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    eröffnet am 02.07.02 21:45:39 von
    neuester Beitrag 03.07.02 12:36:18 von
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      schrieb am 02.07.02 21:45:39
      Beitrag Nr. 1 ()
      P O P U L I S M U S

      Helden des Ungefähren

      Schröder und Stoiber - der Wahlkampf, das Volk und die Mediendemokratie




       
      Eindeutig die besten Noten erhält Edmund Stoiber in seiner Rolle als "Kandidat" für einen Verzicht. Er könnte, so lautet das Lob, eine Trumpfkarte zücken und gegen Gerhard Schröder als "Populist" auftreten, der Xenophobie, Chauvinismus, autoritäres Denken oder Ängste vor dem grenzenlosen Europa schürt und nutzt, doch genau das vermeidet er sorgfältig. Wie er überhaupt um Politik einen Bogen macht.

      Tatsächlich: Eine Auseinandersetzung über die Osterweiterung der EU findet nicht statt. Mit dem Agrarland Frankreich legt sich eher der Kanzler als der Kandidat an. Der tritt als kreuzbraver Europäer auf, es sei denn, er spricht vor den Vertriebenen. Dann gibt er dem Affen Populismus Zucker, egal, ob es sich um Tschechien handelt oder Polen. Und wegen des Migrationsgesetzes geht die Union nach Raus Unterschrift zwar nach Karlsruhe, aber ganz "emotionslos". Stattdessen hat der Präsident - nicht ohne populistischen Unterton - die Parteien gerügt, die das allerdings geradezu provoziert hatten.

      Populismus kommt laut und schrill daher. Die Kultur des Ressentiments dagegen wird derzeit auf geradezu dezente Weise gepflegt und gehegt. Sie appelliert an Gefühle und Ängste, ohne sich eine Blöße zu geben oder sich ertappen zu lassen. Wer ein anderes Migrationsgesetz wolle, so hört sich das dann bei Stoiber an, der solle ihn am 22. September wählen. Suggeriert wird damit, obwohl es ihn tatsächlich gar nicht gibt, wie Johannes Rau richtig festhält, ein großer Unterschied: Die Regierenden wollten die Schleusen für "Fremde" öffnen, die Opposition hingegen halte sie garantiert geschlossen. So wird es angedeutet, gesagt wird es so nicht. Derart vollendet ist diese Verzichtspolitik, dass sie sogar in einer logischen Pointe mündet. Ganz leise deutet Stoiber nämlich hie und da an, für den Fall, dass er nicht gewänne, komme demnächst ein Rechtspopulist auch bei uns dran. Plastischer als mit diesem Plädoyer für das kleinere Übel, den Mann, der nicht Haider ist, lässt sich die Pflege der Ressentiment-Kultur kaum beschreiben.

      Daran gemessen, liefert der Kanzler derzeit sogar einige "populistische" Talentproben mehr als der Kandidat. Dennoch, weder sind Schröder und Stoiber "Populisten", noch ist ihnen Populismus fremd. Man kann auch, wie Joschka Fischer, an der Spitze der Popularitätsskala stehen und dennoch jeden Populismus vermeiden. Das aktuelle deutsche Problem heißt nicht Populismus. Die Schwierigkeit, die hierzulande zu spüren ist, besteht vielmehr darin, dass es einen trennscharfen Unterschied zwischen den Populisten von rechts, den Helden der Mediendemokratie und dem Zwang, die Mitte zu repräsentieren, wenn man Erfolg haben will, nicht wirklich gibt. Und das spielt auch im "Kampf um Berlin" eine Rolle. Je stärker sich Politik und Medien amerikanisieren, und das muss man keineswegs kulturpessimistisch beklagen, umso größer wird der Druck, sich in der "Mitte" populär zu machen. Und wie kann man da populär werden, ohne einerseits als Entertainer zu glänzen und andererseits mit Augenblinzeln und Andeutungen - also ohne das Vulgäre von Westerwelle & Möllemann - auch jenen ein Obdach zu bieten, die sich in den großen Parteien derzeit nicht mehr zu Hause fühlen?

      Vermutlich ist Popularität in der Mediendemokratie ohne einen Schuss Populismus schwer zu haben. Nicht einmal das wäre ein Grund zum Wehklagen, solange man beim Namen nennen kann, was anständig und unanständig ist. Noch bevor sie im Fernsehen aufeinandertreffen, wollen Schröder und Stoiber sich für Bild zu einem Duell einfinden. Der Grund ist evident: Einmal ist es ohnehin nicht so einfach, gegen Bild zu regieren. Zum anderen aber, das belegen hinlänglich die Geburtstagsarien zum Fünfzigsten, ist es heutzutage geradezu schick, sich mit dem Blatt zu arrangieren. Einwände gegen das "entsetzliche, menschenverachtende Blatt" erhebt in der Schärfe fast nur noch die FAZ.

      Bis zu Bild und der populistischen Form von Wahrheit, die dort oft serviert wird, führt jedenfalls die Spur, die anzeigt, in welchem Maß sich die politische Öffentlichkeit in einer gewissen Beliebigkeit auflöst. Schröder und Stoiber ist es nicht anzulasten, dass Politik sich heute stärker den Gesetzen der Medienwelt fügen muss denn je. Und dort werden "Erfolg", "Macht" und "Aufmerksamkeit" groß geschrieben, Politik hingegen kaum oder nicht. Im Zeitalter von Christiansen, Biolek, Beckmann oder Kerner, schreibt Klaus-Peter Schmidt-Deguelle, Medienberater vor allem an der Seite Hans Eichels, sichere "nur die Unterhaltsamkeit der Politik noch Aufmerksamkeit und verleiht ihr möglicherweise sogar Bindungskraft". Daraus folgert er: Zu viel Inszenierung schadet, mit zu wenig scheitert man (in: Jenseits des Regierungsalltags - Strategiefähigkeit politischer Parteien; hrsg. von Frank Nullmeier und Thomas Saretzki; Campus).

      Zu viel - ganz offensichtlich hat Schröder erst spät gemerkt, dass er mit Inszenierungen "Popularität" gewinnen kann, aber Glaubwürdigkeit als ernsthafter Politiker verliert. Zu wenig - für Stoiber lag es nahe, sich als Archetypus von Sachlichkeit und Bescheidwissen anzubieten. Er oder ich!, das war insgeheim auch sein Muster. Aber das ändert nichts daran, dass natürlich auch der "Kandidat" eine Großinszenierung ist, erst recht gilt das für sein "Kompetenzteam". Unerlaubt ist die Suche nach Medienpopularität ohnehin nicht. Mehr noch: Auch "Populismus" selbst hat viele Gesichter und Facetten, darunter legitime oder verständliche. Er stellt gerade nicht das "Böse", nicht einmal das "Dunkle" moderner Gesellschaften an und für sich dar. In dem großen schummrigen Kommunikationsraum, in dem wir uns alle bewegen, in dem aber die klassischen Rollen von Politik, Medien, Demoskopie, Werbung, Wissenschaft und Sachverstand sich ineinander aufgelöst haben, erscheint der Populismus nur plötzlich als das klar erkennbare Vis-à-vis. Er ist eine Antwort auf die Formlosigkeit, vielleicht auch auf liberale Gesellschaften, die allmählich zerfasern. Er nutzt nur Ressentiments oder Ängste. In der Regel ist er aber nichts als die vollendete Gleichgültigkeit.

      Schröder und Stoiber wissen, dass es einen Haiderismus ohne Haider geben könnte, und auf den schauen sie wachsam. Warum präsentierte sich Stoiber denn sonst stolz als der Kandidat vom Münchner Haslbergl? Die "kleinen Leute" dort und in anderen urbanen Problemzonen möchte er ansprechen, die Mühseligen und Beladenen, die Nachbarn der "Fremden", die auszuhalten haben, was ihnen diejenigen aufbürden, denen es besser geht und die in den "weißen" Vierteln leben, die nicht zu den Problemzonen zählen. Ob man das nun Sozialpopulismus nennt oder nicht, in der Sache mobilisiert es die Stimmung gegen "die da oben" - die Politik an der Spitze der Bewegung.

      Der Bremer Historiker Paul Nolte hat jüngst (in der Financial Times Deutschland) davor gewarnt, angesichts des Gespenstes Populismus, das in Europa umgeht, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Und richtig: Vor allem sein Hinweis auf die soziale Massenbewegung im späten 19. Jahrhundert in den USA, auf basisdemokratische Strategien gegen die Mechanismen der klassischen Politik und auf die bleibenden Verdienste für die politische Kultur in Amerika nimmt sich aktuell aus.

      In dem Sinne pirschen sich Stoiber und einige seiner Helfer an den Rechtspopulismus durchaus heran. Umgekehrt aber greifen sie keineswegs "basisdemokratische" Elemente auf, ganz im Gegenteil. Kein Hauch von Plebiszitärem darf sein, nirgends!, rufen sie Rot-Grün zu. Und den "zivilgesellschaftlichen" Weg, den einer engagierten Bürgergesellschaft, hat die Union weit weniger zu ihrer Sache gemacht als die Sozialdemokraten. Proteststimmen sammeln ist eine Sache, aber soziale Bewegungen sind etwas ganz anderes, Frauenbewegung, Friedensbewegung, sie machen Angst. Der "Kandidat vom Haslbergl" der möchte er einerseits schon sein. Aber latent wuchert ein Misstrauen gegen "die da unten", wenn man sie nicht unter Kontrolle hat. Vor der "Straße" haben Konservative nun mal Angst. Das setzt ihrer Anfälligkeit für Populismus Grenzen.

      Mit Oskar Lafontaine hat sich das größte populistische Talent der SPD aus der Politik katapultiert. Aber wie bei Franz Josef Strauß war es ein "Populismus von oben", ein Widerspruch in sich. An Lafontaine reicht Schröder in der Hinsicht nicht heran. Bei Stoiber ist das Problem nicht der Verzicht auf Populismus, sondern sein Verzicht auf Politik. Politik wiederum hat Schröder in seinen dreieinhalb Jahren als Kanzler durchaus gemacht, und gar nicht so wenig. Unpolitisch klingt vor allem der Zeitgeist, zu dem es gehört, diese kurze Etappe mit ihren dramatischen Aufs und Abs schon wieder zu einem "Ereignis" zu erklären, das man abbucht wie, sagen wir, die Proklamation von "Guido" zum "Kanzlerkandidaten". Heikler als solche Kritik ist für den Kanzler die Frage, ob sein Kurs der Mitte, kombiniert mit Dr. Stoibers gesammeltem Schweigen, nicht den Eindruck von Austauschbarkeit, Ununterscheidbarkeit, von einem Kartell der Großen und inhaltlicher Indifferenz bestärkt, von dem der "Populismus" zehren könnte.

      Gesammeltes Schweigen der Mitte

      Mit anderen Worten: Nur eine Bühne, die leer ist, kann auch von Populisten besetzt werden. Im Osten bildet die PDS ein solches Ersatz-Amalgam, das "dem Volk" Stimme gibt. Apo, Anti-AKW-Bewegung, Bürgerinitiativen, die Grünen - alle Protestformen sind im Westen ausprobiert und absorbiert worden, ein Wunder wäre es nicht, wenn die nächste Protestformation fundamentalistischer als alle vorherigen aufträte. Man muss nicht ganz so weit gehen wie Claus Koch, der kürzlich in der taz von der "politischen Leere Europas" sprach, vom "Erlöschen jeder politischen Leidenschaft" sowohl bei vielen Politikern als auch bei Journalisten und Wählern. Aber tendenziell ist seine Beobachtung von der "Entpolitisierung" richtig.

      Man darf aber nicht vergessen: In liberalen Gesellschaften gibt es keine Politik von "oben". Das allein Entpolitisierung zu nennen wäre verkehrt. Gerade diese Liberalität aber lädt zum "Populismus" ein. Die Grenze zur Graswurzeldemokratie und zur zivilen Gesellschaft mit weniger Staat ist grundsätzlicher Art - und schwer zu erkennen. Bloß, für diese wirkliche oder vermeintliche "Entpolitisierung" verantwortlich sind nicht nur Politiker, die in der Popularitäts- und Unterhaltungsfalle sitzen, sich den Mediengesetzen fügen und in der "Mitte" gewählt werden müssen. Das führt sie in die andere Falle, die der Verwechselbarkeit. Schuld sind auch die Öffentlichkeiten - die "Zuschauer" -, die Grundkonflikte um Richtungen nicht mehr hören wollen, schon gar nicht die quälend langsamen politischen Prozesse. Die Politik aber, über die sie klagen, ist immer auch der Spiegel, in den sie sehen.



      Quelle: Die Zeit;
      Avatar
      schrieb am 02.07.02 22:04:34
      Beitrag Nr. 2 ()
      Ich weiß, wie die Sache um die Agrarsubventionen Frankreichs nach der EU Osterweiterung aussehen werden. Wir werden wieder einmal zahlen müssen. Schließlich hat man das Thema auf die letzte Minute verschoben und uns dann die Knarre an den Kopf zusetzen. Späte Rache, die ewig währt.
      Avatar
      schrieb am 02.07.02 22:20:32
      Beitrag Nr. 3 ()
      Die Populisten sind überall, auch bei den Grünen. Folgt man nämlich der Grünen Vollmer, dann sind die Ausländer am Antisemitismus in der BRD schuld. Die Deutschen können es nicht sein, denn die sind ausreichend sozialisiert!
      aus Konkret 7/02

      Thomas von der Osten-Sacken
      Karslis raus!


      Auf der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban hatten vergangenes Jahr Delegierte aus aller Welt die wahren Ursachen des Rassismus entdeckt: Israel und die Juden. Iranische, arabische, lateinamerikanische und europäische Delegierte einte die Erkenntnis, daß zwischen ihnen und einer Welt ohne Diskriminierung nur der jüdische Staat noch stehe.
      Spät, aber entschieden kommt jetzt aus Frankfurt Einspruch. Nicht die Juden sind am Rassismus, aber die Ausländer am Antisemitismus schuld. Denn von Antje Vollmer weiß die Welt, daß die Deutschen "gründlich zivilisiert" sind, also keine Antisemiten mehr sein können. "Was also ist", fragt die "Frankfurter Allgemeine", "die Ursache für die Antisemitismusaffäre"? Und antwortet: "Der Fall Karsli/Möllemann ist ... das erste Anschauungsstück, wie sich Deutschland in seinem Wesen wandeln wird, wenn die Einwanderung weiter zunimmt und wenn immer mehr Männer und Frauen, die ihre Sozialisation nicht in der deutschen Gesellschaft erfahren haben, wahlberechtigte Bürger dieser Bundesrepublik werden."

      Das deutsch-französische Gipfeltreffen, auf dem Schröder und Chirac kürzlich erklärten, die Frage der Zuwanderung dürfe nicht den rechtspopulistischen Parteien überlassen werden, und eine effektivere Bekämpfung illegaler und sonstiger Einwanderung forderten, ist also nur verständlich im Rahmen einer couragierten anti-antisemitischen Kampagne. Grenzkontrollen, Infrarotkameras, Bürgerwehren an der deutschen Ostgrenze, Rückschiebungen in Länder wie den Irak, Syrien und die Türkei sind nur ein kleiner Teil des aufwendig geführten Kampfes.

      Vielleicht sollten zukünftig in Aufnahmelagern und Abschiebehaftanstalten Schilder mit der Aufschrift "Nie Wieder" oder "Wehret den Anfängen" angebracht werden. Schily und seinem Bundesgrenzschutz wäre zudem im Rahmen dieses "Aufstandes der Anständigen" die Kampagne "Abschieben gegen Antisemitismus" nahezulegen.
      Avatar
      schrieb am 03.07.02 12:36:18
      Beitrag Nr. 4 ()
      Was hat den Schröder auf seinen EU Gipfeln bisher erziehlt.
      Außer Niederlagen ist mir nicht bekannt.


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