinenser gewinnen werden. Ich weiß, dass die Palästinenser kein Interesse daran haben, mit uns einen Frieden zu schließen. Und die Hamas, der Dschihad und die al-Aksa-Brigaden werden sicherlich weiter versuchen, uns anzugreifen. Dennoch: Die Dynamik der Eskalation kann nur einseitig aufgelöst werden, niemals symmetrisch. Die einseitige Vorleistung ist eine Voraussetzung für die Entschärfung jeglicher Eskalation, in der Familie ebenso wie in der Politik.

      SPIEGEL ONLINE: Scharon versucht derzeit eine einseitige Lösung durch die Besetzung der Autonomiegebiete herbeizuführen. Wie viel Aussicht auf Erfolg geben sie ihm?



      Omer: Scharon versucht der anderen Seite den entscheidenden Schlag zu verpassen. Dies ist eine große Illusion, die dem Eskalationsmechanismus inne wohnt. Die Palästinenser sind weit davon entfernt, aufzugeben. Die Geschichte lehrt, dass Völker nur kapitulieren, wenn sie mindestens 25 Prozent ihrer Bevölkerung verloren haben. Sollten Palästinenser und Israelis auch nur fünf Prozent Verluste in Kauf nehmen, hieße das, dass die Palästinenser 125.000 Menschen und die Israelis 45.000 Menschen einbüßen müssten. Das zeigt: Scharons Strategie kann nicht aufgehen.

      SPIEGEL ONLINE: Wie groß ist die Chance, dass die Palästinenser eine Deeskalation herbeiführen?

      Omer: Zur Zeit sehr gering.

      SPIEGEL ONLINE: Wenn beide Seiten dazu offenbar nicht in der Lage sind, wie kann es dann zu einem Frieden kommen?

      Omer: Beide Seiten werden nur auf starken internationalen Druck hin handeln.


      SPIEGEL ONLINE: Die Amerikaner handeln bei ihrem Anti-Terror-Feldzug in Afghanistan ähnlich wie Scharon im Nahen Osten. Warum meinen Sie, dass sie auf Israel Druck ausüben können?

      Omer: Scharon und Bush haben zwar ähnliche Ansichten, doch da die Interessen der USA derzeit anders gelagert sind als die Israels, müssen sie versuchen, Israel zu stoppen. Die Amerikaner und die internationale Staatengemeinschaft müssen erkennen, dass der Druck auf Israel positive Folgen haben wird. Denn er wird der israelischen Regierung erlauben, sich zurückzuziehen, ohne das Gesicht zu verlieren.

      SPIEGEL ONLINE: Warum gelingt es Scharon nicht, aus eigener Kraft aus der Spirale der Gewalt auszusteigen?

      Omer: Scharon ist über die Jahre hinweg immer sehr konsequent gewesen in seiner Politik: Er hat eine Neigung, die brutalere Option zu wählen.

      SPIEGEL ONLINE: Wie erklären Sie das als Psychologe?

      Omer: Es ist eine persönliche Neigung Scharons. Ich erkläre das nicht psychologisch. Es ist sein Temperament. Er war schon als Kind so. Schwäche ist für ihn ein Alptraum.

      SPIEGEL ONLINE: Wäre Ihnen Benjamin Netanjahu als Premierminister lieber als Scharon?



      Omer: Netanjahu ist ganz anders als Scharon. Scharon fragt sich, wie werde ich möglichst stark erscheinen, und geht in der Regel den brutalen Weg. Netanjahu dagegen tendiert dazu, Optionen zu wählen, die in seinem Interesse liegen. Weil er ziemlich eigensüchtig und opportunistisch ist, kommt er eher zu pragmatischen Lösungen. Doch da Netanjahu ein Mann ohne moralische Prinzipien ist, kann er auch sehr hart zuschlagen. Zumindest aber wäre er flexibler als Scharon.

      Das Interview führte Alexander Schwabe
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      schrieb am 16.04.02 17:47:28
      Beitrag Nr. 15 ()
      Plan-Spiele

      Im Nahen Osten geht es einen Schritt vor und zwei zurück - bestenfalls kommt man so zum Ausgangspunkt der Madrid-Konferenz von 1991 zurück, als die Israelis den Namen Arafat nicht mal in den Mund nahmen


      Von Inge Günther

      An schönen Plänen, den Nahost-Konflikt zu befrieden, mangelt es nicht: Angefangen bei Tenet und Mitchell bis hin zu Fischers Sieben-Punkte-Vorschlag, den aber in West-Jerusalem keiner ernst nimmt. Zudem machte das US-Magazin Time jetzt publik, dass in Washington neu über Wege zu einer baldigen palästinensischen Staatsgründung nachgedacht wird.

      Prompt zog auch Israels Premier Scharon einen Plan hervor, nachdem er monatelang nur vage von "schmerzvollen Kompromissen" sprach. Er befürwortet jetzt eine regionale Friedenskonferenz, eine Art Madrid II unter US-Schirmherrschaft, an der sich prinzipiell alle arabischen Nachbarstaaten sowie eine palästinensische Delegation beteiligen können - nur nicht PLO-Chef Arafat. Mit diesem Einfall rückte Scharon heraus, nachdem Stunden zuvor US-Außenminister Powell mit seinem Besuch in Ramallah den geächteten Palästinenserführer zu einem legitimen Dialogpartner erhob.

      Arafat machte gute Miene zum durchschaubaren Spiel und reagierte taktisch. Wenn die USA es so wollten und Israel die besetzten Städte im Westjordanland räume, könne er sich die Sache vorstellen. Wissend, dass kein Palästinenser es wagen wird, an seiner Stelle teilzunehmen.

      Ein Schritt vor und zwei zurück. Bestenfalls kommt man so zum Ausgangspunkt der Madrid-Konferenz von 1991 zurück, als die Israelis den Namen Arafat nicht mal in den Mund nahmen. Im schlechteren Fall führt der Scharon-Vorschlag zu gar nichts. Es sei denn, über Frieden zu reden, statt ihn zu machen, während das blutige Tagesgeschäft anhält.

      Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
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      schrieb am 17.04.02 00:19:46
      Beitrag Nr. 16 ()
      Spiegel online:

      Zwei Dollar pro Tag zum Überleben

      Von Süleyman Artiisik

      Die Wirtschaft im Westjordanland ist am Boden. Jeder Tag der Blockade durch die israelische Armee kostet die Ökonomie Palästinas mehrere Millionen Dollar. Jeder zweite Palästinenser lebt in Armut. Uno-Helfer warnen vor einer drohenden Hungersnot.


      Berlin - Die Lage der Bevölkerung in den Autonomiegebieten Palästinas wird von Tag zu Tag immer verzweifelter. Der anhaltende Krieg im Nahen Osten hat weitreichende Konsequenzen für die Bewohner der besetzten Gebiete. "Die wirtschaftliche Lage in Palästina ist vollkommen zerrüttet. Die Menschen in den besetzten Gebieten leben in völliger Armut", sagt Mahmoud Ala-Edin, stellvertretender Generaldelegierter Palästinas in Deutschland. Die Menschen im besetzten Ramallah hätten nicht einmal finanzielle Mittel, um sich Seife und Toilettenpapier zu besorgen.
      Uno-Helfer warnen derweil vor einer Hungersnot unter palästinensischen Flüchtlingen. Sie müssten dringend mit Nahrungsgütern versorgt werden, heißt es in einer Erklärung der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) der Vereinten Nationen vom Montag. Zugleich beklagte die FAO, dass sich durch die israelische Absperrung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens die wirtschaftliche und soziale Lage der Palästinenser enorm verschlechtert habe.


      Das bestätigt auch ein Bericht der Weltbank vom März diesen Jahres. Demnach hat sich in den vergangenen 18 Monaten die Zahl der in völliger Armut lebenden Palästinenser von rund 20 auf nun 45 bis 50 Prozent der Gesamtbevölkerung erhöht, die unter der Uno-Armutsgrenze leben. Das bedeutet, dass jeder zweite Bewohner der Westbank mittlerweile mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen muss.

      Weiterhin heißt es, dass die Schrumpfung der palästinensischen Wirtschaft vor allem durch die Arbeitslosigkeit im privaten Sektor angetrieben wird. 75.000 bis 80.000 Palästinenser hätten ihren Job in Israel verloren, während andere 60.000 nicht mehr ihrer Arbeit innerhalb der palästinensischen Gebiete nachgehen können. Im Westjordanland trifft das auf knapp die Hälfte und im Gaza-Streifen auf gut 30 Prozent der Bevölkerung zu. Auf der Westbank war bisher rund ein Drittel der erwachsenen Bewohner auf Arbeit in Israel angewiesen. Insgesamt schätzen die Gutachter der Weltbank, die Erwerbslosigkeit in den besetzten Gebieten bis zu 50 Prozent.

      Mit bis zu vier Milliarden Dollar kalkulieren die Experten die Einbußen, welche die palästinensische Wirtschaft innerhalb eines Jahres wegen der Blockade erlitten hat. Nach einer Studie der Vereinten Nationen richtete die israelische Armee in diesem Zeitraum in Lagern Zerstörungen im Werte von rund 3,8 Millionen Dollar an. Jeder Tag koste die palästinensische Ökonomie derzeit zwischen sechs und acht Millionen Dollar. Die Einfuhren aus Israel sollen im vergangenen Jahr um 33 Prozent zurückgegangen sein.

      Die Verarmung des palästinensischen Volkes erfolgte allerdings schon lange vor dem Beginn der zweiten Intifada. Sie ist auch ein Ergebnis der Misswirtschaft des PLO-Führers Jassir Arafat und der von ihm verfügten rigiden Steuer- und Zollverträge der Autonomiebehörde mit Israel.
      Avatar
      schrieb am 17.04.02 11:07:49
      Beitrag Nr. 17 ()
      Jetzt werden selbst Familienväter zu Selbstmordattentätern
      Anschläge werden zum allpalästinensischen "Joint Venture". Ein Attentat kostet die Terroristen 4000 Dollar

      Von Rolf Tophoven

      Berlin - Der Selbstmordterrorist aus Gaza oder dem Westjordanland war gewöhnlich zwischen 18 und 27 Jahre alt, unverheiratet, arbeits- und perspektivlos, religiös fanatisiert und stammt aus einer armen meist kinderreichen palästinensischen Familie. Die Masse der Suizidkandidaten waren eifrige Studenten an den religiösen Zentren und Schulen der Hamas und des Dschihad Al Islami, von den Spähern der Islamistenorganisationen handverlesen und sorgfältig ausgesucht, einem harten psychischen "Stabilitätsprogramm" unterzogen und nach einem längeren Prozess der Vorbereitung mit der Sprengladung am Leib oder in der Aktentasche auf den Todestrip nach Tel Aviv oder Jerusalem geschickt.

      Seit Beginn der so genannten Al-Aksa-Intifada im September 2000 stimmt dieses Profil des früheren palästinensischen Kamikazeterroristen nicht mehr oder nur noch bedingt. Heute sprengt sich auch ein nicht religiöser 47 Jahre alter Palästinenser wie Daoud Abu Saway, Familienoberhaupt und Vater von acht Kindern, vor einem Luxushotel in Jerusalem in die Luft. Denn heute brauchen Hamas und Dschihad so gut wie keine Werber für ihre Suizidmissionen. Freiwillige gibt es im Überfluss.

      Waren es in der Vergangenheit fast ausschließlich die Kamikazekommandos der Hamas und des Dschihad, die "lebende Bomben" in die Städte Israels schickten, so haben mit der Verschärfung der Konfrontation auch Arafats Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden den taktischen Wert des Selbstmordterrors erkannt. Mehr als ein Dutzend Attentate gehen auf das Konto der Arafat-Gruppe. Manche Operation wurden gemeinsam mit Hamas und Dschihad geplant und durchgeführt.

      Neu bei dem terroristischen "Joint Venture" zwischen den Märtyrer-Brigaden und der Hamas ist die Tatsache, dass bei den Arafat-Anhängern der religiöse Aspekt, in der Regel prägend für die Hamas-Terroristen, wegfällt und ihr Tun "von einer enormen Verzweiflung, Perspektivlosigkeit und Frustration weiterzuleben" domestiziert ist. So jedenfalls erklärt der israelische Extremismusforschers Ehud Sprinzak, Professor an der Universität von Jerusalem, die zunehmende Akzeptanz für den terroristischen Selbstmord innerhalb der palästinensischen Gesellschaft.

      Im gemeinsamen Kampf gegen Israel haben sich derzeit die Nationalisten um Arafat und die Islamisten um den Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin unter dem Signum einer gemeinsamen (Selbstmord-)Strategie verschworen. Das Ziel: viele Israelis zu töten, die Gesellschaft zu demoralisieren und die Infrastruktur zu lähmen.

      Die Vorbereitung einer Todesmission ist mittlerweile relativ einfach. Fünf bis sechs Menschen werden gebraucht: Wächter, Fahrer, Sprengstoffexperten, Elektriker. Wie Israels Inlandsgeheimdienst Schabak entdeckte, sind die Bomben häufig simpel hergestellt. In Garagen, Hinterhöfen oder gemieteten Apartments werden sie fabriziert.

      Aber die Hamas besitzt auch vier oder fünf Profis unter den Bombenbastlern, die spezielle Sprengsätze mit hoher Wirkung herstellen. Nach Schabak-Angaben kommen zu diesen Spezialisten noch Aktivisten, die andere Teile für Anschläge liefern. "Die Gesamtkosten eines Sprenggürtels belaufen sich auf ungefähr. 2000 bis 4000 Dollar. Das hängt von der Qualität der Bombe ab", so ein Experte.

      Es klingt zwar makaber, aber die Begeisterung für terroristische Selbstmörder hat in der palästinensischen Gesellschaft zuletzt einen neuen "Boom" erreicht. Kinder spielen auf den Straßen "Märtyrer". Aufdrucke mit den Konterfeis der Attentäter zieren T-Shirts und Schlüsselanhänger. Manche Familien zelebrieren in Zeitungsannoncen geradezu den Status ihres Sohnes, der als "Märtyrer" starb.

      Lukrativ ist das "Märtyrertum" für die Familie eines "Shahid" allemal. Denn durch seinen Tod hebt der Selbstmordattentäter zum einen posthum den gesellschaftspolitischen Status und das Ansehen seiner Sippe innerhalb der palästinensischen Gesellschaft, zum anderen zahlen die Islamistenorganisationen zwischen 600 bis 1000 Dollar an monatlicher Rente an jede Familie, die einen "Märtyrer" stellt. Und auch Saddam Hussein hat sich wieder eingemischt: Für jeden Attentäter hat er kürzlich die einmalige Zahlung von 10.000 auf 25.000 Dollar aufgestock

      Die Welt



      Arafat wird nicht weichen. Nie! Den muß schon der Teufel holen!
      Avatar
      schrieb am 19.04.02 12:04:42
      Beitrag Nr. 18 ()
      Scharon?!

      Hamas droht Regierung Israels Ermordung an
      BEIRUT, 16. April (afp). Der bewaffnete Arm der palästinensischen Untergrundorganisation Hamas hat mit der Ermordung der israelischen Regierung und der Armeeführung gedroht. Mit der Festnahme des Fatah-Chefs im Westjordanland, Marwan Barghuti, hätten Israels Ministerpräsident Ariel Scharon und sein Kabinett "die Tore zur Hölle" geöffnet, teilten die Kassam-Brigaden in einer Erklärung am Dienstag mit. Die Regierung und die Armeeführung seien mit der Festnahme Barghutis am Montag in Ramallah "zu legitimen Zielen" geworden, die getötet werden könnten. Premier Scharon sei verantwortlich für die Sicherheit von Barghuti, den die Armee in ein Gefängnis brachte, sowie aller in Israel inhaftierten Hamas-Mitglieder, hieß es in der Mitteilung weiter.Siehe auch das FR-Spezial Der Nahost-Konflikt

      Copyright © Frankfurter Rundschau 2002


      Der Sieg der Hardliner
      Dem Nahen Osten stehen finstere Zeiten bevor. Die Powell-Mission ist gescheitert, die Region wird ungebremst in neue Gewalt und ungeahntes Chaos stürzen. Die Selbstmordanschläge werden weitergehen. Die israelischen Gegenschläge werden noch härter, Israel wird in der arabischen Welt noch verhasster werden. All das wird unwägbare Auswirkungen auf die Stabilität der autokratischen arabischen Regime haben, die die Palästinenser erneut schmählich im Stich gelassen haben.

      Kommentar von GEORG BALTISSEN

      Die Palästinenser selbst werden lange brauchen, um sich von Scharons Schlägen zu erholen. Die Infrastruktur der Autonomiebehörde liegt in Schutt und Asche. Die zivilen Behörden müssen neu aufgebaut werden. Ohne ein Ende der Gewalt und ein Minimum an Freiheit ist daran aber nicht zu denken.

      Scharon ist es gelungen, den Friedensprozess von Oslo endgültig zu demontieren. Er wird den Siedlungsbau massiv fördern und die Palästinenser weiter einschnüren. Israels Rechte hat die Formel "Land gegen Frieden" nie akzeptiert. Und sie wird weiterhin alles tun, um die Wiedererstehung des biblischen Eretz Israel zu betreiben.

      Jassir Arafat ist in die Falle der Hardliner im eigenen Lager getappt. Seine unentschiedene Haltung gegenüber den Selbstmordattentätern ist für ihn zum Bumerang geworden. Denn die USA haben Scharons Formel akzeptiert, dass der Kampf gegen Hamas und die Al-Aksa-Brigaden das Gleiche ist wie der US-Krieg gegen Bin Laden. Die Forderung der USA nach einem sofortigen Abzug der israelischen Armee konnte somit nur halbherzig bleiben. Die USA haben Israel noch nicht mal dazu zwingen wollen, die UN-Resolutionen zu befolgen, die sie selbst im Sicherheitsrat unterstützten. Die US-Politik ist derzeit in der eigenen Widersprüchlichkeit gefangen. Einerseits hat Georg W. Bush nicht den Mut, gegen Israel das durchzusetzen, was nötig wäre - andererseits braucht er, mit Blick auf Bagdad, eine baldige Entspannung im Palästina-Konflikt. Man will Israel schonen - und den Irak angreifen. Beides zusammen funktioniert aber nicht. Solange die USA Israel nicht zum Einlenken bewegen, wird es kein arabischer Staat wagen können, einem US-Angriff gegen den Irak als Bündnispartner beizutreten.

      Die Sieger der Eskalation in Palästina und der gescheiterten US-Mission sind fürs Erste die Hardliner in der Region: Ariel Scharon, Baschar al-Assad und Saddam Hussein. Die Rechnung aber dürfen wieder einmal die Palästinenser bezahlen.

      taz Nr. 6728
      Avatar
      schrieb am 19.04.02 12:16:17
      Beitrag Nr. 19 ()
      19.04 12:09/Saudi-Arabien will nicht an irakischem Ölboykott teilnehmen

      Moskau (vwd) - Der saudiarabische Außenminister Prinz Saud al-Faisal hat am Freitag erneut eine Beteiligung seines Landes am irakischen Ölboykott ausgeschlossen. "Öl ist keine Waffe wie etwa eine Kanone oder ein Panzer", sagte er während einer Pressekonferenz in Moskau. Allerdings werde man die Intifada des palästinensischen Volks auch weiterhin unterstützen. Die dafür notwendigen Ressourcen werde das Öl liefern.
      vwd/19.4.2002/jej

      Immerhin, die Araber haben aus früheren Fehlern gelernt. Lassen den Westen nun den Krieg gegen die Israelis finanzieren ! :D
      Somit beißt sich Katze wieder einmal selbst in den Schwanz.


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      Amos Oz: Es finden zwei Kriege statt